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68 Natürlich | 8-2005 S o kennt man sie. «Recycle!», ruft die energiesprühende kenianische Vizeministerin mit ihrer heiseren, aber durchdringenden Stimme in den Raum. «Do not waste!» Und dann präsentiert Wangari Maathai den Journa- listen im UN-Presseraum in Nairobi die vermeintliche Lösung der kenianischen Abfallfrage – ein Verbot von Plastiktüten. Sie hält einen Bastkorb hoch: «Damit sind wir früher einkaufen gegangen.» Zurück zu den kulturellen Wurzeln, das ist ihr Motto an diesem Tag. Sisal- oder Palm- körbe statt Plastiktüten – das schafft Arbeit, hält einheimische Pflanzen und Arbeitstechniken am Leben, nützt der Natur und hilft, Abfall zu vermeiden. Doch ist fraglich, ob sie dafür im Parla- ment eine Mehrheit findet. Wenige Wochen später nimmt sie den Tod des Papstes zum Anlass, wieder ein- mal feierlich ein paar Bäume zu pflanzen. Mit dem Erzbischof von Nairobi und Tausenden Glaubensgenossen versam- melt sich die strenggläubige Katholikin im Freiheitspark. Zur Erinnerung an die drei Papstbesuche in Kenia gräbt sie ein paar Setzlinge ein. Das sei sinnvoller, als irgendwo Blumen niederzulegen, sagt Wangari Maathai. Nobelpreis verschaffte Popularität Auch nach dem Erhalt des Friedens- nobelpreises im Dezember 2004 macht die 65-Jährige nicht den Eindruck, sie wolle sich zur Ruhe setzen. «Das ist kein Thema», sagt sie. Und wann immer sich eine Gelegenheit bietet, nutzt «Mama Miti» sie für ihren grünen Werbefeldzug. «Mama Miti», Mutter der Bäume, so heisst sie in Kenia. Der Nobelpreis hat ihr, der geschiede- nen, lange Zeit verfemten und verfolgten Aussenseiterin, eine Popularität verschafft, die sie weit über das tagespolitische Geschehen ihrer Heimat hinausragen lässt. In ihren knallbunten, traditionellen Ge- wändern mit Kopfputz ist sie in jeder Menschenmenge, auf jedem Zeitungsfoto sofort auszumachen. Doch wie kommt ein Bauernmädchen aus dem Busch zu einer solch herausragenden Rolle? Warum wühlt die erste Professorin Kenias ständig mit den Händen im Schlamm und sieht es als ihre Lebensaufgabe an, mit Frauen zu reden, die weder lesen noch schreiben können? Wie wird aus einer radikalen Strassenkämpferin eine Vizeministerin und Friedensnobelpreisträgerin? Die Lauf- bahn der «schwarzen Grünen» ist wohl einzigartig in Afrika. Dank Vater eine gute Schulbildung Wangari Muta Maathai, die am 1. April 65 Jahre alt wurde, stammt aus einer armen Kikuyu-Familie nahe des Mount Kenya. Der Aufstand der Mau-Mau-Kämpfer für die Unabhängigkeit spielte sich vor der

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So kennt man sie. «Recycle!», ruftdie energiesprühende kenianischeVizeministerin mit ihrer heiseren,aber durchdringenden Stimme in

den Raum. «Do not waste!» Und dannpräsentiert Wangari Maathai den Journa-listen im UN-Presseraum in Nairobi dievermeintliche Lösung der kenianischenAbfallfrage – ein Verbot von Plastiktüten.Sie hält einen Bastkorb hoch: «Damit sindwir früher einkaufen gegangen.» Zurückzu den kulturellen Wurzeln, das ist ihrMotto an diesem Tag. Sisal- oder Palm-körbe statt Plastiktüten – das schafftArbeit, hält einheimische Pflanzen undArbeitstechniken am Leben, nützt derNatur und hilft, Abfall zu vermeiden.Doch ist fraglich, ob sie dafür im Parla-ment eine Mehrheit findet.

Wenige Wochen später nimmt sie denTod des Papstes zum Anlass, wieder ein-mal feierlich ein paar Bäume zu pflanzen.Mit dem Erzbischof von Nairobi undTausenden Glaubensgenossen versam-

melt sich die strenggläubige Katholikinim Freiheitspark. Zur Erinnerung an die drei Papstbesuche in Kenia gräbt sie einpaar Setzlinge ein. Das sei sinnvoller, alsirgendwo Blumen niederzulegen, sagtWangari Maathai.

Nobelpreis verschaffte PopularitätAuch nach dem Erhalt des Friedens-nobelpreises im Dezember 2004 machtdie 65-Jährige nicht den Eindruck, siewolle sich zur Ruhe setzen. «Das ist keinThema», sagt sie. Und wann immer sicheine Gelegenheit bietet, nutzt «MamaMiti» sie für ihren grünen Werbefeldzug.«Mama Miti», Mutter der Bäume, soheisst sie in Kenia.

Der Nobelpreis hat ihr, der geschiede-nen, lange Zeit verfemten und verfolgtenAussenseiterin, eine Popularität verschafft,die sie weit über das tagespolitischeGeschehen ihrer Heimat hinausragen lässt.

In ihren knallbunten, traditionellen Ge-wändern mit Kopfputz ist sie in jederMenschenmenge, auf jedem Zeitungsfotosofort auszumachen. Doch wie kommt einBauernmädchen aus dem Busch zu einersolch herausragenden Rolle? Warumwühlt die erste Professorin Kenias ständigmit den Händen im Schlamm und sieht esals ihre Lebensaufgabe an, mit Frauen zureden, die weder lesen noch schreibenkönnen? Wie wird aus einer radikalenStrassenkämpferin eine Vizeministerinund Friedensnobelpreisträgerin? Die Lauf-bahn der «schwarzen Grünen» ist wohleinzigartig in Afrika.

Dank Vater eine gute SchulbildungWangari Muta Maathai, die am 1. April 65Jahre alt wurde, stammt aus einer armenKikuyu-Familie nahe des Mount Kenya.Der Aufstand der Mau-Mau-Kämpfer fürdie Unabhängigkeit spielte sich vor der

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Porträt GESELLSCHAFT

elterlichen Hüttentür ab. Das Mädchenmusste sich nachts im Wald versteckenaus Angst vor Vergewaltigung durch dieHomeguards, die afrikanischen Söldnerder britischen Kolonialmacht. Sie erin-nert sich deutlich an jene Jahre desTerrors, obwohl ihr Vater Muta versuchte,die Familie aus dem Krieg herauszu-halten. Er verdiente etwas Geld als Fahrereines weissen Farmers und legte Wert aufdie Schulbildung seiner sechs Kinder,auch der Töchter.

Wangari tat sich in der katholischenOberschule in den Naturwissenschaften be-sonders hervor. Ein Stipendium des Bischofsvon Nyeri ermöglichte ihr ein Studium inden USA, wo sie Biologie an der UniversitätPittsburgh in Pennsylvania belegte.

Erste Doktorin in OstafrikaIn Pittsburgh war sie überrascht von derhohen Zahl von Schwarzamerikanern,die dort lernten. Das selbstbewusste

Auftreten der Schwarzen war sie von zuHause nicht gewohnt. Gespannt verfolgtesie die Aktivitäten der Bürgerrechts- undFrauenbewegung und die Anti-Vietnam-kriegs-Kampagne, doch konzentrierte siesich auf ihren Abschluss.

Ihr Professor Charles Ralph kann sichnoch gut an seine begabte Studentin erin-nern. «Miss Muta», wie sie damals nochhiess, «hätte jede Chance gehabt, in denUSA zu bleiben und dort zu arbeiten», sagter. Doch nach sechs Jahren im Ausland –Heimflüge konnte sie sich nicht leisten –hatte Wangari Maathai Heimweh. Ihr Landwar am 12. Dezember 1963 unabhängiggeworden, und sie wollte beim Aufbaudabei sein. In Nairobi promovierte sie 1971in Veterinäranatomie. Sie war die ersteFrau in ganz Ost- und Zentralafrika, derKenias Gründungsvater Jomo Kenyatta dieDoktorurkunde überreichen konnte. 1977wurde sie zur ersten Professorin der Regionund übernahm die Abteilung für Veteri-näranatomie an der Universität Nairobi.

Hungersnöte als Folge von AbholzungSeit 1974 hatte sie versucht, durchAufforstung das Wohnumfeld der Slum-bewohner in Langata-Nairobi zu verbes-sern und dadurch Jobs zu schaffen.Anfänglich war es nur ein kleiner Bei-trag zum Wahlkampf ihres damaligenMannes Mwangi, der 1974 ins Parla-ment einzog. Wangari Maathai machteaus der Privatinitiative in 30 Jahreneine Massenbewegung, der heute 6000Frauengruppen mit rund 100000 Mit-gliedern angehören. Der NationaleFrauenrat Kenias unterstützte die anfäng-lich «Save the Land Harambee» genannteKampagne seit 1977. Die engagiertenFrauen erkannten die Not der Bäuerin-nen auf dem Land. Sie fanden kaummehr Brenn- und Bauholz. Das Land ero-dierte, Flüsse trockneten in Folge vonAbholzung aus oder verschlammten. Esgab Hungersnöte in Gebieten, die niezuvor davon betroffen waren.

Als erste Umweltschützerin und als erste Afrikanerin

hat die Kenianerin Wangari Maathai den Friedensnobelpreis

erhalten.

Text: Stefan Ehlert Fotos: Martin Fischer

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PorträtGESELLSCHAFT

Wangari Maathai liebte es als Kind,am klaren Bach in der Nähe ihres Eltern-hauses mit Froschlaich zu spielen. Heutegibt es den Bach nicht mehr.

Ziel: Wandel der AbholzungsmentalitätKenia hat seit der Unabhängigkeit 90Prozent seiner Waldflächen verloren.Die verbliebenen Wälder sind lebens-wichtig für das Land, für die Wasser-gewinnung, für die Artenvielfalt, für dieDeckung des Holzbedarfs. Strom wird inKenia mit Wasserkraft erzeugt. Sinkendie Pegel in den immer häufiger auf-tretenden Dürreperioden, folgen Strom-sperren mit verheerendem Effekt für dieIndustrieproduktion. Doch der Druckauf die Wälder hat nicht nachgelassen,und ein seit 15 Jahren debattiertes,neues Forstgesetz zum Schutz derBäume konnte auch die Vizeumwelt-ministerin und Nobelpreisträgerin Maat-hai bislang nicht durchsetzen.

Mit Baumgürteln rund um Schulen,Höfe, Polizeistationen oder Klinikenversuchten sie und ihre Mitstreiterin-nen, einen Wandel der Abholzungsmen-talität in Kenia zu erreichen. Deshalbheisst ihre Bewegung «Grüngürtel-Be-wegung». Sie hat inzwischen rund 60Millionen Bäume gepflanzt, etwa dieHälfte davon hat überlebt. Das ergibtkeinen grossen Wald, aber viele Scho-nungen entstanden in den ökologischwichtigen Bergregionen, wo sich dieLebensumstände der Dörfler spürbarverbessert haben.

Ein Beispiel ist Wangari MaathaisGrundschule in ihrem Heimatort Ihithe:Sie bezieht das Holz für die Schulmöbelaus eigenem nachhaltigem Anbau. InSchulungen, oft auf einem Grasfleckenunter freiem Himmel, wurden undwerden die Bäuerinnen angehalten,kleine Schonungen und Baumschulenfür den Nachschub an Setzlingen anzu-legen. Mit dem Erfolg des Projekteswuchs das Ansehen der oft analphabeti-schen Frauen in ihren Gemeinden, aberauch ihr politisches Bewusstsein. Eswaren die Frauen, die 2002 in MaathaisHeimatwahlkreis Tetu durchsetzten,dass sie als Kandidatin fürs Parlamentaufgestellt und nach drei vergeblichenAnläufen in den zurückliegenden Jahr-zehnten gewählt wurde.

Unzählige Ehrungen erhaltenSeit den frühen 80er-Jahren wird WangariMaathai für ihre authentisch afrikanischeUmweltinitiative international geehrt. Siewurde Trägerin des Alternativen Nobel-preises, Frau des Jahres der Welt, ausge-zeichnet von Prinzessin Diana, sie folgteNelson Mandela und dem Dalai Lama alsTrägerin des Juliet-Hollister-Preises, nahmden Petra-Kelly-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung entgegen. Eine Million Euro fürden Friedensnobelpreis eingerechnet hatsie schätzungsweise 1,5 Millionen Euro(ca. 2,3 Millionen Franken) an Preisgel-dern erhalten. Von Anfang an hat auch dasUmweltprogramm der Vereinten Natio-nen in Nairobi (Unep) die grüne Basis-bewegung unterstützt. Unep bot Maathaisein Domizil in den Jahren der politischenVerfolgung sogar als Zufluchtsort an.

«Ich hatte einflussreiche Freunde inder Welt wie Al Gore oder Michail Gorbat-schow», antwortet sie, wenn man sie fragt,wie sie die finsteren Zeiten der nahezutotalitären Herrschaft von Daniel ArapMoi überlebte. Ihre internationale Promi-nenz dürfte ihr das Leben gerettet haben.

Denn auch sie wurde eingesperrt,von Polizisten verprügelt und bedroht.«Ich habe nicht gezählt, wie oft», sagtsie. ber sie wurde im Gegensatz zu ande-ren Regimegegnern nicht umgebrachtoder gefoltert. Ihr Gottvertrauen, sagtsie, ab ihr den Mut und die Energie, dieAngst zu überwinden und den Ein-schüchterungsversuchen des Regimes –oft im Alleingang – zu widerstehen.

Setzte Presse und Prominenz gezielt einAls einzelne Bürgerin verhinderte sie1989, dass die Regierung Moi im letztengrossen Park der Hauptstadt den grösstenWolkenkratzer Afrikas mit Moi-Statueerrichten konnte. Maathai zog vorGericht, schaltete die Presse ein undverursachte so viel Wirbel, dass sich dieausländischen Investoren zurückzogen.

1999 verhinderte sie die Abholzungund Bebauung der letzten Waldflächenvon Nairobi und rückte mit Verbündetenimmer wieder zu Pflanzzeremonien inden Karura-Wald aus. Dabei wurde sieblutig geprügelt. Fotos von der Attackegingen um die Welt, und sogar UN-Generalsekretär Kofi Annan beschwertesich über die Angriffe auf seine Sonder-beraterin für Abrüstungsfragen. WangariMaathai wurde zur Grossmeisterin deszivilen Ungehorsams und beherrschte esmit den Jahren immer geschickter, die inNairobi ansässige internationale Presse,die UN und Diplomaten für ihre Zieleeinzusetzen.

Vizeumweltministerin in der neuen RegierungBeharrlich setzte sie ihre Prominenz zurRettung politisch Verfolgter in Kenia ein.Weltbekannt wurde sie 1992, als Fotosvon halbnackten Kikuyu-Grossmütterndurch die Weltpresse gingen. Sie hatten imUhuru-Park für die Freilassung ihrerSöhne demonstriert und waren von der

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Porträt GESELLSCHAFT

Polizei niedergeknüppelt worden. Alsschärfstes Mittel des Protests zogen dieFrauen sich aus und verhängten damitnach alter Kikuyu-Tradition einen Fluchüber ihre Verfolger. Wangari Maathai hattedie «Mütter der Freiheit» unterstützt, siewar bei ihnen an diesem Nachmittag, dochdiese Szene konnte sie nicht mehr bewusstmiterleben. Eine Tränengasgranate hattesie am Kopf getroffen und ausser Gefechtgesetzt; Helfer brachten sie ins Nairobi-Hospital, wo aus Angst vor Repressaliendes Regimes nur wenige Ärzte es wagten,die Dissidentin zu behandeln.

Die Wahlen 2002 beendeten die fast40-jährige Herrschaft der Kenya AfricanNational Union (KANU) und brachteneinen Regierungswechsel. Ein Bündnisvon 15 Gruppierungen, die NationaleRegenbogenkoalition (Narc), errang dieMehrheit im Parlament. Mwai Kibakiübernahm nach 24 Jahren von Arap Moidie Macht. Wangari Maathai wurde zurVizeumweltministerin berufen, was keinebesondere Ehre war angesichts der Tat-sache, dass sie die prominenteste Um-weltschützerin des Landes ist und inihrem Wahlkreis nahezu 100 Prozentder Stimmen geholt hatte.

Nichts Neues in Kenias RegierungDie Zivilgesellschaft Kenias hatte nunihre wichtigste Aktivistin an die Regie-rung verloren; doch in ihrem Minister-büro im Maji-Haus konnte Wangari

Maathai in zweieinhalb Jahren nichtsbewegen. Kurz vor den Wahlen 2002hatte die korrupte Moi-Regierung nochZehntausende Hektar Wald im Mau-Escarpment zur Abholzung freigegeben.Bis heute wurde das nicht rückgängiggemacht, obwohl die Rücknahme derPreisgabe dieser kostbaren Waldflächenein Wahlversprechen der Narc-Koalitionwar. «Treten Sie zurück», wurde Maathaivon Mitstreitern Mitte 2004 aufgefordert,doch sie bat um Geduld.

Kibakis vornehmstes Wahlverspre-chen war 2002 der Kampf gegen dieKorruption gewesen. Staatliche Unter-nehmen, Banken und öffentliche Haus-halte waren unter Moi in einem Massegeplündert worden, das jegliche Ent-wicklung in Kenia zum Stillstand kom-men liess. Inzwischen steht auch dieneue Regierung wegen zahlreicherKorruptionsaffären in der Kritik. Wie zuMois Zeiten frieren internationale GeberMittel ein. Der britische BotschafterEdward Clay kritisiert die Gier derneuen Machthaber. «Sie können wohlkaum erwarten, dass es uns gleichgültigist, wenn sie vor lauter Gefrässigkeitalles wieder über unsere Schuhe erbre-chen», sagte der erboste Botschafter, derspäter bedauerte, sich so diplomatischausgedrückt zu haben.

Kibakis Staatssekretär für Ethik undgute Regierungsführung, John Githongo,sollte den Korruptionssumpf trocken legen.Doch wurde der langjährige Chef des Anti-korruptionsvereins Transparency Interna-tional offenbar mit dem Tod bedroht, sodass er im Februar 2005 sein Staatsamtper Fax aus dem Ausland niederlegte undes vorzog, in London zu bleiben.

Kritische Stimmen wurden lautWangari Maathai «gehört einer zweifel-haften Regierung an», schrieb die Frank-furter Allgemeine Zeitung bereits imOktober 2004, als die Nachricht vomersten Friedensnobelpreis für eine afrika-nische Frau bekannt wurde. Ihre Regie-rung ist seither nicht weniger fragwürdiggeworden, dennoch gehört sie ihr weiteran. Doch sie sagt: «Wir sind eine Koali-tion, da muss man Kompromisse ma-chen.» Und man müsse die guten Kräftein der Regierung unterstützen.

Doch wer sind die Guten? Inzwischengibt es auch Kritik an Wangari Maathai

selbst. Sie hatte ihr «Green Belt Move-ment» straff geführt, konnte es jedoch alsVizeministerin nicht weiter leiten. Statt-dessen übernahm ihre Tochter Wanjiraeine wichtige Funktion in der Leitungdes Movements, was manche Kritikerals Vetternwirtschaft bezeichnen.

Die verunglückten Kommentare derNobellaureatin zur Herkunft der Aids-seuche nahmen Aidsaktivisten zumAnlass, die Aberkennung des Nobelpreiseszu fordern. Maathai hatte mehrfach gesagt,es sei nicht ausgeschlossen, dass dasHI-Virus in westlichen Kampfstofflaborsentwickelt worden sei, obwohl dieseThese von Wissenschaftlern einhellig alsUnsinn bezeichnet wird. Doch die These,die auf dem Schwarzen Kontinent vieleAnhänger hat. Inzwischen gibt Maathaizum Thema Aids vorsichtshalber keinenKommentar mehr ab und hält sich auchaus der kenianischen Innenpolitik heraus.

Ihre neu gegründete Wangari-Maat-hai-Stiftung, finanziert mit dem Nobel-geld, steckt noch in den Kinderschuhen.Wie beim Thema «Schuldenerlass fürarme Länder» hat sie immer die afrikani-sche Perspektive betont und eine kriti-sche Haltung gegenüber den westlichenIndustrienationen eingenommen.

Flugsteuer für AfrikaWangari Maathai bewegt sich zurzeitlieber auf dem internationalen Parkett.Sie reiste zum Inkrafttreten der Kyoto-Klimaschutzvereinbarung nach Tokio, sieübernahm die Schirmherrschaft über einProgramm zum Schutz des Kongo-Regen-waldes und sitzt einer neuen Kommissionder Afrikanischen Union (AU) vor, dieeine bessere Zusammenarbeit mit Bürger-initiativen ermöglichen soll. Kaum imAU-Amt, forderte sie eine Extra-Steuerfür Flugreisen in Afrika. Der Erlössoll zur Armutsbekämpfung, für Gesund-heitsprojekte und Bildung ausgegebenwerden. Wann sie dieses Gesetz inKenia durchbringt? Sie weiss es nichtund bleibt dennoch unverdrossen: «Wirmüssen weiter kämpfen.» ■

– Stefan Ehlert (Jahrgang 1963) lebt als Afrika-korrespondent in Nairobi, Kenia. Er hat diebislang einzige Biografie Wangari Maathaisgeschrieben: «Wangari Maathai – Mutter derBäume», Verlag Herder Spektrum, Dezember2004, ISBN: 3-451-05580-5, Fr. 16.50

Die Friedensnobelpreisträgerin WangariMaathai bewegt sich auf dem internationalenPolitparkett. Hier trifft sie den deutschenBundesumweltminister Jürgen Trittin (links).

Foto

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