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Das Zukunftsmagazin der Nr. 21 l 12. Februar 2014 future Energiesparen mit Komfort: Die Häuser von morgen Die Zukunft des Bauens

Das Zukunftsmagazin der Nr. 21 l 12. Februar 2014...schon früher gab es ambitionierte Wohnprojekte zur Steigerung der ... dards entsprechen, sprunghaft erhöht, und damit auch das

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Das Zukunftsmagazin der Nr. 21 l 12. Februar 2014

future

Energiesparen mit Komfort: Die Häuser von morgen

Die Zukunft des Bauens

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Inhalt

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Ein gutes Bauwerk ist nicht jenes, das die Landschaft verletzt, sondern eines, das die Landschaft schöner macht, als vor der Errichtung des Bauwerks. Form und Funktion sollten eins sein, verbunden in einer spirituellen Einheit“, lautete die Philosophie des US-Architekten Frank Lloyd Wright (1867 bis 1959). Etwa zwei Generationen später fügte der Schweizer Architekt Peter Zumthor praktische Überlegungen hinzu: „Verglichen mit zeitgenössischer Musik oder Malerei hat Architektur ein viel größeres Potential, normale Leute abzuholen, weil etwas einfach sehr gut funktioniert, etwas praktisch ist und schön“.

Steigende Rohstoffpreise, Ressourcenknappheit und Klimawandel geben dem Bauen nun eine neue Dimension: Häuser sollen nun nicht nur schön und praktisch, sondern auch energieeffizient und damit leistbar sein. 40 Prozent des weltweiten Energiebedarfs entfallen derzeit auf Gebäude. Ab 2020 sollen alle Neubauten in der EU, ob zu privaten oder gewerblichen Zwecken groß oder klein, mit deutlich weniger auskom-men. Über die Bautrends, die daraus entstehen, lesen Sie auf den Seiten 4 und 5.

Wie viel Energie braucht ein Haus? Trotz der EU-Ziele ist Österreich noch nicht weit gekommen: Nur ein sehr kleiner Teil der Häuser in diesem Land entspricht Standards der Effizienz. Grund für die Zögerlichkeit bei der Umstellung könnte unter anderem die Qual der Wahl sein: Welches Haus ist das beste, wie viel verbraucht und wie viel kostet es? Auf Seiten 6 und 7 stellen wir Passivhäuser und Co. auf den Prüfstand.

Eine Auswahl an innovativen Vorzeigeprojekten unterschiedlichster Art sowie neuer Materialien für den Bau finden Sie auf Seiten 8 bis 11. Vor allem klimafreundliche Materialien aus der Natur sind im Kommen.

Außerdem sollen digitale Stromzähler nun in jedem Haus installiert werden und den individuellen Verbrauch genau registrieren. Hoff-nungen auf kleinere Energierechnungen stehen Ängste vor Überwa-chung und Datenmissbrauch gegenüber und nicht zuletzt ist das neue System ein Riesengeschäft. Erfahren Sie mehr darüber auf Seiten 12 und 13. Übrigens sollen die Stromnetze, die mitzählen, erstmals in der Seestadt Aspern getestet werden. Der im Bau befindliche neue Wiener Stadtteil soll höchsten Energie-Standards entsprechen. Doch auch schon früher gab es ambitionierte Wohnprojekte zur Steigerung der Energieeffizienz. Lesen Sie mehr über Erfolg und Misserfolg „autofreier Städte“ auf Seiten 14 und 15.

Viel Freude beim Lesen – und vielleicht auch beim Bauen – wünscht IhnenEva Stanzl

Editorial

Impressum

future erscheint als Verlagsbeilageder Wiener Zeitung.Medieneigentümer und Herausgeber:Wiener Zeitung GmbHMedia Quarter Marx 3.3Maria Jacobi-Gasse 1, 1030 WienTel.: 01/20699-0Geschäftsführung: Dr. Wolfgang RiedlerChefredakteur: Reinhard GöweilRedaktionelle Verantwortung Verlagsbeilagen: Prof. Paul VécseiMarketingleitung: Wolfgang Renner, MSc.Anzeigenleitung: Harald WegscheidlerIdee, Konzeption und Koordination: Eva StanzlRedaktion: Cathren Landsgesell, Helmut Ribarits, Ina WeberArtdirection: Richard KienzlDruck: Niederösterreichisches PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbH, Gutenbergstraße 12A-3100 St. Pölten

Die Offenlegung gemäß § 25 MedienG ist unter www.wienerzeitung.at/impressum ständig abrufbar.

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Bauen wird zunehmend zur Frage der Energie:

Gut wohnen heißt gut dämmen

Zukunftsmarkt Smart Metering:

Smarte Selbstkontrolle

Innovative Baumaterialien:

Klimafreundlicher Beton und Algen hinter Glas

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6Passivhäuser, Plusenergiehäuser & Co auf dem Prüfstand:

„Österreich steht am Anfang des energieeffizienten Bauens“

Städtebauliches Großprojekt Seestadt Aspern:

Smart City versus autofreie Stadt

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Autark wie ein Bergkristall ............................................................8Kalifornischer Traum im „Hochzeitskleid“ ......................................8Mobiles Hotelzimmer für zwei ......................................................9Forschungsplattform mit Erdkühlung ............................................9Telegramm ...............................................................................16

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Geht es um die Schaffung von Wohnraum, so nähert sich der typische Häuselbauer die-

sem Thema üblicherweise von ästhetischer und praktischer Seite. Doch spätestens bei der Frage der Energieeffizienz kommt zum individuellen Geschmack auch ein wesentlicher politischer Aspekt hinzu – jener der Energiesicherheit. Es ist nun gerade einmal drei Jahre her, dass in Tei-len Westeuropas die Öfen ausgingen. Infolge des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine stoppte der Energieriese Gazprom des rus-sischen Präsidenten Wladimir Putin die Exporte in Richtung Westen. Machtdemonstrationen die-ser Art sind keineswegs Jahrhundertereignisse: Das Öl-Embargo der Opec 1974 und dessen Neuauflage 1979 führten zu drastischen Stei-gerungen der Energiepreise und zur weltweiten Rezession. Der Wunsch nach Autarkie ist daher ein mäch-tiger Treiber in der Energiepolitik. Jüngstes Bei-

spiel dafür ist nicht zuletzt die deutsche Ener- giewende. Die Deutschen haben sich vorge-nommen, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 auf 50 Prozent zu steigern und den Stromverbrauch bis 2020 um zehn Prozent zu senken. Die Mittel für die ener-getische Gebäudesanierung wurden dabei auf jährlich 1,5 Milliarden Euro aufgestockt: Jährlich sollen zwei Prozent des Gebäudebestandes sa-niert werden.

Auch in Österreich ist der private Umgang mit Energie längst nicht mehr der persönlichen Frei-heit überlassen. Einerseits fordert die EU, dass bis 2020 alle Gebäude, also auch alle Einfamili-enhaus- und Wohnhaus-Neubauten, dem Nied- rigstenergie-Standard entsprechen sollen, wo-nach Gebäude einen Bedarf von nur einem Zehntel von jenem herkömmlicher Häuser haben dürfen. Andererseits gewähren die Bun-

Derzeit entfallen rund 40 Prozent des Energiebedarfs auf Gebäude. Ab 2020 sollen alle Neubauten in der EU jedoch mit deutlich weniger auskommen. Während die Energiepolitik nach Ressourcen-Unabhängigkeit strebt, wollen Häuselbauer nicht nur schön und praktisch, sondern vor allem kostengünstig wohnen. Von Eva Stanzl

Gut wohnen heißt gut dämmen

Bauen wird zunehmend zur Frage der Energie:

Foto: Fotolia/ Ingo Bartussek

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Gut wohnen heißt gut dämmen

desländer, die die Hauptlast der Wohnbauförderung tragen, nur noch Zuschüsse für Häuser mit Niedrig-energieniveau.

Diese rechtlichen Rahmenbedingungen haben die Nachfrage an Baustoffen, die den erforderlichen Stan-dards entsprechen, sprunghaft erhöht, und damit auch das Bestreben der Industrie, entsprechende Materi-alien und Technologien zur Verfügung zu stellen. Auf der materiellen Seite werden neue Arten von langlebigem Beton entwickelt, die Wärme besonders gut speichern können, ebenso wie Ziegel mit Hohl-Innenräumen, die spezielle Dämmestoffe beinhalten, sodass mit ihnen gebaute Häuser kaum bis keine Heinzung mehr benö-tigen (siehe Seite XXX). Die Gebäudetechnik ist ein Hafen der Hochtechnologie, die fast immer mit den Baumaterialien zusammenwirkt. „Beton als Baustoff hat eine große Wärme-Speicherfähigkeit und eine gute Leitfähigkeit. Bei guter Isolierung wärmt er das ganze Haus“, sagt Günther Sammer, Manager beim Bauinge-nieur Vasko und Partner. Rohre in der Decke transpor-tieren Warmwasser im Winter und geben die Wärme ins Zimmer ab, sowie Kaltwasser im Hochsommer, das die Raumluft kühlt.

Problem: FensterWer ein typisches Haus durch eine Wärmebildkamera betrachtet (siehe Foto links und unten), kann sofort erkennen, wo es anzusetzen gilt. Nach wie vor sind Fenster und Türen die Hauptverursacher übermäßigen Energieverbrauchs. Während die Versiegelung von Ein- und Ausgängen den typischen Zweck eines Hauses, das Wohnen, gänzlich vereiteln würde, gibt es bei Fenstern durchaus radikale Lösungen, die ein Öffnen derselben gar nicht mehr vorsehen. So verursacht in einem Passiv-haus das Lüften den größten Energieverlust, weswegen Puristen Frischluftbedürftige, die das Fenster öffnen, kategorisch als Umweltschädlinge abqualifizieren. Das geht natürlich vielen zu weit und ist auch für die Ge-samtbilanz des Wohnens nicht wirklich entscheidend.

Das Gesamtkonzept des neuen, energieeffizienten Bauens sieht einen möglichst geringen Verbrauch

bei maximaler Nutzung nachhaltiger Quellen vor. Ein gängiges Modell sind Heizungsenergie aus Sonnenlicht und Stromgewinnung aus Photovoltaik. Der Nach-teil: An einem typischen Tag in unseren Breitengraden scheint zu wenig Sonne, um genug Energie für Heizung, Warmwasser, Elektrogeräte und Licht abzuwerfen. Wenn, dann scheint die Sonne ausreichend gerade in der Jahreszeit, in der ohnehin nicht geheizt werden muss. Voll funktionsfähige Speicher, die die Sommer-sonne im Winter abgeben können, müssen erst auf den Markt kommen.

Besser funktioniert da schon die Geothermie, die vor allem in Ostösterreich und der südlichen Thermenregi-on eine realistische Alternative zur Ölheizung darstellt. Heizungen mit Erdwärme machen sich die höheren Temperaturen in den Tiefen über Bohrlöcher zu Nut-zen. Die Wärme wird in Form von Wasser oder Luft in die Heizung gepumpt oder zur Energiegewinnung genutzt.

Während es für neu geschaffenen Wohnraum also zahlreiche Möglichkeiten des energieautarken

Haushaltens gibt, stellen sich Stadtplaner und Politik

noch eine ganz andere, aber mindestens ebenso wich-tige Frage: Was tun mit der alten Bausubstanz, die Städ-te wie Wien, Prag, Rom oder Paris erst ihren unver-gleichbaren Charme verleiht?

In Österreich gibt es über drei Millionen Wohnungen und 78 Prozent der Wohnfläche wurden vor 1981 errichtet. Diese Wohnungen weisen einen vergleichs-weise hohen Jahresheizenergiebedarf von 150 bis 250 Kilowattstunden pro Quadratmeter auf (siehe Seite 7). „Da der Sanierungszyklus bei Altbauten über 30 Jahre beträgt, müssen dafür Techniken, Systeme und Komponenten verwendet werden, die die besten Einspareffekte nach dem heutigen Stand der Technik erwarten lassen“, lauteten die Richtlinien der nun abgeschlossenen Ausschreibung „Haus der Zukunft“ des Verkehrsministeriums. Resultat sind Altbausanie-rungen nach Passivhaus-Standard. Zahlenmäßig liegen Altbauten bei diesem energetisch hocheffizienten Ge-bäudestandards allerdings im Hintertreffen. „In Europa stehen derzeit rund 32.000 Passivhäuser, die jährlich 175 Millionen Euro an Energiekosten sparen. Darunter befinden sich auch sind rund 800 Altbausanierungen auf Passivhaus-Standard“, berichteten Experten beim Kongress für energieeffizientes Bauen in Innsbruck im Jahr 2011.

Iva Kovacic vom Institut für Bauprozessmanagement der Technischen Universität (TU) Wien hebt hervor,

dass flächendeckende Altbausanierungen sich schon al-lein aus Kostengründen lohnen würden. „Jedes Haus auf der grünen Wiese, dessen Bau zurzeit gefördert wird, verlangt mindestens ein Auto ab, wenn die Kinder grö-ßer sind sogar zwei. Außerdem haben neue Einfamilien-häuser, die an Straßen, Wasser- und Energieversorgung angebunden werden müssen, einen infrastrukturellen Konsum von eins zu sieben im Verhältnis zu Altbauten“, sagt Kovacic. Neue Bürogebäude und Gewerbebauten stünden nur 50 Jahre, Gründerzeit-Häuser seit 150 Jah-ren: „Die alten Häuser haben also wenig Ressourcen gebraucht, selbst wenn sie schlecht gedämmt sind, weil es sie schon so lange gibt.“ Altbauten aufzurüsten wäre langfristig gesehen bei Weitem das Billigste: „Der Be-stand ist das smarteste an Wien, sein Wert wird aber kaum mit einberechnet.“

Politik gefordertLängst fordern Experten, dass sich die Politik nicht bloß um den Neubau, sondern stärker um die Sanie-rung kümmern möge. Schon Im Begutachtungsentwurf zur Novelle des Umweltförderungsgesetzes stellt das Landwirtschaftsministerium fest: „Mit den Förderung-en werden positive fiskalische Effekte erwartet, die die Kosten der öffentlichen Hand zur Bedeckung der Förderungen um ein Vielfaches übersteigen“. Fazit des Ministeriums: Die Förderungen führen zu erheblichen positiven volkswirtschaftlichen Effekten für Investiti-onen, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt.

Die Sinnhaftigkeit derartiger Förderungen bestätigt auch der wissenschaftliche Beirat der Nachhaltigkeits-initiative „Umwelt und Bauen“ in einer Studie aus dem Jahr 2012. Demnach sichern 100 Millionen Euro För-derung für thermische Sanierung 10.000 Arbeitsplätze, bringen vier Millionen Tonnen CO2-Einsparung und lö-sen das 11-fache an Investitionen, also ein Volumen von 1,1 Milliarden Euro, aus. n

Erdwärme stellt eine realistische Alternative zur herkömmlichen Heizung dar. Dabei wird etwa warmes Wasser aus den Tiefen gepumpt.

Das Chemiehaus der Technischen Universität Wien, das derzeit saniert wird, soll Österreichs größtes Plusenergie-Bürogebäude werden. Ab Ende dieses Jahres soll es mehr Energie erzeugen, als es verbraucht.

Wer ein typisches Haus durch die Wärmebildkamera betrachtet, kann

sofort erkennen, wo es anzusetzen gilt.

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Future: Auf Gebäude entfallen rund 40 Prozent des gesamten Energieen-dverbrauchs in der Europäischen Uni-on. Die Mitgliedstaaten müssen ihn bis 2020 um 20 Prozent verringern. Alle Neubauten müssen dem Niedrig-stenergie-Standard entsprechen. Wie viele Hightech-Häuser mit Geringver-brauch stehen bereits in Österreich?

Martin Treberspurg: Wir stehen am An-fang des energieeffizienten Bauens. Heute braucht ein durchschnittliches österreichi-sches Einfamilienhaus, das vor 30, 40 oder 50 Jahren gebaut wurde, 200 Kilowatt-stunden Energie für die Heizung, oder 20 Liter Heizöl oder 20 Kubikmeter Gas, alles bezogen auf einen Quadratmeter im Jahr. Häuser nach Niedrigstenergie-Standard be-nötigen nur ein Zehntel.

Das heißt, die Mehrheit der Häuser ist derzeit so energieeffizient wie ame-rikanische Straßenkreuzer aus den 1980er Jahren.Genau. Wobei der Verbrauch manchmal un-ter und manchmal über dem Bedarf liegt. Wenn die Kinder ausgezogen sind und ein Ehepaar sein Haus nicht mehr komplett heizt, wird es weniger brauchen. Wenn hingegen jemand im Winter im T-Shirt zu Hause sitzt, einfach weil seine Heizung das hergibt, wird er mehr Energie benötigen.

Wie viele Passivhäuser stehen schon?Einige tausend Passivhäuser stehen bereits, es ist etwa ein Prozent aller Gebäude in Österreich. Passivhäuser sind in Wirklich-keit „Energie-Passivhäuser“, also Häuser ohne aktives Heizsystem. Dazu muss man das Haus gut wärmedämmen und eine kon-trollierte Wohnraumlüftung einbauen, die

die Frischluft im Winter zuerst erwärmt und dann hereinholt. Auch Abluft vom Ko-chen oder die Wärme vom Menschen wird genutzt. Falls es dennoch zu kalt ist, gibt es eine kleine Zusatzheizung. Passivhausfens-ter mit Dreifach-Verglasung dichten außer-dem mehr als zehn Mal so gut wie normale Kastenfenster. Lüften sollte man stoßweise bei Bedarf, die Lüftungsanlage sollte an sich immer gute Luftqualität garantieren.

Immer wieder ist davon die Rede, dass Passivhäuser an Beliebtheit verlieren. Viele Menschen wollen mehr lüften, als es der Standard erlaubt. Gibt es deswegen erst wenige Passivhäuser?Das sind Gerüchte, die auch aus Rivalitäten entstehen. In Wirklichkeit sind mittlerweile sehr viele Neubauten voll mit Technik. Ihre Hüllen enthalten Belüftungs- und Heizsy-steme, die Niedrigstenergie- oder Passiv-hausstandard gewährleisten. Karin Stieldorf und ihre Studenten von der TU Wien haben vergangenen Herbst in den USA den „Solar Decathlon“-Wettbewerb gewonnen, weil ihr Wohnhaus mit Hilfe von ausgeklügelter Technologie durch Sonnenenergie betrie-ben wird. Auch das neue Büro der Vorarl-berger Architekten Baumschlager Eberle, das in den Medien zwar als technikarm be-schrieben wird, weil es aus Ziegeln gebaut ist und keine Heizung braucht, hat eine Ge-bäudehülle mit Passivhaus-Standard. Es han-delt sich um ein zweischaliges Ziegelwerk, mit dicken, wärmespeichernden Ziegeln innen und gut wärmedämmenden Ziegeln außen, sowie mit Dreifach-Wärmeschutz-Fenstern mit integrierter Lüftung. Somit ist das Haus ebenso Passiv-Hightech wie viele andere energieeffiziente Neubauten, und sie alle arbeiten mit kontrollierter Wohn-raumlüftung.

Ab 2020 müssen alle Neubauten in der EU mindestens nach Niedrigstenergie-Standard errichtet werden. Hierzulande entspricht derzeit nur ein verschwindend kleiner Anteil diesen Anforderungen, sagt Architekt Martin Treberspurg vom Institut für Konstruktiven Ingenieurbau der Universität für Bodenkultur in Wien. Interview: Eva Stanzl

„Österreich steht am Anfang des energieeffizienten Bauens“

Passivhäuser, Plusenergiehäuser & Co auf dem Prüfstand:

Zur Person:Martin Treberspurg, ge-boren am 23. Jänner 1953 in Wien, ist Architekt und Profes-sor für Ressourcenorientiertes Bauen am Institut für Kon-struktiven Ingenieurbau an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er studierte Architektur und Bauingenieurwesen an der Technischen Universität (TU) Wien und war Assistent am

Institut für Hochbau. In seiner Dissertation befasste er sich mit der passiven Nutzung von Sonnenenergie durch eine ökologische Bauweise. Treberspurg ist geschäftsführender Gesellschafter der Ziviltechniker Treberspurg und Partner Architekten. Mit dem Österreich-Haus für die Olympischen Winterspiele 2010 erbauten die Architekten das erste Passiv-haus Kanadas. Auch der Alpine Stützpunkt Schiestlhaus, eine durch Nutzung der Sonnenenergie energieautarke Berghütte, geht auf das Konto des Büros.

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„Smartness“ ist ein Modewort. Aber niemand weiß genau, was es bedeutet. Im Gebäudebereich gelten Plusenergiehäuser als „smart“. Bauträger nennen kleine, kompakte Wohnungen für Menschen mit kleineren Einkommen, Strombetreiber intelligente Stromnetze „smart“. Kommt da nicht der Wunsch nach ganz normalen, klar definierten Häusern und Rahmenbedingungen?Natürlich gibt es diesen Wunsch. Aber um nachhaltig ener-gieeffizient zu sein, dürfen Häuser maximal zehn Kilowatt-stunden pro Quadratmeter und Jahr verbrauchen, und das erreiche ich nur ab dem Passivhaus-Standard. Ohne Passiv-haus-Gebäudehülle kommen wir dort nicht hin.

Wie viele Plusenergiehäuser haben wir?Es gibt vielleicht 20 Plusenergiehäuser, die mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Oft sind das Reihenhäuser, deren Dächer voll mit Photovoltaik sind. Das Ziel ist, Strom und Wärme für den Eigenverbrauch zu erzeugen sowie je-nen Strom, der übrig bleibt, zurück ins Netz zu speisen. Die-se Gebäudeform ist aber in Österreich relativ aufwendig zu bauen. Denn selbst, wenn bei uns das Wetter sehr schön ist, bekomme ich in der Stadt pro Stunde weniger Energie, als mein E-Herd für einen Braten verbraucht. Und damit ein Plusenergiehaus auf der grünen Wiese seinen Zweck erfüllen kann, benötigt es sehr viele nach Süden und zum Himmel gerichtete Flächen als Träger für die Photovoltaik-Paneele. Gleichzeitig müssen die Innenräume einen guten Sonnenschutz haben, damit die Südlage im Sommer den Kühlungseffekt nicht zunichte macht. Das Gute ist, dass die Paneele gar nicht mehr so teuer sind, wie sie es waren, weil die Chinesen in den Markt eingestiegen sind.

Manche trauen sich aber doch: Mit der Sanierung des Chemiehochhauses der Technischen Universi-tät (TU) Wien entsteht Österreichs größtes Plus-Energie-Bürogebäude, mit der größten fassadenin-tegrierten Photovoltaikanlage des Landes. Das ist eine tolle Sache. Aber ich weiß nicht, ob es funktio-nieren wird. Denn Berechnungen sind eines, der Verbrauch ein anderes. Man wird dort vermutlich Computer benöti-gen, die möglichst wenig Energie verbrauchen, und energie-sparende LED-Leuchten.

Haben wir noch eine Chance, die EU-Ziele zu er-reichen?Ich denke schon, wir müssen es nur umsetzen und den En-ergiebedarf für die Gebäude runterkriegen. Dazu brauchen wir nicht einmal Plusenergiehäuser, sondern wir müssen bloß grundsätzlich intelligenter bauen: Schon allein ein kompakt gebauter Altbau mit wenigen Außenwänden benö-tigt weniger Heizenergie. Auch bestehende Häuser besser zu dämmen, bringt enormes Potenzial. Neue Einfamilien-häuser sollten stets energieeffizient gebaut werden. Das al-les wären schon große Schritte. Vermutlich wird man dabei nicht zu 100 Prozent auf fossile Energie verzichten können, doch wenigstens in Österreich wäre es weitgehend mög-lich, weil wir so viel Wasserkraft und Biomasse haben. Lei-der kann man mit Öl das größere Geschäft machen. Auch deswegen dauert die Umstellung auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien. n

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Wir viel Energie braucht ein Haus?

Streit um Europas Klimaziele

Jeder Neubau sowie jedes bestehende Gebäude bei Verkauf oder Vermietung be-nötigt einen Energieausweis. Vor diesem Hintergrund müssen seit 1. Jänner 2013 bei Immobilieninseraten der Heizwärme-bedarf (HWB) und der Gesamtenergieef-fizienz-Faktor (fGEE) angegeben werden. Die Kennzahlen sind je nach Dämmschutz, Raumhöhe, Raumaufteilung, Lage, Stock-werk, Haustechnik, Lüftung, Heizung, Alter des Hauses und Fenster unterschiedlich. Zum besseren Verständnis seien einige Kennzahlen angegeben.

Bauernhaus: Um im Winter je-den Raum eines alten, aus Stein

gebauten Bauernhauses auf 21 Grad zu heizen, benötigen seine Bewohner 450 Kilowattstunden Energie pro Quadratme-ter und Jahr (450 KWh/m²a). Das sind 45 Liter Heizöl oder 45 Kubikmeter Gas für jeden Quadratmeter pro Jahr.

Einfamilienhaus: Ein vor zehn bis 50 Jahren gebautes, durchschnitt-

liches österreichisches Einfamilienhaus benötigt 100 bis 200 Kilowattstunden, oder 10 bis 20 Liter Öl pro beheiztem Quadratmeter jährlich.

Niedrigenergiehaus: Ein Niedri-genergiehaus braucht nur 50 Kilo-

wattstunden pro Quadratmeter und Jahr.

Niedrigstenergiehaus: Laut EU sollen bis 2019 alle öffentlichen

Neubauten und ab 2020 alle neuen Ge-bäude mindestens dem Niedrigstenergie-Standard entsprechen, der 20 Kilowatt-stunden pro Quadratmeter und Jahr (20 KWh/m²a) verbraucht. Ausschlaggebend sind die Wärmedämmung der Bauteile und eine gute Isolierung. Niedrigstener-giehäuser haben bereits so dichte Fen-ster, dass sie Lüftungsanlagen benötigen.

Passivhaus: Ein Passivhaus benö-tigt noch weniger Energie. Es ver-

braucht nur 10 KWh/m²a für die Heizung, daher heißen Passivhäuser im Fachjargon auch „Ein-Liter-Häuser“. Ebenso wie ihre Vorläufer zeichnen sie sich durch eine sehr gute Dämmung, bestmögliche Ver-glasung und eine gute Wohnraumlüftung aus, was das Lüften theoretisch obsolet macht. Praktisch aber sind genau des-wegen nicht alle Passivhaus-Besitzer mit ihrer Entscheidung 100-prozentig glücklich, sie beklagen einen Luftzug im Innenraum von der Lüftung oder zu ge-ringe Temperaturen im Winter. Schuld ist meistens schlechte Planung, eine Korrek-tur ist aber nicht ohne bauliche Eingriffe möglich. Nach einer Unterbrechung der Förderungen für Passivhäuser aus Bud-getgründen unterstützt die Stadt Wien deren Bau nun wieder, und zwar mit 60 Euro pro Quadratmeter. Laut Experten ist die Errichtung um fünf bis zehn Prozent teurer als jene der ebenfalls geförderten Niedrig- und Niedrigstenergiehäuser. Die Mehrkosten für Passivhäuser rentieren sich erst nach mehreren Jahren, was bei großen Wohnbauprojekten ins Gewicht fällt.

Plusenergiehäuser: Über Pho-tovoltaik-Anlagen soll die nächste

Generation der energiesparenden Ge-bäude übers Jahr gesehen mehr Energie erzeugen, als sie verbraucht, und den Rest ins Netz einspeisen. Plusenergiehäuser im Winter warm und im Sommer kühl zu halten, soll weniger als 10 Kilowattstun-den Energie pro Quadratmeter und Jahr kosten. Noch gilt es allerdings als recht aufwendig, diese Gebäude zu bauen. (est)Quelle: Treberspurg & Partner Architekten

Die EU-Kommission will den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 40 Prozent senken. Das Vorhaben könnte Folgen für Verbraucher, Bau, Wirtschaft und Umwelt haben. Noch gelten allerdings die alten 20-20-20-Ziele.Die im Jänner von der EU-Kommission vorgeschlagene-Strategie für die Energie- und Klimapolitik bis 2030 steckt den Rahmen ab für viele neue Einzelmaßnahmen. Derzeit fallen in die Klima- und Energiepolitik etwa das Verbot der herkömmlichen Glühbirnen und Gebäudesanie-rungen zur Steigerung der Energieeffizienz, der Bau von Starkstromlei-tungen und der Emissionshandel.

Was gilt derzeit? Gemäß den „20-20-20-Zielen“ will die EU bis 2020 um 20 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen und den Anteil der Erneuerbaren am Energieverbrauch sowie die Energieeffizienz um je 20 Prozent steigern.

Was wurde vorgeschlagen?Brüssel hat vorgeschlagen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 verbindlich um 40 Prozent zu senken, also das für 2020 anvisierte Ziel zu verdoppeln. Das Vergleichsjahr ist jeweils 1990. Für Erneuerbare soll ein Ziel von 27 Prozent Anteil am Energieverbrauch gelten. Für mehr Energieeffizienz - etwa von Gebäuden, Fahrzeugen oder die In-dustrie - hat die Kommission noch kein neues Ziel vorgeschlagen.

Was ist umstritten?Heftig debattieren die Mitgliedstaaten und das Europaparlament nun über die Höhe des neuen Treibhausgas-Zieles, die auf 40 Prozent ge-setzt werden soll. Letztlich könnte also sowohl ein höheres Ziel he-rauskommen, wie es Umweltschützer fordern, als auch ein geringeres. Auch das 27-Prozent-Ziel bei den Erneuerbaren sorgt für Streit. Die EU-Kommission hat dies als „verbindliches Ziel“ vorgeschlagen. Das 20-Prozent-Ziel für 2020 bleibt verbindlich, dabei muss aber zusätzlich jedes EU-Land eine ganz bestimmte Marke erfüllen. Weil nicht alle Län-der in der Lage sind, sie erreichen, sieht der Plan der EU-Kommission für 2030 die nationalen Ziele nicht mehr vor, er ist also weniger streng.

Umweltschützer halten nur verbindliche Ziele für sinnvoll. Sie warnen, dass es ohne Marke keine Ziele gebe, die man anstreben könne. Zu-dem würden Investoren aufgrund der hohen Kosten von Kraftwerken und Stromtrassen Planungssicherheit benötigen. Gegen verbindliche Vorgaben spricht wiederum, dass sie sich gegenseitig in die Quere kommen können. So verweist der deutsche EU-Parlamentarier Her-bert Reul von der CDU darauf, dass der Europäische Emissionshandel nicht läuft, der den Treibhausgasausstoß senken soll. Reul meint, dass das an den derzeit verbindlichen Zielen für Erneuerbare liegt und for-dert: „Besser ein Ziel, und das machen wir richtig.“ (est)Quelle: apa, N24

Foto gegenüberliegende Seite: Das Schiestlhaus am stei-rischen Hochschwab wurde für die Ausschreibung „Haus der Zukunft“ des Ministeriums für Verkehr und Innovation entwickelt. Der alpine Stützpunkt auf 2100 Meter Höhe ist ein nach Süden ausgerichtetes Passivhaus mit einem Wärmerückgewinnungssystemen aus Abluft, das thermisch autark betrieben werden kann. An der Südfassade sind 46 Quadratmeter Sonnenkollektoren angebracht.

Fotos auf dieser Seite: Das Österreich-Haus (oben), Natio-nenhaus für die Olympische Winterspiele 2010 in Whistler, ist Kanadas erstes Passivhaus. Die Wohnhausanlage Linse Linz (unten) in Linz-Kleinwört ist als autofreie, solare Nied-rigenergiesiedlung konzipiert und soll eine Alternative zum Einfamilienhaus darstellen.

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Kalifornischer Traum im „Hochzeitskleid“Die Natur beobachten und mit ihr, nicht gegen sie leben, ist die Philosophie, aus der das Haus „LISI“ entstanden ist. Das von der Technischen Universität (TU) Wien angeführte Team Austria um Architekturprofessorin Karin Stieldorf gewann damit den „Solar Decathlon“ vergangenen Herbst in Kalifornien. Der Wettbewerb, der als „Weltmeisterschaft der Öko-Häuser“ gilt, wird alle zwei Jahre vom US-Ministerium für Energie ausgelobt, dieses Mal traten 20 Universitäten gegeneinander an. Da LISI an die US-Westküste gebracht werden musste, wurde kompakt gedacht: Nur sechs Container für den Transport waren im Budget vorgesehen. Auf einem stillgelegten Militärflughafen in Irvine bei Los Angeles muss-ten die Teams ihre Häuser innerhalb von einer Woche aufbauen. Zwei Jahre dauerte die Planung, beteiligt waren Forschungsgrup-pen der TU Wien, das Austrian Institute of Technology (AIT) und die die Fachhochschulen Salzburg und St. Pölten.

Die Juroren bewerteten nach Kriterien der architektonischen Qua-lität, Haustechnik, Kommunikation, Home-Entertainment, Leistbar-keit und Energiebilanz. Das Einfamilienhaus LISI (Living Inspired by Sustainable Innovation), dessen Namen durchaus als Tribut an den Mädchennamen gedacht ist, konnte vor allem in den Kriterien En-

ergiebilanz, Heißwasserbereitung und Kommunikation punkten. Es besteht fast vollständig aus Holz. Selbst die Wärmedämmung er-folgt durch ein Holzfaser-Material, auch der gesamte Innenbereich ist weitgehend aus Holz. „Das Haus erzeugt durch den Einsatz mo-derner Technik mehr Energie, als es verbraucht – und das nicht nur in Kalifornien, sondern auch in Österreich“, betont Karin Stieldorf. Eine gute Dämmung der Gebäudehüllen und 100 Quadratmeter Photovoltaik-Zellen auf dem Dach würden das möglich machen. Die Versorgung mit Kalt- und Warmwasser für die Raumheizung und -kühlung erfolgt über Luft-Wasser-Wärmepumpen.

LISI ist als Hofhaus ausgelegt, in dem Außen- und Innenraum ver-bunden werden können. Der Hauptraum ist gegen Norden und Süden durch ganzflächige Verglasung jeweils von einem Hof ge-trennt, bei passendem Wetter kann diese Trennung aufgehoben werden. Dann soll die Privatsphäre durch eine Art Vorhang ge-währleistet werden, der das Haus umgibt und liebevoll „Hoch-zeitskleid“ genannt wird. Die Nettonutzfläche des Hauses liegt bei rund 70 Quadratmetern, die bebaute Grundfläche inklusive Terrassen bei 200 Quadratmetern. (est)

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Autark wie ein BergkristallDie Monte-Rosa-Hütte sollte ein Leuchtturm der Zivilisation mitten in einer Landschaft aus Stein und Eis werden: Einkehr für Alpinisten, Hightech-Bau und Forschungslabor in einem – ein Gemeinschaftswerk der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und des Schweizer Alpenklubs. Das Haus wurde über sechs Jahre geplant, jeder Bauteil ein-zeln am Computer gezeichnet und angefertigt und schließlich in 21 Wochen auf über 2500 Meter Höhe in den Walliser Alpen, an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien, gebaut.

„Für mich war die Vorstellung interessant von einer Berghütte an einem Ort, der logischerweise in kei-ner Art mit Zivilisation verbunden ist, wie wir sie in der Stadt gewohnt sind. Keine Kanalisation, kein Wasser, kein Stromanschluss: Alle diese Vorausset-zungen sind nicht gegeben“, sagt Andrea Deplazes, Professor für Architektur an der ETH Zürich. Nach-haltigkeit war die Devise, vom Bau bis zum Betrieb. Die Monte-Rosa-Hütte wurde als zu 90 Prozent energieautark konzipiert. Die Fassade aus Alumini-um muss Wind und Frost standhalten und vor allem Dichtheit gewährleisten. Die-Alu-Hülle lässt das Haus leuchten wie einen Bergkristall.

Das sechsstöckige Haus ist wie ein Kraftwerk ge-dacht: 100 Solarpaneele an der Südseite versorgen es mit Strom aus Sonnenlicht, geheizt wird die Hütte mit Sonnenenergie und Abwärme. Im Untergeschoß >

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> ist das Nervenzentrum: Die Haustechnik steuert Heizung, Lüftung, und Stromver-sorgung. Eine eigene Kläranlage reinigt das Abwasser. Frisches Wasser kommt aus der Kaverne 40 Meter oberhalb der Hütte. „Wir wollen die Hütte möglichst autark betreiben und nur die Energie, die uns die Sonne und das Wasser zur Verfügung stellen, benutzen, um einen trotzdem komfortablen Betrieb sicherzustellen“, erklärte Leno Guzzella von der ETH Zürich im Zuge des Baus. Sein Computer errechnet mit einem raffinierten Algorithmus aus Belegungszahlen, Wetter und Hausdaten das Energiemanagement. Treibstoff soll durch intelligente Steuerung ersetzt werden. Was in der Monte-Rosa-Hüt-te gelang, sollte auch in anderen, flacheren Gegenden Anwendung finden. Denn nicht nur in alpinen, sondern auch in tropischen und gemäßigten Zonen gilt: statt Treibstoff Intelligenz.

Heute, drei Jahre nach der Eröffnung, mani-festieren sich jedoch die Mühen der Ebene. Der vom Schweizer Bundesamt und von Sponsoren finanzierte, 5,3 Millionen Euro teure Prestigebau wurde zur Pilgerstätte für Architekturliebhaber und neugierige Alpi-nisten. Bereits im ersten Jahr nach der Eröff-nung hätten mehr als 10.000 Besucher in der Hightech-Hütte übernachtet, das sind mehr als eineinhalbmal so viele Übernachtungen wie erwartet, berichteten Schweizer Medien, die technische Kinderkrankheiten sowie Ge-brechen infolge der Überlastung auflisteten.

Einmal hätte sich das Sieb der Kläranlage, die das Abwasser der Hütte reinigen sollte, verstopft. Fäkalien seien in die Natur geleitet worden – die Umweltbehörden forderten eine unverzügliche Reparatur. Ein andermal gab es mit der Stromversorgung Probleme. Photovoltaikzellen sollten den größten Teil des Stroms für die Monte-Rosa-Hütte selbst produzieren und ein Generator nur bei lan-gen Schlechtwetterperioden mit Rapsöl be-trieben werden. Wegen immer wieder auf-tauchender Probleme mit dem technischen System werde der Generator aber auch bei Schönwetter betrieben und verbrenne pro Saison rund 7000 Liter Diesel, den ein Hubschrauber in die Hütte bringe. In einer im Zürcher „Tagesanzeiger“ veröffentlichten Stellungnahme rechtfertigte die ETH Zürich die Pannen mit der Überlastung: „Das Pro-blem liegt bei der Stromproduktion, unter anderem weil die Abwasserreinigungsanlage stark beansprucht wird und entsprechend viel Strom verbraucht.“ Peter Planche von der SAC-Sektion Monte Rosa wiederum be-tonte in der Zeitung, dass ein Unternehmen mit derart hochgesteckten Zielen fünf bis sechs Jahre brauche, bis es reibungslos funkti-oniere: „Ich bin nicht enttäuscht.“

An der ETH Zürich ist heute nur noch ein Experte für die Monte-Rosa-Hütte zuständig, der immer nur donnerstags erreichbar ist. Dennoch: Der Bergkristall leuchtet. Ästhe-tisch gesehen war er auf Anhieb an ein Vor-zeigeprojekt. (est)

Mobiles Hotelzimmer für zwei

Forschungsplattform mit Erdkühlung

Ein Nacht ohne fixem Strom- und Wasseran-schluss muss nicht Camping im Zelt heißen. Der „HyperCubus“ der steirischen archi-tekten w3 ist eine ver- und entsorgungstech-nisch unabhängige Appartementeinheit für zwei Personen, die den Begriff „Hotel“ neu interpretieren will. Sie tut dies mit prägnanter Architektursprache, funktioneller Raffinesse bei der Raumaufteilung, geringem Verbrauch und Flexibilität. Hyper-Cuben können laut ihren Designern überall aufgestellt werden (wie hier für die Fotoaufnahmen in der Stei-ermark), etwa bei zusätzlichem Bettenbedarf

auf Schutzhütten ebenso wie bei Zimmer-not auf dem Flachland, oder auch direkt am Wasser. Die Bau- und Installationskosten entfallen. Wie bei einem Wohnmobil gibt es integrierte Container für Frisch- und Abwas-ser. Strom kann mit Hilfe von Photovoltaik erzeugt werden. Die Haustechnik steuert kontrollierte Wohnraumlüftung nach Passiv-haus-Standard. Durch horizontales Reihen oder durch vertikales Stapeln können die Kuben zudem zu kompakten, hotelähnlichen Strukturen vergrößert und überall eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden. (est)

Das kürzlich eröffnete Sheikh Zayed Desert Learning Center Al Ain in Abu Dabi soll zugleich als Museum und Forschungszentrum für Umweltthemen in der Wüste dienen. Es liegt als Teil eines Naturparks und Zoos in den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Grenze zum Oman. Das Museum verdeutlicht einmal mehr die Bestrebungen der arabischen Welt, bei nach-haltigem Bauen vorne dabei zu sein.

In seiner äußeren Form erinnert der Bau der Wiener Architekten Chalabi&Partner an eine Düne. Im Inne-ren folgt die Raumspirale einer kinetischen Promena-de, die sich um einen zentralen Innenhofbereich ent-wickelt und in einen höher gelegenen Aussichtsbereich mündet. Wer dieses Möbius‘sche Band entlangwandelt, gewinnt Höhe und Distanz zum flachen Wüstenboden.

Auf 13.000 Quadratmetern soll das nach dem Grün-der der Emirate benannte Museum Ausstellungen über die natur- und kulturhistorischen Aspekte von Wüsten beherbergen. Offiziellen Websites zufolge werden phä-nomenale 1600 Besucher pro Stunde erwartet. Selbst

bei weniger Besuchern hätte ein Gebäude von dieser Größe in Anbetracht von zwischen 30 und 50 Grad Celsius Außentemperatur einen enormen Kühlbedarf. Um die Räume auf die in den Emiraten als angenehm empfundenen 16 Grad zu kühlen, kommt ein Mix an Technologien zum Einsatz. Einerseits erzeugt Photo-voltaik auf dem Dach Strom, der die von Solarpanelen eingefangene Wärmenergie kühlt. Andererseits wird im Vergleich zur Außentemperatur kühles Wasser aus der Erde gepumpt und über Betonkernaktivierung verteilt: Die Betonmauern kühlen die Räume. „All die-se Maßnahmen senken den Energieverbrauch. Autark könnte das Gebäude aber nie sein, denn sonst dürften wir keine Sonne hereinlassen. Das würde aber dem Sinn und Zweck dieses Museums nicht entsprechen. Außerdem gibt es in den Emiraten klare Vorgaben zu den Temperaturen, die die Räume nicht überschreiten dürfen, was hohe Anforderungen an die Haustechnik stellte“, sagt Christoph Opitz von Chalabi Architekten. Hohe Transportkosten und Emissionskosten seien nicht angefallen, da die Baumaterialien aus dem Um-kreis von 500 Kilometern kämen. (est)

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Fotos: Chalibi&Partner/Antje Hanebeck

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Innovative Baumaterialien:

Mit Ultra High Performance Concreten lassen sich besonders dünne, außergewöhnliche Formen erzeugen. Im Bild ein Entwurf von Studenten der TU Wien für die Möblierung der Donauinsel und die bislang längste UHPC-Straßenbrücke der Welt: Ihre 157 Meter überspannen die Wild in Kärnten. Die UHPC-Fertigteile haben eine Wandstärke von 60 Millimeter und kommen ohne Bewehrungsstahl aus. Auch das Bogenpaar ist aus UHPC.

Robert Schwemmer von der Firma NAPORO konnte mit der Dämmung aus Hanf den Klima-schutzpreis 2013 gewinnen. Hanf dämmt ausgezeichnet und ist anders als Styropor-Dämmungen recyclingfähig und atmungsaktiv – die Häuser „schwitzen“ nicht. NAPORO experimentiert außer-dem mit Rohrschilf als Baustoff.

Hochleistungsbeton statt Stahl

Hanf als Isolierung

Algen, die Wärme erzeugen

Bereits die Römer bauten mit Beton und auch heute ist die Zementbasierte Mischung der meistverwendete Bau-stoff der Welt. Rund drei Milliarden Tonnen Zement wer-den weltweit jährlich verbaut. Bei herkömmlichem Beton ist die Ökobilanz allerdings nicht gerade erhebend. Nicht nur fallen pro Tonne Zement durch die Verbrennung von Kalk etwa 870 Kilo CO2 an, sondern auch auf den Trans-portwegen bei der Herstellung und Verarbeitung wird CO2 emittiert. Rund sechs Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen auf die Zementherstellung zurück. Beton ist nicht langlebig und kann nur bedingt recycled werden. Dennoch: „Ein weiterentwickelter, hyperleichter und we-niger energieintensiver Beton hätte eine große Chance als Smart Material“, sagt Uli Hellweg, Geschäftsführer der IBA Hamburg, der Entwicklungsgesellschaft der Stadt Ham-burg. Beton ist ein flexibler und vielseitiger Baustoff, mit dem sich vor allem schnell bauen lässt. Versuche, ihn grüner zu

machen, gibt es viele. Peter Trimble, Absolvent der schot-tischen Universität Edinburgh, stellte jüngst eine betonähn-liche Mischung aus Sand, Harnstoff und Kalziumchlorid her, die allerdings nur zwei Drittel der Härte normalen Betons erreicht. Andere Forschungsgruppen, wie jene von Steffen Witzleben an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, versuchen, durch Zusatzstoffe den Zement ökologisch verträglicher zu machen und den Zementanteil zu reduzieren. Am Institut für Hochbau und Technologie der Technischen Universität (TU) Wien setzt man bei „Ultra High Perfor-mance Concrete“ (UHPC) an, ein Beton von neuartiger Zusammensetzung. „Das Gefüge ist homogener“, erklärt UHPC-Spezialist Johannes Kirnbauer von der TU Wien. „Die Körnung des beigemischten Gesteins liegt unter einem Millimeter und ist gleichmäßig im Gefüge verteilt. Auch die Dichten sind weitgehend homogen.“ Auf diese Weise wird insgesamt eine sehr hohe Dichte erreicht, UHPC hat keine Kapillarporen und zieht kein Wasser und

keine Schadstoffe ein. Er ist widerstandsfähiger gegenüber Umwelteinflüssen, langlebiger und weist eine extrem hohe Druckfestigkeit auf von mehr als 200 Megapascal (MPa) im Vergleich zu 20 bis 30 MPa bei einem herkömmlichen Beton. „Bei Erwärmung, erreicht man Festigkeiten von bis zu 400 MPa und kann sehr viel filigraner und leichter bauen“, sagt Kirnbauer. UHPC bringt also Material- und damit CO2-Einsparungen, obwohl sein Zementanteil um etwa ein Drittel höher ist. Er kann Bauelemente aus Stahl ersetzen, was weitere ökologische Vorteile bringt. „UHPC kann man überall einsetzen, wo eine hohe Druckbelastung vorhanden ist, zum Beispiel bei Brücken oder Kühltürmen oder Wärmespeichern.“ Kirnbauer sieht die Zukunft in den Materialverbünden: „Man muss die Materialien so einsetzen, dass man ihre Vor-züge optimal ausnutzt.“ Er denkt etwa an Bewehrungen mit Carbon, wobei Carbon der Betonmischung zugesetzt wird. „So wird man extrem dünn und leicht.“

Anders als Stroh wird Hanf derzeit nur zur ökologischen Dämmung eingesetzt. Für die Entwicklung einer speziellen Dämmplatte aus Hanffaser erhielt die NAPORO Klima Dämmstoff GmbH 2013 den Österreichischen Klimaschutzpreis. Würden diese Hanf-platten die derzeit noch üblichen Styropordämmungen ersetzen, immerhin werden in Österreich jährlich 50 Millionen Quadratmeter Fassade neu gedämmt, so könnte CO2 gebunden statt freigesetzt werden. Hanf hat eine positive CO2-Bilanz, er bindet mehr, als er bei der Herstellung emittiert. Der Hanf für die Vlies-Platte wird in Österreich angebaut, bei der Herstellung wird lediglich Maisstärke hinzugefügt. Nicht nur Platten sind eine Innovation, sondern auch die Bohrungen für die Befestigung, mit denen die Platten auf Fassaden oder auch Dächern montiert werden: Sie werden mit einem patentierten Bohrer gebohrt, der sich von den hartnäckigen Hanffasern nicht ein-wickeln lässt. Ein Umstand, der den massenweisen Einsatz von Hanf als Dämpfstoff lange gebremst hat, wie Robert Schwemmer, Gründer von NAPORO vermutet. Rund 20.000 m2 Fassade wurden in Österreich bereits mit Hanf gedämmt.

Baumaterialien sind heute weit mehr als nur der Stoff, aus dem die Häuser sind. Sie sind selbst Agenten der Ener-gieerzeugung, -speicherung oder -umwandlung. Die IBA Hamburg ist die Entwicklungsgesellschaft der Stadt Ham-burg und hat bereits einige „Smart Material Houses“ umgesetzt. Hier werden die Materialien Teil der Haustechnik, die Oberflächen werden zum Trägermedium von Energie und Information. „Smarte“ Materialien reagieren auf die Umwelt, daher stammen sie häufig aus der Natur. In der Algenfassade des „BIQ“, einem vierstöckigen Wohnhaus in Hamburg, dessen Südwest- und Südost-Fassade ein Bioreaktor ist, erzeugen Algen Biomasse und Wärme. Die Fassade besteht aus 129 Reaktormodulen, die auf einem Stahlgerüst montiert wurden. Die Algen wachsen in einer Nährlösung und sorgen dafür, dass sich die Reaktoren tagsüber auf bis 35 Grad erwärmen können. Die so entstehende Wärme wird über einen Wasserkreislauf der Erzeugung von Warmwasser oder der Heizung zugeführt. Überschüssige Energie wird in Erdsonden gespeichert und bei Bedarf wieder nach oben gepumpt. Die Biomasse wird ausgefiltert und extern zu Biogas umgewandelt, die Abwärme wird in das Nahwärmenetz eingespeist. Das BIQ steht nicht für sich alleine, sondern ist in ein lokales Energiekonzept eingebunden. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Fähigkeit zu Vernetzung wachse das Interesse an derartigen smarten Materialien, sagt Hellweg, der sich mehr davon auch bei der Sanierung von Altbauten wünscht: „Dort besteht der meiste Inno-vationsbedarf. Hier haben wir in den letzten Jahrzehnten zu sehr aufs Einpacken gesetzt. Bei der energetischen Stadterneuerung geht es aber erstens um ein ganzheitliches Konzept für das Haus (und nicht nur um Isolierung) und zweitens um die Einbettung der Gebäudesanierung in ein quartiersbezogenes Energiekonzept, das lokale en-ergetische Ressourcen und Synergieeffekte nutzt.“ Das BIQ produziert sogar mehr Energie als gedacht.

Ein Algenreaktor in der Fassade des „BIQ“, ein innovativer Hausentwurf des IBA Ham-burg. Diese Art der Aktivierung von Bautei-len und Materialien ist eine Strategie, um Ressourcen zu schonen und mehr Energie-effizienz zu erreichen. Plusenergie-Häuser wie das „BIQ“ kommen ohne innovative Materialien nicht aus.

Klimafreundlicher Beton und Algen hinter Glas

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Der altbekannte Baustoff Holz erfährt als nachwachsender natürlicher Rohstoff eine Renaissance. Insbesondere bei privaten Bauvorhaben sei Holz ein klarer Favorit, meint Uli Hellweg von der IBA Hamburg. Holz bindet CO2 und verbraucht bei der Herstellung weniger Energie als Beton, Ziegel oder Stahl. Im „Soft House“, ebenfalls ein Projekt der IBA Hamburg, das vor einem Jahr fertigge-stellt wurde, werden die Materialien Holz und Textil kombiniert. Abgesehen von ihrer Fundament-platte bestehen die dreigeschoßigen Reihenhäuser vollständig aus Holz, genauer: aus Brettstapel-elementen und die Energielieferanten aus photovoltaikverstärktem Textil. Auf dem Flachdach sitzen glasfaserverstärkte Kunststoffbahnen wie Segel. Auf die Bahnen sind 50 Zentimeter breite Streifen aus Dünnschicht-Photovoltaik-Folien aufgebracht. Das Membrandach sorgt damit nicht nur für Licht und Schatten, sondern auch für Energie. Ähnlich ist es bei der Fassade: Drehbare Photovoltaik-Lamellen aus „Stoff“ folgen dem Lauf der Sonne und erzeugen unter anderem die Energie für die „Smart Curtains“ im Inneren des Hauses. Diesen flexiblen Vorhänge, die auf geschwungenen Schienen durch das Haus geführt werden können, sind nämlich LED-Leuchtkörper eingewebt, sie sind Raumteiler, Sonnenschutz und Lichtquelle in einem.

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Klimawandel und Ressourcenknappheit haben einen Innovationsschub bei den Baumaterialien ausgelöst und zu manch einer Wiederentdeckung geführt. Der Trend geht zu homogenen, recyclingfähigen Materialien natürlichen Ursprungs und Materialverbünden, die so eingesetzt werden, dass ihre Vorzüge optimal zur Geltung kommen. Von Cathren Landsgesell

Holz, wie hier beim „Soft House“ der IBA Hamburg, gilt als smartes Material, weil CO

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Dämmeigenschaften hat. Auch textile Materialien oder das „Verweben“ von Baumaterialien ist eine zukunftsweisende Technik: Beim „Soft House“ wurden LED-Leuch-ten in die Vorhänge und Photovoltaik-Folien in die beschattenden Fassadensegel integriert.

Stroh hat besonders gute Dämmeigenschaften und kann außerdem lasttragend verbaut werden. Die

Strohhäuser aus zertifizierten Baustroh-Ballen sind langlebig, recyclingfähig und brauchen kaum Heiz-energie. Beim Verbauen muss aber darauf geachtet

werden, dass die Ballen nicht durchnässen.

Ziegel, mit Wolle befüllt

Renaissance von Holz und Textil

Ein Haus aus Strohballen

„Es ist ein bisschen wie ein Wettrennen um den besten Wärmeschutz “, sagt Mario Kubista, Leiter der Produktentwicklung und Anwendungstechnik beim Ziegelhersteller Wienerberger auf die Frage, was Innovationen bei Ziegel, einem im Wesentlichen seit hunderten von Jahren unveränderten Baustoff, antreibt. Die jüngste Entwicklung des Weltmarktfüh-rers sind Ziegel mit integrierter Dämmung namens „Porotherm W.i.“. In ihren Hohlräumen befindet sich Steinwolle, die für die Dämmung sorgt. Eine weitere Isolierung ist nicht erforderlich, es kann einfach der Verputz aufgebracht werden. Das spart Material und Platz und ist damit auch ökologisch vorteilhaft. Anders als Styropor, das nach rund dreißig Jahren ausgetauscht werden muss und nicht recyclingfähig ist, hat der dämmende Ziegel eine lange Lebens-dauer. Uli Hellweg von der IBA Hamburg erwartet generell, dass „die Mehr-Komponenten-Fassaden-mit einem hohen Anteil an Aluminium oder Öl-basierten Plastikstoffen an Bedeutung verlieren und natürliche Materialien wichtiger werden.“ Bei den Bauherren kommt der neue Ziegel, der seit ein paar Monaten auf dem Markt ist, gut an: „Niemand hat in Wirklichkeit Interesse, sein Haus in Plastik einzupa-cken“, berichtet Kubista. Die Idee, die Hohlräume im Ziegel nicht ungenutzt zu lassen, ist nicht neu. Oft wird Perlit, ein vulka-nisches Glas, eingesetzt. „Steinwolle hat aber die besseren Dämmeigenschaften“, sagt Kubista. Wie-nerberger erforscht noch weitere Alternativen, die vielleicht noch ökologischer sind. Der Porotherm wird in Oberösterreich in einer eigens entwickelten Abfüllanlage endgefertigt, die die Ziegel mit der Wolle befüllt.

Die Ökobilanz von Stroh ist wohl nicht so leicht zu über-treffen: Stroh ist im Grunde ein Abfallprodukt der Landwirt-schaft, ein Baustoff, der nicht einmal extra angebaut werden muss. Strohballen sind in der EU seit 2010 als Baustoff zu-gelassen und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. In Ös-terreich gibt es schon über 200 Häuser aus Stroh, berichtet das Unternehmen „Unser Strohhaus“, einer der Pioniere der Branche. Das Stroh wird dabei nicht allein als Dämmstoff verwendet –, wobei dann ein Holzgestell die tragende Funk-tion übernimmt – sondern als lasttragende Konstruktion: Die Strohballen sind das Haus. 2011 wurde ein Bungalow aus Stroh für den Klimaschutzpreis des Lebensministeriums no-miniert. Für den 170 Quadratmeter großen Bungalow wur-den 70 Tonnen Bau-Stroh verwendet. Das Bau-Stroh kommt nicht in Bündeln, sondern in eigens zertifizierten Baustroh-ballen verschiedener Stärken, je nach Funktion. Das Stroh ist dicht gepackt und gepresst. Die extrem guten Dämm-Eigen-schaften sorgen dafür, dass die Energiekosten für Kühlen und Heizen der Strohhäuser lediglich 150 Euro jährlich betragen. Bau-Stroh eignet sich auch zur Dämmung, weil es mit 0,045-0,078 Watt je Kelvin und Meter nur sehr wenig Wärme leitet. Wie beim Holz bleibt CO2 im Stroh gebunden. Auch bei der Herstellung fällt kein Kohlendioxid an. Mit Stroh können nicht nur Bungalows errichtet werden, sondern auch mehrgescho-ßige Häuser, wie das „S-House“ in Böheimkirchen, ein zwei-geschoßiges Demonstrationshaus, das bereits 2005 fertigge-stellt wurde und als Tagungs- und Veranstaltungshaus dient. Innen werden die Strohhäuser mit Lehm verputzt, ein luft-durchlässiger Rohstoff, der vielfach vor Ort gewonnen wer-den kann. Ölbasierte Verbundfolien wären bei Strohhäusern fehl am Platz, da ihre Langlebigkeit (in Nebraska befindet sich ein Strohhaus aus dem Jahr 1903) von der guten Belüftung abhängt. Außen erhalten Strohhäuser einen Wetterschutz aus Holz oder Kalk.

Klimafreundlicher Beton und Algen hinter Glas

Hier werden die Wienerberger „Wollziegel“ gefertigt. Beim Porotherm

W.i. wird die Dämmung gleich mitgeliefert. Für die Befüllung der

Ziegelhohlräume mit Steinwolle war eine besondere Verfüllanlage

notwendig. Beim Porotherm wird keine zusätzliche Dämmung benötigt.

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Christian Schober von der Firma Kapsch versteht die Aufregung nicht: Smart Metering sei nichts wirklich

Neues und bringe in seinen Augen gerade den Endkunden nur Vorteile. „Jeder Hausbewohner weiß immer genau, was er verbraucht, kann Energiefresser identifizieren und sich außerdem den günstigsten Tarif für sein Energieverhalten he-raussuchen“, sagt der Geschäftsführer des österreichischen IT-Dienstleisters Kapsch Smart Energy. Das Unternehmen hat eine technologische Infrastruktur für Smart Metering und ein Web-Portal zur Beobachtung des Energieverbrauchs von Haushalten entwickelt. Netzbetreiber und Haushalte können darauf zugreifen.

Wenn Smart Metering im Jahr 2020 in Europa flächende-ckend eingeführt ist, beginnt für die Verbraucher eine „neue Ära der Energieautonomie“, ist Schober überzeugt. Ener-giekunden werden dann ihre Geräte nach Effizienzkriterien aussuchen und eigene Berater heranziehen, um ihre Kosten zu senken. Energiesparen ist es aber nicht allein: Smart Meter

sollen außerdem helfen, die Energienetze besser zu managen. Wenn die Stromver-

braucher nämlich

auch Energielieferanten sind, werden die Energienetze zu-nehmend komplex.

In Österreich sind derzeit 200.000 Haushalte mit sogenann-ten Smart Meters ausgestattet. Das sind digitale Zähler, die den Strom- und Gasverbrauch erfassen. Als „smart“ gelten die Zähler deshalb, weil sie den Energieverbrauch digital er-fassen und die Daten in Echtzeit übermitteln können. Das ist jetzt nicht möglich. Mit den digitalen Zählern können die Daten gespeichert und nach verschiedenen Kriterien ausge-wertet werden. So werden etwa Verbrauchsprofile ermittelt, die zeigen, zu welchen Zeiten ein Haushalt besonders viel Strom benötigt. Für den Verbraucher sollen die Smart Meter mehr Transparenz bringen und die Möglichkeit, sich den En-ergieanbieter entsprechend des Nutzungsverhaltens auszu-suchen. Die Netzbetreiber und Energieversorger wiederum benötigen sie, um die Auslastung des Stromnetzes besser managen zu können: Dieses wäre ein sogenanntes „Smart Grid“. Vorerst reduzieren die Smart Meter beim Netzbetrei-ber aber die Betriebskosten. Etwa entfallen Kosten für das Ablesen der Geräte. Smart Meter sollen außerdem weniger leicht zu manipulieren sein. Datenschützer haben jedoch Be-denken in Bezug auf die Datensicherheit und bezweifeln die

Energieersparnis.

Die geplante flächen-deckende Einfüh-

rung von Smart Metering geht auf eine EU-Ver-ordnung zurück, wonach bis 2020 insgesamt 80 Prozent aller Haushalte mit Smart Meters aus-gestattet sein sollen. Das Hauptargument für die intelligenten Zähler sind nicht allein die er-warteten Energieeinspa-rungen von rund drei bis vier Prozent, sondern die Notwendigkeit, das Stromnetz insgesamt für die Energieversorgung der Zukunft fit zu ma-chen, wenn der Strom aus unsteten und man-nigfachen Energiequellen wie Photovoltaik oder Windkraft kommt. Die Energienetze der Zu-kunft sind dezentral und brauchen ein Kommu-nikationsnetzwerk, um die Energieversorgung sicherstellen zu können: „Die Idee vom großen Stromversorger, der zen-tral alle Stromkunden beliefert, stimmt ja schon lange nicht mehr“, sagt Christian Schober. In Österreich wollen

Wirtschaftsministerium und E-Control bis Ende 2015 min-dest zehn, bis Ende 2017 mindestens 70 und bis Ende 2019 mindestens 95 Prozent der Haushalte mit Smart Meters ausstatten. „Für den Roll-out ist einzig und allein der Netz-betreiber zuständig“, erklärt Walter Boltz, Vorstand der Re-gulierungsbehörde E-Control. Werden die vereinbarten Ab-deckungsgrade eingehalten, können die Netzbetreiber selbst entscheiden, welche Kunden und Gebiete sie mit Smart Me-ters ausstatten und welche IT- und Geräteanbieter sie be-auftragen. In Österreich bieten neben Kapsch die Telekom, ubitronix, Landis & Gyr, Itron und Siemens u. a. Smart Meter sowie die entsprechenden IT-Dienstleistungen an. Die M2M-Sparte der Telekom Austria erhielt zuletzt den Zuschlag vom E-Werk Wüster für die Gemeinde Ybbs in Niederösterreich.

Smart Metering schafft erstmals eine Datenverbindung zwischen Netzbetreiber und Endkunde und damit die

Vorraussetzung für ein kommunizierendes Netz. Endkunden haben dabei vergleichsweise wenig Mitbestimmung: So ist die Installation eines Smart Meters zwar abhängig von der Zustimmung des Haushalts. Was allerdings geschieht, wenn mehr als fünf Prozent der österreichischen Haushalte beim alten Ferraris-Zähler bleiben wollen und der vereinbarte Abdeckungsgrad damit nicht erreicht werden kann, ist noch ungeklärt. Die Einführung von Smart Meter ist für die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtend.

Eine Frage des DatenschutzesSmart Meter erheben und versenden personenbezogene Da-ten und unterliegen daher den Bestimmungen, die auch für andere Daten gelten. Sie übermitteln einmal täglich die Daten. Eine Erhebung im 15 Minuten-Takt ist nur auf Wunsch des Kunden möglich. Erst am nächsten Tag stehen die Daten dem Endkunden zur Verfügung. „Smart Meter selbst sind nicht besonders klug, sondern relativ einfache Geräte mit einem beschränkten Aufgabengebiet“, sagt Schober: „Die Heraus-forderung besteht in der Datenübertragung.“

Die Daten werden über das Stromnetz und über Glasfaser-kabel verschickt, und zwar zunächst vom Haushaltszähler bis zur nächsten Trafostation, von dort geht es weiter bis zum Netzbetreiber. „Die Informationen werden in einem be-stimmten Format und mit einer speziellen Verschlüsselung übertragen“, sagt Walter Boltz. Die Verschlüsselung soll Si-cherheit vor Datendiebstahl und Hacking bieten. Der Netz-betreiber kann neben den betriebsrelevanten Daten wie der Spannung ersehen, wann der Haushalt welche Menge Strom verbraucht hat. Bisher darf und muss der Netzbetreiber nur die tagesaktuellen Werte zur Verfügung stellen, für detaillier-tere Analysen bedarf es der Zustimmung des Kunden und eines entsprechenden Vertrags. Er kann jedoch die Daten an Dritte weitergeben, sofern dies zur Erfüllung des Vertrags notwendig ist, zum Beispiel an den Energielieferanten.

IT-Dienstleister und Netzbetreiber wünschen sich umfang-reichere Analysen, denn sie möchten den Kunden diese

Auswertungen als Service verkaufen. Schober sieht mit Smart Meters die Grundlage für einen neuen Berufszweig, den des Energieberaters, geschaffen, der die Energieversorgung von Haushaltskunden optimiert, indem er Tarife auswählt und be-sonders sparsame Geräte wählt.

Ab 2020 soll der Stromverbrauch fast aller österreichischen Haushalte digital erfasst werden. Strom- und Gaszähler vermitteln ab dann Verbrauchsdaten automatisch an die Netzbetreiber. Ist Smart Metering ein Datenschutzproblem oder notwendiges Instrument des Energiesparens? Von Cathren Landsgesell

Smarte Selbstkontrolle Zukunftsmarkt Smart Metering:

Mit diesem kleinen Gerät verbinden sich viele Hoffnungen und Ängste. Während Netzbetreiber und Regierungen argumentieren, erst Smart Meter würden zukunftsfähige Smart Grids ermöglichen, bestehen Zweifel an der Datensicherheit. Den mehr und mehr kommerzielle Interessen an der Digitalisierung des Zuhauses werden sichtbar. Zuletzt kaufte das Internetunter-nehmen Google den Thermostat-Hersteller Nest, dessen digitale Technologien zur Steuerung des Hauses Aufschluss über Lebensgewohnheitengeben können.

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Datenschützer wie Constanze Kurz sehen genau diese Entwicklung kritisch: Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes werde der

neugierige Blick ins Private legitimiert, schrieb sie 2010 bei der Einfüh-rung von Smart Metering in Deutschland in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Es ginge niemanden etwas an, wie viel geduscht würde oder ob ein Strombedarf auffällig hoch sei. Sie plädiert dafür, die Daten zu anony-misieren. Das ist derzeit nicht vorgesehen. In Schweden und in Italien nut-zen Energieversorger Smart Meter, um säumigen Kunden die Energie nun noch schneller abdrehen zu können, wie aus einem Bericht des Council of European Energy Regulators (CEER) von 2013 hervorgeht.

Das Versprechen der ErsparnisLösen die neuen Zähler ihr Versprechen auf Energieersparnis? „Ich würde es so sagen: Der Haushalt hat das Recht, über seinen Energieverbrauch zeitnah Bescheid zu wissen, damit er sein Verhalten anpassen kann“, er-klärt Christian Schober. Smart Meters können potenziell umfassende Verbrauchsprofile liefern und somit helfen, Energie zu sparen, weil En-ergiefresser leichter identifiziert und ausgetauscht werden können. Auf dem Portal von Kapsch ist es möglich, auch den Standby-Verbrauch in der Nacht einzusehen. In Deutschland hat man sich darauf geeinigt, zu-nächst nur die Haushalte mit einem besonders hohen Stromverbrauch mit intelligenten Zählern auszustatten. Damit wird allerdings eine soziale Schieflage verstärkt: Es sind ärmere Haushalte, die oft höhere Energieauf-wendungen haben, weil Geräte alt oder Wohnungen schlecht isoliert sind.

In Österreich rechnet die E-Control aufgrund einer Studie von Price Waterhouse Coopers (PWC) mit einem Einsparpotenzial von rund 3,5 Prozent. Dieser Wert kommt allein durch sogenannte „Verbrauchsfeed-backmaßnahmen“ zustande, wenn also Verbraucher, um ihren Stromver-brauch zu senken, das Licht in leeren Räumen abdrehen oder weniger lang duschen. „Intelliekon“, eine Studie unter 2000 österreichischen und deutschen Haushalten mit Smart Meter, stellte 2011 fest, dass der Ener-gieverbrauch von smarten Haushalten um rund 3,4 Prozent niedriger ist als bei Haushalten, die nur einmal im Jahr erfahren, wie hoch ihr Strom-verbrauch ist. Die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) kamen 2013 auf ein noch ernüchternderes Ergebnis: Nur wer sich intensiv mit Energieeffizienz befasst, spart Strom und zwar ebenfalls rund drei Pro-zent. Die meisten der Kunden von CKW hatten nach einiger Zeit das Interesse verloren, die Tarife zu beobachten und Wäsche nur zum gün-stigen Tarif zu waschen.

Es kann jedoch sein, dass das Monitoring des Energieverbrauchs den Gesamtverbrauch nur verschiebt, aber nicht senkt: Was an Kosten

beim Heizen gespart wird, fließt in ein neues Smartphone oder eine Flugreise, was ebenfalls Ressourcen verbraucht. Oder der günstige Stromtarif lässt einem das Lichtabschalten weniger dringend erscheinen. Während diese möglichen Rebound-Effekte von Smart Meters in den Studien nicht berücksichtigt werden, sind die wirtschaftlichen Auswir-kungen der Einführung vergleichsweise gut untersucht. In Österreich braucht man rund 5,7 Millionen Zähler, die installiert und entsprechend programmiert werden müssen. Effizienzverbesserungen, weil die Zähler nicht mehr persönlich abgelesen werden müssen, werden den Netzbe-treibern 324 bis 452 Millionen Euro einsparen. Ihre Investitionen werden in Österreich eine Wertschöpfung von 775 Millionen Euro generieren und 8400 Arbeitsplätze schaffen, so die Autoren der PWC-Studie. Zu möglichen Engpässen bei der Versorgung mit den Geräten wird es nach Einschätzung der E-Control nicht kommen. Kapsch ist etwas vorsich-tiger: „Auf die Elektronikbranche kommt viel Arbeit zu.“ Smart Meter sind ein Zukunftsmarkt. n

Mit einer Schnauer-Wärmepumpen-Heizanlage werdenErde, Grundwasser oder Luft als kostenlose Wärme-

quellen genutzt. Wer einmal in eine Wärmepumpe investierthat, der bekommt bis zu 80 Prozent und mehr seiner Energieaus der Natur gratis und höchst umweltfreundlich.Die Schnauer Energie-, Solar- und Umwelttechnik in Kremsist der zertifizierte Wärmepumpen-Spezialist mit der Erfah-rung von über 30 Jahren und mehr als 4.500 erfolgreich inOstösterreich errichteten Anlagen.Eine Wärmepumpen-Anlage sollte man prinzipiell nur voneinem zertifizierten Fachmann installieren lassen. Denn nurdie Kenntnis über  diese Technologie und das Zusammen-wirken zwischen den Komponenten Wärmequelle, Wärme-pumpe und Wärmeabgabe im Haus gibt die Sicherheit, diegewünschte Energieeinsparung und Energieeffizienz in Formhoher Jahresarbeitszahlen zu erreichen.Nicht die Leistungsziffer einer Wärmepumpe, sondern dieJahresarbeitszahl des Gesamtsystems ist für die Bewertung

der Energieeffizienz entscheidend. Eine wichtige Rolle spieltdabei die Wärmequelle und deren Temperaturniveau. Erdreich und Grundwasser sind gute Wärmespeicher undgelten somit als sichere Wärmequellen, sodass solche Anla-gen Jahresarbeitszahlen von weit über 4 erreichen. Luft alsunsichere Wärmequelle ist nur unter bestimmten Voraus-setzungen sinnvoll.

Schnauer ist aber auch zertifizierter Photovoltaik-Planer.Mit hoher Kompetenz ermittelt Schnauer jene optimale

Anlagenkonfiguration, die mit bester Effizienz auch den höch-sten Ertrag gewährleistet. Die technisch maßgeschneiderteKombination einer Wärmepumpen-Anlage mit einer Photo-voltaik-Anlage als Stromlieferant steigert die Energieeffizienzder Wärmepumpen-Heizung auf bis zu unglaubliche 93 Pro-zent. Schnauer ist Komplettanbieter, von der Planung überdie Erschließung der Wärmequelle und die Errichtung derWärmepumpenanlage bis hin zur perfekten Niedertempe-ratur-Fußboden- oder Wandheizung.

DDipl.-Ing. WolfgangSchnauer, Geschäftsführerder Schnauer Energie-,Solar- und UmwelttechnikGmbH & Co KG, Krems, ist einer der ersten Energietech-nikunternehmer Österreichs, dernach den strengen Kriterien desdamaligen “Arsenal Research”(heute Austrian Institute of Technology) als Wärmepumpen-Anlagenbauer zertifiziert wurde:

“Wir wissen daher, dass sich Wärmepumpen anlagen alselektrisch kältetechnische Geräte grundsätzlich im

Betriebs verhalten von herkömmlichen Verbrennungsheizungenunterscheiden und wie wichtig die Abstimmung zwischen Wär-mequelle-Wärmepumpe-Wärmeabgabe für einen erfolgreichenBetrieb einer Wärmepumpenanlage ist. Wärmepumpen-Anlagenverzeihen keine Fehler. Passt das Gesamtkonzept nicht, so schlägtsich das unmittelbar auf die Jahresarbeitszahl nieder, die dannweit von dem abweicht, was versprochen und vom Kunden er-wartet wurde. Wir haben das langjährige Know-how und die be-sten Wärmepumpen Österreichs: Das Produkt-Bewertungs-Portalwww.topprodukte.at der Austrian Energy Agency reiht die von unseingesetzten Waterkotte-Wärmepumpen für Sole und Grundwas-ser vor allen anderen bekannten Mitbewerbern eindeutig an dieerste Stelle. Wir sind übrigens auch auf die perfekte Kühlung mitder Wärmepumpen-Anlage spezialisiert.” �

Schnauer Wärmepumpen- und Photovoltaik-Systeme, Krems:Bis zu 93 Prozent Gratis-EnergieDie Schnauer Energie-, Solar- und Umwelttechnik in Krems ist der zertifizierte Wärmepumpen-Spezialistmit der Erfahrung von über 30 Jahren und mehr als 4.500 erfolgreich in Ostösterreich errichteten Anlagen.Die technisch maßgeschneiderte Kombination einer Wärmepumpen-Anlage mit Photovoltaik als Strom-lieferant steigert die Energieeffizienz der Wärmepumpen-Heizung auf bis zu unglaubliche 93 Prozent.

Schnauer Energie-, Solar- und Umwelttechnik GmbH & Co KG3500 Krems, Hafenstraße 57Tel. 02732/888-333, Fax: 02732/888-27e-mail: [email protected] . www.schnauer.atMesse BAUEN & ENERGIE Wien: Halle C, Stand C0213

Advertorial Wiener Zeitung.XP_Layout 1 14.01.14 09:06 Seite 1

Wiener Forschungsfest: Auch Kinder lernen, dass das smarte Wohnen ihnen zeigen wird, was der Fernseher an Strom verbraucht.

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Page 14: Das Zukunftsmagazin der Nr. 21 l 12. Februar 2014...schon früher gab es ambitionierte Wohnprojekte zur Steigerung der ... dards entsprechen, sprunghaft erhöht, und damit auch das

Bis 2028 soll auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern eine „Smart City“ stehen. Das bedeutet, dass alle Bewohner in energieeffizienten Ge-

bäuden wohnen, Energie von den Strombetreibern in Abstimmung mit dem realen Bedarf geliefert wird und kaum autogefahren werden soll.

Die Seestadt ist jedoch nicht das erste ambitionierte Wohnprojekt zur Steigerung der Energieeffizienz in Wien. Von Ina Weber

Smart City versus autofreie Stadt

Die Seestadt Aspern ist ein städtebauliches Großprojekt, aber keine Revolution:

Ökologisch gebaut, Passivhausstandard, intelligente Steuerung der Haustechnik, be-darfsgesteuerte Arbeitsplatzbeleuchtung, Ladestation für Elektrofahrzeuge, E-Bi-

ke-Station direkt beim Haus, Photovoltaikanlage: Jenes Gebäude, das bereits in Aspern steht – das aspern IQ Forschungs- und Bürogebäude –, hat Vorbildcharakter. Doch wie sieht es mit dem gesamten neuen Stadtteil Wiens aus, der bis 2028 auf dem ehemaligen Flugfeld fertig sein soll? Wie energieeffizient ist Aspern wirklich? Welche Vorlagen müs-sen die unterschiedlichen Bauträger erfüllen?

Aspern ist Wiens größtes Stadtentwicklungsprojekt. Das sich über 240 Hektar erstre-ckende Gebiet im Nordosten der Bundeshauptstadt ist so groß wie der 7. und 8. Ge-meindebezirk zusammen. Die Seestadt, wie sie auch genannt wird, weil ihr Herzstück ein künstlich angelegter See ist, wird grob in drei Etappen gebaut. Mit Baubeginn im Jahr 2008 umfasst Etappe Eins den See, 3500 Wohnungen, Büros, Forschung, das Innovati-onsquartier aspern IQ und die U-Bahn-Anbindungen Aspern und Seestadt. Etappe Zwei wird 2017 beginnen und soll bis 2022 den Bahnhof, die Straße zur A23, weitere Wohn- und Mischquartiere und das Bahnhofs-Büroviertel umfassen. Die dritte und letzte Etap-pe beinhaltet weitere Verdichtungen etwa der Einkaufsstraße und der U-Bahntrasse. Bis 2028 soll die neue Seestadt fertig sein, sollen 20.000 Menschen ein Zuhause haben und 20.000 Arbeitsplätze geschaffen worden sein. Das große Ziel: Dem derzeit in aller Munde befindenden Schlagwort „Smart City“ soll Leben eingehaucht werden und das auf vielfältige Art und Weise. Energieeffizient wohnen, umweltfreundlich mobil sein und kommunizieren auf höchstem technologischen Niveau – all das soll uns in Anbetracht der immer knapper werdenden Ressourcen zu einer nachhaltigen Lebensführung brin-gen. Und all das wird derzeit unter dem Begriff „smart city“ subsumiert.

Heißt smart auch autofrei?Doch reicht es, so wie in der Seestadt ge-plant, einen Anstoß zum Autoverzicht zu geben und trotzdem auch dort jede Menge Garagen zu bauen?

Wer die Seestadt mit einer autofreien Stadt in Zusammenhang bringt, irrt. Es wird auch dort Autos und Abstellplätze geben. Aller-dings sieht die Stadtplanung vor, dass An-reize geschaffen werden, die die Menschen dazu bringen sollen, im Alltag auf ihre Autos zu verzichten. „Es wird versucht, ein verbes-sertes Modelsplitting (mehr Fußgänger und Radfahrer, weniger Autofahrer, Anm.) und damit eine umweltfreundliche Mobilität zu erreichen“, heißt es seitens der Projektlei-tung der Stadt Wien für Aspern.

Ab kommendem Herbst sollen die er-sten 2600 Wohnungen im Wohnbau-

quartier bezogen werden. Für sie sind ins-gesamt sechs Sammelgaragen vorgesehen. Für den Südteil der kleinen Stadt gilt ein vermindertes Stellplatzregulativ. Das heißt, statt der gesetzlich vorgeschriebenen Ver-ordnung, pro Wohnung einen Autoabstell-platz zu schaffen, muss dort jede Wohnein-heit 0,7 Parkplätze haben. Dieser Wert darf unterschritten, aber nicht überschritten

werden. Die Sammelgaragen sind als Tief-garagen geplant, die sich bewusst nicht di-rekt im Haus befinden, sondern in wenigen Gehminuten zu erreichen sind. Die Idee ist, sich dem öffentlichen Raum nicht völlig ent-ziehen zu können, wie das etwa der Fall ist wenn man in die Tiefgarage fährt und dann mit dem Lift direkt in die Wohnung. Auf den Straßen wird es laut Projektgesellschaft so wie andernorts Parkplätze mit Kurzparkzo-ne geben. „Der Autofahrer wird nicht ver-gessen“, heißt es.

Ob das Konzept „autofreier“ aber auch durch- oder eingehalten wird, muss sich weisen. Auch wenn einige vielleicht gerade deshalb in die Seestadt ziehen, setzt Auto-freiheit eine Verhaltensänderung der Be-wohner voraus. Ob eine solche gelingt, wird die Zeit zeigen.

Energieeffiziente GebäudeDie Wohnbauten in der Seestadt werden sowohl als Mietwohnungen als auch als Ei-gentumswohnungen geführt und über ar-chitektonische Wettbewerbe ausgeschrie-ben. Jedes Haus soll laut Projektleitung Seestadt Aspern Grundkriterien erfüllen. Die „Aspern Kriterien“, nach denen gebaut wird, wurden vom Liegenschaftsentwickler

Seestadt Aspern: Wiens Stadträtin Renate Brauner im Jahr 2009 zu Baubeginn. Der

Stadtteil soll 2028 fertig sein.

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Wien 3420 AG und der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen mit entsprechenden Kategorien für Standort, Energie, Wirtschaftlichkeit, Gesundheit und Ressourceneffizienz entwickelt. Ökologisch zu bauen und gleichzeitig günstige Mieten und Preise anbieten zu kön-nen, war eine der Herausforderungen. Was die Seestadt gegenüber konventionellen Wohnbauprojekte auszeichnet, sind laut der Wien 3420 Aspern Development AG „Klein-teiligkeit, flexible Erdgeschoßzonen für öffentliche Nut-zungen, Vielfalt und funktionale Durchmischung. Es ist eine Stadt der kurzen Wege, der hochwertigen öffentlichen Räume (50 Prozent der Gesamtfläche) und des Vorrangs für sanfte Mobilität.“

Die Wohnbauten sind so geplant, dass man auf ihnen rein theoretisch Solaranlagen installieren kann, wie

sie etwa beim Studentenwohnheim „Greenhouse“ geplant sind, das 2015 seine Pforten öffnen soll. Dass dann tatsäch-lich auch Solaranlagen auf den Häusern gebaut werden, sei aber kein Muss für die Bauträger, heißt es seitens der Pro-jektleitung Aspern. Der geförderte Wohnbau muss ent-sprechende Auflagen der Stadt erfüllen. Die Bauträger der frei finanzierten Gebäude versprechen Projekte „mit dem übergeordneten Qualitätsversprechen und den Strategien der Seestadt“. So will die Buwog bis Ende 2017 insgesamt 250 freifinanzierte Eigentumswohnungen errichten, die Büroflächenentwickler „Kerbler Gruppe“ 900 Arbeits-plätze schaffen. Beide Bauträger versprechen „nachhaltige Energiekonzepte und Bauweise“.

Was heute „smart“ ist, war früher „grün“Nachhaltige Energiekonzepte und eine nachhaltige Bau-weise sind aber keine neue Idee. Konzepte für ein ener-gieeffizientes Leben hat es schon früher gegeben. Ein Bei-spiel dafür ist die im Jahr 2000 gebaute autofreie Siedlung Nordmanngasse im 21. Bezirk. Für den damaligen Stand ein durchaus modernes, ja „smartes“ Projekt. „Wir tren-nen das Trinkwasser und das Brauchwasser, haben eine Warmwasseraufbereitung und überall Energiesparlam-pen“, erzählt Wolfgang Parnigoni, ehemaliger grüner Be-zirksrat und Mieter der ersten Stunde der energieeffizi-enten Siedlung. Die Betriebskosten seien um ein Drittel geringer als bei einem konventionellen Wohnbau. Nach fast 15 Jahren „autofreie“ Siedlung seien alle Bewohner noch immer höchst zufrieden.

Gebaut wurde nach den Kriterien Minimierung des Wärmebedarfs durch gute Dämmung und Nutzung

von Solaranlagen und Erdwärmekollektoren zur Warm-wasserbereitung. Sonnenkollektoren wurden auf Flach-dächern aufgeständert. Das Besondere an dem Projekt damals war, wie auch heute in Aspern, dass die Stell-platzpflicht – ein Autoabstellplatz pro Wohnung – unter-schritten wurde. Dafür wurde im Jahr 1996 das Wiener Garagengesetz geändert. Die Stellplätze mussten für das Projekt Nordmanngasse, das der grüne Gemeinderat Chri-stoph Chorherr initiierte, nur im Verhältnis 1:10 errichtet werden. Die dadurch frei gewordenen Mittel wurden für Gemeinschaftseinrichtungen und Grünflächen verwendet und das Projekt wurde von der Stadt Wien gefördert.

Das Ganze gab es aber nicht umsonst. Die Mieter muss-ten sich zur „Autofreiheit“ verpflichten. Allerdings wurden auch in diesem – weitaus radikaleren – Konzept Ausnah-men eingeräumt, beziehungsweise wurde der radikale An-satz autofrei nicht eingehalten, denn wer ein Auto besaß oder eines brauchte, wurde keineswegs hinausgeschmis-sen. „Wir haben einen Taxifahrer“, beschreibt es Parnigoni, der als Mieter-Beirat der Wohngemeinschaft in Floridsdorf fungiert. Als Ausnahme der Autoverzichts-Regelung führt er auch Mieter an, die eine pflegebedürftige Großmutter haben und dafür ein eigenes Auto benötigen. Im Ausgleich zur verminderten Stellplatzregelung gibt es Car-Sharing-Plätze.

Geplant haben die Siedlung Nordmanngasse damals die Architekten Cornelia Schindler und Rudolf Szedenik.

Mit dem Begriff „smart city“ kann Rudolf Szedenik nichts anfangen. „Den Begriff gab es damals noch nicht“, sagt er. Die Bezeichnung sei „sehr wenig hilfreich“, man brauche halt ein Etikett. Für ihn ist nachhaltiges Bauen „die Pflicht der Stunde“ und könne nicht mit simplen Begriffen ab-getan werden. Vielmehr müsste man „an verschiedenen Schrauben drehen“, um zu einer Lösung zu kommen. „Bei der Verwendung von Holz wird im Gegensatz zur Herstel-lung von Beton viel CO2 eingespart, das ist beispielsweise ein Äquivalent für 30 Jahre heizen“, sagt er. So könne man an jedes Material herangehen.

Die Siedlung Nordmanngasse stand damals laut Szedenik unter dem Thema Autofreiheit. Darauf habe sich die Pla-nung konzentriert. „Da wir kaum Garagen bauen mussten, hatten wir das Budget für Gemeinschaftsräume und Ge-

müsebeete zur Verfügung“, sagt er. Der geförderte Wiener Wohnbau habe außerdem höhere ökologische Kriterien als der frei finanzierte Wohnbau: „Man wird sehen, wer was wie in Aspern bauen wird.“ Eines fällt dem Architekten dann doch zu „smart“ ein: smarte Wohnungen. Da trotz Wohnbauförderung die Mieten für den unteren sozialen Rand sehr hoch sind, fördere die Stadt nun smarte Woh-nungen. „Wir Architekten sind dabei angehalten, clevere Grundrisse zu planen, etwa eine Dreizimmerwohnung auf 70 statt auf bisher 85 Quadratmetern“, so Szedenik. In die-sem Fall hieße smart eben clever – und kleiner.

An verschiedenen Schrauben drehenDer Floridsdorfer Mieterbeirat Parnigoni möchte jeden-falls nicht nach Aspern ziehen. „Es gibt dort kein Umfeld“, sagt er: „In Floridsdorf haben wir alles fußläufig, alles flo-riert. In Aspern muss man das alles erst schaffen – und das kostet viel Geld.“ Parnigoni wäre eher für ein langsames Hinauswachsen aus der Stadt, anstatt eine Megacity an den Rand zu stellen.

Bis jetzt gibt es in der Seestadt ein fertiggestelltes Ge-bäude, 16 weitere sind im Hochbau. Die Seestadt setzt wie auch die autofreie Siedlung Nordmanngasse auf die Gemeinschaft. Fünf Baugruppen planen derzeit Gemein-schaftsprojekte mit insgesamt 179 Wohnungen auf ihren eigenen Baufeldern. Das einzig wirklich Neue wird dabei wohl sein, dass die „Aspern Smart City Research“ von Sie-mens und Wien Energie als Stadtlabor das Energie- und Kommunikationsverhalten von einem Teil der Mieter er-forschen wird, quasi in Echtzeit. Die Mieter werden sich im Mietvertrag als Teil dieses Forschungsprojektes einver-standen erklären müssen. Die Daten werden dann gesam-melt und ausgewertet als Basis für „künftige innovative Lösungsansätze und Technologien“. Dafür steht ein Budget von knapp 40 Millionen Euro zur Verfügung.

Im Bemühen, nachhaltig zu sein, muss beachtet werden, dass unterm Strich nicht doch wieder eine negative En-

ergie-Bilanz herauskommt. Das ist meist eine Abwägung mit ungewissem Ausgang. Hat sich der Aufwand gelohnt? Ab wann amortisieren sich die Kosten und beginnt die En-ergie- und Kostenersparnis? Immerhin gilt in diesem Fall: Gut gemeint ist zumindest in der Nähe von gut. Für den künstlichen, 5,5 Hektar großen See, das Herzstück der Seestadt, mussten 500.000 Kubikmeter Aushubmaterialien ausgebaggert werden. Allerdings wurde „clever“ gedacht: Der Schutt wurde zur Geländemodellierung, Schüttung von Straßen und für die Herstellung von Beton verwendet. Das hat tausende Lkw-Fahrten außerhalb der Baustelle vermieden. Der See selbst wird von Grundwasserquellen gespeist. Während in Aspern also noch gebaggert wird, fährt man in der autofreien Siedlung Nordmanngasse seit 15 Jahren Fahrrad. Mit Ausnahmen, versteht sich. n

Rund um einen künstlichen See (Foto ge-genüberliegende Seite) entsteht ein neuer Stadtteil in Aspern. Er soll so aussehen wie auf den Bildern dieser Seite.

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Telegramm von Helmut Ribarits 16future

Fliegende SaubermännerFuturistisch, aber nicht unrealistisch ist ein System fliegender Roboter, die

in Zukunft wie kleine Putzteufelchen durch die Wohnung schwirren und das Domizil auf Hochglanz bringen könnten. Davon war jedenfalls die Jury des Electrolux Design Contests 2013 überzeugt und kürte das „MAB Design

Cleaning System“ des kolumbianischen Konzept-Designers Adrian Perez Zapata zum Sieger. MAB hat einen Wohnungsplan im System eingespeichert und kann darauf programmiert werden, sie zu säubern. Das System selbst ist

rund wie ein Ball. Im Inneren der Kugel warten dutzende fliegenden Mini-Robotern darauf, herauszuschwärmen und die Säuberungsmaßnahmen zu starten. Sie können aber nicht nur Staub aufsaugen, sondern sie filtern die

Luft, wischen Flecken weg und lassen glatte Oberflächen in neuem Glanz erstrahlen. Blendend, nicht?

Surfen auf RädernZugegeben, das Elektroskateboard wirkt nicht übermäßig stylisch. Es birgt aber einige Raffinessen, denn es lässt sich durch die Verlagerung des Körpergewichtes steuern. Wird der vordere Teil belastet, beschleunigt das Bord. Mehr Druck auf die Hinterseite bremst das Gefährt mit dem Go-Kart-Reifen. Dabei werden auch die Akkus aufgeladen. Die Miniausgabe eines Formel-I-Reifens soll zudem Unebenheiten auf der Straße dämpfen und ein Fahrgefühl erzeugen, das dem Snowboarden oder dem Wellensurfen nahe-kommt. Das innovative Spaßrad ist demnächst um stolze knapp 1000 Euro auf dem heimischen Markt.

Kugel gewinnt MondenergieWenn es nach dem deutschen Architekten André Brößel geht, wird es mit der von ihm entwickelten Solarkugel „Rawlemon“ in Zukunft möglich sein, sowohl Sonnen- als auch Mondlicht bis zu 10.000-fach zu konzentrieren. Auf diese Weise könnte auch an bewölkten Tagen und sogar nachts Strom gesammelt werden, und zwar mit einer bis zu 70 Prozent gesteigerten Effizienz im Vergleich zu herkömmlichen Photovoltaikanlagen. Die Kugel des spanisch-deutschen Unternehmens Rowlemon Solar Architecture ist mit Wasser gefüllt, das die Sonnenstrahlen bündelt und auf die darunter positionierte Solarzellen strahlt, um die Energie effizienter umzusetzen. Den ersten Schritt in Richtung Vermarktung bildet eine Kampagne zur Finanzierung kleiner Solarkugeln, die Mobilgeräte sogar nachts mit Strom versorgen. Aber auch der Einsatz auf Hausdächern könnte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Waschmaschine ohne WasserEin gleichsam revolutionäres wie segensreiches Konzept verbirgt sich hinter der Idee des US-Designers Elie Ahovi. Mit seiner Waschmaschi-ne, die ohne Wasser, Waschmittel und Weichspüler auskommt und die Wäsche in gerade mal fünf Minuten nahezu geräuschlos sauber be-kommt, würde sogar die eine oder andere Umweltsünde im Bereich der Abwasserentsorgung minimiert. Die Idee beruht auf der in der Industrie etablierten Technik der Trockeneisbestrahlung. Bei Trockeneis handelt es sich um die umweltneutrale Form von Kohlendioxid mit einer Temperatur von minus 78,9 Grad Celsius. Beim Waschvorgang ändert sich beim Drehen der Trommel aus supraleitendem Material der Aggregatzustand des Trockeneises und wird unter hohem Druck in die Kleidung geschleudert, wo das Kohlendioxid den Schmutz löst. Dieser wird über spezielle Röhrchen aus der Trommel gefiltert. Die tragbare Trommel schwebt dabei frei in einem Batteriering, der sich mit Hilfe von Induktionstechnologie immer wieder selbst auflädt. Da kein Wasser verwendet wird, muss die Wäsche nicht einmal getrocknet werden. Bis dieses Wunderding in den Haushalten Einzug hält, werden allerdings noch unzählige Faserschmeichler den Weg in die Kläranlage antreten.

„Atomium“ druckt dein EssenDie nächste Geburtstagstorte kommt vielleicht aus dem Drucker: „Atomium“ und seine Erfinderin Liuza Berté aus Brasilien machen es möglich. Der 3D-Drucker-Kochbot in Gestalt einer Art kopflosen Vierbeiners hilft Kindern nicht nur dabei, ihre Speisen auf unterhaltsame Weise selbst zu gestalten, sondern macht das Essen auch zu einer kreativen Aktivität –

mit hoffentlich gesunden Nebenwirkungen. Atomium erfasst eine Kinderzeichnung, passt die molekularen Zutaten an den

Nährstoffbedarf des Kindes an und druckt die Speise in der entsprechenden

Form aus.