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Das kastrationsresistente Prostatakarzinom Deutlicher Wandel in der Therapie Martin Rothamel, Roland Lang, Martin Kriegmair, Ralph Oberneder, Jens Altwein In den letzten Jahren kam es zu einem deutlichen Zugewinn an Erkenntnissen über die Entstehung der Kastrationsresistenz. Zudem wurden neue medikamentöse Therapieoptionen untersucht und zuge- lassen. Für die Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bedeuteten diese Ereignisse einen grundlegenden Wandel. Galt bis vor kurzem Docetaxel noch als die Erstlinienstandardtherapie der Wahl, stehen nun neue Wirkstoffe zur Verfügung, die sehr gute Ergebnisse in Bezug auf das Gesamtüberleben zeigen. D as Prostatakarzinom ist derzeit der häufigste maligne Tumor bei Männern in Deutschland, mit einer Inzidenz von 65.830 Neuerkran- kungen im Jahr 2010. Das mittlere Er- krankungsalter liegt bei 70 Jahren. Be- zogen auf die Mortalität von Tumorer- krankungen liegt das Prostatakarzinom hinter dem Lungentumor und dem ko- lorektalen Karzinom mit 12.676 Todes- fällen an dritter Stelle in Deutschland [1]. Als Primärtherapie zur Behandlung des Prostatakarzinoms stehen operative und strahlenbasierte Verfahren zur Ver- fügung. Insbesondere bei weit fortge- schrittenen bzw. metastasierten Prostata- tumoren stellt die Hormontherapie die Behandlung der Wahl dar. Unter Anwendung der antihormonel- len erapie kommt es im Durchschnitt nach ungefähr 20 Monaten zu einem Tumorprogress. Im Krankheitsverlauf entwickelt sich eine zunehmende Kast- rationsresistenz, sodass die Wirksam- keit der antihormonellen erapie nachlässt [2, 3]. Die lymphogene Metastasierung des Prostatakarzinoms erfolgt zuerst in die pelvinen Lymphknoten. Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom zeigen im Verlauf folgende Metastasen- verteilung: Skelettsystem (bis zu 85 %; vorwiegend Wirbelsäule, Rippen, proxi- maler Femur und Lendenwirbel), ent- fernte Lymphknotenbereiche (bis zu 11 %), Leber (bis zu 10 %), orax (bis zu 9 %), Gehirn (bis zu 3 %) und Verdau- ungstrakt (bis zu 2,7 %) [4]. Das kastrationsresistente Prostatakar- zinom wird nach den EAU-Leitlinien definiert [5]: Kastrationsserumwerte für Testoste- ron < 50 ng/dl bzw. < 1,7 nmol/L Drei konsekutive PSA-Anstiege im Abstand von einer Woche, wovon zwei mit einem 50%igen Anstieg über dem Nadir liegen und PSA-Werte alle über 2 ng/ml Absetzen der Antiandrogene (für mindestens vier Wochen Flutamid und mindestens sechs Wochen Bica- lutamid) PSA-Progression oder radiologischer Progress trotz fortlaufender Standard- Hormontherapie Krankheitsverlauf des metastasierten Prostatakarzinoms In der Phase der Metastasierung kann die erapie des Prostatakarzinoms mittels Androgendeprivation erfolgen. Die Sekretion der testikulären Andro- genproduktion wird entweder durch die plastische Orchiektomie (operative Kastration) oder eine medikamentöse erapie, in Form von LHRH-Analoga oder LHRH-Antagonisten, supprimiert. Daneben können zirkulierende Andro- gene durch Antiandrogene am Ort ih- rer Wirkung (Androgenrezeptor) ge- hemmt werden. Die zusätzliche Gabe eines Antiandro- gens nach chirurgischer oder medika- Abb. 1: Die Zulassung neuer Wirkstoffe hat die Therapieoptionen beim kastrationsresis- tenten Prostatakarzinom erweitert und zu einer komplexeren Therapiesequenz geführt. Sekundäre Antihormon- therapie Immuntherapie Knochentherapie First-line- Chemotherapie “Tertiäre” Antihormon- therapie Knochen- und Targettherapie Second-line- Chemotherapie Klassische sekundäre Antihormon- therapie Abiraterone Enzalutamid* Sipuleucel-T Docetaxel Abiraterone Enzalutamid Alpharadin Cabozantinib Cabazitaxel Re-Docetaxel * Zulassung voraussichtlich Anfang 2015 © Dr. med. Martin Rothamel 2 URO-NEWS 2014; 18 (12) Fortbildung

Deutlicher Wandel in der Therapie - ukmp.de · — Absetzen der Antiandrogene (für ... die Therapie des Prostatakarzinoms mittels Androgendeprivation erfolgen. Die Sekretion der

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Das kastrationsresistente Prostatakarzinom

Deutlicher Wandel in der Therapie Martin Rothamel, Roland Lang, Martin Kriegmair, Ralph Oberneder, Jens Altwein

In den letzten Jahren kam es zu einem deutlichen Zugewinn an Erkenntnissen über die Entstehung der Kastrationsresistenz. Zudem wurden neue medikamentöse Therapieoptionen untersucht und zuge-lassen. Für die Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bedeuteten diese Ereignisse einen grundlegenden Wandel. Galt bis vor kurzem Docetaxel noch als die Erstlinienstandardtherapie der Wahl, stehen nun neue Wirkstoffe zur Verfügung, die sehr gute Ergebnisse in Bezug auf das Gesamtüberleben zeigen.

D as Prostatakarzinom ist derzeit der häufigste maligne Tumor bei Männern in Deutschland, mit

einer Inzidenz von 65.830 Neuerkran-kungen im Jahr 2010. Das mittlere Er-krankungsalter liegt bei 70 Jahren. Be-zogen auf die Mortalität von Tumorer-krankungen liegt das Prostatakarzinom hinter dem Lungentumor und dem ko-lorektalen Karzinom mit 12.676 Todes-fällen an dritter Stelle in Deutschland [1].

Als Primärtherapie zur Behandlung des Prostatakarzinoms stehen operative

und strahlenbasierte Verfahren zur Ver-fügung. Insbesondere bei weit fortge-schrittenen bzw. metastasierten Prostata-tumoren stellt die Hormontherapie die Behandlung der Wahl dar.

Unter Anwendung der antihormonel-len Therapie kommt es im Durchschnitt nach ungefähr 20 Monaten zu einem Tumorprogress. Im Krankheitsverlauf entwickelt sich eine zunehmende Kast-rationsresistenz, sodass die Wirksam-keit der antihormonellen Therapie nachlässt [2, 3].

Die lymphogene Metastasierung des Prostatakarzinoms erfolgt zuerst in die pelvinen Lymphknoten. Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom zeigen im Verlauf folgende Metastasen-verteilung: Skelettsystem (bis zu 85 %; vorwiegend Wirbelsäule, Rippen, proxi-maler Femur und Lendenwirbel), ent-fernte Lymphknotenbereiche (bis zu 11 %), Leber (bis zu 10 %), Thorax (bis zu 9 %), Gehirn (bis zu 3 %) und Verdau-ungstrakt (bis zu 2,7 %) [4].

Das kastrationsresistente Prostatakar-zinom wird nach den EAU-Leitlinien definiert [5]: — Kastrationsserumwerte für Testoste-

ron < 50 ng/dl bzw. < 1,7 nmol/L— Drei konsekutive PSA-Anstiege im

Abstand von einer Woche, wovon zwei mit einem 50%igen Anstieg über dem Nadir liegen und PSA-Werte alle über 2 ng/ml

— Absetzen der Antiandrogene (für mindestens vier Wochen Flutamid und mindestens sechs Wochen Bica-lutamid)

— PSA-Progression oder radiologischer Progress trotz fortlaufender Standard-Hormontherapie

Krankheitsverlauf des metastasierten ProstatakarzinomsIn der Phase der Metastasierung kann die Therapie des Prostatakarzinoms mittels Androgendeprivation erfolgen. Die Sekretion der testikulären Andro-genproduktion wird entweder durch die plastische Orchiektomie (operative Kastration) oder eine medikamentöse Therapie, in Form von LHRH-Analoga oder LHRH-Antagonisten, supprimiert. Daneben können zirkulierende Andro-gene durch Antiandrogene am Ort ih-rer Wirkung (Androgenrezeptor) ge-hemmt werden.

Die zusätzliche Gabe eines Antiandro-gens nach chirurgischer oder medika-

Das kastrationsresistente Prostatakarzinom

Abb. 1: Die Zulassung neuer Wirkstoffe hat die Therapieoptionen beim kastrationsresis-tenten Prostatakarzinom erweitert und zu einer komplexeren Therapiesequenz geführt.

SekundäreAntihormon-

therapie

Immuntherapie

Knochentherapie

First-line-Chemotherapie

“Tertiäre”Antihormon-

therapieKnochen- undTargettherapie

Second-line-Chemotherapie

Klassische sekundäre

Antihormon-therapie

AbirateroneEnzalutamid*

Sipuleucel-T Docetaxel AbirateroneEnzalutamidAlpharadin

Cabozantinib

Cabazitaxel

Re-Docetaxel

* Zulassung voraussichtlich Anfang 2015 ©

Dr.

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Fortbildung

mentöser Kastration ist als sogenannte primäre maximale oder totale Andro-genblockade bekannt.

Im Verlauf der Erkrankung nimmt das Ansprechen der Tumorzellen auf den Hormonentzug ab und es kommt zu einer Progression, in der Regel mit einem erneuten PSA-Anstieg und im Verlauf mit einem radiologisch nach-weisbaren Tumorwachstum. Es ist mitt-lerweile bekannt, dass der Androgen-stoffwechsel auch in diesem Krankheits-stadium eine zentrale Rolle spielt. Daher ist der früher verwendete Begriff des hormonrefraktären Prostatakarzinoms (HRPC) durch den Begriff kastrations-resistentes Prostatakarzinom (CRPC) abgelöst worden.

KastrationsresistenzDie Kastrationsresistenz wird moleku-larbiologisch durch mehrere Verände-rungen im Prostatakarzinom verursacht.

Androgenrezeptor-ÜberexpressionIn einer gesunden Prostata führt die Ak-tivierung des Androgenrezeptors zu ei-ner Reduktion der Androgenrezeptor-Gentranskription. Diese Hemmung wird in einer kastrationsresistenten Pro-statakarzinomzelle ausgeschaltet und es werden mehr Rezeptoren gebildet.

Eine erhöhte Anzahl an Androgenre-zeptoren hat zum einen zur Folge, dass die Tumorzelle sensibler auf geringe An-drogenkonzentrationen reagiert. Zum anderen führt die erhöhte Anzahl an An-drogenrezeptor-Genen zu einer deutlich längeren Überlebenszeit der Tumorzellen.

Mutation des Androgenrezeptors beim CRPCDaneben kann es zu einer Mutation der Androgenrezeptor-Gene kommen. Meist betrifft es Bereiche, die so verändert wer-den, dass nun nicht nur Androgene den Rezeptor aktivieren, sondern ebenso An-tiandrogene und andere Steroide.

Veränderungen der Androgenrezeptor-KoregulatorenKoregulatoren sind dazu bestimmt, eine Wirkung auf den Androgenrezeptor aus-zuüben. Insgesamt sind über 170 Koregu-latoren bekannt, die an den Rezeptor bin-den und dadurch entweder eine Verstär-kung oder hemmende Wirkung haben.

Eine Strukturveränderung oder ein Missverhältnis von solchen Koaktivato-ren und Korepressoren beim CRPC kann eine Aktivierung der Androgenrezepto-ren trotz niedriger Mengen an Androge-nen oder aber eine paradoxe Wirkung bestimmter Substanzen hervorrufen.

Intrakrine AndrogensyntheseIn den kastrationsresistenten Prostata-karzinomen ist eine erhöhte Menge an Enzymen vorhanden, die für den And-rogenmetabolismus benötigt werden. Kommt es zum Kontakt von steroidalen Vorstufen mit dem Prostatakarzinom, so können diese zu Androgenen umge-wandelt werden. Dabei nutzt das CRPC bei der Synthese eine „Hintertür“: Es benötigt demnach zur Bildung des Di-hydrotestosterons kein extrazelluläres Testosteron. Das Dihydrotestosteron stellt das potenteste Androgen dar. Dies erklärt die Tatsache, dass unter Andro-gendeprivationstherapie die Dihydro-testosteronkonzentration nur um ca. 60 % reduziert ist.

Ligandenunabhängige Androgenrezeptor-AktivierungAndrogenrezeptoren können ligan-denunabhängig über extrazelluläre Pep-tide wie Wachstumsfaktoren und Zyto-kine sowie deren intrazelluläre Signal-wege aktiviert werden und somit zum Zellwachstum beitragen [6, 7, 8].

Therapie

Sekundäre antihormonelle TherapieNach primärer antihormoneller Thera-pie des metastasierten Prostatakarzi-noms durch Orchiektomie, Antiandro-gene oder LHRH-Antagonisten bzw.

-Agonisten kommt es im Median nach 20 Monaten zu einem Tumorprogress mit PSA-Anstieg.

Zunächst sollte zu diesem Zeitpunkt eine sekundäre antihormonelle Therapie durchgeführt werden. Neben der sekun-dären maximalen Androgenblockade, so-lange sie nicht schon als primäre maxi-male Androgenblockade erfolgte, gelten der Antiandrogenentzug, die Östrogen-gabe, ein Wechsel des Antiandrogens so-wie eine Suppression der adrenalen und extragonadalen Androgenproduktion als sekundäre antihormonelle Therapie [8, 9].

Therapie des metastasierten CRPCIn den letzten Jahren kam es zu einem deutlichen Wandel in der Therapie des CRPC. Bis vor kurzem galt die Chemo-therapie mit Docetaxel als Standardthe-rapie des metastasierten kastrationsre-sistenten Prostatakarzinoms (mCRPC). Derzeit gestaltet sich die Therapie jedoch deutlich komplexer. Nachdem im Jahr 2010 zunächst Cabazitaxel als neue Zweitlinientherapie zugelassen wurde, folgten in den letzten Jahren Abiratero-ne, Enzalutamid und Radium-223 als weitere Therapieoptionen (Abb.) .

Hormontherapie: Der Wirkstoff Abira-terone ist in Deutschland zur Behand-lung von asymptomatischen/mild sym-ptomatischen Patienten mit mCRPC vor und nach der Chemotherapie zugelassen und ist insbesondere in diesem klini-schen Bild gegenüber Docetaxel auf dem Vormarsch [10, 12, 13].

Mit Abiraterone wird das Enzym 17-α-Hydroxylase/C17,20-Lyase (CYP17) irreversibel und selektiv blockiert. CYP17 ist fester Bestandteil der Kaskade zur Testosteronbiosynthese. Abiratero-ne hemmt somit nicht nur in den Gona-den und in der Nebenniere, sondern auch im Prostatakarzinom die Andro-genbiosynthese irreversibel [10, 11].

In der Phase-III-Zulassungsstudie zur Anwendung von Abiraterone nach er-folgter Chemotherapie mit Docetaxel (COU-AA-301) wurden 1.195 Patienten mit einem mCRPC in einem Verhältnis von zwei zu eins in zwei Therapiegrup-pen randomisiert. Dabei erhielten die Teilnehmer entweder Abiraterone 1000 mg plus Prednisolon 5 mg 2-mal/Tag oder ein Placebo plus Prednisolon 5 mg 2-mal/Tag.

Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben gewählt. Dabei ergab sich eine Verlängerung der Gesamtüber-lebenszeit von 11,2 Monaten auf 15,8 Monate. Die Betrachtung der sekundär-en Endpunkte zeigte zudem, dass auch das radiologisch progressionsfreie Über-leben, die PSA-Gesamt-Responsrate und die Zeit bis zur PSA-Progression signifi-kant bessere Ergebnisse zugunsten der Abirateronegruppe ergaben.

In der Phase-III-Zulassungsstudie zur Anwendung von Abiraterone vor erfolg-ter Chemotherapie (COU-AA-302) wur-

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de Abiraterone erneut gegen Placebo ge-testet. Dabei wurden 1.088 Männer eins zu eins randomisiert. Primäre Koend-punkte waren das Gesamtüberleben und das radiographisch progressionsfreie Überleben. Hierbei zeigte sich ein Vor-teil zugunsten der Abirateronegruppe bezogen auf das Gesamtüberleben sowie radiographisch progressionsfreie Über-leben von 8,3 Monaten gegenüber 16,5 Monaten. Aufgrund des Ausmaßes des klinischen Vorteils für die Abiraterone-gruppe erfolgte eine Entblindung und darauffolgend die Behandlung des Kon-trollarmes mit Abiraterone.

Mit Enzalutamid steht ein Androgen-rezeptor-Signalweginhibitor zur Verfü-gung, der den Signalweg auf drei Ebenen hemmt: 1. Blockade des Androgenrezeptors2. Hemmung der Translokation des

Rezeptorkomplexes in den Zellkern 3. Reduktion der DNA-Bindung des Re-

zeptorkomplexes im Zellkern und somit auch Hemmung der Genex-pression

Enzalutamid besitzt keine agonistische Restaktivität und hat einen stärkeren antiandrogenen Effekt als die bekann-ten Antiandrogene (Bicalutamid und Flutamid).

In der Phase-III-Zulassungsstudie (AF-FIRM) wurden 1.199 Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom und Progress nach Chemotherapie im Verhältnis zwei zu eins randomisiert. Die Erkrankten erhielten Enzalutamid 160 mg 1-mal/Tag oder ein Placebo. Als pri-märer Endpunkt wurde das Gesamtüber-leben gewählt. Das mediane Gesamtüber-leben wurde dabei in der Enzalutamid-gruppe um 4,8 Monate verlängert (18,4 vs. 13,6 Monate). Die Studie wurde nach ei-ner Interimsanalyse aufgrund der positi-ven Ergebnisse der Enzalutamidgruppe entblindet. Ebenso signifikant überlegen war Enzalutamid in Bezug auf die sekun-dären Endpunkte (Lebensqualität, Zeit bis zum PSA-Progress, Ansprechen auf den PSA-Wert, radiographisches progres-sionsfreies Überleben und Zeit bis zum ersten skelettbezogenen Ereignis). Der Wirkstoff ist in Deutschland derzeit zur Behandlung von Patienten mit einem mCRPC zugelassen, bei denen während oder nach der Docetaxeltherapie die Er-krankung fortschreitet [13, 14].

Chemotherapie: Infolge einer Chemo-therapie des mCRPC wird Cabazitaxel, ein Tubulin-bindendes Taxan, dann ver-wendet, wenn Docetaxel keine Wirkung mehr auf das CRPC erzielt. Es wird be-deutend langsamer als andere Taxane aus der Tumorzelle herausgeschleust, da es ein schlechtes Substrat für die Pgp- Effluxpumpe darstellt.

In der Phase-III-Zulassungsstudie (TROPIC-Studie) wurden 755 Männer mit einem CRPC eingeschlossen, die vorher unter oder nach einer Chemothe-rapie mit Docetaxel einen Progress erlit-ten haben. Dabei erhielten die Patienten randomisiert entweder Cabazitaxel oder Mitoxantron, immer in Kombination mit Prednison.

Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben festgelegt. Dabei konnte eine signifikante Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit von Cabazita-xel gegenüber Mitoxantron (15,1 vs. 12,7 Monate) nachgewiesen werden. Cabazi-taxel ist in Deutschland als Chemothe-rapie zur Zweitlinientherapie nach Do-cetaxel zugelassen [15].

Radionuklide: Seit November 2013 ist Radium-223-Chlorid bei Patienten mit einem symptomatischen ossär metasta-sierten CRPC ohne viszerale Metastasen zugelassen [16, 17]. Das Radionuklid wird anstelle des Kalzium-Hydroxylapatit in den Knochen eingelagert. Dieser Einbau erfolgt v. a. dort, wo vermehrt Knochen-umbau stattfindet, also in der Knochen-metastase. Da es sich um einen Alpha-strahler handelt besitzt es eine geringe Eindringtiefe mit hoher lokaler Wirkung.

In der Phase-III-Zulassungsstudie (ALSYMPCA) konnten 921 Patienten mit einem symptomatischen ossär me-tastasierten CRPC nach Docetaxelthera-pie, oder die für eine Docetaxeltherapie nicht geeignet waren, eingeschlossen werden. Dabei wurden die Patienten im Verhältnis zwei zu eins mit Radium-223-Chlorid oder einem Placebo rando-misiert. Auch hier wurde als primärer Endpunkt die Lebenszeitverlängerung gewählt. Es zeigte sich im Verlauf eine Verlängerung des Überlebens von 2,8 Monaten zugunsten des Radium-223-Chlorid-Arms.

Ebenso erfolgversprechend waren die Ergebnisse der sekundären Endpunkte.

Die Rate an skelettalen Ereignissen (SREs) war signifikant niedriger und die Zeit bis zum Auftreten des ersten SREs wurde signifikant verlängert (13,6 vs. 8,4 Monate).

Immuntherapie: Seit September 2013 kann das Immuntherapeutikum Sipu-leucel-T in der Immuntherapie des mCRPC verwendet werden [18]. In den USA ist der Wirkstoff bereits seit 2010 zugelassen [18]. Bei der Gabe von Sipu-leucel kommt es zu einer Aktivierung der körpereigenen Antigen-spezifischen T-Zellen. Der Impfstoff wird in drei Do-sen in zweiwöchigen Intervallen verab-reicht. Gegeben wird es Patienten mit einem asymptomatischen oder minimal symptomatischen CRPC.

In der Phase-III-Zulassungsstudie (IMPACT) konnte eine signifikante Ver-längerung der Überlebenszeit von 21,7 Monaten (Placebo) vs. 25,8 Monaten (Sipuleucel-T) gezeigt werden.

Sipuleucel-T wird für jeden Patienten individuell hergestellt. Zur Herstellung werden mittels Leukapherese sogenann-te Antigen-präsentierende Zellen (APCs) aus dem Blut gewonnen. Die Leukaphe-rese muss dazu vor jeder der drei Medi-kamentenapplikationen erneut erfolgen, da eine Aufbewahrung des Impfstoffes nur über ein paar Stunden möglich ist. Das Verfahren ist demnach sehr aufwen-dig und kostet in den USA derzeit ca. 93.000 Dollar pro Patient. Der Wirkstoff ist in den USA seit 2010 zugelassen. Für Europa erfolgte die Zulassung im Sep-tember 2013 [18].

Mit zu den häufigsten Komplikatio-nen beim mCRPC zählen pathologische Frakturen. Zur Vermeidung von skelet-talen Ereignissen sollten bei der Behand-lung von Knochenmetastasen Patienten Denosumab oder Zoledronsäure ange-boten werden, immer in Kombination mit Vitamin D und Kalzium [5, 19].

Zukunftsaussichten in der Therapie des CRPCDrei Wirkstoffe zur Therapie des mCR-PC stehen derzeit im Fokus von Zulas-sungsstudien: Cabozantinib ist ein Thy-rosinkinasehemmer mit Wirkung gegen die MET-Rezeptorthyrosinkinase und den VEGFR-2, welche eine zentrale Rol-le in der Entstehung und dem Progress

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des CRPC zu spielen scheinen (Phase II-Studie). In der Phase-II-Studie erhielten Patienten 100 mg Cabozantinib täglich. Als primärer Endpunkt wurde, unter an-derem, das progressionsfreie Überleben nach der Randomisierung gewählt. Dies ergab einen signifikant klaren Vorteil für die Cabozantinib-Gruppe gegenüber der Placebogruppe (23,9 Wochen vs. 5,9 Wochen). Derzeit wird der Wirkstoff noch in zwei Phase-III-Zulassungsstudi-en untersucht [11].

Bei TAK-700 handelt es sich um einen selektiven 17,20-Hydroxylase-Inhibitor, der, ähnlich wie Abiraterone, im Andro-gensyntheseweg wirkt. Der Wirkstoff wurde jedoch zum postchemotherapeu-tischen Einsatz nicht zugelassen. Die Studie zur Anwendung vor Chemothe-rapie ist noch nicht abgeschlossen (NCT01193244) [17].

Tasquinimod wirkt als Angiogenes-einhibitor und Immunmodulator. In ei-ner Phase-II-Studie zeigte sich eine Ver-längerung des progressionsfreien Über-lebens. Die Ergebnisse einer Phase-III-Studie werden im Januar 2016 erwartet [20].

DiskussionBis vor kurzem galt Docetaxel noch als die Erstlinienstandardtherapie des mCRPC. In den letzten drei Jahren hat jedoch ein deutlicher Wandel stattge-funden. Als Standard der Erstlinien- therapie beim asymptomatischen/mild symptomatischen mCRPC scheint Abi-raterone Docetaxel abzulösen.

Enzalutamid ist derzeit in Deutsch-land zur Therapie nach Chemotherapie zugelassen. Aufgrund der jüngst prä-sentierten Daten der PREVAIL-Studie (GU-ASCO 01-2014) ist eine Zulassung auch vor Chemotherapie zu erwarten. Demnach treten die Chemotherapien mit Docetaxel und als Zweitlinienthe-rapie Cabazitaxel vorerst im Behand-lungsverlauf in den Hintergrund. Zu-dem zeigen weitere neu zugelassene Wirkstoffe wie Radium-223 sehr gute Ergebnisse in Bezug auf das Gesamt-überleben.

Um eine Aussage über die endgültige Wirkung von Cabozantinib, Tasquini-mod und TAK-700 treffen zu können, muss auf die Ergebnisse der laufenden Phase-III-Studien gewartet werden.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Über-lebensvorteile, die in einzelnen Zulas-sungsstudien für die jeweilige Substanz nachgewiesen wurden und meist im Be-reich von wenigen Monaten liegen, in der sequenziellen Anwendung dieser Substanzen zu einem nennenswerten Gesamtüberlebensvorteil aufaddieren und somit für den betroffenen Patienten deutlich gewinnbringender sind.

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Dr. med. Martin RothamelUrologische Klinik München-Planegg Germeringerstr. 32 82152 München-PlaneggE-Mail: [email protected]

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