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Ada Medica Scandinavica. Vol. XCVI, fasc. I, 1938. Aus der med. Klinik zu Jonkoping/Schweden. Die Behandlung der spiitpubertlren Magersucht mit Hypofysentransplantation Von ESKIL KYLIN. (Bei der Redaktion am 1. April 1938 eingegangen). Im deutschen Archiv fur klinische Medizin Bd. 180 habe ich eine friiher nicht gekannte Krankheit, die spatpuberfhre &.lager- sirchf, eingehend beschrieben. Die Krankheit entsteht bei jungen Frauen zwischen ungefahr 15-20 Jahre und entspricht ihrer kli- nischen Symptomatologie nach recht wohl der s. g. Simmondsche Krankheit. Bei der Sektion findet man indessen (ich habe zwei Falle pathologisch-anatomisch untersuchen konnen) die Hypo- physe unbeschadigt durch irgend welche anatomisch nachweiss- baren Veranderungen. Die Hypophyse ist indessen ausserordentlich atrofisch und hat ein Gewicht, das nur ungefahr ein viertel oder ein drittel des Normalen entspricht. Mikroskopisch selien die Zellen diirftig und atrofisch aus. Die Behandlung mit allen moglichen gewiihnlichen Massnahmen versagt. Nur mit peroraler oder parenteraler Hypophysenbehand- lung konnen die Kranken erfolgreich behandelt werden. Als die beste Hypophysenbehandlung habe ich die Hypophysentrans- plantation von lebenden Kalbshypophysen vorgeschlagen. I)a ich jetzt iiber eine recht grosse Erfahrung mit Hypophysen- transplantation hei spatpubertarer Magersucht verf&ge und zwar iiber eine lange Zeit, mochte ich glauben, dass es von Interesse ist, dass ich dariiber Bericht erstatte. Mein Material von hypophysentransplantierten Fallen von der spatpubertarer Magersucht bezieht sich auf 31 Fallen. In zwei Fallen ist die Operation zweimal ausgefiihrt. Es bezieht sich also auf

Die Behandlung der spätpubertären Magersucht mit Hypofysentransplantation

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Page 1: Die Behandlung der spätpubertären Magersucht mit Hypofysentransplantation

Ada Medica Scandinavica. Vol. XCVI, fasc. I, 1938.

Aus der med. Klinik zu Jonkoping/Schweden.

Die Behandlung der spiitpubertlren Magersucht mit Hypofysentransplantation

Von

ESKIL KYLIN.

(Bei der Redaktion am 1. April 1938 eingegangen).

Im deutschen Archiv fur klinische Medizin Bd. 180 habe ich eine friiher nicht gekannte Krankheit, die spatpuberfhre &.lager- sirchf, eingehend beschrieben. Die Krankheit entsteht bei jungen Frauen zwischen ungefahr 15-20 Jahre und entspricht ihrer kli- nischen Symptomatologie nach recht wohl der s. g. Simmondsche Krankheit. Bei der Sektion findet man indessen (ich habe zwei Falle pathologisch-anatomisch untersuchen konnen) die Hypo- physe unbeschadigt durch irgend welche anatomisch nachweiss- baren Veranderungen. Die Hypophyse ist indessen ausserordentlich atrofisch und hat ein Gewicht, das nur ungefahr ein viertel oder ein drittel des Normalen entspricht. Mikroskopisch selien die Zellen diirftig und atrofisch aus.

Die Behandlung mit allen moglichen gewiihnlichen Massnahmen versagt. Nur mit peroraler oder parenteraler Hypophysenbehand- lung konnen die Kranken erfolgreich behandelt werden. Als die beste Hypophysenbehandlung habe ich die Hypophysentrans- plantation von lebenden Kalbshypophysen vorgeschlagen.

I)a ich jetzt iiber eine recht grosse Erfahrung mit Hypophysen- transplantation hei spatpubertarer Magersucht verf&ge und zwar iiber eine lange Zeit, mochte ich glauben, dass es von Interesse ist, dass ich dariiber Bericht erstatte.

Mein Material von hypophysentransplantierten Fallen von der spatpubertarer Magersucht bezieht sich auf 31 Fallen. In zwei Fallen ist die Operation zweimal ausgefiihrt. Es bezieht sich also auf

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33 Hypophysentransplantationen a n 31 Fallen. Die Observations- zeit nach der Operation schwankt zwischen 3 1/2 Jahre his 2 Monate.

Ich stelle mein Material der Uebersichtlichkeit wegen in fol- gender Tabelle zusammen.

Tabelle 1.

Name

1. Thyra F. 2. Viola L.

3.Henny K. 4. Elsa G. 5. Ingrid v. E. 6. Gudrun S.

7. Inga-Lisa E. 8. Inga-Lisa C. 9. Maud D. 10. Karin H.

11. Sonja F.

12. Brita H. 13. Signe K. L4. Gunnel L. 15. Ulla T. 16. Dagmar B. 17. Svea K. 18. Marianne de L 19. Viola L. 10. Eivor S. 11. Sigrid L. 12. Tyra P.

13. Elisabet J. 24. Kerstin €3. 15. Brita L. 16. Vera S. 17. Miirta J. 18. Asla A. 19. Monica L. $0. Eva B. $1. Ingrid L. $2. Miirta A.

- - 1* $ 5

;,a

9 -

;E 9 1 -- 16 20

17 19 17 14

15 16 18 19

16

15 17 15 16 15 17 16 20 13 15 16

13 19 13 20 15 18 15 15 13 14

- - & I I ! u c 8. I g . 1 -

18 28

23 22 20 16

16 17 22 21

18

17 24 17 24 18 22 22

14 19 19

16 20 25 27 21 19 17 16 16 16

- - :E L a 1 : >?2 j 9 - 33 40.8

27.5 40 31.5 26

25.2 34 41.5 29

25

40 28 35.f 29.f 39.2 34.2 47.1 40 31.2 24.f 40

35.5 34 E 40.7 46.3 35.5 35.1 44.3 29 46.9 35.1

- - w r3 a s a x - 66 60

52 72 55 37.5

45.6 45 43

58.6 51 40 45 60 55 50 58 34 42 44.5

47 36 41 47.5 35.5 48 55.5

- - 2 ? z $.

I " 8

" a - 33 19.2

24.5 32 23.5 11.5

20.4 11 1.5

18.5 23 4.4

15.4 20.8 20.7 2.9

18 3

17.4 4.5

11.5 1.1 0.3 1.2 0

12.9 11.2

Normal Gesund. Arbeitsfiihig Normal Zuerst gesund. Sptitei

Rezidive Normal Gesund. Arbeitsfiihig Normal Gesund. Arheitsfahit Normal Gesund. Arbeitsfiihig Fehlt Zuerst gesund. Spiitei

Recidive Fehlt Gesund. Arbeitsfiihig Normal Gesund. ArbeitsfHhig Fehlt Verbessert

t Gestorben dre Monate nach der Op

t Gestorben 2 Stunder nach der Op.

Normal Gesund. Arbeitsfiihig Normal Gesund. Arbeitsfiihig Fehlt Verbessert. Arbeitsfgh Normal Gesund. Arbeitsfahig Normal Gesund. Arbeitsfiihig Normal Gesund. Arbeitsfiihig Fehlt Verbiissert Fehlt Gesund. Arbeitsfiihig Fehlt Verbessert Fehlt Gesund. Arbeitsfiihig Fehlt Versager. Zweimal

Fehlt Fehlt Normr Fehlt Fehlt Fehlt Norma Fehlt Fehlt Fehlt

transplantiert. Gesund. Arbeitsfiihig Verbessert? Versager? Verbessert. Arbeitsf. Versager? Versager? Gesund. Arbeitsfiihig. Gesund. Arbeitsfiihig

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D I E B E H A N D L U N G D E R SPLTPUBERTARER MAGERSUCHT ETC. 77

Wie wir an der Tabelle sehen sind drei Falle so neulich operiert worden, dass man sie noch nicht heurteilen kann. Zwei Kranke. sind gestorben. Die eine starb ein paar Stunde nach der Operation und die andere 3 Monate nach der Operation. In diesem letzten Falle war die Operation, so weit man es beurteilen kann, nicht gelungen. Die Kranke, die aussert ahgemagert war, hatte so papierdiinnes Gekrose, dass es nicht moglich war die Transplantaten festzunahen.

In allen zwei Fallen war die Hypophyse bei der Sektion hochst atrofisch und wog in einem Falle nur 0.26 gm in dem anderen 0.37.

Diesen fiinf Fallen konnen bei der Beurteilung des Materials nicht mitgerechnet werden. Es werden also 26 Falle iibrig. Von diesen sind 20 arbeitsfahig geworden. Nur in vier Fallen ist keine Verbesserung eingetreten. Diese vier sind also als Versager zu bezeichnen. Es ist bemerkenswert dass in einem diesen vier Fallen die Hypophysentransplantation zwei ma1 vorgenommen wurde, aber in allen beide Male ohne Erfolg.

In drei Falle ist eine deutliche Besserung Eingetreten, aber die Besserung ist noch nicht so weit gekommen, dass die Kranke als gesund bezeichnet werden konnen.

In der Tabelle 2 stelle ich die Ergebnisse zusammen.

Tabelle 2. Neulich operiert und darum nicht berlicksichtigt 3 Gestorben binnen kurzer Zeit nach der Operation . . 2 Versager ...................................... 4 Verbessert aber nicht arbeitsfihig ................ 2 Arbeitsflihig .................................. 20

31 -

Zu bemerken ist, dass in 13 Fiillen die Regeln zuruckgekommen sind. Dies gilt besonden die Fallen, die vor langer Zeit (iiber zwei Jahren) operiert sind. Von den acht Fallen die schon seit mehr als 2 Jahre observiert worden sind, haben sechs die Regeln wieder bekommen.

Alle die verschiedenen Krankheitssymptome, die ich eingehend in D. Arch. f. kl. Med. Bd. 180 geschildert habe, verschwinden vollstandig. Die Temperatur wird normal, der Blutdruck steigt uud wird normal, der Grundumsatz wird gleichfalls normal. Das Korpergewicht steigt gleichfalls und erreicht so allmahlich normale

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Abb. 1. Abb. 2.

Werte. Im allgemeinen dauert es doch recht lange Zeit und sogar 1-2 Jahre ehedem das normale Korpergewicht erreicht wird.

In nieinen Material habe ich sehr grosse Zunahme des Korper- gewichtes in vielen Fallen gesehen. So habe ich in zwei Fallen eine Erhohung von nicht weniger als 32 Kg festgestellt. In 8 Fallen sah ich eine Zunahme des Korpergewichtes von 20 Kg oder dariiber und in 13 Fallen von 15 Kg. oder mehr und in 18 Fallen von 10 Kg oder dariiber.

Die Heilung scheint eine Definitive zu werden. Wenigstens kann man heute sagen dass der Erfolg viele Jahre bleibt. In einem meiner Falle ist heutzutage 3 y2 Jahre nach dem Operation ver- flossen. Die Pat. ist noch vollstiindig gesund mit einem Korper-

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gewicht von 66 Kg. gegen am niedrigsten 33. Sie arbeitet als Schwerarbeiterin im Landwirtschaft und vermag alle Arbeit mit- zumachen. Die Regeln sind seit Jahren normal.

Von den acht Fallen, wo eine Observationszeit von mehr als zwei Jahre vorliegt sind sechs noch vollstandig gesund. In zwei Fallen sind Rezidive eingetreten. Die eine von diesen zwei Pa- tientinnen ist wieder transplantiert worden und zwar mit dem Erfolg dass sie wieder vollstandig gesund und arbeitsfahig gewor- '

den ist. (Fall No. 2 und 19) Um die grosse Veranderung des Korpergewichtes noch besser

zii beleuchten, fuge ich Abbildungen einer meiner Patientinnen teils bei der Operation und teils 1 1/2 Jahre nach der Operation bei. Dieser Fall (Fall 13 in der obenstehenden l'abelle) ist schon friiher ausfiihrlich in D. Arch. kl. Med. Bd. 180 veroffentlicht worden. Hier mochte ich nur betreffs der Krankengeschichte folgendes berichten. Die Patientin erkrankte mit 17 Jahre. Wog vor dem Anfang der Krankheit 58 Kg. Magerte so allmahlich bis 28 Kg. ab. Wurde mehrere Male in der inneren Klinik zu 0. gepflegt aber ohne wirkliche Besserung. Wurde Maj 1936 transplantiert. Fing dann so allmahlich an sich besser und starker zu fuhlen und nahm an Korpergewicht zu. Im Jan. 1938 wog sie 51 Kg. Die Regeln, die seit 1932 sessiert haten kamen im Herbst 1937 zuriick. Die Pa- tientin ist jetzt vollstandig gesund und arbeitsfahig. - Abb. l ist ein paar Wochen nach der Operation, Abb 2 1 yh Jahre nach der Operation genommen. Wahrend dieser Zeit hat die Patientin 23 Kg. zugenommen. Die Patientin ist vollstandig gesund und arbeitsfahig geworden.

Fasse ich die Ergebnisse der Behandlung der spatpubertaren Magersucht mit Hypophyseniransplantation zusammen so mochte ich hervorheben, dass diese Behandlung in den allermeisfen Fallen eine Restitutio ad iniegrum hervorrufen kann. Die Resultate isf in diesen Fallen glanzend. Diese Behandlung ist in solchen Fallen die einzige die dauernd erfolgreich ist. In gewissen Fallen versa@ diese Behandlung. Wie dies zu erklaren ist steht noch aus.