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Die Finanzen eines Entwicklungslandes: Die Republik Sudan Author(s): Rudolf Stucken Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 23, H. 1 (1963/64), pp. 98-104 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909763 . Accessed: 12/06/2014 23:56 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.78.143 on Thu, 12 Jun 2014 23:56:06 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Finanzen eines Entwicklungslandes: Die Republik Sudan

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Die Finanzen eines Entwicklungslandes: Die Republik SudanAuthor(s): Rudolf StuckenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 23, H. 1 (1963/64), pp. 98-104Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909763 .

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Die Finanzen eines Entwicklungslandes : Die Republik Sudan

von

Rudolf Stucken

Es gibt eine Keihe von grundlegenden Tatbeständen, die den Finanzen von Entwicklungsländern ihr Gepräge geben. Hierzu gehören :

1. Die geringe Hohe des Volkseinkommens, die ja als Begriffsmerkmal für Entwicklungsländer angesehen wird; und zwar handelt es sich hierbei um das Volkseinkommen pro Kopf der Bevölkerung. Die Folge davon ist, daß eine steuerliche Belastung, verglichen mit der in entwickelten Ländern, nur in relativ geringer Höhe tragbar oder zumutbar ist.

2. Die geringe Entwicklung der Rechenhafiigkeit und des Schriftverkehrs, wodurch die Anwendung von Steuern, zumindest in größerer Breite des Wirt- schaftslebens, ausgeschlossen wird, bei denen Kechenhaftigkeit und Schrift- verkehr sowohl bei der Steuerverwaltung als auch bei den Steuerpflichtigen Voraussetzungen sind.

3. Die geringe Höhe der freiwilligen privaten Ersparnis, die schon durch die geringe Höhe des Volkseinkommens pro Kopf zu erklären ist, wodurch die für Investitionen verfügbaren Mittel beschränkt werden. Eine weitere Be- schränkung dieser Mittel findet dadurch statt, daß ein Teil dieser Ersparnisse ins Ausland transferiert oder in nicht-ertragbringenden Formen angelegt wird.

4. Die geringe Entwicklung eines Kapitalmarktes, teils als Folge der gerin- gen freiwilligen privaten Ersparnis, teils auch als Folge der Bevorzugung eigener realer Kapitalbildung gegenüber dem Erwerb von auf Geldbeträge lautenden Forderungen.

5. Die Ballung der Ausgaben der öffentlichen Hand als Folge des Strebens nach beschleunigter Entwicklung; wir pflegen dieses Streben nach einem gegenüber der Vergangenheit wesentlich erhöhten Entwicklungstempo als ein weiteres Begriffemerkmal für Entwicklungsländer anzusehen. Die Ballung der Ausgaben zeigt sich am stärksten bei den Investitionsausgaben, zumal im Zuge einer verstärkten wirtschaftlichen Entwicklung große Investitionen notwendig werden auf dem Gebiet des Bildungs- und Gesundheitswesens, des Verkehrs, der Energieversorgung, also der Infrastruktur, als auch auf dem Gebiet unmittelbar produktiver Anlagen.

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Es ist selbstverständlich, daß sich diese Grundtatbestände in den ver- schiedenen Ländern mit verschiedener Intensität geltend machen. Es gibt beispielsweise Länder, bei denen die Infrastruktur schon leidlich entwickelt, und andere Entwicklungsländer, in denen diese nur rudimentär vorhanden ist. Aber allgemein sind die Grundtatbestände doch soweit ausgeprägt, daß das Auseinanderklaffen von öffentlichem Bedarf und der Möglichkeit seiner Deckung zum Problem wird ; daraus ergibt sich dann das Streben, ausländi- sches Kapital zur Deckung der öffentlichen Ausgaben heranzuziehen, was zumeist nicht nur zur Lösung des Finanzproblems, sondern auch zur Lösung des Devisenproblems erforderlich ist.

Andere bedeutende Unterschiede in den Finanzen von Entwicklungslän- dern ergeben sich in Zusammenhang mit dem Vorkommen oder Fehlen von Bodenschätzen, deren Ausbeutung in der Regel durch ausländische Unterneh- mungen betrieben wird, zumindest aber durch ausländische Unternehmungen in Gang gebracht worden ist. Man denke hier nur an die ölländer, die aus der Gewinnung und dem Export von öl entweder direkt große Überschüsse er- zielen oder aber durch Royalties an den Gewinnen ausländischer Unterneh- mungen beteiligt sind. Weitere Unterschiede sind bedingt durch die mehr oder weniger große Verbreitung der Plantagenkultur, deren Träger, zumindest in der Aufbauzeit, gewöhnlich Ausländer sind.

Gehen wir nun zu unserem ausgewählten Beispiel, den Finanzen des Ent- wicklungslandes Republik Sudan, über. Es handelt sich um ein Land, in dem die Entwicklung von einer schmalen, aber gut durchgebildeten einheimischen Oberschicht mit großer Energie vorangetrieben wird, wobei auch ausländische Beratung und sonstige Hilfe gern herangezogen wird, weil es den Sudanesen offensichtlich an den Ressentiments gegenüber Ausländern fehlt, die in vielen anderen Entwicklungsländern die Zusammenarbeit ausschließen oder weniger fruchtbar machen. Der Wille zur Entwicklung des Landes und seiner Bevöl- kerung hat durch die im Jahre 1956 erreichte Unabhängigkeit einen starken Auftrieb erhalten. - Gut die Hälfte des Volkseinkommens fällt noch in dem sogenannten „traditional sector" des Wirtschaftslebens an, wo in traditiona- len Produktionsverfahren vor allem Grundnahrungsmittel pflanzlicher oder tierischer Art gewonnen werden, die in erster Linie der Eigenversorgung der daran beteiligten Familien dienen. Die andere Hälfte des Volkseinkommens - der Anteil nimmt nun aber von Jahr zu Jahr zu - fällt im „modern sector" an, zu dem die auf Export eingestellten Teile der Landwirtschaft, der Export- und Importhandel, die Industrie, der Verkehr, die öffentliche Verwaltung usw. gehören. - Der Sudan kann wirtschaftlich als „export economy" bezeichnet werden, d.h. der Gang des Wirtschaftlebens wird in erster Linie von der Be- wegung der Exporterlöse bestimmt, die ihrerseits wiederum abhängig sind von dem Ernteausfall einerseits und den Weltmarktpreisen andererseits1.

1 Siehe hierzu „Entwicklungsbedingungen und Entwicklungschancen der Re- publik Sudan". Herausgegeben von Rudolf Stucken. Schriften des Vereins für So- cialpolitik, NF Band 28, Berlin 1963, insbesondere 1. Kapitel: Allgemeine Daten der Republik Sudan.

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Bei der Führung der Finanzen der Republik Sudan können wir feststel- len, daß zwei Grundprinzipien verfolgt werden. Das erste Prinzip steht in Zu- sammenhang damit, daß die öffentlichen Einnahmen von den Ausfuhrerlösen stark abhängig sind und deshalb von Jahr zu Jahr entsprechend schwanken1. Die Abhängigkeit der Einnahmen von den Exporterlösen ergibt sich als Fol- ge davon, daß a) Exportsteuern eine gewisse Bedeutung haben; daß b) auch die Einfuhr mit der Größe des Exports schwankt, wenn auch mit einem gewissen „time lag", und daß die Einfuhrzölle stark ins Gewicht fallen ; und daß c) das Ergebnis der staatlichen Beteiligungen an landwirtschaftlichen Un- ternehmungen ebenfalls mit den Exporterlösen schwankt, weil es sich dabei meist um die auf Bewässerungsland betriebene Baumwollkultur handelt. Den stark schwankenden staatlichen Einnahmen stehen nun Ausgaben gegenüber, die in ihrer Höhe von den Exporterlösen unabhängig sind und kontinuierlich zu steigen pflegen, es sei denn, daß mit Rücksicht auf die Einnahmeseite des öf- fentlichen Haushaltes die Ausgaben zeitweilig gedrosselt werden. Aber um einem Zwang in dieser Richtung zu entgehen, verfolgt die sudanesische Regie- rung das Prinzip, in guten Jahren beim Gesamthaushalt Überschüsse zu machen und damit staatliche Guthaben zu bilden, um in schlechteren Zeiten auf diese Guthaben zurückgreifen zu können. Wir können dies als ein Prinzip sauberer Finanzführung ansprechen, das geeignet ist, das Vertrauen in die Finanzfüh- rung zu heben, und das die Gefahren meidet, die mit der zum Ausgleich des Haushaltes erfolgenden Kreditnahme des Staates, besonders der bei der Notenbank, verbunden zu sein pflegen. So arbeitet der Staat also regelmäßig mit großen Guthaben, was zur Folge hat, daß der Staat bisher kein Interesse daran gehabt hat, einen Geldmarkt zu entwickeln, auf dem er sich kurzfristig finanzieren könnte.

Eine Parallelerscheinung zu diesem finanzpolitischen Prinzip des Aus- gleichs zwischen guten und schlechten Jahren finden wir im Sudan auf dem geldpolitischen Gebiet. Auch die Devisenlage schwankt in Zusammenhang mit den Exporterlösen, und deshalb arbeitet die Notenbank mit Devisenvor- räten, die sie in guten Jahren anhäuft und in schlechten Jahren notfalls ver- braucht2.

Das zweite finanzpolitische Prinzip steht in Zusammenhang mit der Frage der Finanzierung von Entwicklungsprojekten. Auch für den Sudan gilt der Satz, daß die freiwillige private Ersparnis ganz und gar nicht ausreicht, um die für die Entwicklung erforderlichen Investitionen zu finanzieren. Und ferner ist ein Kapitalmarkt im Lande noch nicht entwickelt, so daß der Staat für seine eigenen Investitionen nicht auf private Ersparnisse zurückgreifen kann. In dieser Lage betreibt der Staat in großem Stil Zwangskapitalbildung, indem er im laufenden Budget große Überschüsse anstrebt und diese dem Entwick- lungsbudget zuführt ; ein Rückgriff auf den Kredit der Notenbank zum Zwecke der Finanzierung der Entwicklungsprojekte findet nicht statt. Des weiteren nimmt der Sudan zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten Auslands- kredite in Anspruch, jedoch mit der Beschränkung, daß höchstens die für die

1 Einzelheiten ebenda, besonders im 3. Kapitel: öffentliche Finanzen. * Ebd., 2. Kapitel: Geld und Banken.

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Investitionen im Ausland zu tätigenden Ausgaben durch Auslandskredite ge- deckt werden und daß die Verzinsung und Amortisation der Auslandskredite aus dem laufenden Haushalt erfolgt. Wir können das Prinzip, Auslandskredite nur in den Grenzen der mit den Investitionen verbundenen Auslandsausgaben aufzunehmen, unter den im Sudan herrschenden Bedingungen als ein außer- ordentlich gesundes Prinzip bezeichnen, während dieses, vielfach als der Weisheit letzter Schluß angesehene Prinzip unter anderen Bedingungen in anderen Ländern viel Unheil angerichtet hat; denn mangels Ersparnissen sind vielfach die Inlandsausgaben der Investitionen durch Geldschöpfung ge- deckt worden, und da dann Devisen für die Einfuhr der zusätzlich nachge- fragten Güter nicht zur Verfügung standen, wurde eine Inflation ausgelöst. Aber im Falle des Sudan wird ja tatsächlich der Inlandsteil der Investitions- ausgaben durch Ersparnisse gedeckt, wenn auch durch Zwangsersparnisse, die der Steuer- und Haushaltspolitik zu verdanken sind.

Daß solche Überschüsse des laufenden Haushaltes im Sudan h erausge wirt- schaftet werden, beruht auf zweierlei Tatsachen : 1. Man ist mit der Ausschöp- fung der im Sudan erhobenen Steuern - wir kommen unten darauf noch im einzelnen zu sprechen - bis an die Grenze des Möglichen gegangen, und 2. bei den laufenden Ausgaben herrscht eine weise Selbstbeschränkung, was beson- ders darin zum Ausdruck kommt, daß im Sudan, anders als in anderen Mili- tärdiktaturen, die Ausgaben für die Wehrmacht nicht höher sind als die für das Unterrichtswesen und daß kein großer staatlicher Kepräsentationsaufwand getrieben wird. Man ist stolz auf die Bildungseinrichtungen und die großen Bauten für Bewässerung und Energieversorgung, aber man baut keine Natio- nalmonumente.

Immerhin taucht im Sudan die Frage auf, ob das gesunde Finanzierungs- prinzip in der Zukunft bei dem gegebenen Abgabensystem durchgehalten werden kann, ohne daß die Entwicklung mangels ausreichender Mittel all- zusehr beengt wird. Die vom Verfasser geführte Forschungsgruppe, die im Winter 1961/62 die Entwicklungsbedingungen und Entwicklungschancen der Republik Sudan untersucht hat, hat gerade diese Frage sehr ernst genom- men. Sie hat sie an Hand des im Herbst 1962 in Kraft getretenen Zehnjah- resplanes untersucht1. Zunächst ergab sich dabei, daß die sudanesische Re- gierung diesen Zehn jahresplan mit großer Nüchternheit konzipiert und sich keine Ziele gesetzt hat, die über die vorhandenen Ressourcen hinausge- hen. Planziel ist die Erhöhung des Bruttoinlandsproduktes um 63 v. H. in der zehnjährigen Planperiode, also um 5 v.H. jährlich, und die Erhöhung des Einkommens pro Kopf um 23 v. H., also um 2,1 v.H. jährlich (dabei ist eine Bevölkerungszunahme von 2,8 v.H. jährlich zugrunde gelegt worden). Bei diesem Zehn jahresplan sind zur Ergänzung der im Inland aufzubringenden Mittel Auslandsanleihen in einem ohne weiteres vertretbaren Umfang vorge- sehen, jedenfalls in einem Umfang, der hinter dem Auslandsanteil an den In- vestitionsausgaben zurückbleibt. Das interessanteste Ergebnis der Untersu- chung war wohl, daß der Bedarf an Auslandsanleihen, der sich zum Zwecke des Ausgleichs der Devisenbilanz ergibt, geringer ist als der Betrag an Auslandsan-

1 Ebd., 11. Kapitel: Der Zehnjahresplan und die Entwicklungschancen.

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leihen, der erforderlich ist, um die gesamten Ausgaben für Entwicklungsinvesti- tionen aus Ersparnissen - inländischen und ausländischen - zu decken. Dies Er- gebnis widerspricht der weit verbreiteten Anschauung, daß die Devisenbilanz den Engpaß für die Investitionen in Entwicklungsländern bildet und daß durch den Devisenbedarf die Grenze für die Entwicklung gesetzt ist. Unsere Schluß- folgerung hat sich an Hand der Untersuchung des Staatshaushaltes der Re- publik Sudan ergeben.

Von der Gesamthöhe der vorgesehenen Investitionen - Zahlenangaben sind der mehrfach zitierten Veröffentlichung des Forschungsberichtes zu entnehmen - entfallen etwa % auf den privaten Sektor und 2/3 auf den Staatssektor. Für die Finanzierung der Investitionen im Staatssektor kann auf im Inland zu emittierende Anleihen nicht zurückgegriffen werden, denn auch wenn die freiwillige private Ersparnis höher ausfällt, als im Plan vor- gesehen ist, muß man damit rechnen, daß die Investitionen im privaten Sek- tor erhöht werden, nicht aber, daß die Mittel dem Staat auf dem Anleihewege zugeführt werden. Es fragt sich deshalb, mit welcher Ersparnis des öffentli- chen laufenden Haushaltes zu rechnen ist. Eine solche Vorschau auf die Zukunft basiert auf einer Reihe von Annahmen und hat nur Wert, insofern diese An- nahmen fundiert sind. Die Forschungsgruppe hat sich in ihren ganzen voran- gegangenen Untersuchungen darum bemüht, zu solchen fundierten Annah- men für die Zukunft vorzustoßen ; dabei handelte es sich nicht nur um die zu erwartende Produktions- und Ausfuhrmenge gewisser Güter, vor allem der Baumwolle, die beim Export noch immer dominiert, sondern auch um die zu erwartenden Weltmarktpreise, die die Höhe der Exporterlöse mitbestimmen; denn, wie schon oben ausgeführt, wir müssen damit rechnen, daß die Export- erlöse auch das staatliche Steueraufkommen wesentlich mitbestimmen, zu- mal Ausfuhrabgaben und Einfuhrzölle unter den Steuereinnahmen besonde- res Gewicht haben. Ebenso mußte ein Urteil darüber gefällt werden, wie voraussichtlich die Einnahmen aus dem Zuckermonopol durch den Übergang von der Zuckereinfuhr zur eigenen Produktion beeinflußt werden; weiterhin darüber, mit welchen Einnahmen aus der Beteiligung an staatlichen Unter- nehmungen zu rechnen ist. Abgesehen von der Einnahmeseite des öffentlichen Haushaltes mußten auch Annahmen über die Ausgabenseite gemacht werden.

Die Forschungsgruppe ist letztlich zu dem Ergebnis gekommen, für die Einnahmen des öffentlichen Haushaltes eine jährliche Zunahme von 4,5 v.H. anzunehmen. Das bleibt wesentlich hinter dem Wachstum des „modernen Sektors" zurück, das im Plan mit 7 v.H. angenommen worden ist. Die An- nahme dieses geringeren Zuwachses der Einnahmen des öffentlichen Haus- haltes beruht auf folgender Überlegung: Von den gesamten Steuereinnahmen des Sudan gehören 90 bis 95 v.H. zu der Gruppe der indirekten Steuern; unter den indirekten Steuern dominieren weitaus die Einnahmen aus Export- abgaben und Importzöllen und aus dem Zuckermonopol, es ist aber nicht da- mit zu rechnen, daß diese im gleichen Maß wachsen wie die Produktion im modernen Sektor. Beim Export ist wegen der zu erwartenden Veränderung der Weltmarktpreise, besonders bei der vom Sudan vornehmlich produzierten langfaserigen Baumwolle, trotz größerer mengenmäßiger Zunahme nur mit einer jährlichen Zunahme der Erlöse von 5 v.H. zu rechnen; beim Import

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fallt vor allem die Importsubstitution, die im Zehn jahresplan angestrebt wird, ins Gewicht ; beim Zucker muß es durch die höheren Kosten der eigenen Produktion zu Ausfällen von Staatseinnahmen kommen. Die Einnahmen des Staates aus der Beteiligung an landwirtschaftlichen Unternehmungen sind ebenfalls von den Exporterlösen abhängig. - Bei den Ausgaben des laufenden Haushaltes wurde mit einem Zuwachs von 5 v.H., wie in den vorangegange- nen fünf Jahren, gerechnet. - Es ergibt sich so ein Überschuß des laufenden Haushalts, der nur mit geringer Zuwachsrate vom Ausgangsjahr bis zum letzten Planjahr steigt.

Das große Problem ist also, daß in einem Entwicklungsland, dessen Steuereinnahmen zu 90 bis 95 v.H. auf indirekten Steuern beruhen, diese Steuereinnahmen mit der Entwicklung nicht entsprechend mitsteigen. Um so mehr müssen wir uns einmal mit den direkten Steuern und ihren Erträgen befassen, da bei ihnen eine andere Entwicklung erwartet werden könnte.

Im Staatshaushalt der Republik Sudan gibt es nur zwei ins Gewicht fallende direkte Steuern, nämlich die „Business Profits Tax" und den „Us- hur", eine Steuer von den Erträgen von Regenland (eine gewisse Steuer von Bewässerungsland ist in dem Posten Beteiligung des Staates an landwirt- schaftlichen Unternehmungen enthalten). Wir wollen uns hier vornehmlich mit der „Business Profits Tax" befassen. Wir müssen da konstatieren, daß die Erträge dieser Steuer stagnieren und nicht den aufwärts gerichteten Trend haben, den man in einem Land, in dem Handel und Industrie in der Entfal- tung begriffen sind, erwartet. Wir haben dafür mehrere Gründe herausgear- beitet, von denen zumindest der erste für Entwicklungsländer als typisch anzusehen ist, allerdings einen Tatbestand darstellt, der bei fortdauernder Entwicklung in den Hintergrund zu treten pflegt. Es handelt sich darum, daß zur Förderung der Entwicklung im privaten Sektor des Wirtschaftslebens Unternehmungen Steuererleichterungen oder Steuerbefreiungen gewährt werden, so daß erst mit mehrjähriger Verzögerung von diesen Unternehmun- gen entsprechende Steuereinnahmen zu erwarten sind. Das ist auch im Sudan bei der „Business Profits Tax" der Fall, wo den sogenannten „approved enterprises" durch die „Approved Enterprises Concessions Act" vom 11. 2. 1956 x Steuervergünstigungen gewährt worden sind. Und jedenfalls ist hier die Periode, in der diese Steuervergünstigungen sich relativ stark auswirken, noch nicht abgeschlossen, und es hat auch mitgespielt, daß der Status eines geförderten Unternehmens nicht nur Neugründungen, sondern auch bereits bestehenden Unternehmungen verliehen worden ist.

Ein weiterer Grund dafür, daß die Erträge der „Business Profits Tax" sich nicht aufwärts entwickeln, liegt in dem Tatbestand, daß die Unterneh- mungen sich mehr und mehr auf diese Steuer eingestellt haben. Die Steuer hat einen progressiven Tarif, und zwar ebenso für natürliche Personen wie für Betriebe in Gesellschaftsform (wir könnten auch sagen: bei natürlichen Per- sonen ebenso wie bei juristischen Personen). Und nun ist man mehr und mehr dazu übergegangen, die Betriebe in eine Mehrzahl von einzelnen Gesell- schaften aufzuspalten, wo dann für die Erträge jeder einzelnen Gesellschaft

1 Vgl. ebd. im 9. Kapitel: Industrialisierung, S. 218 f.

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nur die niedrigeren Steuersätze am Anfang der Progressionsskala in Frage kommen. Mit einer solchen Folge hätte man auch bei uns rechnen müssen, wenn wir eine Körperschaftsteuer mit progressivem Tarif hätten oder wenn es bei der Gewerbesteuer eine ins Gewicht fallende Progression gäbe, worauf man aber mit guten Gründen verzichtet hat. Hier zeigt sich das Dilemma, in das die Steuerpolitik gerät, wenn man versucht, mit einer solchen Betrieb- steuer so etwas wie eine höhere Belastung höherer Einkommen zu erreichen, die man bei uns mit einer progressiv gestalteten Einkommensteuer anstrebt. Das Dilemma ist um so größer, als eine völlig unterschiedliche Steuerbela- stung herauskommt, je nachdem, ob es möglich ist, den Betrieb aufzuspalten, oder nicht. Und nun ergibt sich, daß eine solche Aufspaltung besondere Schwierigkeiten bei den neuen Industrieunternehmungen macht, die man gerade besonders fördern will. Der Ausweg wäre wohl, für Betriebe in Gesell- schaftsform einen einheitlichen Steuersatz zu wählen, der allerdings dem Spit- zensatz der bisherigen Progressionsskala, die für natürliche Personen bei- behalten werden könnte, entsprechen müßte.

Der „Business Profits Tax" möchten wir, von ihren Erträgen abgesehen, noch eine besondere Bedeutung beimessen. Sie könnte zur Schule für eine zu- künftige Einkommensteuer werden, um die die Entwicklungsländer bei fort- schreitender Entwicklung wohl nicht herumkommen werden, so groß am Anfang auch die Schwierigkeiten der Durchführung der Einkommensteuer sind. Denn bei der Einkommensteuer machen sich die mangelnde Rechen- haftigkeit und die mangelnde Übung des Schriftverkehrs am stärksten gel- tend. Im Zusammenhang mit der „Business Profits Tax" kann nun wenig- stens ein begrenzter Personenkreis nach und nach an das gewöhnt werden, was nachher auch für die Einkommensteuer notwendig sein wird, und die Steuerverwaltung kann ihre Erfahrung in der Veranlagung sammeln. Wir wollen diesen Beitrag - obwohl er Fritz Karl Mann gewidmet ist - nicht in ein Preislied auf die Einkommensteuer ausklingen lassen, sondern wir wollen nur der Überzeugung Ausdruck geben, daß auch in den Entwick- lungsländern der Weg zur Einkommensteuer hinführt; nicht weil man eines Tages von der belastungspolitischen Überlegenheit der Einkommensteuer überzeugt sein wird, sondern weil man vor haushaltspolitischen Schwierig- keiten steht, angesichts derer man in einer Art von „Flucht nach vorn" nach der Einkommensteuer greift, weil man sieht, daß man mit dem überkomme- nen Steuersystem nicht zurecht kommt - wie das ja auch in einer Reihe von entwickelten Ländern, man denke an England und Frankreich, vor sich ge- gangen ist.

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