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GASTROENTEROLOGIE CHRONISCHE PANKREATITIS 57 Definition: Eine irreversible morphologische Veränderung des Pankreasparenchyms mit Funktionseinschränkung. Klinik: Hauptsymptome der chronischen Pankreatitis (CP) sind Bauchschmerzen, Maldigestion mit Steatorrhoe und, im Spätstadium, Diabetes mellitus. Diagnostik: Goldstandard zur Diagnose ist die Histologie, die aber wegen der Lage des Pankreas praktisch nie zur Verfügung steht. Die Diagnose beruht also auf Klinik und Bildgebung. Als weitere Verfahren stehen genetische Tests und Funktionstests zur Verfügung. Funktionstests eignen sich zur Diagnose einer Pankreasinsuffizienz, deren häufigste Ursache im Erwachsenenalter die CP darstellt. Sie sind aber zur Diagnose CP nicht nötig. Genetische Tests werden an Bedeutung zunehmen, weniger für die Diagnose als für die ätiologische Abklärung der nicht durch Alkohol induzierten Pankreatitiden. Bei chronischer Pankreatitis ist das Risiko für ein Pankreaskarzinom erhöht. Aufgrund der veränderten Morphologie des Pankreas mit Parenchymatrophie, Verkalkungen, entzündlichen Schwellungen, Pseudozysten und Fibrose ist es aber sehr schwierig, ein Pankreaskarzinom auszuschließen bzw zu beweisen. Es gibt daher keine Empfehlung zur Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Pankreaskarzinomen bei chronischer Pankreatitis. Eine routinemäßige CA 19-9 – Bestimmung ist nicht indiziert. Im Augenblick ist die Dünnschicht-CT die beste Untersuchung zur Diagnose und DD der chronischen Pankreatitis. Eine diagnostische ERCP ist nicht nötig. MRI/MRCP sind gleichwertig aber weniger verfügbar. Durch eine Kombination mit Sekretin- Stimulation können auch funktionelle Daten erhoben werden. Der Stellenwert der Endosonographie ist nicht eindeutig geklärt. Im Zweifelsfall sollte eine EUS jedoch durchgeführt werden. Die abdominelle Sonographie dagegen ist bei unklaren abdominellen Schmerzen, speziell bei Ikterus, ein nützliches initiales Verfahren. Therapie: Die medikamentös-konservative Therapie der CP umfasst die Schmerzbekämpfung sowie die Behandlung der exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz. Kein Alkohol und kein Nikotin! Allerdings ist die Compliance der Patienten oft schlecht. Bei Schmerzen müssen zunächst behandelbare Komplikationen durch eine CT ausgeschlossen werden. Anschliessend erfolgt mit einem festen Schema die Schmerztherapie. Falls periphere Analgesie nicht ausreicht, können z.B. Durogesic- Pflaster o.ä., Antidepressiva und Neuroleptika eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit stellt ein Versuch der Substitution von Pankreasenzymen dar. Ein schmerzlindernder Effekt ist allerdings nicht sicher belegt. Weitere invasive Massnahmen entweder endoskopisch oder chirurgisch erfolgen mangels Daten auf individueller Basis (z.B. Stents, ESWL, duodenumerhaltende Kopfresektion, Puestow etc.). Pseudozysten werden behandelt, wenn sie Beschwerden verursachen, z. B durch Druck auf umliegende Strukturen, wenn sie an Größe zunehmen oder wenn sie größer als 5 cm sind. Falls irgend möglich, sollten Pseudozysten vor Therapie wenigstens 6 Wochen alt sein, da sonst keine stabile Kapsel entstanden ist. Vor Therapie ist eine ERCP angezeigt, um eine mögliche Verbindung zum Pankreasgangsystem zu zeigen. Cholestase bei CP stellt in aller Regel eine Op- Indikation dar. Diese dient auch dem Malignomausschluss.

GASTROENTEROLOGIE CHRONISCHE · PDF fileMRI/MRCP sind gleichwertig aber weniger verfügbar. Durch eine Kombination mit Sekretin-Stimulation können auch funktionelle Daten erhoben

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GASTROENTEROLOGIE CHRONISCHE PANKREATITIS

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Definition: Eine irreversible morphologische Veränderung des Pankreasparenchyms mit Funktionseinschränkung. Klinik: Hauptsymptome der chronischen Pankreatitis (CP) sind Bauchschmerzen, Maldigestion mit Steatorrhoe und, im Spätstadium, Diabetes mellitus. Diagnostik: Goldstandard zur Diagnose ist die Histologie, die aber wegen der Lage des Pankreas praktisch nie zur Verfügung steht. Die Diagnose beruht also auf Klinik und Bildgebung. Als weitere Verfahren stehen genetische Tests und Funktionstests zur Verfügung. Funktionstests eignen sich zur Diagnose einer Pankreasinsuffizienz, deren häufigste Ursache im Erwachsenenalter die CP darstellt. Sie sind aber zur Diagnose CP nicht nötig. Genetische Tests werden an Bedeutung zunehmen, weniger für die Diagnose als für die ätiologische Abklärung der nicht durch Alkohol induzierten Pankreatitiden. Bei chronischer Pankreatitis ist das Risiko für ein Pankreaskarzinom erhöht. Aufgrund der veränderten Morphologie des Pankreas mit Parenchymatrophie, Verkalkungen, entzündlichen Schwellungen, Pseudozysten und Fibrose ist es aber sehr schwierig, ein Pankreaskarzinom auszuschließen bzw zu beweisen. Es gibt daher keine Empfehlung zur Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Pankreaskarzinomen bei chronischer Pankreatitis. Eine routinemäßige CA 19-9 – Bestimmung ist nicht indiziert. Im Augenblick ist die Dünnschicht-CT die beste Untersuchung zur Diagnose und DD der chronischen Pankreatitis. Eine diagnostische ERCP ist nicht nötig. MRI/MRCP sind gleichwertig aber weniger verfügbar. Durch eine Kombination mit Sekretin-Stimulation können auch funktionelle Daten erhoben werden. Der Stellenwert der Endosonographie ist nicht eindeutig geklärt. Im Zweifelsfall sollte eine EUS jedoch durchgeführt werden. Die abdominelle Sonographie dagegen ist bei unklaren abdominellen Schmerzen, speziell bei Ikterus, ein nützliches initiales Verfahren. Therapie: Die medikamentös-konservative Therapie der CP umfasst die Schmerzbekämpfung sowie die Behandlung der exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz. Kein Alkohol und kein Nikotin! Allerdings ist die Compliance der Patienten oft schlecht. Bei Schmerzen müssen zunächst behandelbare Komplikationen durch eine CT ausgeschlossen werden. Anschliessend erfolgt mit einem festen Schema die Schmerztherapie. Falls periphere Analgesie nicht ausreicht, können z.B. Durogesic-Pflaster o.ä., Antidepressiva und Neuroleptika eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit stellt ein Versuch der Substitution von Pankreasenzymen dar. Ein schmerzlindernder Effekt ist allerdings nicht sicher belegt. Weitere invasive Massnahmen entweder endoskopisch oder chirurgisch erfolgen mangels Daten auf individueller Basis (z.B. Stents, ESWL, duodenumerhaltende Kopfresektion, Puestow etc.). Pseudozysten werden behandelt, wenn sie Beschwerden verursachen, z. B durch Druck auf umliegende Strukturen, wenn sie an Größe zunehmen oder wenn sie größer als 5 cm sind. Falls irgend möglich, sollten Pseudozysten vor Therapie wenigstens 6 Wochen alt sein, da sonst keine stabile Kapsel entstanden ist. Vor Therapie ist eine ERCP angezeigt, um eine mögliche Verbindung zum Pankreasgangsystem zu zeigen. Cholestase bei CP stellt in aller Regel eine Op-Indikation dar. Diese dient auch dem Malignomausschluss.

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*Siehe entsprechendes Flussdiagramm

Chronische Pankreatitis- Diagnose

Sonographie

Morphologisch chronische Pankreatitis (Pseudozysten, Kalk, Gangdilatation)

-

Verdacht auf PankreasCa*

CT mit KM bei Erstdiagnose, nicht als Screening

Alkoholinduzierte CP

Testung Hereditäre Pankreatitis

Trypsinogenmutation

Testung Hereditäre Pankreatitis plus

rezessive Mutationen (SPINK, CFTR).

Ausschluss autoimmune CP (IgG4, ANA, Sjögren)

+ -

-+

Familienanamnese

Leitsymptome: Chronische Bauchschmerzen, Maldigestion, Gewichtsverlust. Im Endstadium: Diabetes mellitus

MRCP und EUS möglich,

Stellenwert noch offen

Chronische Pankreatitis unsicher

DD Bauchschmerzen*

Chronische Diarrhö* Maldigestion/Malabsorption*

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Modifiziert nach den Richtlinien der American Gastroenterological Association zur Behandlung von Schmerzen bei chronischer Pankreatitis

Chronische Pankreatitis-Therapie

Patient mit chronischer Pankreatitis und Schmerzen

CT ± ERCP ± EUS ± ÖGD

Pseudozysten (PS), Gallengangsstriktur (GS), Duodenalstenose (DS), peptisches Ulkus (PU),

Pankreaskarzinom

Behandlung konservativ (PU), chirurgisch (PS,

GS, DS), oder endoskopisch (PS)

Leichte Vollkost, Nicht-Opiod-Analgetika, Alkoholabstinenz, Schmerztagebuch und

Lebensqualitätsfragebogen

erfolglos

8-wöchiger Therapieversuch mit hoch dosierten Pankreasenzymen (in Tablettenform) + Säuresuppression

erfolglos

Endoskopische Therapie in Erwägung ziehen

Endoskopische Therapie nicht durchgeführt oder erfolglos

Mit dem Patienten abwartende Haltung vs. Opiod-Analgetika und Risiko der Drogenabhängigkeit vs. Nutzen und Risiken einer OP diskutieren

Entscheidung für chirurgischen Eingriff Pankreasgänge

erweitert

Drainage-OP

Pankreasgänge nicht erweitert

Nervenablation unter kontrollierten Bedingungen erwägen

Ggf. OP

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Exokrine Pankreasinsuffizienz: Die Diagnose kann durch die Anamnese, die Klinik der Patienten mit den Leitsymptomen Fettstuhl (Maldigestion), Gewichtsabnahme und Vitaminmangel sowie durch die Elastase 1-Bestimmung im Stuhl gesichert werden. Diät: Eine Pankreasdiät im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Da die häufigste Ursache der exokrinen Pankreasinsuffizienz eine alkoholische chronische Pankreatitis ist, sollte eine Alkohol und Nikotinabstinenz eingehalten werden. Zur Verminderung des Ausmaßes der postprandialen Stimulation der Pankreassekretion, sollten die Patienten kleine, leichte Mahlzeiten einnehmen. Eine Fettrestriktion ist nicht zwingend notwendig, soweit unter einer Enzymersatztherapie die exokrine Pankreasinsuffizienz kompensiert werden kann. Eine ausreichende Enzymersatztherapie sollte eine ausgewogene Diät ermöglichen (z.B. 25g Fett pro Mahlzeit gemäss Empfehlung der DGE). Vitamine sollten bei fortgeschrittener Erkrankung substituiert werden. Pankreasenzymsubstitution: Bei Pankreasinsuffizienz müssen Enzyme substituiert werden. Ziel ist es ~30000 IE Lipase pro Mahlzeit ins Duodenum zu transportieren. Wegen der Inaktivierung der Lipase bereits im Magen müssen unter Umständen viele Kapseln pro Mahlzeit plus Protonenpumpenblocker eingenommen werden. Wichtig ist, ein in einer Mikrogalenik geschütztes und möglichst säurestabiles Präparat zu wählen. Durch die gleichzeitige Gabe eines PPI kann der Verlust an aktiven Enzymen durch die Magensäure

1. Bestimmung von Elastase-1 im Stuhl

>200µg/g Stuhl: keine Insuffizienz

100-200µg/g Stuhl: leichte -mittlere Insuff.

<100µg/g Stuhl: schwere Insuff.

2. Therapieversuch bei Verdacht (z.B. chron. Pankreatitis)

Bestimmung von Elastase im Stuhl (klinische Chemie, Form 2 VNR 0320): • kleine Stuhlprobe ausreichend (5g) • Elastasebestimmung durch spezifischen ELISA • kein Abbau von Elastase durch andere Pankreasenzyme im Darm • sehr spezifischer Test • schnell und billig • falsch positive Tests möglich ( z. B. bei osmotischer Diarrhö)

3. Sekretin-Pankreozymin-Test in Einzelfällen bei unklaren Befunden ( z.B. chron. Diarrhoe, Ausschluss anderer Ursachen, morphologisch/anamnestisch V.a chron Pankreatitis) (Anmeldung in Endoskopie, Tel. 2271)

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reduziert werden. Die Mikrosphären sollten einen Durchmesser von 2-3 mm nicht überschreiten, um eine zeitgleiche Magenentleerung mit den Nahrungsbestandteilen zu gewährleisten. Enzymersatzpräparate sind auch als Granulate verfügbar und sollten bei magenteilresezierten Patienten eingesetzt werden. Bei gastrektomierten Patientin können ungeschützte, nicht säureresistente Präparate angewandt werden. Bei den meisten Patienten ist unter dieser Therapie eine signifikante Reduktion, allerdings keine vollständige Elimination der Steatorrhoe möglich. Eine weitere Erhöhung der Lipasedosierung reduziert die Steatorrhoe nicht weiter, aber es kommt zu einem signifikanten Anstieg von Bauchkrämpfen und Flatulenz. Vitaminsubstitution: Als Folge der gestörten Lipidresorption sind häufig eine Malabsorption der fettlöslichen Vitamine A, D, E, K und damit verbunden deren Mangelerscheinungen zu beobachten. Eine parenterale Substitution ist daher sinnvoll. Eine mögliche Osteoporose bei schwerem Malabsorptionssyndrom und sekundärem Hyperparathyreodismus bedarf einer Behandlung. Diabetes: Ein pankreopriver Diabetes mellitus entwickelt sich bei ca. 30% bis 40% der Patienten mit einer chronischen Pankreatitis. Die Therapie unterscheidet sich grundsätzlich nicht vom Insulinmangeldiabetes und besteht primär aus einer exogenen Insulinersatztherapie. Keine oralen Antidiabetika geben. Bei unregelmäßiger Nahrungsaufnahme, fortwährendem Alkoholabusus und non-Compliance sollte die Insulintherapie bei Gefahr der Hypoglykämie (auch das Glucagon fehlt) nicht zu straff durchgeführt werden (HbA1c zwischen 7-8% ist akzeptabel). Insulin sollte initial mit 0,3 bis 0,45 IU/kg Körpergewicht/Tag dosiert und dann angepasst werden. Literatur: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/iverd003.htm Leitlinie der DGVS zur chronischen Pankreatitis http://www.bsg.org.uk/pdf_word_docs/pancreatic.pdf PDF Datei der British Society of Gastroenterology http://www.gastrojournal.org Liste mit Guidelines der AGA, darunter auch: American Gastroenterological Association Medical Position Statement: Treatment of pain in chronic pancreatitis. Gastroenterology 1998; 115: 763-764.

Warshaw A., Banks P.A., Castillo C.F. AGA Technical Review: Treatment of Pain in chronic Pancreatitis. Gastroenterology 1998; 115: 765-776.

DiMagno E.P. Gastric acid suppression and treatment of severe exocrine pancreatic insufficiency. Best Practice&research Clinical Gastroenterology. 2001; 15:477-486. Göke F.J.M., Göke B. Optimal control of diabetes mellitus in pancreatitis. In: Pancreatitis, Amman RW et al. (Hrsg.). Springer 2005, 226-231. Layer P., Keller J. Pancreatic Enzymes: Secretion and Luminal Nutrient Digestion in Health and Disease. J. Clin. Gastroenterol. 1999; 28: 3-10.

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Algorithmus zur Behandlung der Steatorrhoe

Pankreas-Mikrosphären (2x25.000 i.E/Mahlzeit

Reduzierung bzw. Elimination

Säuresuppression und/oder

Reduzierung der Fettzufuhr

Überprüfung der Compliance (Chymotrypsin im Stuhl)

Wenn möglich, Compliance herstellen

Behandeln z.B. Antibiotika (Metronidazol)

Glutenfreie Diät

Diagnose überprüfen Ausschluss anderer Ursachen

einer Steatorrhoe: Sprue?

Giardiasis? Bakterielle Überwucherung?

„blind-loop“-Syndrom?

Modifiziert nach Layer et.al., J. Clin. Gastroenterol. 1999;28:3-10.

erfolglos

Dosiserhöhung (2-3fach)

erfolglos

erfolglos

compliant

erfolgreich

erfolgreich

Incompliant

ja