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Klaus Wiegandt, der ehemalige Top-Manager und Gründer der Stiftung Forum für Verantwortung, will in Deutschland eine Aufklärungskampagne starten, die ein globales Aufforstungsprogramm fordert. Die Initiative besitzt Charme, weil sie ohne Konsumverzicht auskommt. Händler könnten dem Projekt den nötigen finanziellen und ideellen Rückhalt geben. | Gerd Hanke Wälder für die Welt K laus Wiegandt kommt ohne Umschweife zur Sache. Zum Redaktionsbesuch hat er seine aktuelle Projekt- skizze mitgebracht. Sie trägt die etwas sperrige Überschrift: „Die Waldlösun- gen. Eine Mobilisierung der Zivilge- sellschaft für erfolgreiche Klima- schutzpolitik.“ Er nippt an seinem grünen Tee und sagt: „Dafür bin ich noch einmal bereit, wie ein Löwe zu kämpfen.“ Im Kern geht es darum, lo- kale Netzwerke aufzubauen, die die Menschen bis zur Bundestagswahl 2021 für das Thema Erderwärmung und deren Folgen sensibilieren sollen. Nur Parteien, die sich für ein globales Aufforstungsprogramm verwenden, sollen die Stimme der Wähler erhal- ten. Wiegandt will davon 12 bis 15 10 Millionen Menschen überzeugen. Wiegandt wirkt kein bisschen mü- de. In eineinhalb Jahren wird er 80. Der frühere Manager, der in Top-Po- sitionen bei Coop, Rewe-Leibbrand, Asko und Metro viele Schlachten ge- schlagen hat, will es noch einmal wis- sen. Über die körperliche und menta- le Fitness verfügt er offensichtlich. Lange schon ernährt er sich bewusst. Noch wichtiger für sein Wohlbefin- den könnte sein, dass die vergange- nen eineinhalb Jahrzehnte zu den glücklichsten in seinem Leben zäh- len. Seit dem Ende des Manager-Da- seins, damals war er 60 Jahre alt, wid- met er sich einer Aufgabe von exis- tenzieller Tragweite. Sein großes Thema lautet Nachhaltigkeit und Kli- 28 Lebensmittel Zeitung LZ 37 15. September 2017 JOURNAL RISIKEN UND FOLGEN maschutz. 3 Millionen Euro hat er al- lein in die von ihm ins Leben gerufe- ne Stiftung „Forum für Verantwor- tung“ eingebracht. Die Aufgabe füllt ihn aus. Aber Nachhaltigkeit ist ein zähes Geschäft, mitunter deprimie- rend. Immer mehr reden darüber und finden das Thema wichtig. Doch es bewegt sich nicht nur aus Wiegandts Sicht zu wenig. Wenn es an den eige- nen Geldbeutel geht oder Umsätze bedroht sind, relativiert sich manch guter Vorsatz. Die Idee, das Thema noch einmal offensiv und mit einer klaren Fokus- sierung anzugehen, ist bei Wiegandt in den vergangenen Monaten gereift. Seiner Meinung nach versagt die Poli- tik auf der ganzen Linie. Das Kli- maabkommen von Paris brandmarkt er als „unrealistisch“. Den Menschen werden die Folgen des Klimawandels nicht eindringlich genug vor Augen geführt. Obwohl schon heute offen- sichtlich sei, dass das Abkommen in seiner gegenwärtigen Verfassung nicht in der Lage sei, die zwei Grad Celsius Erderwärmung abzusichern, schenke die Politik den Menschen keinen rei- nen Wein ein, sondern spekuliere „ungestraft mit dem Schicksal unserer Kinder und Enkelkinder“. Das zu ändern, ist Wiegandts An- liegen. Womöglich ist es sein letzter großer Kampf in Sachen Nachhaltig- keit. Ihm schwebt eine Art Bürgerbe- wegung vor. Mit einer breit angeleg- ten Kampagne in Print, TV, Social Media und dem Einsatz von Botschaf- DIE AUSGANGSLAGE Um eine Begrenzung der durchschnittlichen Erderwärmung auf 2 Grad Celsius noch zu erreichen, hat die Weltgemeinschaft nach Aussagen von Klimaforschern noch ein CO2-Budget von 800 Milliarden Tonnen, das beim jetzigen Niveau von jährlich knapp 40 Milliarden in etwa 20 Jahren aufgebraucht wäre. Danach müsse die Weltgemeinschaft bei null Emissionen angekommen sein. Die im Pariser Klimaabkommen beschlossenen Maßnahmen reichten für diese Mammutaufgabe nicht aus. Der Vertrag komme 20 Jahre zu spät, sagt Wiegandt. Die Welt- bevölkerung wachse bis 2050 um weitere 2,5 Milliarden Menschen, und das Weltsozialprodukt werde sich in den nächsten 25 Jahren ver- doppeln, ohne eine globale Entkopplung von Wirtschaftswachstum auf der einen und Ressourcen- und Energieverbrauch auf der anderen Seite – mit all den Folgen insbesondere für die CO2-Emissionen. Eine Ver- schärfung der Effizienzziele über technische Lösungen würde in vielen Sektoren der Weltwirtschaft zu Massenarbeitslosigkeit führen. Das wäre politisch nicht durchzusetzen und sozialpolitisch nicht zu verant- worten. Gleichzeitig erfolge der Umstieg auf fossile Energieträger zu langsam. Die wachsende Zahl der globalen Mittelstandsverbraucher zu einem Konsumverzicht zu bewegen, sei unrealistisch. Die größten Gefahren eines ungebremsten Klimawandels sind nicht steigende Meeresspiegel oder das Abschmelzen des Grönelandeises. In erster Linie geht es um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft und damit um die Sicherstellung von Nahrungsmitteln und in vielen Teilen der Welt um ausreichend Trinkwasser. Hans-Joachim Schellnhuber zeigt in seinem Buch „Selbstverbrennung“ auf, dass 1°C mehr Erder- wärmung zu einer zusätzlichen Verdunstung von Wasser über den Ozeanen von 100 Billionen Liter täglich führen wird. Dieser Wasser- dampf in Verbindung mit der gestiegenen Energie in der Atmosphäre führt zu einer heute kaum vorstellbaren Radikalisierung des Wetter- geschehens. Die Summe dieser sich ständig wiederholenden Ereignisse wird in der Landwirtschaft zu großflächigen Ernteausfällen führen, so dass ab Mitte der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts für große Teile der Weltbevölkerung, darunter unsere Kinder und Enkelkinder, der Kampf um Nahrung und Wasser zum täglichen Alltag werden wird. Bei einer Erderwärmung von 4 bis 6° besteht darüber hinaus die Gefahr, dass das Klima für Jahrhunderte aus dem Takt gerät, ein Horrorszena- rio für jegliche Landwirtschaft und somit für die Zukunft der Mensch- heit sowie der Biodiversität.

JOURNAL LZ37 September Wälder für K die Welt · 2017-09-20 · 28 LebensmittelZeitung JOURNAL LZ37 15.September2017 RISIKENUNDFOLGEN maschutz. 3 Millionen Euro hat er al-lein in

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Page 1: JOURNAL LZ37 September Wälder für K die Welt · 2017-09-20 · 28 LebensmittelZeitung JOURNAL LZ37 15.September2017 RISIKENUNDFOLGEN maschutz. 3 Millionen Euro hat er al-lein in

Klaus Wiegandt, der ehemalige Top-Manager und Gründerder Stiftung Forum für Verantwortung, will in Deutschland eineAufklärungskampagne starten, die ein globales Aufforstungsprogrammfordert. Die Initiative besitzt Charme, weil sie ohne Konsumverzichtauskommt. Händler könnten dem Projekt den nötigen finanziellenund ideellen Rückhalt geben. | Gerd Hanke

Wälder fürdie Welt

Klaus Wiegandt kommt ohneUmschweife zur Sache.Zum Redaktionsbesuch hater seine aktuelle Projekt-

skizze mitgebracht. Sie trägt die etwassperrige Überschrift: „Die Waldlösun-gen. Eine Mobilisierung der Zivilge-sellschaft für erfolgreiche Klima-schutzpolitik.“ Er nippt an seinemgrünen Tee und sagt: „Dafür bin ichnoch einmal bereit, wie ein Löwe zukämpfen.“ Im Kern geht es darum, lo-kale Netzwerke aufzubauen, die dieMenschen bis zur Bundestagswahl2021 für das Thema Erderwärmungund deren Folgen sensibilieren sollen.Nur Parteien, die sich für ein globalesAufforstungsprogramm verwenden,sollen die Stimme der Wähler erhal-ten. Wiegandt will davon 12 bis 15 10Millionen Menschen überzeugen.

Wiegandt wirkt kein bisschen mü-de. In eineinhalb Jahren wird er 80.Der frühere Manager, der in Top-Po-sitionen bei Coop, Rewe-Leibbrand,Asko und Metro viele Schlachten ge-schlagen hat, will es noch einmal wis-sen. Über die körperliche und menta-le Fitness verfügt er offensichtlich.Lange schon ernährt er sich bewusst.Noch wichtiger für sein Wohlbefin-den könnte sein, dass die vergange-nen eineinhalb Jahrzehnte zu denglücklichsten in seinem Leben zäh-len. Seit dem Ende des Manager-Da-seins, damals war er 60 Jahre alt, wid-met er sich einer Aufgabe von exis-tenzieller Tragweite. Sein großesThema lautet Nachhaltigkeit und Kli-

28 Lebensmittel Zeitung LZ 37 15. September 2017J O U R N A L

RISIKEN UND FOLGEN

▲ ▲maschutz. 3 Millionen Euro hat er al-lein in die von ihm ins Leben gerufe-ne Stiftung „Forum für Verantwor-tung“ eingebracht. Die Aufgabe fülltihn aus. Aber Nachhaltigkeit ist einzähes Geschäft, mitunter deprimie-rend. Immer mehr reden darüber undfinden das Thema wichtig. Doch esbewegt sich nicht nur aus WiegandtsSicht zu wenig. Wenn es an den eige-nen Geldbeutel geht oder Umsätzebedroht sind, relativiert sich manchguter Vorsatz.

Die Idee, das Thema noch einmaloffensiv und mit einer klaren Fokus-sierung anzugehen, ist bei Wiegandtin den vergangenen Monaten gereift.Seiner Meinung nach versagt die Poli-tik auf der ganzen Linie. Das Kli-maabkommen von Paris brandmarkter als „unrealistisch“. Den Menschenwerden die Folgen des Klimawandelsnicht eindringlich genug vor Augengeführt. Obwohl schon heute offen-sichtlich sei, dass das Abkommen inseiner gegenwärtigen Verfassung nichtin der Lage sei, die zwei Grad CelsiusErderwärmung abzusichern, schenkedie Politik den Menschen keinen rei-nen Wein ein, sondern spekuliere„ungestraft mit dem Schicksal unsererKinder und Enkelkinder“.

Das zu ändern, ist Wiegandts An-liegen. Womöglich ist es sein letztergroßer Kampf in Sachen Nachhaltig-keit. Ihm schwebt eine Art Bürgerbe-wegung vor. Mit einer breit angeleg-ten Kampagne in Print, TV, SocialMedia und dem Einsatz von Botschaf-

DIE AUSGANGSLAGEUm eine Begrenzung der durchschnittlichen Erderwärmung auf 2 GradCelsius noch zu erreichen, hat die Weltgemeinschaft nach Aussagenvon Klimaforschern noch ein CO2-Budget von 800 Milliarden Tonnen,das beim jetzigen Niveau von jährlich knapp 40 Milliarden in etwa 20Jahren aufgebraucht wäre. Danach müsse die Weltgemeinschaft beinull Emissionen angekommen sein. Die im Pariser Klimaabkommenbeschlossenen Maßnahmen reichten für diese Mammutaufgabe nichtaus. Der Vertrag komme 20 Jahre zu spät, sagt Wiegandt. Die Welt-bevölkerung wachse bis 2050 um weitere 2,5 Milliarden Menschen,und das Weltsozialprodukt werde sich in den nächsten 25 Jahren ver-doppeln, ohne eine globale Entkopplung von Wirtschaftswachstum aufder einen und Ressourcen- und Energieverbrauch auf der anderen Seite– mit all den Folgen insbesondere für die CO2-Emissionen. Eine Ver-schärfung der Effizienzziele über technische Lösungen würde in vielenSektoren der Weltwirtschaft zu Massenarbeitslosigkeit führen. Daswäre politisch nicht durchzusetzen und sozialpolitisch nicht zu verant-worten. Gleichzeitig erfolge der Umstieg auf fossile Energieträger zulangsam. Die wachsende Zahl der globalen Mittelstandsverbraucher zueinem Konsumverzicht zu bewegen, sei unrealistisch.

Die größten Gefahren eines ungebremsten Klimawandels sind nichtsteigende Meeresspiegel oder das Abschmelzen des Grönelandeises. Inerster Linie geht es um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft unddamit um die Sicherstellung von Nahrungsmitteln und in vielen Teilender Welt um ausreichend Trinkwasser. Hans-Joachim Schellnhuberzeigt in seinem Buch „Selbstverbrennung“ auf, dass 1°C mehr Erder-wärmung zu einer zusätzlichen Verdunstung von Wasser über denOzeanen von 100 Billionen Liter täglich führen wird. Dieser Wasser-dampf in Verbindung mit der gestiegenen Energie in der Atmosphäreführt zu einer heute kaum vorstellbaren Radikalisierung des Wetter-geschehens. Die Summe dieser sich ständig wiederholenden Ereignissewird in der Landwirtschaft zu großflächigen Ernteausfällen führen, sodass ab Mitte der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts für große Teileder Weltbevölkerung, darunter unsere Kinder und Enkelkinder, derKampf um Nahrung und Wasser zum täglichen Alltag werden wird. Beieiner Erderwärmung von 4 bis 6° besteht darüber hinaus die Gefahr,dass das Klima für Jahrhunderte aus dem Takt gerät, ein Horrorszena-rio für jegliche Landwirtschaft und somit für die Zukunft der Mensch-heit sowie der Biodiversität.

Page 2: JOURNAL LZ37 September Wälder für K die Welt · 2017-09-20 · 28 LebensmittelZeitung JOURNAL LZ37 15.September2017 RISIKENUNDFOLGEN maschutz. 3 Millionen Euro hat er al-lein in

tern will er die Bevölkerung für dasThema sensibilisieren. Über 600 be-stehende oder noch zu schaffendeNetzwerke sollen über ganz Deutsch-land verteilt in den nächsten vier Jah-ren Aufklärungsarbeit leisten.

Im Jahr 2021, dem Zeitpunkt derübernächsten Bundestagswahl, sollenBürger nur jenen Parteien ihre Stim-me geben, die sich konkret zu Zielenbeim Klimaschutz bekennen und sichfür die zentrale Forderung nach einerglobalen Aufforstung aussprechen.Die globale Aufforstung ist der ent-scheidende Punkt in Wiegandts Vor-stoß. Neue Waldflächen sollen dazubeitragen, den für die Erderwärmungverantwortlichen CO2-Ausstoß zukompensieren. Jährlicher Finanzbe-darf: etwa 150 Milliarden US-Dollar,so schätzen Experten, auf die sichWiegandt beruft. Die Welt will über-zeugt werden. Ein großes Unterfan-gen, in das nach der nationalen Mobi-lisierung auch Europa und die G20-Staaten eingebunden werden sollen.Ganz am Ende könnte die VereintenNationen stehen, die bei der Umset-zung des Programms die Federfüh-rung übernehmen könnten.

Der Startschuss für das von Wie-gandt als Kulturprojekt bezeichneteVorhaben soll aber in Deutschlandfallen. Wiegandt veranschlagt für denKampf gegen Treibhausgase jährlich 4bis 5 Millionen Euro. Des-halb sucht der frühereMetro-Vorstandssprechernicht nur viele Mitstrei-

ter, die das Projekt auf der Fläche um-setzen, sondern vor allem Geldgeberund Sponsoren. Wiegandt zeigt sichzuversichtlich. Die Frage, ob nicht eingroßer Händler in das Projekt feder-führend einsteigen sollte, um sich andie Spitze dieser Bewegung zu setzen,erscheint Wiegandt alles andere alsabwegig: „Das wäre eine Win-Win-Si-tuation.“ Der Händler, der einen gro-ßen Teil, womöglich den gesamtenEtat schultere, könnte alle seine Lä-den in die Kampagne einbeziehen.

Wäre das etwas für Rewe oderEdeka? Wiegandt nickt vielsagend:„Durchaus denkbar.“ Die ersten Ge-spräche stehen noch aus.

Da es um die Sicherung unsererErnährung geht und unmittelbar daseigene Geschäftsmodell berührt ist,könnten sich Händler durchaus ange-sprochen fühlen. Außerdem passtdas Anliegen zu den wachsendenNachhaltigkeitsbestrebungen vielerUnternehmen. Erste positive Reak-tionen aus Handelskreisen, die eineMitverantwortung bei diesem Themaerkennen, habe er nach einem Vor-trag vor der MittelstandsvereinigungMLF vor wenigen Wochen in Graven-bruch erhalten. Dort hatte Wiegandtden anwesenden Kaufleuten die Dra-matik der Klimaveränderung und diedaraus erwachsenen Konsequenzenklargemacht und viel Zuspruch er-fahren: „Wir treten in Ihren Förder-kreis ein“, so erinnert er sich an Zu-

sagen von Zu-hörern.

Für den Mann, der seit fast zweiJahrzehnten, „Mut zur Nachhaltig-keit“ predigt, bleibt der Menschheitnicht mehr viel Zeit, um die Klima-ziele zu erreichen. Gelinge es nicht,die durchschnittliche Erderwärmungauf 2 Grad bis zum Ende dieses Jahr-hunderts zu begrenzen, dann drohtendem Planeten schon zur Mitte diesesJahrhunderts extreme Wetterverände-rungen mit Hitze-Katastrophen,Überschwemmungen, Ernteausfällenin nicht gekanntem Ausmaß sowie einerbitterter Kampf um Trinkwasser.Hunger und Migration werden dieFolge sein, so sind sich viele Wissen-schaftler einig.

Zu dem alten Ziel, die Vernich-tung des Regenwaldes durch Abhol-zungen zu stoppen und gleichzeitigein globales Aufforstungsprogrammim großen Stil aufzulegen (200 Milli-onen Hektar), sieht Wiegandt heutekaum eine Alternative. Vor allemdann nicht, wenn die Ziele wirt-schaftlich und sozialpolitisch vertret-bar umgesetzt werden können.

Die Weltbevölkerung wachse biszum Jahr 2050 um weitere 2,5 Milli-arden Menschen, das Weltsozialpro-dukt werde sich in den nächsten 25Jahren voraussichtlich verdoppeln.„Zu hoffen, dass die globalen Mittel-standsverbraucher durch ein verän-dertes Verbraucherverhalten endlichspürbare Beiträge in den Klima-schutzpolitik leisten werden, ist ver-fehlt“, meint der 78-Jährige. Geradedie nicht nachhaltigen Bereiche der

Wirtschaft wüchsen am stärksten: derFlug-Ferntourismus, die Kreuzfahr-ten sowie der Anteil der SUV an derPkw-Produktion. Vor dem Hinter-grund dieser Entwicklung könntendie Vorgaben des Pariser Vertragesnicht erfüllt werden. Diese setztenvornehmlich auf Technologie und Ef-fizienz. Auch die zweite Säule, derUmstieg von fossilen Energieträgernauf erneuerbare Energien, könnenicht den nötigen Klimabeitrag leis-ten. Zu viele Hindernisse bremstenden Prozess. Wie weit der Weg nochsei, werde deutlich, wenn man sichtrotz großer Fortschritte den heutigenAnteil der erneuerbaren Energien(Wind und Photovoltaik) an derWeltstromerzeugung vor Augen hal-te. Er betrage gerade einmal 1 Pro-zent.

Für Wiegandt ist der Einsatz für ei-ne Klimaerwärmung, die nicht übereinen Anstieg von 2 Grad hinausgeht,alle Anstrengungen wert. Der Klima-vertrag von Paris berge große Unwäg-barkeiten, weil Zusagen der Länderrevidiert oder modifiziert werdenkönnten. Außerdem reiche der für2020 vorgesehene Weltklimafondsmit seinen lediglich 100 MilliardenDollar nicht aus, um das Problem inden Griff zu bekommen, sagt Wie-gandt. Aus seiner Sicht gibt es keinevergleichbare Maßnahme, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Und über-dies: „Wir bieten die einfachste undnatürlichste Lösung ohne Nebenwir-kungen.“ lz 37-17

LZ 37 15. September 2017 Lebensmittel Zeitung 29J O U R N A L

DIE LÖSUNGDer „einzig gangbare Weg“, das 2-Grad-Ziel sozialverträglich zu errei-chen, sind nach Wiegandts Auffassung die im Pariser Vertrag vor-gesehenen biotischen Ansätze: ein mittelfristiger Stopp der Vernich-tung der Regenwälder sowie gegebenenfalls ein globales Aufforstungs-programm nach 2050. Beide Programme müssten jedoch sofort inAngriff genommen werden, eine Forderung, die Forstwissenschaftlerseit zwei Jahrzehnten weltweit erheben. Global könnten der Atmosphä-re ab Mitte dieses Jahrhunderts bis zu 10 Milliarden Tonnen CO2 jähr-lich entzogen werden. In den Tropen und Subtropen könnte auf einerFläche von rund 200 Millionen Hektar ein Großteil der Aufforstungs-programme realisiert werden. Insgesamt stünden auf dem Globus etwa1 Milliarde Hektar degradierter Flächen für Aufforstungen zur Ver-fügung, ohne in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu stehen.Das Aufforstungsprogramm koste 20 Jahre lang jährlich etwa 150Milliarden US-Dollar. Für den mit dem Bestandsschutz der Regenwäl-der verbundenen Ertragsausfall sollen die Entwicklungsländer jährlichauf Dauer etwa 50 Milliarden US-Dollar erhalten. Der Zeitpuffer, dendie Waldlösungen ermöglichten, soll dabei helfen, die technologischenAnsätze in der Klimaschutzpolitik sozialverträglich umzusetzen.

PROJEKT UND UMSETZUNGBis zur nächsten Bundestagswahl 2021 wird der Versuch unternom-men, 12 bis 15 Millionen Wählerinnen und Wähler davon zu über-zeugen, ihre Stimme nur einer Partei zu geben, die den Waldlösungenin ihrer Klimaschutzpolitik die höchste Priorität einräumt. Das Projektsetzt auf wirtschaftlich sinnvolle und sozialpolitisch vertretbare Lö-sungen. Vier zentrale Botschaften seien der Bevölkerung zu vermitteln:Der Klimavertrag von Paris reiche nicht und müsse ergänzt werden, dieFolgen eines ungebremsten Klimawandels sind aufzuzeigen, die Lösungsind ein globales Aufforstungsprogramm in Verbindung mit einemsofortigen Stopp der Abholzung der Regenwälder sowie die Botschaft,dass nur über eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft in unserer De-mokratie die Politik zum Handeln gezwungen werden kann. Zentral istder geplante Aufbau von etwa 600 lokalen und regionalen Netzwerken,die die Bürger für die Folgen des Klimawandels sensibilsieren und überdie Waldlösung informieren sollen. Die Finanzierung des Projektes sollüber Sponsoren ermöglicht werden. Vier Jahre lang sei ein jährlichesBudget von 4 bis 5 Millionen Euro (für Geschäftsführung, AufbauNetzwerke, Schulung Klimaspezialisten und Medienkampagnen) er-forderlich.

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Bereit dazu, wieein Löwe zukämpfen: KlausWiegandt willnoch einigesbewegen. Kontaktüber [email protected]

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