68
Aus der Klinik für die Praxis 1 11 KARDIOFORUM 4. Jahrgang Herausgeber: Prof. Dr. Michael Block Klinik Augustinum München Prof. Dr. Johannes Brachmann Klinikum Coburg Prof. Dr. Thomas Budde Alfried Krupp Krankenhaus, Essen Prof. Dr. Harald Darius Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin Prof. Dr. Bernd-Dieter Gonska St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe Prof. Dr. Dietrich Gulba Kreuzau Prof. Dr. Dieter Horstkotte Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen Prof. Dr. Matthias Leschke Klinikum Esslingen a. N. Prof. Dr. Wolfgang Motz Klinikum Karlsburg, Herz- und Diabeteszentrum Mecklenburg-Vorpommern Prof. Dr. Michael Oeff Städt. Klinikum Brandenburg, Brandenburg Prof. Dr. Ernst Vester Evangelisches Krankenhaus, Düsseldorf MEDITEXT DR. ANTONIC www.kardioforum.com Vorhofflimmern Neue Technologien in der interventionellen Elektrophysiologie Die PTT-Methode zur Langzeit-Blutdruckmessung

Kardioforum aus der Klinik für die Praxis 1-2011

Embed Size (px)

DESCRIPTION

KARDIOFORUM ist das erste Fortbildungsmagazin zum Themenspektrum Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das elf Top- Kardiologen für ihre niedergelassenen Kollegen und Ärzte an kooperierenden Kliniken herausgeben und mit jeweils einem persönlichen Anschreiben viermal im Jahr verschicken

Citation preview

Aus der Klinik für die Praxis 1 � 11

KARDIOFORUM4. Jahrgang

Herausgeber: Prof. Dr. Michael Block Klinik Augustinum München � Prof. Dr. Johannes Brachmann Klinikum Coburg � Prof. Dr. Thomas

Budde Alfried Krupp Krankenhaus, Essen � Prof. Dr. Harald Darius Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin � Prof. Dr. Bernd-Dieter

Gonska St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe � Prof. Dr. Dietrich Gulba Kreuzau � Prof. Dr. Dieter Horstkotte Herz- und

Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen � Prof. Dr. Matthias Leschke Klinikum Esslingen a. N. � Prof. Dr. Wolfgang Motz

Klinikum Karlsburg, Herz- und Diabeteszentrum Mecklenburg-Vorpommern � Prof. Dr. Michael Oeff Städt. Klinikum

Brandenburg, Brandenburg � Prof. Dr. Ernst Vester Evangelisches Krankenhaus, Düsseldorf

MEDITEXT DR. ANTONIC

www.kardioforum.com

Vorhofflimmern

Neue Technologien in der interventionellen

Elektrophysiologie

Die PTT-Methode zur Langzeit-Blutdruckmessung

Herausgeber

Prof. Dr. med. Michael Block Klinik Augustinum München Wolkerweg 16, 81375 München

Tel.: 089 7097-1154, Fax: 089 7097-1882

www.augustinum-kliniken.de

[email protected]

Prof. Dr. med. Johannes Brachmann Klinikum Coburg Ketschendorfer Str. 33, 96450 Coburg

Tel.: 09561 22-6348, Fax: 09561 22-6349

www.klinikum-coburg.de

[email protected]

Prof. Dr. med. Thomas Budde Alfried Krupp Krankenhaus, Essen Alfried-Krupp-Str. 21, 45131 Essen-Rüttenscheid

Tel.: 0201 434-2524, Fax: 0201 434-2376

www.krupp-krankenhaus.de

[email protected]

Prof. Dr. med. Harald Darius Vivantes Klinikum Neukölln, BerlinRudower Str. 48, 12351 Berlin

Tel.: 030 13014-2011, Fax: 030 13014-2404

www.vivantes.de

[email protected]

Prof. Dr. med. Bernd-Dieter Gonska St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe Südendstraße 32, 76137 Karlsruhe

Tel.: 0721 8108-3168, Fax: 0721 8108-3170

www.vincentius-kliniken.de,

[email protected]

Prof. Dr. med. Dietrich Gulba Am Günster 8, 52372 Kreuzau

[email protected]

Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen Georgstr. 11, 32545 Bad Oeynhausen

Tel.: 05731 97-1276, Fax: 05731 97-1286

www.hdz-nrw.de, [email protected]

Call Center der Kardiologischen Klinik:

Tel.: 05731 97-1100, Fax: 05731 97-1110,

[email protected]

Prof. Dr. med. Matthias Leschke Klinikum Esslingen a.N.Hirschlandstr. 97, 73730 Esslingen a. N.

Tel.: 0711 3103-2401, Fax: 0711 3103-2405

www.klinikum-esslingen.de

[email protected]

Prof. Dr. Wolfgang Motz Klinikum KarlsburgHerz- und Diabeteszentrum Mecklenburg-VorpommernGreifswalder Str. 11, 17495 Karlsburg

Tel.: 038355 70-1283, Fax: 038355 70-1655

www.drguth.de

[email protected]

Prof. Dr. med. Michael Oeff Städt. Klinikum BrandenburgHochstr. 29, 14770 Brandenburg an der Havel

Tel.: 03381 41-1500, Fax: 03381 41-1509

www.klinikum-brandenburg.de,

[email protected]

Prof. Dr. med. Ernst G. VesterEvangelisches Krankenhaus,DüsseldorfKirchfeldstr. 40, 40217 Düsseldorf

Tel.: 0211 919-1855, Fax: 0211 919-3955

www.evk-duesseldorf.de

[email protected]

Vorhofflimmern (AF) ist die häufigste anhaltende Herzrhyth-musstörung und tritt mit einer Prävalenz von 1 bis 2 % in derallgemeinen Bevölkerung auf. AF nimmt exponentiell mitdem Alter zu, sodass in der Gruppe der über 80-Jährigen fastjeder zehnte Mensch davon betroffen ist. Derzeit leidensechs Millionen Europäer unter dieser Rhythmusstörung, unddie Zahl wird sich aufgrund der steigenden Lebenserwartungin den nächsten 40 Jahren verdoppeln. AF ist mit einer sig-nifikanten Morbidität und Mortalität verbunden; so erhöht AFdas Schlaganfallrisiko um das 5-Fache und das allgemeine

Mortalitätsrisiko um das 1,5-Fache. Von ätiologischer Bedeutung sind ein ganzes Arsenalinternistisch/kardiologischer Erkrankungen sowie verschiedenste Noxen. Arterielle Hy-pertonie, koronare Herzkrankheit, Herzfehler, Kardiomyopathien, Myokarditis, Perikardi-tis und die Herzinsuffizienz ganz allgemein sind Hauptverursacher, aber auch endokrino-logische Erkrankungen, Drogen- und Alkoholmissbrauch spielen eine wichtige Rolle. In 15bis 20 % der Fälle ist keine Ursache eruierbar, so dass man von einer idiopathischenRhythmusstörung, dem sogenannten „Lone Atrial Fibrillation“, spricht. Dem derzeit all-gemein akzeptierten Pathomechanismus liegt eine erhöhte Arrhythmogenität der Pul-monalvenen bzw. der Übergangszone von den Venen in den linken Vorhof zugrunde.

In der Therapie haben die Antiarrhythmika im Hinblick auf eine Konsolidierung des Sinusrhythmus nach erfolgreicher Kardioversion im Langzeitverlauf enttäuscht; abgese-hen von Amiodaron liegen die Erfolgsraten auf lange Sicht unter 40 %. Darüber hinaus hatsich das Konzept des Sinusrhythmus-Erhalts gegenüber der Frequenzkontrolle nicht alsüberlegen erwiesen, allein schon deshalb, weil viele Patienten sich mit Medikamentennicht im Sinusrhythmus halten lassen. Dennoch haben diejenigen Patienten, die tat-sächlich im Sinusrhythmus verbleiben, eine bessere Prognose als die Patienten im Vor-hofflimmern.

Die Katheterablation ist eine valide und inzwischen etablierte Alternative für symptoma-tische Patienten. Mit Erfolgsraten von ca. 70 % können viele Patienten, vor allem mit paroxysmalem AF, von der störenden Arrhythmie befreit werden.

Die Antikoagulation nimmt einen essenziellen Stellenwert bei der Verhinderung throm-boembolischer Komplikationen ein. Das alterwürdige Marcumar steht vor der Abdankung,neue Faktor-II- und Faktor-X-Antagonisten sind schon auf dem Plan, um seine Nachfolgeanzutreten; sie sind effektiver, sicherer und einfacher in der Handhabung.

Die vorliegende Ausgabe von KARDIOFORUM soll Ihnen, liebe Leser, einen aktuellenÜberblick über die oben angeschnittenen Themen, eben über alles, was mit Vorhofflim-mern zusammenhängt und was Sie wissen sollten, geben! Ich wünsche Ihnen viel Ver-gnügen und so manchen Informationszugewinn bei der Lektüre.

Mit herzlichen kollegialen Grüßen

Prof. Dr. Ernst G. Vester

Editorial

Ernst G. Vester

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

Inhalt

4 Epidemiologie des Vorhofflimmerns

10 Hohes thrombembolisches Risiko und hohes Blutungsrisiko – Dilemma bei Vorhofflimmern

14 Dronedaron

20 Antithrombotische Therapie bei Vorhofflimmern – neue Guidelines, neue Empfehlungen

22 Medikamentöse und elektrische Kardioversion

28 Ablationstherapie bei Vorhofflimmern: Aktuelle Datenlage und Trends

32 Katheterablation von Vorhofflimmern mit Radiofrequenzstrom

40 Einsatz von Event-Recordern bei Vorhofflimmern zur Diagnostik und Kontrolle therapeutischer Maßnahmen

44 Kryoablation bei Vorhofflimmern

ImpressumHerausgeber:

Prof. Dr. Michael Block (Klinik Augustinum, München)

Prof. Dr. Johannes Brachmann (Klinikum Coburg, Coburg)

Prof. Dr. Thomas Budde (Alfried Krupp Krankenhaus, Essen)

Prof. Dr. Harald Darius (Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin)

Prof. Dr. Bernd-Dieter Gonska (St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe)

Prof. Dr. Dietrich Gulba (Kreuzau)

Prof. Dr. Dieter Horstkotte (Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen)

Prof. Dr. Matthias Leschke (Klinikum Esslingen, Esslingen a.N.)

Prof. Dr. Wolfgang Motz (Klinikum Karlsburg, Herz- und Diabeteszentrum

Mecklenburg-Vorpommern)

Prof. Dr. Michael Oeff (Städt. Klinikum Brandenburg, Brandenburg)

Prof. Dr. Ernst Vester (Evangelisches Krankenhaus, Düsseldorf)

Chefredaktion: Werner Waldmann MA, Marion Zerbst

Redaktion: Dr. med. Mihovil Antonic, Dr. J. Roxanne Dossak,

Anne Greveling, Dr. Werner Kafka, Andrew Leslie

Layout: Ursula Pieper

Herstellung: Barbara Schüler

Verlagsleitung: Dr. Magda Antonic

Fotos:

Cover: photocase/akai; S. 10–13: Prof. Block; S. 20, 56–60: Meditext Dr. Antonic;

S. 29, 30: Prof. Brachmann; S. 33–36: Prof. Vester; S. 41 links: VitaPhone, S. 41 rechts:

Medtronic; S. 44, 45: CryoCath; S. 46, 47: Dr. Heintze; S. 52, 53: Dr. Gaspar; S. 61–63:

Ev. Krankenhaus Düsseldorf

Verlag: MEDITEXT DR. ANTONIC; Hagäckerstraße 4; D-73760 Ostfildern

E-Mail: [email protected]

Tel.: 0711 7656494, Fax: 0711 7656590

Druck: Kohlhammer Druckerei GmbH + Co., Stuttgart

KARDIOFORUM erscheint viermal im Jahr. Das Magazin kann zum Preis von Euro 32,-

zzgl. Versandkosten pro Jahr (vier Ausgaben) im Abonnement bezogen werden.

Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.

Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung von

MediText strafbar. Die Redaktion behält sich die Be arbeitung von Beiträgen vor.

Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung über-

nommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder.

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen a. N.

Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser

Zeitschrift eine Appli kation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf

vertrauen, dass Autor, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass diese

Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprechen. Dennoch

sollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamente selbst prüfen, um in

eigener Verantwortung festzu stellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen

oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift ab-

weicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vorschriften

der für sie zuständigen Behörden richten. Jede Dosierung oder Applika-tion erfolgt auf eigene

Gefahr des Benutzers.

Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein.

Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um

einen freien Waren namen handelt.

ISSN: 1866-1408

50 Neue Technologien in der interventionellen Elektrophysiologie

54 Die PTT-Methode zur Langzeit-Blutdruckmessung

56 Hightech-Medizin und menschliches Miteinander: Die Kardiologie des Evangelischen Krankenhauses Düsseldorf

64 Buchvorstellungen

SOMNOvent CR – die schlafmedizinische Therapielösung bei periodischer Atmung sowie zentraler, gemischter und komplexer Schlafapnoe WMtrak-Technologie für optimale Synchronität von Patientenatmung und Gerät effizient: Weinmanns autoTriLevel-Prinzip (automatische Anpassung der drei Druckniveaus IPAP, EPAP, EEPAP) Schutz vor Sauerstoffentsättigung durch automatische Hintergrundfrequenz

Weitere Informationen finden Sie unter weinmann.de oder rufen Sie uns an: 040-547 02-100

Gesunder Schlaf – klare Herzenssache

gemischter unveONMSO

nhceTTe-trakkWM

omplexer Schlafapnund kdie schlafmedizini–CRt

für optimale Synchronitäteigolon

noeapielösung beiTherische

atientenatmung und Gerätt von PPa

Atmung soi periodischer

,alerr,owie zentr

einWeffizient:

amorfn IeretieWSchutz vor Sau

p ygriLevel-Prinzip (autonmanns autoT

mniweretnuei Sennd fienonitauerstoffentsättigung durch autom

gAnpassung der drei Dromatische

: s anne uin Sefeur redoed.nnamatische Hintergrundfrequenz

AP) EEPPA,APP,EPPA,APP,uckniveaus IP

001-27 045-040

Vorhofflimmern ist die häufigste Herz-rhythmusstörung (1). Ein Viertel der

heute 40-jährigen Personen entwickelt imweiteren Verlauf ihres Lebens Vorhofflim-mern. Aufgrund der alternden Bevölke-rung wird sich die Anzahl von Patientenmit Vorhofflimmern bis zum Jahr 2050verdoppeln. In den letzten Jahren habensich die Therapieoptionen bei Vorhofflim-mern erheblich vermehrt. Bis vor einigenJahren standen nur die Antikoagulationmit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zur Prä-vention intrakardialer Thrombenbildungund konsekutiver Kardioembolie, die phar-makologische Therapie mit Antiarrhyth-mika und als nicht-medikamentöse The-rapieform die elektrische Kardioversionzur Verfügung. Heute sind zusätzlich zuden seit Jahren etablierten antiarrhyth-misch wirksamen Medikamenten (Flecai-nid, Propafenon, Sotalol, Amiodaron), diesich alle durch mehr oder weniger be-grenzte Wirksamkeit, eine hohe Zahl anKontraindikationen und Nebenwirkungensowie eine nicht unerhebliche Toxizitätauszeichnen, zwei weitere Substanzen imklinischen Einsatz. Zum einen das nicht-jodhaltige, dem Amiodaron in der Mole-külstruktur ähnelnde Dronedaron, daszwar ein geringeres antiarrhythmischesPotenzial als Amiodaron aufweist, dafüraber mit Ausnahme einer bislang nicht ab-schließend zu beurteilenden Lebertoxizi-tät möglicherweise mit geringeren Ne-benwirkungsraten vor allem im Langzeit-verlauf vergesellschaftet ist. Andererseitssteht als weitere Option zur medikamen-tösen Kardioversion seit Anfang des Jah-res Vernakalant zur Verfügung, das vor-nehmlich auf Kaliumkanäle im Vorhofwirkt. Darüber hinaus wurden in den letz-ten Jahren die interventionellen Ablati-onstechniken (insbesondere Pulmonalve-nenisolation, lineare Läsionen) erheblichweiterentwickelt. Mit dem Thrombin-Inhi-bitor Dabigatran und dem Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban stehen in Kürze zweineue potente Substanzen in Konkurrenzzur Behandlung mit VKA.

Die Epidemiologie des Vorhofflim-merns ist interessant, da Vorhofflimmernals Komorbidität viele Herzerkrankungenbegleitet. Vorhofflimmern verschlechtertdie diastolische Füllung des linken Ventri-kels – insbesondere bei hoher Herz-schlagfolge mit konsekutiver Abnahmeder Diastolendauer – und aggraviert dieHerzinsuffizienz. Weil die molekularenund genetischen Mechanismen der Ent-stehung und Perpetuierung von Vorhof-flimmern derzeit nur marginal verstandensind, bleiben auch viele epidemiologischeAspekte dieser Arrhythmie unklar. Derzeitsind Daten aus zwei Studien und einemRegister verfügbar, die interessante In-formationen über die Epidemiologie desVorhofflimmerns liefern. Dies sind dieFRAMINGHAM-Studie (2), die 1982 pu-bliziert wurde, die 2001 publizierte ATRIA-Studie (3) und das Register des Deut-schen Kompetenznetzwerkes Vorhof-flimmern (4).

FRAMINGHAM-StudieIn der FRAMINGHAM-Studie (2) wurden2325 Männer und 2866 Frauen, die zuBeginn der Erhebung 30 bis 62 Jahre altwaren, in Zwei-Jahres-Abständen übereinen Zeitraum von 22 Jahren hinsichtlichder Erstmanifestation von Vorhofflim-mern sowie der möglicherweise zugrun-de liegenden kardiovaskulären Begleiter-krankung und der (bekannten!) Risikofak-toren verfolgt. Eindeutig ist, dass die In-zidenz von Vorhofflimmern mit zuneh-mendem Lebensalter ohne Unterschiedhinsichtlich des Geschlechts anstieg. DasRisiko, in den nächsten 20 Jahren Vor-hofflimmern zu erleiden, betrug in der un-tersuchten Population 2 %. Vorhofflim-mern folgte in der Regel auf eine kardio-vaskuläre Erkrankung. Nur 31 % der Be-troffenen hatten idiopathisches Vorhof-flimmern („Lone Atrial Fibrilation“) indem Sinne, dass sich echokardiogra-phisch keine Hinweise auf eine struktu-relle Herzerkrankung fanden. 40 % dieserPatienten verstarben trotz fehlendem

Kontaktadresse:Dr. med. Sascha RolfUniversität Leipzig – HerzzentrumAbteilung für RhythmologieStrümpellstr. 3904289 Leipzig

Prof. Dr. med. Wolfgang MotzKlinikum KarlsburgHerz- und Diabeteszentrum Mecklenburg-VorpommernGreifswalderstr. 1117495 Karlsburg

Prof. Dr. med. Dieter HorstkotteHerz- und DiabeteszentrumNordrhein-WestfalenPF 10 03 6132503 Bad Oeynhausen

4 Kardioforum 1 | 2011

Epidemiologie des VorhofflimmernsSascha Rolf, Wolfgang Motz, Dieter Horstkotte

Nachweis einer kardiovaskulären Erkran-kung während des 20-jährigen Beobach-tungszeitraumes. Dies war der erste Hin-weis darauf, dass auch das idiopathischeVorhofflimmern mit einer relevanten Mor-talität assoziiert ist.

Herzinsuffizienz und die in den erstenJahren der FRAMINGHAM-Beobachtungnoch häufigen rheumatischen Herzer-krankungen waren die Indikatoren mit derstärksten Vorhersagewahrscheinlichkeit(6-fach erhöhtes Risiko), an Vorhofflim-mern zu erkranken. Die damals mangelsgeeigneter Pharmaka noch nicht thera-pierbare hypertensive Herzkrankheit er-wies sich wegen ihrer hohen Prävalenzals die häufigste zugrunde liegende Ur-sache. Diabetes mellitus und linksventri-kuläre Hypertrophiezeichen im EKG alsMarker einer besonders schweren Formder arteriellen Hypertonie standen eben-falls in enger Beziehung zum Auftretenvon Vorhofflimmern. Die Manifestationchronischen Vorhofflimmerns ging miteiner Verdoppelung sowohl der Gesamt-mortalität als auch der kardiovaskulärenMortalität einher. Gegen Ende der 20-jäh-rigen Beobachtungsphase waren 60 %der Männer und 45 % der Frauen ver-storben. Die durchschnittliche Zeitspan-ne zwischen der Erstdokumentation desVorhofflimmerns und dem Tod betrug nursechs Jahre. Wegen des hohen Altersder Beobachtungsgruppe war die Morta-lität in der Kontrollgruppe ohne Vorhof-flimmern ebenfalls hoch. Dort waren in-nerhalb der 20-jährigen Beobachtungs-phase 34 % der Männer und 25 % derFrauen verstorben. Der Zeit geschuldetwar in der FRAMINGHAM-Studie dieRate rheumatischer Mitralklappen-Er-krankungen sehr hoch. Infolge der langenErkrankungsdauer und der Vorhofgrößepersistierte das Vorhofflimmern in allerRegel auch nach erfolgter Herzklappen-operation.

ATRIA-StudieBei der 2001 publizierten ATRIA-Studie(3) handelt es sich um eine Quer-schnittsstudie von Erwachsenen miteinem Lebensalter von über 20 Jahren,die in einem Register einer großen Versi-

cherungsgesellschaft (Kaiser Permanen-te, Kalifornien) erfasst wurden. In diesesRegister wurden alle Personen aufge-nommen, bei denen Vorhofflimmern zwi-schen dem 01. Juli 1996 und dem 31.Dezember 1997 diagnostiziert wurde.

Mindestens eines der folgenden Ein-schlusskriterien musste erfüllt sein:

a) mindestens einmal Nachweis vonVorhofflimmern im Rahmen einesambulanten Arztkontaktes

b) Patienten mit dokumentiertem Vor-hofflimmern in mindestens einemElektrokardiogramm oder

c) Patienten mit mindestens einemKrankenhausaufenthalt wegen Vor-hofflimmern.

Ausgeschlossen wurden a) Patienten, bei denen Vorhofflim-

mern nicht die Hauptdiagnose warb) Patienten, die nicht an dem Ge-

sundheitsprogramm der Versiche-rung teilnahmen

c) Patienten mit einem Lebensalterunter 20 Jahren

d) Patienten mit transientem Vorhof-flimmern nach einer Herzoperationund

e) Patienten mit einer Hyperthyreose.Auf der Grundlage von 17 974 Patien-

ten mit anhaltendem Vorhofflimmern fan-den sich folgende Ergebnisse:

Kardioforum 1 | 2011 5

<55 55–59 60–64 65–69 70–74 75–79 80–84 >85

12

10

8

6

4

2

0

Frauen Männer

Alter

Prä

vale

nz

(%)

Abb 1: Prävalenz von Vorhofflimmern in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht: Parallelzum Lebensalter nimmt die Prävalenz von Vorhofflimmern zu. (modifiziert nach Go et al.) (3)

1 % aller erwachsenen Patienten hatte Vorhofflimmern.Die Prävalenz des Vorhofflimmerns war eng mit dem Alterkorreliert. 4 % aller Patienten mit einem Lebensalter von60 Jahren und älter und 9 % aller Patienten mit einem Le-bensalter von 80 Jahren und älter wiesen Vorhofflimmernauf. Frauen hatten in jeder Altersstufe eine geringere Prä-valenz von Vorhofflimmern (Abb. 1). Interessanterweisezeigte sich, dass Afroamerikaner signifikant seltener anVorhofflimmern litten, als die weiße Bevölkerung. Auf-grund dieser Erhebung sowie der angenommenen Bevöl-kerungsentwicklung wurde errechnet, dass in den USA dieAnzahl von Patienten mit Vorhofflimmern von 2,3 Millio-nen im Jahr 2000 auf 5,6 Millionen im Jahr 2050 anstei-gen wird (Abb. 2). Wie in der FRAMINGHAM-Studie warenauch im ATRIA-Register Herzinsuffizienz, Bluthochdruckund Diabetes mellitus sowie die koronare Herzkrankheitführende Risikoindikatoren für die Manifestation von Vor-hofflimmern.

Kompetenznetz VorhofflimmernDas Deutsche Register des Kompetenznetzes Vorhofflim-mern (4) ist eine multizentrische prospektive Beobach-tungsstudie, in der alle Patienten auf allen medizinischenVersorgungsstufen erfasst wurden. Dieses Register diffe-renziert erstmalig zwischen paroxysmalem, persistieren-dem und permanentem Vorhofflimmern:• Paroxysmales Vorhofflimmern: Wiederholt auftretendes

Vorhofflimmern, das spontan sistiert und nicht länger als7 Tage (üblicherweise < 24 h) andauert

• Persistierendes Vorhofflimmern: Wiederholtes oder an-haltendes Vorhofflimmern, das nicht spontan sistiert undlänger als sieben Tage anhält bzw. vorher kardiovertiertwird. Bemühungen, das Vorhofflimmern dauerhaft zu

rhythmisieren, waren in der Vergangenheit erfolglos, sindaber für die Zukunft geplant.

• Permanentes Vorhofflimmern: Andauerndes Vorhofflim-mern, bei dem eine Rhythmuskontrolle nicht zum Erfolgführte, nicht versucht wurde und auch für die Zukunftnicht geplant ist.Voraussetzungen für eine Aufnahme in das Register

waren ein Lebensalter von mindestens 18 Jahren sowiedokumentiertes Vorhofflimmern im Ruhe-, Langzeit-EKGoder zu irgendeinem Zeitpunkt während der 12-monatigenRekrutierungsphase.

Zwischen dem 16. Februar 2004 und dem 31. März2008 wurden insgesamt 9582 Patienten von den 194 teil-nehmenden Studienzentren (Universitätsklinika, Versor-gungskrankenhäusern, niedergelassenen Kardiologen, In-ternisten und Allgemeinärzten) eingeschlossen. Aufgrundder konsekutiven Einbindung aller medizinischen Versor-gungsebenen dürften die Daten die tatsächliche Prävalenzdes Vorhofflimmerns in Deutschland repräsentieren. Nur12,4 % der Patienten hatten idiopathisches Vorhofflim-mern, d. h. Vorhofflimmern ohne fassbare strukturelleHerzerkrankung.

Der häufigste Risikoindikator für Vorhofflimmern warmit 69,2 % die arterielle Hypertonie. Weitere häufig kon-komittierende Herzerkrankungen waren Herzklappener-krankungen (36,3 %). Der große Anteil von Patienten mitHerzklappenerkrankungen beruht auf der hohen Prävalenzvon Patienten mit degenerativer und sekundärer Mitralin-suffizienz (29,1 %). Im Gegensatz zur FRAMINGHAM-Stu-die hatten nur noch 3,7 % der Registerpatienten eine ver-mutlich rheumatische Genese ihres Klappenfehlers. Alsweitere Risikoindikatoren folgten die symptomatischeHerzinsuffizienz (NYHA III–IV) mit 29 %, die koronare Herz-

krankheit mit 28,1 % und dieKardiomyopathien (sämtlicheFormen) mit 10,7 %. Bei denkardiovaskulären Risikofakto-ren prävalierte eindeutig derBluthochdruck mit 69,2 %,gefolgt von der Dyslipopro-teinämie mit 45,8 %, demDiabetes mellitus mit 21,6 %und dem Zigarettenrauchenmit 36,7 %.

Vergleicht man die dreiStudien, FRAMINGHAM (2),ATRIA (3) und Kompetenz-netz Vorhofflimmern (4), dieeinen Erfassungszeitraumvon 50 Jahren abdecken,kommt man zu folgendenSchlussfolgerungen: Vorhof-flimmern ist in 60 bis 70 %

6 Kardioforum 1 | 2011

6

5

4

3

2

1

01995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

Jahr

Erw

ach

sen

e m

it V

orh

off

limm

ern

in

Mill

ion

en

Abb. 2: Geschätzte Anzahl von Erwachsenen mit Vorhofflimmern in den USA zwischen 1995 und2050: In den nächsten 30 Jahren wird sich die Prävalenz von Vorhofflimmern verdoppeln! (modifiziertnach Go et al.) (3)

aller Fälle mit der arteriellen Hypertonie assoziiert. Es dürf-te sich hier um eine kausale Beziehung handeln, da sichder linke Vorhof im Rahmen der hypertensiven Herzkrank-heit strukturell verändert (Hypertrophie, Fibrosierung, Di-latation).

Der Diabetes mellitus ist heute (21,6 %) nahezu dop-pelt so häufig mit Vorhofflimmern vergesellschaftet wievor 50 Jahren. Dies entspricht der epidemiologischen Aus-breitung des Diabetes mellitus in den letzten 50 Jahren.Beim Diabetes mellitus kommt es ebenfalls zu strukturel-len Veränderungen (z. B. Störung der Mikrozirkulation), dieVorhofflimmern begünstigen dürften.

Die koronare Herzkrankheit ist heute (28,1 %) ebensowie der Diabetes mellitus doppelt so häufig wie noch vor40 bis 50 Jahren mit Vorhofflimmern assoziiert. Dies istwahrscheinlich der heute häufig durchgeführten invasivenKoronardiagnostik geschuldet, so dass früher das Vorlie-gen einer koronaren Herzkrankheit eher unterschätzt wor-den sein dürfte.

Zigarettenrauchen (36,7 %) ist fast um 50 % zurückge-gangen; dies ist als ein Erfolg der heutigen Gesundheits-

aufklärung zu bewerten. Die Prävalenz derHerzinsuffizienz beim Vorhofflimmern hat sich in den letzten Jahren verdoppelt(36,9 %). Patienten erleben heute infol-ge der verbesserten Therapie des akutenMyokardinfarktes fortgeschrittenere Sta-dien ihrer koronaren Herzkrankheit.

Herzklappenerkrankungen – meist de-generative Aortenklappenstenose undMitralinsuffizienz – sind derzeit mit ca.35 % der dritthäufigste Kofaktor des Vor-hofflimmerns. Entsprechend den hohenStandards der medizinischen Versorgungin Mitteleuropa und den USA treten rheu-matische Herzerkrankungen dagegenheute in den Hintergrund.

Ein früherer Schlaganfall oder einetransitorische ischämische Attacke sindüber die Jahre konstant in ca. 10 % derFälle mit Vorhofflimmern assoziiert. DieRate dieser schwerwiegenden neurologi-schen Komplikation zeigt eine sehr engeAltersabhängigkeit und Korrelation mitkardiovaskulären Risikofaktoren und Ko-morbiditäten.

Idiopathisches Vorhofflimmern oder„Lone Atrial Fibrillation“ beschreibt einVorhofflimmern ohne bislang nachweisba-re strukturelle Herzerkrankung. In vielen,wenn nicht gar allen dieser Fälle werdenderzeit noch nicht gut verstandene mole-kulare oder genetische Veränderungen ur-

sächlich sein, bedenkt man, dass auch elektrische Abnor-mitäten wie z. B. vorhofflimmertriggernde atriale Extrasys-tolen aus den Pulmonalvenen bis 1998 unbekannt waren,heute aber durch interventionelle Ausschaltung (z. B. durchPulmonalvenenisolation) behandelbar sind.

Zum anderen können geringfügige strukturelle Herzer-krankungen (z. B. Narben, Fibrosierung, Hypertrophie etc.),die sich der derzeitigen Bildgebungsdiagnostik entziehen,das Substrat zur Aufrechterhaltung von Vorhofflimmern dar-stellen. Auch die interventionelle „Substratmodifikation“durch lineare Läsionen im linken oder rechten Vorhof wirddementsprechend bei Patienten mit solchen Veränderun-gen zur Rezidivprophylaxe eingesetzt.

Das Wissen um die häufigen Begleitkrankheiten beimVorhofflimmern sollte dazu führen, die Behandlung derGrund- und Begleiterkrankungen in den Fokus des thera-peutischen Bemühens zu stellen.

Eine rein symptomatisch orientierte antiarrhythmischeTherapie – sei sie medikamentös oder invasiv elektrophy-siologisch – wird der Komplexität der Erkrankung nicht ge-recht.

Kardioforum 1 | 2011 7

Tabelle 1

FRAMINGHAM ATRIAKompetenznetz

Vorhofflimmern

Beobachtuns-

zeitraum1948–1974 1996–1997 2004–2006

Jahr der

Publikation1982 2001 2008

Arterielle

Hypertonie59,2 (61,2) % 49,3 % 69,2 %

Rauchen 55,1 (38,8) %Früher 36,7 %

Aktiv 7,1 %

Diabetes

mellitus10,2 (10,2) % 17,1 % 21,6 %

Koronare

Herzkrankheit16,3 (4,1) % 34,6 % 28,1 %

Herz-

insuffizienz14,3 (14,3) % 29,2 % 39,9 %

Herzklappen-

erkrankungen4,9 % 36,7 %

rheumatisch 10,2 (26,5) % 3,7 %

Früherer

Schlaganfall10,2 (2,0) % 8,9 % 6,7 %

Idiopathisches

VHF31 % 12,4 %

Tab 1: Vergleich der drei epidemiologischen Studien, die den Beobachtungszeitraumvon 1948–2006 abdecken (2–4).

Symptomatik und Formen des VorhofflimmernsIm Register des Kompetenznetzwerkes(4) hatten 30,2 % paroxysmales, 19,5 %persistierendes und 32,8 % permanentesVorhofflimmern. Die häufigsten von denPatienten berichteten Symptome desVorhofflimmerns waren Palpitationen, die55 % der Patienten mit paroxysmalemVorhofflimmern und 54 % der Patientenbei Erstmanifestation von Vorhofflimmernangaben. Luftnot war ein häufig genann-tes Symptom des persistierenden(47,5 %) und des permanenten Vorhof-flimmerns (47,5 %). Bei 75 % aller Pa-tienten war das Vorhofflimmern sympto-matisch, d. h., die Patienten berichtetenSymptome wie Herzklopfen, Herzrasen,Luftnot, Thoraxschmerzen, Schwindelund Abgeschlagenheit. Permanentes Vor-hofflimmern war eng korreliert mit demVorhandensein kardialer und nichtkardia-ler Begleiterkrankungen sowie kardiovas-kulärer Risikofaktoren. Bei Patienten mitHerzklappenerkrankungen prävaliertendas permanente (39,7 %) und das persis-tierende (30,3 %) Vorhofflimmern, beiKardiomyopathien dagegen das perma-nente Vorhofflimmern. 54,8 % der Pa-tienten mit permanentem Vorhofflim-mern hatten fünf oder mehr Begleiter-krankungen wie Bluthochdruck, Diabetesmellitus, Kardiomyopathien, Herzinsuffi-zienz, Herklappenerkrankungen, Zustand

nach Herzklappenersatz oder waren älterals 75 Jahre. Patienten ohne Begleiter-krankungen wiesen dagegen in nur18,7 % permanentes Vorhofflimmern auf.Höhere Schweregrade der Herzinsuffi-zienz lagen wesentlich häufiger bei Pa-tienten mit permanentem als mit paro-xysmalem Vorhofflimmern vor. Keine Kor-relation bestand zwischen dem Vorliegeneiner Fettstoffwechselstörung, Anginapectoris, Zustand nach perkutaner Koro-narintervention, Bypass-Operation undder Art des Vorhofflimmerns. Zigaretten-rauchen in der Anamnese war in jeweils38 % der Fälle mit persistierendem(38,4 %) und permanentem Vorhofflim-mern (37,9 %) vergesellschaftet.

Zusammengefasst erscheint die Tren-nung in persistierendes (Latein: „persis-tere“ = „durch, über [eine Zeit] hinwegbleiben“) und permanentes (Latein: „per-manere“ = „bleiben“) (5) Vorhofflimmernkünstlich, da hier das (fehlende) Bemü-hen des Therapeuten um die Wiederher-stellung des Sinusrhythmus ausgedrücktwird. Persistierendes und permanentesVorhofflimmern sind häufig mit kardio-vaskulären Begleiterkrankungen und demSymptom „Dyspnoe“ assoziiert. Dage-gen sind Palpitationen das häufige Symp-tom des paroxysmalen Vorhofflimmerns.

Vorhofflimmern und SchlaganfallDer apoplektische Insult ist die schwers-te Komplikation des Vorhofflimmerns(6,7). Das Vorhandensein von Risikofakto-ren und Begleiterkrankungen wie Herzin-suffizienz, Bluthochdruck, Diabetes, be-reits stattgehabter Schlaganfall oder frü-here abgelaufene transischämische Atta-cke determinieren das Schlaganfallrisiko.So haben < 65-jährige Patienten ohne dieo. g. Risikofaktoren ein jährliches Schlag-anfallrisiko von 1 %, während ältere Pa-tienten mit einem oder mehreren Risiko-faktoren bzw. Begleiterkrankungen einejährliche Schlaganfallrate von 8 bis 10 %aufweisen. Während Vorhofflimmern nurfür 1,5 % der Schlaganfälle bei 50- bis 59-jährigen Patienten ursächlich ist, steigtdas Schlaganfallrisiko bei über 80-Jährigen15-fach auf ca. 25 % an (Abb. 3) (8). Auchspielt das Geschlecht eine Rolle. So sind

8 Kardioforum 1 | 2011

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unter www.kardioforum.com

1,52,8

9,9

23,5

0

5

10

15

20

25

50-59 60-69 70-79 80-89Alter

%

Abb. 3: Vorhofflimmern als Schlaganfall-Risiko: Vorhofflimmern nimmt als Risikofaktorfür einen Schlaganfall exponentiell mit dem Alter zu (modifiziert nach Stroke) (8).

über 75-jährige Frauen besonders gefähr-det, einen Schlaganfall zu erleiden (9).

Der CHADS2-Index ist ein Punkte-score, der das Schlaganfallrisiko bei Pa-tienten mit Vorhofflimmern quantifiziert.Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Alterüber 75 Jahre und Diabetes werden je-weils mit einem Punkt bewertet, ein frü-herer Schlaganfall oder eine frühere tran-sitorische Ischämie mit zwei Punkten.Aus der Summe dieser Punkte errechnetsich der CHADS2-Score, der das jährlicheRisiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ab-schätzt. Üblicherweise ist heute ab demVorliegen von zwei CHADS2-Score-Punkten die Indikation zur oralen Antiko-agulation gegeben (10). Um das Schlag-anfallrisiko noch genauer zu erfassen unddementsprechend die Indikation zur An-tikoagulation zu präzisieren, wurde derCHA2DS2-VASc-Score entwickelt (11). Beidiesem Score wurden zusätzlich das Vor-handensein einer Gefäßerkrankung (z. B.abgelaufener Myokardinfarkt, peripherearterielle Verschlusskrankheit, Aortenpla-ques) sowie das Geschlecht mit einemPunkt bewertet. Der CHA2DS2-VASc-Score, ein erweiterter CHADS2-Score,wurde in die aktuellen Leitlinien zur Be-handlung des Vorhofflimmerns der Euro-päischen Kardiologengesellschaft (ESC)insbesondere zur genaueren Riskostrati-fikation bei Patienten mit einem CHADS2-Score von 0–1 eingeführt (12). Ab 1 Punktwird entweder eine Antikoagulation oderAspirin (75–325 mg, in Deutschland übli-cherweise 100 mg täglich), ab 2 Punktengenerell eine Antikoagulation mit VKAempfohlen.

Die Anwendung des CHA2DS2-VASc-Scores führt zu einer systematischenAusweitung der Indikation zur oralen An-tikoagulation (ab 1 Punkt) bei Vorhofflim-mer-Patienten. Es bleibt abzuwarten, obdies wegen der zu erwartenden Blu-tungskomplikationen klinisch sinnvoll ist.Das Blutungsrisiko wiederum kann mitdem HAS-BLED-Score (13) abgeschätztwerden und muss in der Praxis gegendas Thrombembolierisiko abgewogenwerden.

Kardioforum 1 | 2011 9

Tabelle 111: CHADS2-Score und Schlaganfall-Risiko

CHADS2-Score Patienten (n = 1733)

Adjustierte

Schlaganfallrate (%/Jahr)

(95 % Vertrauensintervall

0 120 1,9 (1,2–3,0)

1 463 2,8 (2,0–3,8)

2 523 4,0 (3,1–5,1)

3 337 5,9 (7,6–7,3)

4 220 8,5 (6,3–11,1)

5 65 12,5 (8,2–17,5)

6 5 18,2 (10,5–27,4)

Tabelle 1V: CHA2DS2-VASc-Score und Schlaganfall-Risiko

CHA2DS

2-VASc-Score

Patienten

(n = 7329)

Adjustierte

Schlaganfallrate

(%/Jahr)

0 1 0

1 422 1,3

2 1230 2,2

3 1730 3,2

4 1718 4,0

5 1159 6,7

6 679 9,8

7 294 9,6

8 82 6,7

9 14 15,2

Tabelle 11: HA-BLED-Score (max. 9 Punkte)

Buchstabe Klinische Charakteristika Punkte

H Hypertonie 1

AAbnorme Nierenfunktion (Krea> 2,0 mg/dl)Abnorme Leberfunktion (Bili> 2 x der Norm,Leberzirrhose, Transaminasen > 3 x der Norm) 1

S Schlaganfall 1

B Blutungsanamnese 1

L Labile, stark schwankende INR-Werte 1

E Ältere (elderly) Patienten > 65 Jahre 1

DDrogenAlkohol

11

Bei einem Patienten mit Vorhofflim-mern und sowohl hohem Throm-

bembolie- als auch hohem Blutungsrisikoist das Gerinnungsmanagement eine He-rausforderung. Wir berichten über einensolchen Patienten und diskutieren an-hand dieses Falls die therapeutischen Op-tionen.

KasuistikVorgeschichte

Aufgrund einer seit Monaten stabilen Be-lastungsdyspnoe (NYHA II–III) wurde der73-jährige Patient im Februar 2010 elektivzur Evaluation der Indikation zur kardialenResynchronisationstherapie (CRT) bzw.zur primärprophylaktischen ICD-Implan-tation in unserem Hause aufgenommen.Vorbekannt war eine schwer reduziertelinksventrikuläre Ejektionsfraktion beieiner ischämischen Kardiomyopathie (Z. n. Vorderwandinfarkt). 1998 war eineaortokoronare Bypass-Operation durch-geführt worden. Bei einer Niereninsuffi-zienz im Stadium der kompensierten Re-

tention (Kreatinin 2,3 mg/dl, GFR28 ml/Min., Hb 12,0 g/dl) bestand keineTherapie mit einem Aldosteron-Antago-nisten, und die ACE-Hemmer-Therapie(Enalapril 5 mg 1-0-1) war nicht ausdo-siert. Die übrige Vormedikation bestandaus Metoprolol 95 mg/d, ASS 100 mg/d,ISDN 2x40 mg/d sowie Allopurinol300 mg/d.

Im Aufnahme-EKG bot der Patienteinen Sinusrhythmus mit AV-Block Grad1 und breitem Linksschenkelblock (QRS166 ms) (Abb. 1). Im Röntgen-Thorax-Bildzeigte sich der Herzschatten deutlich ver-breitert, und echokardiographisch konnteeine schwer reduzierte LV-Funktion beieinem vergrößerten linken Ventrikel(LVEF 25 %; LVEDD 70 mm) sowie einvergrößerter linker Vorhof (LA 51 mm)dargestellt werden. Koronarangiogra-phisch zeigten sich alle koronaren Bypäs-se (LIMA auf LAD; jeweils Venenbypassauf R. diagonalis 1, R. marginalis 1 undRCA) offen, und es fanden sich keine in-terventionspflichtigen Stenosen.

Es erfolgte die Implantation eines CRT-D-Systems (Abb. 2).

Vorhofflimmern

und gastrointestinale Blutungen

Im Rahmen der Implantation des CRT-D-Systems konnte erstmals Vorhofflim-mern dokumentiert werden. Bei Persis-tenz des Vorhofflimmerns erfolgten ins-gesamt zwei primär erfolgreiche interneund eine primär erfolgreiche externe Kar-dioversion. Bei jeweils Frührezidiven vonVorhofflimmern wurde der Patient mitAmiodaron aufgesättigt. Nach der viertenKardioversion bestand anhaltend ein Si-nusrhythmus. Das Risiko für einenSchlaganfall wurde aufgrund der Leitlini-en mittels des CHA2DS2-VASc-Scores ab-

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Michael BlockKlinik Augustinum MünchenInnere Medizin, KardiologieWolker Weg 1681375 MünchenTel.: 089 7097-1154Fax: 089 [email protected]

1 Innere Medizin – Kardiologie, Klinik Augustinum München 2 Innere Medizin –Gastroenterologie, Klinik Augustinum München

10 Kardioforum 1 | 2011

Hohes thrombembolisches Risiko und hohes Blutungsrisiko –Dilemma bei Vorhofflimmern

G. v. Bodman1, J. Brömsen1, C. Kopf1, T. Rampp1, M. Füller1, T. Braun2, N. Frank2, M. Block1

Abb. 1: Aufnahme-EKG

geschätzt. Der Score betrug 4 (Alter zwischen 65 und 75Jahren, Herzinsuffizienz, arterieller Hypertonus, Z. n. Vor-derwandinfarkt) und erforderte damit eine Antikoagulationmit einem INR zwischen 2,0 und 3,0. Leider erlitt der Pa-tient im selben Aufenthalt unter der neu begonnenen An-tikoagulation drei untere gastrointestinale Blutungen (untereiner PTT von max. 84 Sek. bzw. INR von max. 1,7). Ein-malig war bei einem Hb von 7,9 g/dl die Transfusion vonzwei Erythrozytenkonzentraten erforderlich. Koloskopischzeigten sich eine massive Divertikulose sowie ausgepräg-te Teleangiektasien (Abb. 3), am ehesten auf dem Bodeneiner Proktitis (bioptisch gesichert) nach stattgehabter Ra-diatio im Rahmen der Therapie eines Prostata-Karzinoms.Es erfolgten Koagulationen mit einem Argonplasma-Laserin zwei Sitzungen. In Abstimmung mit den Kollegen derGastroenterologie wurde statt einer Antikoagulation ledig-lich die zuletzt pausierte Thrombozytenaggregationshem-mung mit ASS (100 mg täglich) wieder aufgenommen.

In den folgenden sechs Wochen wurde der Patientzweimalig aufgrund einer Hämatochezie wieder aufge-nommen. In beiden Aufenthalten wurden erneut Koagula-tionen mit einem Argonplasma-Laser durchgeführt. In densich anschließenden sechs Monaten erlitt der Patientweder weitere Blutungskomplikationen noch eine Throm-boembolie.

In den regelmäßig durchgeführten CRT-D-Kontrollenzeigte sich in den ersten Wochen nach Entlassung ein pa-roxysmales Vorhofflimmern, das nach ca. drei Monaten inein persistierendes Vorhofflimmern überging. Unter Amio-daron war die Herzfrequenz nicht erhöht, und der biventri-kuläre Stimulationsanteil lag bei 94 %.

Implantation eines Verschlusssystems

in das linke Vorhofohr

Bei dem nun persistierenden Vorhofflimmern sowiehohem Thrombembolierisiko und einer Kontraindikation

Kardioforum 1 | 2011 11

Abb. 2a: Röntgen-Thorax-Aufnahme (p.-a.) nach Implantation des CRT-D-Systems

Abb. 3: Teleangiektasien im Bereich des Rektums

Abb. 4: Präinterventionelle transösophageale Echokardiographie: Darstellung/Messung des LAA im 60°-Schnitt. A = Durchmesserdes LAA-Ostiums (20,5 mm), B = Länge des LAA (28,8 mm). DaherWahl eines 24x23mm-Watchman®-Devices.

Abb. 2b: Röntgen-Thorax-Aufnahme (lateral) nach Implantation des CRT-D-Systems

zur oralen Antikoagulation wurde im November 2010 dieIndikation zum interventionellen Verschluss des linken Vor-hofohres (LAA) gestellt. Vor der Intervention wurde einetransösophageale Echokardiographie im Hinblick aufMachbarkeit und Wahl der Größe des Vorhofverschluss-systems (Abb. 4) durchgeführt. Das Vorhofohr zweigte sichin zwei annähernd gleich große Lappen auf. Aufgrundeines Durchmessers von 20 mm und einer Tiefe des LAAvon 29 mm wurde ein 24-mm-Watchman® zum Verschlussdes Vorhofohres ausgewählt. Dieser hat einen maximalenDurchmesser von 24 mm und eine Länge von 23 mm. DerWatchman® besteht aus einem selbstexpandierenden Ni-tinol-Gerüst mit Fixierungshäkchen und einer permeablenPolyestermembran, die die atrial zugewandte Seite desGerätes abdeckt.

Die Implantation des Vorhofohrverschlusssystems er-folgte unter Lokalanästhesie und Neuroleptanalgesie. Überdie rechte Vena femoralis als Zugang wurde unter trans-ösophagealer Kontrolle das intraatriale Septum so posteriorund superior punktiert, dass die in den linken Vorhof ein-zuführende vorgebogene 14 F-Schleuse möglichst span-nungsfrei zum Vorhofohr vorgeschoben werden konnte.Um die Position und Form des Vorhofohrs im Durchleuch-tungsbild zu sehen, wurde eine Rotationsangiographie (DynaCT®; Siemens, Forchheim) durchgeführt, die es er-laubt, ein dreidimensionales Abbild des Vorhofohres in dasProjektionsbild zu integrieren. Um bei vorliegender Niere-ninsuffizienz Kontrastmittel einzusparen, wurde die Rota-tionsangiographie mittels einer direkten Injektion von 10 ml

Kontrastmittel (Imeron 400, Altana, Konstanz) in das Vor-hofohr durchgeführt (Abb. 5). Durch die Möglichkeit einerEinspielung des bearbeiteten DynaCT-Bildes in das Live-Durchleuchtungsbild (Abb. 6) waren nur wenige weitereKM-Applikationen mit einem Kontrastmittelverbrauch voninsgesamt 80 ml erforderlich. Zunächst wurde ein 5F-Pig-tail-Katheter in den längeren Lappen des Vorhofohres ein-geführt und dann über den Pigtailkatheter die Schleusevorsichtig soweit hineingeschoben, dass der Watchman®

bündig mit dem LAA-Ostium freigesetzt werden konnte.Anschließend wurde die Schleuse in Position gehalten undder Pigtailkatheter gegen den Katheter mit dem kompri-mierten Watchman® ausgetauscht. Schleuse und Katheterwurden dann simultan unter Fixierung der Watchman®-Position zurückgezogen und damit der Watchman® freige-setzt. Die Position des Watchman®, die bestehende Rest-kompression, die Abdichtung des Vorhofohres und diefeste Verankerung durch die Häkchen erwiesen sich alsregelgerecht, so dass der Watchman® vom Katheter durchwenige Drehungen des Katheters um die eigene Achsefreigesetzt werden konnte. (Abb. 7–9).

Unter der periinterventionellen Antikoagulation kam eserneut zu einer perianalen, nicht substitutionspflichtigenBlutung, so dass der Patient unter einer dualen Thrombo-zytenaggregationshemmung mit 100 mg ASS und 75 mgClopidogrel entlassen wurde.

Nachsorge

In den folgenden acht Wochen kam es weder zu einer thromb embolischen noch zu einer Blutungskomplikation.Der Watchman® zeigte sich in der transösophagealen Kon-

12 Kardioforum 1 | 2011

Abb. 5: Rotationsangiographische Darstellung des LAA. 1. LAA, 2. Position des C-Bogens, 3. CRT-D-Aggregat, 4. CS-Sonde, 5. RV-Sonde, 6. RA-Sonde, 7. Transseptale Schleuse

Abb. 6: Overlay-3-D-Rekonstruktion aus der Rotationsangiographie/Durchleuchtungsbild. 1. LAA, 2. Linker Vorhof, 3. Transsep-tale Schleuse

trolle in unveränderter Position mit kompletter Abdichtung des linkenVorhofohres. Nach erneuter Kontrolle ein halbes Jahr nach Implanta-tion ist bei unverändertem Befund das Absetzen des Clopidogrel undeine alleinige Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS geplant.

DiskussionBei Vorhofflimmern muss stets zwischen Thrombembolie-Risikound Blutungsrisiko abgewogen werden. Zur Abschätzung der je-weiligen Risiken eignen sich Scores. In den ESC-Leitlinien von 2010(1) werden zur Abschätzung des Thrombembolie-Risikos derCHA2DS2-VASc-Score (2) und zur Abschätzung des Blutungsrisikosder HAS-BLED-Score (3) empfohlen. Hierbei zeigte sich, dass unserPatient ein geschätztes jährliches Risiko für einen Schlaganfall von4,0 % hatte. Nicht nur das kalkulierte Blutungsrisiko unter Antiko-agulation war hoch, sondern tatsächlich waren bei dem Patienten re-zidivierende schwere Blutungen unter Antikoagulation aufgetreten.

Unter zunächst durch Amiodaron wiederhergestelltem Sinus-rhythmus wurde bei dem Patienten lediglich eine Thrombozytenag-gregationshemmung durchgeführt. Da der Patient die dann folgen-den Phasen paroxysmalen Vorhofflimmerns selbst nicht bemerkte,war dieses sicher von Anfang an kein geeigneter Schutz des Pa-tienten vor thrombembolischen Ereignissen im Rahmen von Vor-hofflimmern, sondern ein den Blutungen geschuldeter Kompromiss.Nach Versagen der Therapie mit Amiodaron wurde auch der Ver-such einer Rhythmuskontrolle mittels einer Pulmonalvenenisolati-on (PVI) in diesem Zusammenhang diskutiert, aufgrund der gerin-gen Erfolgsaussichten bei einem schwer reduzierten Ventrikel undeinem großen linken Vorhof allerdings verworfen. Darüber hinausgibt es keine ausreichende Evidenz für das Absetzen einer Antiko-agulation nach PVI, dies wird daher derzeitig auch nicht empfohlen(1), wenngleich mittels des CRT-D-Systems – insbesondere bei Ein-satz von Telemonitoring – ein sehr engmaschiges Monitoring be-züglich eines Rezidivs hätte durchgeführt werden können (4).

Auch die Wahl eines alternativen Antikoagulans wurde diskutiert.So könnte insbesondere der (Off-label-)Einsatz des direkten oralenThrombininhibitors Dabigatran in der niedrigeren Dosierung von2x110 mg täglich in vergleichbaren Fällen eine Alternative darstel-len, da in einer multizentrischen randomisierten Studie (RE-LY) imVergleich zu Warfin bei gleicher Wirksamkeit gegen Schlaganfalloder Thrombembolien hierunter weniger Blutungskomplikationenaufgetreten waren (1, 5). Hier bleibt allerdings die für 2011 zu er-wartende Formulierung der Zulassung abzuwarten. Im vorliegen-den Fall war die Anwendung des Thrombininhibitors aufgrund derschweren Niereninsuffizienz allerdings kontraindiziert.

Letztlich wurde mit dem Übergang in persistierendes Vorhof-flimmern die Indikation zum interventionellen Verschluss des linkenVorhofohres gestellt. Man geht davon aus, dass in ca. 90 % allerFälle die Embolie bei Vorhofflimmern aus dem linken Vorhofohrkommt (6). In einer multizentrischen randomisierten Studie (PRO-TECT AF) konnte für das sogenannte Watchman®-Gerät gezeigtwerden, dass es einer oralen Antikoagulation bezüglich des primä-ren Endpunktes Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod und systemischeEmbolie nicht unterlegen war (7). Aufgrund der zum Teil schwer-

Kardioforum 1 | 2011 13

Abb. 7: Positionierung des Watchman®-Devices im linken Vorhofohr. 1. Transseptale Schleuse, 2. Rechts-ventrikuläre Sonde, 3. CS-Sonde, 4. Kontrastmittel-depot in einem Lobus des LAA, 5.CRT-D-Aggregat, 6. TEE-Sonde

Abb. 8: Positionierung des Watchman®-Devices im linken Vorhofohr. 1. Watchman®, 2. linkes Vorhofohr

Abb. 9: Positionierung des Watchman®-Devices im linken Vorhofohr. 1. Linker Vorhof, 2. Linker Ventrikel,3. Watchman® im linken Vorhofohr, 4. Führungsdraht

wiegenden Komplikationen während der Implantation(schwere Blutungen, Perikardtamponaden und Embolisa-tion des Gerätes) wurde der Watchman® bisher aber nichtzur Therapie durch die amerikanischen Behörden (Foodand Drug Administration) freigegeben, sondern eine zwei-te – derzeit laufende – Studie verlangt. In Deutschland istdas Gerät verfügbar, aber die europäischen Leitliniengeben derzeit keine Empfehlung zum Einsatz des Gerätes.

Bezüglich unseres Patienten kommt erschwerend hinzu,dass die Patienten, die eine Kontrainidkation für eine Anti-koagulation aufwiesen, aus der PROTECT AF-Studie aus-

geschlossen waren. In der PROTECT AF-Studie desWatchman®-Gerätes wurde zumindest in den ersten 45Tagen nach Implantation zusätzlich zu ASS eine orale Anti-koagulation durchgeführt, um auf jeden Fall Embolisatio-nen von der Oberfläche des Watchman® bis zur vollständi-gen Endothelialisierung zu vermeiden. Nach 45 Tagenwurde die Antikoagulation tatsächlich bei 86 % der Patien-ten gestoppt und nach sechs Monaten bei 92 %. Um abergerade Patienten mit einer Kontraindikation für eine Anti-koagulation versorgen zu können, wird in der derzeit lau-fenden Registerstudie ASA-Plavix-Registry (8) auf eine An-

14 Kardioforum 1 | 2011

Dronedaron ist ein neues Antiarrhyth-mikum zur Behandlung von Vorhof-

flimmern. Entsprechend der früher ge-bräuchlichen Vaughan Williams-Klassifi-kation wird es als Klasse-III-Antiarrhyth -mikum mit repolarisationsverzögerndenEigenschaften, moderner als „Multika-nalblocker“, geführt.

Im Januar 2010 wurde Dronedaronvom Amt für Arzneimittelsicherheit derBundesrepublik Deutschland für die The-rapie des Vorhofflimmerns und zur Fre-quenzsenkung bei tachyarrhythmischemVorhofflimmern zugelassen.

Dronedaron (N-(2-Butyl-3-[4-[3-(dibutyl-amino)propoxy]-benzoylbenzofuran-5-yl)ist wie die Muttersubstanz Amiodaron einBenzofuran (Abb.1). Die Substanz wurde

mit dem Ziel entwickelt, die hohe antiar-rhythmische Potenz von Amiodaron mitdeutlich geringeren Nebenwirkungen zuverbinden. Ein wesentlicher Unterschiedgegenüber Amiodaron ist der Wegfall derJodsubstituenten, wodurch die Schild-drüsennebenwirkungen der Muttersub-stanz entfallen, sowie die Addition einerMethan-Sulfonyl-Gruppe, wodurch die Li-pophilie gegenüber Amiodaron und damitdie Speicherfähigkeit im Fettgewebedeutlich gemindert wurde. Dies wirkt sichjedoch auf die Wirkdauer der Substanzaus.

Als Abkömmling des Amiodarons istDronedaron ein „Multikanalblocker“. Eswerden der IKA1, der schnelle Natrium-kanal, der Ito, der langsame Calciumkanal(Ical), der schnelle Kaliumkanal (Ikur), derlangsame Kaliumkanal (Iks) sowie der de-polarisierende Natriumkanal (INa) beein-flusst (11,13,15) (Abb.2). Da diese Kanä-le in besonderer Konzentration im Vor-hofmyokard vorkommen, ergibt sich hie-raus eine hohe Affinität zum Vorhofakti-onspotential. Das Ventrikelpotential hin-gegen wird nur gering beeinflusst. Eshandelt sich daher eher um ein „Vorhof-Antiarrhythmikum“ und nicht so sehr umein „Ventrikelantiarrhythmikum“. Hierausergibt sich auch, dass eine Repolarisati-onsverlängerung des Aktionspotentialsbei kurzzeitiger Verabreichung der Sub-stanz bisher nicht beobachtet wurde. Aufder Ventrikelseite führt Dronedaron zu

DronedaronBernd-Dieter Gonska

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Bernd-Dieter GonskaSt. Vincentius Kliniken Karlsruhe Akademisches Lehrkrankenhausder Universität FreiburgSüdendstraße 3276137 KarlsruheTel.: 0721 8108-3168Fax: 0721 [email protected]

O

(CH2)2

I

I

C2H5

C2H5

C4H9

Amiodarone (MW-682)

•HCI

(CH2)3

C4H9

C4H9

C4H9CH3SO2NH

SR33589B/Dronedarone (MW-593)

•HCI

Abb. 1: Molekularstruktur von Amiodaron und Dronedaron

tikoagulation zugunsten einer doppeltenPlättchenhemmung mit ASS und Clopi-dogrel verzichtet, ohne dass bislang einehöhere Rate an thrombembolischenKomplikationen zu verzeichnen war. Auchim vorliegenden Fall wurde bei mehrerenunteren gastrointestinalen Blutungenunter Antikoagulation in Absprache mitden Kollegen der Gastroenterologie einedoppelte Plättchenhemmung durchge-führt.

Schlussfolgerung Bei einem Patienten mit Vorhofflimmernund sowohl hohem Thrombembolierisikoals auch hohem Blutungsrisiko kann derinterventionelle Verschluss des linkenVorhofohres eine elegante Lösung diesesDilemmas darstellen. Hierdurch kann einder oralen Antikoagulation nicht unterle-gener Schutz vor thrombembolischen Er-eignissen erreicht werden.

Kardioforum 1 | 2011 15

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unter www.kardioforum.com

keiner Veränderung des Aktionspotentials oder sogar eherzu einer Verkürzung (14).

Pharmakokinetik und PharmakodynamikDie Absorption beträgt 70–94 %. Ein ausgedehnter „First-pass“-Effekt erlaubt nur eine Bioverfügbarkeit von 15 %.Das Wirkungsmaximum ist nach 3–6 Stunden erreicht. DerPlasmaspiegel im „Steady-State“ beträgt 84–147 ng/ml.Ein „Steaty-State“ ist nach 4–8 Tagen erreicht. Die Bio-verfügbarkeit kann durch Nahrungsaufnahme um das 2–4½-fache erhöht werden. Es besteht eine hohe Plasmaei-

weißbindung (> 99 %), dasmittlere Verteilungs-Volumenbeträgt 1440–3440 Liter nachi. v. Gabe.

Die hohe Eiweißbindungmuss bei den Interaktionen mitanderen Pharmaka berücksich-tigt werden. Besonders her-vorzuheben sind Statine, Digi-talis, Coumadine sowie Beta-sympathikolytika. Deren Wir-kung wird verstärkt. Eine Do-sisreduktion dieser Präparateist daher zu erwägen.

Der hohe „First-pass“-Effekt macht die zweimaligeEinnahme der Substanz proTag nötig. Der Metabolismuserfolgt über Cytochrom P3A4(CYP3A4) (2). Der N-Debutyl-Metabolit (SR35021) ist geringantiarrhythmisch wirksam, ca.3–10-fach geringer als Drone-daron selbst (15,17). DieHauptausscheidung erfolgtüber die Fäzes (ca. 84 %), dierenale Elimination ist gering

(ca. 6 %). Eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz istdaher nicht zwingend notwendig. Die terminale Halbwert-zeit von Dronedaron bei einer oralen Gabe von 2 x 400 mgpro Tag beträgt 20–40 Stunden.

StudienlageDie Studienlage zu Dronedaron ist sehr umfassend. Dro-nedaron gehört zu den sehr aufwendig untersuchten anti-arrhythmisch wirksamen Substanzen (Tabelle 1). In derDAFNE-Studie (14) wurde die Sicherheit und Effektivitätvon Dronedaron in unterschiedlicher Dosierung unter-sucht. Es fand sich eine dosisabhängige Verlängerung der

Abb. 2: Elektrophysiologische Wirkungsweise neuer Antiarrhythmika

30

mV 0

-80200 400 600 ms

1

2

3

4

0

NCX

Late

INa!

INa!

ICaL!

Ito®

IKur®

IK1®

IKAch®

IKAch®

IK1®

IKr®

1

IKAch

IK1

INa

ItoICaL

IKur

IKs

IKr

NCXIf

Inhibitors at therapeutic concentrations

NIP-151, NIP141/142, AVE0118,celivarone

Dronedarone

Vernakalant, tedisamil, dronedarone, celivarone, ATI-2042, pilsicainide,ranolazine (late INA), AZD7009, NIP141/142

Vernakalant, tedisamil, dronedarone, AVE0118, AZD7009

JTV519, vernakalant, dronedarone, celivarone, ranolazine NIP141/142

Vernakalant, XEN D0101, dronedarone, AVE0118, AVE1231, AZD7009,ATI-2042, NIP141/142

HMR1556 (selective), azimilide, dronedarone, celivarone, ATI-2042

Tedisamil, dronedarone, nifekalant,celivarone,ATI-2042, vernakalant, AZD7009

KB-R7943, SEA0400, ranolazine, SN-6, dronedarone

Ivabradine, propafenone

PR-Zeit und eine geringe Verlängerungder QTc-Dauer (+ 39 ms). Allerdingswurde dieser Befund in der höchsten Do-sierung von 2 x 800 mg/die erhoben.

Singh et al. (11) beschrieben eine Herz-frequenzreduktion von 7 % sowie eineQT-Verlängerung von 23 ms und eine Ver-längerung der QTc-Dauer um 9 ms. Ob-wohl hier anders als bei der Akut-Gabeeine QT-Verlängerung gefunden wurde,führte dies zu keinem Auftreten ventriku-

lärer Tachyarrhythmien unter Torsade-de-pointes-Tachykardien.

DAFNE untersuchte die zweimal täg-lich Gabe von Dronedaron in Dosen von400 mg, 600 mg und 800 mg. Die höchs-te Effektivität bestand bei 2 x 400 mg proTag. Eine Dosissteigerung führte zu kei-ner höheren Effizienz. Dieses Ergebnis istüberraschend und bisher nicht zweifels-frei erklärbar.

Nach der 6-monatigen Beobachtungs-dauer blieben 35 % der Patienten unterDronedaron im Sinusrhythmus, in der Pla-cebo-Gruppe dagegen 10 %.

Die EURIDIS- und ADONIS-Studie sindzwei Arme einer sowohl in Europa alsauch in den USA durchgeführten Unter-suchung (12). Der primäre Endpunkt wardas Wiederauftreten von Vorhofflimmern– eingeschlossen wurden Patienten mitlänger bestehendem Vorhofflimmern. Se-kundärer Endpunkt war die Senkung dermittleren Kammerfrequenz beim erstenAuftreten der Vorhofarrhythmien. In derADONIS-Studie wurden 625 Patienten, inEURIDIS 612 Patienten eingeschlossen.Das mittlere Alter lag bei 62–64 Jahren(EURIDIS/ADONIS), der Anteil von per-sistierendem/permanentem Vorhofflim-mern betrug 63 % (EURIDIS) bzw. 78 %(ADONIS).

Die Zeit bis zum Wiederauftreten vonVorhofflimmern wurde in beiden Unter-suchungsarmen gegenüber Placebomehr als verdoppelt: EURIDIS 96 Tage vs.41 Tage, ADONIS 158 Tage (Aktiv) vs. 59Tage (Placebo). Dieser Effekt bestand beiallen kardialen Ursachen – hypertensiverHerzerkrankung, koronarer Herzerkran-kung, dilatativer Kardiomyopathie sowieauch bei Patienten mit Herzinsuffizienz.

Die Bedeutung der Dornedaron-Thera-pie bei Herzinsuffizienzpatienten wurdein der ANDROMEDA-Studie untersucht(8). Es wurden 627 Patienten mit einerHerzinsuffizienz der NYHA-Klasse II–IVeingeschlossen, die zumindest eine Di-uretikatherapie erhalten hatten. ACE-In-hibitoren erhielten 88 % der Patienten,Betasympathikolytika 62 %. Die Studiewurde aufgrund der Übersterblichkeit inder Dronedaron-Gruppe vorzeitig abge-brochen. 8 % (25 Patienten) verstarben in

16 Kardioforum 1 | 2011

50

40

30

20

10

0

0 6 12 18 24 30 MonthsPatients at riskPlacebo 2327 1858 1625 1072 385 3Dronedarone 2301 1963 1776 1177 403 2

Mean follow-up 21 ± 5 months

Cu

mm

ula

tive

Inci

den

ce (

%)

HR = 0.76P < 0.001

Placebo

Dronedarone

Placebo

Dronedarone

Cu

mm

ula

tive

Inci

den

ce (

%)

HR = 0.71P < 0.034

0 6 12 18 24 30 MonthsPatients at riskPlacebo 2327 2290 2250 1629 636 7Dronedarone 2301 2274 2240 1593 615 4

Mean follow-up 21 ± 5 months

7.5

5.0

2.5

0

Abb. 3: ATHENA-Ergebnisse: Zeit bis zur ersten kardiovaskulären Hospitalisierung bzw. Tod

Abb. 4: ATHENA-Ergebnisse: Kardiovaskulärer Tod

der Dronedaron-Gruppe und 3,8 % (12 Patienten) in derPlacebogruppe. Die Todesursachen bestanden überwie-gend in einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Auf-fällig war ein Anstieg des Serumkreatinins in der Drone-daron-Gruppe. Dieser führte offenbar zu einem Absetzender ACE- und AT1-Antagonisten (- 5,7 % in der Placebo-gruppe, - 3,2 % in der Dronedaron-Gruppe). Die hohenSchweregrade der Herzinsuffizienz gelten daher seither alsAusschluss für eine Dornedaron-Therapie. Weiterhin istbekannt, dass die Serumkreatinin-Konzentration innerhalbder ersten fünf Tage einer Dronedaron-Therapie ansteigtund sich nach 7–14 Tagen wieder auf die Hälfte des An-stiegs reduziert. Ein Absetzen der ACE- bzw. AT1-Antago-nisten ist daher langfristig nicht notwendig. Ein weitererGrund für das schlechte Ergebnis der ANDROMEDA-Stu-die wird in dem Einschluss von Patienten mit nicht stabi-ler Herzinsuffizienz gesehen (7).

Die größte Antiarrhythmikastudie, die bisher durchge-führt wurde, ist die ATHENA-Studie (5) (Abb. 3, Abb. 4).4628 Patienten mit paroxysmalem oder persistierendemVorhofflimmern wurden in diese Studie aufgenommen.Das Ergebnis zeigt eine 24%ige Reduktion des kombi-nierten Endpunktes kardiovaskulärer Hospitalisierung/Todwährend der Nachbeobachtung von 21 Monaten. Das Stu-dienkollektiv repräsentiert hinsichtlich der Grund- und Be-gleiterkrankungen das allgemeine Vorhofflimmerpatienten-Kollektiv. Das mittlere Alter lag bei 72 ± 9 Jahren.

Der weibliche Anteil der Patienten lag in der Placebo-gruppe bei 45 %, in der Dronedaron-Gruppe bei 49 %. EineHerzinsuffizienz bestand bei 30 %, 4 % in NYHA-Klasse III.Für die Gruppe der Herzinsuffizienzpatienten fanden sichwidersprüchliche Ergebnisse gegenüber der ANDROME-DA-Studie. Während sich in ANDROMEDA das Mortali-tätsrisiko verdoppelte, fand sich in ATHENA eine 16 %-igeReduktion. Die genaue Ursache dieser Diskrepanz ist bis-her nicht eindeutig geklärt (6).

In der DIONYSOS-Studie (9) (Abb. 5) wurde die Effekti-vität von Dronedaron mit der des Amiodarons bei 504 Pa-tienten mit persistierendem Vorhofflimmern verglichen.Während einer Beobachtungszeit von 15 Monaten (im Mit-tel 7 Monate) erlitten 73,9 % der Patienten unter Drone-daron und 55,3 % der Patienten unter Amiodaron ein Vor-hofflimmerrezidiv. Amiodaron ist die dem Dronedaronüberlegene Substanz. Aufgrund des kurzen Beobach-tungszeitraums lässt sich bezüglich von Verträglichkeit undNebenwirkungen keine Aussage treffen.

Die ARTEMIS-AF-Studie untersucht, welche Umstel-lung von Amiodaron auf Dronedaron die höchste Effektivi-tät bietet. In der Gruppe A wird keine „Wash out-Phase“geplant, in der Gruppe B zwei Wochen, in der Gruppe Cvier Wochen. Diese Studie befindet sich zurzeit in der Re-krutierungsphase.

Der wesentliche Effekt des Dronedarons ist der Erhaltdes Sinusrhythmus – der Inhalt aller bisher vorgestellten

Kardioforum 1 | 2011 17

Dronedarone

Amiodarone

HR = 1.59 (1.28 – 1.98)P < 0.001

Cu

mm

ula

tive

Inci

den

ce (

%)

0 3 6 9 12 15 MonthsNumber at risk

Dronedarone 249 99 84 40 12 0Amiodarone 255 146 126 61 13 0

CC-26

1.0

0.8

0.6

0.4

0.2

0.0

Dronedarone Amiodarone

AF recurrence or premature discontinuation 184 141

Recurrence of AF 158 107

Premature study drug discontinuation 26 34

Abb. 5: DIONYSOS-Endpunkt: Wiederauftreten von Vorhofflimmern bei vorzeitigem Abbruch der Medikation

Studien. Zur Konversionsbehandlung istDronedaron nicht geeignet. Ein weitererEffekt liegt in der Frequenzsenkung derKammeraktivität (15). In der ERATO-Stu-die (3) reduzierte Dronedaron signifikantdie Kammerfrequenz bei Patienten mitpermanentem Vorhofflimmern (- 12 Schlä-ge/Min. im Mittel in einem 24-h-Lang zeit-EKG). Dieses entspricht den Ergebnis-

sen, die mit Betasympathikolytika gefun-den wurden.

NebenwirkungenUnter Berücksichtigung aller Studien (Ta-belle 1) stehen gastrointestinale Neben-wirkungen mit ca. 24 % im Vordergrund.Diese Beschwerden sind häufig währendder Einstellungsphase zu beobachten.

18 Kardioforum 1 | 2011

Tabelle 1: Studienergebnisse zu Dronedaron

Rhythmus- und Herzfrequenzkontrolle N Population Ziel

DAFNE 270 Vorhofflimmern

Effektivität und Sicherheit der Kardioversion bei Vorhofflimmernund Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus

EURIDIS 612Vorhofflimmern/Vorhofflattern

Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern

ADONIS 625Vorhofflimmern/Vorhofflattern

Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern

ERATO 174permanentes Vorhofflimmern

Herzfrequenzkontrolle

DIONYSOS 504 Vorhofflimmern

Reduktion des Wiederauftretensvon Vorhofflimmern oder früh-zeitiger Abbruch der Medikationwegen Intoleranz oder fehlender Effektivität

Herzinsuffizienz

ANDROMEDA 627

kürzlich aufgetretene,schwere Episodenvon Herzinsuffizienzund LV Dysfunktion

Reduktion der Hospitalisierungwegen Verschlechterung der KHK oder Tod bei Patienten mit instabiler, schwerer CHF mit LV Dysfunktion

Prognose

ATHENA 4628Vorhofflimmern/Vorhofflattern

Reduktion der kardiovaskulärenHospitalisierung oder Tod jegli-cher Ursache bei Patienten mitVorhofflimmern/Vorhofflattern

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unter www.kardioforum.com

Endokrine, dermatologische, hepatische und renale Ne-benwirkungen lassen sich nicht häufiger als in Placebo-gruppen nachweisen. Von Bedeutung für den klinischenAlltag sind die hohe Proteinbindung der Substanz und diesich daraus ergebenden höheren Konzentrationen einermedikamentösen Begleittherapie wie z. B. bei Statinen (4).

Aufgrund der Ergebnisse der ANDROMEDA-Studie soll-te Dronedaron bei instabiler Herzinsuffizienz und hohenSchweregraden der Herzinsuffizienz (III und IV) nicht ein-gesetzt werden.

Im Januar 2011 wurde über zwei Fälle mit schwerwie-genden hepatischen Nebenwirkungen berichtet (FDA-Mit-teilung per Internet). Inwieweit die Substanz selbst hierfürverantwortlich ist, ist unklar. Da hepatische Nebenwirkun-gen der Muttersubstanz Amiodaron bekannt sind, liegt einZusammenhang mit Dronedaron nahe, ist bisher jedochnicht bewiesen. Auch in der großen ATHENA-Studiewurde über derartige Komplikationen nicht berichtet. DerNachricht wurde Rechnung getragen. Die Empfehlungwurde gegeben, Patienten mit einer anamnestisch be-kannten Lebererkrankung die Substanz nicht zu geben.

Neue Leitlinien der ESC zur Behandlung des VorhofflimmernsIm September 2010 wurden auf der Tagung der EuropeanSociety of Cardiology in Stockholm die neuen Leitlinien fürdie Therapie des Vorhofflimmerns vorgestellt. Im Oktober2010 erfolgte die Publikation (1).

Dronedaron hat seinen Eingang in die Leitlinien gefun-den und steht neben den Klasse-IC-Antiarrhythmika undAmiodaron in der Gruppe der antiarrhythmisch wirksa-

men Substanzen vor der Anwendung der Katheterablation(Abb. 6). In dem aktuell publizierten „Update“ der Ameri-can Heart Association (16) hat Dronedaron den gleichenPlatz gefunden. Naccarelli (10) sieht in Dronedaron die ein-zige antiarrhythmisch wirksame Substanz, die in der am-bulanten Einstellung von Vorhofflimmern Platz hat.

Dronedaron – zu große Erwartungen?Dronedaron war ein lange erwartetes Antiarrhythmikum.Es sollte die gleiche oder eine höhere Potenz als Amioda-ron haben, jedoch keine Nebenwirkungen. Die so unrea-listischen Ansprüche konnten nicht befriedigt werden.Amiodaron bleibt im Hinblick auf die Wirksamkeit die Sub-stanz Nr. 1. Nichtsdestoweniger ist Dronedaron ein gutverträgliches Antiarrhythmikum, das aufgrund der Verträg-lichkeit seines Nebenwirkungsprofils eine ambulante Ein-stellung des Patienten mit Vorhofflimmern erlaubt. Offenbleibt ein Wirksamkeitsvergleich mit den Klasse-IC-Antiarrhythmika. Studien hierzu liegen bisher nicht vor.Weiterhin haben auch diese Substanzen – wie in denneuen ESC-Leitlinien und den Leitlinien der AmericanHeart Association (15) dargestellt – ihren Platz.

ZusammenfassungDie Therapie des Vorhofflimmerns wird durch die neue an-tiarrhythmisch wirksame Substanz Dronedaron bereichert.Sie ermöglicht eine individuellere Betreuung für Patientenmit Vorhofflimmern: Begleittherapie, Antiarrhythmika, Ab-lation, chirurgisch und kardiologisch.

Kardioforum 1 | 2011 19

Minimal or no heart disease Significant underlying heart disease

? Prevention of remodellingACEI/ARB/statin

ß blockade where appropriate

Treatment of underlying condition and ? prevention/reversalof remodelling – ACEI/ARB/statin. ß blockade where appropriate

HT CAD CHF

No LVH LVH StableNYHA I/II

NYHA III/IVor ’unstable‘

NYHA II

Dronedarone / Flecainide / Propafenone / Sotalol Dronedarone

DronedaroneSotalol Dronedarone

Amiodarone Amiodarone Amiodarone

Abb. 6: Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie: Therapie des Vorhofflimmerns

Leitlinien „Vorhofflimmern“, ESC 9/2010

20 Kardioforum 1 | 2011

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Dietrich GulbaAm Günster 852372 [email protected]

Die ESC-Leitlinien zum Managementvon Patienten mit Vorhofflimmern

schreiben bei der antithrombotischen Be-gleittherapie in ganz wesentlichen Punk-ten die vorhergehenden Leititlinien aufBasis der neuesten Erkenntnisse fort.Dies gilt insbesondere für das periopera-tive Management sowie die antithrom-botische Therapie im Umfeld der Kardio-version: Die Antikoagulationsbehandlungkann weiterhin kurzfristig (bis zwei Tageim subtherapeutischen Bereich) unter-brochen werden, bei Hochrisikopatientenmuss weiter eine periinterventionelle He-parintherapie erwogen werden. Die Anti-koagulationsbehandlung im Umfeld derKardioversion selbst hat sich im Wesent-lichen nicht verändert. Weiterhin sind

zwei alternative Strategien denkbar: diedreiwöchige Antikoagulation vor Kardio-version oder alternativ eine TEE-geleiteteStrategie. Der Widerspruch der alten Leit-linien, dass, sofern im TEE nach drei Wo-chen noch nachweisbare Thromben ge-sehen werden, von der Kardioversion Ab-stand genommen werden soll, währendohne TEE in jedem Falle nach drei Wo-chen kardiovertiert werden kann, wirdauch mit den neuen Leitlinien nicht auf-gelöst.

Eine Veränderung gegenüber den altenLeitlinien ergibt sich im Falle einer wegeneines operativen Eingriffes nur kurzfristi-gen Unterbrechung der Antikoagulation.Im Gegensatz zu den früheren Leitlinienwird nun die Wiederaufnahme der Anti-

Antithrombotische Therapie bei Vorhofflimmern – neue Guidelines, neue Empfehlungen

Dietrich Gulba

Kardioforum 1 | 2011 21

koagulation ohne „Loading-Dosis“ alleine mit der ge-wohnten Erhaltungsdosis empfohlen.

Das Risiko für eine bleibende Behinderung, zu verster-ben oder weitere Schlaganfälle zu erleiden, ist bei Schlag-anfall-Patienten mit VHF bekanntlich höher als bei Patien-ten ohne VHF. Ein wesentlicher Bestandteil der alten wieder neuen Leitlinien umfasst daher weiterhin die Abschät-zung des Schlaganfallrisikos und die Einleitung angemes-sener Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe. Die Einfüh-rung des einfach zu handhabenden CHADS2-Score (chro-nische Herzinsuffizienz, arterielle Hypertonie, Alter >75Jahre, Diabetes mellitus, Schlaganfall [zweifach]) mit denletzten Leitlinien diente der Einteilung in Risikokategorienmit „niedrigem“, „mittlerem“ oder „hohem“ Schlagan-fallrisiko. Gerade die Einfachheit dieses Scores hat zu sei-ner raschen Akzeptanz, über die reine Kardiologie hinaus inallen medizinischen Disziplinen, geführt. Er hat dem be-handelnden Arzt darüber hinaus bei Patienten mit mittle-rem Risiko (CHADS2-Score 1) eine gewisse Entschei-dungsfreiheit in der Thromboembolieprophylaxe einge-räumt.

Die Einteilung in diese Risikokategorien besitzt jedochnur eine eingeschränkte Vorhersagekraft für das Schlag-anfallrisiko. Die Leitlinien von 2010 widmen sich daher mitgroßer Sorgfalt gerade diesen Patienten mit mittlerem Ri-siko. Für diese Patienten wird der CHADS2-Score um dieKomponenten „vaskuläre Erkrankung, Alter >65 bis 74Jahre und weibliches Geschlecht“ erweitert (CHA2DS2-VASc-Score). Leider wird damit das zuvor einfache Instru-ment zur Klassifizierung des Schlaganfallrisikos bei Pa-tienten mit Vorhofflimmern wesentlich sperriger und damitweniger elegant in der Handhabung. Dies wird möglicher-weise seiner allgemeinen Akzeptanz ganz wesentlich imWege stehen.

Im Endeffekt führt der CHA2DS2-VASc-Score dazu, dassmehr Patienten als bisher zwingend antikoaguliert werdensollen. Die Niedrigrisiko-Gruppe (CHA2DS2-VASc-Score: 0)hat ein wirklich niedriges Risiko und umfasst eigentlich nurnoch männliche Patienten mit „Lone Atrial Fibrillation“ undeinem Lebensalter <65 Jahre. Das Schlaganfallrisiko die-ser Patientengruppe ist so gering, dass sie auch von einerAspirintherapie nur noch marginal profitiert. Das aspirin-assoziierte Blutungsrisiko ist hingegen dem der Voll antikoagulation vergleichbar. Als No vum empfehlen dieLeitlinien 2010 bei diesen Patienten daher nicht mehr zwin-gend eine Aspirintherapie, im Gegenteil, sie legen die Be-handlung dieser Patienten ohne antithrombotische Thera-pie nahe.

Alle Patienten mit einem CHA2DS2-VASc Score ≥1 sol-len oder müssen nach den neuen Leitlinien voll antiko-aguliert werden. Unter dieser Prämisse erscheint die Ein-teilung der Patienten mit Vorhofflimmern in Gruppen mitunterschiedlichem Schlaganfallrisiko mit dem CHA2DS2-

VASc-Score unter Umständen sogar vollständig verzicht-bar, womit das System wieder sehr einfach zu handhabenwäre: Wenn denn nahezu alle Patienten mit Vorhofflim-mern voll antikoaguliert werden sollen, kommt der Ab-schätzung des damit einhergehenden Blutungsrisikos eineerhebliche höhere Bedeutung bei der Indikationsstellungfür oder gegen die Vollantikoagulation zu als der Einteilungin Risikogruppen für konsekutive Schlaganfälle. Dem trägtdie neue Leitlinie mit einem weiteren Score, dem HAS-BLED-Score (arterielle Hypertonie, abnormale Leber-und/oder Nierenfunktion, Schlaganfall-/Blutungsanamne-se, labile INR-Einstellung, Alter [elderly] und Medikamen-tenanamnese oder Drogen inkl. Alkohol) Rechnung. DerScore reicht von 0 bis 9 Punkten, ab einem Score von 3Punkten wird ein erhöhtes antikoagulationsassoziiertesBlutungsrisiko gesehen, weshalb bei diesen Patienten-gruppen die Indikation zur Antikoagulation mit einer ge-wissen – mit der Höhe des Scores zunehmenden – Zu-rückhaltung gestellt werden soll.

Unter der Voraussetzung, dass allen Patienten miteinem CHA2DS2-VASc-Score 1 und größer die Antikoagu-lation empfohlen ist, wird die Entscheidung für oder gegeneine Indikationsstellung für eine Antikoagulationsbehand-lung bei Patienten mit Vorhofflimmern wohl im Wesentli-chen vom HAS-BLED-Score dominiert werden. Damit wirdim Grundsatz bei Patienten mit Vorhofflimmern und nichtwirklich niedrigem Risiko (Patienten mit CHADS2-Score 0= Alter <65 Jahre ohne Risikofaktoren) ein Paradigmen-wechsel eingeleitet.

Bei der Veröffentlichung der ESC-Leitlinien zum Ma-nagement von Patienten mit Vorhofflimmern 2010 lagenmit der RELY-Studie bereits erste positive Studienergeb-nisse zum Einsatz eines neuen monoselektiven Antiko-agulans, des selektiven Thrombininhibitors Dabigatran, vor.Die doppelt verblindete ROCKET-AF-Studie, die die Wirk-samkeit des monoselektiven FXa-Inhibitor Rivaroxaban beiPatienten mit Vorhofflimmern untersuchte, hat ähnlichgute Ergebnisse erbracht. Aufgrund der späteren Veröf-fentlichung haben sie jedoch in die gegenwärtigen Leitli-nien keinen Eingang mehr finden können. Derzeit werdenweitere selektive FXa-Inhibitoren (Apixaban und Edoxaban)in Phase III Studien untersucht, ihre Ergebnisse werdenbereits im nächsten Jahr erwartet und versprechen zu-sätzliche Erkenntnisse über den Einsatz der neuen oralenAntikoagulantien. Trotz der Vielzahl noch ausstehender Er-kenntnisse haben die aktuellen Leitlinien schon heute ineiner Fußnote das Tor zum Einsatz dieser Substanzen inder Dauerantikoagulation geöffnet. Mit der zunehmendenErfahrung mit diesen neuen monoselektiven Antikoagu-lanzien wird schon jetzt erkennbar, dass die Leitlinien zurantithrombotischen Therapie bei Patienten mit Vorhofflim-mern bereits in Kürze einer erneuten Revision bedürfen.

Vorhofflimmern ist mit einer Prävalenzvon 1 bis 6 % der erwachsenen Be-

völkerung die häufigste diagnostiziertebzw. behandlungsbedürftige Herzrhyth-musstörung. Da diese Herzrhythmusstö-rung mit steigendem Alter zunehmendauftritt, variieren die Angaben zu ihrerHäufigkeit. Während in der Altersgruppeder 40- bis 50-Jährigen nur etwa 0,5 %der Menschen unter Vorhofflimmern lei-den, steigt die Prävalenz bei Patientenüber 80 Jahren auf 5 bis 15 % an. Mit Zu-nahme der mittleren Lebenserwartungder Bevölkerung wird daher in den nächs-ten 50 Jahren eine Verdopplung der Prä-valenz erwartet. Daraus resultiert einesteigende Häufigkeit an Krankenhausein-weisungen wegen Vorhofflimmerns. (1–6)

Klassifikation des VorhofflimmernsIn Abhängigkeit von der Dauer der Ar-rhythmie unterscheidet man paroxysma-les, persistierendes, lang persistierendesund permanentes Vorhofflimmern. Beiparoxysmalem Vorhofflimmern handeltes sich um eine spontan terminierende

Arrhythmie, mit einer Dauer der Episodevon weniger als 7 Tagen. Bei einer Dauervon mehr als 7 Tagen bzw. der Notwen-digkeit einer Terminierung der Arrhythmiemittels medikamentöser oder elektri-scher Kardioversion handelt es sich umpersistierendes Vorhofflimmern. Langpersistierendes Vorhofflimmern liegt beieiner Dauer von über einem Jahr vor. Istkeine Rhythmisierung mehr möglich(d. h., eine Kardioversion verläuft frustranoder mit Rezidiv innerhalb der ersten 24Stunden), handelt es sich um permanen-tes Vorhofflimmern. Nach den Angabender Konsensuskonferenz von 2007 zäh-len zu dieser Gruppe auch jene Patienten,bei denen die Entscheidung gegen eineweitere Rhythmisierung zugunsten einerHerzfrequenzkontrolle getroffen wurde(Abb. 1).

PrognoseVorhofflimmern geht mit einer 1,5- bis1,9-fach erhöhten Mortalität in der Ge-samtbevölkerung einher. 50 % aller Hos-pitalisationen aufgrund von Arrhythmienbetreffen diese Herzrhythmusstörung.Bei Patienten mit Vorhofflimmern ist dasRisiko für das Auftreten kardiovaskulärerKomplikationen deutlich erhöht. Nebeneinem erhöhten Risiko für die Ver-schlechterung einer Herzinsuffizienz gehtdiese Erkrankung mit einem bis zu 7-facherhöhten Risiko für das Auftreten einesembolischen Insultes einher. Dabei zeich-nen sich die durch Vorhofflimmern aus-gelösten Hirninfarkte durch einen höhe-ren Schweregrad und somit durch eineerhöhte Mortalität und eine längere Kran-kenhausaufenthaltsdauer aus. (7–9)

Therapie des VorhofflimmernsNeue Leitlinien zur Therapie von Vorhof-flimmern wurden im September 2010von der Task Force der ESC veröffentlicht(10). Neben einem Schutz vor thrombo-

Korrespondenzadresse:Dr. Vanessa PützDr. Anja DorszewskiAbteilung für RhythmologieMedizinische Klinik IAlfried Krupp KrankenhausAlfried-Krupp-Straße 2145131 EssenTel.: 0201 434-4550Fax: 0201 434-4559Vanessa.puetz@krupp-kranken-haus.dewww.krupp-krankenhaus.de

22 Kardioforum 1 | 2011

Medikamentöse und elektrische Kardioversion

Vanessa Pütz, Anja Dorszewski, Caroline Berndt

First diagnosed episode of atrial fibrillation

Paroxysmal(usually ≤ 48 h)

Persistent(> 7 days or requires CV)

Long-standingPersistent (> 1 year)

Permanent(accepted)

Abb. 1: Klassifikation des Vorhofflimmerns nach (10)

embolischen Komplikationen ist bei initialer Präsentationeines Patienten mit tachykarder Überleitung bei Vorhof-flimmern eine Herzfrequenzkontrolle notwendig. Diesekann bei nur leicht kompromittierten Patienten durch eineorale bzw. intravenöse ß-Blocker- oder Kalziumantagonis-tengabe erreicht werden. Bei sehr schlechter linksventri-kulärer Pumpfunktion kann eine Amiodarongabe zur Ver-zögerung der AV Überleitung notwendig sein. Weitere The-rapieprinzipien beinhalten neben der Einleitung einer adä-quaten Antikoagulation eine Rhythmisierung bei jenen Pa-tienten, bei denen eine längerfristige Rhythmisierung er-folgversprechend erscheint. Diese kann mittels elektri-scher oder pharmakologischer Kardioversion bzw. mittelsAblationsbehandlung erfolgen. Sollte ein Erhalt des Sinus-rhythmus nicht möglich erscheinen, so ist im Rahmeneiner Frequenzkontrolle eine mittlere Herzfrequenz von80–100 Schlägen/min anzustreben. Bei vorliegender kar-dialer Grunderkrankung sollte diese therapiert werden.

KardioversionViele Episoden von Vorhofflimmern terminieren spontaninnerhalb der ersten Stunden bis Tage. Sollte es nicht zueiner Spontankonversion in den Sinusrhythmus kommen,so besteht als Therapieoption die elektrische oder phar-makologische Kardioversion. Bei hämodynamischer Rele-vanz der Arrhythmie ist diese so früh wie möglich anzu-streben.

Elektrische KardioversionDie elektrische Kardioversion ist eine effektive Methode,um bei Patienten mit Vorhofflimmern erneut Sinusrhyth-

mus zu etablieren.Diese Prozedur wurde1962 erstmals durchLown et al. beschrie-ben (11). Dabei wirdnach Einleitung einerKurznarkose durch äu-ßeres Auflegen vonzwei Elektroden Ener-gie appliziert, die vonder einen zur anderenElektrode fließt. Dieserfolgt synchronisiertauf die R-Zacke desOberflächen-EKGs, umein R- auf T-Phänomenund damit eine Auslö-sung maligner Arrhyth-mien zu verhindern.Während des Eingriffssollte eine Monitor-überwachung des Pa-

tienten sowie eine kontinuierliche Dokumentation desEKGs erfolgen. Mögliche Elektrodenpositionen sind ante-rolateral oder anteroposterior. Die zuletzt genannte Positi-on hat eine höhere Konversionsrate, da die Vorhöfe besserim elektrischen Feld positioniert sind (12). Einen zusätzli-chen Einfluss hat die zu wählende Impulsform. Hier wirdzwischen monophasisch und biphasisch unterschieden, bi-phasisch bedeutet, dass sich die Stromrichtung währenddes Impulses ändert. Eine biphasische Kardioversion isteffektiver als eine monophasische, bei gleichzeitig gerin-gerem Energiebedarf (13–14). Eine weitere selten ange-wandte Möglichkeit ist eine Stromapplikation direkt amMyokard bei interner Kardioversion entweder mittels spe-zieller Elektrodenkatheter bzw. bei ICD-Trägern über dasimplantierte Device. Bei Patienten, die Schrittmacher- oderICD-Träger sind, wird eine anteroposteriore Lage der Elek-troden sowie ein Mindestabstand von 8 cm zum Aggregatempfohlen. Nach Stromapplikation muss eine vollständi-ge Geräteabfrage durchgeführt werden, da es zu einempassageren Anstieg der Reizschwellenwerte kommenkann.

Eine erfolgreiche Kardioversion ist definiert durch eineDokumentation von mindestens zwei P-Wellen in Folge.Bei Ineffektivität des ersten Schocks sollte eine Neuplat-zierung der Elektroden vor erneuter Kardioversion erfol-gen. Die Konversionsrate kann durch vorhergehende Be-handlung mit Antiarrhythmika erhöht werden (15–17).

Hauptrisiken bei elektrischer Kardioversion sind throm-bo-embolische Komplikationen sowie Arrhythmien beson-ders bradykarder Natur. Maligne Arrhythmien können be-sonders bei Hypokaliämie oder einem erhöhten Plasma-

Kardioforum 1 | 2011 23

Tabelle 1:

Dauer der Episode Antiarrhythmikum Empfehlung

Keine strukturelle

Herzerkrankungkurzzeitig Propafenon I

Flecainid I

Strukturelle

Herzerkrankungkurzzeitig Amiodaron II a

Vernakalant –

Strukturelle

Herzerkrankungkurzzeitig Ibutilide II b

Digoxin III

Verapamil III

ß-Blocker III

Ajmalin III

spiegel von Antiarrhythmika oder Digi -talispräparaten auftreten. In Verbindungmit der periprozeduralen Sedierung wer-den auch Hypotensionen beobachtet.Das 1–2 % hohe Risiko embolischerKomplikationen kann durch eine effekti-ve Antikoagulation in den Vorwochenbzw. durch Thrombenausschluss pertransösophagealer Echokardiographie re-duziert werden. Auf die Empfehlungenzur Antikoagulation wird im Folgendendetailliert eingegangen. Eine ambulanteDurchführung einer Kardioversion istmöglich, sofern eine Überwachungsdau-er von mindestens drei Stunden einge-halten wird.

Pharmakologische KardioversionIm Vergleich zur elektrischen Kardioversi-on ist die medikamentöse Konversions-rate zwar geringer, ein Vorteil ist jedoch,dass keine Sedierung des Patienten er-forderlich ist. Es erfolgt eine intravenöse

Bolusgabe eines Antiarrhythmikums.Eine Effektivität wurde in Studien über-wiegend für Klasse-I und Klasse-III-Antiarrhythmika gezeigt. Eine pharmako-logische Kardioversion wird insbesonderedann angewandt, wenn die Arrhythmieseit weniger als 48 Stunden besteht (18).Im Vergleich zu Plazebo weisen Digita -lispräparate, ß-Blocker und Kalziumanta-gonisten keine signifikante Erhöhung derKonversionsrate auf. Der Vorteil dieserMedikamente besteht lediglich in einerReduktion der Kammerfrequenz des Vor-hofflimmerns. Während der Applikationdes Antiarrhythmikums sowie in derPhase danach (für etwa die Hälfte derHalbwertszeit des Medikaments) ist einekontinuierliche Monitorüberwachung desEKGs notwendig, um ggf. proarrhythmo-gene Effekte des Medikaments bzw. Bra-dykardien zu erkennen.

Die wichtigste Frage bei der Auswahleines geeigneten Medikaments zur phar-

24 Kardioforum 1 | 2011

Tabelle II: Antiarrhythmika zur pharmakologischen Kardioversion nach (10)

Drug Dose Follow-up dose Risks

Amiodarone 5 mg/kg i. v. over 1 h 50 mg/hPhlebitis, hypotension. Will slow the ventricularrate. Delayed AF conversion to sinus rhythm.

Flecainide2 mg/kg i. v. over10 min, or 200–300 mg p. o.

N/A

Not suitable for patients with marked structuralheart disease; may prolong QRS duration, andhence the QT interval; and may inadvertently in-crease the ventricular rate due to conversion toatrial flutter and 1:1 conduction to the ventricles.

Ibutilide1 mg i. v. over10 min

1 mg i. v. over10 min after wai-ting for 10 min

Can cause prolongation of the QT interval andtorsades de pointes; watch for abnormal T-Uwaves or QT prolongation. Will slow the ventri-cular rate.

Propafenone2 mg/kg i. v. over10 min, or450–600 mg p. o.

Not suitable for patients with marked structuralheart disease; may prolong QRS duration; willslightly slow the ventricular rate, but may inad-vertently increase the ventricular rate due toconversion to atrial flutter and 1:1 conductionto the ventricles.

Vernakalant3 mg/kg i. v. over10 min

Second infusion of2 mg/kg i. v. over10 min after 15 minrest

So far only evaluated in clinical trials; recentlyapproved. 58–703

makologischen Kardioversion ist, ob bei dem Patienteneine strukturelle Herzerkrankung vorliegt. Ist dies der Fall,so ist eine Verwendung von Klasse-I-Antiarrhythmika auf-grund potentieller proarrhythmogener Effekte kontraindi-ziert. Eine weitere Determinante ist die Dauer der Episode.In den ersten 24 Stunden ist die Konversionsrate von Klas-se-Ic-Antiarrhythmika höher als die der Klasse-III-Antiarrhythmika.

Ein weiterer möglicher Effekt ist eine Erhöhung der Ven-trikelfrequenz bis >180/min, bedingt durch eine Reduktionder atrialen Frequenz und Überführung des Vorhofflim-merns in ein Vorhofflattern, welches zum Teil 1:1 überge-leitet wird. Dies tritt bei bis zu 5 % der mittels Klasse-I-Antiarrhythmika behandelten Patienten auf. Daher sollteggf. eine begleitende Applikation von ß-Blockern zur Ver-zögerung der AV-Überleitung erfolgen.

Bei ausgewählten Patienten mit paroxysmalem Vorhof-flimmern ist es möglich, eine antiarrhythmische Bedarfs-medikation als „pill-in-the pocket“ zu verschreiben. Dabeierfolgt eine einmalige Anwendung des Antiarrhythmikumsunter stationärer Beobachtung der Wirkung insbesonderehinsichtlich EKG-Veränderungen. Nachfolgend erhält derPatient das Medikament als Bedarfsmedikation zur Ein-nahme beim Auftreten von Vorhofflimmern (Abb. 2) (19).

Antiarrhythmische Medikamente zur pharmakologischen KardioversionFlecainid: Intravenös appliziertes Flecainid ist besonderswirksam bei Patienten innerhalb der ersten 24 Stunden derArrhythmie (67–92 % der Patienten konvertieren innerhalbvon sechs Stunden). Die Dosis beträgt 1–2 mg/kg Körper-gewicht über 10 Minuten i.v. alternativ 200 mg (maximal400 mg) oral. Der Großteil der Patienten konvertiert im Ver-lauf der ersten Stunde. Der Effekt dieses Klasse-I-Antiarrhythmikums auf persistierendes Vorhofflimmernbzw. Vorhofflattern ist gering. Kontraindikationen gegenFlecainid beinhalten myokardiale Ischämien bzw. einestrukturelle kardiale Grunderkrankung aufgrund der proar-rhythmogenen Potenz (ventrikuläre Tachykardien, Kam-merflimmern). Die gering negativ inotrope Wirkung desFlecainids kann für Patienten mit bereits bestehenderHerzinsuffizienz von Bedeutung sein. Bei Patienten mitVorhofflattern kann es zu einer Verlangsamung der Vor-hoffrequenz und damit zu verbesserter AV-Überleitung undErhöhung der Ventrikelfrequenz kommen (10).Propafenon: Verschiedene Studien habe eine Effektivitätvon Propafenon hinsichtlich einer Konversion in den Si-nusrhythmus bei kurzzeitig bestehendem Vorhofflimmernbeschrieben. Bei intravenöser Applikation beträgt die Kon-versionsrate 41–91 % (2 mg/kg in 10–20 Minuten) vs.10–29 % unter Placebo. Die Konversionsrate von persis-tierendem Vorhofflimmern bzw. von Vorhofflattern ist ge-ring. Ähnlich wie bei Flecainid ist eine Anwendung bei ma-

nifester Herzinsuffizienz bzw. akuter myokardialer Ischä-mie kontraindiziert. Bedingt durch zusätzliche ß-blockie-rende Effekte sollte eine Anwendung bei schwerer ob-struktiver Lungenerkrankung vermieden werden. Der über-wiegende Teil der Konversion erfolgt innerhalb von 30 minbis 2 h i.v. bzw. 2 bis 6 h oral. Nebenwirkungen schließenferner Überempfindlichkeitsreaktionen, Lupus-ähnlicheSymptome, Agranulozytopenie, gastrointestinale Be-schwerden und metallischen Geschmack ein (10).Amiodaron: Eine medikamentöse Kardioversion mittelsAmiodaron erfolgt deutlich später als nach Applikation vonKlasse-I-Antiarrhythmika. Die Konversionsrate innerhalbder ersten 24 h nach Applikation beträgt 80–90 % (Dosie-rung 150–300 mg i.v. als Kurzinfusion). Unter Amiodaron-gabe kann es zu einer Verlängerung der QT-Zeit und somitzu ventrikulären Arrhythmien kommen. Aufgrund des Jodgehalts von Amiodaron ist auf eine Gabe bei Hyper-thyreose zu verzichten. Zu den Nebenwirkungen gehörenschwere entzündliche Lungenerkrankungen sowie selte-ne hepatozelluläre Schädigungen. Es bestehen zahlreicheInteraktionen zu anderen Medikamenten wie z. B. oralenAntikoagulazien, Simvastatin, bzw. QT-verlängernden Me-dikamenten (10).Ibutilide: Dieses Klasse-III-Antiarrhyth mikum ist auf demdeutschen Markt nicht verfügbar. Die Konversionsrate in-nerhalb von 90 Minuten nach intravenöser Gabe beträgt50 %. Die Konversionsrate bei Vorhofflattern ist höher alsbei Vorhofflimmern. Bedingt durch eine QT- Verlängerungvon circa 60 ms sind anhaltende ventrikuläre Tachykardieneine häufige Nebenwirkung. Sotalol: Sotalolapplikation erhöht in Studien die Konversi-onsrate in den Sinusrhythmus nicht signifikant im Vergleichzu Placebo. ß-Blocker: Es existiert eine Studie zur Konversion unterintravenöser Metoprololgabe mit einer Rate von 13 %. Zuweiteren ß-Blockern existieren keine Daten.Digitalispräparate: Digitalispräparate sind bezüglich einerKonversion in den Sinusrhythmus ineffektiv. Vernakalant: Vernakalant ist kürzlich zugelassen wordenfür eine pharmakologische Kardioversion bei erwachsenenPatienten mit Vorhofflimmern unter sieben Tagen Dauerohne vorherigen chirurgischen Eingriff bzw. Episoden vonmaximal drei Tagen bei Patienten nach herzchirurgischemEingriff. Dieses Medikament blockiert vorwiegend Na-triumkanäle mit einer relativen Selektivität auf die atrialeRefraktärzeit. Eine Hemmung vorhofselektiver Kaliumka-näle wird ebenfalls diskutiert. Eine Konversionsrate von biszu 51 % im Mittel nach 14 Minuten ist nach intravenöserApplikation beschrieben worden (Dosierung 3 mg/kg KGals erste Infusion, ggf. 2. Infusion mit 2 mg/kg KG). Häufi-ge Nebenwirkungen sind neben gastrointestinalen Be-schwerden bradykarde Rhythmusstörungen bzw. ein Über-gang in Vorhofflattern. Eine Verlängerung der QT-Zeit bzw.

Kardioforum 1 | 2011 25

Induktion ventrikulärer Arrhythmien ist selten. Kontraindi-kationen beinhalten hochgradige Aortenklappenstenosen,symptomatische Herzinsuffizienz NYHA III und IV sowieein akutes Koronarsyndrom im Intervall der letzten 30Tage. Eine begleitende Therapie mittels Klasse-I- oder Klas-

se-III-Antiarrhythmika muss zeitgerecht vor Applikation vonVernakalant abgesetzt werden. Eine Dosisanpassung beiLeber- oder Niereninsuffizienz ist nicht notwendig (20–23).

Die Wahl des geeigneten Antiarrhythmikums basiert aufKontraindikationen, Nebenwirkungen bzw. auch Kosten.Jegliche Antiarrhythmika-Applikation sollte erst nach Aus-gleich evtl. bestehender Elektrolytentgleisungen erfolgen.Bei allen Formen der Leitungsverzögerung (AV-Blockie-rung, Schenkelblock) sollte auf eine Anwendung dieserPräparate ohne implantierten Herzschrittmacher verzich-tet werden. Patienten mit implantierten Devices zeigenteilweise einen passageren Anstieg der Reizschwellen-werte unter Antiarrhythmika-Therapie. Zusammenfassendist eine medikamentöse Kardioversion mittels Flecainidoder Propafenon bei geeigneten Patienten ohne struktu-relle Herzerkrankung mit neu aufgetretenem Vorhofflim-mern möglich. Bei Patienten mit struktureller Herzerkran-kung ist eine Amiodarongabe möglich (Tab. 2).

Sowohl nach elektrischer als auch pharmakologischerKardioversion ist häufig die Einleitung einer antiarrhythmi-schen Rezidivprophylaxe zum Erhalt des Sinusrhythmus in-diziert. Entscheidet man sich gegen eine dauerhafte anti-arrhythmische Therapie, so kommt es bei etwa 70 % derPatienten zu einem Rezidiv des Vorhofflimmerns innerhalbder folgenden 6–12 Monate. Dabei ist die Rezidivrate in-nerhalb der ersten Wochen nach Kardioversion am höchs-ten. Bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung ist eineRezidivprophylaxe mittels Klasse-I-Antiarrhythmika möglich.Sollten diese Medikamente kontraindiziert sein, ist eineDauertherapie mit Klasse-III-Antiarrhythmika möglich. Dabeiwäre neben dem zuvor erwähnten Amiodaron ein struk-turverwandter Wirkstoff verfügbar, welcher kein Jod ent-hält – Dronedaron. Von dem zur pharmakologischen Kar-dioversion verwendbaren Vernakalant ist aktuell keine oraleDarreichungsform zur Rezidivprophylaxe verfügbar.

Kardioversion und Thrombo-EmbolienBeim fibrillierenden Vorhof kommt es zu keiner geordnetenmechanischen Kontraktion des Atriums. Daraus resultierteine Dilatation des Vorhofs und damit auch Stase des Blu-tes als Voraussetzung für die Ausbildung intrakavitärerThromben. Auch nach Kardioversion ist eine passagerekontraktile Dysfunktion des linken Atriums (stunning) be-kannt (24). Vor der Rhythmisierung eines Patienten istdaher die Einleitung einer kontinuierlichen effektiven ora-len Antikoagulation (INR-Zielbereich 2–3) für mindestens3–4 Wochen notwendig. Nach der Kardioversion sollte un-abhängig vom vorliegenden Risikoprofil für mindestensvier Wochen eine Antikoagulation fortgeführt werden. BeiPatienten, bei denen ein hohes Risiko für thrombo-embo-lische Komplikationen besteht, wird nach Kardioversioneine lebenslange Fortführung der oralen Antikoagulationempfohlen. Bis zum Erreichen der effektiven INR-Werte

26 Kardioforum 1 | 2011

(a) Risk factors for stroke and thrombo-embolism

in non-valvular AF

’Major risk factors‘’Clinically relevant

non-major‘ risk factors

Previous stroke, TIA,or systemic embolism

Age ≥75 years

Heart failure or moderate tosevere LV systolic dys-

function (e. g. LV EF ≤40 %)Hypertension – Diabetes mellitus – Female sex –

Age 65–74 years Vascular disease2

(b) Risk factor-based approach expressed as a

point based scoring system,

with the acronym CHA2DS

2-VASc

(Note: maximum score is 9 since age may contribute 0, 1, or 2 points)

Risk factor Score

Congestive heart failure/LV dysfunction 1

Hypertension 1

Age ≥75 2

Diabetes mellitus 1

Stroke/TIA/thrombo-embolism 2

Vascular disease2 1

Age 65–74 1

Sex category/i. e. female sex 1

Maximum score 9

(c) Adjusted stroke rate according to CHA2DS

2-VASc

CHA2DS

2-

VASc ScorePatients (n=7329)

Adjusted

stroke rate

(%/year)b

0 1 0 %

1 422 1.3 %

2 1230 2.2 %

3 1730 3.2 %

4 1718 4.0 %

5 1159 6.7 %

6 679 9.8 %

7 294 9.6 %

8 82 6.7 %

9 14 15.2 %

Abb. 2: CHA2DS2VASc-Score nach (10)

sollte eine therapeutische Heparinthera-pie fortgeführt werden. Eine Alternativefür eine effektive Antikoagulation in denWochen vor Rhythmisierung ist der feh-lende Nachweis intrakavitären Throm-busmaterials per transösophagealerEchokardiographie vor Rhythmisierung.Sollte ein linksatrialer Thrombus nachge-wiesen werden, ist eine effektive oraleAntikoagulation über mindestens 3–4Wochen notwendig vor erneuter Kontrol-le und ggf. Rhythmisierung (10, 25–34).Bei einer gesicherten Dauer des Vorhof-flimmerns von weniger als 48 Stundenund geringem Risiko für das Auftretenthrombo-embolischer Komplikationen isteine peri-prozedurale Antikoagulation mit-tels Heparin ohne nachfolgende weitereAntikoagulation möglich (10).

RisikostratifizierungSowohl paroxysmales als auch persistie-rendes Vorhofflimmern beinhaltet dasgleiche Risiko für thrombo-embolischeKomplikationen. Insgesamt ist die Insul-trate in den letzten Jahren rückläufig. Dieaktuellen Leitlinien von 2010 empfehleneine konsequentere Antikoagulation alses die bisher bestehenden Leitlinien for-derten. Zur Bewertung des bestehendenRisikos für das Auftreten eines Insulteswurde der bisher bekannte CHADS2-Score durch den neuen CHA2DS2VASc-Score ergänzt. Anhand kürzlich durchge-führter Studien wurden die Risikostratifi-zierung sowie daraus abgeleitete Emp-fehlungen zur Notwendigkeit einer dau-erhaften oralen Antikoagulation ange-passt. Neben bekannten Risikofaktorenfür ein erhöhtes Insultrisiko wie Alter >75Jahre, vorherige TIA/vorheriger Insult, ar-terielle Hypertonie, Diabetes mellitusoder deutlich erniedrigter LV Pumpfunk-tion wurden im CHA2DS2VASc-Scoreweitere Faktoren ergänzt bzw. wurde diebisher bestehende Altersgrenze auf 65Jahre gesenkt. Zu den kürzlich hinzuge-fügten Risikofaktoren gehören vaskuläreErkrankungen sowie weibliches Ge-schlecht. Bei Patienten unter 60 Jahrenund ohne Nachweis einer kardialenGrunderkrankung ist das Risiko für einenembolischen Hirninfarkt mit 1,3 % über

15 Jahre sehr gering. Eine detaillierteAuflistung der im CHA2DS2VASc-Scoreaufgeführten Risikofaktoren enthält dieAbbildung 2. Nachteile der oralen Antiko-agulation bestehen in der engen thera-peutischen Breite und somit häufigenNotwendigkeit von Gerinnungskontrol-len, ferner in zahlreichen Interaktionenmit anderen Medikamenten sowie einemerhöhten Blutungsrisiko. Im Vergleich zueiner dualen Thrombozytenaggregations-hemmung führt eine orale Antikoagulati-on bei Patienten mit mindestens einemRisikofaktor jedoch zu einer signifikantenReduktion der Insultrate. Neue direkteThrombininhibitoren (z. B. Dabigatran)weisen zahlreiche Vorteile gegenüber Vi-tamin K-Antagonisten auf. Dazu gehörteine konstante Dosierung ohne notwen-dige Gerinnungskontrolle bei mindestensgleichwertiger Effektivität zur Insultpro-phylaxe.

Antithrombotische TherapieVerschiedene Studien zeigten, dassdurch effektive orale Antikoagulation einerelative Risikoreduktion eines Schlagan-falls um 64 % erreicht werden kann. BeiPatienten mit einem CHA2DS2VASc-Score von 2 oder mehr sollte eine oraleAntikoagulation eingeleitet werden. BeiPatienten mit einem Score von 0 oder 1sollte eine weitere Risikostratifizierungerfolgen (Abb. 3).

Kardioforum 1 | 2011 27

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unter www.kardioforum.com

Abb. 3: Leitlinien zur Antikoagulation nach (10)

No

No

No

No Yes

Yes

Yes

Yes

OAC

OAC (or aspirin)

OAC (or aspirin)

Age ≥ 75 years

≥ 2 other risk factors*

1 other risk factor*

CHADS2 score ≥ 2†

†Congestive heart failure,Hypertension,Age ≥ 75 yearsDiabetes,Stroke/TIA/thrombo-embolism(doubled)

*Other clinically relevantnon-major risk factors:age 65–74, female sex,vascular disease

Vorhofflimmern ist die häufigsteRhythmusstörung und liegt bei etwa

1–2 % der Allgemeinbevölkerung vor. Esist von einem deutlichen Anstieg der In-zidenz in den nächsten 50 Jahren auszu-gehen (1, 2).

Es werden drei Arten von Vorhofflim-mern unterschieden: Paroxysmales Vor-hofflimmern terminiert häufig innerhalbder ersten 48 Stunden nach Beginn, kannaber auch bis zu sieben Tage anhalten.Hält das Vorhofflimmern länger als siebenTage an oder erfolgt eine Kardioversioninnerhalb dieses Zeitraumes, wird es alspersistierend bezeichnet. Wenn das Vor-hofflimmern mindestens ein Jahr durch-gehend besteht, aber dennoch eine „si-nusrhythmuserhaltende“ Strategie ange-strebt wird, wird es definitionsgemäß als„long-standing“ persistierendes Vorhof-flimmern bezeichnet. Erst wenn eineRhythmusregularisierung nicht mehr be-absichtigt wird und stattdessen eine fre-quenzkontrollierende Therapie durchge-führt wird, ist von permanentem Vorhof-flimmern zu sprechen (3).

Die Vorhofflimmerablation hat sich alsinterventionelle Therapie des Vorhofflim-merns während des letzten Jahrzehntsfest etabliert. Die Pulmonalvenenisolationkann sowohl mit Radiofrequenzstrom alsauch mit Kälte als sogenannte Kryoballon-Ablation für pulmonalvenenabhängigesVorhofflimmern eingesetzt werden. Dabeiwird jede Pulmonalvene einzeln oder eswerden jeweils die rechts- und die links-seitigen Pulmonalvenen mit einer durch-gehenden Ablationslinie „elektrisch“ vondem linken Vorhof abgekoppelt. Diese Li-nien müssen wegen der Gefahr einer Pul-monalvenenstenose außerhalb der Pul-monalvenenostien platziert werden. DerAblationserfolg ist erreicht, wenn diese Li-nien „dicht“ sind und keine Erregungslei-tung aus den Pulmonalvenen heraus inden linken Vorhof mehr zulassen.

Zusätzliche Ablationsstrategien kön-nen für die erfolgreiche Ablation vonmehr „substratabhängigem“ Vorhofflim-mern vor allem bei persistierendem oderlanganhaltend persistierendem Vorhof-flimmern notwendig sein.

Zum einen haben sich zusätzliche Ab-lationsstrategien neben der Pulmonalve-nenisolation – wie z. B. Linien im rechtenoder linken Vorhof, punktuelle Ablationenvon sogenannten CFAEs („ComplexFractionated Atrial Electrograms“) und„Substratreduktion“ durch großflächigeAblationen im Bereich der Hinterwandoder des Septums des linken Vorhofes –etabliert. Die zusätzliche Ablation vonCFAEs ergab bei persistierendem andersals bei paroxysmalem Vorhofflimmerneiner Metaanalyse zufolge Vorteile (4).Zum anderen stehen zunehmend neueAblationskatheter mit unterschiedlichenAblationsmethoden wie Kryoballon-, La-serballon-, PVAC- und Mesh-Katheter zurVerfügung, die bereits in zahlreichen Stu-dien für die Vorhofflimmerablation evalu-iert wurden (Kryoballonablation: (5, 6, 7).

Die Kryoballonablation verwendeteinen Ballonkatheter, der in inflatiertemZustand auf die Ostien der Pulmonalve-nen aufgesetzt wird. Durch Einleitungvon N2O-Gas als Kältemittel können Tem-peraturen bis zu -70 °C am Übergang zwi-schen Ballon und Gewebe erreicht wer-den (Abb. 1). Der sogenannte PVAC (Pul-monary Vein Ablation Catheter) ist einringförmiger Multielektrodenkatheter, derin „Lassotechnik“ sowohl das Registrie-ren („Mapping“) von Potentialen in derPulmonalvene und im Bereich des Pul-monalvenenostiums wie auch Ablationensynchron um das Pulmonalvenenostiumherum ermöglicht (Abb. 2). Die Laserbal-lontechnik ermöglicht sogar, unter Sichtauf das dem Ballon anliegende Gewebemit Laserenergie zu abladieren. Bei demMesh-Ablationssystem handelt es sich

Korrespondenzadresse:Dr. Philipp HalbfaßKardiologie – Angiologie –PneumologieII. Medizinische Klinik Klinikum CoburgKetschendorfer Str. 3396450 CoburgTel.: 09561 22-33219Fax: 09561 [email protected]

28 Kardioforum 1 | 2011

Ablationstherapie bei Vorhofflimmern:Aktuelle Datenlage und Trends

Philipp Halbfaß, Anil-Martin Sinha, Christian Mahnkopf, Guido Ritscher, Johannes Brachmann

um ein multipolares Mapping- und Abla-tionssystem.

Voraussetzung für Ablationen im Be-reich des linken Vorhofes ist die trans-septale Punktion, um mit den Katheternvom rechten in den linken Vorhof zu ge-langen. Diese kann durch intrakardialeechokardiographische Bildgebung deut-lich vereinfacht werden (Abb. 3).

Die Vorhofflimmerablation stellt eineeffektive Therapie mit hoher primärer Er-folgsrate und einer relevanten Steigerungder Lebensqualität und einer effektivenTherapie der Vorhofflimmer-Symptomedar (8).

Eine eindeutige Reduktion der Morta-lität durch die Ablation von Vorhofflim-mern konnte bisher allerdings noch nichtin randomisierten kontrollierten Studiendargelegt werden. Hingegen betrug dieErfolgrate mit Freiheit von Vorhofflim-mern ein Jahr nach Vorhofflimmerablati-on 56 bis 89 %, abhängig vom Vorhof-flimmertyp, von der Ablationstechnik undvom Patientenkollektiv (3). Die aktuelleneuropäischen Leitlinien sehen die Vor-hofflimmerablation bereits als „First-Line“-Therapie von medikamentös nichtkontrollierbarem symptomatischem Vor-hofflimmern an.

Die RAAFT-Studie (First Line Radiofre-quency Ablation Versus AntiarrhythmicDrugs for Atrial Fibrillation Treatment) isteine randomisierte kontrollierte Studie,die mit einem geplanten Einschluss von400 Patienten mit symptomatischem pa-roxysmalem Vorhofflimmern die Radio-frequenzablation mit einer medikamen-tösen Therapie (als „First-Line“-Thera pie)vergleicht. Primärer Endpunkt ist die Zeitbis zum ersten Rezidiv einer symptoma-tischen Vorhofflimmerepisode (www.cli-nicaltrials.gov). Eine interessante Aus-wertung der Ergebnisse der Pilotstudiefür die RAAFT-Studie ergab, dass die Ab-lation im Vergleich zur medikamentösenTherapie nach zwei Jahren Behandlungkostenneutral bleibt (9).

In einer Metaanalyse von 63 Studienüber die Vorhofflimmerablation und 34Studien über die antiarrhythmische Vor-hofflimmertherapie mit Amiodaron, Do-fetilide, Sotalol, Flecainid und Propafenon

zeigte sich für die Ablation eine höhereEffektivität bei geringerer Komplikations-rate – wenn auch unter antiarrhythmi-scher Therapie weniger schwerwiegen-de Komplikationen auftraten (10).

Die etablierte Behandlungsalternative,gegen die sich die Vorhofflimmerablationbehaupten muss, ist die medikamentöseantiarrhythmische Therapie. Auch auf die-sem Gebiet haben sich in den letztenJahren neue Entwicklungen ergeben, dienebenwirkungsärmere und dennoch ef-fektive Medikamente neben den langeetablierten Antiarrhythmika (wie Amioda-ron oder den Klasse-I-Antiarrhythmika)hervorgebracht haben.

Die Effektivität der Vorhofflimmerabla-tion im Vergleich zu einer medikamentösantiarrhythmischen Therapie ließ sich ineiner prospektiven, randomisierten undmultizentrischen Studie mit 167 Patien-ten, die auf mindestens ein Antiarrhyth-mikum keinen Erfolg zeigten, demons-trieren (8). Nach 9-monatigem Follow-upblieben 66 % der Patienten der Ablati-onsgruppe gegenüber 16 % der Patien-ten unter antiarrhythmischer Therapie freivon Vorhofflimmern. Dies entspracheiner „Hazard Ratio“ von 0,30 (mit einem

Kardioforum 1 | 2011 29

Abb. 1: Darstellung eines inflatierten Kryoballons (Sternchen) in Position auf dem Ostium der linken oberen Pulmonalvene (Röntgen-Fluoroskopie). Das durch den Ballon-katheter applizierte Kontrastmittel kann durch den dicht aufsitzenden Ballon nicht abfließen und stellt so die linke obere Pulmonalvene mit Ästen (weißer Pfeil) dar. Der schwarze Pfeil markiert die Katheterschleuse.

95 %-Konfidenzintervall von 0,19–0,47,somit hochsignifikant). Relevante Neben-wirkungen der Therapie traten bei 8,8 %der medikamentös behandelten Patien-ten und bei 4,9 % der mit Katheterablati-on behandelten Patienten auf. Im Übrigen

war auch die Lebensqualität in der Ka-theterablationsgruppe höher. Die Autorendieser Studie schlossen daraus, dass Pa-tienten mit paroxysmalem Vorhofflim-mern, die auf mindestens eine antiar-rhythmische medikamentöse Therapienicht ansprachen, nach Vorhofflimmerab-lation signifikant besser abschneiden alsmit einer alternativen antiarrhythmischenTherapie.

Schwerwiegende Komplikationen derKatheterablation von Vorhofflimmern, wiethrombembolische Ereignisse, Perikard-tamponaden, Phrenicusparesen, atrio öso-phageale Fisteln und Tod, wurden in einerretrospektiven Auswertung bei bis zu6 % der Prozeduren berichtet (11). Demgegenüber stehen schwerwiegende Ne-benwirkungen der antiarrhythmischenmedikamentösen Therapie wie pro-arrhythmische Effekte (Klasse-I-Antiarrhythmika), Lungenfibrosen, Hy-perthyreosen (Amiodaron), Aggravierungeiner Herzinsuffizienz, Leberfunktions-störungen bis hin zum Leberfunktions-ausfall (Einzelfallberichte) (Dronedaron).

Hieraus ergibt sich die Notwendigkeiteines direkten Vergleichs beider Thera-pien in randomisierter prospektiver Weisemit „harten“ Endpunkten wie Morbiditätund Mortalität zusätzlich zur reinen Ef-fektivität des Rhythmuserhaltes oder derLebensqualität.

Eine aktuell laufende, vielversprechen-de, prospektiv randomisierte Studie istCABANA (Catheter Ablation Versus Anti-arrhythmic Drug Therapy for Atrial Firbil-lation Trial). Hypothese dieser Studie ist,dass die Katheterablation einer leitlinien-gerechten medikamentösen antiarrhyth-mischen oder frequenzkontrollierendenTherapie von Patienten mit Vorhofflim-mern bezüglich der Reduktion der Morta-lität überlegen ist. Geplant ist der Ein-schluss von insgesamt 3000 Patienten.Mit Ergebnissen kann allerdings nicht vorEnde 2015 gerechnet werden (www.cli-nicaltrials.gov; Ergebnisse der Pilotstudiezu CABANA präsentiert von Packer beiACC Atlanta 2010).

Einen anderen Schwerpunkt setzt dieCASTLE-AF-Studie (Catheter Ablation Ver-sus Standard Conventional Treatment in

30 Kardioforum 1 | 2011

Abb. 2: Eine MRT-Rekonstruktion des linken Vorhofes mit den Pulmonalvenen wurde in der Fluoroskopie-Durchleuchtung überlagert und erleichtert die Navigation mit demKatheter. Hier stellt sich der PVAC-Katheter mit seinem multipolaren Ring (weißer Pfeil)mit Position auf dem Ostium der rechten unteren Pulmonalvene (schwarzer Pfeil) dar.Das Sternchen markiert das Cavum des linken Vorhofes.

Abb. 3: Das Bild der intrakardialen Echokardiographie (ICE-Katheter mit Echosonde im Bereich des rechten Vorhofs) zeigt den Durchtritt der transseptalen Schleuse durch dasVorhofseptum (weißer Pfeil) und den Lassokatheter (schwarzer Pfeil), der sich im linkenVorhof (Sternchen) befindet.

Patients With Left Ventricular Dysfuncti-on and Atrial Fibrillation). Hypothese die-ser prospektiven randomisierten Studieist die Überlegenheit der Katheterablationvon Vorhofflimmern zusätzlich zur etab-lierten Herzinsuffizienztherapie bei Pa-tienten mit paroxysmalem oder persistie-rendem Vorhofflimmern, einem NYHA-Stadium II oder höher und einer LVEF von35 % oder geringer bezüglich Mortalitätund Morbidität. Geplant ist der Einschlussvon 420 Patienten an 48 Zentren in denUSA, Europa, Australien und Südamerika.Der primäre Endpunkt ist eine Kombinati-on aus Mortalität und Progredienz derHerzinsuffizienz mit Notwendigkeit einerHospitalisierung. Sekundäre Endpunktesind Mortalität, kardiovaskuläre Mortalität,zerebrovaskuläre Ereignisse, Zunahmeder Herzinsuffizienz mit Hospitalisierung,Hospitalisierung aus kardiovaskulärenGründen, Lebensqualität, Anzahl der ICD-Therapieabgaben, Zeit bis zur ersten The-rapieabgabe, Anzahl registrierter ventri-kulärer Tachykardien und Anzahl von Kam-merflimmerepisoden (12). Der Abschlussder Studie wird für Mitte 2015 erwartet(www.clinicaltrials. gov).

Einen Vergleich einer aggressiven früh-zeitigen rhythmuskontrollierenden Thera-pie gegenüber der leitliniengerechtenStandardtherapie von Vorhofflimmern be-züglich der Vermeidung vorhofflimmerbe-dingter Komplikationen strengt die EAST-Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillati-on for Stroke Prevention Trial) an. Geplantist der Einschluss von 2810 Patienten, vo-raussichtlicher Einschlussbeginn ist Mai2011 (www.clinicaltrials.gov).

Erfolgsraten, Komplikationshäufigkeitund Langzeitresultate der Vorhofflimmer-ablation mit verschiedenen Ablations-techniken außerhalb des Bereichs rando-misierter kontrollierter Studien anhandeines großen heterogenen Patientenkol-lektivs aus zahlreichen elektrophysiologi-schen Abteilungen unterschiedlicherGröße werden im Deutschen Vorhofflim-merregister unter der Koordination undstatistischen Betreuung des Instituts fürHerzinfarktforschung (www.herzinfarkt-forschung.de) evaluiert.

Erste Ergebnisse gewähren Einblicke

in die Anzahl der Vorhofflimmerablatio-nen, die primären Erfolgsraten, die Rezi-divraten und die Komplikationen der Vor-hofflimmerablation an den einschließen-den Zentren anhand eines sehr großenPatientenkollektivs (13).

Eine höhere Effektivität der Vorhof-flimmerablation für den Rhythmuserhaltim Vergleich zur medikamentösen Thera-pie bei allen heute verfügbaren Antiar-rhythmika scheint durch die aktuelle Li-teratur jedoch gesichert zu sein (10).

Wenige Studien haben die Rate anVorhofflimmerrezidiven über das 1-Jah-res-Follow-up nach Ablation hinaus ge-zeigt. Auch bei Patienten, die innerhalbdes ersten Jahres nach Vorhofflimmer-ablation rezidivfrei waren, ist im weiterenVerlauf der folgenden Jahre mit einem re-levanten Anteil an Vorhofflimmerrezidi-ven zu rechnen (14).

Die Verhinderung kardioembolischerEreignisse durch eine erfolgreiche Vor-hofflimmerablation ist bisher noch nichtbeantwortet. Auch die sich daraus erge-bende Frage, ob eine unter Vorhofflim-merablation indizierte orale Antikoagula-tion nach erfolgreicher Ablation abgesetztwerden kann, muss noch offen bleiben.

Zusammenfassend ist festzuhalten,dass sich die Vorhofflimmerablation unterbestimmten Voraussetzungen bereits als„First-Line“-Therapie in den Leitlinienetabliert hat. Verschiedene Techniken mitunterschiedlichen Energiearten und Ka-thetersystemen wurden entwickelt, umhöhere Erfolgsraten bei insgesamt nied-rigerer Komplikationsrate zu erreichen.Die entscheidende Frage für die Zukunftder Vorhofflimmerablation wird jedochsein, ob sie gegenüber der konservativenmedikamentösen Therapie hinsichtlichMorbidität und Mortalität überlegen ist.

Kardioforum 1 | 2011 31

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unter www.kardioforum.com

Die Katheterablation von Vorhofflim-mern (AF) ist inzwischen ein weithin

akzeptiertes interventionelles Therapie-verfahren geworden, das in vielen elek-trophysiologischen (EP) Laboren bereitszum Routineeingriff avanciert ist. In eini-gen spezialisierten Zentren machen dieVorhofflimmer-Ablationen inzwischenden Hauptanteil aller EP-Prozeduren aus.

Die im Jahre 2010 erschienenen ak-tualisierten Leitlinien der EuropäischenGesellschaft für Kardiologie stellen inihrer Präambel fest, dass in Langzeit-Be-obachtungen der Sinusrhythmus mit derKatheterablation besser erhalten werdenkann als mit Medikamenten; gleichwohlseien Rezidive nicht selten. Die meistenProzeduren seien bei Patienten mit symp-tomatischem paroxysmalem Vorhofflim-mern und minimaler struktureller Herzer-krankung durchgeführt worden, hier be-stehe eine gesicherte Datenlage (ESCGuidelines for the management of AF).

Seit den Anfängen der Katheterablati-on von AF durch Haissaguerre und Mitar-beiter in Bordeaux vor 13 Jahren habensich sowohl die Techniken als auch die Er-folgsraten deutlich verbessert. Auch dieKomplikationsraten konnten verringertwerden. Im Folgenden soll über die pa-thophysiologischen Grundlagen, dreidi-mensionale Mappingverfahren, spezifi-sche Ablationstechniken bei verschiede-nen Formen von Vorhofflimmern, Erfolgs-und Komplikationsraten, medikamentöseNachbehandlung und abschließend überdie aktuellen Indikationen berichtet wer-den.

Pathophysiologische Grundlagen:die Pulmonalvenen als Quellevon VorhofflimmernMyokardiale Muskelfasern erstreckensich vom Körper des linken Vorhofes ineiner Länge von 1 bis 3 cm handschuh-förmig („sleeves“) in die Pulmonalvenen(PV) hinein. Die Muskelfasern sind am

dicksten am proximalen Ende der PV undrelativ am kräftigsten ausgeprägt an derunteren Zirkumferenz der superioren undder oberen Wandbereiche der inferiorenPV. Bei ausgeprägter anatomischer Varia-bilität gibt es normalerweise 2 obere und2 untere Venen bzw. 2 septale, rechteund 2 laterale, linke PV; nicht selten kom-men aber auch 5 Venen mit akzessori-scher medialer rechtsseitiger Vene oderein gemeinsamer Stamm („commontrunk“) der linken Venen vor. Um die Ein-mündungen der Venen herum weisen dieMuskelfasern einen sehr komplexen, teil-weise chaotischen Verlauf auf, indem hiertransversale, horizontale, oblique und zir-kumferentielle Fasern über- und unterei-nander verlaufen und plötzliche Änderun-gen des Faserverlaufes auftreten. Diesebereiten die Basis für eine sog. Anisotro-pie, d. h. ein Milieu, in dem elektrischeHeteropien und Spontanaktivitäten ent-stehen können (Abb. 1a).

Darüber hinaus sind adrenerge undcholinerge Nervenfasern mit ihren Gan-glion-Plexi in den Vorhof in der Nähe derPV eingebettet, besonders ausgeprägt ander Verbindungsstelle: linke obere PV undlinksatriales Dach, der posterioren Ver-bindung der inferioren Venen und der an-terioren Grenze der rechten oberen Vene.

Als elektrophysiologische Auslöseme-chanismen kommen fokale Trigger in denoben beschriebenen anatomisch kom-plexen Einmündungsbereichen derVenen und den Ausläufern der „sleeves“in den PV in Betracht; hier kann es so-wohl zu gesteigerter Automatie als auchzu getriggerter Aktivität kommen. Fernerhat man in den PV sowohl Zonen ver-langsamter Erregung, z. T. mit aufgesplit-terten fraktionierten Signalen, als auchZonen verkürzter Refraktärperioden ge-funden; also insgesamt ein Milieu, in demein Mikro-Reentry leicht entstehen kann.

Aus diesem Grund erscheint eine kom-plette und lückenlose Ablation der Ein-

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Ernst G. VesterEvangelisches KrankenhausKlinik für KardiologieKirchfeldstraße 4040217 DüsseldorfTel.: 0211 919-1866Fax: 0211 [email protected]

32 Kardioforum 1 | 2011

Katheterablation von Vorhofflimmern mit Radiofrequenzstrom

Ernst G. Vester

mündungsbereiche der PV im Hinblick auf die effektive Be-seitigung von AF von essenzieller Bedeutung (Abb. 1b).

Mapping-TechnikenDas älteste Verfahren zum elektrophysiologischen Map-ping der PV beruht auf dem Prinzip, mit einem zirkulärenmehrpoligen Katheter (sog. Lasso-Katheter) am Ostiumder PV die in den Pulmonalvenen generierten Signale zuregistrieren und auf diesem Katheter auch das Verschwin-den derselben nach oder unter der Ablation zu dokumen-tieren (Abb. 2). Durch bestimmte Stimulationsverfahrenlässt sich nachweisen, ob nach Ablation aus der Vene he-raus oder in die Vene hinein noch eine elektrische Leitungläuft (sog. Exit- oder Entryblock, Abb. 3 a/b). Dieses Ver-fahren ist nach wie vor essenzieller Bestandteil jeder Ab-lation, da daran der Nachweis des Erreichens des Ablati-ons-Endpunktes geknüpft ist. Das Auffinden der Venen er-folgt unter Röntgendurchleuchtung; zu Beginn einer Abla-tionsprozedur werden in der Regel Kontrastmitteldarstel-lungen der Venen vorgenommen.

Um einerseits Röntgen-Durchleuchtungszeit und Kon-trastmittel einzusparen und gleichzeitig ein Mapping undAbladieren im Raum des LA sicher und möglichst einfachzu ermöglichen, wurden dreidimensionale Techniken ba-sierend auf modernen Nachrichtentechnologien entwi-ckelt; sie werden auch Navigationssysteme genannt. Sowird bei der sog. CARTO-Technik (Biosense Webster) einMagnetsystem um den auf dem Untersuchungstisch lie-genden Patienten arrangiert – bestehend aus magneti-schen Spulen an der Unterseite des Tisches und einemmagnetischem Mapping- und Ablationskatheter. Nach Er-stellen einer Real-time-Anatomie mittels Austasten des LAund der PV mit dem Magnetkatheter kann dieser frei im 3-D-Gebilde des LA bewegt und visualisiert werden, ohnedass hierzu eine weitere Röntgen-Durchleuchtung nötigwürde; ein sowohl für den Patienten als auch vor allem für

den Arzt, der unter mehr oder weniger permanenter Rönt-genbelastung steht, wichtiger Fortschritt. Eine weitere Ver-besserung erfährt dieses Verfahren durch Integration vonbildgebenden Verfahren wie Cardio-CT oder -MRT. Die vorder Ablationssitzung angefertigten Aufnahmen vom linkenVorhof können nach der intraprozeduralen Erstellung desCARTO-Maps übereinander projiziert werden (sog. Merge-Verfahren) und ermöglichen im Weiteren das Manövrierendes Ablationskatheters quasi in der „Echtzeit“-Anatomie.Andere Verfahren wie „NavX“ (St. Jude Medical, Abb. 4)gehen ähnlich vor, ermöglichen aber zusätzlich die Dar-stellung sämtlicher Katheter in der 3-D-Rekonstruktion.

Für die Ablation von Vorhofflimmern sind die 3-D-Verfahren inzwischen zur Routine geworden. Neuerdingskönnen auch mittels Rotationsangiografie 3-D-Rekonstruktionen durchgeführt werden (Dyna-CT, Sie-mens); hier kann in gleicher Sitzung ein CT-Bild und ein 3-D-Bild erstellt und überlagert werden.

Kardioforum 1 | 2011 33

Abb. 1a und 1b: Muster der Muskelfaserverläufe im linken Vorhof und um die Stämme der Pulmonalvenen (A) und Ablationslinien um die Einmündungsbereiche der Pulmonalvenen unter Verwendung der CARTO-Navigationstechnik (B) (nach Marine JE, JAMA 2007;298(23):2768–2778).

Abb. 2: „Klassische“ Ablationstechnik mit bitransseptaler Punktionund Positionierung eines Lasso-Katheters zum Pulmonalvenen-Map-ping und eines Ablationskatheters im linken Vorhof (nach ChowdhuryP et al., Cleveland Clinical Journal of Medicine 2009; 76 (9):543–550)

Zur Steuerung insbesondere von Single-shot-Devices(s. u.) werden auch invasive Echokardiografie-Verfahrenverwendet, so die transösophageale oder intrakardialeEchokardiografie. Mit letzterer lassen sich auch schwieri-ge transseptale Punktionen sicher und kontrolliert – quasiunter Direktsicht – durchführen. Ferner können zirkuläreMapping- und Ablationskatheter unter „Online“-Echosichtgesteuert und im Eingangsbereich der Venen exakt posi-tioniert werden. Damit kann insbesondere eine zu tiefeLage des Katheters in der Vene unmittelbar erkannt undkorrigiert werden.

Ablationstechniken unter Verwendung von Radiofrequenzstrom bei paroxysmalem undpersistierendem VorhofflimmernDie Verwendung von RF-Energie stellt das Standardver-fahren zur Katheterablation von AF dar. Routinemäßig wirdheute ein Kühlungsverfahren („Irrigated“- oder „Cooledtip“-Technik) verwendet, das während der RF-Abgabe einekontinuierliche Durchströmung des Katheters mit Koch-salzlösung in Raumtemperatur gewährleistet; diese Spül-lösung tritt bei den meisten Kathetern am Ende durch zahl-reiche kleine Löcher aus (Ausnahme: sog. Closed-loop-Katheter) und kühlt damit die Katheterspitze. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen in der Möglichkeit,höhere Energiemengen an das zu abladierende Gewebevor allem in 2 bis 4 mm Tiefe abzugeben und gleichzeitigdas Risiko von Verkohlungs- oder Coagulumbildung an derKatheterspitze und dem anliegenden Gewebe zu reduzie-ren. Dies hat neben der verbesserten Tiefenwirkung einverringertes Risiko appositioneller Thrombenbildung mitder Reduktion thromboembolischer Komplikationen zurFolge.

Die RF-Abgabe kann temperatur-, power- oder impe-danzgesteuert erfolgen. Normalerweise wird im Vorhofeine Zieltemperatur von 40 bis 45 Grad (im Mittel 43 Grad)

gewählt, für die Power wählt man 30 bis 40 Watt (bis aufdie empfindliche Hinterwand, 25 Watt) und eine Flussratevon 18 bis 30 ml/min. Bei der Point-by-point-Ablation ver-harrt man in der Regel nicht länger als 20 bis 30 Sekundenmit dem Ablationskatheter auf einer Stelle. Bei sehr dickenMuskelfasern, z. B. im Bereich der sog. „ridge“ zwischenlinkem Vorhofohr und den linken PV, sind gelegentlich hö-here Energieabgaben bei höheren Flussraten und längererApplikationsdauer erforderlich.

Transseptale Punktion und Katheteranordnung

Multipolare Stimulationskatheter werden im Koronarsinusund im hohen rechten Vorhof positioniert. Zur kontinuierli-chen Drucküberwachung und repetitiven Blutgasanalyselegen wir grundsätzlich zusätzlich eine 4F-Schleuse in dieA. femoralis. Um in den linken Vorhof zu gelangen, mussin der Regel transseptal punktiert werden (Ausnahme: of-fenes Foramen ovale). Hierzu wird eine lange Schleuse miteiner eingeführten Transseptal-Nadel von der V. cava su-perior langsam nach unten gezogen mit dorsaler Ausrich-tung, bis sie am Foramen ovale „einrastet“. Nach Durch-leuchtungskontrolle in RAO- und LAO-Projektion wird dieNadel samt Schleuse in den posterioren Teil des LA unterDruckkontrolle vorgeschoben. Über einen langen Draht,der in die linke obere PV vorgeschoben wird, lässt sich nundie Schleuse – nach Entfernen der Nadel – sicher in den LAvorbringen. In der Regel erfolgt dann eine Kontrastmittel-darstellung von PV und LA. Zum Einbringen der zwei trans-septalen Schleusen kann nun entweder bei liegendemDraht die Schleuse vom LA in den RA zurückgezogen wer-den und die zweite Schleuse nach Röntgendurchleuchtungüber das entstandene Loch im Septum in den LA manö-vriert werden, oder es wird eine zweite transseptale Punk-tion durchgeführt. Unmittelbar nach der Punktion ist He-parin zu verabreichen. Manche Untersucher geben schonvor der Punktion eine kleinere Heparinmenge.

34 Kardioforum 1 | 2011

Abb. 3a und 3b: Elektrische Isolation einer Pulmonalvene (PV). Die rechte obere PV (RSPV) zeigt fusionierte Signale des linken Vorhofes und der PV (A); nach PV-Isolation sind nur noch minimale Restsignale zu erkennen (sog. Entryblock); eine fehlende Stimulierbarkeit dieserSignale weist auf einen Exitblock hin (B).

Die transseptale Punktion kann visualisiert und kontrol-liert werden mit der intrakardialen oder transösophagea-len Echokardiografie, dies bietet sich vor allem bei Ver-wendung von Single-shot-Devices und ballonbasierten Ver-fahren an, da hier kein 3-D-Mapping-Verfahren angewen-det wird und die Echokardiografie somit als Navigations-hilfe dient.

Sedierung während der Ablationsprozedur und

Antikoagulation

Wir führen in der Regel eine sog. „deep sedation“ durch,bei der der Patient relativ tief schläft und stark analgetischbehandelt wird (sog. Analgosedierung). Dies erreichen wirmit der kontinuierlichen Gabe von Propofol und der inter-mittierenden bedarfsgesteuerten Gabe von Fetanyl-Bolinach vorheriger Gabe von Paspertin. Andere Untersucherverabreichen Midazolam und Dipidolor mit dem Ziel einerleichteren Sedierung. Nach unserer Erfahrung wird die Ab-lationsprozedur auch in der Nachverarbeitung jedoch bes-ser mit tiefer Sedierung toleriert.

Zur Antikoagulation verabreichen wir zunächst einenkörpergewichtsadaptierten Heparinbolus und verabreichenim Verlauf weitere Boli nach ACT-Messung, die wir alle 20Minuten durchführen – mit einem Zielwert von 280 bis 320Sekunden.

Ablationsprozedur und -ziel bei paroxysmalem AF

Durch eine transseptale Schleuse wird der Lasso-Katheterin eine der 4 PV eingelegt. Durch die zweite Schleuse wirdder Ablations- und Mappingkatheter eingeführt. Nach Er-stellen der 3-D-Rekonstruktion wird heute allgemein dasZiehen einer weiträumigen zirkulären Linienführung um diePV präferiert, wobei die PV als gemeinsamer Block oderjede einzelne Vene umfahren werden kann. Die Linie istPunkt für Punkt zu komplettieren, bis die PV-Signale amLasso-Katheter verschwunden sind (Abb 3 a/b). Wichtigzur Verhinderung von intraluminalen PV-Stenosen ist eineLokalisation des Ablationskatheters immer außerhalb des eigentlichen PV-Lumens, dies ist in der 3-D-Rekonstruktion v. a. mit integriertem CT- oder MRT-Echt-bild besonders gut möglich. Bei sehr hartnäckigen Fasernkann es erforderlich sein, mit dem Ablationskatheter nahe

an den Lasso-Katheter heranzugehen – exakt an die Stel-le, die das persistierende PV-Signal zeigt.

Endpunkt der Ablation ist die Beseitigung aller PV-Sig-nale auf dem Lasso-Katheter. Wir sprechen dann von pri-mär erfolgreicher PV-Isolation. Dieses Ziel erscheint nachallgemeiner Übereinstimmung hinreichend für die Ablationbei paroxysmalem AF.

Zur Überprüfung der vollständigen Isolierung der Pul-monalvenen sollte am Ende der Prozedur eine program-mierte Vorhof- oder Koronarsinus-Stimulation mit bis zu 2vorzeitigen Stimuli und ggfs. eine Hochfrequenzstimulati-on erfolgen. Durch die Gabe von Adenosin kann eine ver-borgene Leitung demaskiert bzw. können verborgene Trig-ger induziert werden. Die prospektive Aussagekraft hin-sichtlich des Langzeiterfolges der Ablation bei paroxys-malem Vorhofflimmern ist jedoch für diese Manöver nichtunumstritten.

Ablationsprozedur und -ziel bei persistierendem AF

Prinzipiell gilt dasselbe Ablationsziel wie bei paroxysma-lem AF; d. h., die Isolation der PV ist das erste Ziel. Handeltes sich um jeweils kurz dauernde Phasen von AF in derVorgeschichte und liegen normale oder leicht vergrößerteLA-Volumina vor, so wird man sich zunächst mit der PV-Isolation begnügen. Liegt dagegen ein lang persistieren-des AF vor, das bereits zu einer signifikanten Vergrößerungdes Vorhofes und somit einem anatomischen Remodelingdes LA geführt hat, so ist eine Ausweitung der Ablations-strategie indiziert. Hierzu gehört das Ziehen von Linien imDachbereich und des linksatrialen Isthmus zwischen derunteren linken PV und dem Mitralanulus. Letztere Linie er-fordert häufig auch eine epikardiale Ablation im Koronarsi-nus. Hier ist die Energieabgabe auf 25 Watt zu begrenzen.

Die Dichtigkeit bzw. Vollständigkeit der Linien ist durchStimulationsmanöver entweder vom rechten oder linkenVorhofohr (LAA) aus zu bestätigen. So dreht sich nach er-folgreicher Blockade des linksatrialen Isthmus die Erre-gungssequenz im Koronarsinus bei Stimulation vom LAAaus in die umgekehrte Richtung, das Gleiche gilt für dieErregungssequenz über das Dach des LA zur Hinterwandhin bei Stimulation vom rechten Vorhofohr aus.

CFAEs und Ganglionäre Plexi

Grundsätzlich wird empfohlen, die Ablation zunächst beilaufendem AF durchzuführen. Es lassen sich häufig imsog. „Körper“ des LA auffällige Zonen von fraktioniertenSignalen, die sich aus zwei oder mehr Deflektionen zu-sammensetzen, oder kontinuierliche Deflektionen einesniedrig amplitudigen Aktivierungskomplexes zeigen. DieseZonen mit sog. „complex fractionated atrial electrograms“(CFAEs) sind durch besonders kurze Refraktärzeiten (< 120ms) gekennzeichnet und weisen auf umschriebene Reen-trykreise hin, die für die Erhaltung des AF mitverantwort-

Kardioforum 1 | 2011 35

Abb. 4: 3-D-Map-ping mit darge-stellten Kathe-tern (NavX-Sys-tem): Lasso inder PV und Katheter im Koro-narsinus (nachWillems S. et al.,Herz 2008; 33:402-11)

lich sein dürften. Ihre Ablation kann den Ablationserfolgmerklich steigern.

Ähnliches gilt für die „Ganglionated Plexi“ im Bereichder PV-Ostien. Sie beeinhalten adrenerge und vagale Fa-sern, deren Ablation ebenfalls das Ablationsergebnis ver-bessern kann. Sie finden sich vorzugsweise am Übergangvon linker oberer PV zum linksatrialen Dach, an der poste-rioren Verbindung der inferioren Venen und dem anteriorenÜbergang der rechten oberen Vene. Dass ein vagales Gan-glion exakt durch die Ablation getroffen wird, erkennt mantypischerweise am Auftreten einer ausgeprägten Brady-kardie und Hypotension. Eine Kombination der beiden ge-nannten Ablations-Targets mit der PV-Isolation steigertnachweislich den Ablationserfolg, die alleinige Ablation die-ser Targets wird aber als nicht ausreichend angesehen unddaher nicht empfohlen.

Single-shot-DevicesDiese Devices wurden mit dem Ziel entwickelt, die Abla-tionsprozedur zu vereinfachen und möglicherweise auchsicherer zu machen. In der Regel ist nur eine transseptalePunktion notwendig. Über eine – meist etwas dickere –Schleuse wird das Device in den LA eingeführt. Dieseskann ballon- oder korbbasiert oder als zirkulärer Multielek-trodenkatheter angelegt sein. Im Folgenden werden dreiderzeit im klinischen Gebrauch befindliche Kathetersyste-me vorgestellt.

Pulmonary Vein Ablation Catheter (PVAC)

Es handelt sich um einen 10-poligen Spiralkatheter, der so-wohl ein Mapping der PV als auch eine Ablation mittelshochfrequentem Wechselstrom in abwechselnd uni- undbipolarer Weise („duty-cycled RF“) im Temperaturkontroll-Modus ermöglicht (Abb. 5). Es können entweder alle 5Elektrodenpaare oder jedes Paar einzeln angewählt wer-den. Ein durch den Katheter laufender J-Draht erleichtertdas sichere Auffinden der PV und die sichere Positionie-

rung des PVAC-Katheters am Ostium der Vene. Durchmehrere Ablationszyklen nach Drehen des Katheters umseine Achse um jeweils 90 Grad wird ein dichter Ring umdas PV-Ostium quasi „eingebrannt“. Erste Daten zeigeneine hohe Akuterfolgsrate und eine Ein-Jahres-Freiheit vonAF von 70 bis 80 %. Größere Studien sind jedoch abzu-warten, insbesondere zum Vergleich mit anderen Metho-den und im Hinblick auf Spätrezidive. Die Komplikations-raten scheinen sehr niedrig zu sein. Ob es durch diese Artder ungekühlten Stromabgabe zu Mikrothromben und -em-bolien kommen kann, ist Gegenstand laufender Untersu-chungen. Erste MRI-Studien zeigen eine erhöhte Rate von„silent“, d. h. klinisch stummen Mikroembolien im Gehirnim Vergleich zu anderen Verfahren (Cryo- oder irrigated RF-Verfahren) – mit einer deutlichen Rückbildungstendenz imzeitlichen Verlauf.

High Densitiy MESH-Ablator (HDMA)

Dieses Device ist ein aus 36 Drähten bestehender, 11 Fstarker, deflektierbarer und ausdehnbarer Ballon oder Korb,der in seinem Diameter im nicht entfalteten Zustand exaktmit dem Katheterschaft übereinstimmt. Die Entfaltung desMESH-Ballons erfolgt durch Retraktion eines zentralenDrahtes, der dem Ballon eine „Chinese hat“-artige Formgibt, die ihm die passende Form zum Einpressen in dasOstium der PV verleiht. Ein zirkumferentielles „entblöß-tes“ Elektrodenband im Zentrum des Ballons dient derhochauflösenden Signalaufzeichnung und RF-Stromabga-be. Auch hier ist eine simultane Stromabgabe über die ge-samte Zirkumferenz oder über vorgewählte Quadrantenmöglich. Die Kontrolle der RF-Abgabe erfolgt durch Mes-sung der Gewebetemperatur am Thermocouple, der injedem der vier Quadranten eingebaut ist. Bei guten Pri-märergebnissen fiel in den jüngsten Nachbeobachtungs-studien eine relativ hohe Rezidivrate im Langzeitverlaufvon > 50 % auf; das Device wird derzeit technologischüberarbeitet.

36 Kardioforum 1 | 2011

Abb. 5a und 5b: PVAC-Katheter mit 10-poligemRingkatheter für Mapping und Duty-cycled-Ablation (Erklärung im Text)

Cryo-Ballon (s. auch gesondertes Kapitel)

Der Vorteil der Kälteapplikation gegenüber der Radiofre-quenzstromabgabe liegt in der „saubereren“ Nekrosebil-dung mit reduziertem Risiko einer Thrombenbildung, er-höhter Katheterstabilität (der Katheter „klebt“ quasi amGewebe) und vermindertem Risiko der Schädigung vas-kulärer Strukturen. Der doppellagige Ballon mit einem zen-tralen Thermocouple führt mittig einen Spiralkatheter, derin der Peripherie der PV platziert wird und ein Mapping derPV-Signale ermöglicht. Eine Kühlung ist bis maximal minus50 bis 60 Grad möglich. Wichtig ist der komplette Ver-schluss der Vene mit dem Ballon, was durch Kontrastmit-telinjektion durch das innere Lumen distal vom Ballon oderdurch Farbdoppler-Echokardiografie mittels TEE nachge-wiesen werden kann. Durch verschiedene Anstellwinkelkann meist eine komplette Verödung des ostialen Berei-ches der Vene erzielt werden. Das spezifische Risiko derCryoablation ist in einer Phrenicusparese zu sehen, die ins-besondere bei einer zu kleinen Ballongröße mit zu weit dis-tal der Venen applizierter Kälte auftreten kann. Gefordertwird eine kontinuierliche Phrenicus/Diaphragma-Stimulati-on während der 4- bis 5-minütigen Ablationszyklen. DieEin-Jahres-Erfolgsrate liegt nach neuesten multizentri-schen Daten bei 70 %, erkauft durch eine Stroke-Rate von2,8 % und eine Phrenicusparese-Rate von 13 % (davonpersistierend allerdings nur in 2,5 %).

Langzeitergebnisse und RezidiveingriffeDie Erfolgsraten der Katheterablation sind für paroxysma-les AF grundsätzlich besser als für persistierendes oderpermanentes AF. Die akuten Erfolgsraten bei der Isolie-rung der PV liegen nahe bei 100 %. Durch die Ablation ent-steht ein Ödem um die PV, was mögliche frühe Rekon-duktionen maskiert.

Im Langzeitverlauf ist bei paroxysmalem AF weitge-

hend unabhängig von der Technik (Radiofrequenzstromoder Cryoenergie) mit einer primären Erfolgsrate von ca.65 % auszugehen. Viele Patienten benötigen wegen symp-tomatischer Rezidive eine Re-Ablation (ca. 30 % d. P.). Inüber 90 % der Fälle liegt eine erneute Leitfähigkeit der Pul-monalvenen vor. Das im Ersteingriff abladierte Gewebe er-holt sich zum Teil bereits nach wenigen Stunden, es ent-stehen sog. Lücken, durch die die ektope elektrische Ak-tivität der PV sich auf die Vorhofmuskulatur ausdehnen undmehr oder weniger stabiles Vorhofflimmern auslösenkann. Die Erfolgsrate steigt nach Zweiteingriff, bei dem dieLücken um die PV-Ostien erneut verödet werden, auf 70bis 80 % – je nachdem, ob zusätzlich noch Antiarrhythmi-ka eingenommen werden (Abb. 6). In randomisierten Stu-dien mit ausgewählten Zentren konnten sogar Langzeiter-folgsraten von 90 % erzielt werden (Abb. 7). Bei einigenPatienten werden trotzdem weitere Eingriffe notwendig,bei denen dann häufig nicht nur die PV-Lücken – sofernnoch vorhanden – verschlossen werden, sondern oft auchandere Ablationsziele angegangen werden. Bei den Rezi-diven handelt es sich nicht immer um Vorhofflimmern,sondern auch um atriale Tachykardien oder linksatrialesFlattern, das durch Modifikation der Leitungswege im LAdurch die vorangegangenen Ablationen generiert wird.Diese „neuen“ Tachyarrhythmien (TA) sind häufig von per-sistierender Natur und können noch beeinträchtigender alsdas ursprüngliche Vorhofflimmern sein. Um diese atrialenTA zu kontrollieren, ist es erforderlich, Linien entlang desDaches und des linksseitigen Isthmus zwischen den late-ralen PV und dem Mitralanulus zu ziehen. Hierbei werdenhäufig der endokardiale Aspekt sowie der epikardiale As-pekt angesteuert. Eine epikardiale Ablation ist im Koronar-sinus mit niedrigen Energien möglich. Der Leitungsblockist durch Stimulationsmanöver mit Nachweis geänderterLeitungswege nach Ablation zu verifizieren. In den meisten

Kardioforum 1 | 2011 37

Efficacy of catherer ablation in patients with AF

57

71 7277

26

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Single ProcedureSuccess OFF

AAD

MultipleProcedure

Success OFFAAD

Single ProcedureSuccess On or

OFF Medication

MultipleProcedure

Success On orOFF Medication

Patient RequiringRepeat Ablation

Met

a-an

alys

ed p

rop

ort

ion

o

f p

atie

nts

%

100

90

80

70

60

50

40

30

30

10

0

0 50 100 150 200 250 300 350 400

logrank p<.0001

Follow-up Days

Free

do

m f

rom

rec

urr

ent

AF

%

RF AAD

Abb. 6: Erfolgsraten der Pulmonalvenenablation (Freiheit von Vor-hofflimmern im Verlauf) mit und ohne Antiarrhythmika sowie nacheiner oder mehreren Ablationsprozeduren (nach Calkins, H et al.,Circ. Arrhythmia Electrophysiol. 2009; 2:349–361)

Abb. 7: Katheterablation versus Antiarrhythmika: Freiheit von Vorhofflimmern nach einer Blankingperiode von 3 Monaten nachAblation vs. AA-Therapie; Daten der A4-Studie (nach Jais, P et al.,Circulation 2008; 118:2498–2505)

Fällen wird die antiarrhythmische Medikation noch 2 bis 3Monate nach Ablation fortgesetzt. Diese können dazu bei-tragen, die Erfolgsrate um 10 bis 20 % zu verbessern.

Bei persistierendem AF, insbesondere bei lange, d.h.über ein Jahr bestehendem AF, sind die Erfolgsraten deut-lich schlechter; sie liegen primär bei ca. 50 % und erfor-dern häufig schon bei der Erstablation das Ziehen von Li-nien und die Ablation von CFAEs (s.o.). Es konnte gezeigtwerden, dass das Angehen dieser zusätzlichen Ablations-targets das Ergebnis verbessert.

Empfohlen wird bei persistierendem AF ein stufenwei-ses Vorgehen, zumindest beim Zweiteingriff. Nach der Iso-lation der PV folgt die sog. Defragmentation mit Ablation derCFAEs und ggfs. der „Ganglionated Plexi“. Beobachtet wirdhierbei häufig eine Abnahme der atrialen Zykluslänge. Seltenkommt es zur Spontankonversion in den SR. Es schließtsich in der Regel eine Kardioversion an. Im SR ist die Dich-tigkeit der PV-Isolation erneut zu überprüfen. Abschließendwerden die Linien wie oben beschrieben gezogen. Ob eineabschließende programmierte atriale und Burst-Stimulation– wie sie meist nach Ablation von paroxysmalem AF vorge-nommen wird – nach der komplexen Ablation von persis-tierendem AF sinnvoll ist, bleibt umstritten.

Mit Spätrezidiven ist in einer Größenordnung von 8 bis10 % zu rechnen. In einer italienischen Multicenter-Studiewaren nach einem Eingriff nach sechs Jahren nur noch40 % der Patienten frei von AF. Größere Langzeitnachbe-obachtungen stehen aus. Es muss prinzipiell mit einemSpätrezidiv gerechnet werden, so dass das Absetzen deroralen Antikoagulation bei Risikopatienten mit CHADS-VASc-Score ab 2 nicht zu rechtfertigen ist, auch wenn au-genscheinlich der Patient rezidivfrei ist.

KomplikationenDie Ablation von AF ist eine der komple-xesten Prozeduren in der Elektrophysiolo-gie und birgt unterschiedliche Risiken vonKomplikationen in einer Größenordungvon 2 bis 6 %, die prozedurbezogene Mor-talität liegt ausweislich einer großen Mul-ticentererfassung von > 8000 Patientenzwischen 0,07 und 0,1 %. In einer un-längst publizierten großen Single-center-Studie von 1295 konsekutiven Patientenzwischen 2007 und 2010 war die Kompli-kationsrate erwartungsgemäß mit 3,5 %etwas niedriger. Im Einzelnen traten Pro-bleme am Zugangsgefäß mit operations-pflichtiger Hämatom- oder Aneurysma-ausbildung etc. in 1,9 %, Perikardtampo-naden in 1,2 %, thromboembolische Er-eignisse in 0,2 % und tiefe Venenthrom-bosen und Pulmonalvenenstenosen in je-weils < 0,01 % auf. In der multivariaten

Analyse waren das weibliche Geschlecht und Prozedurenin den Monaten Juli und August unabhängige Prädiktorenfür Komplikationen – speziell vaskulärer Art, letzteres amehesten bedingt durch den Beginn des akademischen Jah-res im Juli, ab dem die neuen „trainees“ ausgebildet wer-den.

Die zeitgleiche Behandlung mit Clopidogrel erhöht dasRisiko von Gefäß- und Blutungskomplikationen. Eine wich-tige und z. T. dramatische Komplikation ist die Perikard-tamponade, für die eine vorangegangene Ablation ein Ri-sikofaktor ist. Es gibt signifikante Variationen der Wanddi-cken im LA, und speziell nach vorangegangener Ablationkann es zu Vernarbungen mit Wandverdünnungen ge-kommen sein, die das Perforationsrisiko signifikant erhö-hen. Sog. „Open irrigated tip“-Katheter erzeugen großetransmurale Läsionen, sodass insbesondere bei persistie-rendem AF mit extensiven Ablationsläsionen und der er-höhten Wahrscheinlichkeit von Rezidiveingriffen kumula-tiv das Perforationsrisiko steigt. Eine sorgfältige Einarbei-tung neuer Abladeure mit intensiver Supervision und dieVermeidung von Rezidiveingriffen durch Verbesserung derprimären Ablationstechniken kann die Komplikationsratesenken.

IndikationenNach den aktuellen Guidelines der Europäischen Gesell-schaft für Kardiologie (ESC) von 2010 (Abb. 8) hat die Ka-theterablation von AF eine größere Bedeutung erlangt undwird in der Regel bei paroxysmalem Vorhofflimmern nacheinem erfolglosen medikamentösen Behandlungsversuchauf dem Level IIaA empfohlen (dieses Evidenzniveauspricht eher für eine AF-Therapie aufgrund mehrerer ran-

38 Kardioforum 1 | 2011

AmiodaronAmiodaronKathererablation

für VHF

Hypertoniemit LVH

KoronareHerzkrankheit

NYHAIII/IV oderinstabileNYHA II

StabileNYHA I/ II

Leitlininen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur

Behandlung des Vorhofflimmerns 2010

Relevante zugrundeliegende Herzerkrankung

DronedaronDronedaron

SotalolDronedaron

KongestiveHerzinsuffizienz Paroxysmales

VHFPersistierendes

VHF

Keine oder leichtgradigestrukturelle Herzerkrankung

(einschließlich Hypertonie ohne LVH)

DronedaronFlecainid

PropafenonSotalol

Katheterablationfür VHF

Abb. 8: Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Behandlung des Vorhofflimmerns (2010). Beachte die Möglichkeit einer primären Katheterablation alsTherapieoption für Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern mit fehlender oder minimaler kardialer Grundkrankheit (s. a. Literaturverzeichnis).

domisierter Studien). Bei Patienten ohnerelevante kardiale Grundkrankheit kanndie Katheterablation auf ausdrücklichenPatientenwunsch auch als primäre The-rapieoption durchgeführt werden (IIbB).Für Patienten mit persistierendem Vor-hofflimmern gilt eine IIaB-Empfehlungzur Ablation (d. h., kann durchgeführtwerden, beruht aber nur auf einer rando-misierten Studie). Bei lange bestehen-dem persistierendem AF (> 1 Jahr) gilt je-doch nur noch eine IIbC-Empfehlung zurAblation, d. h. die Nützlichkeit ist wenigergut belegt (Empfehlungsgrad IIb) und esbesteht lediglich ein Expertenkonsensohne objektive Datenlage (Level of Evi-dence C). Auch bei Patienten mit Herzin-suffizienz kann eine Ablation nach erfolg-losem medikamentösem Therapiever-such inkl. Amiodaron durchgeführt wer-den (IIbB). Studiendaten zeigen eine Ver-besserung der linksventrikulären Funkti-on nach erfolgreicher Ablation. Daten zurPrognosverbesserung durch AF-Ablationstehen jedoch noch aus.

Insgesamt sollte in den meisten Fällender Ablation ein medikamentöser Thera-pieversuch vorangehen, dabei handelt essich bei kardialer Grunderkrankung umDronedaron oder Amiodaron und bei feh-lender kardialer Grunderkrankung umDronedaron und die bekannten Klasse-IB-AA wie Flecainid und Propafenon. DieBasistherapie bildet der Betablocker.Nach Ablation wird in der Regel die anti-arrhythmische Therapie für zwei bis dreiMonate fortgeführt.

Nachbehandlung nach der AblationDie 3-monatige Phase nach der Ablationgilt allgemein als sog. „Blanking“-Peri-ode, in der noch mit gehäuften AF-Rezi-diven zu rechnen ist. Diese nehmen er-fahrungsgemäß innerhalb dieser Zeit sig-nifikant ab. Nach drei Monaten werdendie AA, falls noch nicht geschehen, in derRegel abgesetzt. 20 bis 30 % der Patien-ten verbleiben wegen symptomatischerRezidive unter AA-Therapie. Diesen Pa-tienten wird in der Regel eine Reablationangeboten. Die Antikoagulation mit Cu-marinen wird in Abhängigkeit vom throm-

boembolischen Risiko entsprechend demCHADS-VASc-Score fortgeführt; d. h., abeinem Score-Wert ab 2 wird – unabhän-gig von der Rezidivrate – eine Fortführungder oralen Antikoagulation empfohlen,bei Patienten mit einem niedrigen Scorevon 1 oder 0 kann die orale AK abgesetztwerden.

Die konsequente Fortführung der ora-len AK ist bei Risikopatienten auch bei of-fensichtlicher Rezidivfreiheit geboten, daapproximativ in einer Rate von 10 % proJahr Rezidive auftreten können, die in biszu ¾ der Fälle asymptomatisch bleibenkönnen, sodass die Rezidivraten auf-grund des klinischen Bildes häufig unter-schätzt werden.

AusblickDie Katheterablation ist heute aus demTherapiearsenal in der Behandlung desVorhofflimmerns nicht mehr wegzuden-ken, zumal die Langzeiterfolgsraten dermedikamentösen Therapie mit 30 bis40 % enttäuschend sind. InsbesonderePatienten mit paroxysmalem oder kurzdauerndem persistierendem Vorhofflim-mern profitieren und werden in zuneh-mendem Maße nach einem erfolglosenAA-Behandlungsversuch nach der Ablati-on fragen. Die Lebensqualität wird nacherfolgreicher Ablation zweifellos gestei-gert, zumal nebenwirkungsbehaftete AAüberflüssig gemacht werden. Die sog.Single-shot-Verfahren, die ballon-, korb-oder katheterbasiert sind, werden wei-terentwickelt werden, um das Verfahrenzu vereinfachen, zu verkürzen und siche-rer zu machen. Mit Zurückhaltung wirddie Ablation von lang persistierendem AFgesehen, da wegen des ausgeprägtenelektrisch-anatomischen Remodelingsder Vorhöfe und des komplexen arrhyth-mogenen Substrates die Erfolgsratendeutlich niedriger liegen; aber auch hierarbeitet man intensiv an Verbesserungen.Aufgrund des technischen Aufwandesund der Kosten sind wir aber noch weitvon einer flächendeckenden Ablations-strategie entfernt, sodass eine sorgfältigeIndikationsstellung und adäquate Patien-tenauswahl bis auf Weiteres unerlässlichbleibt.

Kardioforum 1 | 2011 39

Literatur

Haissaguerre M, Jais P, Shah DC etal. Spontaneous initiation of atrial fibrillation by ectopic beats origina -tion in the pulmonary veins. N EnglJ Med. 1998; 339:659–66

Pappone C, Rosanio S, Oreto et al.Circumferential radiofrequency ab-lation of pulmonary vein ostia. Anew anatomic approach for curingatrial fibrillation. Circulation 2000;102:2619–2628

Oral H, Scharf C, Chhugh A et al.Catheter ablation of atrial fibrillation:Segmental pulmonary vein ostialablation versus left atrial ablation.Circulation 2003;108:2355–2360

Cappato R, Calkins H, Chen SA.Worldwide survey on the methods,efficacy and safety of catheter abla-tion for human atrial fibrillation. Cir-culation 2005;111:1100–1105

Huang SKS und Wood MA. Cathe-ter Ablation of Cardiac arrhythmias,Saunders 2006

Natale A, Raviele A. Atrial Fibrilla -tion Ablation, Blackwell Futura 2007

Calkins H, Brugada J, Packer DL etal. HRS/EHRA/ECAS expert con-sensus statement of catheter abla-tion and surgical ablation of atrial fi-brillation. Europace 2007; 9:335–79

ESC Guidelines for the manage-ment of AF; Europace 2010; 12;1360–1420

Boersma L. The Pvac Workbook,Remedica 2010

Cappato R. Update worldwide sur-vey on the methods, efficacy, andsafety of catheter ablation forhuman atrial fibrillation. Circ. Ar-rhythm Electrophysiol. 2010 Feb1:3(1): 32–8

Weitere Literatur beim Verfasser

ZusammenfassungDie Ablation von Vorhofflimmern beruht auf der Arrhyth-mogenität der in den linken Vorhof einmündenden Pulmo-nalvenen und gilt heute als etabliertes Behandlungsver-fahren für Patienten mit symptomatischem, medikamen-tös-therapierefraktärem paroxysmalem oder persistieren-dem Vorhofflimmern. 3-D-Mapping-Verfahren mit undohne CT/MRT-Bild-Integration sind diagnostischer Stan-dard. Das primäre Ziel aller Ablationen ist die elektrischeIsolierung der Pulmonalvenen. Es gibt hierzu verschiedeneAnsätze und Zielstrukturen; die Ablationsanordnung umdie PV kann segmental oder zirkumferentiell sein, nebenden PV-Ostien werden komplexe fraktionierte atriale Elek-trokardiogramme und vagale Ganglien-Plexi angezielt,deren Ablation insbesondere bei persistierenden Formenangestrebt wird. Neben der klassischen Point-by-point-

Ablation mit hochfrequentem Wechselstrom (RF) über gekühlte Katheter werden vereinfachte Single-shot-Techniken eingesetzt wie die Ablation mittels Cryo-Ballonoder zirkulärem Elektrodenkatheter.

Die Erfolgsraten liegen nach der ersten Prozedur bei ca.65 % und lassen sich nach zweiter und dritter Prozedur aufbis zu 85 % steigern. Die Langzeitrezidivrate liegt jährlichbei 6 bis 10 %. Komplikationen treten in 2 bis 6 % auf, dieRate ist aber je nach Verfahren und Untersuchererfahrungsehr unterschiedlich. Die Kosten-Nutzen-Relation ist fürsymptomatische therapierefraktäre Patienten günstig, undlast but not least wird die Lebensqualität durch eine er-folgreiche Ablation erheblich gesteigert. Ob auch die Lang-zeitprognose für Patienten mit Herzinsuffizienz durch eineAF-Ablation verbessert werden kann, ist Gegenstand lau-fender Forschung.

40 Kardioforum 1 | 2011

Einsatz von Event-Recordern bei Vorhof-flimmern zur Diagnostik und Kontrolle therapeutischer Maßnahmen

Michael Oeff

Für die Erfassung von Vorhofflimmernoder den Nachweis des dauerhaften

therapeutischen Effektes einer Rhyth-muskontrolle nach medikamentöser oderinterventioneller Therapie sind spezielleNachweisverfahren erforderlich. Dies istvon besonderer Bedeutung, da das Vor-hofflimmern häufig asymptomatisch istund die Angaben des Patienten alleinnicht verlässlich sind.

Angaben zur Häufigkeit asymptomati-schen Vorhofflimmerns mit seiner Gefahrthrombembolischer Komplikationen so-wie zu Erfolgskontrollen der Katheterab-lation variieren stark und sind von derNachweismethode abhängig. Kurzfristigeselbst terminierende oder episodenhaftauftretende Rezidive werden mittelsStandard- oder Langzeit-EKG nicht immerzuverlässig erfasst.

Es stehen heute mit den externenoder implantierbaren Event-RecordernMethoden zur Verfügung, die eine zuver-lässige Diagnostik des Vorhofflimmerns

und anderer Arrhythmie-Ereignisse er-möglichen. Die Indikationen für den Ein-satz dieser Event-Recorder sind in einemPositionspapier der European HeartRhythm Association EHRA aus dem Jahr2009 zusammengefasst (4).

Neben undokumentierten Palpitatio-nen und schwerer, selten auftretenderSchwindel-Symptomatik unklarer Ursa-che werden die Indikationen gelistet, diebei Vorhofflimmern bestehen. Als He-rausforderungen werden dabei die gerin-ge Korrelation zwischen Arrhythmien undSymptomen sowie die Möglichkeiten ge-sehen, die Effektivität der Rhythmuskon-trolle zu überprüfen (4).

Ein Paradigmenwechsel für den Nach-weis paroxysmalen Vorhofflimmerns er-folgte mit den großen Studien an über2000 Patienten, bei denen 400 000 EKGsmittels Event-Recorder mehrmals täglichund unabhängig von klinischer Sympto-matik registriert wurden (5,17). Dabeiwurde festgestellt, dass über 60 % der

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Michael Oeff, FESC, FACCChefarzt der Klinik für Innere Medizin I Kardiologie, Angiologie,PulmologieStädtisches Klinikum Brandenburg GmbHHochstraße 2914770 BrandenburgTel.: 03381 41-1500E-Mail: [email protected]

Vorhofflimmerepisoden asymptomatisch verliefen. Nacheiner kurzen Beschreibung der eingesetzten Technik wer-den in diesem Artikel die diagnostischen Möglichkeiten ex-terner und impantierbarer Event-Recorder, Letztere ohneund mit Telemonitoring, bei Vorhofflimmern erörtert.

Welche Methode für welche Arrhythmien?Wie groß der zusätzliche Informationsgewinn sein kann,wird mit vergleichender Darstellung der verschiedenenNachweismethoden gezeigt: Ruhe-EKG; 24-Stunden- bis7-Tage-Langzeit-EKG, tägliches Tele-EKG über externe Re-corder und implantierte Recorder (1).

In einer (hypothetischen) Berechnung werden dieseMethoden einander gegenübergestellt, und es wird einüber 30 %-iger Informationsgewinn angenommen, wennstatt eines 7-Tage-Langzeit-EKGs ein implantierter Loop-Recorder zur Diagnostik verwendet wird (1).

Erfolgen Langzeit-EKG-Registrierun gen nach einer Ka-theterablation von Vorhofflimmern, so können mit einer24-Stunden- nur 12 %, mit einer 7-Tage-Registrierung 26 %der Rezidive erfasst werden (12).

Die derzeit häufig verwendeten externen Event-Recor-der ermöglichen über eine checkkartengroße EKG-Moni-toring-Card, die das „EKG-Gerät“ darstellt, mehrere EKG-Registrierungen gemeinsam mit aufgesprochenen Infor-mationen zur Symptomatik (Abb. 1). Diese werden überFestnetz oder Mobilfunk zur Auswertung an eine Zentraleoder den behandelnden Arzt übertragen. Die Ausgabe erfolgt als EKG-Fax oder im Internet, dort kann dann auchdie aufgezeichnete Sprachmitteilung abgehört werden.Durch diese einfache Rhythmus-Telemonitoring-Methode werden auch seltene, bei EKG-Registrierungenunabhängig von Palpitationen auch asymptomatische Arrhythmien erfasst. Verglichen mit implantierten Syste-men als Goldstandard werden allerdings nur 70 % aller Re-zidive mit dieser Methode registriert (22).

Externe Loop-Recorder erlauben eine kontinuierlicheoder ereignisgesteuerte EKG-Registrierung teilweise überWochen, die Akzeptanz ist wegen der erforderlichenKlebeelektroden jedoch nur gering.

Daher werden für Langzeitbeobachtungen und wissen-schaftliche Fragestellungen zunehmend ImplantierbareLoop-Recorder (ILR) eingesetzt. Das gebräuchlichste Im-plantat der Firma Medtronic ist ein kleines Implantat vonder Größe eines USB-Sticks (Reveal®, Abb. 2). In einer Re-gistrier-Schleife werden mehrere Minuten des EKGs zwi-schengespeichert, das bei Symptomatik über ein externesAktivierungsgerät in den Speicher eingelesen und dort sei-tens des Arztes analysiert werden kann. Aktuell sind auchArrhythmiealgorithmen implementiert, die ein automati-sches Einlesen der Loop-EKGs in einen Speicher durch-führen.

Für das EKG-Telemonitoring können die gespeicherten

Daten aus dem ILR übermittelt und vom behandelndenArzt eingesehen werden (System CareLink®, Firma Med-tronic). So kann aktuell neu aufgetretenes Vorhofflimmerndiagnostiziert werden (Abb. 3).

Ist diese automatische Arrhythmieerkennung zuverläs-sig? Die diagnostische Qualität des implantierten Loop-Re-corders wurde bei 247 Patienten gegen reguläres Lang-zeit-EKG getestet. Die Vorhofflimmerbelastung (AF bur-den) zeigte sich dabei gut korreliert zu Holter-Referenz-werten (9).

Wozu das EKG-Monitoring? Das Vorhofflim-mern ist oft asymptomatisch, verursacht trotzdem kardioembolische Komplikationen!Schon die Verwendung des patientenaktivierten Event-Re-corders bei verschiedenen Antiarrhythmika-Studien hat ge-zeigt, dass paroxysmales Vorhofflimmern ganz wesentlichunterdiagnostiziert wird und teilweise bis 75 % der Episo-den asymptomatisch verlaufen.

Gleichwohl bleibt die Gefahr kardioembolischer Kom-plikationen unverändert bestehen.

So wurden gerade bei Patienten mit paroxysmalem Vor-hofflimmern häufiger asymptomatische Arrhythmien mit-tels transtelefonischem EKG-Monitoring erfasst (16).Damit erlangen externe oder implantierte Event-Recorderbei dieser Patientengruppe einen hohen diagnostischenStellenwert.

Bei Patienten, die zum Zeitpunkt eines akuten ischä-miebedingten Schlaganfalls einen Sinusrhythmus zeigtenund auch anamnestisch keinen Hinweis auf paroxysmalesVorhofflimmern hatten, konnte durch verlängertes EKG-Monitoring oft Vorhofflimmern erkannt und als mögliche

Kardioforum 1 | 2011 41

Abb. 1: Event-Recorder für exter-ne, patientenaktivierte EKG-Aufzeichnungen gemeinsam mitSprachinformationen des Patien-ten; anschließende Tele-Übertra-gung über E-Mail oder Fax (FirmaVitaPhone®)

Abb. 2: Implantierbarer Loop-Recorder (ILR) zum kontinuier-lichen Rhythmusmonitoring(Größe eines USB-Sticks). Patientenaktiviert oder auto-matisch werden Arrhythmie-Ereignisse in einen Speicherzur weiteren Analyse eingele-sen. Teleübertragung ist möglich (Firma Medtronic)

Ursache entsprechend behandelt werden (18). Bei 224 Pa-tienten ohne aktuelles Vorhofflimmern, die mit einem Apo-plex stationär aufgenommen wurden, wurde mit Event-Recordern zu 12,5 % neues Vorhofflimmern als möglicheUrsache entdeckt (21).

Das kardioembolische Risiko von Vorhofflimmer-Pa-tienten wird nach dem CHA2DS2-VASc-Score quantifiziert(zur Erläuterung dieses Scores siehe entsprechenden Ar-tikel). Die Empfindlichkeit dieses Scores scheint noch ge-steigert werden zu können, wenn die Ergebnisse einesEvent-Recordings mitberücksichtigt werden. So wurdendas Auftreten und die Dauer der im ILR diagnostiziertenVorhofflimmerepisoden als weitere Score-relevante Infor-mation zu denen aus dem CHADS2-Score ergänzt. Damitkonnten in Subgruppen signifikant häufiger Risikoereig-nisse ermittelt werden, wenn neben den etablierten auchrhythmologische Risikokriterien vorhanden waren (5 %versus 0,8 %, P = 0,035) (3).

Die Bedeutung des ILR für die Diagnostik paroxysmalenVorhofflimmerns als Ursache eines kryptogenen Schlag-anfalls wird derzeit an 450 Patienten ohne bekanntes Vor-hofflimmern in der Studie „Cryptogenic Stroke and under-lying Atrial Fibrillation (CRYSTAL AF)“ untersucht. Da bei25 bis 30 % dieser Patienten der Mechanismus und dieUrsache unerkannt bleiben, soll mit der Implantation einesILR die Inzidenz und der Zeitpunkt des Auftretens von pa-

roxysmalem Vorhofflimmern innerhalb vonsechs Monaten nach dem Apoplex prospek-tiv bestimmt werden (20). Die Erfassung pa-roxysmaler Arrhythmie-Episoden, insbeson-dere von Vorhofflimmern, ist ebenfalls überdie Mehrzahl implantierter Schrittmacher-oder Defibrillator-Systeme möglich. Zahlrei-che Gerätetypen erlauben zusätzlich die te-lemonitorische Übertragung der Geräte- undArrhythmie-Daten. Diese Systeme sind je-doch nicht Gegenstand dieser Abhandlung.

Event-Recording zur Erfolgskon-trolle therapeutischer MaßnahmenDie Ermittlung der Ergebnisqualität thera-peutischer Maßnahmen, seien es die Ein-stellungen mit Antiarrhythmika oder die Er-folge der Katheterablation des Vorhofflim-merns mit verschiedenen Methoden, istenorm abhängig von der angewandten Nach-weismethode. Je lückenhafter die Nach-weismethode, z. B. lediglich durch Standard-EKG-Registrierung in mehrwöchigem Ab-

stand, desto günstiger erscheint der Thera-pieerfolg. Eine kontinuierliche Überwachungdes EKGs durch Event-Recorder oder ILRlässt dann auch eher und häufiger Rezidive er-

kennen. Denn aufgrund der hohen Inzidenz asymptomati-scher Vorhofflimmerepisoden kann sich die Beurteilungeines Erfolges der Katheterablation nicht nur auf die Ab-wesenheit klinischer Symptome verlassen, sondern die-ser muss durch häufige EKG-Registrierungen nachgewie-sen werden. Es scheint, dass sich der ImplantierbareLoop-Recorder zum Goldstandard entwickelt, da er eineweitgehend lückenlose EKG-Registrierung erlaubt.

Patienten nach Ablation trotz weiterbestehen-den Vorhofflimmerns weniger symptomatischErstaunlicherweise empfinden Patienten nach der Kathe-terablation ihre Vorhofflimmerepisoden geringer, selbstwenn die Arrhythmien unverändert geblieben sind. Die Ur-sache dafür ist unbekannt, geht jedoch wohl über einenPlacebo-Effekt hinaus. Daher sind objektive Maßnahmenwie Event-Recording oder ILR zur endgültigen Beurteilungdes Therapieerfolges heranzuziehen.

Von 92 Patienten mit dokumentierten Vorhofflimmer-Episoden waren 5 % diesbezüglich asymptomatisch. Nachder Pulmonalvenenisolation waren es 37 %, die dieses imLangzeit-EKG aufgezeichnete Rezidiv nicht bemerkten. Dieklinischen Charakteristika ließen keine spezifische Sub-gruppe charakterisieren. Somit wird deutlich, dass eine nursymptombezogene Nachverfolgung eine wesentlicheÜberschätzung des Therapieerfolges bewirkt (8).

42 Kardioforum 1 | 2011

1500

1200

800

600

400

200

-130 -120 -110 -100 -90 -80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0Zeit (Sek.)

Interv. (ms)

ID# Art Datum Uhrzeit Dauer Max. V. Mittl. V. hh:mm hh:mm:ss Frequenz Frequenz

191 AF 07.09.2010 03:40 05:28:00 171 min-1 (350 ms) 133 min-1 (450 ms)

erkannt$

Abb. 3: Transtelefonisches Arrhythmie-Monitoring über einen Implantierbaren Loop-Recorder (ILR, Medtronic Reveal XT®) Neu aufgetretenes Vorhofflimmern. Oben: Darstellung der RR-Intervalle, zunächst stabil (Sinusrhythmus), dann verkürzt und absolut arrhythmisch (entsprechend der Tachyarrhythmia absoluta); unten: Entsprechende EKG-Registrierung

Auch von Janse konnte gezeigt werden, dass für dieEvaluation der Effektivität der Pulmonalvenenablation be-sondere EKG-Nachweiskontrollen erforderlich sind, da dasFehlen von Symptomen während der Nachverfolgungs-episode keine ausreichende Erfolgskontrolle darstellt. Beiobjektivem Rhythmusmonitoring waren vor Ablation 35 %von 244 Ereignissen asymptomatisch, nach der Ablationbei einem Rezidiv 65 % der Ereignisse (10).

Unter anderem diese Ergebnisse führten dazu, in wis-senschaftlichen Untersuchungen striktere Nachweisme-thoden zu etablieren. Für den Einsatz von Event-Recordernmit Telemonitoringfunktionen zur Kontrolle von Katheter-ablationsergebnissen liegen einige jüngere Studien vor.Möglicherweise trägt ja gerade diese für Patient und Arzteinfache Methode zur genaueren Qualitätseinschätzunginterventioneller Methoden bei.

So wurde mittels transtelefonischem EKG-Monitoringüber den ILR die Bedeutung der so genannten Blanking-Periode untersucht, einer 3-Monats-Periode nach Kathe-terablation von Vorhofflimmern. In diesem Zeitraum auf-tretende Rezidive werden nicht als Indikation für einen er-neuten Eingriff (Re-Do) gesehen. Es wurde gezeigt, dassatriale Arrythmien, in diesem Zeitraum zwar häufig waren,aber – solange es sich nicht um Vorhofflimmern handelte– keinen Indikator für einen Misserfolg der Ablation dar-stellten. Jedoch gaben unverändert häufige Vorhofflim-merattacken während dieser Blanking-Periode einen Hin-weis auf unzureichende Ablationsergebnisse (14).

Die Erfolge neuerer Ablationsenergieformen wie Kryo-ballon oder fokussierter Ultraschall werden ebenfall mit-tels Event-Recording überprüft. So konnte mit dieser Me-thode festgestellt werden, dass die Kryoballon-Ablation miteiner Gesamterfolgsrate von 55 % der RF-Ablation miteiner Rate von 45 % leicht überlegen war (13).

Der Erfolg der Katheterablation mit fokussiertem Ultra-schall über einen Ballonkatheter, mit derselben Methodekontrolliert, war vergleichbar mit dem einer RF-Katheter-Ablation (15).

Inwieweit die Telemonitoring-Funktion eines ILR durchdie von therapeutischen Systemen ersetzt werden kann,bleibt abzuwarten. Nach den Ergebnissen eines EuropeanSurvey zu aktiven implantierten Schrittmachern oder Defi-brillatoren werden bereits in bis zu 85 % der Zentren tele-monitorfähige Gerät implantiert, mit denen zu etwa 40 %auch Nachverfolgungsvisiten durchgeführt werden. (7)

Welche Arrhythmien gehen dem Vorhof-flimmern voraus und sind seine Auslöser?Der Einsatz von Event-Recordern und ILR eröffnet mit derkontinuierlichen Registrierung neue Möglichkeiten der Ar-rhythmie-Forschung. Es konnten spezifische Charakteris-tika von Vorhofflimmerrezidiven in Form von clusterhaftemAuftreten und Häufung ermittelt werden.(6) Es wurden in-

dividuell unterschiedliche Muster als auslösende Elemen-te des Vorhofflimmerns gefunden: Kurz-Lang-Intervall, Sinusbradykardie, Sinustachykardie oder auch normaler Sinusrhythmus sowie atriale Extrasystolen oder atriale Tachykardien (19).

In einer systematischen Studie an 271 Hochrisiko-Pos-tinfarkt-Patienten ohne vorheriges Vorhofflimmern wurdenmittels ILR abnorme Herzfrequenzvariabilität und abnormeParameter der sogenannten Herzfrequenzturbulenz (beidesind Indikatoren für eine Störung der kardialen autonomenRegulation) mit einem neu auftretenden Vorhofflimmernkorreliert gesehen. Diese ergänzten die konventionellenklinischen Risikovariablen (11).

Für die Erfassung kardialer Arrhythmien bei Postin-farktpatienten mit verminderter linksventrikulärer Ejekti-onsfraktion sind Standardregistrierungen oder periodische24-Stunden-Langzeit-EKG-Registrierungen nicht ausrei-chend. Die Inzidenz symptomatischer und asymptomati-scher kardialer Arrhythmien wurde über einen ILR im Rah-men der Cardiac Arrhythmias and Risk Stratification AfterMyocardial Infarction (CARISMA)-Studie überprüft. In 28 %der Fälle wurde neu auftretendes Vorhofflimmern nebenverschiedenen ventrikulären Tachykardien und AV-Blo-ckierungen registriert. Mit dieser systematischen Rhyth-musregistrierung an Hochrisiko-Postinfarktpatienten konn-ten neue Erkenntnisse zur prognostischen Bedeutung derArrhythmie gewonnen werden (2).

ZusammenfassungEvent-Recorder sind kleine, patientenaktivierte EKG-Gerä-te, meist mit Möglichkeit der Transtelefonübertragung. Im-plantierbare Loop-Recorder (ILR) ohne und mit Telemoni-toringfunktion ermöglichen ein kontinuierliches EKG-Mo-nitoring und patientenaktivierte oder automatische Ab-speicherung von Arrhythmien, die im Standard-EKG oder24-Stunden-EKG nicht ausreichend zu detektieren sind.

Etablierte Indikationen für beide Geräte sind Synkopenund Palpitationen unklarer Genese. Zunehmend etablierensich Indikationsbereiche von Event-Recordern und ILR fürdie Diagnostik bei Vorhofflimmern. Die Schwere dieser Ar-rhythmie wird damit unabhängig von ihrer Symptomatolo-gie erfasst. Denn auch asymptomatische Episoden kön-nen gleichwohl schwere kardioembolische oder andereKomplikationen verursachen. Für die zuverlässige Beurtei-lung der Erfolge rhythmusstabilisierender Maßnahmen,seien sie elektrophysiologisch-interventionell durch Ka-theterablation oder medikamentös erreicht, haben sichdiese Methoden ebenfalls bewährt.

Kardioforum 1 | 2011 43

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unterwww.kardioforum.com

Vorhofflimmern ist mit einer Prävalenzvon 0,4–1,0 % in der Gesamtbevöl-

kerung die bei weitem häufigste anhal-tende Herzrhythmusstörung. Dabei steigtdie Prävalenz parallel zum Lebensalter ex-ponentiell an: Für die Bevölkerungsgrup-pe der über 65-Jährigen sind 500 bis 600Erkrankungsfälle pro 100 000 Bevölke-rung wahrscheinlich (1). Für die Bundes-republik Deutschland ergibt sich damiteine Zahl von 400 000 bis 800 000 Er-krankter, womit die große medizinischeund sozioökonomische Bedeutung dieserHerzrhythmusstörung offenkundig ist.

In den vergangenen zwei Jahrzehntenwar das Vorhofflimmern Gegenstand in-tensiver Forschung. Im Fokus stehen inden letzten Jahren nicht-pharmakologi-sche Behandlungsverfahren (Katheterab-lationen). Die in den vergangenen Jahrendamit erreichten Fortschritte sind bemer-kenswert. Ziel einer Katheterablation vonVorhofflimmern ist die kurative Therapie,das heißt die dauerhafte Beseitigung derRhythmusstörung ohne Notwendigkeiteiner antiarrhythmischen Medikation oderSchrittmacherversorgung. Aufgrund derkomplexen Pathophysiologie des Vorhof-flimmerns, gekennzeichnet durch das pa-tientenspezifische Zusammenspiel vonArrhythmieinduktion („Trigger“) und Ar-rhythmieaufrechterhaltung („Substrat“),wurden unterschiedliche Ablationskon-

zepte entwickelt, modifiziert, ergänzt undbei Nachweis unzureichender Effektivitätbzw. hoher Komplikationsraten auch wie-der verlassen. Die Vorhofflimmerablationist eine komplexe Intervention, deren Er-gebnisse eng an die Erfahrung und dieExpertise des interventiven Elektrophy-siologen gebunden sind.

Bei vielen gegenwärtig eingesetztenAblationsstrategien wird ein dualer The-rapieansatz gewählt, der in unterschiedli-cher Ausprägung Elemente der „Trigger-Elimination“ und der „Substratmodifika-tion“ vereint. Das Wiederauftreten einerelektrischen Leitung nach initialer Isolati-on der Lungenvenen ist eine typische Ur-sache für Arrhythmierezidive (2).

Der Einsatz alternativer Kathetertech-nologien bei der Ablation von Vorhofflim-mern verfolgt primär den Ansatz, eineelektrisch vollständige Isolation der Lun-genvenen mit möglichst geringer Ablati-onsenergie zu erreichen. Zurzeit sind ver-schiedene Energiequellen wie Ultraschall,Lasertechnologie und Kryoenergie im Ein-satz, die sowohl endo- als auch epikardi-al eingesetzt werden können. Zum Errei-chen einer möglichst geringen Anzahl vonEnergie-Einzelapplikationen wurden tech-nische Konzepte in der Form eines Bal-lonsystems umgesetzt.

Im Folgenden soll über Technik und kli-nische Behandlungsergebnisse eines Bal-

Korrespondenzadresse:Johannes HeintzeKardiologische KlinikHerz- und Diabeteszentrum NRWUniversitätsklinik der Ruhr-Universität BochumGeorgstr. 11D-32545 Bad OeynhausenTel.: 05731 971327Fax: 05731 972123E-Mail: [email protected]

44 Kardioforum 1 | 2011

Kryoablation bei VorhofflimmernJohannes Heintze, Georg Nölker, Klaus Gutleben, Dieter Horstkotte, Jürgen Vogt

Abb. 1a: Arctic Front®-Ballon (innerer und äußerer Ballon)

Abb. 1b: Schemazeichnung des Arctic Front®-Bal-lons am Ostium der linken oberen Pulmonalvene

lonkathetersystems zur Ablation von Vorhofflimmern mit Kryo-energie (Arctic Front®) (Abb. 1a + b) berichtet werden. Die Kryo-läsionen erfolgen dabei über Dekompression von N2O im Ka-thetersystem, wobei Temperaturen von bis zu -75 °C erreichtwerden. Die Kühlung entsteht durch den Übertritt des N2O vonder flüssigen in die gasförmige Phase.

Die Kryoenergie hat im Vergleich zur Radiofrequenzenergieein sehr niedriges Nebenwirkungsprofil. Nach Einsatz von Kryo-energie wurden Pulmonalvenenstenosen zur Isolation der Lun-genvenen bisher ebenso wenig wie Fisteln zwischen linkem Vor-hof und Ösophagus beschrieben. Im Tierversuch zeigt sich nachKryoablation ein weitgehend intaktes Endothel, was auch die ge-ringere Inzidenz thrombembolischer Komplikationen erklärt (3).

MethodikAufgrund der Erfahrungen mit den Komplikationen der Hochfre-quenzstromablation von Vorhofflimmern (Pulmonalvenen -stenosen, linksatriales Flattern, ösophagolinksatriale Fisteln) be-handeln wir paroxysmales Vorhofflimmern bereits seit Jahrendurch Kryoenergie-Ablationen. Die ersten Generationen vonKryokathetern zeigten allerdings nur wenig befriedigende Er-gebnisse aufgrund kleiner Läsionen und geringer Eindringtiefe.Ende 2005 brachte die Firma Cryocath ein Kryoballonkatheter-system mit deutlich besserer „cooling power“ auf den Markt(Arctic Front®, Abb. 2a–d). Seit dieser Zeit wird das System zurBehandlung von paroxysmalem Vorhofflimmern von uns erfolg-reich eingesetzt.

Die Behandlung wird sowohl Patienten mit paroxysmalemVorhofflimmern (idealerweise kurze Paroxysmen) als auch Pa-tienten mit persistierendem Vorhofflimmern angeboten, beidenen vor kurzem noch typisches paroxysmales Vorhofflimmernbestanden hat. Wir akzeptieren Patienten mit idiopathischemVorhofflimmern, arteriellem Hypertonus oder geringgradigenstrukturellen Herzerkrankungen. Der linke Vorhof sollte kleinerals 29 mm/m² Körperoberfläche sein. Vorhofflimmern bei Pa-tienten mit wesentlicher struktureller Grunderkrankung und/oderdeutlich dilatierten linken Vorhöfen ist in aller Regel durch allei-nige Pulmonalvenenisolation nicht kurativ behandelbar.

Nach stationärer Aufnahme wird das therapeutische Vorge-hen eingehend mit den Patienten auch anhand von Schrift- undBildmaterial diskutiert. Im Falle der Entscheidung für die Kryo-ballonablationsbehandlung mit dem Arctic Front®-Katheter er-folgt eine kardiale Bildgebung zur Charakterisierung der links-atrialen Anatomie und besonders der Anatomie der Pulmonal-venenostien. In zeitlicher Nähe zur eigentlichen Ablation erfolgtauch bei Patienten mit effektiver Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA – Ziel-INR in aller Regel 2,5) eine transöso-phageale Echokardiographie zum sorgfältigen Ausschluss links-atrialer Thromben. Im Falle des Nachweises intrakardialerThromben oder bei nicht zweifelsfreiem Thrombenausschlusswird von der geplanten Ablationsbehandlung zu diesem Zeit-punkt Abstand genommen.

Nach zweimaliger transseptaler Punktion wird unter dem

Kardioforum 1 | 2011 45

Abb. 2a: Deflatierter Arctic Front®-Ballon

Abb. 2b: Inflatierter Arctic Front®-Ballon

Abb. 2c: Flex Cath-Schleuse für den Arctic Front®-Ballon

Abb. 2d: Kryokonsole mit N2O-Tank

Schutz eines Inoue-Drahtes zunächst eine 12-F (äußererDurchmesser 15 F) Flexcath-Schleuse der Firma Cryocath(CryoCath Technologies, Montreal, Kanada) sowie eine 8 FSR0-Schleuse der Firma SJM (St. Paul, Minnesota, USA)durch das interatriale Septum in den linken Vorhof vorge-bracht. Zunächst erfolgt eine Angiographie der Pulmonal-venenostien. Korrespondierend zu den dabei bestimmtenPulmonalvenendurchmessern erfolgt die Auswahl des Dia-meters des Arctic Front®-Kathetersystems (Abb. 3a + b).Arctic Front®-Ballonkatheter sind in den Durchmessern 23und 28 mm verfügbar.

Während der Prozedur erfolgt zunächst eine ACT-ge-steuerte (angestrebte ACT-Werte > 350 Sekunden) anti-

thrombotische Therapie mit unfraktioniertem Heparin.Nachdem der Arctic Front®-Ballonkatheter in den linkenVorhof eingebracht ist, wird zunächst die linke obere Pul-monalvene intubiert. Der inflatierte Arctic Front®-Ballonwird an das Ostium der Pulmonalvene gepresst und zurStabilisierung ggf. mit der Schleuse unterstützt. Den Gradder Okklusion überprüfen wir durch eine Kontrastmittelin-jektion an der Katheterspitze des Ballonkathetersystems.So können Fehllagen des Ballons z. B. an der Mündungdes linken Vorhofohres ausgeschlossen werden. Nur imFalle einer guten Okklusion des Pulmonalvenenostiums er-folgt die Kryoenergieapplikation. (Abb. 4a + b)

Pro Vene werden initial zwei Kryoimpulse über jeweilssechs Minuten appliziert. Im Anschluss daran erfolgt einAustasten der Pulmonalvenenostien mit Lassokathetern.Bei völligem Verschwinden von Muskelsignalen in den Pul-monalvenen (unidirektionaler Block) gehen wir von einerprimär erfolgreichen Isolation der Pulmonalvene aus, waswir als Endpunkt akzeptieren. Im Falle von persistierendenMuskelsignalen erfolgen weitere Ablationen mit demArctic Front®-Ballon (ggf. mit einem anderen Ballondiame-ter). Alternativ besteht die Möglichkeit, einen konventio-nellen Kryoablationskatheter (Freezor Max® der FirmaCryocath mit einer 8-mm-Spitze) einzusetzen. Mit diesemKatheter werden lassogesteuert Muskelsignale im Sinneeiner diskreten Ostiumablation eliminiert. Ziel der Ablati-onsbehandlung ist die elektrische Isolation sämtlicher Pul-monalvenenostien.

Nach Beendigung der Ablationstherapie werden die Pa-tienten für etwa zwölf Stunden überwacht. Bei Patienten,bei denen noch keine Antikoagulation mit VKA eingeleitetworden war, wird diese nach der Ablationsbehandlungüberlappend mit einem niedermolekularen Heparinpräpa-rat begonnen (INR-Zielwert 2,5). Eine vor der Ablation er-folglose antiarrhythmische Therapie wird zunächst bis zurersten postinterventionellen Untersuchung nach drei Mo-naten fortgesetzt.

Im Follow-up stellten sich die Patienten routinemäßignach drei, sechs und zwölf Monaten ambulant in unseremHause vor. Neben Anamnese, klinisch/kardiologischer Un-tersuchung und der Registrierung eines Ruhe-EKGs wer-den zur Verlaufsbeobachtung auch bei asymptomatischenPatienten jeweils Sieben-Tage-Langzeit-EKGs angelegt.Vermutete ein Patient zwischenzeitlich subjektiv ein Rezi-div seines Vorhofflimmerns, so ist er aufgefordert, sichauch außerhalb der vereinbarten Kontrollzeitpunkte jeder-zeit ambulant bei uns vorzustellen. Gelingt dabei keine Do-kumentation von Rhythmusstörungen, wird der Patient miteinem Event-Recorder versorgt.

Klinische ErgebnisseAkute Pulmonalvenenisolation

Von September 2005 bis Ende 2010 wurden in unserem

46 Kardioforum 1 | 2011

Abb. 3a: Angiogramm der linken oberen Pulmonalvene

Abb. 3b: Angiogramm der rechten unteren Pulmonalvene

Hause 466 konsekutive Patienten mit symptomatischem,medikamentös therapierefraktärem, ganz überwiegend pa-roxysmalem Vorhofflimmern einer Pulmonalvenen-Kryo-isolation mit dem Arctic Front®-Ballonkatheter system zu-geführt. Bei 24 Patienten lag persistierendes Vorhofflim-mern vor, welches nachweislich aus typischem paroxys-malem Vorhofflimmern hervorgegangen war. Die übrigen442 Patienten litten an paroxysmalem Vorhofflimmern miteiner überwiegenden Anfallsdauer von wenigen Stunden.Die Dauer der Anamnese des Vorhofflimmerns betrug imMittel 74 ± 67 Monate, und die Patienten waren bis zumAblationszeitpunkt im Mittel mit 3 ± 2 Antiarrhythmika be-handelt worden. Kein Patient hatte länger als sechs Mo-nate anhaltendes Vorhofflimmern. Die überwiegend männ-lichen Patienten (308 Männer, 158 Frauen) mit einem mitt-leren Lebensalter von 59 ± 11 Jahren litten vor allem anidiopathischem Vorhofflimmern (n = 210) oder wieseneinen arteriellen Hypertonus auf (n = 189). Bei 67 Patientenlag eine wenig ausgeprägte strukturelle kardiale Grunder-krankung vor. Hierbei handelte es sich vor allem um Pa-tienten mit einer koronaren Herzerkrankung, bei denenzum Zeitpunkt der Intervention keine behandlungsbedürf-tigen Stenosen nachgewiesen waren. Der linksatrialeDurchmesser betrug im Mittel 43 ± 5 mm.

Es gelang beim Ersteingriff, alle zur Isolation angegan-genen Pulmonalvenen auch tatsächlich zu isolieren (428Patienten mit gewöhnlicher Pulmonalvenenanatomie, 38Patienten mit gemeinsamem linkem Ostium). Bei 413 Pa-tienten war eine Isolation sämtlicher Pulmonalvenen unteralleiniger Verwendung des Arctic Front®-Ballons mit imMittel 2,4 ± 1 Impulsen pro Vene möglich. Bei den übrigen53 Patienten wurde für mindestens eine Vene die im Me-

thodenteil geschilderte Hybridtechnik unter Verwendungdes Freezor Max®-Katheters eingesetzt. Bei den letzten413 konsekutiven Patienten gelang generell die Isolationaller Pulmonalvenen nur mit dem Arctic Front®-Ballon,weswegen wir im weiteren Verlauf auf die Platzierungeiner zweiten transseptalen Schleuse verzichtet haben.Bei 217 dieser Patienten (53 %) war der Einsatz nur einerBallongröße (93 x 28 mm, 124 x 23 mm) ausreichend. Bei196 Patienten (47 %) erforderte die Isolation aller vier Pul-monalvenen den Einsatz von zwei Ballongrößen.

Die mittlere Untersuchungsdauer betrug 169 ± 46 Mi-nuten und die mittlere benötigte Durchleuchtungszeit 28,5± 12 Minuten. Bei den ersten 50 Patienten betrug die mitt-lere Untersuchungsdauer 230 ± 47 Minuten im Vergleichzu 144 ± 33 Minuten bei den letzten 200 Patienten. Eben-so wie die Untersuchungsdauer konnte mit zunehmenderErfahrung auch die Durchleuchtungsdauer von 42 ± 19 Mi-nuten auf 23 ± 8 Minuten reduziert werden.

Periinterventive Komplikationen

Trotz regelhafter Durchführung der Pulmonalvenenisolati-on mit dem Arctic Front®-Ballonkathetersystem unter Fort-führung der oralen Antikoagulation mit VKA (Ziel-INR 2,5,Korridor 2,0–3,0) war die häufigste Komplikation in diesemKollektiv eine Parese des rechten Nervus phrenicus, die inzeitlichem Zusammenhang mit der Isolation der rechtenoberen Pulmonalvene bei elf Patienten auftrat (2,3 %). Inneun Fällen erfolgte die Isolation mit einem Arctic Front®-Ballon mit einem Durchmesser von 23 mm und in zwei Fäl-len mit einem Durchmesser von 28 mm. Die Patientenzeigten sich im Verlauf moderat symptomatisch mit Be-lastungsdyspnoe erst bei höhergradigen Belastungsstu-

Kardioforum 1 | 2011 47

Abb. 4a: Komplette Okklusion der linken oberen Pulmonalvene miteinem Arctic Front®-Ballonkatheter mit einem Durchmesser von23 mm bei Kontrastmittelinjektion

Abb. 4b: Komplette Okklusion der schwierig zu erreichenden rech-ten unteren Pulmonalvene mit einem 23 mm-Arctic Front®-Ballonbei Kontrastmittelinjektion

fen. Bei allen Patienten war die rechts-seitige Phrenicusparese innerhalb einesZeitraums von drei bis neun Monatenkomplett reversibel, wie eine im Rahmender jeweiligen ambulanten Wiedervor-stellungen durchgeführte Röntgendurch-leuchtung belegte. Zusätzlich trat wäh-rend der Prozedur bei 15 Patienten einetransiente (bis zur Beendigung der Pro-zedur komplett reversible) Parese desrechten Nervus phrenicus auf. Eine per-manente Phrenicusparese konnte dabeidurch inzwischen fest etablierte Stimula-tionsmanöver bei der Isolation der rech-ten oberen Pulmonalvene verhindert wer-den. Wir beobachteten zwei Schlaganfäl-le (die neurologischen Ausfälle erwiesensich bis zur Entlassung der Patienten alskomplett reversibel), eine Perikardtam-ponade sowie zwei asymptomatischePulmonalvenenstenosen (die wir der Ma-nipulation mit dem Draht zur Positionie-rung des Ballons und nicht der Kryoener-gie zuschreiben). Eine ösophago-atrialeFistel beobachteten wir in unserem Kol-lektiv nicht. Als neue Komplikation beob-achteten wir bei acht Patienten Hämop-tysen bei Ödem/Hämatom um einzelnePulmonalvenen im Thorax-CT. Die Hä-motpysen sistierten in allen Fällen trotzlaufender und nicht unterbrochener the-rapeutischer Antikoagulation innerhalbweniger Tage.

Nachbeobachtungsergebnisse

im Gesamtkollektiv

Für 404 Patienten lag der Eingriff Ende2010 mehr als drei Monate zurück. Für 22Patienten war eine Nachbeobachtungnicht verfügbar. 382 Patienten wiesen einmittleres Follow-up von 20 ± 15 Monatenauf. Von diesen zeigten 286 (71 %) Pa-tienten nach dem Ersteingriff im Verlaufklinisch und mit wiederholten 7-Tage-Langzeit-EKGs kein Vorhofflimmerrezidiv.Bei der Kontrolle zum Dreimonats-Follow-up wurden die vor der Pulmonalvenen-isolation dokumentiert ineffektiven spezi-fischen Antiarrhythmika wie geplant ab-gesetzt. 37 Patienten (9 %) zeigten nach„Redo-Eingriffen“ im weiteren Verlaufebenfalls keine Vorhofflimmer-Rezidivemehr. In jedem Fall fand sich eine Erho-

lung der während des Ersteingriffs effek-tiv abladierten Muskelsleeves im Ostiummindestens einer Pulmonalvene. Danachhat die Pulmonalvenenisolation zur Trig-gerelimination in unserem Patientenkol-lektiv mit ganz überwiegend paroxysma-lem Vorhofflimmern mit einem mittlerenFollow-up von 20 ± 15 Monaten nach imMittel 1,1 Eingriffen pro Patient eine Ef-fektivität (Freiheit von Vorhofflimmern)von 80 %. Zahlreiche weitere Patientenzeigten trotz im Follow-up dokumentierterVorhofflimmerrezidive klinisch eine Bes-serung ihrer Symptomatik und wünschtenkeinen Re-Eingriff zur Pulmonalveneniso-lation, so dass die klinische Effektivität derVorhofflimmerablation mittels ArcticFront®-Ballonsystem über 80 % liegt.

Das Follow-up der Patienten mit per-sistierendem Vorhofflimmern wurdeidentisch wie bei den Patienten mit par -oxysmalem Vorhofflimmern durchge-führt. Wie bereits aus früheren Serien be-kannt ist, lag die Effektivität der Vorhof-flimmerablation mittels Arctic Front®-Bal-lonsystem in diesem Patientenkollektivdeutlich unter derjenigen bei Patientenmit paroxysmalem Vorhofflimmern undkonnte 40 % nicht übersteigen.

DiskussionDie vorliegende Untersuchung belegt dietechnische Durchführbarkeit und thera-peutische Effektivität einer Kryoballon-Pulmonalvenenisolation bei Vorhofflim-mern mit dem Arctic Front®-Ballonsys-tem. An diesem Patientenkollektiv mitganz überwiegend paroxysmalem Vor-hofflimmern konnten wir zeigen, dass eszumindest mit der Kombination aus ArcticFront®-Ballon und einem konventionellenKryo-Elektrophysiologie-Katheter mit 8-mm-Spitze (Freezor Max®) während nureiner Katheterbehandlung möglich ist,sämtliche angegangenen Pulmonalveneneffektiv zu isolieren.

Während einer mittleren Nachbeob-achtungszeit von im Mittel bis zu 20 Mo-naten konnte bei 71 % der so behandel-ten Patienten ein konstanter Sinusrhyth-mus, d. h. eine rezidivfreie Beseitigungdes Vorhofflimmerns mit einer einzelnenAblationsbehandlung, erzielt werden.

48 Kardioforum 1 | 2011

Weitere 9 % der Patienten zeigten nachdurchgeführten „Redo-Eingriffen“ Rezi-divfreiheit, so dass nach im Mittel 1,1 Ein-griffen pro Patient nach drei Monaten80 % der Patienten unseres Kollektivesohne spezifische antiarrhythmische The-rapie rezidivfrei blieben. Damit entspre-chen die Ergebnisse der Kryoballonisola-tion denen der Radiofrequenzablation.

Die vergleichende Analyse unter-schiedlicher linksatrialer Ablationsstrate-gien zeigt die höchste Erfolgsrate, wennvollständig isolierende Linien bei der zir-kulären Isolation der Lungenvenenostienin einiger Entfernung vom Ostium ange-legt wurden (2). Die komplette elektri-sche Isolation der Pulmonalvenen korre-liert dabei mit einer klinischen Erfolgsra-te von 75–95 % (4). So berichten Ouyanget al. über ein Patientenkollektiv von 41Patienten mit paroxysmalem Vorhofflim-mern, bei denen eine vollständige Isolati-on der Lungenvenen angestrebt wurde.In Verbindung mit elektroanatomischemMapping erfolgte dabei die Platzierungvon zwei 10-polaren Lassokathetern indie beiden ipsilateralen Pulmonalvenen(„Doppel-Lasso-Technik“). Die ostial plat-zierten Lasso-Katheter dienen zur zusätz-lichen topographischen Orientierung undzur sofortigen Kontrolle des Ablationser-gebnisses. Nach der ersten Ablationergab sich mit „Doppel-Lasso-Technik“eine Erfolgsrate von 75 % (4). Die in die-ser Studie durchgeführten invasiven Kon-trollen bei Patienten mit Vorhofflimmer-rezidiven belegten die Bedeutung erneutaufgetretener elektrischer Leitung aus ini-tial isolierten Pulmonalvenen als Ursachevon Vorhofflimmerrezidiven (2).

Verschiedene publizierte Serien mitgeringerer Patientenzahl (5–8) zeigenähnlich hohe akute Erfolgsraten der Kryo-ballon-Pulmonalvenenisolation zwischen91 und 99 % der angegangenen Venen.Die initial langen Prozedur- und Durch-leuchtungszeiten sind ebenso wie in un-serem Kollektiv einer eindrucksvollenLernkurve unterworfen (5). Ähnlich wiebei unseren Patienten konnte mit einerdreimonatigen „blanking period“ eine Re-zidivfreiheit bei 70 % (7) der Patienten er-reicht werden. Bei einem kleinen Patien-

tenkollektiv mit einer relativ kurzen Vor-hofflimmeranamnese und nicht vergrö-ßerten linken Vorhöfen wurde nach 1,1Prozeduren pro Patient nach sechs Mo-naten eine Erfolgsrate von 90 % be-schrieben (6). Nicht entschieden ist bis-her die Frage, ob der alleinige Einsatz des28-mm-Arctic Front®-Ballons (7) Vorteilegegenüber dem Einsatz des 23-mm-Ballons oder eines kombinierten Einsat-zes zur sicheren Isolation kleinerer Pul-monalvenen (8) bietet.

In allen bisher publizierten Serien (5–8) stellt die rechtseitige Phrenicusparesedie häufigste Nebenwirkung bei der Pul-monalvenenisolation mit dem ArcticFront®-Ballonkatheter dar. Die Inzidenzwird zwischen 5 und 14 % angegeben.Es bleibt abzuwarten, inwieweit hier eineReduktion durch Vermeidung der Isolati-on der rechten oberen Pulmonalvene miteinem 23-mm-Ballon oder durch Stimula-tionsmanöver erreicht werden kann.

Bei Patienten mit persistierendem Vor-hofflimmern sollten Ablationsmethodenmit dem Ziel der Substratmodifikationdes linken Vorhofes im Vordergrund ste-hen. Willems et al. (9) konnten in einerrandomisierten Untersuchung die Über-legenheit einer linksatrialen Substratmo-difikation durch zusätzlich zur segmenta-len Pulmonalvenenisolation angelegte li-neare Läsionen am Dach des linken Vor-hofes zwischen den oberen Pulmonalve-nen und am linken Isthmus (zwischen lin-ker unterer Pulmonalvene und dem Mi -tralanulus) im Vergleich zur alleinigen seg-mentalen Pulmonalvenenisolation doku-mentieren. Nach einem Follow-up von imMittel 487 (429–570) Tagen bestand nurbei 20 % der Patienten mit alleiniger Pul-monalvenenisolation Sinusrhythmus,während sich in der Patientengruppe mitzusätzlichen linearen Läsionen 69 % derPatienten im Sinusrhythmus befanden. Inunserem Kollektiv konnten wir durch al-leinige Pulmonalvenenisolation ebenfallseine Rezidivfreiheit von lediglich 36 %zeigen, sodass unseres Erachtens eineAblation mit dem Arctic Front®-Ballonka-thetersystem bei Patienten mit persisi-tierendem Vorhofflimmern nicht empfoh-len werden sollte.

Kardioforum 1 | 2011 49

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unter www.kardioforum.com

Die interventionelle Elektrophysiologiehat in den vergangenen Jahren große

Veränderungen erlebt. Weiterentwicklun-gen im Bereich der Kathetertechnologie,dreidimensionale Mappingsysteme sowieSchleusentechnologien haben dazu ge-führt, dass die Ablationstherapie durch re-produzierbare Erfolgsraten und über-schaubare Komplikationsrisiken bei einerVielzahl von Herzrhythmusstörungeneiner medikamentösen Therapie überle-gen ist. Bei vereinzelten Arrhythmien wiezum Beispiel der unaufhörlichen Kam-mertachykardie stellt sie inzwischen einealternativlose Therapieform dar.

Ziel der Ablationstherapie ist die Un-terbrechung von elektrischen Leitungs-wegen durch die Schaffung von kontinu-ierlichen und transmuralen Läsionen.Diese Läsionsbildung wird wesentlichvom Katheter-Gewebe-Kontakt be-stimmt. Ein unzureichender Kontakt führtzu ineffektiven Läsionen, die die Erfolgs-rate der Therapie bestimmen. Ein exzes-siver Kontakt hingegen erhöht wesentlichdas Komplikationsrisiko im Sinne einerMyokardverletzung bzw. Verletzung be-nachbarter Strukturen.

Die Evaluierung des Kontakts ist heuteein subjektives Puzzle aus taktiler Rück-koppelung, fluoroskopischen Informatio-nen und Elektrogrammkriterien. Die Be-stimmung der lokalen Reizschwelle bzw.die Visualisierung des Katheters durch in-trakardialen Ultraschall können zusätzli-che Informationen liefern. Insgesamtstellt die Erfahrung des Untersuchers je-doch den wesentlichen Faktor dar.

Mit Hilfe einer objektiven Kontaktmes-sung könnte die Läsionsgröße bzw. dieTransmuralität der Läsion vorhergesagtbzw. könnten die Ablationsparameter(Ablationsenergie und Dauer) entspre-chend angepasst werden.

Aus diesem Grund wurden in den letz-ten Jahren zunehmend Technologien zurobjektiven Kontaktmessung entwickelt.Zum einen existieren Ansätze, den me-chanischen Kontakt zwischen Katheter-spitze und Zielgewebe zu messen. Zumanderen publizierten bereits 2008 Oku-mara und Kollegen über erste Erfahrun-gen mit einem im robotischen Hansen-System implementierten mechanischenKontaktsystem (1). Professor Kuck undKollegen berichteten kürzlich über eine fi-beroptische Kontaktmessung, die auf dreiLichtleiter-Drähten basiert und axiale undlaterale Kräfte messen kann (2). Die drit-te interessante auf mechanischer Mes-sung basierende Kontakttechnologiestellt die sogenannte „Smart-Touch“-Technologie dar, bei der ebenfalls axialeund laterale Kräfte gemessen werden,diese jedoch zusätzlich mit Hilfe einesVektors in einem 3-D-Mapping-System vi-sualisiert werden.

Ein gänzlich anderer Ansatz ist dieMessung des elektrischen Kontaktesüber einen lokalen Widerstand (Ensite-Contact®-System) (Abb. 1). Hierzu wirdein schwacher Strom appliziert. Die Spit-ze eines Standard-Katheters stellt hierbeidie Anode, eine Klebeelektrode am Pa-tienten die Kathode dar. Wird nun übereine dritte, möglichst entfernt liegendeElektrode der Widerstand gemessen,kann hierbei der lokale Widerstand zwi-schen Katheterspitze und Zielgewebe be-rechnet und im 3-D-Mapping-System dar-gestellt werden.

Diese impedanzbasierte Kontakttech-nologie wurde im Rahmen zweier Studi-en untersucht. Zunächst erfolgte im Jahr2008 eine Validierungsstudie. Hierbeikonnte an zunächst 12 Patienten gezeigtwerden, dass dieser lokale Widerstands-Index, der sogenannte electrical coupling

Korrespondenzadresse:Dr. med. Thomas GasparHerz- und Gefäß-Klinik GmbH Bad NeustadtKlinik für interventionelle ElektrophysiologieSalzburger Leite 197616 Bad Neustadt/SaaleTel.: 09771 66-5128Fax: 09771 [email protected]

50 Kardioforum 1 | 2011

Neue Technologien in der interventionellen Elektrophysiologie

Thomas Gaspar und Christopher Piorkowski

Index (ECI), mit beeindruckender Genau-igkeit Informationen über den Grad desKatheter-Gewebe-Kontaktes liefert (97%Spezifität, 94,5 % Sensitiviät sowieeinem positiven prädiktiven Wert von99,2 % bezüglich Diskriminierung einerKontakt- von einer Nicht-Kontakt Positi-on) sowie mit der Läsionsgröße korreliertund unabhängig von Katheterorientierungbzw. Gewebeart ist (3).

Im Jahr 2009 erfolgte eine zweite pro-spektiv randomisierte Validierungs-Stu-die. Hierbei wurden 40 Patienten mit In-dikation zur Vorhofflimmerablation in zweiVersuchsarme randomisiert. PrimärerEndpunkt dieser Studie war der Einflussder ECI-Technologie auf die Pulmonalve-nenisolationsrate. Es zeigte sich, dassder Einsatz des ECI zu einer signifikanthöheren primären Isolationsrate in Ver-bindung mit einer signifikanten Redukti-on der Durchleuchtungszeit sowie der zu-sätzlichen Impulsabgaben zur Komplet-tierung der Ablationslinien führt (4).

Zusammenfassend zeigt sich einedeutliche Dynamik auf dem Feld der„Kontakt-Technologien“. Alle hier darge-stellten Methoden haben inzwischen dieklinische Reife erreicht. Die Wahl der je-weiligen Technologie wird u. a. durch diePräferenz des Untersuchers, die Verfüg-barkeit, den klinischen Nutzen sowienicht zuletzt durch ökonomische Überle-gungen gesteuert. Ein Vorteil der impe-danzbasierten Kontaktmessung ist die li-mitierte Anforderung an zusätzliche Aus-rüstung.

Neben der objektiven Messung ist je-doch das Erreichen des Katheter-Gewe-be-Kontakts entscheidend. Bei der Abla-tion von kardialen Arrhythmien wird diesdurch das Arbeiten am bewegten Organmit eingeschränktem Zugangsweg sowiekomplexer Anatomie erschwert.

Bereits früh wurden daher langeSchleusensysteme entwickelt, um dieStabilität des Katheters zu unterstützen.Nichtsdestotrotz stellte und stellt u. a. dieAblation von Vorhofflimmern eine hoheAnforderung an den Untersucher und dasMaterial dar. Durch den anatomischenZugang via transseptaler Punktion kanndie Ablation in einzelnen Regionen äu-

ßerst schwierig sein (Abb. 2). Bereits 2007 untersuchten wir den

Einfluss einer steuerbaren Schleuse aufdie Effektivität und Sicherheit bei der Vor-hofflimmerablation im Rahmen einer re-trospektiven Fall-Kontroll-Studie. Hierbeizeigte sich eine signifikante Überlegen-heit bezüglich Rhythmusstabiliät vergli-chen mit einer nicht steuerbaren Schleu-se (5).

Die Daten dieser Studie und die klini-sche Evidenz veranlassten uns, eine ran-domisierte prospektive Studie durchzu-führen. Hierin wurden 130 Patienten mittherapierefraktärem paroxysmalem oderpersistierendem Vorhofflimmern und In-dikation zur katheterinterventionellenTherapie in zwei Zentren randomisiert.Zehn Elektrophysiologen mit unter-schiedlichem Erfahrungsniveau führtenhierbei entsprechend der Randomisie-rung eine Ablation mit einer nichtsteuer-baren bzw. einer steuerbaren Schleusedurch. Der Therapieerfolg wurde mittelsserieller 7-Tage-LZ-EKG-Aufzeichnung –drei bzw. sechs Monate nach der Inter-vention – sowie durch die Erfassung vonklinischen Rezidiven dokumentiert. Diebereits im Rahmen der retrospektivenAnalyse gezeigten Ergebnisse konntennochmals bestätigt werden. Die Rate anFreiheit von Vorhofflimmern bzw. atypi-schem Vorhofflattern nach einmaligemEingriff war signifikant höher in der mitder steuerbaren Schleuse behandeltenGruppe (78 % vs. 55 % nach drei Mona-ten bzw. 76 % vs. 53 % nach sechs Mo-naten, p=0,008). Zudem konnte eine sig-nifikante Verkürzung der Fluoroskopiezeitnachgewiesen werden (33+/–14 min vs.45+/–17 min, p<0,001). Ein Unterschiedin der Komplikationsrate zeigte sich nicht(3,2 % vs. 5 %, p=0,608) (6).

Diese Ergebnisse bestärkten unsdarin, nicht nur linksatriale Ablationspro-zeduren mit Unterstützung der steuerba-ren Schleuse durchzuführen, vielmehrwird diese Technologie in unserem Zen-trum zunehmend bei der Behandlung vonventrikulären Tachykardien, akzessori-schen Leitungsbahnen sowie in Einzel-fällen auch bei komplexen Ablationen imBereich des rechtsatrialen Isthmus sowie

Kardioforum 1 | 2011 51

Dr. med. Thomas Gaspar arbeitetezwischen 2005 und März 2011 amHerzentrum Leipzig in der Abteilungfür Elektrophysiologie unter der Lei-tung von Prof. Dr. G. Hindricks. Indieser Zeit hat er gemeinsam mitPD Dr. Christopher Piorkowski eineVielzahl an klinischen und präklini-schen Studien durchgeführt bzw.begleitet. Schwerpunkt der For-schung war vor allem die interven-tionelle Therapie von Vorhofflim-mern mit dem Focus der Bildinte-gration und technischen Weiterent-wicklung. Zudem fokussierten diebeiden Ärzte ihre Forschung auf dieBehandlung der Herzinsuffizienz,hierbei insbesondere durch unter-stützende Systeme wie die kardialeResynchronisations-Therapie. Zum01.04.2011 wurde Herrn PD Dr.Piorkowski die Stelle als Chefarztder Klinik für interventionelle Elek-trophysiologie in der Herz- undGefäß-Klinik Bad Neustadt angebo-ten. Dr. Gaspar unterstützt ihn seitdem 01.04. am neuen Standort undhat dort die Stelle eines Oberarztesinne.

Dr. med. Thomas Gaspar

PD Dr. Christopher Piorkowski

bei AV-Knoten-Reentry-Tachykardien mit komplexer Ana-tomie und schwierigem Zugang eingesetzt.

Zusammenfassung: Die Indikationsstellung zur invasiven elektrophysiologi-schen Therapie unterliegt einem ständigen Wandel. Kon-ventionelle Ablationen werden zunehmend durch Ablatio-nen „komplexer“ Rhythmusstörungen bei Patienten miterheblicher Komorbidität verdrängt. Verbunden hiermit isteine steigende Herausforderung an Untersucher und ein-gesetzte Technologie. Neben dem ständigen Training un-serer Fähigkeiten sowie Streben nach Verständnis der Pa-thologien obliegt es unserer Verantwortung, die Technolo-

gien weiterzuentwickeln um eine optimale Versorgung un-serer Patienten zu gewährleisten.

Im Bereich der Kontakttechnologie erwarten wir einediffizilere Analyse, weg von reiner Kontakt/Kein-Kontakt-Diskriminierung hin zu intelligenten Gewebeanalysen (vi-tales/avitales Myokard) mit entsprechender Adaptation derapplizierten Energie und Anpassung der Ablationssche-mata („Smart-Lesion-Techno logie“). Durch die Visualisie-rung von (steuerbaren) Schleusen im 3-D-Mapping-System bzw. Entwicklung multidimensionaler Steuerun-gen ist eine Steigerung der Versorgungsqualität und Si-cherheit zu erwarten.

52 Kardioforum 1 | 2011

Abb. 1: Darstellung des elektrischen Kontakt-Indikators im 3-D-Mapping System. Auf der rechten Seite ist eine rechts schräge, auf der lin-ken eine links schräge Projektion des linken Vorhofs zu sehen. Die Lungenvenen sind zur besseren Visualisierung abgeschnitten. Die rotenPunkte zeigen die zirkuläre Ablationslinie um die linken Lungenvenen. An der Spitze des Ablationskatheters ist das Maß des elektrischenKontaktes mit Hilfe des Sternsymbols dargestellt. Dieses Symbol wird farblich dem Grad des Kontaktes angepasst. Ein grüner Stern indi-ziert einen guten Kontakt, ein extensiver Kontakt wird durch eine Farbveränderung in den roten Bereich veranschaulicht. Im Falle eines Kontaktverlustes verschwindet der Stern. Im unteren Teil der Abbildung wird der Kontakt im Zeitverlauf dargestellt.CS: Coronarsinuskatheter; Abl: Ablationskatheter, RAO: right anterior oblique, LAO: left anterior oblique, #: Darstellung des Kontaktniveausim zeitlichen Verlauf

Literatur

(1) Okumura Y, Johnson SB, Bunch TJ, Henz BD, O'Brien CJ, Packer DL. A systematical analysis of in vivo contact forces on virtual cathe-ter tip/tissue surface contact during cardiac mapping and intervention. J Cardiovasc Electrophysiol. 2008 Jun;19(6):632–40

(2) Kuck et al., Data presented at HRS 2009

(3) Piorkowski C, Sih H, Sommer P, Miller SP, Gaspar T, Teplitsky L, Hindricks G. First in human validation of impedance-based catheter tip-to-tissue contact assessment in the left atrium. J Cardiovasc Electrophysiol 2009; 20:1366–73

(4) Gaspar et al., data submitted

(5) Piorkowski C, Kottkamp H, Gerds-Li JH, Arya A, Sommer P, Dagres N, Esato M, Riahi S, Weiss S, Kircher S, Hindricks G. Steerable sheath catheter navigation for ablation of atrial fibrillation: a case-control study. Pacing Clin Electrophysiol 2008; 31:863–73

(6) Piorkowski C, Eitel C, Rolf S, Bode K, Sommer P, Gaspar T, Kircher S, Wetzel U, Parwani AS, Boldt LH, Mende M, Bollmann A, HusserD, Dagres N, Esato M, Arya A, Haverkamp W, Hindricks G. Steerable versus nonsteerable sheath technology in AF ablation: a prospectiverandomized study. Circ Arrhythm Electrophysiol. 2011

Kardioforum 1 | 2011 53

Abb. 2: Fluoroskopie der Herzens während einer Vorhofflimmerablation. Die steuerbare Schleuse wurde über eine transseptale Punktion inden linken Vorhof vorgebracht. Durch ein Steuerrad am Schleusengriff wurde sie in Richtung linke untere Lungenvene gebogen, um einenoptimalen Zugang für den Ablationskatheter zu gewährleisten. CS: Coronarsinuskatheter, RVA: Katheter in der Spitze des rechten Ventrikels, RAO: right anterior oblique

Blutdruckmessungen gehören für Ärzte zum täglichenHandwerk. Am Tag werden diese meist nach der Riva-

Rocci-Methode am Oberarm durchgeführt. Gerade wäh-rend der Nacht – im Schlaf – zeigen sich massive Proble-me. Tönnesmann (2008) konnte zeigen, dass bei der 24-Stunden-Blutdruckmessung das Aufpumpen der Druck-manschette während des Schlafes eine Erhöhung derHerzfrequenz und des Blutdrucks zur Folge hat. Jedes Auf-pumpen ruft Arousals beim Patienten hervor, die den Blut-druck in die Höhe treiben und zu massiven Messwertver-fälschungen um bis zu 35 mmHg führen. Fälschlich zuhoch gemessene Werte in der Nacht, in der es eigentlichzu einer Absenkung des Blutdrucks kommen sollte, undFehldiagnosen sind die Folge. Alternativ kann bei Patientenmit nächtlichem Blutruckanstieg („Non-Dipper“) durch denAufpumpvorgang und die folgende Aufwachreaktion einBlutdruckabfall und damit ein falscher normativer Blut-druck ermittelt werden. Im Wachzustand waren diese Ef-fekte nicht nachweisbar (Tönnesmann 2008). Ebenfallskönnen die Messwerte nicht eindeutig Schlaf- und Wach-phasen zugeordnet werden, was besonders bei Insomnienund Aufwachreaktionen zum Tragen kommt.

Ein weiteres Problem bei der Langzeitblutdruckmes-sungen mittels Manschette: Messwerte werden nichtdurchgehend erfasst, am Tage erfolgt die Messung viermal pro Stunde, in der Nacht lediglich alle 30 Minuten. Kon-tinuität in den Ergebnissen ist so unmöglich, die tatsächli-chen nächtlichen Maxima und Minima gehen unweigerlichverloren. Ohne Information über die Maxima und Minimaist auch eine eindeutige Bestimmung von Dippern / Non-Dippern nicht möglich. Sowohl rückenlageabhängige Ob-struktionen der Atemwege als auch REM-Schlaf könnenzu Fluktuationen im Blutdruck führen und werden nicht er-fasst. Die zyklischen Blutdruckanstiege weisen auf Stö-rungen im kardiovaskulären System durch zum BeispielApnoen, Schnarchen oder Fehlfunktionen des Herzens hinund setzen das Herz im Schlaf unter Stress.

Ebenfalls zu Ergebnisverfälschungen führen hydrosta-tisch bedingte Messfehler. Im Schlaf ändert der Menschdurchschnittlich zwei Mal pro Stunde seine Körperlage.Jeder Körperlagewechsel geht als Höhenunterschied indie Berechnung des Schweredrucks mit ein. Dieser

Schweredruck ist dafür verantwortlich, dass Blutdruck-messungen pro 1 cm Höhendifferenz der Messstelle eineDifferenz von 1 haPa aufweisen. Tönnesmann (2008) konn-te nachweisen, dass im Liegen signifikante Unterschiedebis zu 15 mmHg (2 kPa) in Abhängigkeit von der Körperpo-sition im Liegen auftreten.

Auch am Tage ist die Interpretation hoher Blutdruck-werte nicht immer eindeutig. Physiologisch bedingt er-höhte Blutdruckwerte, beispielsweise hervorgerufen durchkörperliche Aktivität, ist diagnostisch anders zu bewertenals rein psychogen bedingter Bluthochdruck. Eine solcheDifferenzierung nach den Ursachen des Bluthochdruckswar bisher aber mit den verfügbaren Blutdruckmessgerä-ten nicht möglich.

Die fränkische Firma SOMNOmedics hat diese Prob-leme erkannt und eine Methode zur Langzeit-Blutdruck-messung entwickelt, die in Sachen Patientenkomfort undErgebnisqualität neue Maßstäbe setzt. Anstatt mit einerDruckluftmanschette wird der Blutdruck aus einer konti-nuierlichen Aufzeichnung der Puls-Transit-Time (PTT) mit-tels eines patentierten Algorithmus errechnet. Die PTT be-schreibt dabei die Zeit, die eine Pulswelle benötigt, um voneinem Punkt des arteriellen Systems zu einem anderen zugelangen. Eine kleine PTT korreliert dabei mit einem hohenBlutdruck. Die meisten Methoden zur PTT-Messung sindaufwändig. Die Alternative ist die Messung des Intervallszwischen R-Zacke im EKG und der Ankunft des korres-pondierenden Pulses am Fingersensor der Photoplethys-mographie (R-wave-gated photoplethysmographie,RWPP). Die gemessene Zeit wird der Puls-Transit-Timegleichgesetzt (Naschitz et al. 2004). Darüber hinaus lassensich zusätzliche Signale wie Oximetrie oder ein Langzeit-EKG aufzeichnen.

Die Validität des Verfahrens konnten Gesche et al.(2007) zeigen, indem der mittels PTT bestimmte Blutdruckbei 50 Probanden während einer Fahrradergometrie mitdem Standard der Blutdruckmessung nach Riva-Rocci ver-glichen wurde. Die indirekte PTT-Methode lieferte nacheiner Ein-Punkt-Kalibrierung verlässliche Werte. Der Kor-relationskoeffizient für den systolischen Blutdruck zwi-schen der PTT-Methode und der Manschettenmessungbeträgt 0,92. Bartsch et al. (2010) validierten die PTT-Me-

54 Kardioforum 1 | 2011

Die PTT-Methode zur Langzeit-BlutdruckmessungNeue Messmethode der ambulanten Langzeit-Blutdruckmessung als Mittel zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos

Matthias Leschke

thode gegen den Goldstandard der invasiven Blutdruck-messung in der Arteria radialis. Wiederum nach der Ein-Punkt-Kalibrierung lieferte die PTT-Methode vergleichbareWerte zur intraarteriellen Blutdruckmessung. Ohne denPatienten in seiner Nachtruhe zu stören, kann so der sys-tolische Blutdruck kontinuierlich dargestellt werden.

Die von SOMNOmedics entwickelte Messmethode lie-fert kontinuierliche Ergebnisse, auf den Herzschlag genau(beat to beat). So werden alle Minima und Maxima exaktaufgezeichnet. Darüber hinaus lässt sich mit der Methodevon SOMNOmedics auch das nächtliche kardiovaskuläreRisiko besser abschätzen. Aufeinander folgende Blut-druckanstiege führen zu einem Baselineanstieg (Superpo-sitionseffekt), der den Blutdruck während des Schlafs auf-schaukelt – mit massiven gesundheitlichen Risiken. Auch

Verfälschungen, wie sie bei derMessung mittels einer Ober-armmanschette auftraten, ge-hören nunmehr der Vergan-genheit an: Die Messung istfür den Patienten rückwir-kungsfrei. Dementsprechendwird der Blutdruck durch dieMessung nicht beeinflusst.

Zur Abschätzung des kar-diovaskulären Risikos geradebei älteren Patienten ist derkontinuierliche Langzeit-Blut-druck ein Indikator von großemWert. Burr et al. (2008) fordernaus diesem Grund ein ambu-lantes Langzeit-Monitoring zurDiagnose. Dies sei effektiverals Messungen in der Klinikund erlaubt eine bessere Vor-hersage der kardiovaskulären

Mortalität bei älteren Menschen. Die Blutdruckmessung von SOMNOmedics ist bestens

für diese Anwendung geeignet und in den Polysomnogra-phie-Systemen der SOMNOscreenTM-Reihe integriert. Fürdie rein ambulante Langzeit-Blutdruckmessung stehtzudem die SOMNOwatchTM-Blutdruck zur Verfügung.Neben dem systolischen und diastolischen Blutdruckzeichnet die SOMNOwatchTM auch weitere Parameter wieein 3-Kanal-EKG, den peripheren Fingerpuls, SpO2, Bewe-gung und Körperlage sowie einen Patientenmarker mit auf.Dass die PTT-Methode funktioniert, wurde mittlerweile inmehreren klinischen Studien validiert. Die kontinuierliche,nicht-invasive und rückwirkungsfreie Langzeit-Blutdruck-messung liefert besonders in der Schlafmedizin wertvolleErgebnisse. Denn oft liegen die Ursachen für den Blut-hochdruck bei einem großen Anteil der Hypertonie-Er-krankten im Schlaf.

Kardioforum 1 | 2011 55

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Matthias LeschkeKlinik für Kardiologie, Pneumologie und AngiologieKlinikum EsslingenHirschlandstraße 9773730 EsslingenTel.: 0711 3103-24 01Fax: 0711 3103-24 [email protected]

Literatur

Die Literaturliste finden Sie im Internet unterwww.kardioforum.com

Arousalreaktion durch Aufpumpvorgang: Fluktuativer Blutdruckanstieg über ca. 10 Sekunden mit anschließendem Einschwingverhalten von ca. 20 Sekunden

Anstieg der Baseline durch frequente Blutdruckfluktuationen, hervorgerufen durch Arousalreaktionen (schematisch)

Superposition und Baselineanstieg im systolischen und diastolischen Blutdruck in Folge von Arousals nach Apnoen

Eigentlich wollte er Künstler oder Ar-chitekt werden. Denn schon als Kind

hatte er sich viel mit Musik beschäftigt,ab dem achten Lebensjahr Klavier ge-spielt und mit Begeisterung fotografiertund gemalt. Aber es kam ganz anders:Seinen Zivildienst leistete Ernst G. Ves-ter, damals 19 Jahre alt, in einem Kran-kenhaus ab. Und die Arbeit mit Patienten– in einem eingeschworenen Team ausÄrzten und vielen anderen „Zivis“ –machte ihm so viel Spaß, dass er auf sei-nen Architektur-Studienplatz in Münchenverzichtete und sich kurzerhand für das

Studium der Medizin einschrieb. DiesenSchritt hat der heutige Chefarzt der Kar-diologie am Evangelischen Krankenhausin Düsseldorf niemals bereut: Er ist mitLeib und Seele Arzt. Nach seinem Medi-zinstudium arbeitete Ernst G. Vester zu-nächst zweieinhalb Jahre lang in einemneu errichteten, großen Kreiskranken-haus in Dormagen in der Abteilung für in-nere Medizin, um seine Assistenzarztzeitdann an der Düsseldorfer Uniklinik fort-zusetzen. Dort war er bis 1987 Privatas-sistent bei Professor Franz Loogen, demUrvater der Kardiologie, der diese medi-

56 Kardioforum 1 | 2011

Hightech-Medizin und menschliches Miteinander:

Die Kardiologie des Evangelischen Krankenhauses Düsseldorf

Marion Zerbst

zinische Disziplin in Deutschland in denSechzigerjahren mitbegründet hat. UnterLoogens Nachfolger Professor Bodo-Eckehard Strauer wurde Vester schonbald Oberarzt. Nach einer wissenschaftli-chen Tätigkeit im Bereich der Nuklear-kardiologie begann Ernst G. Vester sichfrühzeitig mit Rhythmologie zu beschäf-tigen, die er bereits ab dem Jahr 1990verantwortlich in der kardiologischen Ab-teilung der Düsseldorfer Universitätskli-nik betrieb. 1994 habilitierte Vester sichmit dem Thema „Differentialdiagnostikund Therapie ventrikulärer Arrhythmien“.1997 wurde er leitender Oberarzt undStellvertreter von Klinikdirektor ProfessorStrauer. Sein beruflicher Weg schien vor-gezeichnet. Doch dann bot sich ihm einenoch reizvollere Aufgabe: Es ergab sichdie Möglichkeit, am Evangelischen Kran-kenhaus in Düsseldorf eine neue kardio-logische Abteilung aufzubauen. Dorthatte es zuvor keine Kardiologie, sondernlediglich eine große Abteilung für innereMedizin mit 160 Betten gegeben.„Davon wurden dann 40 Betten für dieneue Kardiologie abgezweigt und im Lan-desbettenplan verankert“, erinnert Ves-ter sich an die Zeit zurück, als er am Evan-gelischen Krankenhaus praktisch ausdem Nichts heraus eine hochmoderneKardiologie mit breitem Leistungsspek-trum aufbaute.

Inzwischen ist seine Abteilung mit 50Betten, drei Katheterlaboren, einer ChestPain Unit und dem gesamten Spektruman diagnostischen und therapeutischenAngeboten einer modernen Kardiologie

hervorragend aufgestellt. Zu den wich-tigsten Schwerpunkten gehören dieRhythmologie und die Elektrophysiologie:Pro Jahr führen Professor Vester und seinTeam 400 elektrophysiologische Unter-suchungen und 250 Katheterablationenam rechten und linken Herzen bei allenFormen von Herzrhythmusstörungen(einschließlich der Pulmonalvenenablati-on bei Vorhofflimmern und der Ablationvon Kammertachykardien im linken Ven-trikel) durch.

Professor Vester ist national und inter-national renommiert und hält weltweitVorträge: So plante und leitete er kürzlichmit deutschen und brasilianischen Kolle-gen ein mehrtägiges großes deutsch-bra-silianisches Fellowship-Programm in SãoPaulo (Brasilien). Vester ist auch in dennationalen Kardiologischen Gesellschaf-ten wie z. B. der Deutschen Gesellschaftfür Kardiologie stark engagiert. Er ist ers-ter Vorsitzender des noch jungen Berufs-verbandes Interventioneller Kardiologen.

Herzinsuffizienzpatienten inDeutschland: erschreckende UnterversorgungDieser rhythmologische Schwerpunktspiegelt sich auch in den klinischen Stu-dien wider, an denen die Kardiologie desEVK Düsseldorf beteiligt ist: Es sindhauptsächlich ICD- und Ablations-Studi-en, zum Beispiel die CASTLE AF-Studie,die weltweit größte randomisierte klini-sche Studie für Patienten mit Herzinsuf-fizienz und Vorhofflimmern, die die Über-legenheit der Katheterablation gegenüber

Kardioforum 1 | 2011 57

Das Team der Kardiologie des Evangelischen KrankenhausesDüsseldorf

konventionellen Behandlungsmethodenuntersucht. Doch auch an pharmakologi-schen Phase-II- und Phase-III-Studiennimmt Professor Vesters Kardiologie teil.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt istdie Versorgung herzinsuffizienter Patien-ten. Auch hier ist Ernst G. Vester intensivan der Forschung beteiligt: So leitete erbeispielsweise das CRediT-Register(„Cardiac Resynchronization under eva-luation in daily Therapy“), das untersuch-te, inwieweit Herzinsuffizienzpatienten indeutschen Kliniken und kardiologischenPraxen leitliniengerecht mit CRT- oderICD-Geräten versorgt werden. Dieses Re-gister, in das über 3000 Patienten mitdeutlichen Symptomen einer Herzinsuffi-zienz (NYHA III oder IV) und/oder einerdeutlich eingeschränkten linksventrikulä-

ren Pumpfunktion (LVEF ≤ 35 %) aufge-nommen wurden, ist mittlerweile abge-schlossen – mit erschreckenden Ergeb-nissen: Nur 20 % aller Patienten, die voneiner CRT-Therapie profitieren könnten,erhielten ein entsprechendes Aggregatzur Behandlung ihrer Herzmuskelschwä-che. Bei den Patienten, denen laut Leitli-nien eigentlich ein ICD hätte implantiertwerden müssen, war das Versorgungs-defizit noch ausgeprägter: Nur 17 % er-hielten tatsächlich ein solches Gerät. Hierist ganz offensichtlich noch viel Aufklä-rungsarbeit erforderlich; denn als Haupt-gründe für die Unterversorgung dieser

Patienten ergab das Register keineswegsBudgetprobleme, sondern vielmehrSkepsis und Informationsmangel vonsei-ten der behandelnden Ärzte.

Kooperation und Vernetzung zum Wohl der PatientenAuch durch eine intensive Zusammenar-beit mit anderen Kliniken und niederge-lassenen Kardiologen setzt ProfessorVester sich für eine optimale Versorgungseiner Patienten ein. So besteht zum Bei-spiel eine enge Kooperation mit der Kar-diochirurgie der Universitätsklinik Düs-seldorf unter Leitung von Professor ArturLichtenberg: In diese Klinik werden unteranderem schwer herzinsuffiziente Pa-tienten zur Implantation von Assist Devi-ces oder Kunstherzen oder zu einer Herz-

transplantation überwiesen. „In Kürzewerden wir noch mit einer weiterenwichtigen Kooperation beginnen“, sagtProfessor Vester, „und in der Uniklinikauch interventionelle Klappenimplantatio-nen durchführen – mit den dortigen Kar-diochirurgen als Standby.“

In Zusammenarbeit mit den kardiologi-schen Abteilungen der Düsseldorfer Uni-versitätsklinik und des Augusta-Kranken-hauses im Norden der Stadt etabliert Pro-fessor Vester zurzeit den „DüsseldorferInfarktverbund“ zur besseren Versorgungvon Herzinfarktpatienten: „Da wird genauabgesprochen, nach welcher Logistik Pa-

58 Kardioforum 1 | 2011

tienten mit akuten Infarkten, Rhythmus-störungen und Reanimationen auf dieeinzelnen Kliniken verteilt werden sol-len“, sagt er. „Das alles soll noch besserorganisiert und vor allem wissenschaft-lich begleitet werden.“ Die Door-to-needle-Zeit und andere Zeitintervalle zwi-schen Erstsymptom und Patientenver-sorgung sollen genau erfasst und opti-miert werden, ebenso die medikamentö-se Begleittherapie. Im Rahmen dieses In-farktverbundes hat Professor Vester inDüsseldorf übrigens auch ein Herz-Handyfür die Versorgung kardiovaskulärer Not-fallpatienten eingeführt: Mit diesemHandy, das inzwischen auch in anderenDüsseldorfer Kliniken Standard ist, kannder Notarzt den diensttuenden Oberarztder betreffenden Klinik schon vom Kran-

kenwagen aus anrufen und ihm die nöti-gen Informationen durchgeben.

Für die niedergelassenen Ärzte orga-nisiert Professor Vester regelmäßig Fort-bildungsveranstaltungen, darunter einmalim Jahr eine wichtige Zuweiserveranstal-tung mit neuesten Infos aus der Klinik(„KOOP-Dinner“) und ein großes Sym-posium mit internationalen Referenten.In diesem Jahr wird das Symposium am9. und 10. September stattfinden und alsbesonderes Highlight unter anderem„Live Cases“ vom Herz- und Diabetes-zentrum Nordrhein-Westfalen Bad Oeyn-hausen präsentieren.

Verzahnung von ambulanter und stationärer VersorgungSeit dem 1. Juli 2007 gibt es am Evange-lischen Krankenhaus Düsseldorf zusätz-lich zum bereits bestehenden Leistungs-spektrum der Kardiologischen Klinik unterLeitung von Professor Vester noch ein neues Angebot für Herzpatienten: das Kardiologische Kompetenzzentrum.Durch Kooperation mit drei niedergelas-senen kardiologischen Praxen („Kardiolo-gie Oberkassel“, „Kardiologie am Wil-helm-Marx-Haus“ und „Kardiologisch-an-giologische Praxis Berliner Allee“) ist eineenge Verzahnung von ambulanter undstationärer Versorgung entstanden. Ins-gesamt zwölf invasiv tätige Kardiologenstehen hierzu mit hochmoderner Tech-nologie zur Verfügung. Eine der drei Herz-

katheteranlagen steht der „Praxisklinik“zur Verfügung. Der hochmoderne Platzwird zu 70 % von der „Apparategemein-schaft der Niedergelassenen“ und zu30 % von der Kardiologischen Klinik be-nutzt.

Das Kardio-Kompetenzzentrum leisteteinen guten Beitrag zur Patientenversor-gung in Düsseldorf: ca. 3500 Untersu-chungen und Eingriffe sind durch dieseneue Kooperation am EVK jetzt machbar,davon etwa 2800 Katheteruntersuchun-gen sowie über 250 Ablationen bei Herz-rhythmusstörungen und über 200 Im-plantationen von Defibrillatoren und Herz-

Kardioforum 1 | 2011 59

schrittmachern. Vor einem Jahr kam dann auch noch ein in-terdisziplinäres Gefäßzentrum dazu: An diesem Zentrum,das von der Gefäßchirurgin Dr. Sabine Gerth geleitet wird,sind außer der Kardiologie von Professor Vester noch fünfweitere Fachkliniken des EVK sowie niedergelassene Spe-zialisten vom Neuro-Centrum Düsseldorf beteiligt. Mitdem Gefäßzentrum, das sich im neu eröffneten Diagnos-tikzentrum des Krankenhauses befindet, steht den Düs-seldorfer Patienten eine zentrale Anlaufstelle für Gefäßer-krankungen aller Art zur Verfügung, die mit modernstenVerfahren diagnostiziert und sowohl medikamentös-kon-servativ als auch interventionell oder operativ behandeltwerden können. Ergänzt wird dieses Angebot durch phy-siotherapeutische Maßnahmen (z.B. Gehtraining), ambu-lante oder stationäre Rehabilitation und die Teilnahme anpräventiven Angeboten der Gefäßliga.

Der Mensch steht im MittelpunktIn allen Abteilungen des Evangelischen KrankenhausesDüsseldorf fällt der stets freundliche, herzliche Umgangs-ton auf, der sowohl zwischen den Mitarbeitern als auch imUmgang mit den Patienten herrscht. Als diakonische Ein-richtung, die vor über 150 Jahren von evangelischen Düs-seldorfer Bürgern gegründet wurde, räumt das EVK derMitmenschlichkeit und einer gelebten christlichen Werte-ordnung einen hohen Stellenwert ein: Die Patienten sol-len nicht nur auf dem neuesten Stand der Diagnostik und

Therapie versorgt werden, sondern sich in ihrer Klinik auchrundum wohl und geborgen fühlen.

Dafür setzen sich alle Beteiligten mit vereinten Kräftenein: „Grüne Damen“ (deren Organisation übrigens am EVKgegründet wurde) betreiben in dem Krankenhaus eine Ca-feteria und sind für alle Anliegen der Patienten da – vonkleinen Besorgungen und Hilfeleistungen bis hin zu Ge-sprächen oder zum Begleitdienst auf dem Weg zu Unter-suchungen und Therapiemaßnahmen. Privat versichertePatienten haben die Möglichkeit, in einer „Hotelklinik“Komfort und medizinische Notwendigkeit miteinander zuverbinden: Die Station mit 15 Betten hat tatsächlich mehrÄhnlichkeit mit einem Wellnesshotel als mit einem Kran-kenhaus. Dementsprechend positiv ist die Resonanz bei den Patienten: Die Hotelklinik ist fast immer ausge-bucht.

Patienten mit schweren Herzerkrankungen versuchtman die Therapie durch telemedizinische Betreuungsan-gebote so weit als möglich zu erleichtern. So ist aufWunsch eine telemedizinische Fernüberwachung der Herz-schrittmacher/Defibrillatoren über das Internet möglich –ein großer Vorteil für die Patienten, weil ihnen auf dieseWeise nicht nur viele Wege in die Schrittmacherambulanzerspart bleiben, sondern auch etwaige Fehlfunktionen derGeräte früher erkannt und therapeutische Konsequenzen(beispielsweise bei einer Verschlechterung der Herzleis-tung) frühzeitiger in die Wege geleitet werden können.

60 Kardioforum 1 | 2011

Die Geschichte des EvangelischenKrankenhauses Düsseldorf beginnt

bereits vor über 150 Jahren: am 29. März1849. Die damals in Düsseldorf existie-renden Krankenhäuser platzten aus allenNähten und waren dem immer größerwerdenden Ansturm von Patienten kaumnoch gewachsen. Und da die Stadt Düs-seldorf kein Geld hatte, um ihre öffentli-chen Krankenhäuser zu vergrößern, kamman auf den Gedanken, ein Evangeli-sches Krankenhaus zu gründen und die-ses durch eine Stiftung zu finanzieren. Soentstand – zunächst im Pfarrhaus an derBerger Straße und dann am Fürstenwall– das erste große Krankenhaus in Düs-seldorf mit zirka 600 Betten. Erweite-rungsbauten folgen in den Jahren 1912bis 1914, 1931 bis 1932.

Der Zweite Weltkrieg nahm Düssel-dorf stark in Mitleidenschaft: Über die

Hälfte aller Gebäude wurde zerstört, rund90 Prozent wurden beschädigt. Und sowar das EVK am Kriegsende im Jahr1945 von zerbombten Häusern umge-ben. Auch das Krankenhaus selbst warstark beschädigt; wie durch ein Wunderwaren bei den Bombenangriffen aberzum Glück weder Patienten noch Mitar-beiter zu Schaden gekommen.

Drei Jahre später prägte ein weitererUmbruch das Geschick des Evangeli-schen Krankenhauses: Die Kaiserswert-her Diakonissen, die seit 1851 (und damitfast 100 Jahre lang) für die Pflege der Pa-tienten zuständig gewesen waren, wur-den aufgrund von Schwesternmangelvom Mutterhaus zurückgezogen. Ihre Ar-beit übernahmen jetzt Diakonie-Schwes-tern vom evangelischen DiakonievereinBerlin-Zehlendorf. Am 15. April 1948 be-gannen 86 Zehlendorfer Schwestern und

Kardioforum 1 | 2011 61

Das erste große Krankenhaus der Stadt Düsseldorf

Erstes EVK-Gebäude, Fürstenwall

Schülerinnen ihren Dienst – in einer zer-störten Stadt, in der es überall am Not-wendigsten fehlte. „Schaute man vomFlachdach des Hauses in die Runde, warkaum ein heiles Haus zu sehen, meistzahlreiche Häuserruinen und Trümmer-grundstücke, auf denen herrlich gelb der Huflattich blühte“, so beschreibtSchwester Else Lieber, die im März 1948ans EVK kam und bis zu ihrer Pensionie-rung im Jahr 1972 auf der dermatologi-schen Frauen- und Kinderstation arbeite-te, den bizarren Ausblick vom Dach desKrankenhauses auf das zerbombte Düs-seldorf. Dem allem Chaos und Elend zumTrotz blühenden Huflattich gaben dieSchwestern damals den Namen „Trüm-merblümchen“.

Es herrschte nicht nur Mangel an Le-bensmitteln; auch die Versorgung mitArznei- und Pflegemitteln ließ mehr als zuwünschen übrig. „Auf den Stationen waralles abgezählt“, erinnert sich OberinHanna von Hanffstengel, die damals mitihren Schwestern und Schülerinnen amDüsseldorfer EVK Pionierarbeit leistete.„Wir mussten gut haushalten und wirt-schaften. Wenn wir mit den Windelnoder den Mullbinden nicht auskamen, sohaben wir diese einfach mit der Hand ge-waschen und dann wiederverwendet.“

Ähnlich beschränkt waren die räumli-

chen Verhältnisse. Schwesternwohnhei-me gab es anfangs noch nicht; dieSchwestern waren direkt im Kranken-haus untergebracht und mussten sichnicht selten zu fünft ein Vierbettzimmerteilen: „Weil wir ja alle zu unterschiedli-chen Zeiten gearbeitet haben, war immerein Bett zum Schlafen frei“, erzählt eineSchwester, die damals in derartig beeng-ten Wohnverhältnissen auf der Kinder-station arbeitete, und beschreibt ihreFreude, als sie im April 1965, nach demBau des ersten Schwesternwohnheimsin der Kirchfeldstraße, ihr erstes eigenesZimmer bekam: „Es war zwar sehr klein,aber ich wohnte hier alleine und hatteeinen wunderschönen Blick in den Gar-ten hinaus.“

Trotz dieser Einschränkungen und Ent-behrungen erinnern alle Schwestern, diediese Zeit miterlebt haben, sich gernedaran zurück: Sie hatten Freude an der in-tensiven Gemeinschaft mit den anderenSchwestern – sowohl im Dienst als auchin der Freizeit. Trotz harter Arbeit (nur derSonntag war frei) genossen sie die ge-meinsamen Abende im Schwestern-wohnheim, an denen gehandarbeitet,musiziert und sogar Theater gespieltwurde. Und es wurden auch viele

62 Kardioforum 1 | 2011

Medikamentenvorbereitung 1960

Diakonieschwestern

Schwesternfahrten veranstaltet, die der Fortbildungdienten – nicht nur auf fachlichem Gebiet, sondernauch in den Bereichen Kunstgeschichte, Theater undMusik.

Auch der Kontakt zu den Patienten war damals na-turgemäß noch enger als heute: So war es bei-spielsweise üblich, mit den kleinen Patienten auf derKinderstation zu basteln und zu singen, und amSankt-Martinstag zogen alle Schwestern mit den Kin-dern und ihren Laternen singend durchs Haus.

Aufgrund der zwar zentralen, aber begrenzten In-nenstadtlage des Krankenhauses stand das Kuratori-um im Jahr 1959 vor der Entscheidung, das EVK ent-weder zu sanieren oder an anderer Stelle neu aufzu-bauen. Man entschied sich für einen Neubau an derKirchfeldstraße, dessen zweiter Bauabschnitt im Jahr1972 fertig gestellt wurde. 2006 wurde das EVKdurch einen modernen Anbau erneut erweitert: Da-mals entstand der neue Zentral-OP mit acht hoch-modernen OP-Sälen, in denen pro Jahr zirka 10 000Operationen durchgeführt werden.

Heute ist das EVK mit über 1500 Mitarbeitern und560 Betten in zehn Fachabteilungen eines der größ-ten Krankenhäuser der Landeshauptstadt, in demjährlich mehr als 50 000 Menschen stationär und am-bulant versorgt und betreut werden.

Aber es geht noch weiter: Ein großer Erweite-rungsbau ist ab dem Jahr 2014 geplant. Lassen wiruns überraschen.

Kardioforum 1 | 2011 63

EVK-Gebäude ca. 1972

Patientenpflege ca. 1960

Endlich ist „Harrisons Kardiologie“, das weltweit ammeisten verkaufte Lehrbuch der Medizin, in deutscher

Sprache erschienen, wobei die einzelnen Kapitel jeweilsnamhaften deutschen Bearbeitern zugeordnet wurden.Das Buch stellt die wichtigsten Gebiete der Kardiologieausführlich und übersichtlich dar – von den biologischenGrundlagen bis hin zu den verschiedenen Krankheitsbil-dern mitsamt ihrer Diagnostik und Therapie. Außerdemwurde „Harrisons Kardiologie“ um die neuesten Entwick-lungen ergänzt. Schließlich hat sich die kardiovaskuläreMedizin in den letzten Jahren rapide entwickelt und in wei-tere Subspezialisierungen aufgegliedert. Dem trägt diedeutsche Ausgabe Rechnung, die um wichtige neue As-pekte (z.B. moderne Biomarker beim Herzinfarkt) ergänztwurde, wobei alle Aktualisierungen im Text grau unterlegtsind. Ein besonderes Special sind die kardiovaskulären At-lanten (Elektrokardiografie-Atlas, Atlas der nicht invasivenkardialen Bildgebung, Atlas der Herzrhythmusstörungen,Atlas der perkutanen koronaren Intervention) und eine Zu-sammenstellung klinische relevanter Laborparameter imAnhang des Buches. „Harrisons Kardiologie“ wendet sich

nicht nur an den angehenden Facharzt für Kardiologie, son-dern auch an andere Ärzte und Mitarbeiter im Gesund-heitswesen, die mit kardiovaskulär erkrankten Patientenzu tun haben. Auch für den bereits kardiologisch speziali-sierten Arzt ist das Buch ein hilfreiches Nachschlagewerk.

Auf über 1000 Seiten beschreibt der Ingenieur RüdigerKramme das gesamte Spektrum der heutigen appa-

rativen Technik in der Medizin, wobei den kardiologischenGerätschaften besonders breiter Raum zugestanden wird.Das Buch gliedert sich in zwei Teile: Im ersten, allgemei-nen Teil werden Rahmenbedingungen der Medizintechnikbehandelt. Hier geht es um Themen wie Hygiene und Si-cherheit in der Medizintechnik, Vorschriften für Medizin-produkte, ökonomische Aspekte und Qualitätsmanage-ment. Der zweite, spezielle Teil umfasst neben Gerätenzur Funktionsdiagnostik, bildgebenden Diagnostikverfah-ren, Therapiegeräten und Patientenmonitoring ein aus-führliches Kapitel über medizinische Informationsverarbei-tung. Ein weiteres Kapitel ist Spezialthemen wie OP-Tisch-Systemen, medizinischen Robotersystemen, Gasversor-gungssystemen und Inkubatoren gewidmet. Der Anhangbietet wichtige Zusatzinformationen: Richtungs- und La-gebezeichnungen des Körpers, Größen und Einheiten, Ab-kürzungen, Zeichen und Symbole.

Die 4. Auflage des Werks, vollständig überarbeitet und

um 11 neue Kapitel ergänzt, wendet sich an Ärzte, Pfle-gekräfte, Medizintechniker, Krankenhausmanager, aberauch an Studenten der Medizin, Informatik und Medizin-technik – ein unverzichtbares Lehrbuch und Nachschlage-werk in unserer heutigen medizinischen Welt, in der Tech-nik einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt.

64 Kardioforum 1 | 2011

„Goldstandard“ der kardiologischen Lehrbücher jetzt in deutscher Sprache

Die ganze Welt der Medizintechnik auf einen Blick

Martin Möckel (Hrsg.)Harrisons KardiologieDeutsche Ausgabe in Zusammenarbeit mit der CharitéABW Wissenschaftsverlag,Berlin 2011688 SeitenISBN 978-3-940615-11-4Preis: EUR 129,95

Rüdiger Kramme (Hrsg.)Medizintechnik4. AuflageSpringer-Verlag, Berlin, Heidelberg 20111071 SeitenISBN-13: 978-3-642-16186-5Preis: Euro 179,50

DeutscheHerzstiftung

Wir haben noch mehr gesunde Ideen:Deutsche Herzstiftung · Vogtstraße 50 · 60322 Frankfurt Telefon 069 955128-0 · www.herzstiftung.de

Medizin · Technologie · Management www.resmed.de

Prävalenz schlafbezogener Atmungsstörungenbei kardiovaskulären Erkrankungen*

30 %60 %

Vorhoffl immernKoronare Herzerkrankungen

45 %

Bluthochdruck

50 %

ChronischeHerzinsuffi zienz

90 %

Schwer einstellbarer Bluthochdruck

Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen

Schlafbezogene Atmungsstörungen sicher erkennen durch einfaches Risiko-Screening mit ApneaLink™

40 % der kardiologischen Patienten leiden an Schlafapnoe*

Mit ApneaLink bestimmen Sie einfach, komfortabel und sicher das Risiko einer schlafbezogenen Atmungsstörung (SBAS). Durch die Applikation von nur zwei Sensoren (Nasenkanüle, Pulsoximeter) ist die Handhabung für Arzt und Patient ganz einfach. Mit dem Oximetrie-Zubehör lässt sich das

kardiovaskuläre Risiko und somit der Schweregrad der SBAS bestimmen.

durch die schnelle Analyse mit automa-tisch generiertem Bericht

dierte Analyseverfahren

Auf Anfrage stellen wir Ihnen gerne Studien und weiterführende Detailinformationen zur Verfügung. Wenden Sie sich bitte an Jens Kolzenburg E-Mail: [email protected]

© 2

011

ResM

ed G

mbH

& C

o. K

G · O

bj.-I

D797

35