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K K L L A A S S S S E E N N K K A A M M P P F F Z Z e e i i t t u u n n g g f f ü ü r r R R ä ä t t e e m m a a c c h h t t u u n n d d R R e e v v o o l l u u t t i i o o n n

Klassenkampf Nr. 06

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Frontex, Kärnten, IT-Kollektivvertrag, Iran - eine breite Palette von Themen!

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Page 1: Klassenkampf Nr. 06

KKLLAASSSSEENNKKAAMMPPFFZZeeiittuunngg ffüürr RRäätteemmaacchhtt uunndd RReevvoolluuttiioonn

FFRREEMMDDEENNRREECCHHTT

GGNNAADDEENNLLOOSS

UMWELT:WAS DER

KAPITALISMUS

VERBOCKT

228.000erwerbstätige Personen

in Österreich sindarmutsgefährdet.

Insgesamt leben 545.000Menschen in Haushalten

mitWorking Poor.

Energiesparlampen, Plastikflaschen, Verschrottungs-

prämie für Fahrräder - was gut klingt, ist nicht gut,

wenn es nur den Profitinteressen des Kapitals dient.Mehr ab Seite 1 6

Nummer 6 Herbst 2009 Gruppe Klassenkampf Preis 1 ,20 EUR

KÄRNTEN: DIE REPUBLIKDES PERMANENTENVERFASSUNGSBRUCHS

In der Ausgabe Nummer 4 des Klassenkampf hieß es in einem Artikel zu Kärnten ineinem Absatz:„Aber es gibt auch andere Altlasten im schönen Land Kärnten. Wer hat den nochnichts von den zweisprachigen Ortstafeln gehört? So hatten im Februar 2006 der da-malige LH Haider und sein Verkehrsreferent Dörfler unter grosser medialer Anteil-nahme und in Missachtung eines Verfassungsgerichtshofurteils ebensolche versetzt.Schon im Februar 2007 leitete die Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige wegenAmtsmissbrauch Vorerhebungen gegen Haider, Dörfler und die Beamten der zustän-digen Bezirkshauptmannschaft ein. Die Ermittlungen zogen sich bis März 2008 undlandeten im Sommer 2008 im Justizministerium. Sommerzeit und Vorwahlzeit, jawas soll man da machen? Ganz einfach: Die neue Justizministerin kündigt am17.1.2009, also noch keine drei Jahre später, eine rasche Entscheidung über eine An-klage gegen den nunmehrigen LH Dörfler an. Der Schmierenkomödie nächster Akt…“Jetzt ist also eine Entscheidung gefallen – eigentlich ist diese ja schon einige Zeit

bekannt, wenn man sich den vorläufigen Vorhabensbericht vergegenwärtigt. Auchsollte nicht vergessen werden, dass dieses Theater in der sonst eher unspannendenHaupturlaubszeit durch die Ankündigung einer Serie von skandalösen Zuständen inder österreichischen Justiz in der Wochenzeitung Falter ausgelöst wurde, wobei die-ser Fall als Einstieg gewählt wurde. Soll also gleich beim ersten Akt das ganze Pulver

IT-KV: UNTERAUSSCHLUSS DERÖFFENTLICHKEIT

Unter Ausschluss der Basishat die Gewerkschaft einen IT-Kollektivvertrag zustandegebracht. Hier dasberauschende Ergebnis ausder Nähe . . .

Mehr auf Seite 6

IRAN: NIEDER MITDER ISLAMISCHENREPUBLIK!

Seit den Präsidentschafts-wahlen vom 1 2. Juni kommtder Iran nicht zur Ruhe. Voral lem Frauen und Arbeiterwenden sich gegen dasRegime. Wir untersuchen dieHintergründe derMassenproteste.

Weiter auf Seite 8

Fortsetzung auf Seite 3

mmeehhrr aauuff SSeeiittee 44

Page 2: Klassenkampf Nr. 06

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KONTAKT

Die Gruppe Klassenkampf im Internet:

www.klassenkampf.net

Die Gruppe Klassenkampf kontaktieren:

[email protected]

Unsere Postadresse:Gruppe KLASSENKAMPFStiftgasse 8A-1 070Wien IMPRESSUM:

Eigentümer, Herausgeber, Verleger,Druck: Gruppe Klassenkampf.Druckort: Wien

EDITORIAL

Die Verfal lserscheinungen der bürgerlichen Demokratie in Österreichwerden immer offensichtl icher und für die herrschende Klasse peinl i-cher. Die Begründungen für die Niederschlagung von Untersuchungenvon politisch motivierten Verfassungs- und Gesetzesbrüchen durchdie Staatsanwaltschaft heben alle bisherigen „Weisheiten" auf: „Un-kenntnis schützt vor Strafe nicht“ gibts nicht mehr - "zu deppat, umRecht und Unrecht zu unterscheiden" ist die neue Verteidigungsl inie.Jugendliche Einbrecher werden in den Rücken geschossen, weil sie„technisch“ bewaffnet sind - nicht aber im Sinne des Waffengesetzes.Damit sind innerhalb eines Jahres drei Menschen in (Nieder-)Österreich durch Polizeikugeln gestorben. Gleichzeitig tagt ein parla-mentarischer Untersuchungsausschuss, der zwar kein Licht ins Dun-kel der österreichischen Geheimdienste bringen wird, aberinteressante Querverbindungen zwischen Politik, Spionen und demgroßen Geld aufzeigt.Was sagen eigentl ich eingefleischte FPÖ-Wäh-ler dazu, dass ihre Abendland-in-Christenhand-Partei exzellente Kon-takte zum kasachischen Geheimdienst unterhält?Ein Reizthema in so gut al len europäischen Staaten ist die "Auslän-derpolitik". EU-Staaten setzen ihre Marine ein, um Flüchtl inge ausAfrika zu ertränken, Massenabschiebungen stehen auf der Tagesord-nung. Wir berichten über die einschlägigen Mapßnahmen in Öster-reich.Neben unseren „Dauerbrennern" Gesundheit und Pensionen analy-sieren wir auch diesmal wieder Aspekte der bürgerlichen Umweltpo-l itik.Warum unter kapital istischen Bedingungen derartige Maßnahmenirgendwo zwischen Alibi und Abzocke angesiedelt sind, zeigen wir amBeispiel Beleuchtung, Flaschenpfand und Fahrrad„förderung".International untersuchen wir die Proteste im Iran und die brutaleUnterdrückung durch das islamistische Regime.Über Feedback zu den Artikeln freut sich

Die Redaktion

INHALT

KÄRNTEN:

Permanenter Verfassungsbruch

Seite 3

FREMDENRECHT:

Gnadenlos

Seite 4

GEWERKSCHAFTEN:

IT-Kollektivvertrag

Seite 6

Bericht von der Siemens-Demo

Seite 7

GESUNDHEIT:

Generikaförderung beschlossen - kommt

neues Sparpaket?

Seite 8

PENSIONEN:

Pensionssäulen knicken

Seite 9

IRAN:

Massen gegen Mullahs

Seite 1 0

Trotzki: Aus dem Übergangsprogramm

Seite 11

UMWELTPOLITIK:

Mehrwegflaschen

Seite 13

Verschrottungsprämie für Fahrräder

Seite 15

Energiesparlampen

Seite 16

Page 3: Klassenkampf Nr. 06

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KÄRNTEN: DIE REPUBLIK DESPERMANENTENVERFASSUNGSBRUCHS

verschossen werden, um poli-tisch und medial die Öffentlich-keit mürbe zu machen undeiner den Österreichern nachge-sagten Tendenz zum ‚ah geh,losst’s mi in Ruah mit dem Bled-sinn’, also einer gewissenGleichgültigkeit, Rechnung zutragen?Vergessen wir nicht: eine der

ersten Reaktionen der Verant-wortlichen war die Forderungnach der Suche des Verräters,des Nestbeschmutzers, des Ka-meradenschweins oder wieauch immer die Bezeichnungfür diejenigen gewählt wird, diees wagen, die gängige Praxis zuunterlaufen. Dieser müsse wohlpersönlich gekränkt sein undÄhnliches wurde gemutmaßt.Pulverdampf steigt auf, der ei-gentliche Inhalt rückt schon inden Hintergrund. Vielleicht jaauch nur eine perfide Strategie,um dem Täter auf die Spur zu

kommen: haben ihn hehre Mo-tive geleitet, so könnte er ver-sucht sein, sie mitzuteilen;sollte tatsächlich das Ego eineRolle spielen, hofft man eineAuffälligkeit zu provozieren.Auf jeden Fall ist die Konse-quenz der Enttarnung der öf-fentliche Pranger! Und derRauch wird dichter, die Medienwerden lauter. Man könnte die-ses Szenario noch weiter spin-nen, als gelernter Österreicherist man da schon einiges ge-wohnt. Auf der Strecke bleibtder eigentliche Sachverhalt –und wir wollen nicht in die sel-be Falle tappen!Es wird eindeutig festgestellt,

dass der Tatbestand erfüllt ist.Soweit so gut. Aber dann wirdargumentiert, warum das keineFolgen nach sich zieht, ja garnicht ziehen kann. Der jetzigeLandeshauptmann Dörfler istkein ausgebildeter Jurist, also

kann er die Tragweite seinesHandelns nicht abschätzen. DieWenigsten sind Juristen, mussman deswegen aber auch gleichentmündigt werden? Und einGrundsatz des Rechtswesens,dass nämlich Unwissenheit vorStrafe nicht schützt, wird völlig

ausser Kraft gesetzt. Eine juris-tische Entscheidung solle diepolitische Diskussion nicht be-einflussen. Mit dieser Begrün-dung wird der Einfluß derPolitik und die mangelhafteGewaltentrennung offensicht-lich. Dörfler sei unter dem Ein-fluß von Jörg Haidergestanden: ist das eine Droge,die die Unzurechnungsfähig-keit bewirkt hat, oder war dernicht auch Jurist und an dergleichen Aktion beteiligt?In weiterer Folge gab und

gibt es viele Wortmeldungenzu dieser Geschichte, mankönnte fast von einer öffentli-chen Diskussion sprechen. DerLaie staunt, worüber man sichalles den Kopf zerbrechen kannund was für Resultate das nachsich zieht. Der Nebel wirddichter, immer weniger blickendurch. Die Justizministerinsieht das Vorgehen der Staats-anwaltschaft als ‚vertretbar’,denn es lag keine subjektiveSchädigungsabsicht vor: dieslowenische Minderheit inKärnten ist kein Subjekt undhat ausserdem keinen Rechts-

Fortsetzung von Seite 1

Bei den oberösterreichi-schen Landtagswahlenwird die neonazistischeNVP nicht antreten dürfen,obwohl sie imWahlkreisLinz die 80 Unterstützungs-erklärungen für eine Kan-didatur zustande gebrachthat.Völlig zu Recht hat die Lan-

deswahlbehörde aus der Identi-tät zwischen demNVP-Programm und einer SS-Grundsatzerklärung, dem ge-walttätigen Auftreten der NVPin der Öffentlichkeit und Äuße-rungen der Partei(groß)spre-cher auf den faschistischenCharakter der rechten Sekte ge-schlossen.Allerdings zeigt sich an die-

sem Beispiel die Unzulänglich-keit des offiziellen bürgerlichenAntifaschismus und seiner re-formistischen und zentristi-schen BefürworterInnen: Stattden Faschismus zu bekämpfenwill man ihm juristisch beikom-men. Und Faschismus bekämp-fen heißt mehr alsGegenkundgebungen gegen Auf-tritte von Nazis in der Öffent-lichkeit oder rituelleBekenntnisse gegen Ausländer-feindlichkeit und Rassismus.Dass die NVP und die mit ihr

verbandelte JugendbewegungBfJ (mittlerweile auch verbo-ten) unter anderem in Oberös-terreich damit punktenkönnen, dass sie ein Vakuumfüllen, das SPÖ und ÖGB in der

Jugendarbeit hinterlassen ha-ben und das jetzt mit Auslän-derfeindlichkeit,Antisemitismus, Antiislamis-mus und Hass auf die Arbeite-rInnenbewegung gefüllt wird.Antifaschismus heißt vor al-

lem: Kampf für Arbeitsplätze,Kampf für höhere und sichereLöhne, Kampf für menschen-würdige Wohn- und Lebensbe-dingungen.Zugleich muss die Warnung

wiederholt werden: Kandida-tur- und Parteienverbote wer-den sich früher oder späternatürlich auch gegen die Arbei-terInnenbewegung richten. Ge-rade die österreichischeGeschichte der 30er Jahre istein Lehrbeispiel dafür.

OBERÖSTERREICH: NVP DARF NICHTANTRETEN

JUSTIZMINISTERIN BANDION-ORTNER: Ein Herz fürDeppen?

weiter auf Seite 5

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KLASSENKAMPF

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FREMDENRECHT 2009: NICHT NURMARIA OHNE GNADE

Innenministerin MariaFekter gilt mittlerweile so-gar der Presse alsMariaohne Gnade : keine Gele-genheit, sich als Hardline-rin zu demonstrieren, lässtdie Leiterin des Innenres-sorts aus. Besonders dank-bar erweist sich fürAusfälle nach rechts wie-der einmal das Asyl- undFremdenrecht. Nach zahl-losen Verschärfungen derletzten Jahren - Auswei-tung der Schubhaft aufFol-teropfer,Zwangsernährung gegenHungerstreiks, Gebietsbe-grenzung für widerspensti-ge Flüchtlinge etc. - sollauch 2009 das hiesige Asyl-recht als zu lasch geltenund folglich von derGroßen Koalition ver-schärft werden.Die Vorstellungen des Innen-

ministeriums lassen an Deut-lichkeit nichts zu wünschenübrig: AsylwerberInnen, dieüber das sog. Dublinverfahrennach Österreich gekommen

sind, bei denen nach demSchengen-Abkommen folglichauch andere Länder für das Ver-fahren zuständig wären, sollen(nahezu) generell in Schubhaftkommen. Sog. straffällligeFlüchtlinge sollen leichter abge-schoben werden - nämlich be-reits dann, wenn Anklageerhoben wird, nicht erst bei ei-ner Verurteilung! (Nach dieserLogik müssten demnächst auchalle inländischen Angeklagtenaus Österreich ausgewiesenwerden, denn immerhin hande-le es sich um böse Kriminelle,die ihr Daseinsrecht in Öster-reich verwirkt hätten!). BeiZweifel am Alter minderjähri-ger Flüchtlinge (die ohnehinschon ständig verdächtig wer-den, sich als jünger auszuge-ben, als sie sind) sollenzwangsweise Handwurzelrönt-gen durchgeführt werden - wie-wohl sogar der Dachverbandder österreichischen Kinder-und JugendärztInnen daraufhingewiesen hat, dass diesesVerfahren keinerlei wissen-schaftliche Evidenz für sich

hat. Und schließlich wird auchdas Lieblingskind der letzten ös-terreichischen InnenministerIn-nen wieder ausgegraben,nämlich eine verstärkte Straf-drohung gegen Menschen, dieFlüchtlinge vor der rassisti-schen Einkerkerungs- und Ab-schiebungsmaschinerieschützen wollen.Inzwischen werden in ande-

ren Bereichen des Fremden-rechts bereits vollendeteTatsachen geschaffen. Nun-mehr sind alle Schubhaftzen-tren in Österreich in dieBetreuung durch den, als minis-teriumsnah bekannten, Verein„Menschenrechte Österreich“(sic! ) übergegangen, der sichdie letzten Jahre als willfähri-ges Instrument des Ministeri-ums erwiesen hat, sog.freiwillige Rückkehr vonFlüchtlingen durchzusetzen,die effektive Inanspruchnahmeder noch verblliebenen weni-gen Rechte der Gefangenen zuunterbinden und die Zuständein der Schubhaft vor den Augenals kritischer geltender Organi-

sationen abzuschirmen.Nachdem sich die SPÖ in al-

len Fragen als stummes Helfer-lein der gnadenlosenInnenministerin erwiesen hat,sind nicht wenige der Struktu-ren, die Flüchtlinge unterstüt-zen, darin bestärkt worden,ihre Hoffnungen auf die Grü-nen und international (ausge-rechnet) auf die EU zu setzen.Aber abgesehen davon, dass

innerhalb der Grünen schonseit Monaten sich offen alsbürgerlich titulierende Kräftefür eine realistischere (sprich:rassistischere) Politik der Par-tei gegenüber MigrantInneneintreten, haben die Grünenbereits in der Auseinanderset-zung um das sog. Bleiberechtgezeigt, dass sie nichts weiterals ein Beiboot der Regierungs-politik sind. Es waren nämlichdie Grünen, die von Anfang andafür eintraten, ein subsidiäresBleiberecht für Flüchtlinge nurdann zu gewähren, wenn diesebereits eine Reihe von Jahrenin Österreich verbracht haben.Damit würden aber Flüchtlin-

KANARISCHE INSELN(SPANISCHER STAAT): Eintoter Flüchtling am Strand.

Wie an der italienischen Küstewehren die EU-StaatenFlüchtlinge aus Afrika unterEinsatz von Marine undWasserpolizei ab.TausendeMenschen sterben an denGrenzen der EU.

Die österreichischen Behördenspielen im Rahmen derAnti-Flüchtlingsbehörde FRONTEXeine wichtige Rolle.

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anspruch auf zweisprachigeOrtstafeln! Da hatte Dörfleraber Glück, denn selbst aus-gebildete Juristen kommennicht so leicht auf diese Inter-pretation: Amtsmissbrauchja, aber keine Geschädigten.Dass damit das Vertrauen indie Justiz beschädigt werdenkönnte ist für die Ressortche-fin belanglos.Man kann es auch positiv

sehen: die hier gängige Formder politischen Rechtspre-chung wird breitenwirksamins Bewusstsein gebracht. Ei-

ne tiefgründige Hinter-fragung der Vorgänge

und Zustände könnte be-wirkt werden. Eines dürfteaber schon jetzt allen klarsein: es mangelt an Transpa-renz und Kontrolle in derJustiz. Und der Begriff Ge-waltentrennung ist in der ös-terreichischen Ausformungin noch keinem Lehrbuchbeschrieben, es sei denn,man sucht nach Zuständen,die nicht einmal mit einerbürgerlichen Demokratie zuvereinbaren sind.Wenn nur der Nebel nicht

zu dicht wird…

ge, die z.B. nur zwei Jahre hierwaren, ohne jede Möglichkeitverbleiben, legalen Aufenthaltin Österreich zu bekommen.Dass nunmehr dementspre-

chend eine sog. Bleiberechtsre-gelung umgesetzt wurde, dienur für einen minimalen Anteilder MigrantInnen irgendeinePerspektive bietet (und deshalbvon Grünen und Zivilgesell-schaft mit Krokodilstränen be-dacht wird) ist damit v.a. auchdas Verdienst der Grünen undihrer Trittbrettfahrer in derAsylkoordination und der Mehr-heit der österreichischen Bleibe-rechtsinitiativen, die sich vonAnfang an geweigert haben, fürein bedingungsloses Bleibe-recht für alle Flüchtlinge einzu-treten.Bliebe die EU als vermeintli-

cher Hoffnungsträger. Immer-hin gab diese vor kurzem eineRichtlinie heraus, die es Flücht-lingen schon nach sechs Mona-ten gestatten würde, legaleArbeitsverhältnisse einzugehen- statt der Praxis in Österreich,AsylwerberInnen im Asylverfah-ren generell gar keine sozialver-sicherungspflichtigeBeschäftigung zu gestatten.Aber vergessen wird schon in

diesem konkreten Fall, dass die-se Regelung in Wirklichkeitden Status von MigrantInnenin Österreich grundsätzlich ver-schlechtern würde: nach gelten-der gesetzlicher Regelungnämlich könnten AsylwerberIn-nen in Österreich bereits nachdrei Monaten legal arbeiten, le-diglich ein Erlass des Wirt-schaftsministeriums steht dementgegen.Es mutet auch kurios an,

dass zur selben Zeit, da dieGrenzschutzorgane der EU täg-lich Menschen in den sicherenTod schicken, in Österreich zi-vilgesellschaftliche StrukturenHoffnungen in diesen rassisti-schen Block schüren. Aber es

war ja auch nationale österrei-chische Politik, die die rassisti-sche Aufrüstung der EU mitvorangetrieben hat. Die sog.Länderpläne, mit denen mas-senhafte Abschiebungen vonFlüchtlingen in bestimmte Her-kunftsländer koordiniert wer-den, sind ebenso eineösterreichische Erfindung, wiedie berüchtigte militärischeFRONTEX-Struktur, die der di-rekten militärischen Bekämp-

fung irregulärer Migrationdient, und unter maßgeblicherBeteiligung österreichischerEinrichtungen des Bundes-heers und des Innenministeri-ums aufgebaut wurde. Undzuletzt wurde auch der Plan,Flüchtlinge zentral über dieStaaten der EU zu verstreuen(wodurch sich diese natürlichauch keine Strukturen aufbau-en können sollen, um sich ge-gen ihre Unterdrückung zuwehren!) und bei destabilisie-renden Entwicklungen durchZuzug von Flüchtlingen mög-lichst rasch und möglichst re-pressiv zu intervenieren, unterösterreichischer Führung in derEU verhandelt.Sicherlich erklärt sich auch

die Begeisterung der SPÖ-Füh-rung und der Grünen für dieEU-Reformverträge mit da-durch, dass durch diese künftigalle Länder der EU - einschließ-lich natürlich das neutrale Ös-terreich - dazu verpfilichtetwerden, gegen terroristischeBedrohungen , als welche unge-

regelte Migration zunehmendoffiziell gilt (! ), militärisch vor-zugehen (Art. 222 VAE).Während die überkommenen

zivilgesellschaftlichen Strö-mungen sich weiterhin an ihreIllusionen in die bestehendenParteien und Institutionenklammern, sogenannte linkeOrganisationen wie in Großbri-tannien sogar rassistische Mo-bilisierungen für einheimischeArbeitsplätze für einheimische

ArbeiterInnen verteidigen, ha-ben in vielen europäischenLändern die Kämpfe von Mi-grantInnen gegen den organi-sierten Rassismus dernationalen Regierungen undder EU zugenommen. In Grie-chenland waren es gerade Mi-grantInnen, die eine zentraleRolle bei der Aufstandsbewe-gung im letzten Dezember ge-spielt haben. Und inFrankreich konnten Flüchtlin-ge zumindest vorerst die gänz-liche Zerstörung ihrerWohnbereiche an der Kanal-küste verhindern. Auch in Ös-terreich wird die Zukunftdenjenigen Kräften gehören,die bedingungslos für das Auf-enthaltsrecht für alle Migran-tInnen und für gleiche sozialeund politische Rechte für allehier lebenden Menschenkämpfen und daher für dievollständige Zerstörung desrassistischen Regimes in Öster-reich und der EU eintreten.

Vincenz Kalam

Fortsetzung von Seite 3

"ÖFFENTLICHE SICHERHEIT": Das Kampfblatt des Innenministeriums zitiert zustimmendFektersWunsch nach "konsequenten Abschiebungen"

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Es ist also vollbracht: dieVerhandlungsteams der Ge-werkschaft GPA-djp (Ge-werkschaft derPrivatangestellten Druck –Journalismus – Papier)und des FachverbandsUBIT (Unternehmensbera-tung und Informationstech-nologie) haben sichgeeinigt und in einer Be-triebsrätInnenkonferenzwurde das Ergebnis am 23.Juli abgesegnet. Wir habenin der vorigen Ausgabe desKlassenkampfbereits überden Status der Verhandlun-gen berichtet und wollenuns hier mit dem HappyEnd und dessen Zustande-kommen befassen.Kurz noch einmal zusammen-

gefasst die Vorgeschichte – wasbisher geschah sozusagen:Am 7.10.2008 begannen die

Verhandlungen mit der Forde-rung nach einer generellen Ist-Gehaltserhöhung von seitender Gewerkschaft. Ende 2008legte die Unternehmervertre-tung ihrerseits einen Forde-rungskatalog auf den Tisch, derneben finanziellen Schlechter-stellungen auch die Verlänge-rung der täglichenNormalarbeitszeit auf 10 Stun-den und ähnlichem vorsah.Nach 5 gescheiterten Rundenkam es daraufhin am26.2.2009 zu einer Demonstra-tion mit, laut Gewerkschaft,mehr als 1000 TeilnehmerIn-nen. Entgegen der dortigen An-kündigung, zweiwöchentlichähnliche Aktionen durchzufüh-ren, startete ab 16. März eine‚Belagerung’ der WKO-Zentrale.Diese wurde nach zwei Wochenausgesetzt, denn immerhin gab

es einen neuen Gesprächster-min, der am 8. April erfolglosvorüberging.Schon am 4. Mai wurde die

Belagerung wieder aufgenom-men, ergänzt durch Auftrittedienstags und donnerstags vorausgewählten Betrieben – alle-samt nicht gerade mit berau-schender Beteiligung voneinzelnen Sandwiches, wie mansich leicht auf der Homepageder GPA-djp überzeugen kann.Immerhin dauerte die Aktiondiesmal bis zum 26. Juni undwurde mit einem Abschlussfestvon 11:00 bis 13:00 Uhr, waskurzfristig an einem Freitag jasicher für viele Kollegen einenattraktiven Termin darstellt,ausgesetzt. Wer sich da wohl ge-feiert haben mag? Es muss einegewisse berechtigte Zuversichtgeherrscht haben, wie die dar-auffolgenden Tage bestätigten.Denn am 30. Juni kam es zuder entscheidenden Verhand-lung, welche von den Betriebs-rätInnen schließlich am 23. Julibestätigt wurde.Was wurde also nach den

knapp 10 Monate dauerndenVerhandlungen erreicht? Wasbewirkten 4.830 Unterstützun-gen einer online-Petition, die2,5-monatige Belagerung derWKO-Zentrale, eine Demonstra-tion mit etwa 1.000 Teilnehme-rInnen zum IT-KV, dieBeteiligung an der grossen KV-Demo am 13. Mai, die Beteili-gung an der Siemens-Demo am23. Juni und 7 Verhandlungster-mine (oder waren es mehr)?Die WKO bietet dazu exklusiv

für Mitglieder Informationenauf ihrer Webseite. Die GPA-djp stellt ihren Mitgliedern denKV nicht zur Einsicht zur Verfü-gung, sondern begnügt sich miteiner Zusamenfassung der Er-gebnisse und einer Auflistungvon zwei Modellfällen. Anhanddieser Informationen sollen dieErgebnisse etwas genauer be-trachtet werden.• Die kollektivvertraglichen

Mindestgehälter steigen ab 1.9.2009 je nach Tätigkeitsfamiliezwischen 3,2 und 4,5 %. Hiergilt die Erhöhung um 3,2 % fürdie weniger qualifizierte Masse,

die auch dementsprechendeinen geringeren Anteil anüberzahlten Arbeitskräftenausweist. Somit kann man da-von ausgehen, dass die 4,5 %kaum zur Anwendung kommenwerden. Warum aber erst mit 1.September? Was ist mit denrestlichen 8 Monaten des Jah-res 2009?• Lehrlingsentschädigungen,

Schichtzulage sowie die Rufbe-reitschaftspauschale werdenum 3,5 % erhöht. Immerhin!• Ab 1.1.2010 steigen die

Mindestgehälter um 1,5 %.Wieder bezieht sich die Erhö-hung nur auf die Mindestgehäl-ter – wo bleibt dieIst-Erhöhung?• Das Urlaubs- und das

Weihnachtsgeld (13. und 14.Monatsgehalt) wird für alleBeschäftigten im Jahr 2010einmalig um 10 % erhöht wer-den. Ah! Da ist sie ja, unsereIst-Erhöhung, ab 2010 und da-mit 2009 das verlorene Jahr?Laut den beiden zugänglichenBeispielen ergibt das bei einerangenommenen Inflationsratevon 0,6% für 2.414 € brutto2,35 % und für 3.220 € bruttoimmerhin noch 0,83 % realeGehaltserhöhung. Laut WIFOliegt die Inflation für 2009 beica. 0,5 % und für 2010 bei rund1,0 %, womit für die Beispielenochmal 0,9 % abzuziehen wä-ren! Was aber, wenn die Lohn-

GEWERKSCHAFTSPOLITIK: JUHU -WIRHABEN EINEN NEUEN IT-KV!

BESCHÄFTIGTE INDER IT-BRANCHE -POTENTIELLSCHLAGKRÄFTIG. DIEGEWERKSCHAFTS-BÜROKRATIE SUCHTWIE IMMER FAULEKOMPROMISSE UNTERAUSSCHLUSS DERBETROFFENEN.

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abhängigen variable Gehaltsan-teile haben? Ist es da nicht vor-stellbar, dass diese 10 %entsprechend ‚berücksichtigt’werden? Weiters zahlt keinergerne Steurn, aber mit dieserRegelung geht die Erhöhungelegant an der Lohnsteuer vor-bei.Wo bleibt also die Ist –Er-

höhung für das Jahr

2009? Und für 2010 ist der Ef-fekt einmalig, das heißt, wirkönnen uns schon wieder aufden nächsten zermürbendenVerhandlungsmarathon einstel-len, den rückwirkende (in be-zug auf den Abschluss, nichteinmal in bezug auf den Ver-handlungsbeginn!) Anpassun-gen gehen anscheinend über

die Vorstellungskraft der Ver-handlungspartner. Und ein ge-schickter Schachzug ist derUnternehmerseite gelungen,die mit dem 13./14. das Grund-gehalt – ausgenommen Min-destgehälter - unangetastetlassen können.Ein weiterer Aspekt der ge-

troffenen Einigung wird von

der GPA-djp nicht so groß her-vorgehoben, nämlich die die Ar-beitszeit betreffendenRegelungen: Die tägliche Nor-malarbeitszeit kann auf 10 Stun-den erhöht werden, was sichauf den Anspruch von Über-stundenzuschlägen negativ aus-wirkt. Bei Schichtarbeit kannder Durchrechnungszeitraumauf 56 Stunden ausgedehnt wer-

den. Und bei Teilzeitkräftenwird der Zuschlag bei Mehrar-beit auf 4 Monate durchgerech-net. Das waren wohl dieZugeständnisse an die Unter-nehmer, um dieses dürftige Er-gebnis überhaupt einfahren zukönnen.Eigenartig für die Branche ist

auch der Umstand, dass esnicht einmal für Gewerkschafts-mitglieder eine Mailinglistegibt – in der IT! Es mag schonsein, dass ein Betriebsrat bes-ser informiert ist und seine Kol-legen am Laufenden hält. Wasist aber mit den Kollegen, diekeinen Betriebsrat haben? Undwäre es nicht für die Gewerk-schaft selbst im Sinne der Errei-chung eines höherenOrganisationsgrades vorteil-haft, hier eine zugänglichereForm der Informationsverbrei-tung anzubieten? Warumscheut die gewerkschaftlicheVertretung das stärkste Kampf-mittel zur Durchsetzung ihrerForderungen, nämlich denStreik, wie der Teufel das Weih-wasser? Warum wird der aus-verhandelte KV nicht einmalMitgliedern zur Einsicht ange-boten?Weiters stellt sich die Frage,

wo für die Gewerkschaft dieSchwerpunkte bei den drei auf-gestellten Forderungen liegen:

― Es IsT Zeit für die IsT-

Gehaltserhöhung

― Es IsT Zeit uns zu un-

terstützen -

― Es IsT Zeit Gewerk-

schaftsmitglied zu werden

Offensichtlich stehen hier dieZweiteren im Vordergrund,wobei das Ergebnis des KV die-ser Motivation entgegenwirkt.Die nächsten Verhandlungenstehen für Herbst 2010 an. Ge-nügend Zeit für die erschöpftenBeteiligten neue Kräfte zu sam-meln.Wir fordern:• Eine offene Informati-

onspolitik gegenüber denBetroffenen!• Aktionen, die auch die

Möglichkeit einer Teilnah-me bieten!• Streikdrohung zur Be-

schleunigung der Ver-handlungen!• Streiks zur Durchset-

zung der Forderungen!• Gleitende Lohnskala

statt einmaliger Zahlun-gen!Die WKO hat die Parole her-

ausgegeben: ‚Wir verhandelnam Tisch und nicht auf derStraße! ’ Wenn sie also offen-sichtlich und erfolgreich aufZeit spielt, bleibt eben nurmehr die Straße!

Am 23. Juni 2009 fand anlässlich der ange-

kündigten Kündigung mehrer hunderter Mitar-

beiter der PSE (Program and System

Engineering) in Wien eine Demonstration statt,

bei der auch die Gruppe Klassenkampf anwe-

send war und beigelegtes Flugblatt verbreitete.

Etwa 2000 Leute waren trotz widriger äußerer

Bedingungen gekommen. Die PSE wurde April

2009 in die zwei Bereiche SIS und CT aufgespal-

ten. Wie man aus dem Marketing weiss, ist ein

positiv belegter und seit Jahren gängiger Name

sehr viel wert. Also läßt sich mit dieser Ände-

rung die geplante Maßnahme der Entlassungen

leichter durchführen. Außerdem wird dem alten

Leitspruch der Römer, divide et impera – also:

teile und herrsche – Rechnung getragen. Trotz

der überaus guten Gewinn- und Ertragssituati-

on (mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes

des Siemenskonzernes), wie der Betriebsratsvor-

sitzende Ataollah Samadani ausführte, will das

Unternehmen diese Einschnitte durchführen.

Die geplante Menschenkette um das Parla-

ment wurde zunächst ‚wegen des schlechten

Wetters’ abesagt. Erst als großes Murren aus der

Menge auch auf dem Podium nicht mehr igno-

riert werden konnte, wurde die Aktion durchge-

führt. Auf die Frage, ob auf das Angebot der

Geschäftsführung zur Einrichtung einer Trans-

fergesellschaft eingegangen werden soll, kam

von den Anwesenden ein klares Nein. Ebenso

deutlich war die Zustimmung zu einer Arbeits-

niederlegung im Falle des Scheiterns der Ver-

handlungen zwischen Belegschaftsvertretung

und Geschäftsführung. Im Widerspruch dazu

stehen die Aktionen des Betriebsrates, der nach

Presseberichten bereits Verhandlungen mit

dem WAFF, also dem AMS, geführt hatte.

Welches Spiel wird da von den Vertretern

geespielt?

Warum wird Streik als legitime und stärkste

Form des Arbeitskampfes nicht einmal er-

wähnt?

Warum kamen nur Funktionäre auf der Büh-

ne vor das Mikrofon?

Zum Abschluß wurden noch 600 schwarze

Luftballons in den Himmel entlassen. ‚Sie sind

schwarz wie die Seele jener Menschen, die 632

Menschen arbeitslos machen wollen’, sagte Sa-

madani. Man kann dazu sicher auch andere

symbolische Vergleiche anstellen.

BERICHT: DIE SIEMENS-DEMO

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Die fünfvom Hauptver-band der Sozialversiche-rungsträger im Auftrag derBundesregierung installier-ten Arbeitsgruppen habenganze Arbeit geleistet. Biszum Ende der Legislaturpe-riode 2013 sollen insge-samt 1,7 Mrd. EUR imösterreichischen Gesund-heitswesen eingespart wer-den.Das sind die Eckpunkte des

„Kostensenkungsprogramms“:

• 1 KassenärztInnen

Künftig soll die Sozialversi-cherung in die Vergabe von neu-en Kassenverträgen engeingebunden sein. Sie kann ne-ben den Öffnungszeiten auchden Grad der Ausbildung festle-gen, den ein Kassenarzt habenmuss, um den Vertrag zu be-kommen. Weiters werden dieKündigungsbestimmungen ver-schärft. D. h. also mit anderenWorten, dass der Hauptver-band der Sozialversicherungs-träger missliebige Ärzte, die zuviele Kosten verursachen in-dem sie z. B. zu viele Marken-medikamente statt Generikaverschreiben, geschasst werdenkönnen.

• 2 Neue Gruppenpraxen

Diese sollen in einer GmbHorganisiert sein. Da auch Ärz-tInnen schon in Konkurs gegan-gen sein sollen, hat das für dieGesundheitsarbeiterInnen denNachteil, dass die GmbH im Ge-gensatz zum einzeln ordinieren-den Arzt nur mit ihrer Einlage

von EUR 35.000 und nicht mitdem gesamten Vermögen desArztes haftet.• 3 „Qualitätssicherung“

Erneut geht es um erweiterteEinflussnahme der Sozialversi-cherung auf die ÄrztInnen.

Es erfolgt eine Verlagerungvon der Ärztekammer zur SV.Im Klartext: Wer nicht spart,fliegt!

• 4 Generikaförderung

Nun hat er es endlich ge-schafft, der Inhaber des größ-ten GenerikaunternehmensÖsterreichs, der frühere Ge-sundheitsminister und nun-mehr einfache Nationalrats-abgeordnete Martin Barten-stein. Noch vor gut einem Jahrist die Gesundheitsreform ander Causa Generika gescheitertund in Folge die damalige Gu-senbauer Regierung. Die aktuel-le Kassenreform sieht eineniedrigere Rezeptgebühr für Ge-nerika vor als die derzeitigen

EUR 4,90.Wer also das Originalmedika-

ment verlangt und kein Pro-blem damit hat, die vollen EUR4,90 zu berappen, für den wirdsich nur die Änderung ergeben,dass er den Arzt jedes Mal umsMarkenprodukt anbetteln wird

müssen. Für sozial schwacheMenschen wird die Wahl wohloder übel auf das Generikapro-dukt fallen müssen.Bisher harrt das aktuelle Ge-

sundheitspaket noch auf seineUmsetzung. Besonders die SPÖscheint es trotz gegenteiliger Be-teuerung nicht eilig zu haben.Denn in Oberösterreich undVorarlberg stehen Landtags-wahlen bevor und auch dieWahlschlacht um Wien istnicht mehr allzu fern. Da wärees fatal, die wichtige SPÖ Wäh-lerInnengruppe der Pensionis-tInnen mit der„Generikaförderung“ zu verär-gern.Dieses Paket ist aber noch

längst nicht die ganze Gesund-heitsreform, die die aktuelle

Bundesregierung plant. DazuBundeskanzler Faymann miteiner gefährlichen Drohung imRahmen einer Presseaussen-dung vom 3.7.2009: “Dienächste große Aufgabe wird dieFrage der Spitalsfinanzierungsein. Dieses Gesundheitssys-tem ist für die Österreicherin-nen und Österreicher sowichtig, dass es unsere gesam-te Kraftanstrengung als Bun-desregierung benötigt. Ichwerde als Bundeskanzler dendafür nötigen Rückenwindmitorganisieren“, so Faymann.Nach den Wiener Wahlen

und der Bundespräsidenten-wahl 2010 sind verstärkte An-griffe auf das Gesundheits-system und da vor allem aufdas Spitalswesen zu erwarten.Denkbar sind eine massive Er-höhung des Spitalselbstbehaltsund eine Einführung vonSelbstbehalten bei Operatio-nen und anderen Gesundheits-leistungen (zur Erinnerung:Schwarzblau hatte bereits imEntwurf für sein Regierungs-programm einen 20 %igenSelbstbehalt für ärztliche Leis-tungen angedacht).Es wird ein harter Kampf,

den die österreichische Arbei-terInnenklasse zur Verteidi-gung der hart erkämpftenErrungenschaften im Gesund-heitswesen auszufechten habenwird. Zur Vorbereitung der Ar-beiterInnenklasse auf diesenKampf einen positiven Beitragzu leisten, ist das ehrgeizigeZiel, das sich die Gruppe Klas-senkampf gesetzt hat.

„GESUNDHEITSREFORM“:GENERIKAFÖRDERUNG BESCHLOSSEN,FAYMANN DROHT MIT SPARPAKET

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KLASSENKAMPF

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Nach der letztjährigen Er-höhung der Pensionen undder Verlängerung der so-genanten Hacklerregelung- beides im Sinne von Kli-entelpolitik in großkoalitio-närer Eintracht angesichtsder bevorstehenden Natio-nalratswahlen durchge-führt - sieht es für heuerschon etwas anders aus.

Der gesetzlich verankertenAnpassung um die vorjährigeInflationsrate, die für 2008 bei1,5 % bis 1,6 % lag (für 2009werden 0,5 % prognostiziert),stehen die Forderungen derPensionistenvertreter nach Ab-geltung des Pensionistenpreis-index, der sich mehr an dengrundlegenden Bedürfnissender Menschen orientiert, von2,0 % gegenüber. Nach Auffas-sung der Pensionskommissionsteht dafür aber kein Spielraumzur Verfügung. Wir haben je-doch schon öfters darauf hinge-wiesen, dass die ursprünglicheDrittelfinanzierung des Staateszuletzt in den 70er Jahren er-reicht wurde und in der derzei-tigen Aufteilung mit wenigenAusnahmen wie der Pensionender Bauern oder der Unterneh-mer weit verfehlt wird. So gese-hen gäbe es genügendSpielraum. Die Argumentationder Kommission sieht die Lang-zeitwirkung für das Budget alsbedrohlich an, außerdem seienja auch die Beitragszahler mitdem allgemeinen Index kon-frontiert, die letzten Erhöhun-gen seien überproportionalgewesen und auf Grund derWirtschaftskrise – schlimmesWort, große Wirkung – seien

die Pensionsbeiträge gesunken.Kein Wort von der Konsum-kraft und dem damit verbunde-nen Einfluß auf die regionaleWirtschaftskraft und deren kon-junkturiellen Bedeutung geradefür Klein- und Mittelbetriebe.Wegen der schwierigen wirt-

schaftlichen Situation gehen im-mer mehr Menschen inFrühpension, vor allem unterInanspruchnahme der Hackler-regelung (derzeit etwa zweiDrittel der gesamten vorzeiti-gen Pensionen), die eigentlichhauptsächlich von Menschenmit genügend langer Versiche-rungsdauer in Anspruch genom-men wird und nicht vom‚Hackler’. Die Anträge auf Alter-spension und auf Invaliditäts-pension liegen mit kanpp40.000 im ersten Halbjahr inetwa gleich auf. Insgesamt wur-den im Juni knapp 2,2 Millio-nen Pensionen ausgezahlt.Die beiden anderen Säulen

neben der staatlichen Alterssi-cherung - die betriebliche unddie private - stehen zur Zeitnicht besonders gut da. AufGrund der riskanten Veranla-gung und der wirtschaftlichenSituation kommen sie auf eineäußerst mickrige Performance.Diese ist aktuell vor allem vonden Betroffenen der betriebli-chen Sparte zur Diskussion ge-bracht worden. SignifikanteAbschläge mussten in Kauf ge-nommen werden, und wen wun-dert es, dass der Ruf nach demStaat laut wird, der diese Ausfäl-le decken soll. Zum Teil berech-tigt, denn war es nicht dieglorreiche schwarz-blaue Regie-rung, die es angesichts der tol-

len Börsengewinne erstermöglichte und großzügig för-derte, dass Betriebe ihre Pensio-nen an Kassen auslagernkonnten. Das hatte und hat denangenehmen Nebeneffekt, dassdie Beiträge der Unternehmergeringer ausfielen. Es war jadie Gewinnerwartung so rosig,und jeder sollte von dem Bör-senhoch profitieren. Für die Un-ternehmen trifft das ja auch zu.Für die Betroffenen ist der Kat-zenjammer jetzt aber groß.Von den Leuten, die einer pri-

vaten Pensionsvorsorge mitglorreichen Aussichten auf denLeim gegangen sind, ist weni-ger zu hören. Sie sind nicht sogut organisiert, haben kaum ei-ne Lobby. Und der Traum vomunbeschwerten Lebensabendentpuppt sich als eine täglicheÜbung im Gürtel enger schnal-len.Die Pensionskassen liegenauf der sicheren Seite: ihre Auf-wendungen werden großzügigabgegolten und bleiben weitge-hend unberührt von der tatsäch-lichen Leistung, die sieerbringen. Alles gesetzlich ge-deckt natürlich, denn sie kön-nen ja nichts dafür, dass sichdie Veranlagungen als Luftbla-sen erwiesen haben. Der Exper-te irrt sich ohne Konsequenzen,der Einzelne schaut durch dieFinger. Gut, wenn man sich Ju-risten leisten kann. Und Aus-kunft über diePensionskassenverträge istschwer, wenn überhaupt, zu be-kommen.Ähnlich verhält es sich mit

den Abfertigungskassen: die Ab-fertigung Neu hat ebenso aufdieses Luftschloß gebaut. Die

Gelder schmelzen dahin unddie Betroffenen haben wenigMöglichkeit, irgendeinen Ein-fluss darauf zu nehmen.

Wir fordern:

* Erhöhung der Min-destpensionen* Zurücknahme derVer-

schlechterungen durch diePensionsreform 2003* GleichmässigeVertei-

lung der Lasten* Heranziehen der

Wertschöpfung zur Finan-zierung* Abzug der Mittel aus

dem Kapitalmarkt* Schluss mit Reformen,

die keineVerbesserung fürdie Menschen bringen*Wer unsere Pensionen

und Abfertigungen verspe-kuliert, muss zurVerant-wortung gezogen werden* Keine Spekulationsge-

schäfte mit Lohnbestand-teilen

PENSIONEN: DER HOFKNICKSDER PENSIONSSÄULEN

Mehr Artikel zu diesem

Thema aus unserer

Homepage:

www.klassenkampf.net

Page 10: Klassenkampf Nr. 06

KLASSENKAMPF

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Seit den Präsidentschafts-wahlen vom 12. Juni 2009ist die politische Situationim Iran durch eine Wellevon Massenprotesten, Re-pression, Konfrontatio-nen zwischen Anhängernverschiedener islamischerFraktionen und GegnerIn-nen des theokratischenMullah-Regimes aufdereinen und Repressions-kräften (Polizei, Bassiji-Milizen) aufder anderengeprägt. Am 1. August wur-den auch schon im Staats-fernsehen die erstenprominenten Anhängerdes „Reformerflügels“ alsreumütig Geständige inmanipulierten Schaupro-zessen präsentiert.Das Wahlergebnis (von dem

viele IranerInnen glauben,dass es durch massive Manipu-lationen zustande gekommenist) bestätigte den bisherigenAmtsinhaber Mahmud Achma-dinedschad mit 62 % der abge-gebenen Stimmen gegenüber33,8 % der Stimmen für sei-nen stärksten WidersacherMir Hossein Mussawi. Schoneinen Tag nach der Wahl kames zu Straßenprotesten gegenAchmadinedschad, die zu ers-ten Zusammenstößen mit Bas-siji-Milizen führten, innerhalbweniger Tage wurden rund200 führende AktivistInnender sogenannten „Partizipati-onsfront des islamischenIran“, also der politischenGruppierung von Ex-Präsident

Chatami, und UnterstützerIn-nen Mussawis festgenommen.Zur Terrorisierung der studie-renden Jugend gibt es immerwieder nächtliche Überfälleder Bassiji auf Schlafsäle anden Universitäten (u.a. in Te-heran und Tabriz), bei denenStudentInnen zu Tode geprü-gelt oder misshandelt werden.

ISLAMISCHE REPUBLIK?THEOKATISCHE DIKTA-TUR!

Bereits die Präsidentschaft-wahlen an sich waren ein Mus-terbeispiel für denundemokratischen Charakterder islamischen Republik. SeitMärz 1979 stehtder autokrati-sche Rahbar (Oberste Führer)an der Spitze des Staates, dervom 86köpfigen ExpertenratMajles-e-Khobregan gewähltwird. Der 12-köpfige Wächter-rat besteht zur Hälfte ausGeistlichen, zur anderen ausJuristen. Die Geistlichen imWächterrat werden – vom Rah-bar ernannt! Der Wächterratseinerseits entscheidet dar-über, welche KandidatInnenzu Präsidentschaftswahlenüberhaupt zugelassen werden.Für die diesjährigen Präsident-schaftswahlen ließen sich 475Bewerber, unter ihnen 42 Frau-en, registrieren. Am 20. Maiwurden vier Kandidaten vomWächterrat zugelassen, nach-dem alle anderen bezüglich ih-rer Treue zum Staat, ihrerLoyalität zu den Zielen der isla-

mischen Republik und ihremmoralischen Verhalten gemäßden Regeln der schiitischenReligion geprüft und ausge-siebt worden waren.Als «konservative» Kandi-

daten galten der AmtsinhaberMahmud Ahmadinedschadund der ehemalige Führer derRevolutionsgarden, MohsenRezai; letzterer kritisierte vorallem die Außenpolitik Ahma-dinedschads dem er vorwarf,durch seine provokanten Äu-ßerungen den Iran in die Iso-lation zu führen. Mit«reformerischem» Anspruchtrat Mehdi Karroubi an, derunter anderem die verfolgtereligiöse Minderheit der Bahailegalisieren und Frauen in sei-ne Regierung aufnehmenwollte. Inwieweit Mir HosseinMussawi als Reformer angese-hen werden kann, war in derBevölkerung heftig umstrit-ten. Seine politische Karrierebegann er unter Khomeini alsRedakteur der Zeitung der Is-lamischen RepublikanischenPartei, im Frühsommer 1981wurde er zum Außenministerund dann im Herbst des glei-chen Jahres zum Premiermi-nister ernannt. Währendseiner Amtszeit wurden Tau-sende Mitglieder von Arbei-terorganisationen undoppositionellen Gruppierun-gen verhaftet, gefoltert undermordet; während des Krie-ges gegen den Irak organisier-te er die blutigeUnterdrückung der KurdIn-

Einige wichtige Begriffe

Theokratie: Eine Staatsform,die religiös begründet wird.Die Machtausübung liegt inden Händen eines odermehrerer Geistlichen.Beispiele sind der Iran oderder Vatikan.

Bassidji-Milizen: DieBasidsch-e Mostaz'afinجيسب) نيفعضتسمBasīdsch-e Mostaafīn, „dieMobilisierten derUnterdrückten“, auch Basij,

Bassiji, Bassidji, Bassidschi),sind eine paramilitärischeMiliz, die sich ausFreiwilligen rekrutiert undden Revolutionsgardenuntersteht. Sie werden gegenOppositionelle sowienationale und religiöseMinderheiten eingesetzt.

IslamischeRevolutionsgarden(Pasdaran): 1979 vonAyatollah Chomeini alsparamilitärischer Arm der«islamischen Revolution»aufgebaute Freiwilligenmilizauf religiöser Basis. DiePasdaran haben bedeutendenpolitischen (13 von 21Ministern der letztenRegierung Ahmadinedschadwaren Pasdaran-Kommandeure) undwirtschaftlichen Einfluss (dieRevolutionsgarde ist dergrößte Unterneher des Iran).

Tudeh-Partei ( بزح Kدوتنار>ا Hezb-e Tūdeh-e Īrān) isteine seit 1941 bestehende vomStalinismus geprägte Partei.Ihr Name bedeutet übersetztPartei der Massen des Iranoder Partei des Volkes desIran. Sie hat seit ihrerGründung eine Politik derZusammenarbeit mitunterschiedlichenbürgerlichen Strömungenverfolgt und steht heute imLager Mussawis.

IRAN: MASSENPROTESTEGEGEN DIE ISLAMISCHEREPUBLIK

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nen.Alle vier Kandidaten, die mit

Billigung der höchsten Füh-rung des theokratischen kapita-listischen Regimes gegeneinan-der antraten, verkörperten alsonichts anderes als die teilweisezueinander in Widerspruch ste-henden Fraktionen der reaktio-nären herrschenden Klasse der

islamischen Republik bzw. ih-res bürokratischen Apparates.Es war weniger ein Ausdruck

des Vertrauens in die PolitikMussawis sondern vielmehrder Hass auf Ahmadinedschad,der die arbeitenden Massen an-trieb. In einem Flugblatt der Ar-beiter der staatlichenAutomobilwerke Khodro wurdeAhmadinedschad vorgeworfen,dass seine Angewohnheit, imWahlkampf in den ärmerenStadtteilen mit vollen HändenGeld zu verschenken, eine Belei-digung für die Arbeiterklassesei, die keine Almosen, sondernanständige Löhne erwarteten.Gleichzeitig kritisieren die Kho-dro-Arbeiter die Wirtschaftspo-litik der Regierung, welche dieHyperinflation durch das stän-dige Drucken von Banknoten

immer weiter anheize.Die ArbeiterInnen der Ölin-

dustrie erinnerten in Flugblät-tern daran, dass sie 1979maßgeblich am Sturz des Schah-regimes beteiligt gewesen wa-ren. Sie erwarteten keinemilden Gaben, sondern ein Ver-bot der „weißen Verträge“ (Zeit-arbeitsverträge).

PROLETARIAT UNDFRAUEN -TRÄGERINNENDER PROTESTE

Die Massendemonstrationenam 15. Juni wurden wesentlichdurch proletarische Elementeund die studierende Jugend ge-prägt. Alleine in Teheran gin-gen mehr als drei MillionenMenschen auf die Straßen, in Is-fahan, Tabriz und Shiraz drück-ten mehrere Hunderttausendihren Protest aus. Besondershervorgehoben werden mussdie Präsenz junger Frauen beiden Demonstrationen. Sie lei-den – als ArbeiterInnen, alsStudentInnen und als Frauen –doppelt unter dem frauenfeind-lichen reaktionären religiösenRegime. Dementsprechend wur-den auch die Sprechchöre im-

mer radikaler: „Tod demDiktator“.Das Regime reagierte auf die

Massenmobilisierungen mitgnadenloser Härte. Neben derPolizei griffen vor allem die Bas-siji-Milizen immer wieder mitgrößter Brutalität die Demons-trationen an. Der „Reformerflü-gel“, der sich um Mussawi

scharte, zauderte bereits unterden ersten Schlägen der Repres-sion. Es dauerte mehrere Tage,bis sich der geschlagene Kandi-dat der reichen bürgerlichenFraktionen des Regimes auf dieStraßen wagte. Und bei seinenersten Auftritten machte Mussa-wi klar, dass er die Massen soschnell wir möglich von denStraßen bringen wollte. Gleich-zeitig erklärte er theatralisch,gegebenenfalls zum Märtyrerwerden zu wollen.Auch einer der Hintermän-

ner Mussawis, der „Mullah-Mil-lionär“ Rafsandshani, machteam 17. Juli beim Freitagsgebetklar, worum es ging: Es geheum Aussöhnung. Als ihnSprechchöre unterbrachen undeine klare Stellungnahme for-derten, beschränkte er sich auf

die Forderung nach Freilas-sung festgenommener De-monstranten undPressefreiheit. Das Wahlergeb-nis selbst zog er nicht in Zwei-fel.Die Protestbewegung im

Iran, die nach wie vor nichtniedergeschlagen werdenkonnte, ist noch keine Revolu-

tion oder auch nur die erstePhase einer vorrevolutionärenSituation. Zwar ist die irani-sche ArbeiterInnenklasse ver-stärkt in diese Bewegunginvolviert, aber noch gibt eskeine Anzeichen von Doppel-machtorganen. Nach wie vorkontrolliert das Regime der is-lamischen Republik ungebro-chen die Repressivkräfte undden Staatsapparat.Zwar gibt es seit mehreren

Jahren eine steigende Zahl anArbeiterInnenprotesten, dieaber zumeist blutig unter-drückt wurden: Im Jänner2004 versammelten sich vorder Kupferfabrik in Khatuna-bad in der Nähe der Stadt Ba-bak im Landkreis Kerman)hunderte ArbeiterInnen, derenArbeitsverträge nicht verlän-

TEHERAN, SOMMER 2009:Auffallend bei denMassenprotesten war diehohe Mobilisierung vor allemjunger Frauen. Gegen siegingen die Polizeikräfte unddie Schlägerbanden derBassidji besonders brutal vor,berichten AugenzeugInnen.

Page 12: Klassenkampf Nr. 06

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gert worden waren. Die Polizeiintervenierte und tötete zahlrei-che Protestierende; rund umden 1. Mai 2004 kam es zu mas-siver Repression gegen Arbeite-rInnen, besonders brutal inSaghez im kurdischen Teil desIran. Dort wurden unter ande-rem alle ArbeiterInnen verhaf-tet, die an der Gründung vonGewerkschaften beteiligt wa-ren. Rund 200 Beschäftigte derMiral-Glashütte im Süden Te-herans demonstrierten am Mor-gen des 31. Dezember 2005 vorden Fabrikstoren und blockier-ten die Straße mit brennendenReifen. Sie hatten seit 10 Mona-ten keinen Lohn mehr ausbe-zahlt bekommen; 2006 und2007 kam es wiederholt zuStreiks der Werftarbeiter, dieteilweise siegreich verliefen:Auf der Sadra-Werft konnte imJänner 2007 die Wiedereinstel-lung von 38 entlassenen Arbei-tern, die sich ein Jahr zuvor an

einem Streik beteiligt hatten, er-zwungen werden. Im März2007 streikten 1.200 Arbeitervon Kuran-Agrarwirtschaft, umdie Zahlung ihrer Gehälter undfeste Arbeitsverträge zu errei-chen. Kurz danach wurde in Te-heran eine Lehrerdemonstra-tion geknüppelt – auch die Leh-rer hatten Gehaltserhöhungenund die Zahlung ausständigerLöhne gefordert. 2007 warauch das Jahr, das den langwie-rigen Kampf der Buschauffeurebei der Vahed-Company in Te-heran sah. Der Führer der Bus-arbeitergewerkschaft, MansoorOsanloo, wurde von Büttelnder iranischen Republik soschwer misshandelt, dass er einAuge verlor. Er wurde zu fünfJahren Gefängnis verurteilt. ImMai 2008 streikten die Zucker-arbeiterInnen in der ProvinzKhuzestan, die ArbeiterInnenbei Siemens und die Beleg-schaft der Khuzestan Pipe Fac-

tory. In allen Fällen gingPolizei und Armee massiv ge-gen die ArbeiterInnen vor.Rund um den 1. Mai 2009 wur-den über 200 Arbeiteraktivis-tInnen verhaftet.Internationalistische Revolu-

tionärInnen müssen in der jetzi-gen Situation die Forderungnach sofortiger Freilassung al-ler Opfer der Repression for-dern. Zugleich muss allenVersuchen der imperialisti-schen Bourgeoisie entgegenge-treten werden, die Instabilitätim Iran für einen Militärschlagauszunützen (wobei die Impe-rialisten bezüglich des Iran der-zeit ebenfalls zaudern). UnsereSolidarität muss sich auf dieForderungen der iranischen Ar-beiterInnenklasse nach funda-mentalen gewerkschaftlichenund politischen Freiheiten kon-zentrieren. Entschieden müs-sen wir allen Bestrebungennach einer «Reform» des theo-

kratischen Regimes entgegen-treten. Exil-Organisationenwie die Fedayin, die Mudja-heddin oder die stalinistischeTudeh-Partei kapitulieren heu-te wie schon 1979 vor den «ge-mäßigten» VertreterInnen derislamischen Republik. Das Zielmuss aber die Beseitigung die-ser islamischen Republik, dievöllige Trennung von Religionund Staat, sein. Entscheidendwird vor allem die Unterstüt-zung aller Bestrebungen seinmüssen, eine revolutionäre Ar-beiterInnenpartei im Iran auf-zubauen. Denn nur einerevolutionär-marxistische Par-tei wird in den bevorstehendenKämpfen verhindern können,dass die iranischen Werktäti-gen wieder zur Beute reaktio-närer kapitalistischer Politikerwerden.

Die zentra-len Fragender kolonia-len und halb-kolonialen

Länder sind: die Agrarrevolution, d.h. dieAbschaffung des Feudalerbes, und die Na-tionale Unabhängigkeit, d.h. das Abwer-fen des imperialistischen Jochs. Diesebeiden Aufgaben sind eng miteinanderverbunden.

Es ist nicht möglich, das demokratischeProgramm schlicht und einfach zu verwer-fen: die Massen selbst müssen dieses Pro-gramm im Kampf überwinden. DieLosung der Nationalversammlung (oderKonstituante) bewahrt in Ländern wie Chi-na oder Indien ihre volle Gültigkeit. Manmuß diese Losung mit den Aufgaben dernationalen Befreiung und der Agrarre-form verknüpfen. Man muß vor allem die

Arbeiter mit diesem demokratischen Pro-gramm bewaffnen. Sie allein können dieBauern erheben und sammeln. Auf derGrundlage des revolutionär-demokrati-schen Programms müssen die Arbeiterder „nationalen“ Bourgeoisie entgegenge-stellt werden.

Aufeiner gewissen Stufe der Massenmo-bilisierung unter den Losungen der revolu-tionären Demokratie können und müssenSowjets entstehen. Ihre geschichtliche Rol-le, insbesondere ihr Verhältnis zur Natio-nalversammlung, ist in der jeweilsgegebenen Periode bestimmt durch die po-litische Reife des Proletariats, seine Ver-bindung mit der bäuerlichen Klasse unddurch den bäuerlichen Charakter der Poli-tik der proletarischen Partei. Früher oderspäter müssen die Sowjets die bürgerlicheDemokratie stürzen. Nur sie sind fähig diedemokratische Revolution zu Ende zu füh-

ren und so die Ära der sozialistischen Re-volution zu eröffnen.

Das besondere Gewicht der verschiede-nen demokratischen- und Übergangslo-sungen im Kampf des Proletariats, ihrewechselseitige Verbindung und ihre Auf-einanderfolge sind durch die Besonder-heiten und Eigenheiten des jeweiligenrückständigen Landes bestimmt und zueinem beträchtlichen Teil durch den Gradseiner Rückständigkeit. Jedoch kann dieallgemeine Richtung der revolutionäreEntwicklung gefaßt werden in der Formelder Permanenten Revolution – in demSinn, der ihr durch drei Revolutionen inRußland (1905, Februar 1917, Oktober1917) endgultig gegeben worden ist.

(Aus dem Übergangsprogramm der IV.Internationale, 1 938)

LEOTROTZKI:Die unterentwickelten Länder und dasProgramm der Übergangsforderungen

Page 13: Klassenkampf Nr. 06

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Die umweltpolitischen Dis-kussionen im Zuge desWahlkampfs der EU Volks-abstimmung 1994 wirdnoch manchen nicht mehrganz jungen LeserInnen inErinnerung sein. Damalswurde uns von beitrittswil-ligen Großparteien SPÖund ÖVP hoch und heiligversprochen, dass die imVergleich zur EU höherenösterreichischen Umwelt-standards auch nach ei-nem EU Beitritt erhaltenbleiben. Im Fokus der De-batte standen damals Ge-tränkeflaschen und zwarMehrwegglasflaschen –wie damals in Österreichüblich – vs. Einwegplastik-flaschen, die in der EU do-minant waren.Seit dem EU Beitritt sind 15

Jahre vergangen. Mittlerweilesind Mehrwegflaschen aus Glasoder Plastik aus den Regalender Supermärkte so gut wie ver-schwunden. Nur noch verein-zelt sind sie bei Bier oderMineralwasser anzutreffen. DieGemeinde Wien hat auf die Fla-schenmisere so reagiert, dasssie vor einigen Jahren zugege-ben hat, dass die Kunst-stoffsammlung nur ein WienerSchmäh ist und propagiert seit-dem das Sammeln von nachMöglichkeit flach gedrückten

Plastikflaschen. Der Jammerist, dass sich die WienerInnennicht lückenlos an das Sammel-gebot halten und daher nur et-wa die Hälfte allerPlastikflaschen ins Recyclings-ystem gelangt. Nachdem sichdie Industrie nur dazu ver-pflichtet hat, 50 % aller gesam-melten Einwegflaschen wiederzu verwerten, werden also nurca. 25 % aller Einwegplastikfla-schen recycelt.Also keine Spur mehr von

den Versprechen anlässlich desEU Beitritts, dass die hochwer-tigen Österreichischen Umwelt-standards erhalten bleiben.Wegen des EWR (EuropäischerWirtschaftsraum) ist es garnicht möglich, Erzeugnisse ausanderen EWR Staaten in Öster-reich nicht zum Verkauf zuzu-lassen. Der Schwarze Peterwird nun den KonsumentInnenzugeschoben, die ja mit ihremKaufverhalten an der Miseremit den Wegwerfplastikfla-schen schuld seien.Dass es auch anders geht, be-

weist ein Blick über die Gren-zen. In Deutschland läuft schonseit Jahren ein erfolgreichesPfandsystem für Plastikfla-schen. Die Lebensmittelhänd-ler haben sich verpflichtet,Plastikflaschen nur gegenPfand zu verkaufen und zurückzu nehmen. Natürlich ist auch

das nicht der Stein der Weisen,aber gegenüber den sehrlückenhaften und pfandfreienösterreichischen Wiederverwer-tungsbemühungen ein klarerFortschritt.Eine Greenpeace Studie

zeigt, dass Mehrweggetränke-verpackungen gegenüber Ein-weg einen klaren Vorteil für dieUmwelt haben. Bei Umstellungauf Mehrweg bei den Getränke-verpackungen könnten die CO²Emissionen aus diesen Verursa-chern um 44 % reduziert wer-den.Gegen Plastikgebinde spre-

chen auch wichtige gesundheit-liche Aspekte. Die Zeitschrift

Konsument hat in 21 von 25 inPET Flaschen abgefüllten pri-ckelnden Mineralwässern er-hebliche Mengen anAcetaldehyd entdeckt. Es han-delt sich dabei um eine Sub-stanz, die von der EU auf dieListe der Substanzen mitkrebserregender Wirkung ge-setzt wurde.Neben dem Transitschmäh

dürfte die de facto Umstellungder meisten Getränkeverpa-ckungen von Mehrwegglas- aufEinwegplastikflaschen dergrößte Umweltschmäh der EUbeim Beitritt Österreichs gewe-sen sein. Das deutsche Modell

AUCH KEINEWIRKLICHE LÖSUNG DESMÜLLPROBLEMS - DER ALTFLASCHEN-HUBSCHRAUBER

MEHRWEG- STATT FLACHE FLASCHEN

UMWELTP

OLITIK Ein immer deutl icher zu Tage tretendes Merkmal des

niedergehenden Kapital ismus ist sein verantwortungsloser

Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen der

Menschheit. Für uns Revolutionäre ist die Beschäftigung mit

Fragen der Ökologie ein grundlegender Bestandteil der

politischen Arbeit.

UMWELTP

OLITIK

UMWELTP

OLITIK

Fortsetzung von Seite 1 6

weiter auf Seite 1 4

Page 14: Klassenkampf Nr. 06

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mit den Mehrwegplastikfla-schen ist zwar ein positives Bei-spiel dafür, wieNationalstaaten ihre umweltpo-litischen Möglichkeiten nützenkönnen, jedoch nicht der Weis-heit letzter Schluss, hat Mehr-wegplastik gegenüberMehrwegglas eindeutig dasNachsehen in der Umweltbi-lanz.Die einzig sinnvolle Möglich-

keit wäre, EU weit Mehrweg-glasflaschen zu verordnen. DieFrage, warum das nicht schonlängst geschehen ist, ist durch-aus berechtigt. Einmal mehr ist

die Ursache – wie in so vielenumwelt- und gesellschaftspoliti-schen Fragen – im Wesen desherrschenden politischen Sys-tems, dem Kapitalismus, zu su-chen.Neben der Industrie, die am

Verkauf von Einwegplastikfla-schen an den Handel verdient,hat vor allem der Handel selbstgroßes Interesse daran, Einweg-gebinde zu forcieren. In Öster-reich ist die Politikoffensichtlich ohne großen Wi-derstand bereit, den Begehrlich-keiten der großenHandelsketten zum Durch-bruch zu verhelfen, ist doch derMehrweganteil stetig im Sin-

ken begriffen. Der Vorteil fürdie Supermärkte liegt dabei aufder Hand: Weniger Mehrwegbedeutet weniger Aufwand fürdie Rücknahme der Flaschen,d. h. es ist weniger Personal nö-tig und weniger Maschinenbzw. werden diese Maschinenweniger stark ausgelastet.Die Sachlage ist ähnlich wie

in anderen Umweltfragen: Eineökologische Lösung des Versor-gungsproblems wäre sinnvollund möglich, allerdings der Pro-fitmaximierung einflussreicherKapitalistengruppen abträg-lich. Daher läuft alles in diefalsche Richtung.Das Problem kann keines-

wegs durch einzelstaatliche In-itiativen gelöst werden. Daskann nur auf internationalerEbene in einem anderen Ge-sellschaftssystem geschehen –einem Gesellschaftssystem, indem die Wirtschaft unabhän-gig von Profitstreben demokra-tisch und unterBerücksichtung von Umwelta-spekten von den Beschäftigtenund KonsumentInnen geplantist – eine Gesellschaft, die freiist von Ausbeutung und Unter-drückung und für die es sich zukämpfen lohnt – eine Gesell-schaft, die wir Sozialismusnennen.

Fortsetzung von Seite 1 3

Lest die Presse der Organisationen desKollektivs Permanente Revolution(CoReP)!

Révolution Socialiste (Frankreich) undTribunaClasista (Peru) sind erhältlich in: LhotzkysLiteraturbuffet, Rotensterngasse 2, 1 020Wien

Die derzeitige Krise der kapital istischenWeltwirtschaft, die im Frühsommer 2007in den USA aufgebrochen ist („subprime-crisis“), widerlegt al le ideologischenBehauptungen der Bourgeoisie, die 20Jahre nach dem Fall der Berliner Mauerund der Implosion der UdSSR eigentl ich

ihr System als „das siegreiche“ feiern wollte.

Die vorliegende Auswahl aus Schriften von Karl Marx und dieEinleitung des französischen Trotzkisten Stéphane Just sollen helfen,die Ursachen der kapital istischen Krisen jenseits konjunkturellerAnalysen zu verstehen. Auch wenn Marx keine geschlossene„Krisentheorie“ hinterlassen hat, beschäftigte er sich doch immerwieder mit der Frage nach der Entstehung, dem Verlauf und denKonsequenzen der kapital istischen Krisen.

Diese Broschüre der GRUPPE KLASSENKAMPF verdankt ihrEntstehen nicht nur unserer eigenen Beschäftigung mit derkapital istischen Krise (unter anderem in Form eines Wochenendesdes Marxistischen Studienzirkels), sondern auch der Zusammenarbeitmit den französischen Genossinnen und Genossen der GROUPBOLCHEVIK, an deren Zweiten Studientagen zu Fragen dermarxistischen Wirtschaftstheorie auch Genossen der GKKteilgenommen haben. Sie ist in diesem Sinne also ein Produkt unsererinternationalistischen Praxis.

DIE BROSCHÜRE HAT EINEN UMFANG VON 80 SEITENUND KANN ZUM PREIS VON EUR 6,-- BEI DENGENOSSEN DER GKK ERWORBENWERDEN1

Neue Broschüreder GRUPPEKLASSENKAMPF

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Page 15: Klassenkampf Nr. 06

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vollere Technik ihren Sie-geszug antreten darf.Gleiches wie beim Um-

gang mit Strom erlebenwir auch bei der Gewin-nung von Strom. Längstschrottreife CO2 Schleu-dern in Gestalt von kalori-schen Kraftwerken werdenbis zum Geht-Nicht-Mehrbetrieben, weil die Ent-wicklungs- und Errich-tungskosten sich bereitsamortisiert haben und diebetreffenden Kraftwerkebereits zur Gänze buchhal-terisch abgeschriebensind. Die Entscheidungenzum Weiterbetrieb dieserDreckschleudern werdennicht von einzelnen, be-sonders raffgierigen Kapi-talisten getroffen, sondernsind eine Notwendigkeit,um als Kapitalist überle-ben zu können, um nichtvon den anderen Kapita-listen im Wettbewerb ver-drängt zu werden.Der einzige Ausweg aus

dieser dem herrschendenSystem eigenen Misereund einzige Chance auf dieVerhinderung der sich ab-zeichnenden Umweltzer-störung und die darauffolgende Unbewohnbar-keit unseres Planeten istder Sturz des Kapitalismus– eine Aufgabe, für die essich im ureigensten Inter-esse zu kämpfen lohnt.

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Die Wiener SPÖ hat durch-aus Kreativität bewie-sen:Für die Verschrottungvon 500 bzw. nach einigerÜberlegung, ob dasleistbar sei – 1.000Fahrrädern hat dieGemeinde je 70 Eurobezahlt. Voraussetzungwar der Kaufeines neuenFahrrades. Damit hat dieGemeinde Wien immerhinEUR 70.000 in diesesProjekt investiert – oderanders ausgedrücktgeschätzt den Kaufpreisdes Dienstwagens vonBürgermeister Häupl.

Die zurück genommenenFahrräder werden übrigensnicht verschrottet, sondern imRahmen eines Sozialprojektswieder hergestellt und von sozi-al bedürftigen Menschen ge-nutzt. Damit soll derFahrradverkehr gefördert unddie Verkehrssicherheit verbes-sert werden. Wobei sich die Ge-meinde Wien die Frage gefallenlassen muss, warum sozialschwache Menschen, die die re-parierten Drahtesel bekom-men, keine Fahrräder auftechnisch einwandfreiem Ni-

veau verdienen.In den letzten Jahren ist gera-

de beim Ausbau des WienerRadwegenetzes viel geschehen.Trotzdem schaut der Alltag derRadfahrerInnen so aus, dass sieihren Verkehrsraum in denmeisten Fällen mit dem motori-sierten Verkehr oder mit Fuß-gängern teilen müssen.Fahrradabstellplätze sind Man-gelware und meist nur an beleb-ten Plätzen zu finden. Es gäbealso genug zu tun, um für Ver-besserungen für die Radfahre-rInnen in Wien zu sorgen.Bei einer Stadt mit mehr als

1,6 Mio. EinwohnerInnen kannman bei einer Förderung beimKauf von 500 (in Worten: fünf-hundert) Stück Fahrrädernvom berühmten Tropfen aufden heißen Stein sprechen.Wer ernsthaft etwas tun will,um den Fahrradverkehr zu för-dern, muss auch Geld in dieHand nehmen, so wie dies auchbeim Straßenausbau geschieht.Ein Beispiel, um zu zeigen,

welche Beträge österreichischeKommunen ausgeben oder bes-ser gesagt verschwenden:In Linz, der Europäischen

Kulturhauptstadt 2009 wurdenEUR 300.000 für ein neues

Wahrzeichen, eine in der Do-nau schwimmende Plattformlocker gemacht. Die neue At-traktion hätte schon seit Juni2009 in Betrieb sein sollen, istaber wegen technischer Proble-me immer noch nicht eröffnetworden und die Tourismussai-son neigt sich bekannter Ma-ßen ihrem Ende zu…Wer es mit der Förderung

des Fahrradverkehrs und da-mit mit einer Verbesserung derLuftqualität in Wien ernstmeint, der muss von Prestige-projekten wie einer Verschrot-tungsprämie für ganze 500Fahrräder zu je 70 Euro Ab-stand nehmen. Die Wiener Be-völkerung mit kostengünstigenFahrrädern zu versorgen, aus-reichend Fahrradabstellplätzezur Verfügung zu stellen undvor allem dem Fahrradverkehrmehr Verkehrsfläche zur Ver-fügung zu stellen, die er sichnicht mit Fußgängern odermotorisiertem Verkehr teilenmuss – das sind nur ein paarVorschläge für eine ernst ge-meinte und ökologisch sinnvol-le Verkehrspolitik abseits vonEffekthascherei im Vorwahl-kampf.

SOMMERGAG:VERSCHROTTUNGSPRÄMIEFÜR FAHRRÄDER

GLÜHLAMPEN

Page 16: Klassenkampf Nr. 06

KLASSENKAMPF

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UMWELTP

OLITIK

GGLLÜÜHHLLAAMMPPEENN::WEM GEHT DA EIN LICHTAUF?

Ab 1.9.2009 wird es ernst:AufGeheiß der EU werden100-Watt-Glühbirnen ausden Geschäften verschwin-den. Im Jahresabstand fol-gen dann die Glühlampenmit 75, 60 und 25 Watt. Da-mit soll aufEnergiespar-lampen, die nur etwa einFünftel Energie im Ver-gleich zu Glühbirnen ver-brauchen, umgestelltwerden.Die Absicht, Energie sparen

zu wollen, ist ja an und für sichsehr löblich. Bei näherer Be-trachtung zeigt sich aber auchin der Frage der Leuchtmitteldas ganze Elend der kapitalisti-schen Ideologie. Energiespar-lampen sind beileibe keineneue Erfindung, der jetzt zumDurchbruch verholfen werdensoll, sondern sind mittlerweileseit über 20 Jahren im Handelerhältlich. Sie basieren auf derTechnologie der Neonröhren.So richtig durchsetzen konntensich die Energiesparlampennie. Die EndverbraucherInnensind vor allem vor den hohenAnschaffungskosten zurückge-schreckt. Das Hauptargumentgegen die stromsparendenLeuchtmittel war die lange Zeit-spanne, bis sie ihre volleLeuchtkraft erreichten. Bei denmodernen Energiesparlampenexistiert dieser Nachteil nurnoch bei den No-Name-Produk-ten, die deutlich teureren Mar-kenprodukte sind durchwegsfast vom Start weg „voll da“.Nur 20 % des Energiebedarfs

der herkömmlichen Glühbir-

nen und die 10-fache Lebens-dauer (ca. 10.000 statt 1.000Stunden) konnten die Konsu-mentInnen nicht überzeugen.So wurden 2008 in Österreichrund 30 Millionen Glühbirnen,jedoch nur 6 Millionen Energie-sparlampen verkauft, so dieZahlen des Fachverbands derElektro- und Elektronikindus-trie. So viel zur Geschichte derEnergiesparlampe.Und bist du nicht willig, so

brauch ich Gewalt - so offen-

sichtlich die Überlegungen derEU, die mit dem ab 1.9.2009geltenden Verkaufsverbotvollendete Tatsachen schaffenwird. Die EndverbraucherIn-nen reagieren auf diese Zwangs-verordnung mit Hamster-käufen (der Umsatz von Glüh-birnen hat sich 2009 im Jahres-vergleich in etwa verdreifacht).Zudem ist die Energiesparlam-pe in die Negativschlagzeilengeraten, soll sie doch laut ei-nem Test der Zeitschrift „Öko-test“ nicht die versprocheneEnergieersparnis bringen. Zu-

dem soll der hohe Blaulichtan-teil den menschlichen Körpernegativ beeinflussen. Die Fol-gen sind erhöhter Ausstoß vonStresshormonen und des weite-ren eine größere Gefahr, Tumo-re zu bekommen, Herzinfarktezu erleiden und an Depressio-nen zu erkranken. Ein weitererNachteil ist der hohe Quecksil-bergehalt. Während Quecksil-berthermometer erst vorkurzem verboten wurden, feiertdas giftige Schwermetall in den

Energiesparlampen fröhlicheUrständ.Dabei ist diese von der EU

jetzt so vehement geförderte Be-leuchtungstechnik Energiespar-lampe längst Schnee vongestern. LED (Lichtemittieren-de Diode) heißt das Zauber-wort. Diese Lampen, die ausmehreren kleinen Lichtröhrenbestehen, benötigen nur etwaein Drittel der Strommengevon Energiesparlampen. Die Le-bensdauer der LED Lampenliegt – je nach Einsatzgebiet –bei bis zu 50 Jahren. Derzeit

finden die Alleskönner vor al-lem im Straßenverkehr Ver-wendung. Dabei gibt es keinenvernünftigen Grund, warumdie LEDs nicht auch in denHaushalten Einzug finden soll-ten. Der große Haken ist leiderder hohe Anschaffungspreis.Beim Kauf einer LED Lampemuss mit etwa 20 Euro gerech-net werden. Da das ein Vielfa-ches dessen ist, was eineEnergiesparlampe oder garherkömmliche Glühlampe kos-tet, sind LED Lampen nochnicht der Verkaufsschlager.Nichts wäre jetzt logischer

und sinnvoller, als wenn dieHerrschenden sich darauf ori-entieren würden, den LEDLampen bei der Produktionden Vorrang zu geben.Nur: Logik und Sinnhaftig-

keit sind zwei dem Kapitalis-mus völlig wesensfremdeEigenschaften. Im herrschen-den politischen System geht esum die Verwandlung des inden Erzeugnissen steckendenMehrwerts in Profit durch Ver-kauf an die EndverbraucherIn-nen. Die durch dieEntwicklung der Energiespar-lampe entstandenen Kostenmüssen sich aus Sicht der Ka-pitalisten endlich amortisieren,das heißt, diese veralterteTechnik mit all ihren oben er-wähnten Nachteilen gegenüberder LED Lampen muss nochschnell an den Mann und andie Frau gebracht werden, be-vor endlich die neue und sinn-

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