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Masterarbeit Zum Abschluss des Studiums MSc Betriebswirtschaftslehre Neuromarketing - Eine Analyse aus Sicht der Marketingethik - eingereicht bei Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Bernhard Ungericht Institut für Unternehmensrechnung und Reporting Karl-Franzens-Universität Graz eingereicht von Anne Mezger 01635677 Graz, im September 2019

MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

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Masterarbeit

Zum Abschluss des Studiums

MSc Betriebswirtschaftslehre

Neuromarketing - Eine Analyse aus Sicht der Marketingethik -

eingereicht bei

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Bernhard Ungericht

Institut für Unternehmensrechnung und Reporting

Karl-Franzens-Universität Graz

eingereicht von

Anne Mezger 01635677

Graz, im September 2019

Page 2: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe

verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder

inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in

gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde

vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der einge-

reichten elektronischen Version.

30.09.2019

Anne Mezger

Page 3: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

Gender-Erklärung

Zu Gunsten der besseren Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit die Schreibform des generi-

schen Maskulinums angewendet. Die Verwendung der männlichen Form ist ausnahmslos als

geschlechtsunabhängig zu verstehen.

Page 4: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

I

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................... III

Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... IV

1 Einleitung ...................................................................................................................... 1

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas .......................................................... 2

1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen ....................................................................... 3

1.3 Methodik ............................................................................................................... 3

1.4 Aufbau ................................................................................................................... 5

2 Theoretische Grundlagen des Marketings ................................................................. 7

2.1 Die traditionelle Marktforschung .......................................................................... 8

2.2 Die traditionellen Marketinginstrumente ............................................................ 11

3 Neuromarketing in Abgrenzung zum traditionellen Marketing ............................ 14

4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich . 17

4.1 Die Bedeutung des Aufbaus des Gehirns für das Neuromarketing .................... 19

4.1.1 Das Gehirn ............................................................................................... 19

4.1.2 Das limbische System ............................................................................. 19

4.2 Die Bedeutung der Funktionsweise des Gehirns für das Neuromarketing ......... 20

4.2.1 Die limitierte Kapazität zur Verarbeitung von Reizen ............................ 20

4.2.2 Das implizite und das explizite System ................................................... 22

4.2.3 Die Funktionsweise von Codes ............................................................... 24

4.2.4 Das Balance-, Dominanz- und Stimulanzsystem .................................... 25

4.3 Die Rolle von Emotionen .................................................................................... 27

4.3.1 Die Rolle der Emotionen bei der Markenbindung .................................. 29

4.4 Der Einfluss der Wahrnehmung auf die Entscheidungsfindung ......................... 31

5 Die Neuromarketing-Forschung ............................................................................... 34

5.1 Die Messung der elektrischen Gehirnaktivität .................................................... 34

5.1.1 Elektroenzephalographie (EEG) ............................................................. 35

5.1.2 Magnetenzephalographie (MEG) ............................................................ 35

5.2 Die Messung von Stoffwechselvorgängen im Gehirn ........................................ 36

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II

5.2.1 Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ............................................ 36

5.2.2 Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) ............................... 36

5.3 Marketingethische Reflexion .............................................................................. 37

5.3.1 Reflexion möglicher Forschungsziele ..................................................... 37

5.3.2 Reflexion des Einflusses auf die Konsumentensouveränität und das Wohl

der Konsumenten ................................................................................................ 42

5.3.2.1 Die Generierung „gläserner“ Konsumenten ............................ 43

5.3.2.2 Der Einfluss auf den freien Willen und die Würde des

Menschen ................................................................................................ 44

6 Die Neuromarketing-Methoden ................................................................................. 48

6.1 Ausgewählte Instrumente zur Anwendung von Neuromarketing ....................... 48

6.1.1 Limbic® .................................................................................................. 48

6.1.2 Brand-Code-Managementä .................................................................... 53

6.2 Marketingethische Reflexion .............................................................................. 58

6.2.1 Reflexion möglicher Ziele der Neuromarketing-Methoden und ihre

Auswirkung auf die Konsumentensouveränität .................................................. 59

6.2.1.1 Die gezielte Einflussnahme auf den freien Willen .................. 60

6.2.1.2 Die Generierung von Bedürfnissen ......................................... 61

6.2.1.3 Gezielte Manipulation ............................................................. 65

6.2.2 Reflexion der Umsetzbarkeit der Neuromarketing-Methoden ................ 67

6.2.2.1 Reflexion Limbic® ................................................................. 67

6.2.2.2 Reflexion Brand-Code-Management ...................................... 68

7 Reflexion der Vorteile von Neuromarketing gegenüber dem traditionellen

Marketing ........................................................................................................................... 71

8 Fazit und Ausblick ...................................................................................................... 75

Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 77

Page 6: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

III

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Marketing 1.0 bis 4.0 ..................................................................................... 10

Abbildung 2: Die Wirkung von Reizen im impliziten und expliziten System .................... 24

Abbildung 3: Limbic® Map ................................................................................................ 51

Abbildung 4: Verteilung der Limbic® Typen in Deutschland ............................................ 52

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IV

Abkürzungsverzeichnis

1. bzw. beziehungsweise

2. EEG Elektroenzephalographie

3. fMRT funktionelle Magnetresonanztomographie

4. MEG Magnetenzephalographie

5. MRT Magnetresonanztomographie

6. PET Positronen-Emissions-Tomographie

7. s. siehe

8. sog. sogenannt/e/en

9. u.a. unter anderem

10. vgl. vergleiche

11. z.B. zum Beispiel

Page 8: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

1 Einleitung

1

1 Einleitung

Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung wird es für die Marketingtreibenden zur

immer größeren Herausforderung, die Aufmerksamkeit der Konsumenten für sich zu gewin-

nen: In Amerika werden jährlich rund 400 Millionen Dollar in Werbekampagnen investiert,

die zum Großteil jedoch nicht den gewünschten Erfolg bescheren (MORIN, 2011, S. 131).

Die globale Reichweite und die technologischen Möglichkeiten wachsen - die Wirksamkeit

der Werbebotschaften bei den Konsumenten jedoch laut dieser Messung nicht.

„Der Mensch ist nicht der, der er ist, sondern der, der er sein will. Wer ihn an seinen Wün-

schen packt, hat ihn“ (FORSCHELE, S. 227). Dieses Zitat von Martin Walser passt zu der

Perspektive der Unternehmen an ihrer Schnittstelle zu den Konsumenten: Durch Werbekam-

pagnen sollen die Wünsche bzw. Bedürfnisse der Konsumenten angesprochen werden und

die Konsumenten so an Unternehmen und ihre Marken und Produkte gebunden werden. Es

geht nicht mehr allein darum, die Grundbedürfnisse der Menschen zu decken. Die Menschen

hoffen, durch den Konsum bestimmter Produkte ihre sozialen Bedürfnisse (z.B. Ansehen,

Macht, Abgrenzung, etc.) zu befriedigen. Welche Produkte die Erfüllung dieser Wünsche

vermuten lassen wird durch die Werbekampagnen der Unternehmen bestimmt.

Die traditionellen Marketingmethoden beruhen darauf, dass die Konsumenten ihre Bedürf-

nisse und Präferenzen beschreiben. Aufbauend auf diesen Beschreibungen werden Marke-

tingtechniken entwickelt. Zunehmend wird vermutet, dass die Beschreibungen der Konsu-

menten kein ganzheitliches Bild über ihre Entscheidungsfindung liefern (POP, DABIJA, I-

ORGA, 2014, S. 26). Darum wurden mit der Zeit die Untersuchungen des Konsumentenver-

haltens bezüglich der kognitiven Wirkung von Werbung intensiviert: Wissenschaftler spie-

len bei der Optimierung des Marketings zur gleichzeitigen Befriedigung von Konsumenten

und Steigerung der Profitabilität der Unternehmen eine immer größere Rolle (POP, DA-

BIJA, IORGA, 2014, S. 26). Ob der Einbezug der Neurowissenschaft tatsächlich Auswir-

kungen auf die Wirksamkeit von Marketing hat und, wenn ja, wie diese aussehen, wird im

Zuge dieser Arbeit kritisch reflektiert.

Seit den 1990er Jahren wird der Bereich Neuromarketing entwickelt (PESCH, 2010, S.9).

2002 wurde er durch Ales Smidts schließlich das erste Mal so betitelt (COUSON, VAYS-

SETTES, 2013, S.3). Der Bereich des Neuromarketings rückt zunehmend in den Fokus des

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1 Einleitung

2

Interesses der Menschen: Führte eine Google-Suche nach dem Begriff „Neuromarketing“

im Jahre 2001 noch zu keinen nennenswerten Ergebnissen, erhält man heute (2019) schon

rund 3.930.000 Ergebnisse.1 Die Tendenz ist aufgrund intensiverer Forschung, dem wach-

senden Interesse an erfolgsversprechenden und innovativen Marketingstrategien und zuneh-

mender öffentlicher Kritik steigend.

Ziel der Neuromarketing-Forscher und -Anwender ist es zum einen, zu untersuchen, welche

Reize der Werbung besonders wirken und wie diese Reize eine Konsumentscheidung beein-

flussen. Zum anderen sollen darauf aufbauend Instrumente entwickelt werden, mit denen

das Angebot und die Werbestrategien entsprechend maßgeschneidert werden können.

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas

Mit dem Marketing gewinnt auch die Marketingethik an Bedeutung: Von Unternehmen wird

zunehmend gefordert, dass sie ihre Aktionen vor den Stakeholdern rechtfertigen und Ver-

antwortung für ihr Handeln übernehmen. Um aggressive Werbestrategien zu vermeiden, sol-

len moralische Standards für die Entscheidungen und Handlungen der Marketingmanager

eingeführt werden (MURPHY, BOWIE, KLEIN, 2005). Der Bedarf einer wirksamen Mar-

ketingethik ist wichtig, da das Marketing direkten Einfluss auf den Lebensstil der Konsu-

menten nimmt.

Im Fokus der Diskussionen um Neuromarketing steht die Nutzung der Wissenschaft zu öko-

nomischen Zwecken: Möglicherweise wird die Wissenschaft dazu genutzt, die Entschei-

dungsfindung der Konsumenten so zu beeinflussen, dass ihr Kaufverhalten den Profit der

Unternehmen erhöht. Im Zuge dessen sind die Auswirkungen von Neuromarketing auf die

Konsumentensouveränität und die Privatsphäre sowie Möglichkeiten zur Manipulation von

Interesse.

Die Forscher und Entwickler von Neuromarketing schreiben diesen Methoden die Möglich-

keit zu, zum einen exakt erkennen zu können, was in den Gehirnen der Konsumenten vor-

geht, und zum anderen entsprechende Instrumente zu entwickeln, die diese kognitiven Pro-

zesse gezielt ansprechen, um den Konsum zu erhöhen.

1 Nach eigener Google-Suche, Stand: 24.04.2019.

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1 Einleitung

3

Aus ethischer Perspektive muss somit zum einen reflektiert werden, inwieweit die mit dem

Einsatz von Neuromarketing verbundenen Ziele legitim sind, und zum anderen, welche Aus-

wirkungen die Anwendung von Neuromarketing auf die Konsumenten bereits hat und in

Zukunft haben kann.

1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen

Das Ziel der Masterarbeit ist es, ein kritisch reflektiertes Verständnis von Neuromarketing

aus der Perspektive der Marketingethik zu vermitteln. Hierbei werden sowohl Theorie und

Ziele als auch Methoden und die Umsetzung des Neuromarketings beleuchtet. Es wird dis-

kutiert, inwieweit Neuromarketing ethisch legitim ist und wie es sich auf die Konsumenten

auswirkt.

Um eine umfassende Reflexion zu bieten, stellen folgende Forschungsfragen den roten Fa-

den dar:

1. Was sind die Ziele der Theorie des Neuromarketings und sind diese aus Sicht der

Marketingethik moralisch legitim?

1.1 Ist die Erforschung des Gehirns zu Marketingzwecken moralisch legitim?

1.2 Wie wirkt sich die Verwendung der Forschungsergebnisse zur Entwicklung von

Marketinginstrumenten auf die Konsumenten aus?

2. Wie wirkt sich Neuromarketing aus Sicht der Marketingethik auf die Konsumen-

tensouveränität aus?

2.1 Werden die Konsumenten „gläsern“ gemacht?

2.2 Werden durch Neuromarketing Bedürfnisse geweckt?

2.3 Wird der freie Wille der Konsumenten eingeschränkt?

3. Stellt Neuromarketing eine Verbesserung gegenüber dem traditionellen Marketing

dar?

1.3 Methodik

Die Masterarbeit baut zum überwiegenden Teil auf einer Recherche der relevanten Literatur

im Bereich Neuromarketing auf. Ergänzend wird Literatur aus den Gebieten Marketingethik

und Neurowissenschaft herangezogen, um eine umfassende Analyse zu gewährleisten.

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1 Einleitung

4

Anhand der Literaturanalyse soll dargestellt werden, welche Erkenntnisse bereits erzielt

wurden und in welchen Bereichen weitere Forschung nötig ist. Die Recherche setzt sich

folglich aus einer Analyse bzw. Sammlung und anschließenden Synthese zusammen. Die

durch argumentativ-deduktive Auswertung (vgl. WEBSTER, WATSON, 2002) erzielte

Synthese verschiedener Arbeiten soll ein umfassendes Bild zum Bereich des Neuromarke-

tings aus Sicht der Marketingethik liefern. Dies soll zum einen den Bereich der Forschung

und zum anderen den der Methoden berücksichtigen.

Das Vorgehen richtet sich nach der Methode von Webster (vgl. WEBSTER, WATSON,

2002). Die Literatur wird in einem mehrstufigen Verfahren bearbeitet: In der ersten Phase

werden die gängigsten Journale zu den Themen Neuromarketing, Marketingethik und zu

einem geringeren Anteil zur Neurowissenschaft identifiziert. Diese werden in einem Ran-

king für wissenschaftliche Journals ermittelt. Nach Sammlung dieser Journale werden rele-

vante Beiträge systematisch erschlossen und nach ihrem Inhalt analysiert. Hierbei wird die

Suche nach verschiedenen Suchwörtern (hier u.a.: „Konsumentensouveränität“, „Manipula-

tion“, „Emotionen“ etc.) systematisiert und die einzelnen Beiträge, in denen die Suchwörter

vorkommen, unter den Schlagwörtern kategorisch in einem Dokument gesammelt. So wer-

den relevante von nicht relevanten Beiträgen differenziert werden und der Umfang der zu

analysierenden Literatur reduziert. In der zweiten Phase werden die Quellen der als relevant

erachteten Beiträge analysiert. Diese werden nach Aktualität, also nach Veröffentlichungs-

datum, kategorisiert. So werden alle Quellen, die vor dem Jahr 1900 veröffentlicht wurden,

als irrelevant eingestuft. Insgesamt handelt es sich um eine qualitative Inhaltsanalyse ausge-

wählter Literatur.

Während dieser Inhaltsanalyse werden in einem weiteren Dokument Thesen und Argumente

aus der Literatur gesammelt, die zur Beantwortung der Forschungsfragen relevant sind.

Diese werden im nächsten Schritt inhaltsmäßig gruppiert. Herausgearbeitete Thesen sind

u.a. folgende: Neuromarketing bietet effektivere Methoden als das traditionelle Marketing,

Neuromarketing wirkt sich positiv auf die Konsumentensouveränität aus, Neurowissenschaf-

ten sind zur Entschlüsselung der Bedürfnisse von Konsumenten relevant, Neurowissenschaf-

ten sind zum Verständnis des Treffens einer Kaufentscheidung relevant, etc.

Die aus der Literatur gewonnenen Inhalte zu jeder These werden schließlich in Pro- und

Contra-Argumente aufgeteilt. Zudem werden eigene Thesen und Argumente gebildet und

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1 Einleitung

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den Rechercheergebnissen zugeordnet. Eigene Thesen sind u.a.: Die Umsetzbarkeit der Neu-

romarketing-Methoden ist nicht gegeben, Neuromarketing schränkt die Konsumentensouve-

ränität ein, Neurowissenschaften bieten keine relevanten Erkenntnisse für den Marketing-

bereich, etc.

Das Ergebnis dieses Schrittes stellt die Basis zur Reflexion der einzelnen Thesen dar. Neu-

romarketing wird anhand folgender Kriterien reflektiert:

1. Welche Auswirkungen haben Forschung und Methoden des Neuromarketings auf die

Konsumenten?

2. Wie sind die Ziele von Neuromarketing ethisch zu bewerten?

3. Inwiefern ist neurowissenschaftliche Forschung für den Marketingbereich relevant?

4. Ist die Umsetzbarkeit von Neuromarketing gegeben?

Die Reflexion findet zuerst stichpunktartig statt und wird nach Abschluss der Gliederung

entsprechend in einen Fließtext verfasst.

1.4 Aufbau

Zu Beginn werden die traditionellen Methoden der Marktforschung und des Marketings er-

läutert (s. Kapitel 2). Im nächsten Schritt wird der Bereich des Neuromarketings definiert

und vom traditionellen Marketing abgegrenzt (s. Kapitel 3). So werden die Unterschiede der

beiden Bereiche dargestellt.

Eine kritische Auseinandersetzung mit Neuromarketing ist nur dann möglich, wenn man die

die Zielsetzungen, Instrumente und zentralen Erkenntnisse der Neurowissenschaft versteht.

Darum wird in Kapitel 4 erläutert, welche Erkenntnisse neurowissenschaftlicher Forschung

für den Marketingbereich relevant sind. Im Zuge dessen werden Aufbau und Funktionsweise

des Gehirns beschrieben. Des Weiteren werden die Rolle von Emotionen und der Einfluss

der Wahrnehmung auf die Entscheidungsfindung erläutert. Emotionen und Wahrnehmung

stellen beim Treffen von (Kauf-)Entscheidungen wichtige Variablen dar. Es ist somit rele-

vant, deren Wirkungsweise im Zusammenhang dieser Arbeit zu erläutern.

Vor dem Hintergrund der Marketingethik wird untersucht, inwieweit sowohl die Theorie

und Ziele als auch die Instrumente des Neuromarketings moralisch legitim sind. Dazu wird

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1 Einleitung

6

zum einen auf die Perspektive der Wissenschaft und zum anderen auf die Perspektive der

praktizierenden Unternehmen eingegangen. Insgesamt handelt es sich bei der Arbeit um eine

Kombination aus wirtschafts- und forschungsethischen Gesichtspunkten bezüglich des Neu-

romarketings. Durch die kritisch reflektierte Auseinandersetzung mit den Forschungsfragen

wird ein Verständnis dafür geschaffen, inwieweit die Ziele der Neuromarketingforschung

moralisch vertretbar sind und in moralisch legitime Unternehmenspraktiken umgesetzt wer-

den.

In Kapitel 5 wird zunächst auf den Bereich der Forschung eingegangen. Bevor eine Refle-

xion dessen stattfindet, werden die Forschungsmethoden beschrieben. Es stellt sich die

Frage, ob die Ziele allein an der Generierung von Profit ausgerichtet sind und die Souverä-

nität und das Wohl der Konsumenten beeinflussen sollen und können.

Im 6. Kapitel wird die marketingethische Reflexion der Neuromarketing-Methoden vorge-

nommen. Zunächst werden die Methoden Limbic® und Brand Code Managementä erläu-

tert, um einen Einblick in die Funktionsweise solcher Instrumente zu geben. Darauf aufbau-

end wird reflektiert, welche Auswirkungen die Methoden auf die Konsumentensouveränität

haben können. Dabei wird im Speziellen auf Möglichkeiten zur Einschränkung des freien

Willens, der Generierung von Bedürfnissen und der Manipulation eingegangen. Anschlie-

ßend wird die Umsetzbarkeit der beiden erwähnten Methoden diskutiert, um zu reflektieren,

welchen Einfluss ihre Anwendung tatsächlich auf die Konsumenten hat.

Bevor im letzten Kapitel ein Fazit zum Neuromarketing aus Sicht der Marketingethik gezo-

gen wird, wird in Kapitel 7 auf die Vor- und Nachteile von Neuromarketing verglichen mit

den traditionellen Methoden eingegangen. Es wird analysiert, inwieweit die angestrebten

Ziele überhaupt erreicht werden können und ob es sich nicht eher um einen Neuromarketing-

Hype als um eine wirkliche Innovation handelt. Dies ist für die marketingethische Reflexion

relevant, da so deutlich wird, ob mögliche Gefahren tatsächlich bestehen oder ob es sich bei

der Wirksamkeit von Neuromarketing um Spekulation handelt.

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

7

2 Theoretische Grundlagen des Marketings

„Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communication

and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that

benefit the organization and its stakeholders” (MEFFERT, BURMANN, KIRCHGEORG,

EISENBEIß, 2019, S. 11). Laut diesem Zitat wird Marketing zum einen also als Funktion

innerhalb eines Unternehmens verstanden, in der man sich im Wesentlichen „mit der effi-

zienten und bedürfnisgerechten Gestaltung von Austauschprozessen“ (MEFFERT, BUR-

MANN, KIRCHGEORG, EISENBEIß, 2019, S. 3) beschäftigt. Zum anderen gilt es als Leit-

bild der Unternehmensführung zur „marktorientierten Koordination aller betrieblichen

Funktionsbereiche“ (MEFFERT, BURMANN, KIRCHGEORG, EISENBEIß, 2019, S. 13).

Das bedeutet, dass sich ein Unternehmen sowohl auf die Generierung von Profit als auch auf

die Bedürfnisse bestehender und zukünftiger Kunden ausrichtet.

Die Aufgaben des Marketings umfassen alles, was mit der Generierung von Kundennutzen

zu tun hat. Darunter fallen u.a. die Marktforschung, die Gestaltung des Produktangebotes,

die Festlegung der Preise und Kommunikation und Vertrieb (MEFFERT, BURMANN,

KIRCHGEORG, EISENBEIß, 2019, S. 14). Darauf aufbauend wird die Marketingstrategie

formuliert, die die Mission und Ziele eines Unternehmens definiert. (KOTLER, ARM-

STRONG, HARRIS, 2016, S.38f.)

Marketing ist somit nicht auf die Funktion eines verkaufsfördernden Instrumentes und somit

auf eine rein operative Orientierung zu beschränken - Marketing wird im Unternehmen auch

strategisch verankert. Die strategische Komponente umfasst u.a. das Kunden-Beziehungs-

Management (CRM), das Stakeholder-Management und das Marken-Management.

Man kann das traditionelle Marketing in die Bereiche der Forschung und der Methoden un-

terteilen. Um seine (Marketing-)Ziele zu erreichen ist Voraussetzung für ein Unternehmen,

die Bedürfnisse und Präferenzen seiner bestehenden und der zu gewinnenden Neukunden zu

kennen. Zur Erzielung dieser Erkenntnisse wird die Forschung betrieben, um auf Basis die-

ses Wissens entsprechende Methoden in Form von Strategien und Instrumenten zu entwi-

ckeln (KREUTZER, 2010, S. 12 ff.).

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

8

Marketing gilt auch als „operative Beeinflussungstechnik“ (MEFFERT, BURMANN,

KIRCHGEORG, EISENBEIß, 2019, S. 13), was bedeutet, dass es nicht allein um die Iden-

tifikation und Befriedigung von Kundenbedürfnissen geht, sondern auch um die „systemati-

sche Bedarfs- bzw. Verhaltensbeeinflussung der Nachfrager“ ((MEFFERT, BURMANN,

KIRCHGEORG, EISENBEIß, 2019, S. 15). Dabei steht die Generierung von Profit mög-

licherweise mehr im Vordergrund, als die Generierung von Kundennutzen bzw. wird der

„Nutzen“ mit „Konsum“ gleichgesetzt. Die Ziele von Marketing (Generierung von Profit

und Generierung von Kundennutzen) können unter diesen Umständen in Konflikt geraten.

Um eine wirksame Marketingstrategie zu entwerfen, müssen laut Kollmann die Erwartungen

der Konsumenten „erfüllt oder übertroffen“ werden (KOLLMANN, 2009, S. 260). Je besser

ein Unternehmen seine Konsumenten kennt, desto leichter kann dieser Nutzen geschaffen

werden und desto besser ist das Verhalten der Konsumenten vorhersehbar. Dies bedeutet

Sicherheit für ein Unternehmen, da die Wirksamkeit verschiedener Strategien und Maßnah-

men besser prognostiziert werden kann. Zudem kann sich dies positiv auf seine ökonomische

Situation auswirken, da Verluste durch fehlgeschlagene Produkteinführungen, Werbekam-

pagnen, etc., vermieden werden können und ersichtlicher ist, welche Maßnahmen verkaufs-

fördernd wirken.

2.1 Die traditionelle Marktforschung

Mit Hilfe der Marktforschung wird die Effizienz2 von Marketingmaßnahmen ermittelt. Da-

für sind u.a. das Verhalten bzw. die Entscheidungen der Konsumenten von Bedeutung.3

Entscheidend für das Treffen einer Kaufentscheidung sind nach Schüller und Fuchs die Mo-

tive, Werte und Einstellungen der Konsumenten (SCHÜLLER, FUCHS, 2009, S. 34). Diese

sollen durch verschiedene Methoden der Marketingforschung entschlüsselt werden, um die

Entscheidungsfindung nachvollziehen und prognostizieren zu können. Die Forschungser-

gebnisse stellen zudem eine Basis zur Entwicklung entsprechender Methoden dar, mit denen

aktiv auf das Konsumentenverhalten eingewirkt werden kann.

2 Mit Effizienz ist in dieser Arbeit gemeint, dass durch den effektiveren bzw. gezielteren Einsatz von Werbe-

mitteln mit geringerem Aufwand mehr Erfolg erzielt wird. 3 Das Verhalten der Konkurrenz und die Interaktion von Unternehmen am Markt wird in dieser Arbeit nicht

mit einbezogen, da es für die ethische Reflexion von Neuromarketing nicht relevant ist. Es soll allein um die Auswirkungen auf die Konsumenten gehen.

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

9

Zur Analyse des Konsumentenverhaltens bzw. ihrer Bedürfnisse und Präferenzen werden im

traditionellen Marketing u.a. Portfolio-Analysen, die Analyse der Positionierung von Mar-

ken, Untersuchungen zu Konsumenten-Panels und Kundenbefragungen durchgeführt.

(KREUTZER, 2010, S. 74 ff.)

Es wird deutlich, dass diese Forschungsmethoden vor allem auf Beobachtungen, Selbstbe-

obachtung und Befragungen beruhen. Es wird der Einfluss von wahrgenommenen Reizen,

bewussten Präferenzen und Bedürfnissen und die Bedeutung der Umgebung, des persönli-

chen Umfelds und der Kultur einer Person analysiert.4 Traditionelle Marketingmethoden be-

ruhen darauf, dass Menschen ihre Gefühle in Verbindung mit Werbung, Produkten und Mar-

ken beschreiben bzw. Marketingforscher diese aus dem beobachtbaren Verhalten einer Per-

son interpretieren.

Probleme bzw. Schwierigkeiten können sich hierbei ergeben, da Menschen nicht fähig sind,

zu beschreiben, welche kognitiven Prozesse in ihren Gehirnen ablaufen. Diese sind jedoch

in entscheidendem Anteil an Kaufentscheidungen beteiligt, weshalb Informationen darüber

für das Marketing interessant sind. Menschen können lediglich die physischen Reaktionen -

also z.B. vermehrtes Schwitzen durch einen angsteinflößenden Werbespot, die höhere At-

traktivität einer roten Produktverpackung verglichen mit einer blauen etc. - beschreiben, die

durch Marketingprozesse hervorgerufen werden (BURGOS-CAMPERO, VARGAS-HER-

NANDEZ, 2013, S. 518 f.). Wie diese physischen Reaktionen und kognitiven Prozesse ab-

laufen und was in welcher Weise Einfluss auf sie nimmt, kann nicht kommuniziert werden.

Emotionen und ihr Auftreten können mit Worten nicht umfassend und exakt beschrieben

werden, da sie zum Großteil im Unterbewusstsein entstehen. Kognitive Prozesse haben viele

unterbewusste Komponenten, welche bei der traditionellen Marktforschung nicht integriert

werden, da auch die Marktforscher mit den traditionellen Forschungsmethoden keine Mög-

lichkeit haben, diese kognitiven Prozesse zu analysieren.

Für den traditionellen Marktforschungsbereich bedeutet das, dass lediglich das Verhalten

und die Reaktionen untersucht werden, die von den Marketingforschern beobachtet und von

den Probanden beschrieben werden können. Somit können lediglich der Prozess des Treffens

4 Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen traditionellen Forschungsmethoden wird hier nicht vorgenom-

men, da sie für den Kontext der Darstellung nicht relevant ist. Beschrieben sind die einzelnen Methoden und Instrumente z.B. in KREUTZER, 2010.

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

10

einer Kaufentscheidung und die damit verbundenen sichtbaren Reaktionen untersucht wer-

den, nicht aber, was diese Entscheidung vor dem Bewusstwerden auslöst und beeinflusst.

Erkenntnisse darüber sind für den Marketingbereich jedoch relevant, da aufbauend darauf

das Konsumverhalten besser nachvollzogen und möglicherweise auch beeinflusst werden

kann. Schüller und Fuchs unterscheiden diesbezüglich in Bedürfnisse und Erwartungen: Er-

wartungen sind vernunftgebunden und somit an bewusste Prozesse geknüpft, während Be-

dürfnisse emotionsgebunden sind und im Unterbewusstsein entstehen (SCHÜLLER,

FUCHS, 2009, S. 33). Mit der traditionellen Marktforschung können Erwartungen beschrie-

ben werden. Es ist allerdings nicht möglich, (unterbewusste) Bedürfnisse zu entschlüsseln,

da keine Analyse kognitiver Prozesse stattfindet.

Das bedeutet jedoch nicht, dass in der traditionellen Markforschung keine Verbindung zwi-

schen dem Treffen einer Kaufentscheidung und unterbewussten bzw. kognitiven Prozessen

gesehen wird. Diese Prozesse können zwar mit den traditionellen Methoden nicht aus neu-

ronaler Perspektive untersucht werden, werden aber in Form von hypothetischen Erklärun-

gen mit der Entscheidungsfindung in Zusammenhang gebracht (SCHÜLLER, FUCHS,

2009, S. 33).

Mit der Zunahme der Digitalisierung hat sich der Marketingbereich in die Richtung von

Marketing 4.0 entwickelt (eigene Darstellung nach KOTLER, 2017, S. 47):

Marketing 1.0 Marketing 2.0 Marketing 3.0 Marketing 4.0

Ausrichtung Produkt Kunden Werte Verhalten

Kundensicht Bedürfnisse Mensch Herz, Geist, Seele

kundenzentriert

Fokus Produkte Differenzierung Kundenbin-dung

Vernetzung

Ziele Produktwer-bung

Kunden gewin-nen

Beziehungen Engagement

Abbildung 1: Marketing 1.0 bis 4.0

Marketing 4.0 wird von der Entwicklung der Industrie 4.0 abgeleitet und ist somit durch die

Möglichkeiten der Digitalisierung geprägt. Das bedeutet, dass beim Marketing 4.0 das In-

ternet und somit speziell soziale Netzwerke im Fokus stehen. Anhand der Sammlung und

statistischen Auswertungen von Klickzahlen, Empfehlungen bzw. Bewertungen von Kunden

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

11

an andere Kunden, Reaktionen auf Werbebanner, etc. kann ermittelt werden, auf welche Art

von Werbung und an welcher Stelle am besten reagiert wird und wo die Präferenzen und

Bedürfnisse von Konsumenten liegen (KOTLER, 2017, S. 47). Marketing 4.0 bietet somit

durch Big Data die Möglichkeit, neben der Sammlung und Auswertung zahlreicher von den

Kunden getroffenen Aussagen über deren Präferenzen und Bedürfnisse, auch eine große

Menge an Informationen über ihr tatsächliches Verhalten festzuhalten und auszuwerten

(Stichwort digitaler Fußabdruck). So können statistische Bedürfnis- und Kaufmuster erstellt

werden und die Treffsicherheit von Aussagen über zukünftiges Konsumverhalten erhöht

werden. Marketing 4.0 ist keine neuer Bereich von Marketing, sondern eine Optimierung

der herkömmlichen Forschungsmethoden.

Intensivere Marktforschung kann sich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken, da

durch eine größere Wissensbasis bessere Marketingmethoden zur Erreichung der Unterneh-

mensziele entwickelt werden können. Der Kundennutzen kann so ebenfalls erhöht werden,

da besser auf die Konsumenten eingegangen wird. Aus ethischer Perspektive besteht jedoch

die Gefahr, dass die Marktforschungsziele ausschließlich am Unternehmenserfolg ausge-

richtet sind und negative Konsequenzen für das Wohl der Konsumenten haben können, was

in den folgenden Kapiteln näher erläutert wird.

2.2 Die traditionellen Marketinginstrumente

Die traditionellen Marketinginstrumente lassen sich in Form des Marketingmix‘ bzw. der 4

P’s darstellen. Der Marketingmix besteht aus der Produkt- und Programmpolitik, der Preis-

und Konditionenpolitik, der Distributionspolitik und der Kommunikationspolitik. (KOTLER,

ARMSTRONG, HARRIS, 2016, S.122)

Im Kontext dieser Arbeit ist vor allem die Kommunikationspolitik interessant, da durch sie

die Aufmerksamkeit der Konsumenten gelenkt und über die Produkte und Marken eines Un-

ternehmens informiert werden soll. Die Marktforschung stellt die Basis zur Entwicklung von

Marketingmethoden dar. Nach der Analyse des Konsumentenverhaltens und der -präferen-

zen soll nach Kollmann Einfluss auf das Kaufverhalten genommen werden (KOLLMANN,

2009, S. 260 f.). Kaufwünsche sollen geweckt und Kaufentscheidungen unterstützt werden.

Neben der Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse werden so auch ökonomische Ziele

in Form der Verkaufsförderung und Absatzsteigerung verfolgt. Instrumente der

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

12

Kommunikationspolitik sind u.a. die Werbung, Kundenbindungssysteme und die Markenin-

szenierung.5

Die traditionellen Marketingmethoden werden aufbauend auf den Ergebnissen der unter 2.1

dargestellten traditionellen Marktforschung entwickelt und setzen somit am beobachtbaren

Verhalten bzw. an bereits getroffenen Entscheidungen an. Mit Hilfe der Instrumente versu-

chen Unternehmen, das Kaufverhalten der Konsumenten absatzfördernd zu beeinflussen.

Laut Kollmann sind diese Instrumente umso effizienter bzw. gewinnbringender, desto ziel-

gerichteter sie auf die Bedürfnisse und Eigenschaften einer Zielgruppe zugeschnitten sind

(KOLLMANN, 2009, S. 261 f.). Somit sollte es Ziel der Marketingbetreibenden sein, ihre

Zielgruppe bestmöglich zu kennen, um die Marketinginstrumente dementsprechend zu ge-

stalten. Da es mit den traditionellen Methoden der Marktforschung nicht möglich ist, die

Gedankenstrukturen der Konsumenten zu entschlüsseln (vgl. Kapitel 2.1), kann die Effekti-

vität und Effizienz der traditionellen Marketinginstrumente nur am sichtbaren Verhalten der

Konsumenten gemessen werden und auf dieses einwirken. Auf kognitive Prozesse kann in

diesem Fall kein gezielter Einfluss genommen werden. Da nicht beobachtbare Prozesse in

den Gehirnen der Konsumenten jedoch einen großen Einfluss auf das beobachtbare Treffen

einer Kaufentscheidung haben, können sich das Verständnis dieser und gegebenenfalls eine

entsprechende Einflussnahme auf diese Prozesse positiv auf die Erreichung der Marketing-

ziele auswirken.

Mit Marketing 4.0 (s. Kapitel 2.1) wurde es jedoch möglich, Instrumente zu entwickeln, die

nicht allein auf der Selbstreflexion und Artikulationsfähigkeit der Konsumenten aufbauen.

Ein Ziel von Marketing 4.0 ist es, Weiterempfehlungen von Kunden an andere Kunden zu

generieren. Durch die Forschung in diesem Bereich hat sich gezeigt, dass Kunden im Inter-

net weniger auf Marketingbotschaften und mehr auf den F-Faktor reagieren (KOTLER,

2017, S. 47). Das bedeutet, dass Meinungen von Freunden, Familie, anderen Followern, etc.

bedeutender für die Kaufentscheidung sind, als die Gestaltung einer Marketingbotschaft.

Anstatt also in teure Werbekampagnen zu investieren, ist es effektiver, die Kunden selbst zu

Markenbotschaftern zu machen, um bestehende Kunden zu binden und neue Kunden zu ge-

winnen. So setzt man zum Beispiel mit den neuen sozialen Medien unter dem Stichwort des

5 Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Instrumente wird hier nicht vorgenommen, da sie für den Kon-

text der Darstellung nicht relevant ist. Beschrieben sind die einzelnen Methoden und Instrumente z.B. in KREUTZER, 2010.

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2 Theoretische Grundlagen des Marketings

13

Influencer Marketings an den unterbewussten Prozessen der Konsumenten an bzw. nimmt

zielgerichtet Einfluss auf diese: Die Influencer bewerben Produkte eines Unternehmens, in-

dem sie durch Videos oder Fotos zeigen, wie sie diese benutzen und (meist positiv) beurtei-

len. Oft vermitteln Influencer durch ihr Auftreten im Internet den Eindruck, dass sie ein

„perfektes“ Leben führen und die von ihnen beworbenen Produkte dazu verhelfen. Der

Follower entwickelt auf diesem Wege durch die Beeinflussung des Influencer unterbwusst

das Bedürfnis nach dem bestimmten Produkt, was die Wahrscheinlichkeit des Konsums die-

ses Produktes erhöht. Die Wirksamkeit dieser Methode ist nicht zuletzt bei einer Umfrage

des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) bestätigt: 61% der Befragten haben das

Budget für Influencer Marketing für das Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr erhöht

(BVDM, 2018, S. 16). 73% sehen die Authentizität von Influencer Markteting als entschei-

denden Vorteil (BVDM 2018, S.18).

Zudem kann das Verhalten der Kunden auch durch algorithmusbasierte benutzerspezifische

Werbung beeinflusst werden. Hierbei rechnet ein Algorithmus aufbauend auf getätigten On-

line-Käufen, Suchwörtern und Bewertungen aus, welche Produkte zum jeweiligen Benutzer

passen bzw. welche mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Bedürfnissen und Präferenzen ent-

sprechen und somit zum Kauf führen können.

Das zeigt, dass eine Optimierung bzw. Entwicklung des traditionellen Marketings möglich

ist und auch umgesetzt wird. Mit diesen Möglichkeiten ergeben sich aus ethischer und recht-

licher Perspektive jedoch auch Probleme. Seit 2019 besteht in sozialen Netzwerken die

Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung. Das Bewerben von Produkten ohne diese Kenn-

zeichnung fällt unter Schleichwerbung und kann eine Manipulation von Konsumenten dar-

stellen. Eine Optimierung von Marketing (aus unternehmerischer Perspektive) geht in die-

sem Fall zu Lasten der Konsumenten.

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3 Neuromarketing in Abgrenzung zum traditionellen Marketing

14

3 Neuromarketing in Abgrenzung zum traditionellen Mar-keting

Die Arbeit wird aufbauend auf folgender Definition des Neuromarketings von Kirichuk ver-

fasst, da diese die wichtigsten Komponenten abdeckt: Neuromarketing ist ein „interdiszip-

linäres Forschungsgebiet, bei dem neurowissenschaftliche Technologien eingesetzt werden

und psychologische und neurophysiologische Erkenntnisse interpretiert und integriert wer-

den, um ein besseres Verständnis über die Prozesse, welche die Entscheidungen eines po-

tenziellen Konsumenten für oder gegen ein Produkt bzw. eine Marke steuert, zu erlangen,

und die gewonnenen Ergebnisse für die Marketingpraxis einzusetzen“ (KIRICHUK, 2008,

S. 12).

Bei Neuromarketing handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungsfeld der Werbewir-

kungsforschung, welches die Bereiche Wirtschaft, Psychologie, Neurobiologie und Neuro-

wissenschaft miteinander verknüpft. Ökonomen und Neurobiologen sind an der Erarbeitung

von Methoden zum Verständnis menschlichen Verhaltens interessiert. Seit den 1990er Jah-

ren wird die Neurowissenschaft für den Marketingbereich genutzt, um Erklärungen über das

Verhalten von Konsumenten zu erhalten, die über die Erkenntnisse des traditionellen Mar-

ketings hinausgehen (BELDEN, 2008, S. 249).

Die Untersuchung des Konsumentenverhaltens auf traditionelle Weise wird im Neuromar-

keting also um die Analyse von neuronalen Prozessen im Gehirn erweitert (MORIN, 2011,

S. 132). Die Analysemethoden des Neuromarketing beziehen sich somit auf das Innere des

Menschen: zum einen auf den physischen Teil in Form des Gehirns und seiner kognitiven

Systeme und zum anderen auf den psychischen Teil in Form von Emotionen (CAMERER,

LOEWENSTEIN, PRELEC, 2005, S. 12 ff.). Durch die Erweiterung der traditionellen

Marktforschung um neurowissenschaftliche Untersuchungen des Gehirns können unbefrie-

digte und unterbewusste Bedürfnisse und Emotionen identifiziert werden. Zudem werden

Möglichkeiten zur Beeinflussung kognitiver Prozesse ermittelt, was neue Geschäftsmöglich-

keiten bieten kann (RAAB, GERNSHEIMER, SCHINDLER, 2009, S. 22f.).

Es ist zwar aufgrund der wichtigen Rolle von Emotionen nachvollziehbar, „in den Gehirnen“

bzw. am Unterbewusstsein der Konsumenten anzusetzen und dieses beeinflussen zu wollen,

allerdings könnte dies auch einen Umweg darstellen. Möglicherweise können (wie z.B. bei

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3 Neuromarketing in Abgrenzung zum traditionellen Marketing

15

Marketing 4.) durch intensivere Beobachtung des Verhaltens genug Informationen über die

Bedürfnisse der Konsumenten gesammelt werden und auf diesem Wege neue Geschäfts-

möglichkeiten (z.B. Influencer Marketing, algorithmusbasierte Produktempfehlungen, Be-

wertungen von anderen Käufern) entstehen.

Diesbezüglich argumentieren die Entwickler von Neuromarketing so, dass die Bedeutung

von Emotionen und des Unterbewusstseins für eine Kaufentscheidung in der Tat auch in der

traditionellen Marktforschung anerkannt wird. Dort ist dies aber auf die Annahme be-

schränkt, dass Menschen ihre kognitiven Prozesse beschreiben können (MORIN, 2011, S.

133). Die Emotionen der Menschen sind ihnen jedoch nicht bewusst zugänglich und somit

nicht mit Hilfe der klassischen Marktforschungsmethoden messbar. Durch neuroökonomi-

sche Verfahren wurde es, wie Kenning beschreibt, erstmals möglich, aus organischer Per-

spektive Einblicke in Entscheidungs- und Wahrnehmungsprozesse zu erlangen, ohne inter-

personelle Zustände rekonstruieren zu müssen. Dies stellt einen entscheidenden Unterschied

zum traditionellen Marketing dar, wo Phänomene häufig an Interaktionssituationen unter-

sucht werden (RAAB, GERNSHEIMER, SCHINDLER, 2009, S. 22f.). Durch eine metho-

dische Erweiterung der Marktforschung um eine neurowissenschaftliche Perspektive können

auch kognitive Prozesse analysiert werden.

Es ist allerdings (weiterhin) fraglich, ob ein Einbezug der Neurowissenschaft überhaupt nö-

tig ist. Möglicherweise liefern die Methoden von z.B. Marketing 4.0 schon so umfangreiche

und informationsstarke Ergebnisse, dass Neuromarketing lediglich bestätigen würde, was

die Forschung um die traditionellen Methoden liefert. Mit Big Data ist es möglich, durch die

statistische Generierung von Mustern Annahmen über Bedürfnisse und Präferenzen von

Konsumenten zu treffen. Somit können die traditionellen Marketinginstrumente das momen-

tane Kaufverhalten besser erfassen und treffsichere Aussagen über das und zukünftige Kauf-

verhalten machen. Somit ist es kritisch zu hinterfragen, ob eine neurowissenschaftliche Un-

tersuchung des Konsumentenverhaltens für eine Optimierung des Marketings überhaupt not-

wendig ist. Entgegen dem, was die Entwickler und Befürworter von Neuromarketing kom-

munizieren, stellt dieses eventuell keine Revolution für den Marketingbereich dar.

Im Fokus des Neuromarketing stehen insgesamt, genau wie beim traditionellen Marketing,

ökonomische Fragestellungen z.B. nach dem Konsumverhalten, den

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3 Neuromarketing in Abgrenzung zum traditionellen Marketing

16

Konsumentenpräferenzen, der Markenbindung, der Effizienz von Marketingstrategien und

der Möglichkeit zur Gewinnmaximierung. Gesundheitswissenschaftliche und medizinische

Problemstellungen stehen somit nicht im Fokus, obwohl medizinische Untersuchungen

durchgeführt werden (s. Kapitel 5). Falls das bedeutet, dass Neuromarketing das Wohl der

Konsumenten in den Hintergrund stellt und rein ökonomische Ziele verfolgt, muss dieses

Vorgehen aus ethischer Perspektive reflektiert werden.6

Insgesamt kann Neuromarketing den Marketingtreibenden gegenüber den traditionellen

Marketingmethoden den Vorteil bieten, Möglichkeiten zum Erkennen, Verstehen und Kon-

trollieren unterbewusster Entscheidungsprozesse auf Basis neurowissenschaftlicher Er-

kenntnisse zu liefern. So können die physiologischen Reaktionen des Gehirns auf Werbung

bzw. Produkte und Marken erforscht werden. Dadurch werden Prozesse der Entscheidungs-

findung sichtbar, die bisher nicht untersucht werden wurden. Kurz: Neuromarketing erwei-

tert das traditionelle Marketing um die Perspektive der Neurowissenschaften. Ob die Unter-

suchung des Gehirns jedoch tatsächlich relevant ist, um das Marketing effektiver zu gestal-

ten, ist fraglich und wird im Folgenden noch näher reflektiert. Möglicherweise bieten die

Entwicklungen der Digitalisierung genug Möglichkeiten, den Marketingbereich im Rahmen

der traditionellen Methoden, also ohne Hinzuziehen der Neurowissenschaft, hinsichtlich der

Vorhersagekraft und Beeinflussbarkeit von Konsumentenverhalten zu optimieren.

6 s. Kapitel 5.3, Kapitel 6.2. und Kapitel 7.

Page 24: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

17

4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

Der Forschungsgegenstand der Neurobiologie ist das menschliche Gehirn. Dieses wird als

das komplexeste System des Körpers angesehen (MORIN, 2011, S. 131). Bei der Forschung

stehen nicht nur der Aufbau und die organischen Funktionsweisen im Blick, sondern auch,

wie verschiedene Prozesse im Gehirn bezüglich der Wahrnehmung und Empfindung ablau-

fen und miteinander verknüpft sind (MORIN, 2011, S. 132 ff.).

Die Erkenntnisse der Neurobiologie sind laut Häusel bedeutend für das Marketing bzw. die

Marktforschung, da durch sie deutlich wird, welche neuronalen Strukturen im Gehirn vor-

handen sind, wie diese zusammenwirken und ob diese verhaltenswirksam sind (HÄUSEL,

2012, S. 9ff). Es soll also gezeigt werden, ob und wie neuronale Strukturen im Gehirn das

Kaufverhalten beeinflussen. Neuromarketing kann somit die Basis von Modellen sein, die

erklären, warum ein Konsument ein bestimmtes Produkt kauft (MORIN, 2011, S. 132). Nach

Seßler konnte durch die Marktforschung herausgefunden werden, dass Kaufentscheidungen

sowohl aus rationalen als auch aus emotionalen Gründen stattfinden (SEßLER, 2013, S. 15

ff.). Für das Marketingmanagement bedeutet das, dass man neben der Demografie, Lebens-

situation, etc., auch die Emotionsstrukturen der Konsumenten erkennen und verstehen sollte,

um ihre Kaufentscheidungen besser prognostizieren und beeinflussen zu können.

Dies kann jedoch nicht allein durch Neuromarketing erklärt werden. Marketing 4.0 erhöht,

wie eingangs beschrieben (vgl. Kapitel 2.1), die Treffsicherheit des traditionellen Marke-

tings hinsichtlich der Beschreibung und Prognose des Kaufverhaltens der Konsumenten. Es

gilt also die Frage zu klären, ob die Untersuchung neuronaler Strukturen im Neuromarketing

diesbezüglich überhaupt in erheblichem Maße aussagekräftigere Informationen liefert, als

es die Optimierung der traditionellen Methoden möglich macht.

Durch neurowissenschaftliche Untersuchungen wurde herausgefunden, dass die neuromag-

netische Hirnaktivität in Abhängigkeit von der emotionalen Aufladung eines Warenbildes

variiert: Die Hirnaktivität verstärkt sich mit zunehmender emotionaler Aufladung. Marke-

tingmaßnahmen ohne emotionale Aufladung scheinen für das Gehirn weniger Bedeutung zu

haben als solche, durch die emotional wirkende Reize gesendet werden. Es wird folglich

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

18

angenommen, dass Emotionen die Basis des menschlichen Verhaltens darstellen. (z.B. SEß-

LER, 2013, S. 19f.)

Zu dieser Erkenntnis kam man jedoch auch schon vor der Entwicklung des Neuromarke-

tings. Im traditionellen Marketing fließt die Bedeutung von Emotionen in Form von Hypo-

thesen und Annahmen in die Erklärung von Verhalten ein. Durch die neurowissenschaftliche

Untersuchung wurde somit kein revolutionärer Wandel hervorgerufen, sondern lediglich be-

stätigt, wovon schon lange ausgegangen wurde.

Durch den Einsatz neurowissenschaftlicher Methoden können in den Untersuchungen auf

die Probanden extrinsisch wirkende Faktoren wie die Beeinflussung durch dominante Grup-

pen, Stress, Belohnungsreize etc., herausgefiltert werden (PRADEEP, 2010, S. 11). Durch

die Untersuchung der kognitiven Prozesse kann z.B. die Wirkung verschiedener Verpa-

ckungsfarben auf die Kaufentscheidung analysiert werden, ohne dass der Proband aktiv eine

Antwort äußert, die eventuell davon beeinflusst ist, welche Farbe gerade modern ist. Es wird

sich somit allein auf seine persönliche Reizempfänglichkeit konzentriert. Dies bietet gegen-

über dem traditionellen Marketing die Möglichkeit einer detaillierteren Untersuchung ein-

zelner Entscheidungsfaktoren. Es ist allerdings fraglich, inwieweit eine isolierte Untersu-

chung einzelner Faktoren/ Variablen ein aussagekräftiges Bild über das Treffen einer Ent-

scheidung liefert, da Entscheidungen oft vom Zusammenspiel mehrerer Variablen abhängen

(vgl. Kapitel 7). Es kann somit sein, dass eine Person kognitiv zwar besser auf die Farbe

Blau reagiert, aber doch die rote Verpackung kaufen wird, weil ihr wichtig ist, „trendige“

Produkte zu kaufen.

Insgesamt können durch die Erkenntnisse neurowissenschaftlicher Forschung die Annah-

men und hypothetischen Erklärungen der traditionellen Marktforschung bestätigt werden.

Zudem können die neuronalen Prozesse genau abgebildet werden, was das Verständnis der

Beschaffenheit von Reizen, Emotionen und Co erhöht. Neuromarketing bietet somit die

Möglichkeit, mehr Informationen über die Wirkung von Marketing zu generieren. Ob diese

Informationen allerdings tatsächlich neue Erkenntnisse und die Möglichkeit für Innovatio-

nen im Marketingbereich liefern oder tatsächlich eher bestätigen, was man schon lange an-

genommen hat, ist fraglich.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

19

4.1 Die Bedeutung des Aufbaus des Gehirns für das Neuromarke-ting

Da es im Neuromarketing u.a. darum geht, herauszufinden, an welchen Stellen im Gehirn

marketingrelevante Prozesse ablaufen und wie diese Prozesse aussehen, ist ein kurzer (gro-

ber) Überblick über den Aufbau des Gehirns relevant.

4.1.1 Das Gehirn

Das Gehirn kann im Wesentlichen in den Thalamus und den Hypothalamus unterteilt wer-

den. In beiden Regionen findet die Verarbeitung von Informationen statt. Informationen sind

in diesem Kontext als kognitive Reize zu verstehen, die verschiedene physische Reaktionen

hervorrufen.

Im Thalamus werden die Informationen, die von den Augen, den Ohren, der Haut, den in-

neren Organen und den Gelenken und Muskeln gesendet werden, sortiert und gefiltert. Da-

nach werden die Signale an höhere Gehirnregionen weitergeleitet. Der Thalamus ist außer-

dem für das Steuern der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins zuständig. (RAAB, GERNS-

HEIMER, SCHINDLER, 2014, S. 169)

Interessanter für das Neuromarketing ist nach Häusel jedoch der Hypothalamus (HÄUSEL,

2014, S. 252). Dieser ist als Bestandteil des limbischen Systems (Kapitel 3.1.2) an der Steu-

erung von Emotionen beteiligt. Im Hypothalamus werden emotionale Prozesse mit bewuss-

ten physischen Abläufen (z.B. Fluchtreflexen nach Empfangen eines Reizes, der die Emo-

tion Angst auslöst) verknüpft. Anhand von Kenntnissen über die Funktionsweise und den

Aufbau des Hypothalamus können somit die kognitiven Prozesse einer (emotionsgesteuer-

ten) Kaufentscheidung analysiert werden (HÄUSEL, 2014, S. 252).

4.1.2 Das limbische System

Unter der Bezeichnung des limbischen Systems sind nach Häusel alle Gehirnstrukturen zu-

sammengefasst, die mit der Entstehung und Verarbeitung von Reizen zu tun haben. Es

nimmt Einfluss auf das Gedächtnis, das Lernen und die Motivation und zentriert Gefühle,

wie z.B. Angst, Ekel, Freude oder Wut. (HÄUSEL, 2014, S. 50)

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

20

Laut Seßler werden in diesem Teil des Gehirns die Emotionen verarbeitet (SEßLER, 2013,

S. 30 ff.). Sie werden in „Motive“ (SEßLER, 2013, S. 30) umgesetzt, was bedeutet, dass sie

konkreter auf ein Objekt, die Zeit und den Raum ausgerichtet werden. So wird ein innerer

Erregungszustand in ein spezifisches Verhalten bzw. eine physische Reaktion entwickelt.

Das limbische System ist für das Marketing insofern relevant, als es sich hierbei um den Ort

handelt, an dem eine emotionale Erregung beim Treffen einer Kaufentscheidung beteiligt

ist. Durch die Untersuchung des limbischen Systems kann ermittelt werden, welche Reize

eine bestimmte Emotion auslösen, aus der der Konsum eines Produktes resultiert. Das Wis-

sen darüber kann die Effektivität und Effizienz von Marketingmaßnahmen steigern, da er-

kenntlich wäre, welche Reize man senden müsste, um eine Kaufentscheidung zu beeinflus-

sen.

4.2 Die Bedeutung der Funktionsweise des Gehirns für das Neu-romarketing

Um zu verstehen, wie man sich kognitive Prozesse aus marketingtechnischer Sicht zu Nutze

machen kann, wird die Funktionsweise des Gehirns nun kurz erläutert.

4.2.1 Die limitierte Kapazität zur Verarbeitung von Reizen

Relevant für den Marketingbereich ist laut Hein und Henning die neurowissenschaftliche

Erkenntnis, dass die Kapazität des menschlichen Gehirns zur gleichzeitigen perzeptuellen

Verarbeitung7 verschiedener Reize limitiert ist (HEIN, HENNING, 2007, S. 112 ff.). Das

bedeutet im ökonomischen Kontext, dass die Konsumenten marketingrelevante Informatio-

nen, z.B. mittels Werbung, nur begrenzt aufnehmen, verarbeiten und in Reaktionen (Kauf-

entscheidungen) umsetzen können.

Hein und Henning erklären diese Limitationen damit, dass eine unbegrenzte Verarbeitung

von Informationen nicht möglich ist (HEIN, HENNING, 2007, S. 112 ff.). Je kürzer die

Zeitspanne zwischen dem Eintreffen von zwei Reizen im Gehirn ist, desto mehr

7 Unter perzeptueller Verarbeitung versteht man das Wahrnehmen und gegebenenfalls Wiedererkennen von Objekten und/ oder Ereignissen aus der Umgebung einer Person.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

21

verschwimmen die Informationen der beiden Reize. Es können also weniger Informationen

unabhängig voneinander verarbeitet werden, was zu Fehlern in der Informationsaufnahme

führt.8

Mit der neurowissenschaftlichen Kenntnis darüber, welche Reize eine Kaufentscheidung (in

gewünschter Weise) beeinflussen und welche Informationen dazu nicht relevant sind, kön-

nen die Marketingmethoden bezüglich ihres Informationsgehaltes entsprechend angepasst

werden. Die Hirnforschung trägt aus ökonomischer Sicht somit dazu bei, die Marketingme-

thoden wirksamer zu gestalten, indem irrelevante Reize bzw. Informationen ermittelt und

nicht mehr gesendet werden. Marketingmaßnahmen können dadurch insofern effizienter

werden, dass (wirksame) Reize nur in der reizempfänglichen Zeitspanne gesendet werden,

um die Aufmerksamkeit der Konsumenten für die Informationsaufnahme zu optimieren. So

kann durch das Senden wirksamer Reize Einfluss auf das Kaufverhalten einer Person ge-

nommen werden.

An dieser Stelle ist die Umsetzbarkeit des Sendens rein relevanter Reize in der reizempfäng-

lichen Phase von 800ms jedoch anzuzweifeln. Es ist nicht nachgewiesen, wie hoch die An-

zahl der Reize ist, die wirksam auf das Treffen einer Kaufentscheidung sind. Somit ist auch

nicht gesagt, dass diese Anzahl innerhalb einer Zeitspanne von 800ms, was 0,8s und somit

ca. 0.0133min entspricht, überhaupt gesendet werden kann. Zwar kann ein effizienteres Sen-

den von Reizen, was nach den Befürwortern von Neuromarketing eine Reizreduktion impli-

ziert, einen positiven Effekt auf die Konsumenten haben, allerdings ist fraglich, ob es über-

haupt auf dem beschriebenen Wege möglich ist, die Informationsaufnahme der Konsumen-

ten zu beeinflussen.

8 Die limitierte Gehirnkapazität ist neurowissenschaftlich dem Unterschied zwischen der psychologischen

Refrektärperiode und der neuronalen Refrektärzeit geschuldet. Die psychologische Refrektärperiode be-zeichnet in der Aufmerksamkeitsforschung nach Welford ein Zeitintervall, in dem ein Reiz verarbeitet wer-den kann. Die neuronale Refrektärzeit bezeichnet die Phase nach einer Aktivierung des Gehirns, in der keine Reize geleitet werden können. Die Refrektärzeit folgt nach einer Periode und ist um einiges länger. Vergehen zwischen dem Eintreffen zweier Reize weniger als 800ms, können die Informationen nicht un-abhängig voneinander verarbeitet werden. Die zweite Periode würde in diesem Fall beginnen, bevor die Refrektärzeit abgelaufen ist. Es kommt zu Fehlern in der Verarbeitung, da das Gehirn noch nicht bereit ist, neue Reize zu verarbeiten. (HEIN, HENNING, 2007)

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

22

Aufgrund der Komplexität des Gehirns kann durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse

zwar kein direkter Einfluss auf die perzeptuelle Verarbeitung bzw. neuronale Kapazität ge-

nommen werden, aber die Art und Weise optimiert werden, wie aufmerksamkeitswirksame

Informationen übertragen werden.

4.2.2 Das implizite und das explizite System

Das Gehirn besteht, wie im Folgenden noch näher erläutert wird, physisch aus verschiedenen

Hirnteilen. Diese sind bezüglich ihrer Funktionsweise jedoch nicht komplett unabhängig

voneinander zu betrachten, da sie alle emotional strukturiert und vernetzt sind. Das Gehirn

lässt sich in ein implizites und ein explizites System unterteilen:

Im impliziten System laufen automatische und unbewusste Prozesse ab. Es handelt sich um

eine Art „Autopilot“ (HÄUSEL, 2007, S. 94), der Sinneseindrücke entschlüsselt, analysiert

und bewertet. Der Autopilot umfasst das Gedächtnis, die Wahrnehmung, Emotionen, Ein-

stellungen und Assoziationen. Darauf aufbauend werden intuitive Entscheidungen getroffen.

Das Treffen dieser Entscheidungen geschieht automatisch und ohne die Lenkung durch die

jeweilige Person. Diese ist sich dem Prozess der Entscheidungsfindung nicht bewusst und

nimmt diese erst in physischer Form wahr, wenn sie bereits automatisch bzw. unbewusst

getroffen wurde. Insgesamt werden laut Häusel ungefähr 95% aller Entscheidungen auf

diese Weise getroffen. Somit ist das implizite System maßgeblich an Konsumentscheidungs-

prozessen beteiligt.

Das implizite System leitet das Lernen, die nonverbale Kommunikation und die Speicherung

von Markenbotschaften. Dabei werden Sinneseindrücke danach bewertet, welche Assozia-

tionen sie hervorrufen (SCHEIER, HELD, 2007, S. 127 ff.). Das Senden verschiedener

Reize kann positive oder negative Assoziationen wecken. Positive Assoziationen wirken be-

lohnend, weshalb Marketingbotschaften Reize senden sollten, die positive Assoziationen

hervorrufen. Der Konsument assoziiert mit dem Kauf des beworbenen Produkts eine Beloh-

nung, was den Kauf wahrscheinlicher macht. Je höher das durch den Reiz assoziierte Beloh-

nungsgefühl ist, desto eher wird eine Markenbotschaft gespeichert und desto wahrscheinli-

cher wird der Kauf eines Produkts.

Dass das Unterbewusstsein einen wichtigen Einfluss auf das Treffen von Entscheidungen

hat und, dass verschiedene Reize entweder positive oder negative Emotionen bzw.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

23

Assoziationen wecken, wird auch im traditionellen Marketing angenommen. Die Neurowis-

senschaft liefert diesbezüglich somit keine grundlegend neuen Erkenntnisse, sondern bestä-

tigt die bestehenden Annahmen und beschreibt, wie diese Prozesse ablaufen. Es handelt sich

bei Neuromarketing somit weniger um eine Innovation, als eher um die Möglichkeit der

Informationsbeschaffung in einem bisher im Zusammenhang mit Marketing nicht untersuch-

tem Gebiet (dem Gehirn).

Aufgrund des entscheidenden Einflusses des impliziten Systems auf Konsumentscheidungen

ist es für Marketingstrategen sinnvoll, seine Funktionsweise aus neurowissenschaftlicher

Perspektive zu entschlüsseln. So lässt sich erkennen, welche Reize Assoziationen in Form

von Belohnungen auslösen. Die Werbebotschaften können dann mit eben diesen Reizen be-

stückt werden und so in ihrer Wirksamkeit erhöht werden. Neuromarketing kann das tradi-

tionelle Marketing auf diese Weise erweitern, stellt aber, wie schon erwähnt, in diesem Fall-

keine Innovation dar.

Im expliziten System laufen laut Häusel alle bewussten und steuerbaren kognitiven und emo-

tionalen Vorgänge ab. Es wird als „Pilot“ (HÄUSEL, 2007, S. 94). bezeichnet, der die Er-

gebnisse des Autopiloten hinterfragt, Entscheidungen im Notfall korrigiert und bei Störun-

gen eingreift. Der Pilot umfasst das Denken, die Vernunft, die Sprache und Fakten. In diesem

System kommt es zum Überdenken einer Konsumentscheidung bzw. zu ihrer Rationalisie-

rung, Reflexion und Rechtfertigung. Da in dieses System nur einen geringen Anteil aller

Kaufentscheidungen einer Person beeinflusst, sollte man sich bei der Analyse von Kaufent-

scheidungen eher auf das implizite System konzentrieren (KREUTZER, MERKLE, 2008,

S. 308 ff.). Die Analyse des expliziten Systems kann zwar, einfacher als die Analyse des

impliziten Systems, durch Befragung oder Beobachtung stattfinden, bietet jedoch keinen

Zugang zum Unterbewusstsein.

Für die Untersuchung des expliziten Systems ist somit keine neurowissenschaftliche For-

schung nötig.

Bezüglich der Wirkung eines Reizes sind die beiden Systeme jedoch nicht getrennt vonei-

nander zu betrachten. Ein Reiz trifft zuerst auf das implizite System, wo er sofort entschlüs-

selt, analysiert und bewertet wird (sofortige Antwort). Innerhalb von 5 Sekunden wird eine

dem Reiz entsprechende Assoziation gebildet, die der Person nach 5 Sekunden entweder im

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

24

Treffen einer Entscheidung oder der Weiterleitung des Reizes ins explizite System bewusst-

wird. Somit gelangt jeder Reiz zuerst ins implizite System und nur ein geringer Anteil der

Reize ins explizite System. Entscheidungen im impliziten System werden somit schneller,

intuitiv bzw. automatisch getroffen, während der Entscheidungsprozess im expliziten Sys-

tem länger dauert und bewusst (durch Reflektieren, Vergleichen etc.) stattfindet.

Abbildung 2: Die Wirkung von Reizen im impliziten und expliziten System9

Es wird also kommuniziert, dass eine Beobachtung des expliziten Systems (durch traditio-

nelles Marketing) nicht ausreicht und die Untersuchung des impliziten Systems (durch Neu-

romarketing) nötig ist, um das Kaufverhalten einer Person umfangreich verstehen und prog-

nostizieren zu können. Wie in Kapitel 2.2 beschrieben kann durch traditionelles Marketing

tatsächlich nicht direkt untersucht werden, was im Gehirn der Konsumenten passiert. Es ist

jedoch auch fraglich, ob dies überhaupt notwendig ist, oder ob die Wirksamkeit von Marke-

ting und Prognostizierbarkeit des Konsumentenverhaltens nicht auch durch die Optimierung

der traditionellen Methoden (durch Big Data, nutzerspezifisches Online-Marketing, etc.) in

ausreichendem Maße erhöht werden kann.

4.2.3 Die Funktionsweise von Codes

Produkte können anhand ihrer physischen Eigenschaften, z.B. ihres Geruchs oder ihrer

Farbe, eine mentale Ebene im Gehirn aktivieren und so die Einstellung zu einem Produkt

beeinflussen bzw. die Entscheidung zum Kauf erleichtern (RAAB, GERNSHEIMER, 2009,

S. 214 ff.).

9 Eigene Darstellung, aufbauend auf SCHEIER, HELD, 2009

sofortige Antwort

< 5 Sekunden

ca. 5 Sekunden

> 5 Sekunden

(unendlich)

Implizites System/

Autopilot

Explizites System/

Pilot Reiz

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

25

In der Neurobiologie wird in diesem Zusammenhang von sog. Codes gesprochen (SCHEI-

ER, HELD, 2012, S. 62). Diese können symbolisch, sensorisch, episodisch und/ oder sprach-

lich sein und lösen eine bestimmte Reaktion aus (SCHEIER, HELD, 2012, S. 62). Codes im

Neuromarketing sind Reize, die aktiv gesendet werden, um ein bestimmtes Verhalten her-

vorzurufen. Hier ist besonders der Priming-Code von Bedeutung (SCHEIER, HELD, 2012,

S. 62). Priming heißt ins Deutsche übersetzt „Bahnung“. Darunter wird die Beeinflussung

der Verarbeitung eines Reizes verstanden, indem durch implizite subtile Signale gewisse

Assoziationen im Gehirn aktiviert werden. Es werden so - zum Großteil unbewusst - einem

(Werbe-)Reiz gewisse Assoziationen, Vorerfahrungen und Gedächtnisinhalte zugeordnet,

indem das Gehirn vorher durch einen Code (in Form eines Reizes) dafür empfänglich ge-

macht wurde. Es besteht auf diese Weise die Möglichkeit, gezielt gewisse Assoziationen zu

einem Produkt hervorzurufen und so manipulierend auf das Verhalten - also auf das Treffen

einer Kaufentscheidung - einzuwirken.

Die gesendeten Codes wirken durch die Bildung von Assoziationen im impliziten System

und rufen somit intuitive Entscheidungen hervor, ohne dass diese im expliziten System re-

flektiert bzw. hinterfragt werden. Aus der Sicht des Marketings kann auf diese Weise wirk-

sam auf das Konsumentenverhalten eingewirkt werden.

Bei dieser Annahme wird jedoch ignoriert, dass neben den beschriebenen Codes auch extrin-

sische Einflüsse bei der Entscheidung zum oder gegen den Konsum eines Produktes wirken.

So kann es z.B. sein, dass jemand durch einen Code und die damit verbundenen Assoziatio-

nen ein starkes Bedürfnis nach einem Produkt bekommt, es jedoch nicht kauft, da sein

Budget nicht reicht. Selbst wenn durch Neuromarketing möglich ist, Bedürfnisse zu wecken,

gibt dies keine Sicherheit, dass der Konsum stattfindet. Es muss somit zusätzlich (mit her-

kömmlichen Methoden) untersucht werden, in welcher Situation sich der Konsument befin-

det, welches Budget er zur Verfügung hat, etc. Möglicherweise haben die extrinsischen Fak-

toren einen derart großen Einfluss auf das Kaufverhalten, dass der Fokus auf die Beeinflus-

sung des Unterbewusstseins nicht der Schlüssel zur Optimierung des Marketings ist.

4.2.4 Das Balance-, Dominanz- und Stimulanzsystem

Ein Ergebnis der Neurobiologieforschung, welches sich die Neuroökonomen zu Nutze ma-

chen, ist die neurobiologische Zielgruppensegmentierung nach Häusel. Durch diese lassen

sich Emotionen in zwei Segmente unterteilen (HÄUSEL, 2012, S. 85):

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

26

1. Trait: In diesem Segment befinden sich alle dauerhaft bestehenden und stabilen Per-

sönlichkeitsmerkmale.

2. State: Dieses Segment beinhaltet momentabhängige und vorübergehende Stimmun-

gen, die von der jeweiligen Situation, Tageszeit, Verfassung und den Erlebnissen

einer bestimmten Person beeinflusst werden.

Für das Marketing sind die State-Emotionen von größerer Bedeutung, da diese veränderbar

sind und nur sie durch Marketingmaßnahmen beeinflusst werden können.

Zudem lassen sich Handlungsempfehlungen für Marketingstrategen aussprechen, die auf der

Zuordnung von Emotionen in verschiedene Motivsysteme aufbauen:

• Das Balance-System beinhaltet Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, nach einem geord-

neten Leben, der Vermeidung von Risiko, nach Ruhe und Harmonie. Werden diese

Bedürfnisse angesprochen und befriedigt, entsteht bei der jeweiligen Person ein Ge-

fühl von Sicherheit und Geborgenheit. (HÄUSEL, 2014, S. 43 f.)

• Dem Dominanz-System werden Wünsche nach Macht, Durchsetzung, Anerken-

nung, Status und Autonomie sowie nach der Vermeidung von Fremdbestimmung

zugeordnet. Um dieses System zu aktivieren, müssen beim Kunden Gefühle wie

Stolz und Überlegenheit in Aussicht gestellt werden. (HÄUSEL, 2014, S. 78 f.)

• Zudem wurde noch das Stimulanz-System definiert, unter das Bedürfnisse nach Ab-

wechslung, Neuem und Individualität fallen. Langweile und Reizarmut sollen ver-

mieden werden und das Erleben von Spaß und Abenteuer suggeriert werden, um die-

ses System zu aktivieren. (HÄUSEL, 2016, 43 f.)

Diese Systeme wirken nicht bei jedem Menschen gleich, d.h., dass bei jeder Person ein an-

deres Motivsystem dominiert und reizempfänglicher als die anderen Motivsysteme ist.

Durch Hirnforschung kann ermittelt werden, welches System bei einer Person mit welchen

Reizen am besten zu erreichen ist. Das kann sich das Marketing zu Nutze machen, indem

man entsprechende Reiz-Zielgruppen bildet, die ihrer Empfänglichkeit nach mit verschiede-

nen Reizen angesprochen werden. So können Marketingstrategien individueller und wirksa-

mer gestaltet werden.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

27

Die Grundbedürfnisse (Sexualität, Schlaf, Nahrung, Bindung und Fürsorge) sind dagegen

bei prinzipiell jedem Menschen vorhanden.10 Diese sichern das Überleben und tragen zur

Weiterentwicklung bzw. Fortpflanzung bei. Die Grundbedürfnisse sind somit leichter zu

entschlüsseln als die Motivsysteme einer Person. Aus der Perspektive des Marketings ist es

dennoch sinnvoller, die Motivsysteme zu analysieren und auf sie Einfluss zu nehmen, da es

bei dem Großteil der angebotenen bzw. umworbenen Produkte am Markt nicht um die Si-

cherung der Grundbedürfnisse geht. Mit der Analyse der Motivsysteme können somit Be-

dürfnisse ermittelt werden, die über die Grundbedürfnisse hinausgehen. Durch die Kenntnis

des einflussreichsten Motivsystems kann erkannt werden, wie diese Bedürfnisse am besten

bewusst gemacht bzw. geweckt werden können.

Auch an dieser Stelle handelt es sich im Endeffekt (anders als von u.a. Häusel kommuniziert)

nicht um neue Erkenntnisse, sondern um die Verknüpfung von bestehenden psychologischen

Konzepten mit den Erkenntnissen der Neurowissenschaft. Zudem stellt sich die Frage nach

der Umsetzbarkeit bzw. Anwendbarkeit dieser Erkenntnisse. Jede Person müsste sich den

neurowissenschaftlichen Untersuchungen aussetzen und zudem müsste dem Unternehmen,

welches die Forschung in Auftrag gegeben hat, im Nachhinein dauerhaft erkenntlich ge-

macht werden, welcher Reiz-Zielgruppe diese Person zugeordnet wurde. Das erscheint nicht

praktikabel.

4.3 Die Rolle von Emotionen

Emotionen sind innere Empfindungen, die positiv oder negativ wahrgenommen werden kön-

nen. Beispiele sind u.a. Freude, Trauer, Überraschung oder Angst. Sie werden durch neuro-

nale Prozesse gebildet und werden dem Menschen durch ein Zusammenspiel verschiedener

physischer Reaktionen (z.B. Schweißausbruch, Lachen, Weinen, etc.) und Gedanken (z.B.

Interpretationen, Erinnerungen, etc.) bewusst. Emotionen setzen sich aus dem Empfangen

eines Reizes und der sich daraus entwickelnden kognitiven Komponente zusammen. Diese

kognitive Komponente kann eine Erfahrung, Erinnerung, Interpretation oder Bewertung

sein. Die kognitive Komponente wird dadurch beeinflusst, welche Stimmung durch den Reiz

10 Ausgenommen sind Menschen mit gesundheitlichen Störungen.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

28

ausgelöst wird: Positiv empfundene Emotionen unterstützen meist eine positive Bewertung

einer Sache, negatives Empfinden eher negative Bewertungen.11

Das Empfangen eines Reizes geschieht unbewusst im impliziten System. Die kognitive

Komponente liegt im expliziten System. Laut Scheier und Held korrelieren implizite und

explizite Aktivierung nur gering (r=19) miteinander (KREUTZER, 2008, S. 307 f.). Somit

muss eine unbewusste (implizite) Aktivierung nicht ins Bewusstsein gelangen.

Im impliziten System kann ein Vielfaches mehr an Informationen verarbeitet werden, als es

im expliziten System der Fall ist: Vor allem, wenn eine Person unter Zeitdruck steht, von

Reizen überflutet wird, wenig Interesse an einer Sache hat oder sich bezüglich einer Ent-

scheidung (z.B. aufgrund starker Ähnlichkeit zweier Produkte) unsicher ist, übernimmt das

implizite System die „Entscheidungsmacht“ (SCHEIER, 2008, S. 309 ff.). Da im impliziten

System mehr Informationen (in Form von Emotionen) verarbeitet werden und nur wenige

von ihnen ins Bewusstsein gelangen, spielen Emotionen bei der Entscheidungsfindung einer

Person eine größere Rolle als kognitive, bewusste Prozesse.

Für den einzelnen Menschen ist nicht bewusst nachvollziehbar, welcher Reiz eine bestimmte

Emotion im impliziten System und die darauffolgende physische Reaktion (und gegebenen-

falls eine Entscheidung) auslöst. Er kann die Emotion lediglich mit einem Auslöser12 in Ver-

bindung bringen, ist sich aber überwiegend nicht darüber bewusst, dass bereits eine implizite

Aktivierung zur Entscheidungsfindung stattgefunden hat.

Emotionen sind somit stark entscheidungsrelevante Variablen. Ökonomisches Handeln rich-

tet sich also nicht nur an der Rationalität, sondern auch an den Emotionen und Motivfeldern

der Konsumenten aus. Der Wunsch nach dem Kauf eines Produktes kann durch ein Unter-

nehmen besser ausgelöst bzw. verstärkt werden, wenn die Emotionen eines Menschen ange-

sprochen werden: Der Mensch assoziiert durch die gesendeten Reize einen bestimmten Ge-

fühlszustand, der scheinbar durch den Kauf des Produktes erreicht werden kann. Vor allem

Marketingmethoden, die negative Emotionen verringern und positive Emotionen wecken

11 Eine allgemeingültige, wissenschaftliche Definition von Emotionen gibt es (bisher) nicht. Die vorliegende

Umschreibung des Begriffs wurde aufbauend auf verschiedenen Quellen selbst verfasst: SCHERER, 1997; MERKLE, KREUTZER, 2008; BOSCH, SCHIEL, WINDER, 2006

12 Mit Auslöser ist hier z.B. ein Gegenstand, eine Farbe, ein Geruch, ein Geräusch setc. gemeint.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

29

(z.B. das Zeigen eines Werbespots mit einer glücklich wirkenden Familie) , sind gegenüber

dem Senden von informativen Daten ohne emotionale Komponente (z.B. technische Daten)

wirksam.

Da dem Menschen dies oft erst anhand seiner physischen Reaktion bewusstwird, kann er

laut Diplompsychologe Bischof nicht antizipieren, ob der Reiz gezielt durch die Marketing-

kampagne eines Unternehmens gesendet wurde, oder ob die Emotion tatsächlich durch das

Produkt bzw. seine Eigenschaften ausgelöst wurde (BISCHOF, 2001). Aus ethischer Per-

spektive kann sich hier das Problem der Manipulation ergeben.13

Um die emotionalen Strukturen des Gehirns eines Menschen darzustellen und analysieren

zu können, wird die Technik des Neuroimaging angewendet. Dies wird von Gruber folgen-

dermaßen erläutert: Durch Neuroimaging kann die Hirnregionen-übergreifende Steuerung

durch neuronale Netzwerke abgebildet werden. Die Netzwerkkonstellation ist variabel, was

bedeutet, dass Individuen für identische kognitive Aufgaben unterschiedliche Lösungsstra-

tegien entwickeln. Man kann die Netzwerkkonstellationen und ihre wechselseitigen Bezie-

hungen entschlüsseln und darstellen. Dies beschränkt sich jedoch auf rein physiologische

Vorgänge und keine kausalen Zusammenhänge. (GRUBER, 2016, S. 5 ff.)

Es ist also (bisher) nicht möglich, mittels Neuroimaging festzustellen, warum das Gehirn

eines Individuums eine bestimmte Netzwerkkonstellation aufweist und was diese beein-

flusst. An dieser Stelle können die Lösungsfindung bzw. Entscheidungsfindung nicht beein-

flusst werden. Es kann jedoch dargestellt werden, wie diese Konstellationen aussehen und

wie und wo bestimmte Reize auf die kognitiven Systeme wirken.

4.3.1 Die Rolle der Emotionen bei der Markenbindung

Neuromarketing kann die Bindung der Kunden an eine Marke effektiver gestalten, da die

Marketingtreibenden neurowissenschaftliche Erkenntnisse darüber erhalten, welche Kom-

ponenten der Darstellung einer Marke die kognitiven Prozesse der Entscheidungsfindung

einer Person besonders beeinflussen. Das bedeutet, dass erkennbar wird, was ein Konsument

besonders an einer Marke schätzt und wie das Marketing aussehen muss, um die Bindung

an die Marke zu sichern.

13 Das ethische Problem der Möglichkeit zur Manipulation wird in den folgenden Kapiteln diskutiert.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

30

Ob dazu jedoch Erkenntnisse über und die Einflussnahme auf die neuronalen Strukturen im

Gehirn einer Person wichtig sind, ist fraglich. Wie schon erläutert (vgl. Kapitel 2.1) kann

Markenbindung z.B. auch durch Empfehlungen von Freunden oder Familienmitgliedern ent-

stehen. Die Wirkung dieser Empfehlung basiert zwar auf der emotionalen Verbundenheit

mit und dem Vertrauen zu diesen Personen, bedarf aber keiner Untersuchung und direkten

Einwirkung auf neuronale Prozesse durch die Marketingtreibenden.

Die emotionale Bindung eines Konsumenten an eine Marke stellt für ein Unternehmen einen

bedeutenden Wettbewerbsvorteil dar. Meffert und Buhmann definieren eine Marke als ein

Bild von einem Produkt oder einer Dienstleistung in der Psyche eines Konsumenten, mit

dem bestimmte Eigenschaften und Werte verbunden werden (MEFFERT, BUHMANN,

1998, S. 82). Durch fMRT-Untersuchungen (vgl. Kapitel 5.2.2) wurde der sog. „Lieblings-

markeneffekt“ entdeckt (KENNING, LEHMANN-WAFFENSCHMIDT, HUBERT, 2008,

S. 4). Darunter versteht man die Tatsache, dass die Lieblingsmarke eines Konsumenten seine

Entscheidungsfindung in erheblichem Umfang beeinflusst. Im Gehirn werden durch die

Markenreize Assoziationen aktiviert, die die Konsumentscheidung emotionalisieren und so-

mit erleichtern.

Der „Lieblingsmarkeneffekt“ nach Scheier ist mit dem Prinzip der „kortikalen Entlastung“14

zu begründen (SCHEIER, 2008, S. 305): Das Wahrnehmen der Lieblingsmarke reduziert im

Gehirn die Aktivität des expliziten Systems, also der Hirnareale, die zum Nachdenken die-

nen. Gleichzeitig wird die Aktivität des impliziten Systems erhöht, also der Hirnareale, in

denen intuitive und emotionale Prozesse ablaufen. Starke Marken unterstützen somit intui-

tive und unreflektierte Entscheidungen. Emotional bedeutsame Informationen können sogar

signifikant besser gespeichert werden, da sie durch die kortikale Entlastung Assoziationen

im Gehirn schaffen. Diese Assoziationen wirken wie Erinnerungen an einen emotionalen

Zustand, den die Person mit den Reizen in Verbindung bringt, die ein Produkt oder eine

Marke senden. Die Person erwartet also, dass durch den Konsum des Produktes oder der

Marke ein bekannter Gefühlszustand erreicht werden kann. Es werden Gefühle von Bekannt-

heit und Vertrauen zu dem Produkt oder der Marke vermittelt, was die Bindung an diese

erhöhen kann.

14 Der Kortex ist der vordere Teil des Gehirns, die Hirnrinde. Eine Entlastung dieses bedeutet, dass die senso-

rischen Areale dort weniger aktiviert werden bzw. die Reize direkt ins implizite System gelangen.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

31

Unterstützend wirkt die Erkenntnis, dass intuitive Entscheidungen nur 2% der gesamten

Körperenergie benötigen (MORIN, 2011, S. 134). Nachdenken verbraucht 20% (MORIN,

2011, S. 134) und ist somit 10mal „anstrengender“. Es wird also eher auf intuitive Entschei-

dungsregeln zurückgegriffen. Intuitive Entscheidungen machen zufriedener, da beim Nach-

denken kritischer reflektiert wird und somit mehr negative Aspekte ins Bewusstsein gelan-

gen können (DIJKSTERBUIS, MAARTEN, NORDIREN, VAN HAAREN, 2006, S. 1006).

Durch die emotionale Bindung der Kunden an eine Marke müssen diese Maßnahmen nicht

für jedes einzelne Produkt eines Unternehmens in großem Umfang stattfinden, da die Kun-

den durch die emotionale Bindung an die Marke schon in ihrer Konsumentscheidung für die

Produkte beeinflusst sind. Marketingmethoden können aufbauend auf den neurowissen-

schaftlichen Forschungsergebnissen direkt an den einzelnen Konsumenten bzw. bestimmte

Konsumentengruppen angepasst und entsprechend deren emotionaler Empfänglichkeit für

gewisse Inhalte entwickelt werden (SCHEIER, 2008, S. 305 ff.).

Die Theorie hinter diesen Methoden wird deutlich, allerdings gibt es keine konkreten Bei-

spiele dazu, wie eine direkte Anpassung des Marketings an den einzelnen Konsumenten in

der Praxis aussieht. Dass eine emotionale Markenbindung besteht, ist schon durch traditio-

nelle Marktforschung ermittelt worden. Neuromarketing bestätigt dies durch neurowissen-

schaftliche Erkenntnisse. Dafür, wie genau diese Erkenntnisse verwendet werden können,

um die emotionale Markenbindung von Konsumenten durch Einflussnahme auf die neuro-

nalen Prozesse zu optimieren, gibt es allerdings keine Beispiele. Somit stellt sich die Frage,

ob Neuromarketing nicht schlicht bestätigt, was im traditionellen Marketing schon ange-

nommen wurde, und somit keinen komplett neuen Beitrag leistet.

4.4 Der Einfluss der Wahrnehmung auf die Entscheidungsfindung

Der Einbezug der Neurowissenschaft ergänzt den Bereich des Marketings um Erkenntnisse

über die Funktion und Bedeutung unbewusster und automatischer Prozesse im menschlichen

Gehirn (CAMERER, LOEWENSTEIN, PRELEC, 2005, S. 9). Mit Hilfe von fMRT-Daten

können laut Grosenick, Greer und Knutson ca. 75% der für das Konsumentenverhalten be-

deutenden Prozesse erklärt werden (GROSENICK, GREER, KNUTSON, 2008, S. 36). Bei

der klassischen Befragung fällt dieser Prozentsatz weitaus niedriger aus.

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

32

Hierbei geht es um deren Informationsgehalt. Die im Gehirn zu verarbeitenden Informatio-

nen werden von den Neurowissenschaftlern in Bits gemessen. Als „vor“- oder „unbewusst“

gelten Informationen, die die Kapazitätsgrenzen eines Systems (implizites oder explizites

System, Kapitel 4.2.2) überschreiten. Im Gehirn sieht das folgendermaßen aus: Im impliziten

System „Autopilot“ werden 11 Millionen Bits pro Sekunde verarbeitet. Dieses System ist

hocheffizient und enthält viele unbewusste Informationen. Im expliziten System werden 40

Bits pro Sekunde verarbeitet, also weitaus weniger. In diesem System findet zum Großteil

das Nachdenken statt. (KREUTZER, MERKLE, 2008, S. 307)

Entscheidungen werden sowohl von der Wahrnehmung als auch von Vorstellungen beein-

flusst. Die Wahrnehmung findet im impliziten, die Vorstellung im expliziten System statt

(ROTH, 2005, S. 139 ff.). Da im impliziten System Emotionen verarbeitet werden, wird die

Wahrnehmung maßgeblich von diesen gestaltet. Die Wahrnehmung geht ab einem gewissen

Punkt ins Bewusstsein über und verknüpft sich so mit Vorstellungen und Erwartungen. Im

expliziten System nimmt der Mensch das Treffen einer Entscheidung wahr, welche tatsäch-

lich jedoch bereits unterbewusst getroffen worden zu sein scheint.

Für das Marketing ist eine Unterscheidung in das „Aufmerksamkeitsbewusstsein“ und das

„Hintergrundbewusstsein“ sinnvoll (HEIN, HENNING, 2007, S. 115). Das Hintergrundbe-

wusstsein verarbeitet implizite Informationen und sollte somit angesprochen werden, um die

Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Bei einer Reizung des Aufmerksamkeitsbewusst-

seins kann es schneller zu einer Reizüberflutung kommen, da dort weniger Informationen

verarbeitet werden können. An dieser Stelle können Entscheidungen weniger gut durch

Reize beeinflusst werden.

Kontrollierte Prozesse (im expliziten System) sind laut Hein und Henning flexibel, brauchen

aber limitierte Aufmerksamkeitsressourcen (HEIN, HENNING, 2007, S. 115). Automati-

sche Prozesse (im impliziten System) sind unflexibel, benötigen dafür jedoch keine Auf-

merksamkeitsressourcen. Für das Marketingmanagement bedeutet das, dass ein Produkt,

welches die kontrollierte Verarbeitung von Informationen anregt, so konstruiert werden soll,

dass automatische Prozesse im Gehirn in Gang gesetzt werden: Das bedeutet konkret, dass

z.B. Elemente gezeigt werden, die dem Konsumenten Sicherheit vermitteln, ohne dass seine

Aufmerksamkeit auf diese Elemente gerichtet wird. Im Gehirn sollen Assoziationen geweckt

werden, die eine Vertrautheit mit dem Produkt erzeugen. Durch diese (scheinbare)

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4 Die Relevanz neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Marketingbereich

33

Vertrautheit werden die Grenzen der Wahrnehmungskapazität umgangen, da durch Wieder-

erkennungseffekte weniger Aufmerksamkeit zur Verarbeitung der Information nötig ist und

der Konsument frei nach dem Motto „Ich kaufe, weil ich es kenne“ reagiert (HEIN, HEN-

NING, 2007, S. 115).

Die Erkenntnisse der Neurowissenschaft bereichern den Bereich des (Neuro-)Marketings

um die Möglichkeit und Kenntnis, dass und auf welche Weise Vertrauen und Bekanntheit in

den Gehirnen der Konsumenten konstruiert werden kann: Durch die Bildung von Assozia-

tionen mit Hilfe des Sendens von Codes (vgl. Kapitel 4.2.3) könnten die Aufmerksamkeits-

ressourcen des Gehirns durch Wiedererkennungseffekte entlastet werden und Kaufentschei-

dungen auf diese Weise automatisiert werden. Der Großteil der empfangenen Informationen

würde im impliziten System - also unbewusst - verarbeitet werden.

Zwar wird durch diese Erkenntnisse deutlich, auf welche Weise eine Kaufentscheidung ge-

troffen wird und wie man (theoretisch) auf sie Einfluss nehmen kann, jedoch gibt es keine

Beispiele dafür, wie dies in der Praxis umgesetzt wird. Grundlegend neu sind die beschrie-

benen Erkenntnisse nicht. Lediglich die Verknüpfung dieser mit dem Marketingbereich gab

es in der Form bisher nicht.

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5 Die Neuromarketing-Forschung

34

5 Die Neuromarketing-Forschung

Die neurowissenschaftlichen Methoden wurden und werden laut Gruber mit dem vorrangi-

gen Ziel entwickelt, das menschliche Denken, Fühlen und Handeln zu verstehen (GRUBER,

2016, S. 5). Beim Neuromarketing geschieht die Analyse des Verhaltens in Beziehung zum

Markt und zu Marketinginstrumenten (BURGOS-CAMPERO, VARGAS-HERNANDEZ,

2013, S. 517).

Die Untersuchungsmethoden des Neuromarketings lassen sich in die morphologische Bild-

gebung und die funktionelle Bildgebung unterteilen (GRUBER, 2016, S. 2). Bei der mor-

phologischen Bildgebung werden Strukturen und Formen dargestellt. Bei der funktionellen

Bildgebung werden zusätzlich physiologische, sprich, sich im Zeitverlauf verändernde In-

formationen, dargestellt. Unter anderem lassen sich so auch Stoffwechselvorgänge und der

Blutfluss im Gehirn darstellen.

Unter Neuroimaging versteht man die Darstellung des zentralen Nervensystems des Men-

schen (GRUBER, 2016, S. 2). In den folgenden Kapiteln werden vier Methoden der Hirn-

forschung erläutert, denen sich im Neuromarketings bedient wird. So wird ein Einblick in

den Versuchsaufbau und -ablauf und die Funktionsweisen der Verfahren geboten.

5.1 Die Messung der elektrischen Gehirnaktivität

Die Vorteile der hier aufgeführten Methoden sehen Stoll, Kenning und Ahlert in der guten

zeitlichen Auflösung (STOLL, KENNING, AHLERT, 2008, S. 59). So können neuronale

Aktivitäten direkt bzw. zeitgleich mit ihrem Auftreten untersucht werden. Die Versuche sind

gut wiederholbar und in der Durchführung vergleichsweise kostengünstig. Es sind keine gif-

tigen oder anderweitig schädlichen Substanzen nötig, was sie für den Probanden körperlich

ungefährlich macht. Außerdem sind verglichen mit anderen Methoden weniger statistisch

komplexe Analysen der Ergebnisse nötig.

Nachteile ergeben sich bei der Messung elektrischer Aktivitäten laut Stoll, Kenning und Ah-

lert jedoch aus der relativ schlechten räumlichen Auflösung und Lokalisierung der Aktivitä-

ten (STOLL, KENNING, AHLERT, 2008, S. 36 f.). Die Aktivitäten können zwar gemessen

werden, jedoch geben die Methoden keine Auskunft darüber, welcher Reiz an welcher Stelle

eine Aktivität hervorruft. Es kann nur ein aktivierter Bereich dargestellt werden. Zudem sind

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5 Die Neuromarketing-Forschung

35

Spannungsschwankungen schwer zu interpretieren und es ist eine hohe Anzahl von Ver-

suchsdurchläufen nötig, um z.B. Hintergrundgeräusche herauszufiltern.

5.1.1 Elektroenzephalographie (EEG)

Ziel einer EEG ist es, hirnelektrische Vorgänge an der Schädeldecke aufzuzeichnen, indem

man am Kopf des Versuchsteilnehmers Oberflächenelektroden befestigt. Durch gleichzei-

tige Präsentation verschiedener Stimuli kann gemessen werden, inwieweit sich ein bestimm-

ter Reiz auf die Spannung der Nervenzellen auswirkt. Diese Spannungsveränderungen wer-

den durch Summierung der Aktionspotenziale von Nervenzellen ermittelt. Diese Aktionspo-

tenziale werden als Event Related Potentials - kurz ERPs - bezeichnet. Auf diese Weise kann

die elektrische Gehirnaktivität fast ohne zeitliche Verzögerung dargestellt werden. Mittels

EEG kann vor allem untersucht werden, wie neuronale Prozesse aus zeitlicher Perspektive

miteinander verknüpft sind. Diese Methode gibt jedoch keine Aussage darüber, an welcher

Stelle es im Gehirn zu einer Aktivierung durch einen speziellen Reiz kommt. (SCHANDRY,

2011, S. 518 ff.; GEGENFURTNER, 2011, S. 25)

Laut Schandry wurde diese Methode aus Perspektive des Marketings vor allem zur Klärung

der Frage, ob man die Erinnerung an einen Werbespot mit der neuronalen Aktivität belegen

kann, eingesetzt (SCHANDRY, 2011, S. 530). Das Verfahren ist allerdings teuer und auf-

wändig.

5.1.2 Magnetenzephalographie (MEG)

Pritzel, Brand und Markowitsch beschreiben, wie mit Hilfe der MEG herausgefunden wird,

an welcher Stelle im Gehirn eine Aktivität, die durch bestimmte Stimuli hervorgerufen

wurde, stattfindet (PRITZEL, BRAND, MARKOWITSCH, 2003, S. 116): Dies passiert

durch das Messen elektromagnetischer Felder an der Schädeldecke unter der Einwirkung

verschiedener Stimuli: Mittels Magnetfelddetektoren (Superconducting Quantum Interfe-

rence Device bzw. supraleitende Quanteninterferenzeinheiten) werden die durch elektrische

Ströme der Gehirnaktivität induzierten Magnetfelder gemessen. Dies muss in einem gut ab-

geschirmten Raum geschehen, da diese magnetischen Felder sehr schwach sind und gegen

Störungen abgeschirmt werden müssen

Die MEG wird laut Kenning, Plassmann und Ahlert vor allem zur Untersuchung von Kauf-

entscheidungsprozessen eingesetzt (KENNING, PLASSMANN, AHLERT, 2007, S. 59).

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5 Die Neuromarketing-Forschung

36

Man kann z.B. den Zusammenhang der Bekanntheit einer Marke und der Zeit, die zur Ent-

scheidungsfindung aufgebracht wird, untersuchen.

Der Vorteil gegenüber der EEG ist nach Schandry, dass die aktivierten Hirnbereiche dreidi-

mensional lokalisiert werden können (SCHANDRY, 2011, S. 513). Es kann allerdings keine

konkrete, aktivierte Stelle abgebildet werden.

5.2 Die Messung von Stoffwechselvorgängen im Gehirn

5.2.1 Positronen-Emissions-Tomographie (PET)

Bei der PET wird dem Versuchsteilnehmer intravenös oder über die Atemwege ein Radio-

pharmakon, ein schwach radioaktives Kontrastmittel, verabreicht. Dieses wird über den

Blutstrom ins Gehirn geleitet, wo es besonders aktive Gehirnregionen so anreichert, dass

man diese an einem Computer räumlich darstellen kann, nachdem sie mittels PET-Scanner

erfasst wurden. (RAAB, UNGER, 2005, S. 252)

Durch die Darstellung der Verteilung des Mittels kann u.a. der Blutfluss und der Sauerstoff-

verbrauch verfolgt werden. Aktive Gehirnregionen haben einen höheren Sauerstoff- und

Glukoseverbrauch. Der Sauerstoff wird benötigt, um die Glukose, welche einen Energieträ-

ger darstellt, abzubauen. Das bedeutet, dass aktiven Gehirnregionen vor einer neuronalen

Aktivität Sauerstoff entzogen wird. Mittels der PET kann die gesteigerte Radioaktivität

durch einen erhöhten Sauerstoffverbrauch gemessen werden (STOLL, KENNING, AH-

LERT, 2008, S. 35). So wird deutlich, in welchen Regionen des Gehirns die neuronale Ak-

tivität nach Induzieren eines Reizes gesteigert wird.

Der Vorteil der Methode liegt in der Möglichkeit zur Lokalisierung von neuronaler Aktivität.

Durch die Verabreichung radioaktiver Mittel kann sie für den Versuchsteilnehmer jedoch

gesundheitsschädlich sein. Außerdem ist die Durchführung dieser PET sehr umständlich und

kostenintensiv. Es kann keine zeitliche Aktualität der Aufzeichnungen gewährleistet wer-

den. (RAAB, GERNSHEIMER, SCHINDLER, 2009, S. 22f.)

5.2.2 Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)

Bei der fMRT handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Magnetresonanztomographie

(MRT), bei der die Resonanz eines magnetischen Moments gemessen wird, wodurch

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5 Die Neuromarketing-Forschung

37

Querschnittsbilder der Gehirnstrukturen entstehen (SCHANDRY, 2011, S. 533). Dieses

magnetische Moment wird durch den Kernspin bzw. Eigendrehimpuls der Atome im Gehirn

erzeugt. Die Querschnittsbilder zeigen die Strukturen der Anatomie des Gehirns, die beim

Denken oder durch Emotionen entstehen.

Ergänzend dazu macht die fMRT auch funktionelle Stoffwechselvorgänge sichtbar. Es wird

gemessen, inwieweit sich die neuronale Aktivität verändert, wenn gewisse Reize auf den

Versuchsteilnehmer wirken (HÄUSEL, 2007, S. 211 ff.). Hierfür muss der Versuchsteilneh-

mer verschiedene Aufgaben lösen, die verschiedene Gehirnareale in unterschiedlicher Höhe

aktivieren. Ähnlich der PET werden Veränderungen des Sauerstoffgehaltes im Blut gemes-

sen. Dies wird als BOLD-Effekt (blood-oxygenation-level-dependent-effct) bezeichnet. Eine

starke Aktivität hat einen erhöhten Sauerstoffverbrauch zur Folge, was ein starkes Magnet-

feld entstehen lässt.

Die Methode ist sehr bewegungssensibel, weshalb der Versuchsteilnehmer 60-90 Minuten

in einem Hirnscanner ausharren muss, ohne sich bewegen zu dürfen. Bewegungen können

die Aktivitätsaufzeichnungen verfälschen oder nicht verwertbar machen. Der Vorteil dieses

Verfahrens ist jedoch, dass sowohl in zeitlicher als auch räumlicher Perspektive, bewusste

und unbewusste Aktivierungen verschiedener Hirnareale identifiziert werden können.

(RAAB, GERNSHEIMER, 2009, S. 185)

5.3 Marketingethische Reflexion

Durch die Reflexion der neurowissenschaftlichen Marktforschung aus ethischer Perspektive

wird erörtert, ob die Generierung von Kundennutzen im Vordergrund steht und/oder inwie-

weit die Ziele der Forschung rein kommerziell und unternehmenserfolgsbezogen sind. Im

Zuge dessen wird diskutiert, ob sich die Forschung in diesem Bereich negativ auf die Kon-

sumenten auswirken kann.

5.3.1 Reflexion möglicher Forschungsziele

Eines der Ziele der Marktforschung ist es, die Bedürfnisse der Menschen zu entschlüsseln.

Durch die Eingliederung von neurowissenschaftlicher Forschung soll diese Möglichkeit op-

timiert werden (vgl. Kapitel 3).

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5 Die Neuromarketing-Forschung

38

Im Zuge dessen wird als eines der Ziele von Neuromarketing z.B. von Vlåsceanu formuliert,

die Bedürfnisse der Konsumenten besser identifizieren zu können, da man durch neurowis-

senschaftliche Untersuchungen der Konsumentengehirne mehr über die Bedürfnisse der

Konsumenten herausfinden kann als durch die traditionelle Marktforschung

(VLÅSCEANU, 2014, S. 764 f.; vgl. Kapitel 4).

Es wird somit angenommen, dass die Konsumenten ihre Bedürfnisse nicht kennen bzw. sie

diese nicht formulieren können und die neurowissenschaftliche Marktforschung diese Wis-

senslücke schließen kann. Selbst wenn sich die Konsumenten ihren Bedürfnissen nicht voll-

ständig bewusst sind, heißt das jedoch nicht, dass sie deshalb unglücklicher, unbefriedigter

etc. sind. Wer ein Bedürfnis nicht wahrnimmt, nimmt gleichzeitig auch die fehlende Befrie-

digung dessen nicht wahr. Die Erkenntnis von unbewussten Bedürfnissen kann für Unter-

nehmen von größerem Wert sein, als für den Konsumenten selbst. Neurowissenschaftliche

Marktforschung stellt in diesem Fall die Basis dafür dar, ein Bewusstsein für Produkte zu

schaffen, deren Notwendigkeit dem Konsumenten bisher nicht bekannt war. Es wird also die

Identifikation von Bedürfnissen angestrebt, die für den Konsumenten bisher „irrelevant“

sind bzw. keinen Einfluss auf sein Verhalten und sein Wohl haben.

Die Identifikation dieser Bedürfnisse schließt vor allen Dingen die Wissenslücke bei den

Unternehmen, da diese die neurowissenschaftliche Marktforschung in Auftrag geben (und

nicht die Konsumenten, um mehr über sich zu erfahren). Die Forschung bietet somit erstmal

für die Unternehmen einen Wert. Selbst, wenn die Forschungsergebnisse den Konsumenten

zugänglich gemacht werden, muss das nicht bedeuten, dass sie einen Nutzen daraus ziehen

können: Die Identifikation unbewusster Bedürfnisse kann insofern mit einer Generierung

von Bedürfnissen gleichgesetzt werden, da diese Bedürfnisse für den Konsumenten quasi

neu sind. Das Wissen kann eher eine Verschlechterung, als eine Verbesserung für das Wohl

der Konsumenten darstellen, da sie sich nun (noch) mehr Bedürfnissen bewusst sind, als

ohne die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse.

In diesem Kontext äußern sich Satel und Lilienfeld: „Aufgrund des kommerziellen Charak-

ters der Studien befürchten viele Menschen unethische Verwendung der erhobenen Daten

und sprechen sich für Regulation von Neuromarketing aus“ (SATEL, LILIENFELD, 2013,

S. 43). Es kann angezweifelt werden, ob die Unternehmen die Forschungsergebnisse und

Informationen bezüglich deren Verwendung überhaupt preisgeben, da sie für den

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5 Die Neuromarketing-Forschung

39

Forschungsaufwand bezahlt haben und die Ergebnisse als Basis zur Entwicklung entspre-

chender Marketingmethoden verwenden wollen. Gelangen die Ergebnisse an die Öffentlich-

keit und somit an andere Unternehmen, stellen sie keine individuelle Erfolgsvariable für das

beauftragende Unternehmen mehr dar, da sie nicht nur von diesem genutzt werden können.

Das Argument, dass für die Konsumenten durch neurowissenschaftliche Forschung ein

Mehrwert durch das Bewusstwerden bisher unbekannter Bedürfnisse entstehe, ist an dieser

Stelle widerlegt und die neurowissenschaftliche Marktforschung in diesem Kontext als

ethisch problematisch einzuordnen.

Da die Forschung nicht zu rein wissenschaftlichen Zwecken betrieben wird, sondern von

marktwirtschaftlichen Akteuren in Auftrag gegeben wird, kann vermutet werden, dass auch

die Ziele kommerzieller, also gewinnbezogener, Natur sind. Es kann also die Erhöhung des

Unternehmenserfolgs, anstatt die Erhöhung des Kundennutzens im Vordergrund stehen. So-

mit dient das Argument einer optimierten Bedürfnisbefriedigung mehr der Legitimation neu-

rowissenschaftlicher Marktforschung, als der Begründung dieser.

Dem ist jedoch hinzuzufügen, dass es sich bisher lediglich um ein Versprechen der Neuro-

marketingentwickler handelt, dass Neuromarketing eine Wissenslücke schließen kann, die

traditionelle Marktforschung nicht beseitigen könne. Der Marketingbereich stand schon vor

Auftreten des Neuromarketings in der Kritik, das Ziel der Generierung von Bedürfnissen zu

verfolgen. Da es keine Beispiele für die Generierung von Bedürfnissen speziell durch Neu-

romarketing gibt, ist fraglich, ob dieses dazu überhaupt bessere Möglichkeiten bietet, als

traditionelle Marktforschung ohne Einbezug der Neurowissenschaft. Somit ist anzuzweifeln,

ob Forschung im Neuromarketingbereich in dem gleichen Maße ethisch problematisch bzw.

problematischer ist, als traditionelle Marktforschung.

Laut Wählert ist es Ziel der neurowissenschaftlichen Marktforschung, Instrumente bzw.

Strategien für die Neuromarketingpraxis zu entwickeln, mit denen das Konsumverhalten der

Gesellschaft beeinflusst werden soll (WÄHLERT, 2008, S. 10). Diese Beeinflussung kann

in zwei Richtungen gehen:

Zum einen sollen neben der Identifikation unbewusster Bedürfnisse auch besonders wirk-

same bzw. verkaufsfördernde Reize ermittelt werden: Neurowissenschaftliche

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5 Die Neuromarketing-Forschung

40

Marktforschung wird laut Häusel mit dem Ziel verfolgt, die Basis zur Entwicklung von Mar-

ketingmethoden effizienter zu gestalten (HÄUSEL, 2012). In diesem Fall wird angestrebt,

den „Kauf-Knopf“ der Konsumenten zu entschlüsseln. Es wird somit nicht erzielt, die Be-

dürfnisse der Konsumenten zu entschlüsseln, um ihren Nutzen durch die Erhöhung ihrer

Zufriedenheit zu steigern. Ziel der Forschung ist es in diesem Fall, Unternehmen eine bes-

sere Basis zur Entwicklung von Marketingmethoden zu liefern, als es durch die traditionelle

Marktforschung möglich ist: Durch die Entschlüsselung des „Kauf-Knopfs“ wissen die Mar-

ketingtreibenden welche Reize gesendet werden müssten, um eine gewünschte Kaufent-

scheidung zu beeinflussen. Es geht somit darum, den Nutzen der Unternehmen in Form von

Gewinn zu maximieren. Eine Verbesserung des Wohls der Konsumenten könnte lediglich

ein Nebenprodukt sein, würde jedoch nicht unbedingt angestrebt werden.

Dass Neuromarketing-Forschung aber tatsächlich eine bessere Grundlage zur Gestaltung

von Marketingmethoden bildet, als es traditionelle Marktforschung kann, ist nicht nachge-

wiesen. Es werden mehr Informationen darüber geliefert, wie Reize im Gehirn verarbeitet

werden und wie Marketing auf die Prozesse im Gehirn wirkt. Allerdings gibt es keine Bei-

spiele dafür, wie und ob dieses Wissen dazu beiträgt, den „Kauf-Knopf“ zu entschlüsseln

und Marketing effektiver zu machen.

Dass Ziel, den „Kauf-Knopf“ der Konsumenten zu entschlüsseln und den Fokus auf den

Unternehmensgewinn, anstatt auf das Wohl der Konsumenten zu legen, ist aus ethischer

Perspektive als verwerflich einzustufen. Diese Kritik bezieht sich auf den gesamten Marke-

tingbereich. Da nicht nachgewiesen ist, ob und inwiefern Neuromarketing diese Möglichkeit

bietet, erhöht Neuromarketing diese Gefahr bisher nicht.

Zum anderen muss neurowissenschaftliche Marktforschung nicht mit den Interessen von

Konsumenten inkompatibel sein. Mit dem Finden des „Kauf“-Knopfs kann laut Farah auch

das Ziel verfolgt werden, die Entstehung von schädlichem Konsum, wie z.B. von Alkohol

oder Zigaretten, zu entschlüsseln. Somit soll in diesem Fall ermittelt werden, wie man auf

die Emotionen der Konsumenten einwirken kann, um diesen Konsum zu reduzieren (FA-

RAH, 2014). Das kann sich für das Wohl der Gesellschaft zwar insgesamt positiv auswirken,

ist ethisch aber dennoch als problematisch zu bewerten, da die Bedürfnisse bzw. das Verhal-

ten des Einzelnen „von Innen“ beleuchtet werden sollen, um Beeinflussungsmöglichkeiten

zu entschlüsseln.

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5 Die Neuromarketing-Forschung

41

Dieses Motiv ist unabhängig von der ethischen Bewertung in zweierlei Hinsicht fragwürdig:

Zum einen strebt Marketing die Vermarktung von Gütern und somit die Generierung von

Umsatz an. Durch eine Reduktion von Konsum würde genau dagegen vorgegangen werden,

was für die Konsumenten und aus ethischer Perspektive zwar positiv wäre, aber die Errei-

chung des Ziels der Unternehmen behindern würde und somit unrealistisch ist. Zum anderen

werden Suchtverhalten und Suchtanfälligkeit im medizinischen Bereich schon früher mittels

Hirnforschung untersucht. Eine Untersuchung im Marketingbereich würde somit zu keinen

neuen Erkenntnissen führen und wäre dementsprechend überflüssig. Das Versprechen,

schädlichen Konsum reduzieren zu wollen, ist somit hinfällig. Zudem gibt es bisher (wie

gesagt) keine Beispiele dafür, dass eine Beeinflussung des Verhaltens und der Bedürfnisse

durch Neuromarketing-Forschung möglich wird.

Ziel kann es laut Vlåsceanu sein, die wirksamen Reize zu ermitteln, um die unwirksamen

Reize aus der Werbung zu eliminieren. Die Forschung stellt in diesem Fall eine Basis zur

Reduktion der Informationsflut auf den Konsumenten dar. Das Angebot kann so besser auf

seine Bedürfnisse ausgerichtet sein. (VLÅSCEANU, 2014). Dieses Ziel ist ethisch zwar le-

gitim, aus ökonomischer Sicht jedoch zweifelhaft, da es keine positiven Auswirkungen auf

den Unternehmenserfolg hätte. Da es sich bei den Auftraggebern von neurowissenschaftli-

cher Marktforschung um wirtschaftliche Akteure handelt, ist nicht davon auszugehen, dass

die Ziele auf das Wohl der Konsumenten ausgerichtet sind, sondern eher auf eine Erhöhung

des Unternehmenserfolgs, weshalb dieses Argument widerlegt werden kann.

Die Eingliederung neurowissenschaftlicher Forschung ins Marketing kann zudem als Legi-

timation der Wirksamkeit von Neuromarketing dienen. Der neurowissenschaftliche Hinter-

grund kann den Eindruck vermitteln, dass die entsprechende Marktforschung eine bessere

Basis zur Entwicklung von Marketingmethoden darstellt, als es bei der traditionellen Markt-

forschung der Fall ist. Dies ist bisher jedoch nicht nachgewiesen. Die neurowissenschaftli-

che Marktforschung kann somit selbst ein Marketingwerkzeug zum Vertrieb von Neuromar-

ketingmethoden wie Limbic® (s. Kapitel 6.1.1) oder Brand Code Managementä (s. Kapitel

6.1.2) sein.

Ziel von wissenschaftlichen Untersuchungen sollte die Verbesserung der Gesundheit und

des Lebens sein und nicht eine Steigerung der Kosteneffizienz von Marketingmaßnahmen

durch die Entdeckung von Möglichkeiten zur Beeinflussung von Entscheidungen und

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5 Die Neuromarketing-Forschung

42

Verhalten. Da die Ziele überwiegend gewinnbezogen zu sein scheinen, können sie somit

ethisch problematisch sein, falls keine Rücksicht auf das Wohl der Konsumenten genommen

wird.

5.3.2 Reflexion des Einflusses auf die Konsumentensouveränität und das Wohl der Konsumenten

Als Konsumentensouveränität definiert Kerber die Fähigkeit der Konsumenten, frei am

Markt zu wählen und durch ihr Nachfrageverhalten Kontrolle über die knappen Produkti-

onsmittel bzw. das Angebot auszuüben: „Allein die Präferenzen der Konsumenten sollen

darüber entscheiden, welche Güter und Dienstleistungen in welchen Mengen hergestellt wer-

den“ (KERBER, 2004, S. 274 ff.). Der Markt kann als eine „Veranstaltung zum Wohl der

Allgemeinheit, der Konsumenten“ angesehen werden (HOMANN, BLOME-DRESS, 1992).

Unternehmen bzw. Produzenten sollen erkennen und bereitstellen, was die Konsumenten

wollen, um zum Allgemeinwohl beizutragen. Die Güterproduktion stellt hier eine Funktion

des Konsums dar.

Neurowissenschaftliche Marktforschung liefert einen positiven Beitrag zur Konsumenten-

souveränität, wenn die Forschungsergebnisse dazu genutzt werden, die Präferenzen der Kon-

sumenten besser zu entschlüsseln, um das Angebot besser auf sie bzw. ihre Bedürfnisse ab-

zustimmen. Die Konsumenten nehmen so zwar nicht über ihr Nachfrageverhalten direkten

Einfluss auf das Angebot, jedoch sind ihre Präferenzen in diesem Fall der lenkende Faktor,

da die Produzenten ihre Handlungen an den aus der neurowissenschaftlichen Marktfor-

schung entschlüsselten Bedürfnissen ausrichten.

Fraglich ist, ob durch Neuromarketing nicht eher darauf abgezielt wird, die Souveränität der

Konsumenten zu schwächen bzw. die Souveränität der Produzenten zu stärken. Es geht bei

der Forschung in diesem Fall nicht um die Schaffung von Kundennutzen durch die optimale

Befriedigung von Bedürfnissen, sondern mehr um die Offenlegung des „Kauf-Knopfes“, um

den Konsum durch Werbemaßnahmen gezielt zu beeinflussen. Die Souveränität wird den

Konsumenten somit genommen und den Produzenten zuteil, da diese das Marktgeschehen

beeinflussen. Da es im Kontext von Neuromarketing besonders um unbewusste Bedürfnis-

und Entscheidungsstrukturen geht, kann für Unternehmen die Möglichkeit bestehen, den

Handlungsspielraum der Konsumenten einzuschränken, ohne dass diese es merken. Neuro-

wissenschaftliche Forschung kann zudem das Ziel haben, die erfolgsbezogene Unsicherheit

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5 Die Neuromarketing-Forschung

43

von Marketingmethoden zu verringern, da die Bedürfnisse und die Reaktionen der Konsu-

menten besser prognostiziert werden können.

Die Verfolgung des Ziels der Einschränkung der Autonomie der Konsumenten ist in jedem

Fall ethisch problematisch. Es ist jedoch auch an dieser Stelle fraglich, ob neurowissen-

schaftliche Forschung tatsächlich zur Einschränkung der Konsumentensouveränität durch

die Offenlegung des „Kauf-Knopfes“, also der Generierung „gläserner“ Konsumenten und

einer Einschränkung ihrer Autonomie und persönlichen Rechte, führen kann, oder ob dieses

Versprechen nicht eine bloße Legitimation der kommerziellen Forschung zur Vermarktung

von Neuromarketing ist. Die von den Neuromarketingentwicklern propagierten Ziele sind

im Grunde die gleichen Ziele, die der (traditionelle) Marketingbereich verfolgt. Durch den

Einbezug der Neurowissenschaft wird das Bild einer wissenschaftlichen Marktforschung

vermittelt, die dadurch effektiver als die traditionelle Marktforschung wirkt. Die Untersu-

chung von Emotionen und kognitiven Prozessen mit neurowissenschaftlichen Methoden

wird als Qualitätsmerkmal dieser Forschung dargestellt. Möglicherweise handelt es sich

hierbei jedoch selbst um Marketing (also Vermarktung von Neuromarketing), da es keine

Beispiele für die verbesserte Wirksamkeit durch Einsatz neurowissenschaftlicher Forschung

im Marketingbereich gibt. Emotionen und Bedürfnisse spielen im Marketing schon lange

eine Rolle - nicht erst in Zusammenhang mit dem Begriff des Neuromarketings.

5.3.2.1 Die Generierung „gläserner“ Konsumenten

Nach Morin kann Neuroimaging bedeutende Erkenntnisse darüber liefern, was in den Ge-

hirnen der Konsumenten abläuft (MORIN, 2011, S. 132). Neuromarketing bietet somit die

Möglichkeit für Unternehmen, die Konsumenten durchschaubar zu machen, was oft mit dem

Bild des „gläsernen Konsumenten“ beschrieben wird.

Im Fokus neurowissenschaftlicher Untersuchungen steht laut Ulman, Cakar und Yildiz nicht

das sichtbare und beschreibbare Verhalten der Konsumenten, sondern vor allem die Ent-

schlüsselung ihrer kognitiven Prozesse und Emotionen (ULMAN, CAKAR, YILDIZ, 2015,

S. 1273 f.). Neurowissenschaftliche Untersuchungen nehmen direkten Bezug auf die Psyche,

das Unterbewusstsein und die Emotionen der Menschen. Sie setzen folglich an seinem un-

mittelbaren persönlichen Lebensbereich an: Die Forschenden wollen Einblicke in das In-

nerste der Konsumenten erhalten und mehr über sie erfahren, als diese selbst kommunizieren

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5 Die Neuromarketing-Forschung

44

können bzw. mehr als das, was ihnen bewusst ist. In diesem Fall können die Unternehmen

sozusagen über einen Teil der Konsumentengehirne verfügen.

Sollen die Forschungsergebnisse dazu genutzt werden, den Gewinn eines Unternehmens zu

erhöhen, werden die Erkenntnisse über die kognitiven Strukturen einer Person, also über ihr

Inneres, zu einer erfolgsrelevanten Größe, die die Marketingtreibenden von den Neurowis-

senschaftlern erwerben. Es handelt sich in dem Fall sozusagen um einen Handel mit neuro-

nalen Erkenntnissen, deren Besitz den Gewinn eines Unternehmens positiv beeinflussen

soll. Da es sich um Informationen über den direkten persönlichen Lebensbereich einer Per-

son handelt, können ihre Persönlichkeitsrechte auf diese Weise eingeschränkt werden, was

ethisch problematisch ist. Bei einer Verletzung der Rechte anderer sollte die Wettbewerbs-

freiheit zu Gunsten des Gemeinwohls eingeschränkt werden. Somit ist in diesem Fall auch

die neurowissenschaftliche Marktforschung einzuschränken.

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse beschreiben also das Innere eines Menschen - sie ma-

chen die in ihm ablaufenden Prozesse sichtbar und ihn dahingehend „gläsern“. Ob diese

Erkenntnisse den Marketingbereich diesbezüglich effektiver machen, als traditionelle

Marktforschung, ist bisher nicht bewiesen. Zwar kann z.B. die Wirkungsweise eines Reizes

besser nachvollzogen werden, allerdings gibt es kein Beispiel dafür, dass alle Bedürfnisse

und Emotionen eines Menschen auf diese Weise offengelegt und beeinflussbar gemacht wer-

den können und sein Entscheidungsverhalten somit gläsern wird.

5.3.2.2 Der Einfluss auf den freien Willen und die Würde des Menschen

Die Würde des Menschen steht im Grundgesetz an erster Stelle und ist das höchste Recht,

auf das sich ein Mensch berufen kann (Art. 1 Abs.1 GG). Einem Individuum wird die Men-

schenwürde allein durch seine Existenz zu eigen: Sie ist unabhängig vom Geschlecht, Alter,

der Herkunft und dem geistigen Zustand gegeben. Somit kann sie dem Menschen nicht ge-

nommen werden und unterliegt einer Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG). Die Würde des

Menschen kann jedoch durch Nichtachtung verletzt werden, weshalb es wichtig ist, diese zu

schützen und Nichtachtung zu unterbinden. Die Wahrung des Achtungsanspruches und der

Schutz der Menschenwürde gilt sowohl für den Staat als auch für jeden Menschen.

Die Präambel der Grundrechtcharta der Europäischen Union beruft sich ebenfalls auf die

Menschenwürde. Sie bezeichnet sie zusammen mit der Freiheit, Gleichheit und der

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5 Die Neuromarketing-Forschung

45

Solidarität als einen unteilbaren und universellen Wert (CHARTA DER GRUNDG-

RECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION, 2012/C 326/02). Somit gilt die Menschenwürde

in sämtlichen Lebensbereichen einer Person.

Aus dem Grundrecht der Menschenwürde lassen sich die Menschenrechte ableiten. Im Kon-

text des Neuromarketings sind aus ethischer Perspektive, z.B. laut Nordensfeldt, v.a. die

Wirkungen auf das Recht auf Freiheit, auf die Freiheit vor willkürlichen Eingriffen in die

Privatsphäre und auf das Recht auf Selbstbestimmung zu beachten. Diese Freiheitsrechte

beziehen sich sowohl auf den Körper als auch den Geist der Menschen ULMAN, CAKAR,

YILDIZ, 2015, S. 1275). Im Neuromarketing sollten diese Rechte ebenso gelten, wie bei

allen anderen den Menschen betreffenden Handlungen, Methoden, etc. Besonders deshalb,

weil es bei neurowissenschaftlicher Forschung um den engsten, persönlichen Lebensbereich

einer Person geht, muss die Integrität von Moral und die Wahrung der Freiheitsrechte und

der Menschenwürde gewährleistet werden.

Laut Ulman, Cakar und Yildiz führt neurowissenschaftliche Marktforschung zu Entpersona-

lisierung und Stigmatisierung, da der Mensch während der Untersuchung als Objekt bzw.

als eine Variable des Konsums betrachtet wird (ULMAN, CAKAR, YILDIZ, 2015, S. 1274

f.). Obwohl es um die Untersuchung seiner Emotionen und Bedürfnisse geht, steht nicht sein

Wohl, sondern seine Funktion als gewinnbringendes Objekt im Fokus. Dieser „Wissenshan-

del“ kann sich auch insofern negativ auf die Konsumentensouveränität auswirken, als die

Unternehmen mehr über die Konsumenten wissen als diese selbst - sie sind somit zwar für

die Unternehmen „gläsern“, erfahren selbst jedoch keinen Wissenszuwachs bzw. Mehrwert

aus den Untersuchungen. Diese selbstfinanzierten Wissensvorsprünge können den Unter-

nehmen dazu verhelfen, die Souveränität der Konsumenten einzuschränken und ihr Verhal-

ten zu lenken, ohne dass diese eine Chance haben, sich dagegen zu wehren.

Es ist allerdings fraglich, welche Auswirkungen die Erzielung der Erkenntnisse auf die ein-

zelne Person haben können. Zwar können Erkenntnisse über die kognitiven Strukturen ein-

zelner Personen erzielt werden, jedoch bietet neurowissenschaftliche Forschung momentan

noch keine Möglichkeit der Bildung einer umfassenderen Basis zur Entwicklung personali-

sierter Werbung, als es gängige Methoden (z.B. personalisiertes Online-Marketing durch

Analyse der Suchverläufe etc.) tun. Es kann sich also (noch) um leere Versprechen handeln,

den Gewinn eines Unternehmens durch neurowissenschaftliche Forschung steigern zu

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5 Die Neuromarketing-Forschung

46

können. Das Ziel, der Generierung „gläserner“ Konsumenten und Eingriffe in ihr Inneres -

fern von medizinischen Zwecken - zur Einschränkung ihrer Souveränität ist allerdings un-

abhängig von der Möglichkeit zur Umsetzung ethisch problematisch.

Besonders dann, wenn die Erforschung des Gehirns, der Lebensgewohnheiten und des Ver-

haltens mit dem Ziel stattfindet, die Gewinne eines Unternehmens zu erhöhen, kann es laut

Wähnert dazu kommen, dass die Probanden nicht als Personen, sondern als berechenbare

(Konsum-) Größen betrachtet werden, die es zu verstehen und zu überwältigen bzw. zu be-

einflussen gilt (WÄHNERT, 2008, S. 7). Es stehen somit nicht ihre persönlichen Bedürf-

nisse, sondern ihre Funktion als Konsument im Fokus. Laut Henning bedeutet das, dass die

Menschen nicht als Bürger, sondern als Variablen des Konsums behandelt und somit entper-

sonalisiert werden würden (HENNING, 2007, S. 115 ff.). Ziel der Forschung ist es, mehr zu

verkaufen, indem persönliche Vorlieben durch Gehirn-Scans ermittelt werden (BELDEN,

2013, S. 150). In diesem Fall sind nicht die Bedürfnisse, Rechte und das Wohl des Menschen

bei neurowissenschaftlicher Forschung von Bedeutung, sondern allein Kenntnisse zur Ent-

schlüsselung ihres Konsumverhaltens. Das bedeutet gleichzeitig, dass es um die Erzielung

von Erkenntnissen zur Einschränkung bzw. Lenkung des freien Willens und der Autonomie

einer Person geht, was eine Verletzung der Menschenwürde zur Folge hat.

Laut Ulmann, Cakar und Yildiz kann Neuromarketing die Persönlichkeitsrechte einer Person

auch insofern einschränken, als die Forschenden durch eine Entschlüsselung der inneren

Entscheidungssysteme und emotionalen Strukturen einer Person mehr über eine Person her-

ausfinden, als diese selbst über sich weiß (ULMANN, CAKAR, YILDIZ, 2015, S. 1277).

Das bedeutet, dass Neuromarketing die Privatsphäre einer Person missachten kann. Die Un-

tersuchten haben somit keinen Einfluss darauf, was sie über sich preisgeben, da sie selbst

nicht wissen, was in ihrem Unterbewusstsein abläuft. Shanton, Sinnott-Armstrong und Huet-

tel argumentieren zwar so, dass niemand ohne Einwilligung an diesen Untersuchungen teil-

nimmt und der freie Wille somit während der Untersuchung nicht eingeschränkt wird

(SHANTON, SINNOTT-ARMSTRONG, HUETTEL, 2016, S. 4 ff.). Dies trifft allerdings

nur zu, wenn die Probanden vollkommen über die Ziele und möglichen Ergebnisse der For-

schung aufgeklärt sind. Es ist allerdings fraglich, ob sie trotz umfangreicher Informationen

in der Lage sind, diese richtig zu verstehen. Solange nicht gewährleistet ist, dass die Ver-

suchsteilnehmer die Ziele und Tragweite der Forschung und ihre Ergebnisse verstehen,

könnte die Forschung als ethisch nicht legitim angesehen werden, da die Unwissenheit der

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5 Die Neuromarketing-Forschung

47

Teilnehmer ausgenutzt werden könnte. Ihr Wille würde somit nicht direkt eingeschränkt

werden, jedoch hätten die Konsumenten auch gar keine Chance, zu erkennen, ob ihre Ein-

stellung und ihre Vorstellungen mit der Untersuchung konform sind.

Laut Ulman, Cakar und Yildiz sollte die Würde des Menschen und die Wahrung seines freien

Willens als fundamentale Richtlinie für wissenschaftliche Forschung bezüglich des mensch-

lichen Körpers und der Psyche gelten (ULMANN, CAKAR, YILDIZ, 2015, S. 1275). Selbst

dann, wenn die Forschung an sich als ethisch legitim eingestuft wird, da die Probanden frei-

willig an den Untersuchungen teilnehmen, können die Ziele der Forschung ethisch proble-

matisch sein. Das Wohl einer Person kann durch die Ausrichtung der Forschung am Gewinn

eines Unternehmens in den Hintergrund geraten.

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6 Die Neuromarketing-Methoden

48

6 Die Neuromarketing-Methoden

Aufbauend auf den Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Marktforschung werden

Marketinginstrumente entwickelt, mit denen die Anwendung des Marketings optimiert wer-

den kann: Die Bedürfnisse der Konsumenten sollen besser entschlüsselt werden können, um

die Werbung so wirksamer zu gestalten. Außerdem kann die Möglichkeit bestehen, gezielt

Einfluss auf das Konsumverhalten der Konsumenten zu nehmen.

6.1 Ausgewählte Instrumente zur Anwendung von Neuromarke-ting

Die momentan fortschrittlichsten Modelle zur Anwendung von Neuromarketing sind das

Limbic® - System von Häusel und das Brand-Code-Managementä von Schleier und Held.

Diese Modelle integrieren die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse der Marktforschung ins

Marketing und unterstützen diesen Bereich vor allem bezüglich der Zielgruppensegmentie-

rung und der Bindung der Konsumenten an Marken. In beiden Modellen spielen das neuro-

nale Emotionssystem und die Wahrnehmung und Reizempfänglichkeit der Konsumenten

eine bedeutende Rolle.

6.1.1 Limbic®

Das Limbic® - System wurde von dem deutschen Diplom-Psychologen Hans-Georg-Häusel

in Zusammenarbeit mit der Gruppe Nymphenburg Consult AG entwickelt, in der er dem

Vorstand angehört. Das System soll Marketingmanagern dabei helfen, Kaufentscheidungen

besser zu verstehen und das Marketing auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Konsumenten

auszurichten bzw. diese langfristig als Kunden zu gewinnen.

Aufbauend auf den emotionalen Strukturen der Gehirne der Konsumenten lassen sich, wie

es von Häusel beschrieben wird, verschiedene Konsumententypen auf einer Karte zu Grup-

pen segmentieren. So können Empfehlungen zur emotionalen Ansprache der verschiedenen

Typen ausgesprochen werden. Das Limbic® - System soll es möglich machen, unterbe-

wusste Kaufentscheidungen darzustellen und diese Erkenntnisse im Marketing umzusetzen.

In der sog. Limbic® Map lassen sich Emotionssysteme und ihre innere Dynamik darstellen.

In jedem Emotionssystem werden neurofunktionale Prozesse visualisiert. Die Prozesse sol-

len hierbei den Anspruch der Komplexität wahren, jedoch so einfach wie möglich dargestellt

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6 Die Neuromarketing-Methoden

49

werden, um sie für eine Übersetzung in die Praxis instrumentalisierbar zu machen. Es soll-

möglich sein, den kompletten Emotionsraum des Menschen übersichtlich abzubilden. In der

Karte sollen die Emotionen mit menschlichen Werten verknüpft werden. Werte sind hier als

Maßstäbe zur Bewertung von eigenem Verhalten und dem Verhalten anderer Menschen de-

finiert. Die Werte werden durch Expertenbefragungen und durch eine spontane Zuordnung

durch Versuchsteilnehmer verknüpft. Somit verbindet die Karte laut Häusel die unbewusste

Ebene der Emotionen mit der bewusst wahrgenommenen Ebene der Werte: Sowohl aus den

Emotionen und Bedürfnissen (vgl. Kapitel 2.1) als auch aus den Erwartungen (vgl. Kapitel

2.1) der Konsumenten wird eine Schnittstelle gebildet (HÄUSEL, 2014, S. 62 ff.). Limbic®

stellt also weniger eine Alternative als eine Ergänzung der traditionellen Zielgruppenseg-

mentierung um eine neurowissenschaftliche Komponente dar.

Fraglich ist, inwiefern dieses Modell tatsächlich mehr kann, als die traditionelle Zielgrup-

pensegmentierung. Es wird damit argumentiert, dass die Konsumenten (anders als beim tra-

ditionellen Marketing) aufbauend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der jeweiligen Ziel-

gruppe zugeordnet werden. Das sagt aus, dass diese Zuordnung treffsicherer ist, als die tra-

ditionelle Zielgruppensegmentierung, da sie wissenschaftlich bewiesen ist. Problematisch ist

an dieser Aussage jedoch, dass die Umsetzbarkeit in der Realität nicht gegeben ist: Zur voll-

kommenen Sicherheit bezüglich der Zuordnung der Konsumenten müsste man von jedem

einzelnen die Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Untersuchung besitzen. Dies ist inso-

fern unrealistisch, dass ein Unternehmen die Konsumenten dazu nicht zwingen kann und

somit nicht gewährleistet ist, dass es alle notwendigen neurowissenschaftlichen Daten bei

der Zielgruppensegmentierung vorliegen hat. Die Karte stellt somit eher eine Veranschauli-

chung dessen dar, wie sich verschiedene Emotionen im Gehirn darstellen, welche Reize dort

in welchem Umfang wirksam sind und welchem Konsumententyp das entspricht. Eine Er-

leichterung der Zuordnung, welcher Konsument welcher Zielgruppe entspricht, liegt in der

Praxis nicht vor.

Laut der Gruppe Nymphenburg ist die Karte kultur- und länderübergreifend stabil, was be-

deutet, dass bestimmte Werte unabhängig von der Kultur der Versuchspersonen an der glei-

chen Stelle auf der Karte zu finden sind (HÄUSEL, 2012, S. 58). Dies impliziert, dass diese

Werte auch kulturunabhängig an der gleichen Stelle im Gehirn wirken.

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6 Die Neuromarketing-Methoden

50

Aufbauend auf der neurowissenschaftlichen Untersuchung der Konsumenten dient die Lim-

bic® Map laut Häusel in der Praxis zum einen zur Markenpositionierung, dem Limbic®

Branding, und zum anderen zur Positionierung der emotionalen Bedeutung bestimmter

Reize, dem Limbic® Cue Management (HÄUSEL, 2012, S. 155 ff.).

Das bedeutet konkret, dass man sich von Limbic® verspricht, erkennbar zu machen, wie

man einen Reiz (z.B. eine Farbe) in einer Werbebotschaft positionieren muss, um eine Marke

so zu bewerben, dass der Reiz bei einem Konsumenten emotional so wirkt, dass er sich an

die Marke bindet bzw. ein Produkt kauft. Da fraglich ist, inwieweit eine Einteilung der Kon-

sumenten auf der Limbic® Map einen Vorteil gegenüber der traditionellen Zielgruppenseg-

mentierung darstellt, ist ebenso fraglich, ob die Markenpositionierung und Werbegestaltung

überhaupt von Limbic® profitiert. Möglicherweise ist auch durch die neurowissenschaftli-

che Komponente nicht mehr möglich als im traditionellen Marketing.

Die Persönlichkeit eines Konsumenten lässt sich laut Häusel anhand dessen ausdrücken, wie

die verschiedenen Emotionssysteme ausgeprägt sind (HÄUSEL, 2012, S. 113 ff). Die emo-

tionalen Strukturen eines Menschen sind zum Großteil angeboren, können jedoch auch durch

das Umfeld, Erziehung und Bildung geprägt werden. In Abhängigkeit der individuellen emo-

tionalen Ausprägungen ergibt sich bei einem Menschen jedem ein Emotionsschwerpunkt

(HÄUSEL, 2012, S. 113 ff.; SCHLEIER, HELD, 2012, S. 114 ff.). Dieser kann z.B. im

Balance-System liegen (vgl. Kapitel 4.2.4).

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6 Die Neuromarketing-Methoden

51

Abbildung 3: Limbic® Map

Die Limbic® Map besteht aus drei verschiedenen Systemen. Das Hauptsystem („Big 3“)

besteht aus dem Dominanz-, dem Balance- und dem Stimulanz-System. Auf dem äußeren

Rand befindet sich das Subsytem, welches aus Mischformen bzw. Kombinationen der „Big

3“ besteht: Abenteuer/ Thrill, Disziplin/ Kontrolle, Fantasie/ Genuss. Innerhalb der Systeme

sind die verschiedenen Werte bzw. Motive dargestellt. Die grau hinterlegten Kreise und El-

lipsen stellen Zusammenfassungen von Werten zu einer Wertgruppe dar.

Anhand dieses Schwerpunktes können sich verschiedene Konsumententypen identifizieren

lassen. Diese kann man als Subgruppen der drei Hauptemotionssysteme bezeichnen. Laut

Häusel erfolgt die Bestimmung verschiedener Konsumententypen anhand der Untersuchung

von neurofunktionalen Prozessen verschiedener Personen mittels fMRT s. Kapitel 5.5.2).

Insgesamt wurden bisher sieben verschiedene Typen von Konsumenten mittels ihrer Emoti-

onsschwerpunkte ermittelt:

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6 Die Neuromarketing-Methoden

52

Abbildung 4: Verteilung der Limbic® Typen in Deutschland15

• Traditionalisten streben nach Sicherheit und Tradition. Bei ihnen kann der Bereich

zwischen Balance- und Dominanz-System, also Disziplin- und Kontrollreize beson-

ders gut aktiviert werden.

• Harmoniser sind besonders für Harmonie und Fürsorge empfänglich. Der Schwer-

punkt der Reize liegt bei Balance, Bindung und Fürsorge.

• Genießer streben nach Offenheit und Genuss. Ihre Schwerpunkte liegen im Balance-

und Stimulanz-System.

• Hedonisten können vor allem durch Spaß und Kreativität erreicht werden. Ihr Emo-

tionsschwerpunkt liegt im Stimulanz-System.

• Abenteurer präferieren Abenteuer und Risiko, da ihre Schwerpunkte im Stimulanz-

und Dominanz-System liegen.

• Performer streben nach Erfolg und Status. Ihr Schwerpunkt ist im Dominanz-System

zu finden.

• Disziplinierte bevorzugen Disziplin und Kontrolle. Ihre Emotionen liegen schwer-

punktmäßig im Balance- und Dominanz-System.

15 Eigene Darstellung, aufbauend auf SCHEIER, 2012

Harmoniser32%

Genießer13%Hedonisten

11%Abenteurer

3%

Performer6%

Disziplinierte11%

Traditionalisten24%

Page 60: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

6 Die Neuromarketing-Methoden

53

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass es sich bei der Einteilung in diese Konsumententypen

um keine Erkenntnis von Limbic® oder des Neuromarketings handelt. Es wird so dargestellt,

als wäre erst durch neurowissenschaftliche Forschung möglich, Konsumenten verschiede-

nen Typen und somit Zielgruppen zuzuordnen. Durch Einbezug der Neurowissenschaft kann

die Möglichkeit bestehen, die Treffsicherheit der Zuordnung zu erhöhen. Es gibt bisher je-

doch keinen Vergleich, der beweist, dass mit Limbic® im Vergleich zu traditionellen Mar-

ketingmethoden eine genauere Zuordnung stattfindet.

Für Marketingmanager kann sich die Möglichkeit ergeben, die Zielgruppe neu zu definieren,

da man Konsumenten mit dem gleichen Typ zu einer Zielgruppe zusammenfassen kann bzw.

die Möglichkeit besteht, Konsumenten mit anderen Typen durch Konsumenten des Haupt-

zielgruppentyps zu ersetzen. Fraglich ist jedoch, ob diese angeblich neue Art der Zielgrup-

pensegmentierung überhaupt eine Veränderung für die bisherige Segmentierung der Konsu-

menten bedeuten würde. Es ist zudem nicht bewiesen, dass Marketing mit Limbic® wirksa-

mer wird bzw., dass mit einer Optimierung der traditionellen Marketingmethoden (Stichwort

Marketing 4.0) nicht ähnliche oder sogar bessere Ergebnisse ohne den Einbezug der Neuro-

wissenschaften möglich sind.

Es gilt laut Häusel auch zu beachten, dass es sich nur um eine vereinfachte Möglichkeit zur

neuronalen Segmentierung von Konsumententypen handelt (HÄUSEL, 2016, S. 53). S

6.1.2 Brand-Code-Managementä

Das Brand-Code-Managementä wurde von Scheier und Held entwickelt und stellt einen

Ansatz zur Markenführung dar. Ziel ist die Steuerung der impliziten Bedeutung von Marken,

um die Bindung der Konsumenten an eine Marke zu verstärken. Marken bzw. ihre Wirkung

werden in dynamische Neuronen-Gehirnnetzwerke eingeordnet. Das bedeutet, dass man z.B.

durch fMRT (s. Kapitel 5.5.2) abbilden kann, an welcher Stelle im Gehirn eine Marke eine

Wirkung auslöst. Das wird durch außerdem die Eingliederung der neurowissenschaftlichen

Erkenntnisse möglich, die bereits in Kapitel 2.4.1 und 2.4.2 näher erläutert worden sind.

Das Brand-Code-Managementä funktioniert laut Scheier und Held auf zwei Ebenen (SCH-

EIER, HELD, 2012, S. 42 ff.): Die erste Ebene stellt die Ebene der Motive dar. Sie setzt im

limbischen System, also an den emotionalen Strukturen des Gehirns, an. Diese Ebene ist

wichtig für die Differenzierung und Relevanz der Markenpositionierung. Die zweite Ebene

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6 Die Neuromarketing-Methoden

54

ist die Ebene der Markenkontaktpunkte. Diese Punkte können z.B. die Verpackung oder

Größe eines Produktes sein. Durch das Senden von Markensignalen (Codes) wird durch ihre

implizite Bedeutung eine Brücke zu den Motiven eines Konsumenten gebildet.

Dabei gibt es drei Anforderungen:

1. Durch die Markenkommunikation muss für den Konsumenten erkennbar werden,

welche Bedürfnisse mit einem bestimmten Produkt befriedigt werden können bzw.

welchen Nutzen er aus dem Konsum ziehen kann.

2. Die Positionierung über Codes dient als Brücke zwischen der Implementierung der

Positionierung und den Motiven der Konsumenten.

3. Mit impliziten Messverfahren soll kontrolliert werden, ob die Positionierung mit der

Implementierung übereinstimmt. (SCHEIER, HELD, 2012)

Die Methode von Scheier und Held setzt bei der Markenkommunikation an. Es wird davon

ausgegangen, dass ein Sender, z.B. ein Unternehmen, bestimmte Botschaften, z.B. bezüglich

bestimmter Produkteigenschaften, an einen Empfänger, den Konsumenten, sendet. Die Bot-

schaften werden über Codes, z.B. Farben oder Symbole, verschlüsselt, die der Konsument

entschlüsselt. Damit gewährleistet ist, dass die Codes genauso entschlüsselt werden, wie der

Werbesender es wünscht, ist es wichtig, zu ermitteln, wie bestimmte Codes im Gehirn des

Konsumenten wirken und wie die Konsumenten sie entschlüsseln (SCHEIER, HELD, 2012,

S. 42).

Diesbezüglich ist jedoch fraglich, ob die Hirnforschung diesen Beitrag überhaupt leisten

kann. Wie eingangs erwähnt kann durch neurowissenschaftliche Forschung ermittelt wer-

den, wo ein bestimmter Reiz wirkt bzw. welche Gehirnareale dabei aktiviert werden (vgl.

Kapitel 5.1 und 5.). Wie ein Mensch diesen Reiz entschlüsselt und welche Reaktion durch

diesen Reiz ausgelöst wird, kann nicht dargestellt werden. Man kann durch Hirnforschung

also nachweisen, ob ein Reiz ein Gehirnareal aktiviert, jedoch nicht, welche Codes man sen-

den muss, um eine bestimmte Reaktion hervorzurufen.

Es wird davon ausgegangen, dass im Gehirn bestimmte Produkteigenschaften, wie z.B. die

Farbe, eine mentale Ebene aktivieren. Die physischen Produkteigenschaften können also mit

Reizen gleichgesetzt werden. Der Konsum beruht also nicht allein auf den tatsächlichen Ei-

genschaften eines Produktes, sondern vielmehr auf der Vorstellung eines Zustandes, der

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6 Die Neuromarketing-Methoden

55

durch das Produkt erreicht werden kann. Laut Scheier und Held ist es mittels Brand-Code-

Managementä möglich, diese Vorstellung bei den Konsumenten, aufbauend auf der Kennt-

nis ihrer emotionalen Reizempfänglichkeit, hervorzurufen und so ihren Konsum zu lenken

(SCHEIER, HELD, BAYAS-LINKE, 2012, S. 18 und 91 ff.).

Hierbei handelt es sich allerdings um keine neue Annahme. Auch im traditionellen Marke-

ting wird davon ausgegangen, dass Reize bei den Konsumenten auf einer mentale Eben wir-

ken. Die Neurowissenschaft bestätigt diese Annahme, liefert diesbezüglich aber keine neue

Information. Es ist fraglich, ob es mittels Brand-Code-Managementä durch den Einbezug

der Neurowissenschaft wirklich möglich ist, den Konsum einer Person zu lenken. Durch die

Neurowissenschaft kann lediglich ermittelt werden, an welcher Stelle im Gehirn ein Reiz

wirkt, nicht aber, durch welchen Reiz man letztendlich welche Reaktion (also z.B. den Kon-

sum) hervorrufen kann. Das spricht dafür, dass es sich lediglich um ein Marketing-Verspre-

chen, den Konsum einer Person durch Brand-Code-Managementä lenken zu können.

Scheier und Held verstehen unter Codes sensorische Stichwörter, die das Erinnern bzw. das

Hervorrufen von Assoziationen stark fördern. Es sind Signale, die durch ihre kulturelle Auf-

ladung im Gehirn bekannte Bilder und Vertrauen konstruieren und so bestimmte Emotionen

hervorrufen. Diese Codes werden durch die Amygdala emotional eingefärbt und so bei Wie-

derauftreten eines Reizes reproduzierbar gemacht. Die Codes können explizit (in sprachli-

cher Form) oder implizit (z.B. in visueller Form) vorliegen und stimulieren eine lebendige

Erinnerung. Ihre Bedeutung kann auch durch kulturelles Lernen entstehen. (SCHEIER,

HELD, 2012, S. 63 ff.; RAAB, GERNSHEIMER, SCHINDLER, 2009, S. 235; ZALTMAN,

2003S. 177)

Diese Codes sollen den Marketingentwicklern dabei helfen, eine Verbindung zwischen ei-

nem Produkt und den Motiven der Konsumenten herzustellen (SCHEIER, HELD, 2012, S.

63). Diese Motive können z.B. Sicherheit, Autonomie oder Schönheit sein. Jeder dieser vier

„Zugänge zum Konsumentenhirn“ trägt für den jeweiligen Konsumenten eine unterschied-

liche Bedeutung. Die Bedeutungen variieren kulturell, was es möglich macht, die Konsu-

menten anhand der Bedeutungskraft des einzelnen Codes in verschiedene Gruppen einzutei-

len. Daraus ergeben sich verschiedene Zielgruppen, die jeweils für unterschiedliche Codes

zugänglicher sind. Es wird somit möglich, aufbauend auf den jeweiligen

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6 Die Neuromarketing-Methoden

56

Zielgruppenpräferenzen entsprechende Codes zu senden und so die Konsumentscheidung zu

beeinflussen. Produkte und Marken sollen mit impliziten Codes aufgeladen werden, um eine

gewünschte Botschaft zu transportieren. Das Produkt bzw. die Marke werden somit selbst

zu einem Code.

Konkret heißt das, dass Codes als Schlüssel zu den Emotionen angesehen werden, die be-

stimmte Gefühlszustände hervorrufen. Ein Produkt wird aufbauend auf den neurowissen-

schaftlich ermittelten Motiven der Konsumenten mit bestimmten Codes aufgeladen. Diese

Codes wecken im Gehirn Assoziationen, welche auf den Motiven der Konsumenten beru-

hen. Auf diese Weise entsteht eine emotionale Bindung zu dem Produkt, da es dem Konsu-

menten bekannt vorkommt, Vertrauen erzeugt und Belohnungsreize aktiviert. Diese Reize

werden dem Konsumenten durch physische Reaktionen bewusst und können ihn emotional

an das Produkt binden, ein Bedürfnis danach bewusst machen und die Kaufentscheidung

unterstützen.

Die Umsetzbarkeit dieses Vorgehens ist aber hinsichtlich dessen anzuzweifeln, dass durch

neurowissenschaftliche Forschung nicht herausgefunden werden kann, wie Codes zielge-

richtet gesendet werden können. Das bedeutet, dass anhand des Verfahrens lediglich getestet

werden kann, ob ein bestimmter Code bei einem Konsumenten eine neuronale Aktivierung

auslöst. Dazu müssen die zu sendenden Codes jedoch im Voraus bestimmt werden. Die Ver-

bindung vom Produkt und den beschriebenen Motiven (die keine Erkenntnisse von Brand-

Code-Managementä / Neuromarketing, sondern von traditioneller Marktforschung sind)

kann also nicht - wie versprochen - hergestellt, sondern durch neurowissenschaftliche Tests

lediglich überprüft werden. Fraglich ist, ob die Neurowissenschaft dazu überhaupt nötig ist.

Durch die statistische Auswertung von z.B. Online-Käufen ist es möglich, herauszufinden,

welche Produkte und Marken von welcher Konsumentengruppe am meisten gekauft wird

und welche Gestaltung der Werbung den Konsum fördert. Die aufwändigen und teuren Me-

thoden der Neurowissenschaft sind dafür somit nicht nötig. Brand-Code-Managementä

stellt diesbezüglich keinen Vorteil gegenüber traditionellen Marketingmethoden dar.

Laut Scheier und Held überträgt die Methode des Brand-Code-Managementsä die Theorie

des Neuromarketings in die Marketingpraxis. Insgesamt besteht der Prozess aus drei Schrit-

ten, die als „Audits“ bezeichnet werden (SCHEIER, HELD, 2012, S. 178 - 190 ff.). In jedem

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6 Die Neuromarketing-Methoden

57

Audit wird eine bestimmte Marketingkomponente aus neurowissenschaftlicher Perspektive

analysiert. Durch das gezielte In-Verbindung-Setzen neurowissenschaftlicher Erkenntnisse

und traditionellen Marketingmethoden können die traditionellen Methoden entsprechend

(z.B. um emotional wirksamere Techniken) erweitert und optimiert werden. Die Audits kön-

nen auch unabhängig voneinander durchgeführt werden:

• Produkt-Audit: Dieser Schritt besteht aus einer Analyse der neuronalen Konsumen-

tenmotive, des Produktes bzw. der Produkte eines Unternehmens und des Wettbe-

werbs. Die Konsumentenmotive werden durch fMRT-Tests und Befragungen ermit-

telt. Anhand einer Marktanalyse wird untersucht, welche Produkte von welcher Kon-

sumentengruppe gekauft werden und welche Produkte anderer Unternehmen eine

Konkurrenz darstellen. Die Analyse bezieht sich allein auf das Produkt. Ergebnis soll

die Definition der mit einem Produkt verbundenen Motive, die Kenntnis über die

Motive der Wettbewerbsprodukte und die Bestimmung der Anschlussfähigkeit des

Produktes zu diesen Motiven sein.

• Marken-Audit: Die in diesem Schritt vorgenommenen Analysen beziehen sich auf

eine Marke eines Unternehmens. Sie umfassen eine neuronale Motivanalyse und eine

Codeanalyse, welche als Ergebnis ein Motivprofil der Marke und die Möglichkeit,

durch Codes gezielte Kontraste zu setzen, bieten soll. Darauf aufbauend sollen Mo-

tive differenziert und mit Kontrastpunkten versehen werden.

• Wettbewerbs-Audit: Hier geht es darum, die Codes der Wettbewerber zu identifizie-

ren und aufbauend darauf an ihren Schwächen anzusetzen, um Lücken auf dem

Markt zu schließen bzw. für sich zu nutzen.

Das Brand-Code-Managementä bietet somit die Möglichkeit, Codes zu entwickeln, mit

denen noch kein Konkurrenzunternehmen seine Marken oder Produkte aufgeladen hat. Man

kann die Konsumenten auf einer neuen Ebene - gezielt emotional - ansprechen und für die

eigenen Marken bzw. Produkte implizit empfänglich machen. Die Bedeutung von und Bin-

dung an Marken kann also implizit gesteuert werden.

Auch hier ist die Wirksamkeit von Brand-Code-Managementä anzuzweifeln. Die beschrie-

benen Audits scheinen im Vergleich zu traditioneller Marktforschung keine neuen Erkennt-

nisse zu liefern, da der Einbezug der Neurowissenschaft nur dazu genutzt werden kann, zu

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6 Die Neuromarketing-Methoden

58

bestätigen, ob ein Code eine neuronale Aktivierung auslöst. Welche Motive ein Konsument

verfolgt, welche Motive die eigenen Marken und die der Konkurrenz ansprechen, kann nur

durch klassische Marktforschung herausgefunden werden. Vor allem Marken- und Wettbe-

werbsaudit stellen diesbezüglich keine Innovation dar. Zudem ist genau wie bei Limbic®

fraglich, wie eine umfassende Untersuchung der Kunden eines Unternehmens mit neurowis-

senschaftlichen Methoden aussehen soll. Möglicherweise wird die Verbindung der Neuro-

wissenschaft mit Marketing im Brand-Code-Managementä lediglich als Merkmal zur Ver-

marktung dieser Methode genutzt.

6.2 Marketingethische Reflexion

Laut der Wirtschaftstheorie zählt es zu den Aufgaben der Marktakteure, Informationen be-

reitzustellen und die Konsumenten so in ihrer rationalen Entscheidungsfindung bezüglich

des Konsums verschiedener Güter zu unterstützen. Das kann im Marketing u.a. durch Wer-

bung, Marken, Produktverpackung und -präsentation, den Preis und Produktdifferenzierung

geschehen (vgl. Kapitel 2.2). So sollen die Konsumenten in ihrer Souveränität bestärkt wer-

den, da sie Kaufentscheidungen besser treffen und somit den Markt bewusster lenken kön-

nen. Besonders Werbung in Form von TV- oder Radio-Spots, Plakaten etc. ist omnipräsent.

Sie leistet somit einen signifikanten Beitrag dazu, wie das moderne Leben wahrgenommen

wird.

Da Neuromarketing jedoch gezielt am Unterbewusstsein und irrationalen Entscheidungssi-

tuationen ansetzt, ist fraglich, ob die Bereitstellung von Informationen und Aufklärung von

Konsumenten tatsächlich ein Ziel von den Neuromarketingmethoden ist. Eine Reflexion der

mit Neuromarketing verbundenen Ziele ist somit aus ethischer Perspektive relevant.

Darüber hinaus ist fraglich, ob und inwieweit diese Ziele überhaupt umsetzbar sind und ei-

nen Vorteil gegenüber dem traditionellen Marketing bieten. Die Verfechter von Neuromar-

keting, wie z.B. Häusel oder Scheier und Held, versprechen, dass man durch die Eingliede-

rung der Neurowissenschaft in den Marketingbereich die Vermarktung von Produkten effi-

zienter gestalten und den „Kauf-Knopf“ der Konsumenten finden und betätigen kann. Dies

soll sich durch die Möglichkeit genauerer Zielgruppensegmentierung und einer zielgerich-

teten Lenkung des Konsums positiver auf den Unternehmensgewinn auswirken als die tra-

ditionellen Marketingmethoden. Bei den mit Neuromarketingtools verbundenen Verspre-

chen kann es sich aber auch selbst um Marketingwerkzeuge zur Vermarktung und

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6 Die Neuromarketing-Methoden

59

Legitimation der Neuromarketing-Methoden handeln, da die Entwickler, z.B. von Limbic®

und Brand-Code-Managementä, ihre Modelle selbst bewerben müssen, um sie gewinnbrin-

gend zu verkaufen. Dafür spricht, dass es keine Beispiele dafür gibt, dass der Einbezug von

Neuromarketing die Zielgruppensegmentierung sicherer macht bzw. überhaupt verändert.

Zudem kann eine neurowissenschaftliche Untersuchung von jedem einzelnen Konsumenten

nicht realisiert werden, da dafür neben dem Einverständnis jeder einzelnen Person auch ein

erheblicher finanzieller und zeitlicher Aufwand entstehen würde. Die Beschreibung und Er-

läuterungen der Neuromarketing-Methoden sind somit selbst ein Werbetool, weshalb die

Umsetzungsmöglichkeiten und Realisierbarkeit der Zielerreichung diskutiert werden.

6.2.1 Reflexion möglicher Ziele der Neuromarketing-Methoden und ihre Aus-wirkung auf die Konsumentensouveränität

Laut Brandt wird mit der Anwendung von Neuromarketing darauf abgezielt, sowohl die

Werbung als auch Produkte und Dienstleistungen an sich, den aus der neurowissenschaftli-

chen Marktforschung erzielten Erkenntnissen anzupassen (BRANDT, 2011, S. 1 f.). Pro-

dukte und Dienstleistungen sollen durch den Einbezug der Neurowissenschaft somit besser

den Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen. Damit kann eine Erhöhung der Zufrieden-

heit der Konsumenten angestrebt werden, wobei es sich um ein ethisch legitimes Ziel han-

delt.

Durch die Anpassung der Werbemethoden entsprechend den neurowissenschaftlichen Er-

kenntnissen wird das Ziel verfolgt, den Werbeprozess durch noch gezieltere Ansprache der

Emotionen, Bedürfnisse und Reizempfänglichkeit der Konsumenten effektiver zu gestalten.

Dies ist zunächst kein ethisch problematisches Ziel. Da es bei Effektivitätsfragen immer

auch um Kosten geht, kann das Wohl der Konsumenten verglichen mit den Profitzielen der

Unternehmen aber in den Hintergrund geraten: Neuromarketing-Methoden zur Verbesse-

rung des Profits können sich negativ auf das Wohl der Konsumenten auswirken.

Möglicherweise zielen die Methoden nicht auf eine Stärkung der Konsumentensouveränität,

sondern auf eine Schwächung dieser durch die Lenkung der Bedürfnisse und des Verhaltens

der Konsumenten ab: Mit der Anwendung von Neuromarketing kann durch die Einbindung

der Emotionen das Ziel verfolgt werden, keine rationalen, sondern im impliziten System

erzeugte Entscheidungen hervorzurufen. Durch Neuromarketing ist es (verglichen mit den

traditionellen Marketing-Methoden) möglich, die Entscheidungsfindung einer Person zu

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6 Die Neuromarketing-Methoden

60

unterstützen, da durch die bloße Übermittlung von Informationen nur das explizite System

angesprochen wird. Da nach den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen die Entscheidungs-

findung zum Großteil aber im impliziten System stattfindet, sind die Methoden des Neuro-

marketings nötig, um dieses anzusprechen. Dies kann insofern eine Schwächung der Kon-

sumentensouveränität bedeuten, als die Konsumenten durch das Werben der Unternehmen

mit emotionalisierten Botschaften unbewusst zu einem bestimmten Verhalten getrieben wer-

den. Ihre Entscheidungsmacht kann so reduziert werden und sie haben keine Chance, die

Produzentenseite zu beeinflussen, wie es beim Vorhandensein von Konsumentensouveräni-

tät ist.

Ethisch relevant ist die Frage, inwieweit es die Neuromarketing-Methoden den Produzenten

ermöglichen, die Bedürfnisstrukturen und allgemeinen gesellschaftlichen Wertmuster zu be-

einflussen, indem sie Assoziationen in den Gehirnen der Konsumenten konstruieren, die zei-

gen, was z.B. Status ist. Somit könnten die Unternehmen durch Neuromarketing soziale

Kontrolle ausüben und zu Gunsten der Generierung von Gewinnen die Konsumentensouve-

ränität einschränken. Inwiefern die Ziele in einer Einschränkung des freien Willens, der Ge-

nerierung von Bedürfnissen und der Manipulation der Konsumenten liegen, wird im Folgen-

den diskutiert.

6.2.1.1 Die gezielte Einflussnahme auf den freien Willen

Der Wille eines Menschen wird durch neuronale Eigenschaften seines Gehirns bestimmt.

Urteilsvermögen, Rationalität und moralisches Verständnis sind von den emotionalen Rah-

menbedingungen abhängig, denen ein Individuum ausgesetzt ist. Durch eine Beeinflussung

der emotionalen (neuronalen) Prozesse einer Person kann somit die Möglichkeit bestehen,

den Willen dieser Person zu lenken. Da die Neuromarketing-Methoden genau an dieser

Stelle ansetzen, wie z.B. Häusel und Scheier und Held ihre Modelle beschreiben (vgl. Kapi-

tel 6.1), kann Neuromarketing mit dem Ziel der Beeinflussung des freien Willens einer Per-

son angewendet werden. Hierbei geht es vor allem um den „Konsum-Willen“.

Die Verfolgung dieses Ziels bedeutet insofern gleichzeitig eine Einschränkung der Konsu-

mentensouveränität, als der (Konsum-)Wille einer Person zu ökonomischen Zwecken instru-

mentalisiert wird: Der Mensch hat kein bewusstes Verlangen nach einem Produkt und ist in

seinem Wohlbefinden durch den Nicht-Konsum nicht bewusst eingeschränkt. Das Verlan-

gen wird durch die Neuromarketing-Methoden geweckt und ist somit nicht natürlich ins

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6 Die Neuromarketing-Methoden

61

Bewusstsein geraten, sondern von den Marketingtreibenden erzeugt und/ oder bewusst ge-

macht worden. Es wird so ein Zustand hervorgerufen, der vom Konsumenten nicht (bewusst)

erwünscht war, was eine Einschränkung des freien Willens und eine Bevormundung bedeu-

ten kann.

Mit der Einflussnahme auf den freien Willen können jedoch auch gemeinwohlfördernde

Ziele verfolgt werden: Die Anwendung von Neuromarketing kann darauf abzielen, schädli-

chen Konsum (z.B. von Alkohol, Waffen etc.) zu mindern oder den Konsum von z.B. ge-

sundheitsförderlichen Produkten zu erhöhen, indem entsprechend auf die neuronalen Struk-

turen eingewirkt wird.

Auch bei der Absicht, das Wohlbefinden der Gesellschaft zu erhöhen, handelt es sich aber

um eine Einschränkung des freien Willens. Es ist ethisch nicht legitim, jemandem aufzu-

zwingen, „glücklicher“, „zufriedener“, „gesünder“ etc., zu leben. Auch mit Maßnahmen, die

ein „gutes Leben“ fördern können, wird die Freiheit der selbstbestimmten Entscheidungen

und somit die Konsumentensouveränität durch Neuromarketing eingeschränkt.

Die gemeinwohlfördernden Ziele können außerdem als moralische Legitimation zur Anwen-

dung der Methoden gedeutet werden. Zum einen gibt es keine allgemeingültige Definition

des „guten Lebens“, die für jeden Menschen gleichermaßen gilt, an der sich die Anwender

von Neuromarketing orientieren können. Zum anderen bedeutet eine Einschränkung des

freien Willens immer eine Verletzung der Grundrechte und ist somit nicht legitim. Wird mit

der Anwendung von Neuromarketing das Ziel der Beeinflussung des freien Willens verfolgt,

ist es als ethisch verwerflich einzuordnen.

6.2.1.2 Die Generierung von Bedürfnissen

Mit der Anwendung von Neuromarketing kann u.a. das Ziel verfolgt werden, das Verhalten

der Konsumenten zu beeinflussen. Durch den Einbezug der Neurowissenschaft kann besser

ermittelt werden, wie sie zu Käufern gemacht werden können - durch die Methoden soll dies

in die Tat umsetzbar gemacht werden. Anders als im Falle der Anpassung von Produkten

und Dienstleistungen wird laut Henning mit der Anpassung der Werbemethoden das Ziel

verfolgt, den Konsum zu erhöhen, um den Unternehmensgewinn zu steigern (HENNING,

2006, S. 120). Die Werbemaßnahmen sollen effektiver werden, indem die Emotionen der

Konsumenten instrumentalisiert werden. Die Emotionen sind in diesem Fall ein Mittel der

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6 Die Neuromarketing-Methoden

62

Neuromarketing-Methoden dazu, das Konsumverhalten zu beeinflussen. Die Methoden set-

zen nicht an den (bewussten) Erwartungen (vgl. Kapitel 2.1), sondern am impliziten System

der Konsumenten an. Sie greifen somit in deren unmittelbaren, persönlichen Lebensbereich

ein, ohne, dass die Konsumenten etwas davon merken sollen. Es geht in diesem Fall nicht

um die Bereitstellung von Informationen zur Unterstützung einer rationaler Entscheidungs-

findung, sondern um einen gezielten Eingriff in die Autonomie der Konsumenten, was somit

aus ethischer Perspektive problematisch ist.

Ethisch verwerflich kann die Ausrichtung der Neuromarketing-Methoden am Unterneh-

mensgewinn laut Brandt sein, da sie zu Konsumzwang bzw. übermäßigem Konsum führen

können (BRANDT, 2011, S. 3). Es wird in diesem Fall darauf abgezielt, den „Kauf-Knopf“

der Konsumenten zugunsten der Unternehmen zu drücken: Die Anbieter reden den Verbrau-

chern die Wichtigkeit immer neuer Produkte durch psychologische Tricks ein. Es geht in

diesem Fall nicht mehr um die Deckung der Grundbedürfnisse, sondern rein um die Ver-

mehrung des Konsums zu Gewinnzwecken. Die Unternehmen haben somit Verkaufsabsich-

ten, obwohl der Markt bereits (nahezu) gesättigt ist. Das bedeutet, dass die Konsumenten

eigentlich kein Verlangen nach neuen Produkten und Dienstleistungen haben und diese Be-

dürfnisse erst erzeugt werden müssen, damit sie zu einer Konsumentscheidung führen. Neu-

romarketing kann insofern mit dem Ziel der Vermehrung des Konsums verfolgt werden.

Man verspricht sich durch den Einbezug der Neurowissenschaft bessere Möglichkeiten zum

Wecken von Bedürfnissen, als es mit traditionellen Marketingmethoden möglich ist.

Von der Anwendung von Neuromarketing erwarten Unternehmen sich also, dass ihnen der

„Kauf-Knopf“ der Konsumenten zugänglich ist und sie diesen betätigen, ohne dass die Kon-

sumenten es merken bzw. etwas dagegen tun könnten - die Souveränität liegt in diesem Fall

bei den Produzenten und die Konsumenten haben keine Macht, die Produzentenseite zu be-

einflussen.

Auch an der Stelle ist hinzuzufügen, dass es keine Beispiele und somit keinen Beweis dafür

gibt, dass durch Neuromarketing der Kauf-Knopf gefunden und betätigt werden kann. Das

damit verfolgte Ziel in Form der Herbeiführung von (übermäßigem) Konsum ist ethisch ver-

werflich. Allerdings scheint es sich hierbei eher um ein Versprechen der Neuromarketing-

Entwickler an die Unternehmen, als um ein bestehendes Tool zu handeln. In diesem Fall

handelt es sich also einen Marketing-Trick der Neuromarketing-Entwickler, der den

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6 Die Neuromarketing-Methoden

63

Unternehmen mehr verspricht, als tatsächlich möglich ist. Die Wirksamkeit wird durch den

Eindruck vermittelt, dass es sich um eine wissenschaftlich begründete Methode handelt. Dies

entspricht jedoch nicht der Realität, da in Wirklichkeit nur einzelne neurowissenschaftliche

Erkenntnisse zur Legitimation der Methoden einfließen.

Im Neuromarketing wird die Marktfunktion der Information durch die Konstruktion von As-

soziationen ersetzt. Die Konsumenten können so den Nutzen der Produkte nicht richtig ein-

schätzen und handeln allein auf Basis emotional beeinflusster Strukturen. Die Entwickler

der Neuromarketing-Methoden, z.B. Häusel und Scheier und Held, versprechen, dass die

Konsumenten durch die Bildung von Assoziation einen bestimmten emotionalen Zustand

mit einem bestimmten Produkt verbinden: Die Konsumenten bekommen vermittelt, durch

den Konsum eines Produktes eine bestimmte (positive) Gefühlslage erreichen zu können.

Laut Scheier und Held kann Konsum ein Ungleichgewicht in den Gehirnsystemen von Kon-

sumenten ausgleichen. Ist z.B. das Dominanz-System (vgl. Kapitel 2.2) eines Menschen

stark aktiv, kann dies durch den Kauf eines Statussymbols, der das Dominanz-System be-

friedigt, ausgeglichen werden (SCHEIER, 2008, S. 314). Das bedeutet, dass Unternehmen

gezielt Reize in die verschiedenen Systeme im Gehirn senden können, die diese aktivieren

und die Konsumenten so zum Handeln, also zum Konsumieren, bringen können, um das

entstandene (durch die Unternehmen erzeugte) Ungleichgewicht auszugleichen. Dieses Un-

gleichgewicht bzw. eher die Beseitigung des Ungleichgewichts kann mit einem Bedürfnis

gleichgesetzt werden. Das bedeutet, dass Unternehmen auf diese Weise gezielt Bedürfnisse

wecken können, ohne dass diese „natürlich“ entstanden sind. Diese Bedürfnisse kann man

also als Konstruktionen der Unternehmen in den Köpfen der Konsumenten verstehen.

Ethisch problematisch ist dies, da es eine gezielte Täuschung der Konsumenten bedeutet.

Neuromarketing wird in diesem Fall angewendet, um die Emotionen und Reizempfänglich-

keit der Konsumenten mit dem Ziel auszunutzen, Bedürfnisse zu wecken, die per se nicht

vorhanden sind. Diese Bedürfnisse existieren zwar möglicherweise im Unterbewusstsein,

können aber aus Konsumentensicht mit einem nicht vorhandenen Bedürfnis gleichgesetzt

werden, da sie unbewusst sind. Erst durch die Neuromarketing-Methoden sollen sie ins Be-

wusstsein gelangen und auf diese Weise geweckt werden. Das schränkt die Souveränität der

Konsumenten ein, da sie das Marktgeschehen nicht durch ihre eigenen (bewussten) Bedürf-

nisse und Präferenzen steuern, sondern durch die, die von den Unternehmen erzeugt wurden.

Somit tragen die Produzenten die Souveränität.

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6 Die Neuromarketing-Methoden

64

Ethisch problematisch ist dies, abgesehen von dem Täuschungscharakter auch deshalb, da

sich dieses Ziel negativ auf das bewusste Wohl des Konsumenten auswirken kann. Der Kon-

sum hat in diesem Fall einen Belohnungscharakter, was bedeutet, dass durch Neuromarke-

ting vermittelt wird, dass dieser Zustand bei Nicht-Konsum nicht erreicht werden kann. Das

kann das Wohl von Menschen schmälern, bei denen Bedürfnisse geweckt werden, deren

Befriedigung mittels Konsums sie sich nicht leisten können. Sowohl ihre Unzufriedenheit

als auch soziale Ungleichheit kann so steigen.16 Neuromarketing kann in diesem Fall unter-

stützen, das Glückempfinden einer Person vom Konsum abhängig zu machen.

Dazu muss allerdings gesagt werden, dass das Senden von Reizen an bestimmte Gehirnare-

ale nicht möglich ist. Es kann lediglich gemessen werden, wo ein Reiz eine Aktivierung im

Gehirn hervorruft. Somit können sie durch Neuromarketing auch nicht in einen bestimmten

emotionalen Zustand versetzt werden, der ein Bedürfnis nach einem spezifischen Produkt

auslöst. Somit ist es auch nicht möglich, durch Neuromarketing das Unterbewusstsein be-

wusst werden zu lassen, wie es von Häusel und Co. versprochen wird. Das mit dem Verspre-

chen verfolgte Ziel und die Anwendung der Neuromarketing-Methoden aus diesen Zwecken

ist aus den genannten Gründen ethisch verwerflich, allerdings stellt die Anwendung von

Neuromarketing diesbezüglich keine größere Gefahr dar, als die herkömmlichen Marketing-

Methoden.

Neuromarketing kann auch den Konsum gefährlicher Produkte wie Waffen oder Drogen an-

treiben. Der Anteil der adipösen Bevölkerung steigt, was mit der Schaffung von Bedürfnis-

sen nach (ungesunden) Lebensmitteln zusammenhänge (ULMANN, CAKAR, YILDIZ,

2015, S. 1278). Inwieweit dies nun tatsächlich mit den Neuromarketing-Methoden zusam-

menhängt wurde bisher nicht nachgewiesen, allerdings ist das Ziel, durch die Anwendung

von Neuromarketing schädlichen Konsum zu generieren, als ethisch verwerflich einzustu-

fen.

Neuromarketing könnte in diesem Kontext die ethische Problematik der traditionellen Mar-

ketingmethoden vergrößern, da die Transparenz der Werbung durch Neuromarketing

16 Auf die detaillierte Beschreibung der Folgen der Weckung von Bedürfnissen bzw. der Generierung von

erhöhtem Konsum wird hier verzichtet, da diese nicht allein durch Neuromarketing entstehen. Neuromar-keting kann lediglich eine Möglichkeit darstellen, einen Beitrag zur Generierung von Bedürfnissen zu leis-ten.

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6 Die Neuromarketing-Methoden

65

geringer sein soll bzw. ist. Die Konsumenten können noch weniger unterscheiden und re-

flektieren, welches Bedürfnis bzw. welcher Konsumwunsch eine emotionale Konstruktion

der Unternehmen ist und was von ihnen selbst kommt. Bei einer Ausrichtung des Neuromar-

ketings am Unternehmensgewinn kann genau das das Ziel sein: die Souveränität und Auto-

nomie der Konsumenten und die Transparenz am Markt einzuschränken, um „blinden“ Kon-

sum voranzutreiben.

Insgesamt kann jedoch der soziale Charakter des Konsums nicht außer Acht gelassen wer-

den. Die Präferenzen eines Menschen entstehen zwar individuell im Gehirn, können jedoch

durch äußere Umstände, die Kultur, die Familie etc. stark beeinflusst werden. Die Orientie-

rung am Umfeld ist somit ein entscheidender Faktor für den Konsum. Das bestätigt wie be-

reits erwähnt die Tatsache, Kunden im Internet weniger auf Marketingbotschaften und mehr

auf den F-Faktor reagieren (KOTLER, 2017, S. 47). Es gibt bisher keine Beispiele dafür,

dass ein „Eindringen“ ins Gehirn den Konsum besser beeinflusst, als der F-Faktor.

6.2.1.3 Gezielte Manipulation

Die auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauende Gestaltung der Werbung kann

laut Henning auch zum Ziel haben, die Reizüberflutung zu mindern und Fehlkäufe der Kon-

sumenten zu vermeiden. In der Werbung werden nur noch wirksame Reize gesendet und den

wahren Bedürfnissen der Konsumenten entsprechende Produkte umworben. (HENNING,

2006) Da es sich beim Neuromarketing um kein neutrales Tool handelt, sondern um eine

Möglichkeit, die auf die Erhöhung des Konsums zur Steigerung des Unternehmensgewinns

abzielt, erscheint dieses Ziel im ökonomischen Kontext weniger realistisch. Im Gegenteil

kann Neuromarketing eher dazu genutzt werden, das Verhalten der Konsumenten zu steuern,

ohne dass diese sich dessen bewusst sind. Das Ziel ist aus diesem Gesichtspunkt die Mani-

pulation der Konsumenten.

Allerdings ist fraglich, wie diese Manipulation in die Tat umgesetzt werden soll. Um Neu-

romarketing wirksam zu machen, muss der Konsument am point of sale identifiziert und

einer Zielgruppe zugeordnet werden, um dann entsprechende Reize gesendet bekommen.

Das ist allein deshalb nicht umsetzbar, da nicht jeder Konsument mit neurobiologischen Me-

thoden untersucht werden kann - schon gar nicht am point of sale direkt, da dafür Messungen

direkt am Gehirn nötig wäre. Somit kann die Werbung zwar im Vorfeld auf die Mehrheit

der untersuchten Konsumenten ausgerichtet werden, indem anhand der Untersuchung dieser

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6 Die Neuromarketing-Methoden

66

statistisch ermittelt wird, welche Reize am besten wirken. Damit werden jedoch nicht die

„wahren Bedürfnisse“ der Konsumenten ermittelt, sondern (genauso wie bei den herkömm-

lichen Marketing-Methoden) Heuristiken bezüglich der Bedürfnisse und Präferenzen gebil-

det.

Neuromarketing kann die Gefahr mit sich bringen, Manipulationsmöglichkeiten in unvor-

hersehbarem Ausmaß zu fördern: Es kann die Möglichkeit bestehen, bestimmte Stimuli zu

senden, die zu bestimmten Reaktionen (Käufen) führen (McDOWELL, DICK, 2013, S. 27).

Neuromarketing wirkt in diesem Fall manipulierend statt informierend - und zwar in größe-

rem Ausmaß als traditionelle Methoden. Ziel der Unternehmen ist in diesem Fall somit, nicht

über die Produktmerkmale und -eigenschaften „von außen“ auf das Verhalten der Konsu-

menten einzuwirken, indem man sie selbst entscheiden lässt, welches Produkt am besten

ihren Präferenzen entspricht (Information). Neuromarketing soll in diesem Fall die Chance

bieten, direkten und vor allem unbemerkten Einfluss auf den Entscheidungsprozess zu neh-

men, um ihn den eigenen Zielen nach zu beeinflussen (Manipulation).

Hierbei handelt es sich vorranging jedoch mehr um ein Ziel, als um eine realistische Mög-

lichkeit, da das Senden von bestimmten Stimuli nicht dazu genutzt werden kann, eine vorher

festgelegte Stelle im Gehirn zu treffen und dadurch eine gewünschte Reaktion hervorzuru-

fen. Neuromarketing werden somit größere Wirkungsfähigkeit zugesprochen, als tatsächlich

vorliegt. Gezielte Manipulation ist nichtsdestotrotz ein ethisch verwerfliches Ziel.

Wie von Lee und Butler beschrieben, wird die Entscheidungsfindung durch Überlebens- und

Belohnungsmechanismen beeinflusst (LEE, BUTLER, 2010, S. 130 f.). Unternehmen kön-

nen sich dies zu Nutze machen, indem sie in der Werbung darstellen, was als Belohnung

wahrgenommen wird bzw. was den Konsumenten suggeriert, zum Überleben „nötig“ zu

sein. Neuromarketing kann dies möglich machen: Reize, mit denen Konsumenten Beloh-

nung assoziieren, aktivieren Hirnareale stärker, was die Werbeanzeige attraktiver erscheinen

lässt. Durch die Kenntnis darüber, welche Areale im Gehirn auf welche Reize reagieren,

können Emotionen abgebildet werden. Darauf aufbauend können die Werbebotschaften laut

Lee und Butler gezielt mit gewissen Reizen aufgeladen werden, die im Gehirn die gewünsch-

ten Emotionen wecken (LEE, BUTLER, 2010, S. 130).

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6 Die Neuromarketing-Methoden

67

Die Methoden des Neuromarketings werden in diesem Fall dazu genutzt, eine Kaufentschei-

dung bei den Konsumenten hervorzurufen, ohne dass diese etwas davon mitbekommen sol-

len. Wer nicht bewusst kaufen will, kann kaufbereit gemacht werden. Sie sollen in ihrer

Konsumentensouveränität also bewusst eingeschränkt werden. Der Konsum soll auf Auto-

piloten gestellt werden - bzw. die Unternehmen zu Piloten gemacht werden.

6.2.2 Reflexion der Umsetzbarkeit der Neuromarketing-Methoden

Anhand der zwei ausgewählten Methoden (Limbic® und Brand-Code-Managementä) wird

nun diskutiert, wie die jeweils verfolgten Ziele in der Praxis aussehen, welche Konsequenzen

sie auf die Konsumenten und ihre Souveränität haben können und wie die Umsetzung der

Methoden aus ethischer Perspektive bewerten werden kann.

6.2.2.1 Reflexion Limbic®

Die Forschung hinter Limbic® hat zum Ziel, unterbewusste Entscheidungsstrukturen zu ent-

schlüsseln (vgl. Kapitel 6.1.1). Dies kann dazu beitragen, die Konsumenten „gläsern“ zu

machen, da sie anhand ihrer emotionalen Strukturen auf einer Karte abgebildet und je nach

Reizempfänglichkeit verschiedenen Emotionstypen zugeordnet werden. So kann eine Über-

sicht erstellt werden, welcher Konsumententyp mit welchen Reizen angesprochen werden

sollte, um den Konsum eines bestimmten Produktes wahrscheinlicher zu machen. Das be-

deutet für den Einzelnen, dass er bezüglich seiner Reizempfänglichkeit durchschaubar, also

gläsern, ist. Außerdem kann Limbic® in diesem Fall negative Konsequenzen für seine Sou-

veränität darstellen, da es eine Einschränkung seiner Privatsphäre und Handlungsfähigkeit

bedeutet und der „Kauf-Knopf“ zugänglich gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist

jedoch, dass Limbic® tatsächlich das leistet, was es verspricht.

Sollte es auch den Versuchsteilnehmern möglich sein, die Ergebnisse der Untersuchungen

einzusehen, können sie somit auch etwas über sich selbst und ihre Emotionsstrukturen er-

fahren. Ob das jedoch zu ihrer Souveränität beiträgt, ist fraglich, da sie sich in diesem Fall

ihrem Konsumtyp zwar bewusst sind, ihre Entscheidungen letztendlich trotzdem implizit

und nicht zwangsläufig bewusster getroffen werden. Für die Unternehmen sind die Erkennt-

nisse somit besser verwertbar und können ihnen mehr Souveränität verschaffen, da die Kon-

sumenten mit den Erkenntnissen weniger anfangen können, als sie. Sie wissen mehr über die

Emotionen und Entscheidungsprozesse der Konsumenten als diese selbst.

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6 Die Neuromarketing-Methoden

68

Allerdings ist es nicht möglich, personenbezogene Daten in den Karten abzubilden. Sie stel-

len somit nur einen Querschnitt der Versuchsstichprobe dar und können zum jetzigen Zeit-

punkt auch noch nicht auf die Allgemeinheit übertragen werden. Es ist möglich, durch den

Einbezug von Emotionen die Konsumenten spezifischer in verschiedene Gruppen einzuord-

nen und darauf aufbauend gezieltere Marketinginstrumente zu entwickeln. Damit sich dies

negativ auf den Einzelnen auswirkt, müssen die Unternehmen aber entsprechende Daten

über ihre Konsumenten besitzen. Die Konsumenten müssen dem zustimmen, was bedeutet,

dass sie selbst für ihr „Durchschaubarsein“ verantwortlich sind.

Diese Neuromarketing-Methode bzw. ihre Anwendung kann ethisch verwerflich sein, wenn

das Ziel ist, die Privatsphäre des einzelnen Konsumenten einzuschränken. Seine emotionalen

Strukturen könnten auf den Karten abgebildet werden, um sichtbar zu machen, wie sein

Kaufverhalten beeinflusst werden kann. Ziel wäre somit die Einschränkung seiner Autono-

mie und Souveränität, um die Gewinne des Unternehmens zu maximieren.

Die Anwendung von Limbic® bietet laut Häuser momentan (noch) keine Möglichkeit, die

Konsumenten durchschaubar zu machen und ihre „Kauf-Knöpfe“ zu entschlüsseln (HÄU-

SER, 2012). Es wurden zwar einige Erkenntnisse bezüglich der neuronalen Emotions- und

Bedürfnisstrukturen der Konsumenten erzielt, allerdings konnten diese bisher nicht in wirk-

same Marketing-Tools umgesetzt werden. Das kann bedeuten, dass die Entwickler und Ver-

treiber von Limbic® mehr versprechen, als durch die Methode überhaupt möglich ist, und

der Einbezug der Neurowissenschaft als Verkaufsargument und Legitimation der Methode

gesehen werden kann.

Die Methode an sich stellt in diesem Fall zwar keine Gefahr negativer Konsequenzen für die

Konsumenten dar, allerdings kann es zur Täuschung der Verwender von Limbic® aufgrund

fehlender Wirksamkeit kommen. Unabhängig davon sind die mit der Methode verfolgten

Ziele als ethisch verwerflich einzustufen.

6.2.2.2 Reflexion Brand-Code-Management

Bezüglich des Brand-Code-Managementäs kann ähnlich argumentiert werden:

Das Brand-Code-Managementä (vgl. Kapitel 6.1.2) kann die Konsumenten gläsern ma-

chen, wenn ihre emotionalen Motive offengelegt werden. Das bedeutet, dass, ähnlich wie

bei Limbic®, Erkenntnisse über die Funktionsweise ihrer Emotionen und ihr

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6 Die Neuromarketing-Methoden

69

Unterbewusstsein erlangt werden. Durch die Ermittlung der emotionalen Motive wird deut-

lich, welche Codes besonders gut in den kognitiven Strukturen verarbeitet bzw. entschlüsselt

werden können. Diese Informationen haben die Konsumenten selbst nicht über sich, da sie

im unbewussten Teil ihrer Gehirne vorliegen. Sie können durch die entsprechende For-

schung zwar etwas darüber erfahren, allerdings finden die Untersuchungen zu kommerziel-

len Zwecken statt und gelangen somit an die Unternehmen. Diese erhalten so einen Einblick

in den direkten persönlichen Lebensbereich der Konsumenten und haben zum Ziel, deren

„Kauf-Knopf“ durch die Ermittlung wirksamer Codes zu finden.

„Nachhaltige“ Verhaltenssteuerung bedeutet, dass Unternehmen mit neurowissenschaftli-

chen Methoden ihre Marken so positionieren, dass diese die Dominanz- oder Stimulanz-

Systeme der Konsumenten aktivieren, um einen Konsumwunsch zu erzeugen, durch den die

Aussicht auf „Belohnung“ (in Form von z.B. größerer Autonomie) suggeriert wird. (SCH-

EIER, HELD, 2012, 178 ff.)

Es ist jedoch auch bezüglich des Brand-Code-Managementäs momentan noch der Fall, dass

die gewonnenen Daten bisher keine Auswirkungen auf die Konsumentensouveränität haben.

Es konnten zwar verschiedene Motivgruppen und entsprechende Codes ermittelt werden,

allerdings hat dies bisher keine Auswirkungen auf das Wohl und die Souveränität des ein-

zelnen Konsumenten.

Da die Umsetzbarkeit nicht gegeben ist und auch nicht absehbar ist, inwieweit es zu einer

Durchleuchtung und Beeinflussung von Konsumenten kommen kann, kann es sich beim

Brand-Code-Managementä statt um eine realisierbare Neuromarketing-Methode auch um

ein mehr oder weniger wirkungsloses Produkt handeln: Der Einbezug der Neurowissen-

schaft kann als Legitimation und Vermarktungswerkzeug für das Brand-Code-Manage-

mentsä bewertet werden. In diesem Fall können die kommunizierten Ziele als Werbemittel

gesehen werden, deren Darstellung Unternehmen zur Anwendung des Neuromarketing-

Tools bringen soll. Neuromarketing ist dann an sich weniger als Marketing-Methode, son-

dern eher als Verkaufsargument für das Brand-Code-Managementä anzusehen.

Unabhängig von der tatsächlichen Umsetzbarkeit sind die Ziele, die mit der Methode erzielt

werden sollen, als ethisch problematisch einzustufen. Forschung mit dem Ziel,

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6 Die Neuromarketing-Methoden

70

Konsumenten „gläsern“ zu machen und ihren „Kauf-Knopf“ zu finden und diesen in der

Praxis (ohne ihr Bewusstsein dessen) zu betätigen, kann, wie schon beschrieben, negative

Konsequenzen für das Wohl der Betroffenen bedeuten (vgl. Kapitel 6.2).

Auch das Brand-Code-Managementä ist somit noch nicht ausgereift genug, um eine Gefahr

für die Konsumenten darzustellen - die damit verfolgten Ziele sind jedoch teilweise ethisch

verwerflich.

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7 Reflexion der Vorteile von Neuromarketing gegenüber dem traditionellen Marketing

71

7 Reflexion der Vorteile von Neuromarketing gegenüber dem traditionellen Marketing

Abgesehen von der Reflexion der Ziele und der möglichen Auswirkungen von Neuromar-

keting auf die Konsumentensouveränität ist auch eine Reflexion dessen sinnvoll, inwieweit

die erläuterten neuen Methoden einen Vorteil gegenüber den traditionellen Methoden dar-

stellen bzw. ob sie überhaupt (in der dargestellten Form) umsetzbar sind.

Bisher gibt es nicht genügend aussagekräftige Studien, anhand derer man die Wirksamkeit

von Neuromarketing auswerten kann. Laut Morin befindet sich die Forschung bezüglich der

Effektivität von Neuromarketing in einem „embryonic state“ (MORIN, 2011, S. 134), also

in einem noch nicht ausgereiften Stadium.

Durch die Einbehaltung bzw. das Fehlen von Forschungserkenntnissen bzw. von Aussagen

über die Verwendung von und Nützlichkeit dieser im Marketing, kann deren Tragweite für

den Marketingbereich von der Öffentlichkeit nicht abgeschätzt werden. Die Meinung der

Gesellschaft bildet sich auf Grundlage dessen, was die Neuromarketing-Betreiber der Ge-

sellschaft zugänglich machen, und zusätzlich auf den Meinungen von Kritikern. Das kann

eine fundierte ethische Diskussion eindämmen und sogar verhindern.

Der Einbezug der Neurowissenschaft kann eine Legitimation für das Verfolgen ethisch und

moralisch fragwürdiger Marketingpraktiken darstellen. Der neurowissenschaftliche Hinter-

grund gilt in diesem Fall bei der Gesellschaft als inoffizielle Garantie für die Rechtmäßigkeit

der Methoden, weshalb die tatsächliche Legitimität erst gar nicht hinterfragt wird. Die neu-

rowissenschaftliche Forschung stellt in diesem Fall einen Deckmantel für (auch illegitime)

Marketingpraktiken dar. Neuromarketingforschung ist in dem Fall eine Antwort auf die Le-

gitimationskrise bezüglich Unternehmen als verantwortungslose, manipulierende und kon-

sumanheizende Marktakteure.

Es ist allerdings nicht belegt, dass der Einbezug der Neurowissenschaft überhaupt nennens-

werten Einfluss auf die Wirksamkeit von Marketing und somit auf die Konsumenten hat

bzw. ob Neuromarketing sowohl in Forschung als auch Anwendung effektiver ist als das

traditionelle Marketing. Wie in den voranstehenden Kapiteln erläutert sind die Methoden

des Neuromarketing bisher nicht genug ausgereift, um traditionelle Marketinginstrumente

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7 Reflexion der Vorteile von Neuromarketing gegenüber dem traditionellen Marketing

72

zu ersetzen. Laut Conejo, Khoo, Tanakinjal und Yang handelt es sich momentan eher um

eine Spekulation, dass Neuromarketing-Methoden wirksamer seien als das traditionelle Mar-

keting (CONEJO, KHOO, TANAKINJAL, YANG, 2007, S.75).

Was durch Neuromarketing in Zukunft jedoch noch ermöglicht werden kann ist nicht vor-

herzusehen. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaft beziehen sich bisher darauf, dass her-

ausgefunden wurde, dass Reize durch Produkte und durch Werbung aufgrund des Netzwerk-

charakters an keinem bestimmten Ort im Gehirn wirken. Es kann im Nachhinein zwar nach-

vollzogen werden, an welcher Stelle im Gehirn ein bestimmter Reiz gewirkt hat, allerdings

ist im Vorhinein nicht prognostizierbar, welche Region einen Werbereiz aktivieren wird.

Der „Neuro-Hype“ (CONEJO, KHOO, TANAKINJAL, YANG, 2007, S.74) sorgt somit

momentan noch nicht dafür, dass der „Kaufknopf“ gefunden werden kann, da bisher nur

Prozesse im Gehirn abgebildet werden können (BELDEN, 2008, S. 250). Dafür spricht auch,

dass die Untersuchungen in Laboren stattfinden und Einflüsse auf die Konsumenten, wie

u.a. den sozialen Kontext, die Kultur, den externen Markt etc., nicht in die Untersuchungen

mit einfließen lassen. Diese Variablen sind jedoch an einer Entscheidungsfindung beteiligt

und es ist bisher nicht bestätigt, dass neurologische Prozesse in höherem Maße wirken als

diese äußeren Einflüsse. Es ist somit nicht belegt, dass neurologische Prozesse bei der Ent-

scheidungsfindung tatsächlich einen stärkeren Einfluss haben als andere Faktoren.

Insgesamt liefert die neurowissenschaftliche Marktforschung ein besseres Verständnis zur

Wirkungsweise von Marketing. Die Bedeutung von Emotionen und Marken im Entschei-

dungsprozess wird aus neurowissenschaftlicher Perspektive bestätigt. Die Forschung ist mo-

mentan noch nicht ausgereift genug, um eine versprochene Vereinfachung bzgl. des Erken-

nens von Konsumentenbedürfnissen offenzulegen.17 Das Unterbewusstsein eines jeden Kon-

sumenten ist laut Conejo, Khoo, Tanakinjal und Yang einzigartig, eventuell sogar individu-

eller als das Bewusstsein (CONEJO, KHOO, TANAKINJAL, YANG, 2007, S.74). Identi-

sche Stimuli rufen bei verschiedenen Konsumenten unterschiedliche Gehirnaktivitäten her-

vor. Da die Gehirnreaktionen bisher nicht vorhergesagt werden können, kann nicht für alle

Konsumenten oder Konsumentengruppen generalisiert werden, welche Reize welche Reak-

tionen hervorrufen. Dies kann mit den traditionellen Forschungsmethoden durch Einbezug

von Kultur, sozialer Situation etc., momentan besser prognostiziert werden. Es werden

17 Zudem ist es diskussionswürdig, ob dieses Ziel überhaupt ethisch legitim ist.

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7 Reflexion der Vorteile von Neuromarketing gegenüber dem traditionellen Marketing

73

bessere Möglichkeiten zur Marktsegmentierung versprochen, jedoch sind dies bisher tat-

sächlich nur Möglichkeiten und keine Tatsachen.

Skeptiker betiteln Neuromarketing als „pseudo-wissenschaftliche Masche“ (BELDEN,

2008, S. 250). Damit ist gemeint, dass Neuromarketing als Wissenschaft kommuniziert wird,

obwohl es an sich eher als Marketingtool zu bewerten ist. Die Neurowissenschaft steht zwar

hinter diesem Tool, allerdings ist es schwierig, diese Erkenntnisse ins Marketing zu imple-

mentieren. Es bedarf umfangreicher Untersuchungen und statistischer Auswertungen, was

insgesamt sehr teuer und zeitintensiv ist. Möglicherweise sind die traditionellen Recher-

chemethoden durch ihre Einfachheit im Endeffekt effektiver. Bisher existieren nur Annah-

men, keine Umsetzungen zur Implementierung der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse

ins Marketing (BELDEN, 2008, S. 250). Der Einbezug der Neurowissenschaft ist in diesem

Fall keine Garantie und kein Fundament für Wirksamkeit. Eine wirkliche Innovation der

Marketingforschung liegt nicht vor.

In diesem Kontext kann der Einbezug der Neurowissenschaft ins Marketing als Verkaufsar-

gument für das Produkt „Neuromarketing“ gewertet werden: Die Forschung in diesem Be-

reich suggeriert die Wirksamkeit von Neuromarketing, ohne, dass es genügend Studien gibt,

die die Innovationskraft und Effektivität gegenüber traditionellem Marketing belegen. Die

neurowissenschaftliche Marktforschung ist in diesem Fall selbst mehr als Marketingtool

bzw. Qualitätsargument von Neuromarketing und weniger als Wissenschaft zu sehen. Dafür

spricht auch, dass die Begründer, wie z.B. Häusel, selbst Ökonomen sind und möglicher-

weise das Ziel verfolgen, ihr Produkt „Neuromarketing“ mit einem neurowissenschaftlichen

Argument zu vertreiben.

Es wird das Vorhandensein eines Business Case kommuniziert: Ein Argument ist, dass die

Integration der Neurowissenschaft den Erfolg eines Unternehmens steigere. Dieses Argu-

ment konnte aufgrund der unausgereiften Methoden bisher nicht bestätigt werden. Das

zweite Argument ist, dass durch die Anwendung von Neuromarketing Wettbewerbsvorteile

erzielt werden können. Dazu ist jedoch nötig, dass die Methoden zur Anwendung umsetzbar

sind und die Anwender von Neuromarketing in Nischen tätig sind oder bessere Möglichkei-

ten zur Durchführung von Forschung und Entwicklung von Instrumenten besitzen. Diese

Argumente stellen jedoch eine rein ökonomische Legitimation des Vorhandenseins von

Neuromarketing ohne moralische Perspektive dar.

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7 Reflexion der Vorteile von Neuromarketing gegenüber dem traditionellen Marketing

74

Aufgrund der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit von Neuromarketing ist fraglich, ob der

Einbezug der Neurowissenschaft im Marketing überhaupt nötig ist. Es sieht danach aus, als

bringe die Optimierung der herkömmlichen Methoden (z.B. in Form von Marketing 4.0)

eine Steigerung der Effizienz mit sich, ohne den Umweg „durch die Gehirne“ der Konsu-

menten zu gehen. Durch Marketing 4.0 kann das Konsumentenverhalten direkt nachvollzo-

gen und dokumentiert werden und z.B. durch personalisierte Werbung direkt am point of

sale beeinflusst werden. Hierbei ist keine Beobachtung neuronaler Strukturen nötig.

Die Entwicklung von Neuromarketing ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar. Mo-

mentan handelt es sich eher um Techniken zur Kontrolle und Funktionsweise der Wirkung

bestimmter Reize. Es stellt also momentan eher eine Ergänzung der traditionellen Marktfor-

schung dar als einen Ersatz traditioneller Techniken. Mögliche Konsequenzen für die Ge-

sellschaft durch den Einbezug neurowissenschaftlicher Erkenntnisse in die Marktforschung

sind nicht vorhersehbar. Da es sich bei der Neurowissenschaft um invasive Techniken han-

delt ist die Reflexion aus ethischer Perspektive aber auch dann zu integrieren, wenn sie bis-

her scheinbar keine moralisch fragwürdigen Konsequenzen für die Konsumenten hat.

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8 Fazit und Ausblick

75

8 Fazit und Ausblick

Bei der marketingethischen Reflexion von Neuromarketing wird deutlich, dass es große Un-

terschiede bezüglich der Bewertung der mit dem Bereich verfolgten Ziele und den Konse-

quenzen gibt, die durch die Anwendung von Neuromarketing entstehen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Forschung und Entwicklung rund um Neuromarketing nicht

fortgeschritten genug, um eine Gefahr darzustellen. Es werden zwar viele Möglichkeiten

und Vorteile durch den Einbezug der (Neuro-)Wissenschaft in den Marketingbereich kom-

muniziert. Bisher ist die Wirksamkeit der Methoden aber nicht bestätigt. Es handelt sich bei

Neuromarketing folglich mehr um einen Hype bzw. ein neues Produkt, welches mit der Wis-

senschaft als Qualitätsmerkmal versehen am Markt als innovative Technik verkauft wird -

eine Verbesserung gegenüber den traditionellen Methoden liegt also zum jetzigen Zeitpunkt

nicht vor.

Somit besteht momentan nicht die Gefahr, dass Konsumenten durch Neuromarketing mani-

puliert werden, Bedürfnisse geweckt werden oder sie für Unternehmen „gläsern“ gemacht

werden.

Die Entwicklung von Forschung und Methoden ist jedoch nicht vorhersehbar, weshalb vor

allem die ethische Legitimität der damit verbundenen Ziele kritisch reflektiert werden muss.

Neurowissenschaftliche Methoden müssen von unmoralischen Zielen getrennt werden, um

das Wohl der Konsumenten zu schützen. Die Kosteneffizienz als Ziel von Untersuchungen

des Gehirns ist insofern moralisch kritisch, da eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf den Be-

reich der Emotionen und Bedürfnisse der Menschen angewandt wird.

Ethisch verwerflich sind zum jetzigen Zeitpunkt somit nicht die tatsächliche Anwendung

von Neuromarketing und ihre Konsequenzen, sondern die damit verfolgten Ziele der Mani-

pulation und Generierung von Bedürfnissen. Das unterscheidet Neuromarketing zwar nicht

vom traditionellen Marketing, kann aber schwerwiegendere Konsequenzen mit sich bringen,

falls die Methoden eines Tages das leisten können, was ihre Entwickler versprechen.

Um autonomes Handeln und die Privatsphäre zu schützen, muss die Öffentlichkeit über die

Erkenntnisse der Neuromarketing-Forschung und die Entwicklung entsprechender

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8 Fazit und Ausblick

76

Instrumente informiert werden. Zudem müssen auch rechtliche Grenzen gesetzt werden,

falls die technischen Schwierigkeiten der Umsetzung von Neuromarketing irgendwann über-

wunden sind.

Man darf nicht warten, bis (negative) Konsequenzen für die Konsumenten entstehen - die

Ziele an sich müssen ethisch legitimiert sein, bevor entsprechende Methoden wirksam wer-

den.

Page 84: MA Anni 4 - unipub.uni-graz.at

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