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Migration Grenzen überwinden ISSN 1613-3080 Euro 6,00 Juni 2014 rundbrief 88

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MigrationGrenzen überwinden

ISSN 1613-3080Euro 6,00Juni 2014

rundbrief 88

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Fördern Sie partnerschaftliche Beziehungen zwischen beiden Ländern, ermöglichen Sie unsere Informations- und Bildungsarbeit! Unser LeitbildDer KoordinierungsKreis Mosambik (KKM) ist eine Brücke für den Austausch zwischen Mosambik und Deutschland. Das Ziel ist ein lebendiger Dialog auf Augenhöhe. Wir fördern Bildung, Entwicklungs­ und Schulpartnerschaften in beide Richtungen. Wir bringen uns aktiv in die politische Auseinandersetzung in beiden Ländern ein. Das Fundament der Brücke ist eine differenzierte gegenseitige Wahrnehmung. Sie trägt zu sozialer und politischer Gerechtigkeit und friedlichem Zusammenleben bei.

Wer wir sindMenschen, die Projekte in Mosambik unterstützen, deutsch­mosambikanische Schulpartnerschaften, MosambikanerInnen, die in Deutschland leben, Deutsche, die in Mosambik arbeiten oder gearbeitet haben, Menschen, die sich für Mosambik interessieren.

Was wir tunDer KKM veranstaltet Seminare zu aktuellen Mosambikthemen. Er initiiert, unterstützt und vernetzt Schulpartnerschaften zwischen Deutschland und Mosambik. Dazu gehören Besuche mosambikanischer KünstlerInnen in deutschen Schulen, Fotoaustausch projekte, die Erstellung von Unterrichtsmaterialien und Schulpartnerschaftsseminare, die die Jugendlichen zu einem Engagement für Nord­Süd­Themen motivieren. Zweimal jährlich berichtet der Mosambik Rundbrief über aktuelle Entwicklungen in Mosambik, liefert Hintergrundinformati­onen und Analysen. Aktuelle Informationen zu Mosambik finden sich auf unserer Webseite www.kkmosambik.de. Kurznachrichten werden über einen Mailverteiler an Interessierte versendet. Wir beobachten kritisch die Politik Deutschlands und der EU gegenüber Mosambik und verfolgen die politischen Ereignisse in Mosambik. Zu ausgewählten Themen schließen wir uns größeren Kampagnen und Aktionsbündnis­sen an, z. B. der Erlassjahrkampagne für den Schuldenerlass und der Stop­EPA Kampagne gegen den Abschluss von Freihandelsabkommen.

MitgliedschaftUm Mitglied zu werden, reicht ein Brief oder eine Mail an den KKM. Mitgliedsbeiträge betragen 60,– Euro/Jahr für Einzelpersonen (30,– Euro ermäßigt). Gruppen / Schulen zahlen 100,– Euro. Höhere Förderbeiträge sind willkommen. Im Mitgliedsbeitrag ist ein Rundbriefabo enthalten. Mitgliedsbeiträge und Spenden an den Verein sind steuerlich absetzbar. Mitglieder können sich über die Mitgliederversammlung, Vorstandsarbeit, Mitarbeit am Rundbrief und weitere Vereinsaktivitäten aktiv in den KKM einzubringen.

Werden Sie Mitglied im KoordinierungsKreis Mosambik

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Aktuelles 4 Gleichberechtigung beginnt am Herd 6 Die nicht gestellte Frage 8 Neues politisches System 10 Sorgenvoller Blick in die Zukunft 12 Ein gespaltenes Land

15 In Kürze

Schwerpunkt 20 Über die Grenzen22 Der Weg nach Südafrika und zurück24 „Identity – a Bloody Romance“26 Baustein von Entwicklung28 Carvoeiros32 Wer ist ein „echter“ Mosambikaner?36 Erfolg in der Fremde38 Mit Leidenschaft41 Mehr als nur ein Universitätsbesuch

Solidarität42 Aidglobal44 Wichtig ist, was in den Köpfen passiert

Kultur 46 Der Meister aus Mosambik48 ICMA: Wer macht eigentlich was?50 Buchrezension

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InhaltEditorialLiebe Leserinnen und Leser,

in den letzten Monaten fanden in Mosambik einige Demonstrationen statt. So gingen Tausende im letzten Jahr für ein friedliches Ende der Konflikte zwischen der RENAMO und der FRELIMO in verschiedenen Städten Mosambiks auf die Straße. Ganz aktuell fand am 16.5. in Maputo eine Demonstration gegen eine Gesetzesänderung statt, die bereits vom Parlament verabschiedet wurde und nun noch von Armando Guebuza erlassen werden muss. Es handelt sich dabei um einen Katalog neuer Privilegien bzw. Sonderrechte, die den Abgeordneten in Zukunft eingeräumt werden sollen.

Die Konflikte zwischen der RENAMO und FRELIMO sind noch nicht beigelegt und es kommt immer wieder auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Zwar wurden hinsichtlich des Wahlgesetzes und der Besetzung der Wahlkommission (CNE) Vereinbarungen getroffen, weswegen die RENAMO auch an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen teilnimmt, aber z. B. bezüglich der RENAMO-Forderungen zur Integration ihrer SoldatInnen in die mosambikanische Armee und hinsichtlich der Entwaffnung der RENAMO gab es noch keine Vereinbarungen. Die Wahlen sind für den 15. Oktober angesetzt. Es haben sich insgesamt 88 Prozent der Wahlberechtigten für die Wahl registriert. Bei den letzten Parlamentswahlen waren es über 90 Prozent.

Die Auswirkungen der gewaltvollen Konflikte, die nun etwa ein Jahr andauern, machen sich mittlerweile in vielen gesellschaftlichen Sektoren bemerkbar. Von der reduzierten Zahl der TouristInnen, die nach Mosambik kommen, bis hin zu der verminderten Versorgung von lokalen Gemeinden, die auf einen Transport von Gütern über die Straßen angewiesen sind.

In Aktuelles widmen sich drei Artikel der politischen Situation vor dem Hintergrund der Kon-flikte. Die Artikel von Judith Christner und Jan Schikora vermitteln persönlich geschilderte direkte Einblicke in die Auswirkungen der Situation auf die Menschen in Mosambik. Außer-dem analysiert Elisio Macamo die Hintergründe der andauernden Konflikte. Auf die Positio-nen der MDM, aber auch darüber hinaus, wird in einem Interview mit dem Fraktionsführer der MDM im mosambikanischen Parlament, Lutero Chimbirombiro Simango, eingegangen.

Im Schwerpunkt dieser Ausgabe wird das Thema Migration aus und nach Mosambik aus un-terschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Dabei stehen sowohl einzelne Lebensgeschichten, zum Beispiel des Jazzmusikers Jimmy Dludlu, als auch die Analyse von Migrationsbewegun-gen und deren Auswirkungen auf Menschen und Lebensräume im Vordergrund.

In den letzten Monaten sah alles danach aus, als ob das Programm „Português para África“ der Deutschen Welle eingestellt werden würde. Das Internet-Radioangebot ist für viele Men-schen in Mosambik, die eine unabhängige Berichterstattung suchen, eine wichtige Informa-tionsquelle. Wir sind sehr glücklich darüber, dass diese Entscheidung – auch aufgrund des großen Protestes der Mitarbeitenden und der Zivilgesellschaft, u. a. auch durch den KKM – nicht durchgesetzt werden konnte und freuen uns über weitere zukünftige Kooperationen.

Zum Beispiel bei unserer diesjährigen entwicklungspolitischen Jahrestagung, die zum Thema „Medien und Kommunikation“ vom 31. Oktober bis 2. November 2014 in Berlin stattfindet. Hierzu laden wir Sie an dieser Stelle ganz herzlich ein!

Eine anregende Lektüre und einen schönen Sommer wünscht Ihnen im Namen der Redaktion

ImpressumDer Mosambik-Rundbrief erscheint zwei Mal im Jahr in Deutschland.

Verlag, Herausgeber und Anschrift der Redaktion: KoordinierungsKreis Mosambik e.V., August-Bebel-Straße 16–18, D-33602 BielefeldTel.: 0521–124742; Fax: 0521–64975E-Mail: [email protected]: www.kkmosambik.deISSN: 1613-3080Redaktion: Tabea Behnisch (ViSdP), Ute Ammering, Richard Brand, Judith Christner, Paula Hoffmeyer, Anne Merklein, Barbara Morth, Peter Steudtner, Andrea Queiroz de Souza, Ulla Rinke, Rainer Tump, Matthias Voß, Katrin Schneider, Roxana ZimmermannLayout: Gregor ZielkeMitarbeit: Cremildo Bahule, Vânia Baldrico, Lothar Berger, Fredson Guilengue, Gerald Henzinger, Susanne Jahn, Tina Krüger, Matthias Kunert, Franziska Lau, Ingrid Lorbach, Elísio Macamo, Camilo Macoo, Leonie March, Andreas Müller, Inês M. Raimundo, Marcia C. Schenck, Jan Schikora, Viriato Tamele, Inês Thomas Almeida, Jens Vilela Neumann, Angela Wodtke, Marcus ZabelDruck: Nübold Buch- u. Offsetdruck, D-57368 Lennestadt.

Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Ansicht der Redaktion oder des Herausgebers.

Der Mosambik Rundbrief wird gefördert aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes durch Brot für die Welt-Evangelischer Entwicklungsdienst.

Bankverbindung: KD Bank Dortmund BLZ: 35060190, Konto: 2110241014Bezugsbedingungen: Ein Abonnement kostet 12,– Euro für zwei Ausgaben. Das Auslandsabo kostet 18,– Euro. Die Preise verstehen sich inklusive Versand. Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier

Titelfoto: Gregor Zielke

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Aktuelles

Zwei Dutzend junge Männer drängen sich in einer kleinen Küche. Sie tragen Haarnetze und Einwegschürzen. Einige

reißen Witze über dieses unmännliche Outfit, anderen ist es sichtlich unangenehm. Sie ver-meiden jeden Blickkontakt. Kaum einer von ihnen hat je einen Kochlöffel in der Hand ge-halten, geschweige denn eine Schürze getra-gen. Denn das sei normalerweise Frauensache in Mosambik, erklärt der 22-Jährige Manuel Frio. „Schon als kleiner Junge hat man mir gesagt, dass Männer in der Küche nichts zu su-chen haben.“ Während seine Schwestern lern-ten, wie man den Haushalt führt, spielte er draußen, kletterte mit andern Jungs auf Bäu-me und bewies, dass er ein echter Kerl war.

Kerle am Kochtopf

Heute jedoch steht er mit anderen „echten Kerlen“ in der Küche. Etwas kleinlaut, aber freiwillig nehmen sie am Kochkurs des 2009 gegründeten Netzwerks „Homens Pela Mu-

dança“ (HOPEM) – Männer für den Wandel – teil. Nach dem Motto: Gleichberechtigung beginnt am Herd. Denn es reiche nicht, mit jungen Männern über Maskulinität, Ge-schlechterrollen und Emanzipation zu reden, betont der Gründer des Netzwerks Júlio Langa. Sie müssten auch entsprechende Fertigkeiten, wie das Kochen, erlernen, um ihrem Bewusst-seinswandel auch Taten folgen zu lassen. Eine Chance, die sie in der patriarchalisch gepräg-ten Gesellschaft normalerweise nicht bekom-men. Das Interesse sei jedoch groß, fügt er hinzu. Die Nachricht von den Männer-Koch-kursen habe sich in Maputo wie ein Lauffeuer verbreitet. Auch Manuel Frio erfuhr von ei-nem Freund davon und war neugierig. Er sei schließlich von der Provinz zum Studium in die Hauptstadt gekommen, um etwas Neues zu lernen. Ein wenig sei er es auch überdrüs-sig gewesen, immer dasselbe zu essen seit er allein in einer Studentenbude wohne, erzählt Manuel verlegen. Ein paar Kochkenntnisse könnten nicht schaden. Außerdem wollte er wissen, was es mit dem Wandel auf sich ha-

be, von dem diese unkonventionellen Männer sprechen.

Überrascht Eure Frauen!

Aufmerksam hört Manuel zu, wie Kochlehrer Issufo Abubakar das erste Rezept erklärt. Reis mit Bohnen. Eine typisch mosambikanische Mahlzeit. Dazu gibt es selbst gemachten Saft und zum Nachtisch ein Dessert aus Keksen und Milch. Eine Herausforderung. Manuel stellt einen Riesentopf Wasser auf den Herd – für eine Tasse Reis. Bis der Kochlehrer ihm geduldig zeigt, wie man Reis und Wasser ins richtige Verhältnis bringt. Ein anderer schnei-det umständlich eine Zwiebel klein und wun-dert sich, dass ihm schon bald Tränen über die Wangen laufen. Dabei weinen Männer doch nicht. Issufo erklärt, wie es dazu kommt und nimmt der Situation damit die Peinlichkeit. In den ersten Tagen seien die jungen Männer immer etwas verlegen und schüchtern, er-zählt er, doch im Laufe der Woche würden sie mehr und mehr aus sich herauskommen und selbstbewusster werden. Bei der Auswahl der Rezepte setzt der Koch auf eine Mischung aus traditionellen und eher unbekannten Speisen. Der Saft wird beispielsweise aus Weißkohl hergestellt. Klingt seltsam, schmeckt aber erstaunlich gut. „Die Männer sollen ihre Frauen und Freundinnen mit etwas Neuem überraschen können“, erklärt Issufo Abuba-kar. Außerdem seien alle seine Rezepte sehr nährstoffreich, sie würden zu einer gesünde-ren und vielfältigeren Ernährung beitragen.

Wann ist ein Mann ein Mann?

Eine Stunde später köchelt das Essen auf dem Herd. Zeit für eine Pause. Die Gruppe versammelt sich draußen im schattigen In-

Gleichberechtigung beginnt am Herd

Frauen gehören an den Herd – Männer haben in der Küche nichts zu suchen. Diese Rollenverteilung gehört in vielen mosambikanischen Haushalten noch zum Alltag. In der Hauptstadt Maputo brechen

die alten Muster jedoch zunehmend auf. Junge Mosambikaner beginnen sich für Gleichberechtigung und Emanzipation zu interessieren.

Von Leonie March

Kochkurse für Männer in Maputo

Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014Emazipation beginnt am Herd – Teilnehmer des Kochkurses bereiten einen Kuchen zu. Foto: Hopem

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nenhof. Projektleiter Duarte Rafael hat dort Stühle und Bänke für eine Diskussionsrunde aufgestellt. Denn bei diesen Kochkursen geht es nicht nur um Rezepte, sondern vor allem darum, Vorurteile abzubauen. Viele Männer würden glauben, dass die Arbeit, die Frauen verrichten, nicht besonders hart oder kompli-ziert sei. „Unser Ziel ist es, dass die Männer in Zukunft mehr bei der Hausarbeit helfen, mehr Verständnis und Wertschätzung entwickeln.“ Gerade in der Stadt seien viele Frauen berufs-tätig, aber trotzdem werde von ihnen erwar-tet, dass sie sich allein um den Haushalt küm-mern, während der Mann nach Feierabend im Wohnzimmer die Füße hochlegt. Diese Rollenverteilung werde schlicht mit der mo-sambikanischen Kultur gerechtfertigt, meint Duarte Rafael kopfschüttelnd. In der Diskussi-on fordert er die Männer auf, die gesellschaft-lichen Traditionen, ihr Frauenbild, und den eignen Machismo zu hinterfragen. Geschickt schlägt er den Bogen von alltäglichen zu heik-len Themen, wie der weit verbreiteten sexu-ellen und häuslichen Gewalt gegen Frauen in Mosambik. Ob es sexuelle Nötigung sei, wenn ein Mann mit seiner Ehefrau schlafe, obwohl sie gar keine Lust habe? Ob man noch ein richtiger Mann sei, wenn man sich um seine Kinder und den Haushalt kümmere? Die jun-gen Männer diskutieren leidenschaftlich über diese Fragen und versuchen sich gegenseitig von ihrem Standpunkt zu überzeugen. Denn nicht jeder kann sich sofort für die Idee der Gleichberechtigung erwärmen.

Emanzipation für den Mann

Júlio Langa, der Gründer des HOPEM-Netz-werks, lächelt zufrieden. Männer bräuchten eine Gelegenheit, um ihr maskulines Rollen-verständnis zu reflektieren. Dann könnten sie auch mit ihren Partnerinnen offener sprechen. Sie bräuchten neue Vorbilder, starke emanzi-pierte Männer, die für einen gesellschaftli-chen Wandel stehen, um sich selbst zu trauen sich zu verändern. Sie müssten begreifen, dass Gleichberechtigung nicht nur im Interesse der Frauen sei. Auch Männer gewännen an Freiheit, wenn sie sich von den traditionellen Geschlechterrollen lösen, betont Júlio Langa.

„Wenn ich statt Fußball lieber eine Seifenoper sehen möchte, oder lieber mit meiner Freun-din bummeln gehen möchte, statt mit den Jungs Bier zu trinken, dann muss ich mich dafür nicht schämen.“ Die rigiden traditionel-len Geschlechterrollen würden Männer ein-engen und enorm unter Druck setzen, fügt er hinzu. Viele von ihnen hätten das Gefühl, vor ihren Freundinnen oder Frauen immer etwas darstellen zu müssen. Die Frustration, ihren eigenen Vorstellungen nicht gerecht zu wer-

den, äußere sich häufig in Gewalt. Ein Thema, das in der Diskussionsrunde immer wieder aufgegriffen wird, ohne die Kursteilnehmer persönlich anzugreifen.

Machos sind Männer von gestern

Den 22-Jährigen Manuel Frio faszinieren die-se neuen, beinahe revolutionären Gedanken. Er beginne zu verstehen, wie wichtig es sei, die traditionellen Muster aufzubrechen, sagt er mit leuchtenden Augen. Frauen und Män-ner sollten nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch im Haushalt gleichberechtigt sein. Und er fügt hinzu: „Machos sind Männer von ges-tern.“ Wenn er einmal heirate, dann wünsche er sich eine Partnerschaft, in der keiner dem anderen überlegen sei und die täglichen Auf-gaben geteilt würden. Der Student ist einer der

ersten, der nach der Diskussionsrunde wieder in die Küche geht. Er füllt Reis und Bohnen in Schüsseln und trägt sie nach draußen. An ei-ner langen Tafel essen die Männer gemeinsam, was sie heute gekocht haben. Manuel Frio ist überrascht, dass es so gut schmeckt und mo-tiviert, das Rezept bald auch zu Hause auszu-probieren. „Die erste Mahlzeit werde ich für meine Mutter kochen. Denn sie hat noch nie etwas gegessen, was von einem Mann zube-reitet wurde.“

Weitere Informationen unter: www.hopem.org.mz

Leonie March berichtet als freie Journalistin aus den Ländern des Südlichen Afrika. Sie ist Mitglied des Korrespondenten-Netzwerks www.weltreporter.net

Migration

Teilnehmer des Kochkurses bereiten Speisen auf einem Marktplatz zu, um für neue Geschlechterrollen zu werben.

Foto

: Hop

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Derweil verhandeln die Regierung und die RENAMO, sie treffen Ver-einbarungen über die Zusammen-

setzung der Wahlkommission, versichern der Öffentlichkeit, dass sie keinen Krieg wollen, und zwischendurch gibt es immer wieder Gewalttaten. Und die RENAMO stellt immer wieder neue Forderungen. Die so genannten RENAMO-Kämpfer behaupten, sie würden aus Gründen der Selbstverteidigung handeln; die Regierung sagt, sie sorge für Ordnung und kann nicht zulassen, dass die öffentliche Si-cherheit gefährdet wird. Wiederholt wird von beiden Seiten das Gleiche behauptet. Und im-mer mehr Menschen sagen, dass sie Frieden wollen.

Dabei hat das alles mit der nicht gestell-ten Frage zu tun: Welchen Frieden wollen die Menschen in Mosambik? Als der Krieg bedrohlich von Tag zu Tag wahrscheinlicher wurde, gingen die Menschen auf die Barri-kaden und skandierten laut, dass sie Frieden wollen. Einziges Problem dabei ist, dass man unter „Frieden“ so viele Dinge verstehen kann. Selbst die RENAMO und die Regierung gaben zur Protokoll, dass auch sie Frieden wollten. Und so liefen die Verhandlungen und die De-batten in der Öffentlichkeit weiter, aber gegen-standslos, weil sie eben diese allerwichtigste Frage nicht stellten. Um verstehen zu können, warum man sich mit der Frage so schwer tut, müssen die Hauptakteure kurz dargestellt werden. Das sind die Regierungspartei, FRE-LIMO, die Opposition in Form von RENAMO und MDM sowie die so genannte Zivilgesell-schaft. Es ist leider nicht im Interesse dieser drei Akteure, die Frage zu stellen, die gestellt werden muss. Keiner von ihnen scheint zu verstehen, was Politik ist.

Vielfältige Interessen

Die FRELIMO interessiert die Frage deshalb nicht, weil sie immer noch mit dem Ausgang des Destabilisierungskrieges beschäftigt ist.

Für sie bleibt der Destablisierungskrieg eine verräterische Handlung, welche die FRELI-MO daran gehindert hat, Mosambik nach den eigenen sozialistischen Vorstellungen aufzu-bauen. Aus der Sicht der FRELIMO hat das Friedensabkommen von 1992 nicht unbedingt Demokratie eingeleitet. Die FRELIMO hat das Abkommen als eine Chance wahrgenommen, noch einmal zu versuchen, ihre Hegemonie abzusichern. So ist zu verstehen, warum sie, und vor allem seit Guebuza die Macht über-nahm, immer den Eindruck vermittelte, die Opposition vernichten zu wollen. Auch die Bevorzugung von eigenen Parteimitgliedern in allen wichtigen Positionen (in der Wirt-schaft und im Staatsapparat) folgt einer Logik, die nicht unbedingt damit zu tun hat, dass man die Korruption für richtig hält. Vielmehr geht es darum, die „richtigen Mosambikaner“ – d. h. die, die der FRELIMO treu geblieben sind – zu fördern, damit sie das Land „ret-ten“ können. Die Partei ist zwar zerstritten, vor allem entlang ideologischer Gräben, d. h. zwischen denjenigen innerhalb der FRELIMO, die immer noch daran glauben, dass der Sozi-alismus der einzige Weg sei und denjenigen, die nur noch eine diffuse Idee von Mosambik als Befreiungsprojekt haben. Erstere haben innerhalb der FRELIMO kaum Anhänger-schaft. Letztere haben mehr AnhängerInnen, vor allem solche, die opportunistisch handeln. Weder die eine noch die andere Seite hat ein überzeugendes Interesse an einem politisch vielfältigen Land. Für sie ist die Vernichtung der Opposition eine reelle und legitime Op-tion.

Die Opposition ihrerseits ist nicht einheit-lich. Es gibt die RENAMO auf der einen Sei-te und die MDM auf der anderen. Erstere ist hoffnungslos überfordert mit ihrer selbstzu-geschriebenen Rolle als Einführerin der De-mokratie. Seit der Einführung der Mehrpar-teiendemokratie ist es der RENAMO nicht ge-lungen, sich als politische Partei zu etablieren. Schuld daran war vor allem der autoritäre Stil ihres Anführers, der zu vielen Abspaltungen

geführt hat (darunter auch die Abspaltung, die zur Gründung der MDM führte), aber auch die grundsätzliche Schwierigkeit, Politik in einem Entwicklungsland zu machen, dessen Staat von einer anderen Partei dominiert wird. Politik ist unter solchen Umständen, und strukturell gesehen, ein Nullsummenspiel. Die RENAMO, ähnlich wie die FRELIMO un-mittelbar nach der Unabhängigkeit, hat sich zu einem Patronage-Netzwerk entwickelt, bei dem es vorrangig darum geht, von irgendwel-chen Geldern zu leben, die einem aufgrund vergangenen Taten geschenkt werden sollen. Am Anfang sicherten internationale Gelder dieses Netzwerk. Später waren es hauptsäch-lich Gelder, die aufgrund des Status als zweit-grösste Partei eingeworben wurden. Beide Quellen trockneten ziemlich schnell aus, ohne dass sich die RENAMO wirklich darum be-müht hätte, sich anders finanziell abzusichern. Seit vielen Jahren litt der RENAMO-Anführer unter dem Druck seiner Militärs, die von ihm Geld verlangten, welches er nicht hatte. So komisch wie es klingen mag, opferte er sich mit seiner Rückkehr in den Busch in den letz-ten drei Jahren für den Frieden in Mosambik. Dass es dann doch noch zur Gewalt kam, lässt sich auf eine Eskalation zurückführen, die vor allem mit zwei Faktoren zu tun hat. Ein Faktor ist die Drohsprache, von der der RENAMO-Anführer Gebrauch macht, um seinen eigenen Leuten zu signalisieren, dass er sich für ihr Anliegen einsetzt. Der andere Faktor ist die Überheblichkeit einiger FRELIMO-Politiker um den Präsidenten herum, die aufgrund der niederschmetternden Wahlsiege der jüngeren Vergangenheit geglaubt haben, endlich die Oberhand gewonnen zu haben. Beide haben sich böse verschätzt.

Derweil glänzt die MDM durch ihr Schwei-gen in der ganzen Geschichte. Ihre Politiker äussern sich kaum zur aktuellen politischen Lage. Sie verurteilen die Gewaltanwendung durch die RENAMO nicht und sie verlangen von der FRELIMO keine Mitsprache bei den Verhandlungen. Die Partei hat bei den letzten

Die nicht gestellte FrageNicht gestellte Fragen rächen sich manchmal. So ließe sich die derzeitige politische Situation in Mosambik erklären. Seit ungefähr einem Jahr kommt es immer wieder zu Gewalt zwischen den Sicherheitskräften der Regierung und bewaffneten Männern, die der RENAMO zugeordnet werden. Mal sind diese Auseinander-

setzungen heftig, mal weniger. Niemand kann sagen, ob wir es erneut mit einem Krieg zu tun haben.

Von Elísio Macamo

Einschätzungen zur politischen Lage

Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Aktuelles

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Kommunalwahlen für ihre Verhältnisse gut abgeschnitten. Sie hat vor allem von der wach-senden Unbeliebtheit der Regierungspartei in den Städten und unter jüngeren WählerInnen profitiert. Sie funktioniert im Grund wie ein Franchise-Unternehmen. Sie stellt jedem ihre Parteistrukturen zur Verfügung, der ins Ren-nen möchte und das Potential hat, die FRELI-MO zu ärgern. Ihr Programm ist ideologiefrei und technokratisch. Sie verspricht, alles bes-ser zu machen. Sie hat keine Vision für das Land und deswegen hat sie auch keine Ah-nung, wie sie sich in das Gespräch zwischen der Regierung und der RENAMO einbringen kann. Sie gibt es nur.

Rolle der Zivilgesellschaft

Zu guter Letzt gibt es noch die Zivilgesellschaft. Ein Teil dieser Zivilgesellschaft, vor allem Aka-demikerInnen, hat zumindest versucht, sich einzuschalten. Sie organisierte einen Work-shop, bei dem eine Erklärung verabschiedet wurde, die eine nationale Konferenz forderte. Sie erklärte die Krise damit, dass sich die mo-sambikanische politische Kultur schwer tat/tue, MosambikanerInnen als BürgerInnen zu

sehen. Die Unfähigkeit der Hauptkontrahen-ten, die Gesellschaft einzubeziehen, wäre ein Beleg für diese Haltung. Der andere Teil der Zivilgesellschaft, der hauptsächlich aus Nicht-regierungsorganisationen (NRO) besteht, hat sich mit Ausnahme von einer Friedensdemo kaum geäussert. Das war auch kaum ver-wunderlich. Dieser Teil der Zivilgesellschaft investiert seine Zeit darin, mosambikanische Probleme so zu verpacken, dass sie ins Aus-land „verkauft“ werden können. Die dadurch erworbenen Gelder dienen dann meistens zur Reproduktion der NRO. Keine mosambikani-sche NRO zeigt Interesse daran, mit mosam-bikanischen politischen Parteien Politik zu machen. Bei wichtigen nationalen Themen, die es verdient hätten, national diskutiert zu werden, notfalls mit der Gründung von Inte-ressengemeinschaften mit Abgeordneten und anderen PolitikerInnen, richten die NRO ihr Blick nach aussen und hoffen dort Unterstüt-zung zu bekommen für ihre lokalen Anliegen.

Angesichts einer solchen desolaten poli-tischen Lage lässt sich eigentlich feststellen, dass die Art und Weise, wie Politik verstan-den wird, viel schlimmer ist als die eigentliche Kriegsgefahr. Die Frage nach dem Frieden ist eine Frage danach, wie im Lande über Pro-

bleme gesprochen werden sollte. Die einen sehen sich als die Lösung schlechthin, die anderen als berechtigte NutzniesserInnen des Ende des Destabilisierungskriegs, noch andere sehen sich als bessere VerwalterInnen von einem Land, wofür sie keine Vision haben, und der ganz große Rest begnügt sich damit, von den Problemen zu leben. Es überrascht nicht, dass die Frage nicht gestellt wird, wel-chen Frieden die Menschen wollen. Man wä-re gezwungen, sich Gedanken über Dinge zu machen, über die sich niemand Gedanken ma-chen möchte. Sie haben weder die Lust, noch haben sie die leiseste Ahnung, warum eine solche Frage wichtig wäre. Und das schreibt ein immer mehr enttäuschter Mosambikaner im Ausland, der nur noch von der hiesigen öffentlichen Diskussion, und aufgrund ihrer Substanzlosigkeit, genervt wird.

Elisio Macamo ist Soziologe und Professor für African Studies an der Universität Basel.

Migration

Wahlkampf 2009 – Afonso Dhlakama und Armando Guebuza friedlich nebeneinander Foto: Rainer Tump

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Aktuelles

I n nur vier Jahren hat die MDM es ge-schafft, drei strategisch wichtige Städte für sich zu gewinnen. Bei den letzten

Kommunalwahlen 2013, ein Jahr vor den Par-laments- und Präsidentschaftswahlen, erwies sie sich als ernsthafte Herausforderung für die regierende FELIMO.

Lutero wurde 1960 geboren und ist der ältere Bruder von Daviz Simango, dem Par-teivorsitzenden der MDM. Während Daviz in Beira lebt, hat Lutero seinen Wohnsitz in der Hauptstadt Maputo. Der Vater der Brüder, Uria Simango, war Mitbegründer und Vizepräsi-dent der FRELIMO von der Parteigründung im Jahr 1962 bis zum tödlichen Attentat auf den ersten Parteipräsidenten Eduardo Mondlane im Februar 1969. Danach wurde Simango im Zuge eines internen Machtkampfs abgesetzt; Samora Machel und Marcelino dos Santos übernahmen die Kontrolle über die Partei. Nach der Unabhängigkeit 1975 wurden Uria Simango und seine Frau Celina von der FRE-LIMO-Regierung ohne öffentlichen Prozess hingerichtet.

RLS: Die MDM wurde 2009 mit Unterstüt-zung von Dissidenten aus den Reihen von RENAMO, PCN (Partido de Convenção Na-cional) und FRELIMO gegründet. Was un-terscheidet sie eigentlich von den anderen Parteien?

Lutero Simango: Ich mag den Begriff „Dissi-denten“ nicht, er hört sich zu krass an. Meis-tens versteht man darunter Leute, die immer nur nach Macht streben, was hier nicht der Fall ist. Es stimmt nicht, dass die MDM aus Unzufriedenheit mit FRELIMO, RENAMO und PCN entstanden ist. Es gibt einfach Mo-mente, da spürt man, ich muss jetzt etwas für mein Land tun, und dann eröffnen sich neue Perspektiven. Aus meiner Sicht wurde die MDM gegründet, um die Demokratie zu retten und die Polarisierung auf zwei Partei-en zu überwinden. Und vor allem, um Mo-

sambik die Hoffnung zurückzugeben. Diese drei Säulen bildeten im Wesentlichen das Fundament für die Parteigründung. In der MDM sind nicht nur ehemalige Mitglieder der genannten Parteien, sondern auch junge Leute, die noch nie politisch aktiv waren. Für mich ist die MDM eine politische Partei, die den Mosambikanern dient, aber vor allem ist sie eine Partei ohne militärische Vergan-genheit. Sie ist nicht aus dem bewaffneten Kampf hervorgegangen, sondern wurde von demokratisch gesinnten und entwicklungsori-entierten Zivilisten ins Leben gerufen. Wenn man den politischen Diskurs verfolgt, fällt ei-nem auf, dass sich die einen für die Hüter der Unabhängigkeit halten und die anderen sich als Väter der Demokratie sehen. Dagegen ha-ben wir gar nichts, aber wir bestehen darauf, dass wir uns nun auf die Entwicklungsagenda konzentrieren müssen. Wir wollen über Woh-nung, Arbeit, Gesundheit, Bildung und den Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen reden. Wir stehen für eine neue Art, Politik zu machen.

RLS: Der Historiker Michel Cahen hat die MDM als eine christliche Mitte-Rechts-Partei beschrieben. Warum haben Sie sich für diese ideologische Orientierung entschieden? War es Ihre Strategie, sich sowohl von der FRE-LIMO, die als linke Partei mit radikal-ideo-logischer Vergangenheit gesehen wird, und der RENAMO – einer klar rechtsgerichteten Partei – zu unterscheiden?

Lutero Simango: Ich würde uns nicht als Mit-te-Rechts-Christen bezeichnen, damit würden wir ja Angehörige anderer Religionen aus-schließen. Lassen Sie uns ein einfach sagen, wir stehen Mitte rechts. Das hat einen einfa-chen Grund: Wenn wir über das Wesen eines typischen Mosambikaners reden, müssen wir seine Sozialisation berücksichtigen. Mosam-bikaner sind ihrem Wesen nach Individua-listen. Wir führen alle unser eigenes Leben:

Wir haben unser privates Eigentum, unsere Machambas, unsere Hausgärten, unsere Bäu-me, usw. Wenn Sie in meinem Haus zu Gast sind, kann ich in meinen Hühnerstall gehen und Ihnen ein Huhn schenken. Es ist mir eine Ehre, sagen zu können: „Lieber Freund, bitte suchen Sie sich das Huhn aus, das sie gerne essen möchten.“ Das ist es, was wir unter Ei-gentum – Privateigentum – verstehen.

In Mosambik und überhaupt in Afrika, gibt es so etwas wie kollektives Management von Gütern nicht. Kollektivierung sollte den Men-schen nicht aufgezwungen werden, sie muss sich von alleine entwickeln. Ich besitze mei-ne Machamba und weiteres Eigentum, habe aber natürlich die Freiheit, dieses mit Ihnen zu teilen. Das ist das Konzept des Privatei-gentums. Sie können das Kapitalismus oder Marktwirtschaft nennen, aber worum es geht, sind Eigentum und Eigentumsrechte. Kapital und Profit gehören dazu. Die MDM glaubt an Marktwirtschaft und Privateigentum. Wir müssen fördern, dass die Menschen privates Eigentum erlangen können. Dass jeder sein eigenes Haus oder sein eigenes Land besitzen kann. Das ist klassischer Kapitalismus.

Andererseits sind wir aber auch Afrikaner. Das heißt, für uns passiert nichts einfach so. Es ist immer eine höhere, eine göttliche Macht im Spiel. Egal, ob die Christen nun von Christus oder die Muslime vom Propheten Mohammed sprechen. Ich glaube nicht, dass es überhaupt Atheisten gibt. Jeder Mensch glaubt an etwas. Wer kein Christ oder Mus-lim ist, glaubt vielleicht an die Geister, das ist auch eine Form von Religion. Die MDM er-kennt alle Religionen an. Dass sie Mitglied der Christlich Demokratischen Internationale ist, bedeutet nicht, dass es sich um eine Partei nur für Christen handelt. Wir sind für alle offen.

Wir halten aber auch Bildung und Gesund-heit für sehr wichtig. Hier nehmen wir auch Ideen von den Linken auf, wenn uns die der Rechten nicht ausreichend erscheinen. Die MDM propagiert Bildung und Gesundheit

Neues politisches System2009 erlebte Mosambik die Geburt einer neuen politischen Partei, der Demokratischen Bewegung Mosambiks (Movimento Democrático de Moçambique – MDM). Um mehr Einblick in das politische

Gedankengut der MDM zu bekommen, hat Fredson Guilengue, Projektleiter der Rosa Luxemburg Stiftung – Südliches Afrika (RLS), den Fraktionsführer der MDM im mosambikanischen

Parlament, Lutero Chimbirombiro Simango, interviewt.

Von Fredson Guilengue, übersetzt von Ingrid Lorbach

Interview mit dem MDM-Politiker Lutero Simango

Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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für alle und stimmt dabei mit der Linken überein. Letztendlich befürworten wir ei-ne soziale Marktwirtschaft, denn wenn die Menschen nicht genug Geld haben, muss der Staat einspringen. Um die staatlichen Kapa-zitäten auszubauen, befürworten wir eine Steuerpflicht für alle. Ich glaube, wir haben uns unbeabsichtigt von den anderen Parteien – FRELIMO wie RENAMO – abgesetzt, weil wir als erste die sozio-kulturellen Strukturen unseres Volkes verstanden haben. Wie gesagt, als Afrikaner kann unsere Position nur Mitte rechts sein.

RLS: Wie bewerten Sie die Ergebnisse der letzten Kommunalwahlen mit dem kome-tenhaften Aufstieg der MDM, und welche Faktoren haben Ihrer Meinung nach dazu beigetragen?

Lutero Simango: Die Kommunalwahlen 2013 waren ein wichtiger Meilenstein für die MDM, weil wir damit unsere Stellung als po-litische Organisation festigen konnten. Unab-hängig von den Ergebnissen stärkten die Wah-len die landesweite Präsenz der Partei, und bewiesen den Mosambikanern, dass wir im ganzen Land Mitglieder haben. Das stärkt den Trend zu einem dritten Weg. Ich stimme aber zu, dass wir bis zu den Wahlen im Oktober warten sollten, um zu beurteilen, ob dieser Trend anhält. Derartige Ergebnisse, wie wir sie in den Kommunalwahlen erzielt haben, hat zuvor noch keine Oppositionspartei er-reicht. Deshalb kann man auch nicht sagen, dass die Ergebnisse eine Folge des Vakuums sind, das durch den Wahlboykott der RENA-MO entstanden ist, denn die RENAMO hat nie die Mehrheit in Quelimane und Nampula erreicht. Sie hat nie 40 Prozent der Stimmen in Maputo-Stadt und Matola bekommen, und niemals 48 Prozent in Chimoio erreicht. Wir haben es hier mit einer neuen Generation von Wählern zu tun.

RLS: Die derzeitige politische und militäri-sche Instabilität, 21 Jahre nach dem Allgemei-nen Friedensabkommen von Rom, bedeutet einen Rückschlag auf dem Weg zur nationa-len Versöhnung. Was ist schief gelaufen beim Versöhnungsprozess in Mosambik?

Lutero Simango: Ich stimme zu, dass es De-fizite bei der Umsetzung einer echten natio-nalen Versöhnung gibt. Das ist die Ursache der Probleme. Wir müssen uns auch einge-stehen, dass es ein halbherziger Prozess war, der damals zum Friedensabkommen führte. Es war ein strategisches Abkommen, das die Unterzeichner nicht wirklich akzeptierten und schon gar nicht als tatsächliches Ende der Feindseligkeiten ansahen. Deshalb blie-

ben einige militärische Stützpunkte für den Fall einer kritischen Situation erhalten. Es muss aber ganz klar sein, dass nationale Ver-söhnung nur möglich ist, wenn soziale Aus-grenzung und autoritäre Politik verschwinden. Wir sehen sehr wenig Bemühen um eine Po-litik der Inklusion, die uns alle unter einer Nationalflagge vereint. Es kann nicht ange-hen, dass es nach so vielen Jahren bei den staatlichen Unternehmen immer noch keinen Vorstand gibt, in dem Vertreter einer anderen politischen Richtung sitzen. Diejenigen, die das Allgemeinwohl verwalten sollen, werden alle auf der Basis politischer Verbindungen ernannt und nie wegen ihrer persönlichen Leistung. Bei Schuldirektoren ist es genau-so. Das sind alles Beispiele für Ausgrenzung und Diskriminierung, die den Nährboden für Instabilität bereiten. Die Agenda der nationa-len Versöhnung muss dringend überarbeitet werden. Zugegebenermaßen haben wir alle in dieser Hinsicht Fehler gemacht.

RLS: Welche Position hätte die MDM einge-nommen, wenn sie in den politischen Dialog zwischen der mosambikanischen Regierung und der RENAMO zur Lösung der derzeiti-gen politischen und militärischen Krisensitu-ation einbezogen worden wäre?

Lutero Simango: Ich habe immer unsere Posi-tion zum politischen Dialog deutlich gemacht. Wir waren davon auch nicht ausgeschlossen. Aber ein wichtiges Motiv für den Dialog war die Diskussion über das allgemeine Friedens-abkommen, und die überlässt man unserer Meinung nach am besten den beiden betei-ligten Parteien. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Dialog die Folge von Forderungen der RENAMO an die Regierung war (unter anderem forderte die RENAMO gleich viele Vertreter in der Nationalen Wahlkommissi-on wie die Regierungspartei FRELIMO). Der Grund dafür war zunächst die mangelnde Um-setzung des Friedensabkommens durch die Regierung, später ging es auch um Themen wie die Wahlgesetzgebung. Wir waren der Meinung, die beiden Parteien sollten Fragen im Zusammenhang mit dem Friedensabkom-men unter sich diskutieren. Darüber hinaus aber, so unsere Position, sollte niemand ausge-schlossen werden, wenn es um die Diskussion von Themen nationalen Interesses geht. Beide Seiten sind an der Tötung unschuldiger Zivi-listen beteiligt, darum forderten wir sie beide auf, eine Lösung zu finden um den bewaffne-ten Konflikt zu beenden.

Wenn es um weitergehende Fragen geht, müssen sie alle politischen Akteure in Mo-sambik, auch die MDM, einbeziehen. Man darf uns nicht übergehen in der Analyse und Debatte zur Zukunft Mosambiks. Wenn wir

beteiligt gewesen wären, hätten wir es als unsere Aufgabe gesehen, anzumahnen, dass das Land Versöhnung und Fortschritt braucht und eine Strategie zum Management der na-türlichen Ressourcen. Wir hätten auch darauf hingewiesen, dass wir darüber entscheiden müssen, welche Art von Armee das Land ha-ben sollte.

RLS: Was für eine Außenpolitik – regional und international – könnten wir erwarten, wenn die MDM an die Macht kommen sollte?

Lutero Simango: Wir werden uns an inter-nationale Konventionen halten und sie res-pektieren. Grundlage unserer Politik wird die friedliche Koexistenz zwischen Staaten sein. Wir werden internationale Verträge zwischen Mosambik und anderen Ländern respektie-ren, ebenso das Konzept guter Nachbarschaft. Diesen gegenseitigen Respekt wollen wir als Chance für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nutzen. Wir werden auch die Finanzabkommen zwischen Mosambik und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) anerkennen, aber natürlich werden wir die Kriterien der Verträge überprüfen, denn jede Regierung hat ihre eigenen Ziele. Entspre-chend diesen Zielen werden wir neue Kriteri-en mit dem IWF aushandeln müssen, um die Entwicklung und einen schnelleren Abbau der Staatsschulden zu sichern. Wir werden auch die Charta der Vereinten Nationen und die der Afrikanischen Union verteidigen. In den diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern werden die Interessen Mosambiks für uns immer Priorität haben.

Das Interview ist eine leicht gekürzte und übersetzte Fassung der Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung Südliches Afrika „Inter-national Politics 2/2014“. Wir danken der Rosa-Luxemburg-Stiftung für die Erlaubnis, das Interview abzudrucken. Das Original (englisch) kann unter dem folgenden Link abgerufen werden: http://www.rosalux.co.za/wp-content/

uploads/2014/04/Mozambique-MDM-IP-02_2014.pdf“

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Aktuelles

D ezember 2013

Die Analysen darüber, ob Mosam-bik auf dem Weg in den Bürgerkrieg ist oder sich bereits darin befindet, überlasse ich an-deren, kompetenteren BeobachterInnen der Szene. Auch die Frage, ob es sich um einen

„nicht erklärten Krieg“ handelt oder „nur“ um räumlich begrenzte Scharmützel beschäftigt mich nicht wirklich. Für die Betroffenen (die Bevölkerung) spielt es auch kaum eine Rolle, wie die Situation, in der sie sich befinden und unter der sie leiden, genannt wird. Tatsache ist jedoch, dass die Mehrheit der Bevölkerung zutiefst verunsichert ist, dass alte Ängste und Traumata wieder aufbrechen und die Men-schen dennoch versuchen, eine Normalität in ihrem Alltag zu bewahren, Ängste zu verdrän-gen und sich an Hoffnungen festzuhalten.

Die Weihnachtszeit und die damit verbunde-nen Ferien sind immer Hauptreisezeit im Land. Familien, die im Norden oder den mittleren Provinzen des Landes wohnen, besuchen ihre Verwandten im Süden und umgekehrt. Wir, die wir als Ausländer in Mosambik leben und arbeiten, reisen dann gerne zu den traumhaf-ten Stränden im Süden oder Norden des Lan-des. In diesem Jahr wurden wir von unseren Botschaften gewarnt, dass eine Reisetätigkeit entlang der EN1 (Hauptverkehrsverbindung zwischen dem Norden und Süden) auf dem Abschnitt zwischen Inshope und Maputo als gefährlich einzuschätzen sei. Also blieben wir zu Hause in Chimoio, denn eine Flugreise ist ein Kostenfaktor, der das Reisebudget erheb-lich belastet. Für uns ist dieser Verzicht zu verkraften.

Für die MosambikanerInnen jedoch ist es ein erheblicher Einschnitt, wenn sie nicht – wie gewohnt – ihre Familien besuchen kön-nen. Eine Flugreise ist für die meisten uner-schwinglich, doch die vielleicht schon alten Eltern zu enttäuschen, nicht mit den Enkel-kindern Weihnachten zu feiern, die kranke

Tante nicht mit frischem Obst und Gemüse aus der Provinz zu erfreuen – unvorstellbar. Und so machen sie sich also dennoch auf den Weg, stellen das Prinzip Hoffnung über die Angst und steigen in den Bus. So auch Paula, eine unserer MitarbeiterInnen.

Die Hinreise verläuft glatt, doch auf dem Rückweg kommt es zu zwei Tagen Verzöge-rung, da auf der Gegenseite, der Strecke Insho-pe – Maputo, der auf diesem Streckenabschnitt schon seit Monaten von einem Militärkonvoi begleitete Reiseverkehr attackiert wird. Drei Tote, vier Verletzte, vier ausländische Tou-risten befanden sich ebenfalls in dem Reise-bus, zwei davon wurden leicht verletzt. Ein Drama, von dem sich kaum einer der direkt Beteiligten schnell erholen wird. Paula und ih-re ReisegefährtInnen erfuhren natürlich von den Ereignissen, die ihre eigene Weiterreise verzögerten. Als Paula endlich in Chimoio ist, brauche ich gar nicht zu fragen, wie sie sich fühlt – ich weiß es ohnehin. Stunde um Stunde in Ungewissheit und Angst, um sich und die anderen, um das eigene Leben, um die Zukunft. Einer der Toten der Busattacke ist der Nachbar meines Freundes Afonso. Der Sohn meines Wächters ist in Beira nur knapp einer rüden Zwangsrekrutierung zum Militär entkommen – auch wenn die Ereignisse selbst räumlich noch entfernt sind, rücken sie immer näher, wird die Betroffenheit immer direkter.

Unsere Arbeitszeit im Projekt teilen wir seit Monaten mit besorgten Diskussionen um die Zukunft Mosambiks, um die Zukunft unserer Kinder, die wir teilweise aus sehr schwierigen und belastenden Situationen herausgeholt, die wir vor dem Tod bewahrt haben, denen wir ein neues Bewusstsein für ihr Leben und ihre Gesundheit gegeben haben, ein Zuhause und Zuversicht, was die Zukunft betrifft. Das alles erscheint plötzlich merkwürdig grotesk, wenn die Zukunft in Frage gestellt und die Gegen-wart mit Ängsten und Bedrohungen besetzt ist. Wir hören und lesen von vielen Flüchtlingen,

die gerade jetzt, wo sie eigentlich ihre Felder bestellen sollten, um das Überleben der Fa-milie in diesem Jahr zu sichern, ihre Häuser verlassen, die Felder unbestellt bleiben und sie mit wenigem Hab und Gut in vermeintlich sichere Gegenden fliehen. Die Medien berich-ten, es handle sich überwiegend um Frauen und Kinder – offensichtlich sind die Männer, ob freiwillig oder gezwungenermaßen, bereits in den „nicht erklärten Krieg“ gezogen.

In Chimoio leben wir in einer Art Schein-normalität. Wir sind hier noch sicher, bisher gab es keine Übergriffe, die etwas anderes befürchten ließen und doch liegt über allen und allem ein unsichtbarer Schatten, ziehen dunkle Wolken hinter dem strahlend blauen Himmel vorbei – unsichtbar, aber spürbar.

Es ist unnötig, an dieser Stelle Zahlen zu nennen, wie viele Tote und Verletzte es seit Be-ginn der Auseinandersetzungen gegeben hat – sie ändern sich ohnehin gerade täglich. Die Weltöffentlichkeit nimmt davon kaum Notiz, möglicherweise erscheinen die Ereignisse in Anbetracht der globalen Katastrophen als klein und unbedeutend. Doch für die Menschen in Mosambik ist das enttäuschend.

Die Bevölkerung versteht ihre Regierung nicht. Was würde es kosten, bei den Gesprä-chen zwischen RENAMO und FRELIMO aus-ländische BeobachterInnen, MediatorInnen zuzulassen – für die Chance auf Frieden? Ist nicht gar der Staatshaushalt zu einem großen Teil von ausländischen Geldern getragen, wa-rum sollten die Geber sich also nicht darum sorgen oder sogar eine gewisse Verpflich-tung zu solcher Sorge haben, dass nicht alle Anstrengungen der letzten Jahrzehnte völlig umsonst waren, dass Frieden als das höchste Gut und Basis jeglicher Entwicklung um jeden Preis gesichert werden muss?

In unserem eigenen Projekt – LeMuSiCa – sind Kontrolle und Transparenz selbstver-ständlich für uns, auch und gerade unseren ausländischen Geldgebern gegenüber. Besu-

Sorgenvoller Blick in die Zukunft

Der Konflikt in Mosambik ließ Ängste und Sorgen wieder aufleben, die noch aus den Zeiten des Destabili-sierungskrieges stammen. Der Artikel von Judith Christner vermittelt Einblicke in die Situation vor Ort und

verdeutlicht die Ängste und Zweifel der mosambikanischen Zivilgesellschaft vor einem neuen Krieg.

Von Judith Christner

Über die Situation und die Auswirkungen der Konflikte auf die lokale Bevölkerung

Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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che und Nachfragen derselbigen empfindet niemand als Eingriff in unsere Gestaltungs-möglichkeit.

Inzwischen haben Gespräche mit Ergebnis-sen stattgefunden – nationale MediatorInnen und BeobachterInnen wurden akzeptiert und Fortschritte auf der diplomatischen Bühne erzielt; es kam zu einer Einigung bezüglich der Besetzung der Wahlkommission und damit wurde auch der Weg geebnet für die Beteiligung der RENAMO an den Wahlen im Oktober 2014.

A pril 2014

Seit etwa vier Wochen ist es nun ruhig auf den Straßen, zumindest dringen keine Informationen von weiteren Attacken zu uns durch. Wer jedoch in diesen Tagen Richtung Norden reist, wie ich es im März mit einer Freundin aus Deutschland getan ha-be, und dabei die Region Gorongosa passieren muss, sieht sich mit Situationen konfrontiert, die wir zumindest als befremdlich, ja sogar als bedrohlich empfunden haben. Mehrfache Kontrollen durch Militär, deutlich schwer bewaffnet und immer wieder Militärfahrzeu-ge, die unsere Wege kreuzen. Für uns eine unangenehme Unterbrechung unserer Reise, doch für die örtliche Bevölkerung sicherlich eine bedrückende Präsenz von bedrohlichem Ausmaß, die alte, unliebsame Erinnerungen und Ängste wachruft. Derweil dreht sich das politische Karussell weiter, denn nun geht es

um die Benennung der Kandidaten für die Prä-sidentenwahl. Die FRELIMO hat nach langem Hin und Her Filipe Nyusi mit 68 Prozent der Stimmen des Zentralkomitees gegen Luisa Di-ogo zum Nachfolgekandidaten für Guebuza ge-wählt. In der kritischen Presse wird in diesem Zusammenhang ganz offen von „gekauften“ Stimmen gesprochen. Die FRELIMO-Frauen bleiben weiterhin eher in der Rolle der „Steig-bügelhalterinnen“ für potentielle männliche Kandidaten, obwohl nach ersten Umfragen bei der Bevölkerung eine Kandidatin deutlich gute Chancen hätte, gewählt zu werden.

Die MDM (Movimento Democrático de Moçambique) hat sich für Daviz Simango ent-schieden, und die RENAMO wird sicherlich Dhlakama nominieren – der jedoch wurde seit dem Überfall auf Santunjira weder gesehen noch direkt gehört. Er befindet sich angeblich an einem sicheren Ort, und alle Verlautbarun-gen und Kommentare zur aktuellen Situation werden vom Generalsekretär oder vom Pres-sesprecher der RENAMO übermittelt.

Während also noch nicht alle Kandidaten gekürt sind, rührt Präsident Guebuza eifrig die Werbetrommel für seinen Kandidaten – eine Art Vorwahlkampagne auf Staatskosten. In- und Ausländische Kritik scheinen ihn da-bei kaum zu tangieren – er beruft sich auf sein Recht der freien Meinungsäußerung. Die Ver-mischung von Parteipolitik mit Regierungsver-antwortung ist in seinem Fall ein bekanntes Phänomen, das er auch oder gerade in Bezug auf seine Nachfolge nicht hinterfragen lässt.

Im Rückblick auf die Kommunalwahlen und die Entwicklungen der letzten Monate tau-chen immer wieder die Begriffe Gewinner oder Verlierer auf. Ich selbst ergehe mich nicht gerne in schwarz-weiß Malereien oder Schubladen-Denken, und doch möchte ich an dieser Stelle einmal von den Gewinnern sprechen. Wenn es im Umfeld derartiger dramatischer Entwicklungen überhaupt gute Nachrichten und Gewinner geben kann, dann ist es für mich die der „Demokratisierung“ des Landes und der Menschen. Mutige und öffent-liche Kritik, Demonstrationen in allen großen Städten des Landes – friedlich und solidarisch in der Sache – ich selbst hätte das noch vor fünf Jahren nicht für möglich gehalten. Der Prozess der Wahlerfassung läuft und bis Ok-tober kann noch vieles passieren – es bleibt weiterhin spannend und spannungsgeladen in Mosambik.

Judith Christner lebt und arbeitet seit 2000 in Chimoio in dem Frauen- und Kinderprojekt LeMuSiCa, das vorwiegend aktiv ist im Bereich häusliche und sexuelle Gewalt, Aidspräven-tion sowie Begleitung und Ermutigung von Kindern und Jugendlichen, die direkt oder indirekt von Aids betroffen sind.

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Die Stimmung im Land ist angespannt und gerade beim Reisen werden die Konflikte sichtbar.Foto: Gregor Zielke

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Aktuelles

Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Ein gespaltenes LandDie bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Teilen der RENAMO und Regierungstruppen im

Zentrum Mosambiks haben das Land tief gespalten. Daran wird auch das Waffenstillstandsabkommen wenig ändern. Einen Höhepunkt erreichte die Anspannung rund um die Kommunalwahlen im

November 2013. Eindrücke aus verschiedenen Orten Mosambiks, eingefangen in dieser heißen Phase, zeigen auch, dass längst überwunden geglaubte Ängste schlagartig wieder präsent wurden.

Von Jan Schikora (Text & Fotos)

Bewaffneter Konflikt und Wahlen halten Mosambik in Atem

Seitdem „bewaffnete Männer“ der RENAMO willkürlich zivile Fahrzeuge beschießen, kann der Streckenabschnitt

der Überlandstraße EN1, der Hauptverkehrs-achse Mosambiks in Nord-Süd-Richtung, zwischen Caia am Sambesi und dem Rio Save nur in Begleitung von Militärkonvois befahren werden. Die meisten der großen Busunternehmen haben die Strecken in das Zentrum und den Norden Mosambiks jedoch längst von ihren Fahrplänen genommen. „An-gesichts der derzeitigen Situation können wir die Sicherheit der Passagiere nicht mehr in ausreichendem Maße garantieren“, bedauert ein Mitarbeiter des Busunternehmens TCO am Telefon. Ein Bus des Unternehmens wurde bereits beschossen und in Brand gesetzt. Der Verkehr durch die Provinz Sofala hat in den letzten Monaten stark abgenommen. „Wer in der derzeitigen Situation nicht die Mittel be-sitzt, um einen Flug nach Maputo zu kaufen, der überlegt es sich zweimal, ob er es über die EN1 versucht“, erzählt ein Händler auf dem Busbahnhof von Quelimane. Die Strecke zwi-schen Quelimane und Beira wird momentan nur durch wenig vertrauenerweckende chapas abgedeckt, und eben nur dann, wenn sich ge-nügend Passagiere finden. Im Vergleich zum hektischen Treiben auf anderen Busbahnhöfen des Landes nimmt sich dasjenige in Quelimane seltsam ruhig aus.

Desinformation und Kriegstraumata

Die Situation in den Konfliktgebieten ist ei-ne große Unbekannte. Das liegt auch daran, dass die wichtigsten Medien des Landes regie-rungsnah sind und dieselbe Strategie wie aus Zeiten des Destabilisierungskrieges anwen-den. Nur tröpfchenweise sickern Neuigkeiten durch, die in den meisten Fällen davon berich-ten, welche Aggressionen die „bewaffneten Banden“ neuerlich begangen haben. Hinsicht-

lich der Aktionen der regulären Streitkräfte wird hingegen bewusste Desinformation betrieben, umfassende Reportagen und Hin-tergrundberichte fehlen komplett. Das führt dazu, dass die Mundpropaganda wilde Blüten treibt. Täglich würden Fahrzeuge auf der EN1 in Sofala beschossen, will jemand erfahren ha-ben. Auch darüber, dass das Militär aus den Konvois mittlerweile ein lukratives Geschäft entwickelt hat, wird gerne und viel berichtet. Von gewaltsamen Vertreibungen ist die Rede, von Zwangsrekrutierungen, Massenhinrich-tungen und größeren Truppenbewegungen in abgelegenen Regionen wie Niassa und Tete. Viele Menschen sollen bereits aus Furcht vor dem neuerlichen Aufflammen des Krieges aus ihren Dörfern geflüchtet sein. Vieles erinnert im Kern an die traumatischen Erfahrungen aus Zeiten des Destabilisierungskrieges und zeigt, dass die Wunden, die dieser Krieg hin-terlassen hat, bis heute nicht verheilt sind.

Die bedenkliche Sicherheitslage rund um den Gorongosa-Park mit dem ehemaligen Hauptquartier der RENAMO hat den Aus-tausch zwischen den Provinzen des Landes stark beschnitten. Nicht nur der Güter- und Personenverkehr auf der EN1 wird empfind-lich getroffen, Gefahr strahlt auch auf den wirtschaftlich wichtigen Beira-Korridor und die Sena-Eisenbahnlinie aus, die für den Koh-leabbau in Tete elementar ist. Neben Sofala zählt auch Nampula zum Aktionsgebiet der Aufständischen. Dort gehört besonders die Bahnlinie zwischen Cuamba und Nampula zu den potenziellen Angriffszielen. Die An-spannung ist den Bahnreisenden deshalb an den Gesichtern abzulesen, insbesondere nach Einbruch der Nacht. Der Ausfall des Zugver-kehrs würde auch die Leute hart treffen, die entlang der Gleise leben, denn der Zug ist zugleich ein wichtiger Umschlagplatz für die landwirtschaftlichen Produkte der Region.

Reisenden auf die Ilha de Moçambique wird indes sogar davon abgeraten, die Strecke zwischen Nampula und der Insel in der Dun-

kelheit zurückzulegen, denn das könne zur Zeit gefährlich sein. Auch an Verkehrsknoten-punkten außerhalb der Stadt, wie in Namialo, solle man besser nicht Halt machen oder den Bus wechseln. „Dieser Tage gibt es viele Leu-te, die die Unruhe ausnutzen, um ihr eigenes Süppchen zu kochen“, warnt eine Herbergs-wirtin. Auf der Insel selbst ist hingegen wenig zu spüren von der Anspannung, die andere Landesteile ergriffen hat. Die Zeit steht weiter still, und das schon seit Jahrhunderten. Das Straßenleben nimmt seinen gewohnt ruhigen Gang, und die „dhows“, die auf dem türkisfar-benen Wasser vor sich hin schunkeln, können nur den Eindruck vermitteln, dass die Welt im Lot ist. Einzig eine einsam im Wind flattern-de Fahne über den einfachen, in traditioneller Bauweise errichteten Häusern der vergleichs-weise quirligen Cidade de Macuti erinnert an die Gegenwart und daran, dass das Land vor Wahlen steht. Die Fahne zeigt einen Hahn vor der Sonne Mosambiks, das Symbol der MDM. Am 20. November 2014 werden in 53 Muni-zipien die Lokalregierungen gewählt.

Wahlszenarien

Unmittelbar vor den Wahlen erreicht die An-spannung im Lande einen neuen Höhepunkt. Unklar ist, wie die RENAMO, die die Wahlen boykottiert, sich am Wahltag verhalten wird. Es wird auch über zahlreiche Unregelmäßig-keiten von Seiten der Behörden berichtet. Da-zu gehören Schikanen für Oppositionspoliti-kerInnen, die willkürliche Durchsuchung von Wahlbüros sowie die Schaffung zusätzlicher, nicht im Wahlgesetz vorgesehener Erforder-nisse für die Eintragung ins WählerInnenver-zeichnis. In Pemba, der Provinzhauptstadt von Cabo Delgado, spielen sich in dieser Phase bizarre Szenen ab. Im Morgengrauen fahren AnhängerInnen der FRELIMO ostentativ auf offenen Transportern durch das noch weitge-hend verwaiste und still daliegende Stadtzen-

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Oben: Auf der Ilha de Moçambique nimmt das Leben seinen gewohnten Gang Unten: Verkehrsknotenpunkte außerhalb der Stadt wie hier in Namialo sollen gemieden werden

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14 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

trum, singen aus voller Kehle ihre Hymnen und Kampfeslieder und reißen Plakate mit der Wahlwerbung des Oppositionskandidaten von den Wänden. Letztlich wird der Kandidat der FRELIMO bei den Wahlen hier stolze 74 Prozent der Stimmen holen. Bei der Regierung dürfte dieses Ergebnis insofern für Erleichte-rung gesorgt haben, als die vormals wenig be-achtete und kaum erschlossene Provinz des Nordens durch die Entdeckung von Offshore-Erdgasfeldern neben der Kohleregion von Tete zum neuen Goldesel der mosambikanischen Wirtschaft werden soll.

In anderen Teilen des Landes führen die Wahlen, die, wie internationale Medien be-richten, zwar „in angespannter Atmosphäre, aber ohne größere Vorkommnisse“ verlaufen, zu Ergebnissen, die der Regierungspartei we-niger schmecken dürften. Die Kandidaten/Kandidatinnen der MDM feiern zum Teil klare Siege in den regional wichtigen Zentren von Beira, Quelimane und Nampula. „Die FRE-LIMO soll sich jetzt warm anziehen“, lautet das Fazit eines in Deutschland ausgebildeten Sozialwissenschaftlers in Nampula, dessen Karriere nach eigener Aussage durch seine kritische Haltung gegenüber bestimmten Entscheidungen innerhalb der Partei abrupt beendet wurde. „Mit diesen Erfolgen besitzt die MDM die Chance, mit vorbildlicher Kom-munalpolitik ein positives Gegenbild zur aktu-ellen Miss- und Vetternwirtschaft zu schaffen und damit der Bevölkerung zu zeigen, dass sie zu regieren in der Lage ist“, frohlockt er. Doch auch bei der RENAMO stehen mit

den Wahlerfolgen der MDM die Zeichen auf Alarm. Denn während Teile der eigenen Partei auf bewaffneten Aktionen beharren, um die Regierung zu Gesprächen zu bewegen, läuft ihnen die MDM auf politischem Terrain mehr und mehr den Rang ab. Bereits im Oktober 2014 stehen die Präsidentschafts- und Parla-mentswahlen an, in denen die RENAMO nach derzeitigem Stand viel zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen hat.

Generationenkonflikte

Auch in der geschäftigen Landesmetropole Maputo konnte die MDM mit rund 40 Pro-zent der Stimmen für ihren Kandidaten einen beachtlichen Erfolg bei den Kommunalwahlen erzielen. Der Süden und insbesondere Maputo gelten seit jeher als Regierungsland und Hoch-burg der FRELIMO. Doch viele, gerade in der jüngeren Generation, stehen mittlerweile im Zwiespalt. „Mein Vater gehört zur ersten Generation der FRELIMO, ist Kriegsveteran und hat das zerstörte Land mit aufgebaut“, be-schreibt einer der jungen Leute, „deshalb ist es bis heute in meiner Familie undenkbar, nicht die FRELIMO zu wählen. Aber die Augen vor dem zu verschließen, was der aktuelle Präsi-dent unserem Land zufügt, ist schwer.“ Bei den Kommunalwahlen hat er sich der Stimme enthalten. Doch das schlechte Krisenmanage-ment der Regierung wiegt schwer. „Der Krieg hat das Land damals traumatisiert und dem Volk viel Kummer und Leid zugefügt. Nun zu

sehen, wie leichtfertig der Frieden aufs Spiel gesetzt wird, ist bedrückend“, meint er.

Die mangelnde Dialogbereitschaft, die gegenseitigen Beschuldigungen und das mo-natelange Katz-und-Maus-Spiel zwischen Regierung und RENAMO haben auch die internationale Gemeinschaft in Alarmbe-reitschaft versetzt. Zahlreiche Entführungen und vermeintliche Gräueltaten bewaffneter Banden an der Peripherie der Hauptstadt tun ein Übriges, um zum Jahresende hin für ein allgemeines Klima der Unsicherheit und Sorge zu sorgen. Nachhaltig werden deshalb die ehemaligen Kriegsparteien zu Dialog und friedlicher Beilegung des Konflikts und die Re-gierung zur Garantie der öffentlichen Sicher-heit aufgefordert. „Noch nie in all den Jahren nach dem Krieg war die Situation so schlimm und angespannt wie im Moment“, meint eine Deutsche, die seit Jahren in Mosambik lebt und hier Mann und Kinder hat. Sie überlege ernsthaft, dem Land den Rücken zu kehren. Die große Mehrheit der MosambikanerInnen hat nicht diese Option. „Wir haben nur die-ses eine Land und müssen daraus das Beste machen“, sagt eine aus der jungen Generation in Maputo. Es ist keineswegs nur Resignation, die aus ihren Worten klingt.

Jan Schikora lebte von 2011 bis 2013 in Ma-puto und bereiste im Herbst 2013 den Norden Mosambiks.

Zug als Warenumschlagplatz: Sein Ausfall würde die lokale Bevölkerung hart treffen

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EU-Abkommen zu Fischerei

Auf dem diesjährig stattfindenden vierten EU-Afrika Gipfel im April standen die Economic Partnership Agreements (EPA) im Vorder-grund der Gespräche. Bereits im Jahr 2009 unterzeichnete Mosambik ein Interimsab-kommen, trotz einiger Unstimmigkeiten. Das finale EPA muss bis zum 1. Oktober diesen Jahres unterzeichnet werden. Jedoch besteht die Sorge, dass das EPA lediglich der EU und nicht der mosambikanischen Bevölkerung zugute kommt. Das Abkommen gewährleistet Mosambik einen zollfreien Zugang aller Pro-dukte zum europäischen Markt. Im Gegenzug fordert die EU eine Liberalisierung von 80,5 % der Güter auf dem mosambikanischen Markt. Ausgenommen sein von der Liberalisierung sollen v. a. landwirtschaftliche und einige chemische und mineralische Güter. Seit Be-ginn der Verhandlungen (2006) gibt es von zivilgesellschaftlicher Seite viel Kritik an den Prozessen und Inhalten der EPA-Abkommen. Es wird befürchtet, dass die Abkommen durch die Freihandelskomponenten den af-rikanischen Ländern hinsichtlich der Redu-zierung von Hunger und Armut eher schaden als nutzen, da einseitig die Interessen der europäischen Exporteure im Vordergrund stünden.

Auf dem EU-Afrika-Gipfel warnte der mo-sambikanische Industrie- und Handelsminis-ter Armando Inroga davor, dass die von der EU geforderten Konditionen die Fischereiin-dustrie in Mosambik zerstören könnten. Die europäische Kommission stellt drei Bedingun-gen, die erfüllt werden müssen, bevor der in die EU exportierte Fisch als „mosambika-nisch“ angesehen werden kann, so Inroga.

„Erstens muss das Schiff unter mosambika-nischer Flagge segeln, zweitens müssen die Boote zu mindestens 50 % von Mosambikane-rInnen betrieben werden und drittens muss der Fang in mosambikanischen Gewässern gefischt worden sein.“ Armado Inroga vertritt die Meinung, dass die Erfüllung der drei Kon-ditionen für ein Land wie Mosambik, welches noch am Anfang seiner Investitionen in die Fischereiindustrie stehe, nahezu unmöglich sei und damit der Fisch aus mosambikani-scher Fischerei für den europäischen Markt nicht konkurrenzfähig werde.

Wasser

Die Bedeutung von Wasser wird in Bezug auf die landwirtschaftliche Entwicklung Mosam-biks noch zunehmen. Der neue UN Klimabe-richt stützt sich auf das „World Resources Ins-titute“ und zeigt für Mosambik vor allem zwei Dinge auf: Mosambik wird zwar mit weniger Wasserproblemen als andere afrikanische Län-der zu kämpfen haben, dafür wird es im Land aufgrund der globalen Erderwärmung aber zu sinkenden Ernteerträgen kommen. Die klima-tischen Veränderungen sorgen schon jetzt in weiten Teilen des Landes für unregelmäßige Regenfälle, was wiederum den Bedarf nach Bewässerung erhöht.

Entwicklungsziele Bildung

Das mosambikanische Bildungsministerium teilte mit, dass das Land die Millennium De-velopment Goals (MDGs) für Bildung bis zur Frist Ende 2015 nicht erreichen wird. Das zweite der insgesamt acht MDGs beinhaltet, jedem Kind bis 2015 Zugang zu Grundbildung zu ermöglichen. Laut dem nationalen Direktor im Bildungsministerium Manuel Rego gibt es allerdings immer noch Kinder im Schulalter, die nicht zur Schule gehen. Zu den Hauptgrün-den, die Eltern davon abhalten ihre Kinder in die Schule zu schicken, zählen Armut und die langen Wege zwischen dem Wohnort und der nächsten Schule. Zudem verlässt eine große Zahl von Kindern die Schule vorzeitig ohne die Primarschule zu beenden. „Das große Problem, dem wir gegenüberstehen, ist es, die Kinder in der Schule zu behalten“, sagte Rego. „Kinder sollten in der Schule bleiben, bis sie die 7. Klasse abgeschlossen haben. Wir sind sehr nah dran zu garantieren, dass alle Kinder in der Schule angemeldet sind, aber wir sind weit davon entfernt zu garantieren, dass sie auch dort bleiben.“ Die Situation ver-bessert sich nur langsam. So schlossen im Jahr 2013 72,6 % die Primarbildung (1.–5. Klasse) ab. Dieses Jahr erwartet das Ministerium ei-ne Abschlussrate von 86 %. Das dritte MDG beinhaltet die Gleichstellung der Geschlech-ter und die Stärkung von Frauen. Ziel ist es Geschlechterunterschiede in der Primar- und Sekundarbildung bis 2015 zu eliminieren.

Dieses Ziel würde aber auf Grund der hohen Schulabbruchsrate in den weiterführenden Schulen, der schlechten Bildungsqualität und der anhaltenden Geschlechterungleichheit verfehlt.

Von analog zu digital

Präsident Guebuzas „Abschiedsgschenk“ an seine Tochter löste eine kontroverse Debatte im Land aus. Am 1. April 2014 unterschrieb die mosambikanische Regierung einen Ver-trag über 133 Millionen USD mit der chinesi-schen Firma StarTimes zur Implementierung der zweiten Phase eines digitalen Rundfunk-systems. Dieses Vorhaben beinhaltet den Bau von 24 Übertragungsstationen und digitale Installationen für die öffentlichen Sender und ist Teil des insgesamt 300 Millionen USD kos-tenden Umstellung von analogen zu digitalen Sendern. Das Geld für den StarTime Vertrag stammt aus einem Kredit der chinesischen Eximbank. Die Zeitung O País gibt an, dass das Unternehmen Focus 21, welches im Besitz der Guebuza-Familie ist und von der Tochter des Präsidenten, Valentina Guebuza, geleitet wird, Miteigentümer von StarTimes ist. O Pais deckte auf, dass der Vertrag im Geheimen ge-schlossen wurde, ohne jegliche Diskussion mit den privaten Radio- und Fernsehsendern im Land und ohne öffentliche Ausschreibung.

Rechte gestärkt

Das mosambikanische Parlament beschloss einstimmig Gesetzesänderungen, die die Rechte HIV-positiver Menschen stärken sol-len. Die vom parlamentarischen Büro für den Kampf gegen HIV und AIDS eingebrachten Änderungen betreffen zwei Gesetze: Ein 2005 verabschiedetes Gesetz zum Schutz von Ar-beitnehmerInnen mit HIV und ein Gesetz von 2009, welches die Rechte und Pflichten HIV positiver Menschen festlegt. Beide werden nun zu einem einzigen Gesetzespaket zusammen-geführt. Die Änderungen stellen klar, dass nie-mand wegen seines HIV-Status diskriminiert werden darf: Kündigungen aus diesem Grund sind verboten, ebenso dürfen Einstellungen nie an einen HIV-Test geknüpft werden. Niemand

In Kürze

Zusammengestellt von Tabea Behnisch, Paula Hoffmeyer und Barbara Morth

Februar bis Mai 2014

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16 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

In Kürze

darf verpflichtet werden, seinen Arbeitgeber über seinen HIV-Status zu informieren. Im Fal-le einer Kündigung haben ArbeitnehmerInnen Anspruch auf eine Wiedergutmachung von vier Monatsgehältern für jedes Jahr, in dem sie gearbeitet haben. HIV-Tests dürfen nur mit der Zustimmung der betroffenen Person durchgeführt werden, sofern es sich nicht um eine medizinische Notwendigkeit handelt, die der Gesundheit der Patienten dient (z. B. vor einer Operation oder beim Blutspenden). Wäh-rend allen schwangeren Frauen ein HIV-Test angeboten werden muss, darf dieser ohne Zu-stimmung nicht registriert werden. Jede Wei-tergabe vertraulicher Information gibt Betrof-fenen einen Anspruch auf Wiedergutmachung. Dieser entsteht auch bei einer Ansteckung mit dem Virus bei der Arbeit, bei welcher der Arbeitgeber zusätzlich Informationen zu Beratung und Behandlung bereitstellen muss. Das Gleiche gilt bei einer Ansteckung durch medizinische Fehler oder während einer Be-handlung durch den staatlichen Gesundheits-dienst. Zum ersten Mal gibt es den Wiedergut-machungsanspruch auch bei einer Infektion durch traditionelle Heiler, bei denen die An-steckungsgefahr durch die Verwendung nicht sterilisierter Klingen erhöht ist. Einem tradi-tionellen Heiler, der seine Kunden ansteckt, kann jetzt auch ein Strafverfahren drohen: Die höchstmögliche Strafe für das Unterlassen der erforderlichen Maßnahmen zur Verhinde-rung einer Ansteckung ist eine Geldstrafe, die 60 mal so hoch ist wie der aktuelle Mindest-lohn (was zur Zeit ca. 5 310 USD entspräche). Die absichtliche Ansteckung mit dem HI-Virus kann mit acht bis zwölf Jahren Gefängnis be-straft werden.

Neues Rohstoffabkommen

Die mosambikanische und die portugiesische Regierung haben am 27.03.2014 ein Memoran-dum of Understanding für institutionelle, wis-senschaftliche und wirtschaftliche Zusammen-arbeit für den Rohstoffsektor unterzeichnet. Die Unterzeichnung fand am letzten Tag des dreitägigen Besuchs des portugiesischen Pre-mierministers Pedro Passos Coelho in Mosam-bik statt. „Durch dieses Memorandum wird es uns möglich sein, effektiver zu kooperieren“, so die mosambikanische Rohstoffministerin Esperanca Bias. Durch das Abkommen sollen mehr mosambikanische Fachkräfte in portu-giesischen Institutionen ausgebildet werden. Außerdem könnten portugiesische Firmen verstärkt mit mosambikanischen Firmen im Rohstoffabbau zusammenarbeiten. Im wissen-schaftlichen Bereich soll Mosambik Unterstüt-zung bekommen in der Forschung und bei der Kartierung neuer Gebiete.

Transparenz im Rohstoffsektor

Zwischen der Höhe an Steuern und anderen Zahlungen, die der mosambikanische Staat von Firmen aus der Bergbau- und Hydrokar-bonindustrie erhält, und den Angaben der Firmen über die Höhe dieser Zahlungen be-steht nur noch eine Differenz von 0,4 %. Dies geht aus dem neuesten Bericht der Extractive Industry Transparency Initiative (EITI) zu Mosambik hervor. Der Bericht bezieht sich auf 2011 – er sollte eigentlich schon 2013 veröffentlicht werden, Mosambik bat bei der EITI jedoch um Verlängerung bis April 2014. Die EITI ist ein Zusammenschluss aus Regierungen, Firmen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft, die für Transparenz und Rechenschaftspflicht im Management natürlicher Ressourcen eintritt. Das zentrale Prinzip ist die Offenlegung aller Zahlungen, die Firmen der Extraktiven Industrie an den Staat leisten. Hierfür werden sowohl von den Firmen als auch von den relevanten Behör-den Informationen eingeholt und abgeglichen. Der Bericht wird dabei von einer unabhängi-gen Firma erstellt, welche von einem Komitee aus Regierung, Industrie und Zivilgesellschaft im jeweiligen Land per Ausschreibung aus-gewählt wird. Mosambik trat der Initiative 2009 als Kandidat bei, seit 2012 erfüllt das Land die Kriterien als ein „compliant mem-ber“ der EITI. Der vierte EITI-Bericht ent-hält Daten von 23 Bergbau- und 16 Öl- und Gasfirmen. Danach erzielte der Staat Ein-nahmen von 3,069 Milliarden Meticais (ca. 100 Millionen USD), während aus den Firme-ninformationen Zahlungen von 3,055 Milli-arden Meticais hervorgingen. Die Differenz beträgt 13,8 Millionen Meticais zugunsten des Staates – bzw. 0,4 % der gesamten Zahlun-gen. Dies ist deutlich weniger als die von EITI festgelegte Toleranzgrenze von 3 %. Die Diffe-renzen können unter anderem durch falsches Ausfüllen der EITI-Formulare erklärt werden und dadurch, dass die Firmen teilweise das Geschäftsjahr als Referenzpunkt wählen, während EITI mit dem Kalenderjahr arbeitet.

Die Einnahmen des Staates von Berg-bauunternehmen waren im Jahr 2011 um 59 % höher als im letzten EITI-Bericht zum Jahr 2010. Obwohl in dem Bericht nur 16 Gas- und Ölfirmen aufgeführt sind, sorgten diese mit 2,11 Milliarden Meticias für mehr als doppelt so viele Einnahmen wie die 23 Bergbauunternehmen. Mit 719,4 Millionen Meticais kam die größte Zahlung vom US Öl- und Gaskonzern Anadarko, welches Gasvor-kommen im Rovumabecken vor der Küste der Provinz Cabo Delgado exploriert. Anadarkos Zahlungen machen 23 % der Gesamteinnah-men aus extraktiven Industrien für Mosambik aus. Laut Rohstoffministerin Esperanca Bias

verfügt Mosambik über sechs Sedimentbe-cken, in denen Kohlenwasserstoffe gefunden werden könnten. Bisher werden nur zwei davon erkundet: Das Rovuma- und das Mo-sambikbecken. Ein von Anadarko und dem italienischen Energiekonzern ENI geführtes Konsortium hat bisher etwa 5,1 Billiarden Kubikmeter an Offshore-Gasreserven in Mo-sambik entdeckt.

Umfrage vermittelt Optimismus

Einer aktuellen Umfrage des „Afrobarometer“ zufolge, blickt die mosambikanische Bevölke-rung der Zukunft optimistisch entgegen, gibt der Regierung jedoch schlechte Noten, v.a. hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen. Viele MosambikanerInnen sind zudem unzu-frieden mit der Gesundheits- und Bildungs-politik und ein Drittel fühlt sich in ihrer Mei-nungsfreiheit eingeschränkt. Die Ergebnisse wurden Ende 2013 veröffentlicht und bieten einige Indikatoren für die Wahlen im Okto-ber dieses Jahres. Insgesamt wurden 2 400 erwachsene MosambikanerInnen befragt.

47 % der Befragten sind der Meinung, dass die Regierung die Wirtschaft erfolgreich führt, und 60 % geben an, dass die Regie-rung darin versage den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern. 63 % geben der Regierung schlechte Noten hinsichtlich der Verringerung der Schere zwischen Arm und Reich. Hinsichtlich ihrer derzeitigen Situation geben 25 % an, dass ihre Lebensbedingungen gut seien, 43 % befanden sie weder gut noch schlecht und 32 % bewerteten ihre Lebensbe-dingungen mit schlecht. Interessant ist, dass 68 % der Bevölkerung der Zukunft sehr opti-mistisch entgegen blicken, indem sie davon ausgehen, dass sich ihre Lebensbedingungen in Zukunft verbessern werden.

Fragen zu Gesundheit und Bildung ergeben ein differenziertes Bild: Der Frage, ob die Re-gierung die Gesundheitsversorgung verbes-sert hätte, stimmen 62 % zu. Im letzten Jahr waren es jedoch noch 76 %. Bei dem Thema Bildung gab es ein ähnliches Ergebnis: 67 % sehen eine Verbesserung des Bildungssektors (im vorherigen Jahr waren es 77 %).

Nur 45 % der Befragten gaben an, dass die Medien einen Beitrag zur Veröffentlichung von Fehlern und dem Aufdecken von Kor-ruptionsskandalen der Regierung leisten. Der Zugang zu Medien in Mosambik ist vergleich-bar mit dem afrikanischen Durchschnitt: 71 % der MosambikanerInnen haben Zugang zu Nachrichten über das Radio, 44 % über das Fernsehen, 19 % durch Zeitungen und 11 % durch das Internet. 67 % der mosambikani-schen Bevölkerung benutzt ein Mobiltelefon mehr als einmal täglich.

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17Migration

Illegales Holz beschlagnahmt

Die Forstwirtschafts- und Wildbehörden aus Tete haben neun große LKW beschlagnahmt, die 160 Kubikmeter unverarbeitetes Hartholz geladen hatten. Laut Damião Caliano, dem Leiter der Untersuchungseinheit, wurden die LKW Ende Februar in den Distrikten Changara und Moatize sichergestellt. Gegen die LKW-Besitzer wurden Bußgelder in Höhe von vier Millionen Meticais (94 000 Euro) erhoben. Laut Caliano sind die ersten Bußgelder bereits bezahlt worden, um die LKW schnellstmöglich zurückzubekommen. Große LKW können in der Regenzeit in Mosambik keine unbefestig-ten Straßen befahren. Deshalb konzentrieren sich die Fahrer in dieser Zeit auf Changara und Moatize, da die Fernstraße von Simbabwe nach Malawi durch diese Distrikte im Tete-Korridor führt. Caliano zufolge konzentrieren sich die Untersuchungsteams der Forstwirtschaft mit festen Posten und mobilen Einheiten auf diese Bereiche. Sie arbeiten dabei eng mit der loka-len Bevölkerung zusammen.

Malariafälle

Der mosambikanische Gesundheitsminister Alexandre Manguele verwies darauf, dass Malaria nach wie vor eines der größten Pro-bleme im Gesundheitsbereich wäre. So ver-zeichneten die Gesundheitsposten im Jahr 2013 insgesamt 3 924 832 Malariafälle, 2 091 davon endeten tödlich. Laut Manguele seien eine stärkere Kohäsion und Koordination der Aktivitäten und ein größerer Einbezug aller MosambikanerInnen im Kampf gegen die Krankheit erforderlich. Der Repräsentant der WHO in Mosambik, Daniel Kertesz, betonte die ernsthaften sozio-ökonomischen Folgen, die die Krankheit für das Land hätte. Der Zu-gang zu qualitativ hochwertigen Malariamedi-kamenten sei eine wichtige Voraussetzung im Kampf gegen Malaria.

Verweigerte Zahlungen

Bergbauunternehmen sind in Mosambik dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Gewinne den ansässigen Regionen zukommen zu lassen, in denen sie aktiv sind. Mit diesen Abgaben ge-nerieren sie Möglichkeiten zur Entwicklung, Bildung und wirtschaftlichen Stabilität. Ein Großteil der Konzerne entzieht sich jedoch dieser Verantwortung und verweigert jegliche Steuerzahlung. Allein 2013 hätten 22,2 Milli-onen Meticais (719 000 USD) in die kommu-nalen Kassen fließen sollen, von denen aber lediglich 7,2 Millionen gezahlt wurden – von einem einzigen Unternehmen. Unternehmen

wie das anglo-australische Rio Tinto, das in-dische Jindal oder die britische Minas de Mo-çambique sind jegliche Zahlungen schuldig geblieben. Trotz zahlreicher Konferenzen mit KommunalpolitikerInnen und Unternehmens-vertretungen hat sich die Lage nicht verän-dert. VertreterInnen der Region hoffen nun, die ausstehenden Steuerzahlungen mit Hilfe staatlicher Behörden und weiterem Druck auf die Konzerne einzutreiben. Wie bedeutend die Abgaben sind, zeigt das Beispiel der brasiliani-schen Bergbaugesellschaft Vale. Aufgrund der 7,2 Millionen Meticais konnten kommunale Projekte zur Modernisierung der Landwirt-schaft finanziert, Traktoren angeschafft und insgesamt 320 Arbeitsplätze geschaffen wer-den.

Kommunale Radios

Das mosambikanische Forum für kommunale Radios (FORCOM) und die EU unterzeichne-ten ein Kooperationsabkommen, welches die finanzielle Unterstützung von kommunalen Radios über 350 000 USD für zwei Jahre be-inhaltet. Ziele seien die Unterstützung politi-scher Sensibilisierung sowie die Informations-verbreitung im Zuge der Vorwahlzeit. Durch die kommunalen Radios sollen die BürgerIn-nen eine Stimme im demokratischen Prozess erhalten. Die Direktorin von FORCOM, Benil-de Nhalivilo, warnte davor, dass die Digitali-sierung der Systeme – würde diese nicht mit den nötigen Vorkehrungen einhergehen – die Existenz der kommunalen Radios und damit den Zugang zu Informationen für die mosam-bikanische Bevölkerung gefährde. Nhalivilo würdigte die JournalistInnen der kommunalen Radios als „wahre HeldInnen“, die ohne ange-messene Gehälter und andere grundlegenden Bedingungen das Recht auf Information für alle Bevölkerungsgruppen garantieren, insbe-sondere derer, die benachteiligt sind. Zugute kommen solle das Geld insgesamt 17 Radio-stationen in Nampula, Niassa, Zambézia, Tete, Manica, Sofala, Inhambane und Maputo.

Entschädigung der Weltbank?

In den 1990er zwang die Weltbank Mosambik dazu Gebühren für medizinische Leistungen zu erheben. Viele Menschen suchten aus die-sem Grund Gesundheitsstationen nicht auf und könnten auf Grund fehlender Behandlung gestorben sein. Ein vor kurzem veröffentlichter Artikel in der Zeitschrift Health and Human Rights fordert nun, dass die Weltbank Mo-sambik und andere Länder für entstandene Schäden entschädigen sollte. Die Weltbank sprach sich lange Zeit gegen die Erhebung ei-

ner Gebühr für medizinische Leistungen aus, da diese ganz offensichtlich die ärmere Bevöl-kerungsschicht davon abhält medizinische Hilfe aufzusuchen. Im World Development Report aus dem Jahr 1980 heißt es „the use of prices and markets to allocate health care is generally not desirable.“ Aber im Zuge des Neoliberalismus revidierte die Weltbank ihre Politik. Als Folge wurden Ende der 80er Jahre Gebühren die für medizinische Leistungen im Land Teil des neuen Weltbankprogramms. In der Mitte eines Krieges und Verzweifelt rin-gend um die Unterstützung der Weltbank mit dem Ziel die USA für sich zu gewinnen, hatte Mosambik keine andere Wahl, als der neuen Politik zuzustimmen. Im Zuge der Inflation in den 1990er Jahren wurden die Gebühren zwar nicht angehoben, aber es wurde deutlich, dass medizinische Gebühren viele Länder darin hindern würden die Millennium Development Goals (MDGs) zu erreichen. 2001 erklärte die Weltbank es erneut als unvereinbar Gebüh-ren für medizinische Grundversorgung sowie Primarschulen zu erheben. Der Präsident der Weltbank Jim Yong Kim sagte bei der World Health Assembly in Genf letztes Jahr jedoch, dass Gesundheitsgebühren „sowohl ungerecht als auch unnötig“, seien, und fügte hinzu, dass

„jeder der Gesundheitsleistungen für ärmere Menschen anbietet weiß, dass sogar kleine Beträge den Zugang zu medizinischen Leistun-gen für diese Bevölkerungsschicht verringere.“

Die Weltbank gab zu, dass ihre Politik aus den 1990er viele ärmere Menschen davon ab-gehalten hat medizinische Leistungen in An-spruch zu nehmen und damit Leid verursachte.

In seinem Artikel akzeptiert Rick Rowden, dass die Weltbank nicht haftbar für ihre Fehler sei, weil der Vertrag viele Immunitätsklauseln beinhaltet. Aber er argumentiert, dass das Auferlegen von Gebühren für medizinische Leistungen für Darlehnsnehmer, ohne vorher eine Pilotstudie durchzuführen, von ernsthaf-tem Fehlverhalten zeugt. Ferner argumentiert er, dass es eine Menschenrechtsverletzung darstelle Menschen medizinische Versorgung vorzuenthalten, und davor gibt es keine Immu-nität, so Rowden.

Quellen: Agencia de Informação Mocam-bique (Maputo), Afrika Süd, Joe Hanlon, The Mozambican Investor, www.allafrica.com

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Foto: Gregor Zielke

M i g r a t i o nGrenzen über winden

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Schwerpunktthema Migration

M i g r a t i o nDie Geschichte der Menschheit ist immer auch eine Geschichte von Wanderungen. Seit

Menschengedenken verlassen Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingun-gen, Arbeit, aus Abenteuerdrang und aufgrund von Verfolgung ihre Heimat, um sich

in anderen Regionen anzusiedeln. Nach Angaben der UN gab es im Jahr 2013 232 Millionen internationale MigrantInnen. Es leben somit 3,2 Prozent der Weltbevölkerung außerhalb des Landes, in dem sie geboren wurden.

Migration wird meist als Phänomen einer Arbeitsmigration von Menschen aus dem Süden in den Norden wahrgenommen. Dieser Eindruck ist falsch, denn es machen sich rund zwei Drittel der MigrantInnen nicht auf den Weg in den globalen Norden, sondern sie migrieren in ein benach-bartes Land im Süden. Die Anzahl der BinnenmigrantInnen, d.h. der Personen, die innerhalb eines Landes dauerhaft ihre Region verlassen, ist sogar noch größer. Migration ist häufig ein emotional sehr aufgeladenes Thema. Beim Betrachten der europäi-schen Einwanderungspolitik liegt die Vermutung nahe, dass es weniger um den Schutz von Flüchtlingen geht, sondern eher darum, Europa immer weiter abzuschotten. In der gesamten Europäischen Union wurden 2013 etwa 332 000 Asylanträge gestellt. Auf legalem Weg nach Europa einzuwandern ist für viele Menschen aus Ländern des globalen Südens nahezu unmög-lich geworden. Dies ist einer der Gründe warum hundertausende Menschen versuchen, auf überfüllten und kaum seetüchtigen Booten die Mittelmeergrenzen oder die Kanarischen Inseln zu erreichen. Ein Unterfangen, bei dem jedes Jahr Tausende ihr Leben lassen. Migration wird in Deutschland und Europa häufig als Problem und Gefahr dargestellt. Es wurden viele neue Hürden für Einwanderung aufgebaut. Realität ist aber auch, dass ganze Wirtschaftszweige hier-zulande ohne die Arbeit von MigrantInnen nicht mehr richtig funktionieren würden.

Wir möchten mit diesem Schwerpunkt die Vielschichtigkeit des Themas vermitteln. Migration ist ein integraler Bestandteil aller Gesellschaften, der deutschen wie der mosambikanischen. Berichtet wird von Migrationsbewegungen zwischen Mosambik und anderen Ländern aus einer aktuellen und einer historischen Perspektive. Es geht um die Migration innerhalb Mosambiks und um die mosambikanisch-deutschen Verbindungen.

Im Einstiegsartikel zeigt Inês M. Raimundo die Hintergründe der Migrationsbewegungen von und nach Mosambik und verdeutlicht, dass Mosambik sowohl ein Aus- wie auch Einwande-rungsland ist. Markus Zabel zeigt in einem lebendigen Stadtportrait, wie die Grenzstadt Res-sano Garcia von der Migration zwischen Südafrika und Mosambik geprägt ist. Viele Menschen migrieren mit der Hoffnung auf Arbeit. Viriato Tamele thematisiert diesen Aspekt und verweist auf den wichtigen Beitrag von MigrantInnen zur Entwicklung ihres Herkunftslandes. Was sich Menschen bei der Suche nach Arbeit alles einfallen lassen, können sie im Artikel über die Kohleradler in Sofala von Gerald Henzinger miterleben. Sie transportieren hunderte Kilo von Holzkohle auf ihren Rädern in die Stadt Beira. Vor dem Hintergrund einer aktuellen Diskussion um die Zugehörigkeit von MosambikanerInnen asiatischer Herkunft schildert Susanne Jahn die langjährigen Migrationsbeziehungen zwischen Asien und Mosambik. Cremildo Bahule veran-schaulicht an der Lebensgeschichte des Jazzgitarristen Jimmy Dludlu, wie dieser seine Freiräume und die unterschiedlichen Einflüsse, die mit Migration verbunden sind, kreativ umgesetzt hat.

Die Migration zwischen Deutschland und Mosambik hat eine lange Geschichte. Roxana Zim-mermann interviewt Jerry Fulau, der in den 1980 als Vertragsarbeiter in die DDR kam. Er schildert seine Erfahrungen von damals und stellt Bezüge her zu seinem Leben heute. Durch ein Austauschprogamm der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und der Universidade Pedagógica Maputo verbringen mosambikanische und deutsche Studierende ein Semester an der jeweiligen Partneruniversität. Einer der Studierenden aus Mosambik – Camilo Macoo – berichtet über die vielfältigen Erfahrungen seines Aufenthalts in Magdeburg. Abgerundet und begleitet wird der Schwerpunkt durch Fotos und kurze Texten des künstlerischen Projektes „Identity – a Bloody Romance“ von Jens Vilela-Neumann. Das Projekt setzt sich damit auseinander, wie die Themen Identität und Migration auf die deutsch- mosambikanischen Beziehungen einwirken.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihr Redaktionsteam.

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Schwerpunktthema Migration

20 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Wenn es in Mosambik um das The-ma Migration geht, so denkt man vor allem an die Auswanderung:

Arbeitsmigration, Flüchtlinge und illegale Auswanderung. Oft wird dabei die Einwande-rung ignoriert, die in den letzten 20 Jahren eingesetzt hat. Es wird kaum über Immigra-tion diskutiert, höchstens in Fernsehprogram-men wie „Ansichten“, in denen eine gewisse Feindseligkeit gegenüber Menschen aus China, Nigeria, dem Libanon, etc. vorherrscht, die zu Fremdenhass führen kann und zu einem Un-verständnis bezüglich der Gründe für Migra-tion sowie der Unfähigkeit, diese zu steuern.

Die verschiedenen Regierungen seit der Un-abhängigkeit haben Migration vor allem unter den Aspekten der ArbeitsmigrantInnen, der

„Unproduktiven“ und der Flüchtlinge behan-delt. Während die Regierung auf der einen Sei-te um Kontrolle über das eigene Volk ringt, das die regionalen Grenzen überschreitet, sieht sie sich auf der anderen Seite mit Flüchtlingen aus der Region der Großen Seen, des Horns von Af-rika und anderen Teilen der Welt konfrontiert.

Wahrnehmung statt Fakten

Eine der Schwächen Mosambiks bei der Steu-erung von Migration ist das Fehlen einer Mi-

grationspolitik, sowie das Fehlen einer Analy-se, die es erlauben würde, die verschiedenen Nuancen der Aus- sowie der Einwanderung zu verstehen.

Die dritte Volkszählung aus dem Jahr 2007 gibt an, dass 119 713 MosambikanerInnen au-ßerhalb Mosambiks leben und 316 282 Aus-länderInnen in Mosambik. Würden wir uns von diesen Zahlen leiten lassen, würden wir daraus schließen, dass mehr AusländerInnen in Mosambik leben als MosambikanerInnen im Ausland. Allerdings sprechen die Zahlen des Nationalen Instituts zur Unterstützung der mosambikanischen Community im Aus-land (INACE) aus dem Jahr 2012 eine andere Sprache: Laut INACE leben 429 453 Mosambi-kanerInnen im Ausland. Damit wird deutlich, dass keine zuverlässigen Daten zu Migration in Mosambik vorliegen. Deshalb basieren so viele Ansichten zum Thema lediglich auf sub-jektiven Wahrnehmungen anstatt auf Fakten.

Bodenschätze ziehen Einwanderer an

In den sechzehn Jahren des Destabilisierungs-krieges (von 1976–1992) lebten schätzungs-weise 1,7 Millionen MosambikanerInnen in den Nachbarländern im Exil. Dazu kamen

noch all jene, die schon vorher im Ausland leb-ten, um dort zu arbeiten. Seit dem Friedens-schluss 1992 und besonders seit kurzem, mit der aktuellen „Entdeckung der Bodenschätze“, steigt die Zahl der AusländerInnen, die ins Land kommen, immer stärker an. Mosambik, früher ein Auswanderungsland, entwickelte sich zunehmend auch zu einem Einwande-rungsland.

Viele MigrantInnen illegal im Land

Bei der Analyse der vorliegenden Daten muss bedacht werden, dass es eine große Anzahl an Illegalisierten gibt, die von den Statistiken nicht erfasst werden. Unzählige Mosambika-nerInnen leben als Irreguläre bzw. Staatenlose in anderen Ländern. Diese Menschen werden entweder gar nicht mitgezählt oder ihre Zahl wird unterschätzt, da die meisten von ihnen die Grenzen heimlich überquert haben. Die Staaten, in denen die illegalisierten Migran-tInnen sich aufhalten, gehen streng gegen die-se vor. Studien des südafrikanischen Migrati-onsprogramms SAMP haben aufgezeigt, dass illegalisierte MigrantInnen in Südafrika Opfer von Erpressung durch ihre ArbeitgeberInnen und die Einwanderungsbehörden sind.

Über die GrenzenBeim Stichwort „Migration und Mosambik“ denken die Meisten wohl vor allem an die ArbeitsmigrantInnen aus Mosambik, die in den Minen Südafrikas arbeiten. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Die Autorin geht

auf Hintergründe der Migration ein und fordert eine tiefere Analyse, die ein besseres Verständnis der Migration ermöglicht und als Grundlage für die Entwicklung einer Migrationspolitik dienen könnte.

Von Inês M. Raimundo, übersetzt und redaktionell bearbeitet von Andrea Queiroz de Souza

Mosambik ist sowohl ein Auswanderungs- als auch ein Einwanderungsland

Kontinent In Konsulaten registrierte MosambikanerInnen

2008 2009 2010 2011 2012 Anstieg in %

Afrika 375 450 385 328 397 455 409 838 418 934 12

Europa und Amerika

7 766 8 459 9 032 10 061 10 218 32

Asien und Ozeanien

223 251 267 299 301 35

gesamt 383 439 394 038 406 754 420 198 429 453 12

Quelle: INACE 2012

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21Migration

Während MosambikanerInnen illegal nach Südafrika gehen, kommen Menschen aus anderen Ländern nach Mosambik: Als Asyl-suchende, mit einem Flüchtlingsstatus, aber auch Irreguläre, die in ihren Heimatländern keiner Verfolgung ausgesetzt sind. Diese il-legalisierten MigrantInnen haben es relativ leicht, ins Land zu gelangen, da an jedem Grenzposten Visa erteilt werden, ohne dass Botschaften oder Konsulate die Anträge prüfen würden. Die Landesgrenzen werden nur un-zureichend überwacht und an manchen Stel-len ist der Grenzverlauf selbst unklar, da die Grenzmarkierungen im Krieg zerstört wurden. Zudem existiert keine Migrationspolitik.

Arbeitsmigration entlang der Breitengrade

Auswanderung ist in Mosambik bereits ein altes Phänomen und durch verschiedene Ge-schehnisse beeinflusst: Die Bantu-Migration vom Kongo ins östliche und südliche Afrika um 1000 vor Christus, Handel mit den Ara-bern, Kolonialisierung, Versklavung in Form von Zwangsarbeit (xibalo), Arbeitsmigration, Kriege, Naturkatastrophen und ökonomische Veränderungen. Arbeitsmigration gibt es in regulärer und kontrollierter Form bereits seit ungefähr zwei Jahrhunderten. Mit der Unabhängigkeit und dem Destabilisierungs-krieg nutzten viele Menschen die regulären Arbeitsmigrationsrouten und -kanäle, um nach Südafrika und in andere Nachbarländer auszuwandern. Der schwache Arbeitsmarkt in Mosambik, der Krieg und die nachlassende Nachfrage nach mosambikanischen Arbeits-kräften in Südafrika und die damit verbunde-nen sinkenden Rekrutierungszahlen führten zu einer Zunahme der illegalen Migration.

Die illegalisierten Auswanderer sind in der Mehrheit junge Menschen, sowohl Män-ner als auch Frauen. In der Vergangenheit stammten die AuswandererInnen vor allem aus dem Süden Mosambiks. Dies war auf die Rekrutierungspolitik unter der „Klausel des 22. Breitengrads“1 zurückzuführen. Die An-werbung der MinenarbeiterInnen für Südaf-rika erfolgte somit nur in den Provinzen Ma-puto, Gaza und Inhambane. Inzwischen kom-men die MigrantInnen aus ganz Mosambik, so dass man von einer Entterritorialisierung der

1 Anmerkung der Redaktion: Im Jahr 1904 hatten die britischen und portugiesischen Kolonialmächte einen Vertrag geschlossen, der die Arbeit von Mosambika-nerInnen in den Südafrikanischen Minen regelte. Der Rekrutierungsagentur Wenela wurde verboten, nördlich des 22. Breitengrades – nördlich des Flusses Save – Arbei-terInnen anzuwerben. Angeblich hätten die „Tropenbe-wohnerInnen“ Schwierigkeiten, sich an das Klima in den Minengebieten zu gewöhnen, und sie seien von daher anfälliger für Tuberkulose und Lungenentzündungen. In Wirklichkeit sollte jedoch eine Konkurrenz um Arbeits-kräfte zwischen den Minen Südafrikas und den großen Plantagen in Zentral- und Nordmosambik vermieden werden.

Migration sprechen kann. Eine Studie zu Ar-beitsmigration stieß auf FarmarbeiterInnen in Südafrika, die aus den Nord- und Zentralpro-vinzen Mosambiks wie Tete, Sofala, Zambézia und Nampula kamen. Diese MigrantInnen ha-ben besonders große Schwierigkeiten bei der Integration, da sie – anders als die ArbeiterIn-nen aus dem Süden Mosambiks – sich sprach-lich nur schwer verständigen können.

Fehlende Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO weist in einem Bericht aus dem Jahr 2009 darauf hin, dass das schnelle wirtschaftliche Wachstum in Mosambik in den Jahren 2001–2008 keine signifikanten Auswirkungen auf die Jobchancen der Jugendlichen hatte, die erstmalig auf den Arbeitsmarkt kamen. Jähr-lich kommen 300 000 Jugendliche neu auf den Arbeitsmarkt. Diese Arbeitskräfte zu ab-sorbieren, stellt eine große Herausforderung dar. Es ist bemerkenswert, dass das Arbeits-ministerium selbst feststellt, dass der Mangel an Arbeitsplätzen nicht nur auf das Fehlen von Beschäftigung zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass zu wenig Menschen aktiv nach einem Arbeitsplatz suchen und Institu-tionen fehlen, die diese Suche unterstützen. Die Jugendlichen ohne Job sehen die Migra-tion als eine Alternative. Sie wandern nach Südafrika aus, häufig illegal. Jüngere Studien

zu irregulärer Migration weisen darauf hin, dass die Zahl der illegalisierten Auswandere-rInnen ansteigt. Sie überqueren die Grenze nach Südafrika ohne Pass, Aufenthaltsgeneh-migung und Arbeitsvertrag. Häufig nutzen sie sogenannte marehanes (ein Changana-Aus-druck für Vermittler), die über Beziehungen zu den BeamtInnen der Migrationsbehörden oder der Grenzpolizei verfügen, so dass diese die MigrantInnen die Grenze passieren las-sen. Diejenigen, die keine Mittel haben, um die Marehanes zu bezahlen, graben sich unter dem Stacheldraht hindurch und schlagen sich dann in die großen Städte wie Johannesburg, Pretoria und Durban durch, um dort Arbeit zu suchen. Häufig sind sie schon einmal auf-gegriffen und deportiert worden.

Während MosambikanerInnen weiterhin auswandern, wandern zunehmend Illegali-sierte nach Mosambik ein. Dies ist vor allem auf die zunehmende Ausbeutung der Natur-ressourcen, vor allem der Bodenschätze, zu-rückzuführen, aber auch auf die Bürgerkriege in anderen Regionen Afrikas, vor allem in der Region der Großen Seen und des Horns von Afrika.

Dr. Inês M. Raimundo ist Migrationsforscherin und Expertin für Humangeographie. Sie ist Direktorin des Zentrums für Politikanalyse der Fakultät für Sozial- und Geisteswissenschaf-ten an der Universität Eduardo Mondlane in Maputo.

Rückkehrende MigrantInnen bei der Ankunft in Ressano Garcia Foto: Marcus Zabel

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Schwerpunktthema Migration

Ressano Garcia ist eine Kleinstadt im Süden von Mosambik, etwa 90 Kilo-meter von Maputo entfernt. Sie liegt

direkt an der Grenze zu Südafrika, was die Stadt mit circa. 9 000 EinwohnerInnen so besonders macht. Über den örtlichen Grenz-kontrollpunkt wird ungefähr 80 Prozent des Verkehrs zwischen Mosambik und Südafrika abgewickelt. So passieren täglich tausende von Personen den Grenzpunkt mit den un-terschiedlichsten Absichten. Da sind z. B. Menschen aus Maputo oder Umgebung, die zum Einkaufen nach Südafrika fahren, weil dort viele Lebensmittel wesentlich günstiger sind. Oder es sind Menschen, die ihre Fami-lienangehörigen in Südafrika besuchen. Mit einem mosambikanischen Reisepass ist es möglich, 30 Tage in Südafrika zu bleiben. Der Pass berechtigt aber nicht dazu, einer Arbeit nachzugehen. Er kostet etwa 3 000 Meticais (circa 75 Euro), was für einen einfachen Ar-beiter/eine einfache Arbeiterin fast ein ganzer Monatslohn ist. Vor der Grenze in Mosambik herrschen Trubel und Stress, denn dort sind Menschenschmuggel sowie Prostitution, ille-gale Geschäfte und Bestechung an der Tages-ordnung. Und dort wird auch der Verkehr von Ressano zurück in die Hauptstadt geregelt. Oft sieht es an der Grenze so aus, als flüchte ein ganzes Land, besonders am Ende des Monats.

Der Weg nach Südafrika

Der illegale Weg nach Südafrika ist in Ressano keine Seltenheit, da viele Menschen sich kei-nen Reisepass leisten können. Es werden auch Kinder über die Grenze geschmuggelt und in Südafrika zur Prostitution gezwungen oder als Hausangestellte verkauft. Der Großteil der Illegalisierten möchte in Südafrika einer Ar-beit nachgehen. Es gibt in Ressano, Maputo sowie Südafrika eine Gruppe, die als „mareha-

nes“ (Changana-Wort für Vermittler) bekannt ist und die als Schlepperbande den illegalen Weg organisiert. Zu ihr gehören in Ressano mehr als 100 Personen. Die Gruppe hat in fast allen Distrikten von Mosambik Kontaktperso-nen, die für Menschen, die den illegalen Weg wählen (müssen), einen Kontakt nach Maputo oder Ressano herstellen und diese dann von Maputo in Minibussen an die Grenze fah-ren. Die Gruppenmitglieder arbeiten oft mit den GrenzbeamtInnen sowie SoldatInnen in Mosambik und Südafrika zusammen. Sie ver-langen von ihren KlientInnen etwa 150 Rand (ca. 10 Euro) für eine illegale Überführung. Es gibt auch MigrantInnen, die eigenständig ver-suchen, die BeamtInnen zu bestechen, aber dies gestaltet sich oft als sehr schwer und ist die Ausnahme. Die eigentliche Überführung geschieht meist in den späten Abendstunden. Auf dem kleinen Weg hoch zum Zentrum der Schwestern kann man dem Treiben zusehen, da sich das Zentrum direkt am illegalen Weg befindet. Die Marehanes begleiten die Grenz-übergängerInnen bis auf die südafrikanische Seite. In Südafrika müssen die MigrantInnen

meist noch einen vorher unbekannten Be-trag an die südafrikanischen Soldaten und Soldatinnen bezahlen. Bevor sie ihren Weg weiter gehen können, werden sie oft von den Marehanes bis auf die Sandalen ausgeraubt. In Südafrika werden sie dann meist mit Mini-bussen zu ihren Arbeitsplätzen gebracht. Es kommt nicht selten vor, dass die illegalisier-ten MigrantInnen auf südafrikanischer Seite aufgespürt und verprügelt werden. Unter den SüdafrikanerInnen haben die mosambikani-schen Einwanderer oft keinen guten Ruf, da sie ihnen angeblich Arbeitsplätze wegnehmen.

Die tägliche Angst

Die illegalisierten ArbeiterInnen kommen an ihrem Arbeitsplatz meist ohne Hab und Gut an. Sie arbeiten häufig auf großen Farmen bzw. Obstplantagen, auf Baustellen oder als Hausangestellte. In Südafrika leben die Ar-beiterInnen meist unter noch schlechteren Bedingungen als in Mosambik. Oft wohnen sie mit anderen ArbeiterInnen auf engsten

Der Weg nach Südafrika und zurück

Auf der Suche nach Erwerbsarbeit verschlägt es viele MosambikanerInnen nach Südafrika. Der Artikel vermittelt einen Eindruck von den Migrationsbewegungen in der Grenzstadt Ressano Garcia und von der

Arbeit des Katholischen Schwesternordens „Irmãs Missionárias de São Carlos Borromeo“, die mit der „Casa de Acolhida“ für viele aus Südafrika abgeschobene MosambikanerInnen eine erste Anlaufstelle darstellen.

Von Marcus Zabel (Text & Fotos)

Eindrücke von den Migrationsbewegungen in der Grenzstadt Ressano Garcia

22 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014RückkehrerInnen machen sich auf den Weg in die Hauptstadt.

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Raum zusammen und ihre Arbeitszeiten sind mit täglich mindestens 12 Stunden sehr lang. Trotz der harten und schweren Arbeit bekom-men sie aber meist nur einen geringen Lohn, der nicht selten unter dem Lohnniveau für dieselbe Arbeit in Mosambik liegt. Aber da aufgrund der hohen Arbeitslosenzahlen viele der Migrierenden in Mosambik keine Arbeits- und Verdienstmöglichkeit haben, ziehen sie es vor, wenigstens ein wenig Geld zu verdienen. Die Motivation, nach Südafrika zu gehen, ist sehr unterschiedlich. Manche möchten für drei Monate in der Erntezeit Geld für die Fa-milie verdienen. Andere haben schon Fami-lie in Südafrika und wollen für eine längere Zeit dorthin. ArbeiterInnen, die nur für die Erntezeit eingesetzt sind, kehren meist selbst-ständig nach Mosambik zurück und kommen zur neuen Ernteperiode wieder. Gemeinsam ist ihnen allen die Angst, von der südafrikani-schen Polizei bei den regelmäßigen Kontrollen auf den Plantagen entdeckt zu werden. Gerade diejenigen, die schon lange in Südafrika leben, haben große Angst erfasst zu werden, da sie oft eigene Familien in Südafrika haben. Die meisten MosambikanerInnen arbeiten in der an Mosambik angrenzenden Provinz Mpuma-langa, Nelspruit.

Der Weg zurück

Die ArbeiterInnen werden häufig auf den Farmen, Plantagen und Baustellen von der Polizei auf ihre Dokumente überprüft. Da sie zumeist nicht über eine Arbeitserlaubnis ver-fügen, werden sie festgenommen und in eine Sammelstelle nach Johannesburg gebracht. Für einige ist es bereits die zweite, dritte oder vierte Festnahme. Von Johannesburg aus wer-den wöchentlich drei bis fünf Busse mit Rück-kehrerInnen nach Ressano Garcia gebracht. Auf diesem Weg kommen jährlich etwa 20 000 ArbeiterInnen zurück. In Ressano angekom-men werden sie zu dem Militärstützpunkt gebracht. Dort werden ihre Personalien auf-genommen und die RückkehrerInnen werden von den SoldatInnen belehrt, um sie von ei-ner erneuten Migration abzuhalten. Die über die Grenze in Ressano Garcia migrierenden MosambikanerInnen kommen hauptsächlich aus den Provinzen Gaza, Inhambane und Maputo und sind zwischen 16 und 50 Jahre alt. RückkehrerInnen, die kein Geld haben, um zu ihren Familien zu gelangen, werden zu uns in das „Casa de Acolhida“ geschickt, welches sich direkt neben dem Grenzposten befindet. Dort empfangen wir jährlich circa 1 800 MigrantInnen. Einige lassen sich von den Marehanes dazu bewegen, noch am glei-chen am Abend nach Südafrika zurück zu kehren. Andere versuchen, nach Maputo zu

fahren, um dort einen Reisepass zu beantra-gen, um legal nach Südafrika zurückkehren zu können. Der Großteil der MigrantInnen, die zu uns kommen, bekommt bei uns einen klei-nen Snack und 15 Meticais, um mit dem Zug nach Maputo zu gelangen. Vorher werden mit allen kurze Einzelgespräche geführt. In diesen Gesprächen ist deutlich zu merken, mit was für einer Angst die meisten in Südafrika leben. Einige von ihnen haben nicht einmal mehr Familie in Mosambik. Auch vor der Herberge warten die Marehanes, um diejenigen, die die Herberge verlassen, zu einer Rückkehr zu mo-tivieren. Alle wissen, dass ein Großteil wieder zurückkehren wird. Wenn auch nicht heute oder morgen, aber irgendwann.

Die Casa de Acolhida

In unserer Herberge „Casa de Acolhida“ be-treut eine Schwester mit einer Kollegin die ankommenden Menschen. Ein Großteil unse-rer Arbeit besteht darin, sich um die zurück-kehrenden MosambikanerInnen zu kümmern, besonders um die, die gesondert in Kleinbus-sen nach Ressano gebracht werden. Dies sind häufig Gruppen von zwei bis neun Personen, manche von ihnen sind krank. Da die meisten von ihnen erst am nächsten Tag mit dem Zug in die Hauptstadt gelangen können, haben wir Zeit, sie intensiver zu betreuen. Zum Beispiel begleiten wir sie ins Krankenhaus, und sie bekommen bei uns Verpflegung für die Zeit ihres Aufenthalts. Wir versuchen sie davon zu überzeugen, nicht mehr illegal nach Süd-afrika zu gehen und sich einen Reisepass zu besorgen. Von manchen MigrantInnen, die in unser Haus kommen, erfährt man, dass sie nicht einmal als Kind in Mosambik registriert wurden und dementsprechend auch keine mosambikanischen Dokumente besitzen und dass viele nie die Schule besucht haben, auch junge Leute, die gerade erst Mitte 20 sind, da sie schon als Kinder täglich arbeiten mussten. Andere, die seit 20 Jahren illegal in Südafrika leben, haben sehr große Angst davor, alles zu verlieren, da viele von ihnen niemanden mehr in Mosambik haben und sich ihr Leben in Süd-afrika aufgebaut haben. Die Arbeit mit den RückkehrerInnen ist nur ein Teil unserer Ar-beit. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Migration von Kindern, die oft von der Mare-hanes über die Grenze gebracht werden. Die-se werden teilweise von ihren Familien nach Südafrika verkauft oder gehen zusammen mit ihnen dort hin. Die Kinder, die verkauft oder auch angeworben werden, arbeiten oft in der Prostitution oder als Hausangestellte. Im Ok-tober letzten Jahres hat die Polizei in Ressano einen Minibus mit 20 verkauften Kindern ge-stoppt, die nach Südafrika überführt werden

sollten. Diese kamen dann erst einmal für ein bis zwei Tage in unser Waisenheim, welches zum Zentrum gehört, bis sie von Familienan-gehörigen wieder abgeholt wurden. Die Kin-der waren im Alter von zwei bis 13 Jahren. Wir haben hier im Waisenheim eine Gruppe von AktivistInnen, die sich dafür einsetzt, den illegalen Handel mit Kindern zu stoppen. Da-für werden Seminare mit Grenzangestellten und Führungspersonen der Nationalen Mig-rationsdirektion veranstaltet, um gemeinsam Pläne zu entwerfen, wie man dieses Problem in den Griff bekommt. Zusätzlich versuchen wir, die BewohnerInnen von Ressano für das Thema mit T-Shirt Verteilungen „Stop Tráfico de Crianças“ zu sensibilisieren oder durch Demonstrationen und Kulturfestivals. Es gibt auch eine Notrufnummer, die gewählt werden kann, wenn man die Verschleppung von Kin-dern beobachtet.

Migration verursacht in Ressano große Pro-bleme und viele Leute versuchen, diese mit uns zusammen zu bekämpfen bzw. die Mig-rantInnen in ihrer Not zu unterstützen. Lei-der wird in der alltäglichen Arbeit oft deutlich, dass man diesen Kampf nicht gewinnen kann, da nicht alle Personen an einem Strang zie-hen. Es gibt gute Ideen, aber das Geldverdie-nen durch den Menschenschmuggel oder die Korruption ist für einige Menschen in Ressano wichtiger.

Marcus Zabel ist 22 Jahre alt und im Rahmen eines Weltwärts-Jahres über das Welthaus Bielefeld in Ressano Garcia. Er unterstützt die Projekte des Schwesternordens, insbeson-dere im Waisenheim und in der Arbeit mit MigrantInnen.

23Migration

Mit Hab und Gut zurück in Mosambik

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24 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Das Ziel dieses künstlerischen Projektes war die Produktion einer Ausstellung in Berlin und einer theatralen, multimedialen Revue in Maputo. Schwerpunkt des Theaterstückes und der Ausstellung ist die ironisch humorvolle Auseinandersetzung mit den Themen

Identität und Migration im Hinblick auf die deutsch- mosambikanischen Beziehungen, sowie eine versöhnende geschichtliche Aufarbeitung dieser. Das Projekt soll auf künstlerische Art und Weise die deutsch-mosambikanischen Beziehungen zelebrieren, Konflikte verarbeiten und einen positi-ven Blick nach vorn wagen. Die Arbeit an dem Projekt war für mich eine Feier, ein Familienfest der besonderen Art, um über unsere Vergangenheit und unsere Zukunft zu sprechen und darüber, wie wir uns gegenseitig geprägt haben, welche Spuren wir aneinander gelassen haben. Mehr als zweihundert Jahre kennen wir uns, die MosambikanerInnen und die Deutschen leben miteinan-der, haben geliebt, gestritten, gemeinsam Großes und Kleines vollbracht! Die Geschichte dieses Kunstprojektes besteht aus sehr vielen Geschichten, aber es gibt eine Kraft, die diese vielen

Geschichten zusammehält und der dieses Kunstprojekt gewidmet ist. Diese Kraft, die immer in der Geschichte anwesend ist und die trotzdem in keinem Geschichtsbuch auftaucht, ist die Liebe. Denn die künstlerische Arbeit an dem Thema hat einen sehr persönlichen Hintergrund und fängt bei meiner mosambikanischen Frau Inhalambi und unseren gemeinsamen Kindern an. Wurden durch meine Familie die großen Themen der Identität und Migration quasi täglich zwischen Kü-che und Wohnzimmer verhandelt, erweiterte sich die Auseinandersetzung mit den Themen zu ei-ner ausgiebigen Recherche in Bibliotheken und Filmarchiven, gefolgt von zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen der mosambikanisch–deutschen Beziehungen sowie Reisen durch Mosambik und Deutschland, auf denen die Fotos und Kurzfilme entstanden. Als ich daraufhin das Theaterstück 

„Identity – a Bloody Romance“ zu schreiben begann, fügten sich die unzähligen Informationen, Gedanken, Eindrücke und Aussagen wie ein Puzzle zusammen und mit dem Inszenieren des The-aterstücks und dessen Präsentation in Maputo war ich wieder dort angekommen, wo ich meine Heimat sehe – im Theater.

Fast alle Menschen haben einen „romantischen Bezug“ zu ihrer eigenen Identität. Stolz berichte-ten die Involvierten von dem Erlebten und Erlernten, wobei deutlich wurde, dass besonders aus den „bloody“, also den schmerzhaften Erfahrungen, der reichhaltigste Zugewinn zur Persönlich-keit gewonnen wurde und ein fantasievoller Umgang mit der eigenen Geschichte eine gefestigte Identität schaffen kann. So, wie die verschiedenen Aspekte der durch Migration geprägten Identi-tät, die Sprache, das Zugehörigkeitsgefühl, die Profession, die Sexualität, ökonomische Interessen und Abhängigkeiten mich und meine Familie im Alltag betreffen, so wollte ich – das war mein künstlerischer Ausgangspunkt für das Projekt – die Verbindungen der beiden Länder durch per-sönliche Geschichten erzählen. Diese Geschichten spiegeln unmittelbar die großen Themen der Nord/Süd-Thematik und der historischen afrikanisch-westlichen Kontroverse, zeigen aber auch Emotionalität und zwischenmenschliche Aspekte wie die der „Liebe“ auf. 

Filmische Eindrücke aus dem Theaterstück und der Ausstellung gibt es unter: www.afrikakzent-tv.de/topvideo/110/Identity-A-Bloody-Romance www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/2024184/

Das-Schicksal-der-Madgermanes www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=39715

Als interkultureller Theatermacher hat Jens Vilela Neumann (www.vilelaneumann.com) mehrmals erfolgreich in Mosambik inszeniert, unter anderem 2012 „Der Besuch der alten Dame“ von Fried-rich Dürrenmatt und 2010 „Rui o Rei da Rua“ am Teatro Avenida in Maputo. Bei Interesse zur Buchung der Ausstellung „Identity – a Bloody Romance“ oder zum Ausstellungskatalog melden Sie sich unter: [email protected]. Das Kunstprojekt wurde gefördert durch das Auswärti-gen Amt der Bundesrepublik Deutschland, Aktion Afrika in Kooperation mit dem: ICMA Maputo, ECA Maputo, CCU Maputo.

„Identity – a Bloody Romance“ein Kunstprojekt von Jens Vilela Neumann über deutsch-mosambikanische Identität, unsere Beziehungen und gemeinsame Geschichte

Schwerpunktthema Migration

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25Migration

Assado will weg

Assado Lichane ist 21 Jahre alt, er hat seit drei Jahren im Goethe-Institut Maputo Deutsch gelernt, er spricht gut, und seit er auf einem 4-wöchigen Sprachaustausch in Frankfurt war, will er nur noch eines: raus aus seinen armen Verhältnissen in Mosambik und rein nach Deutschland. Dort will er arbeiten, dunkles Brot essen, bei einem Freund auf der Couch schlafen und Geld an seine Mutter schicken, um endlich seiner Familie helfen zu können.

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Schwerpunktthema Migration

Derzeit gibt es weltweit ca. 232 Milli-onen MigrantInnen.1 Zwischen den Jahren 2000 und 2010 stieg ihre Zahl

zweimal schneller als im Jahrzehnt davor. Seit 2010 in Folge der Wirtschaftskrise reduzierte sich der jährliche Anstieg der MigrantInnen weltweit auf ca. 3,6 Millionen. 2013 stellten die MigrantInnen fast 11 Prozent der Gesamt-bevölkerung der entwickelten Länder, im Ver-gleich dazu waren es im Jahr 2000 weniger als 9 Prozent. Heute leben ungefähr sechs von zehn MigrantInnen in den Ländern des globalen Nordens. Die ausländischen Arbeite-rInnen wurden von der Wirtschaftskrise im Norden hart getroffen. So gab es 7,1 Millionen Arbeitslose, die außerhalb ihres Ursprungslan-des lebten und älter als 15 Jahre waren. Die aus Afrika stammenden MigrantInnen erleb-ten in den letzten Jahren einen Anstieg der Ar-beitslosenquote um 4,3 Prozent, auf insgesamt 20 Prozent (2010/11). Im selben Jahr hatten Burundi, Lesotho, Malawi, die Malediven, Mosambik, Namibia, Niger, Papua Neu Gui-nea, Tansania und Sambia zwanzig mal höhe-re Auswanderungsquoten bei Hochqualifizier-ten als bei allen anderen Gruppen.

Migrationsfaktoren

Es gibt viele Faktoren, die als Auslöser für Migration benannt werden können, wie Ar-mut, Krieg, Naturkatastrophen, Lohnniveau, Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsdichte, Druck auf die natürlichen Ressourcen, Urbanisierung und technologischer Fortschritt. Zudem gibt es starke demographische Faktoren, welche MigrantInnen in die industrialisierten Länder ziehen. Das gilt insbesondere für diejenigen Zielländer, deren Bevölkerung altert und in de-nen es eine niedrige Geburtenrate bei immer höherer Lebenserwartung gibt. Die ausländi-schen ArbeiterInnen könnten die fehlenden

1 Alle Zahlen sind der folgenden Quelle entnommen: World Migration in Figures OECD – UNDESA October 2013.

Arbeitskräfte ersetzen. Dies wird oft als eine Möglichkeit vorgeschlagen, das Problem des demographischen Wandels anzugehen, es wird aber von den schwerhörigen PolitikerIn-nen der nördlichen Länder nicht wahrgenom-men. Sie sprechen zwar viel von Liberalisie-rung, übernehmen und praktizieren jedoch weiter protektionistische Maßnahmen.

Rolle der Frauen

Frauen stellen mehr als die Hälfte der Mig-rantInnen in den entwickelten Länder und 45,7 Prozent in den sich entwickelnden Län-dern. Mit der Emigration können die Frauen oft ihrer starren Geschlechterrolle entfliehen und ihr Erfolg in einem anderen Land kann ei-nen verändernden Einfluss auf die Geschlech-terrollen zuhause haben.

Wenn eine bedeutende Zahl von ausgebilde-ten Menschen in ein anderes Land auswandert, verliert das Ursprungsland das Kapital, das es in die Ausbildung eben dieser Menschen in-vestiert hat. Dieses Braindrain genannte Phä-nomen erschwert wirtschaftliches Wachstum. Die Auswirkungen des Braindrains sind in den sogenannten „am wenigsten entwickelten Ländern“ (least developped countries, LDCs), zu denen auch Mosambik gehört, ziemlich offensichtlich.

Gesetzliche Regelungen

Bei der Liberalisierung des Dienstleistungs-sektors liegt der Fokus auf der Wanderung der ArbeiterInnen, die dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgt, entsprechend dem All-gemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) Mode 4 der Welthan-delsorganisation (WTO). Mode 4 betrifft den Verkehr “natürlicher Personen” zur Erbrin-gung von Dienstleistungen außerhalb ihres Heimatlandes und speziell die Personen, die im externen Dienstleistungssektor arbeiten.

Die Auswirkungen des Mode 4 auf die Immi-grationspolitik und auf den Arbeitsmarkt sind genau abgegrenzt, dennoch gibt es große An-wendungsunterschiede, vor allem bei der Bei-legung von Streitigkeiten, und weil die einzel-nen Länder in ihrer Politik nicht in Einklang mit den Regeln der WTO stehen. Infolgedes-sen werden die realen Auswirkungen des Mo-de 4 wohl erst in 10 oder 15 Jahren deutlich werden, nachdem die ausgehandelten Kom-promisse in Kraft getreten und die dadurch entstandenen Herausforderungen bewältigt sind. Es gibt jedoch auch Stimmen, die der WTO absprechen, Migrationsregeln aufzuset-zen, da sie keinen Auftrag dazu habe. Zudem gibt es noch andere Abkommen, die sich mit dem Thema befassen, wie z. B. das Freihan-delsabkommen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifik), bzw. dem Cotonou-Abkommen, das im Jahr 2000 unterzeichnet wurde. Das Cotonou-Abkommen basiert im Artikel 13 auf der „gemeinsamen Erklärung über Arbeitsmi-grantInnen und Studierende in der Gemein-schaft“, der sich in der Konvention von Lomé aus dem Jahr 1985 befindet. In einem Artikel geht es um den Dialog zwischen AKP und EU in Bezug auf Migration, Achtung der Men-schenrechte und der gerechten Behandlung der Menschen aus den AKP-Staaten, die mit legalen Aufenthaltstiteln in der EU leben. Es werden auch die Gründe für Migration ange-sprochen, die Ausbildung von Menschen aus den AKP-Staaten, die illegale Immigration und der Umgang mit RückkehrerInnen. Mosambik ist Unterzeichner des Cotonou-Abkommens, dennoch wurden die offiziellen VertreterIn-nen für Migrationsangelegenheiten nicht in die Verhandlungen einbezogen. Das führt dazu, dass die nationale Migrationsbehörde nun Teile eines Abkommens umsetzen muss, zu dem sie keine Meinung äußern konnte und diejenigen, die bei den Verhandlungen anwe-send waren, sind in diesem Thema nicht kom-petent genug. Vor wenigen Jahren entschied sich Mosambik, die Dienste im Rahmen des

Baustein von EntwicklungGlobale Migrationsströme haben ein größeres Ausmaß erreicht als je zuvor. Dennoch werden deren

Chancen und Möglichkeiten für die beteiligten Länder in der Politik bisher nicht genügend gewürdigt. Der Autor Viriato Tamele gibt in diesem Artikel einen Überblick über die aktuelle Lage der

Migration und verweist auf ihren wichtigen Beitrag zur Entwicklung.

Von Viriato Tamele

Globale Perspektiven auf Migration und ihren Beitrag zur Entwicklung

26 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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GATS der WHO zu liberalisieren. Bis 2013 je-doch hatte das Land noch keine Angebote und Nachfragen vorzuweisen.

Migration und Entwicklung

Migration kann dabei helfen, die Entwick-lungsziele zu erreichen, wenn die gegebenen Bedingungen und politischen Vorgehenswei-sen auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Dies gilt sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Das heißt, dass ein international günstiges Wirtschaftsklima hergestellt werden muss, um im Rahmen der Entwicklungsprogramme der LDCs flexibler zu sein. So könnten internationale Hilfen und wirtschaftliche Chancen dafür genutzt werden, die nationalen Produktionskapazitä-ten aufzubauen. Insbesondere sollte auch die Kapazität der einheimischen Wirtschaft aus-gebaut werden, um im eigenen Land Arbeits-möglichkeiten zu schaffen und so den Aus-wanderungsdruck zu verkleinern. Im Rahmen der Post-2015-Agenda, welche die Millenium-Entwicklungsziele ablöst, gibt es die Gelegen-heit, das Thema Migration auch international zur Sprache zu bringen. Hier ist auf eine bes-sere Kohärenz der politischen Handlungen mit neuen Entwicklungsinitiativen zu hoffen, in denen auch das Thema Migration mit einbe-

zogen wird. Bisher haben die Länder zu oft konkurriert und nicht kooperiert, was kont-raproduktiv für eine Migration mit dem Ziel von Entwicklung ist. Die nördlichen Länder mit ihrer alternden Bevölkerung und ihrem Mangel an Arbeitskräften brauchen Zuwan-derung, trotzdem sind sie immer noch sehr zurückhaltend hinsichtlich der Regulierung und Anerkennung von Zuwanderung.

Eine bessere politische Kohärenz ist zudem nötig, um die Entwicklungspotentiale von Migration zu nutzen. Migration muss in den Agenden zur Entwicklung mit einbezogen werden. Trotzdem darf sie nicht als Allheilmit-tel gesehen werden, denn sie wird immer nur einen Teilbeitrag zu Entwicklung leisten kön-nen. Aus diesem Grund müssen nachhaltige Maßnahmen umgesetzt werden, die für eine solide Grundlage einer dauerhaften Weiterent-wicklung sorgen. Die Geldüberweisungen der MigrantInnen in ihre Heimatländer sind ein Schlüsselaspekt von Migration. Und während die dafür zuständigen Behörden sich auf politi-sche Handlungen konzentrieren, die die Geld-überweisungen ins Heimatland vereinfachen, argumentieren andere, dass das Wichtigste an diesen Geldströmen die Auswirkungen sind, die sie auf das Finanzsystem des begünstig-ten Staates haben. Auf jeden Fall müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Kosten und Gebühren für die Überweisun-

gen zu senken. Die Verbindung zwischen Migration und Entwicklung ist sehr komplex, trotzdem bedeutet das nicht, dass diese Fragen nicht angegangen werden sollten. In diesem Bereich muss mehr geforscht werden und Re-gierungen, internationale Organisationen, die Gesellschaft und andere nicht-staatliche Orga-nisationen müssen sich zusammenschließen, um passende und gut geplante Formen zu finden, durch die Migration einen positiven Beitrag zur Entwicklung leisten kann. Vor un-gefähr drei Jahren hat die Europäische Kom-mission einen Wettbewerb ausgeschrieben, um Migrationsinitiativen zwischen den AKP- und den EU-Staaten zu unterstützen, bis heute wurden noch keine Ergebnisse veröffentlicht. Die Weiterentwicklung der am wenigsten ent-wickelten Länder muss dabei in der globalen Migrationspolitik zentrale Bedeutung haben. Die Migration kann in diesen Ländern die Er-träge der Entwicklungsarbeit steigern und die Probleme, die die Migration aufwirft, können nachhaltig und menschlich für alle Beteiligten gelöst werden.

Viriato Tamele lebt in Maputo. Er ist ausgebil-deter Architekt und als Berater für Handel und Entwicklungspolitik tätig.

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28 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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Schwerpunktthema Migration

Der Schweiß läuft ihnen über die Stirn. Jeder Muskel ihrer drahtigen Körper ist angespannt. Tausende Kilometer

auf dem Rad haben ihre dünnen Beine zu typi-schen Radlerbeinen geformt. Ihre zusammen-gekniffenen Augen spähen die Sandpiste aus. Sie wird hier Hauptstraße genannt und ver-spricht nicht nur in der Regenzeit ein Hinder-nisrennen zwischen Wellblechprofil, Sandbän-ken und Schlaglöchern. Nur ein Fehler und sie stürzen, werden begraben unter ihrer Ladung, bis zu 300 Kilogramm Holzkohle. Abgesprun-gen wird nur, wenn es unbedingt notwendig ist – etwa wenn sie von dicht vorbeirasenden Autos aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Sofern alles gut geht, schaffen sie es nach Beira, der nächsten Großstadt in der zentralmosambi-kanischen Provinz Sofala, und verkaufen dort ihre Fracht. Mit dem Geld machen sie ihre Ein-käufe und begeben sich auf den Heimweg zu ihren Familien in den Dörfern. Ihre Heimat ist allerdings oft woanders. Sie sind „Carvoeiros“, die Kohleradler.

Zuhause ist für MosambikanerInnen der Ort, an dem man sich gerade befindet. Für die Kohleradler rund um Beira ist das eines dieser kleinen Dörfer aus Lehmhütten und Mandioka- Gärten. In der Mitte befindet sich oft ein etwas größeres Haus – die Kirche. Deren Konfession hängt eher von den dies- als den jenseitigen Versprechungen an die Dorfbevölkerung ab. Dieser friedliche Eindruck strahlt etwas Bestän-diges, Dauerhaftes aus. Kaum zu glauben, dass die Menschen nicht unbedingt freiwillig hier sind. Sie sprechen MaChuabo, ein Lokalidiom aus der rund 700 Kilometer weiter nördlich gelegenen Provinz Zambezia. Jahrzehntelange kriegerische Auseinandersetzungen ließen die Menschen immer wieder flüchten. Entwurzelt, ohne Kontakt zur Familie, ohne Möglichkeit zurückzukehren, aber mit der Hoffnung, dass es irgendwie weitergeht, bleiben sie an dem Ort, wo sie am Ende einer größeren Krise ange-spült wurden. Sie sind „Deslocados“, Flüchtlin-ge im eigenen Land. Jeder versucht sein Glück und manche von ihnen als „Carvoeiro“.

Einer von ihnen ist Nando. Fast noch ein Kind wurde er in die Kriegswirren hineingezogen und kämpfte von 1983 an für die Regierung der FRELIMO. Von seiner Heimatstadt Queli-mane wurde Nando nach Sofala versetzt. Der Destabilisiertungskrieg wütete in dieser Pro-vinz am schlimmsten, der Busch war unbere-chenbar. Tretminen und Hinterhalte gehörten zum Alltag. Als der Krieg vorbei war, suchte Nando um eine Veteranenrente an. Sowohl die Behörde in Beira als auch jene in Quelima-ne erklärten sich für sein Ansuchen nicht zu-ständig. „Du kommst aus Quelimane, geh dort hin!“, hörte er in Beira. In Quelimane meinten die Autoritäten, dass er in Sofala kämpfte und gefälligst dort um die Rente ansuchen solle. Nach mehrmaligem Hin und Her war sein Geld aufgebraucht und er siedelte sich ohne Geld und ohne Arbeit in Beira an. Um nicht in die Kriminalität abzudriften, zog er aufs Land und baute Mais und Mandioka an. Spä-ter begann er, Holzkohle zu produzieren und zu verkaufen. Davon lebt Nando noch immer.

Ein Blick zurück

Zwangsmigration ist in Mosambik kein neues Phänomen. In der frühen Kolonialzeit war Mo-sambik Lieferant für den weltweiten Sklaven-handel. Sowohl arabische als auch portugie-sische Sklavenhändler nahmen dem Land bis zur endgültigen Abschaffung der Sklaverei zu Beginn des 20. Jahrhunderts schätzungsweise zwei Millionen Menschen weg. Die meisten davon landeten in Kuba oder in Brasilien. Zu jener Zeit standen tiefgreifende Veränderun-gen an. Nach der Aufteilung Afrikas während der Konferenz von Berlin im Jahre 1885 be-schlossen die Kolonialmächte, ihre Kolonien zu entwickeln. Große Infrastrukturprojekte wurden angedacht und für deren Umsetzung waren sehr schnell viele Arbeitskräfte von-nöten. Die lokale Bevölkerung sollte diese Nachfrage abdecken. Für Mosambik führte deren Kolonialregierung in Portugal ein aus-

geklügeltes System zur Legitimation zum Ar-beitszwang ein. Unter dem Motto „Wer nicht arbeitet, ist nicht zivilisiert“ und durch die Hüttensteuer war die ländliche Bevölkerung plötzlich gezwungen, Geld zu verdienen. Wer nicht arbeitete, konnte jederzeit zu „Chibalo“, Zwangsarbeit, eingeteilt werden. Viele mach-ten sich auf, oft in andere Provinzen oder au-ßerhalb Mosambiks, um nicht für die Zwangs-arbeit herangezogen zu werden.

Dieses System beginnt Anfang der sechzi-ger Jahre des letzten Jahrhunderts zu bröckeln. Der Nachbarstaat Tanganyka, das spätere Tan-sania, wird 1960 unabhängig und inspiriert die MosambikanerInnen. Sie wollen frei sein, selbst bestimmen und formen Wiederstand-gruppen. 1964 beginnen diese Gruppen den Unabhängigkeitskrieg gegen Portugal. Neben den militärischen Operationen zwingt das portugiesische Militär die Landbevölkerung, von ihren Dörfern in große Siedlungen zu zie-hen. Sie wollen die Menschen unter Kontrolle halten. 1,3 Millionen sollen so bis 1973 ihre angestammte Heimat unfreiwillig verlassen haben. Der Krieg produziert bis zu seinem Ende 1975 noch weitere 500 000 Flüchtlinge im eigenen Land. Danach kehrt Frieden ein und Mosambik erklärt sich 1977 zu einem marxistisch-leninistischen Staat. Unterstützt durch das Apartheitsregime von Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe, und Südafrika wird die RENAMO gegründet, eine bewaffnete Wi-derstandsgruppe. Deren Ziel ist es, die kom-munistische Regierung unter allen Umständen zu stürzen. Für 16 Jahre wird Mosambik zur Hölle auf Erden. 1,5 Millionen Menschen flüchten ins benachbarte Ausland und über 4 Millionen Menschen werden zu Binnen-flüchtlingen. Erst 1992 wird der Frieden in Rom beschlossen.

Leben von der Holzkohle

Nando ist ein Carvoeiro, der die Kohle auch selbst produziert. Er geht zu seinem „Forno“,

CarvoeirosInnerstaatliche Migration. Äußere Umstände, die Menschen im eigenen Land umziehen lassen.

Im Krieg durch Flucht und im Frieden wegen der Suche nach Arbeit. Viele MosabikanerInnen kennen dieses Schicksal. Wie die „Carvoeiros“, die Kohleradler rund um Beira, die die Großstadt mit dem

Rohstoff Holzkohle versorgen. Ihre Herkunft ist allerdings eine ganz andere …

Von Gerald Henzinger (Text & Fotos)

Die Kohleradler von Beira

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Schwerpunktthema Migration

seinem Holzkohlemeiler. Vorsichtig, ja beina-he ehrfürchtig, steigt Nando durch den Wald. Er respektiert den Busch. Seine Kohlemeiler sehen aus wie zu groß geratene Maulwurfhü-gel. Es ist kaum zu glauben, dass im Inneren dieses Haufens Temperaturen bis zu 500 Grad herrschen. Diese sind notwendig, damit aus Holz Holzkohle wird. Meistens stehen die Meiler mitten im Wald, dort ist der Rohstoff Holz am einfachsten zu bekommen. „Der Un-tergrund muss passen. Nicht zu trocken und nicht zu feucht, sonst verbrennt das Holz voll-ständig und man bekommt nur Asche“, erklärt Nando vor einem zwei Meter breiten und vier Meter langen Holzstoß. Ungefähr zwanzig Säcke Holzkohle will er daraus machen. Ein bisschen Holz fehlt noch, bevor er Gras und einen halben Meter Sand darüber geben kann. In ein paar Tagen wird es soweit sein.

Ursprünglich wohnen in dieser Gegend die MaBangwe. Nando sagt, dass es mit ihnen bisher keine Probleme oder Konflikte gab. War es doch ein alter MaBangwe, der ihm die Kunst der Kohleproduktion beibrachte. „Mest-re“ nennt er ihn liebevoll. Er lebt noch und zufällig will er heute einen Holzkohlemeiler öffnen und ausräumen. Nach einem halbstün-digen Fußmarsch vorbei an Wiesen und Man-

diokafeldern biegt Nando scharf in ein klei-nes Waldstück ein. Kurz darauf trifft er mit-ten im Wald auf seinen „Mestre“ und einem 10 × 3 Meter großen und zwei Meter hohen dampfenden Haufen aus Erde. Die Arbeiter sind bereits mit dem Wegschaufeln vom Sand beschäftigt, um an das glühende Innere zu kommen. Die Kohle ist noch zu heiß, um sie anzufassen. Deswegen kühlen die Männer die Kohle mit Wasser ab. Der „Mestre“, ein alter Mann um die 70, bellt Anweisungen, die sei-ne Mitarbeiter mit flinken Händen ausführen. Plastiksack um Plastiksack wird gefüllt. Nach ein paar Stunden steht fest: Die Ausbeute ist gut. Zwanzig Säcke guter Kohle, das macht eine Tonne. Noch heute machen sich die Car-voeiros mit ihren Rädern auf nach Beira. Hin und retour sind das ca. 60 Kilometer.

Aber immer öfter reichen 60 km pro Tag nicht mehr. In Mosambik wird fast ausschließ-lich mit Holzkohle gekocht. Alleine die Regi-on um Beira verbraucht pro Jahr rund 20 000 Tonnen Holzkohle, wofür 70 000 Tonnen Wald gefällt werden müssen. Die gesamte Region, früher dicht bewaldet, ist heute eine annä-hernd baumlose Steppe. „Es gibt keine Bäume mehr. Man muss schon sehr weit fahren, um noch Holz zu bekommen“, lamentiert Nando.

Die unkontrollierte Abholzung geht sogar so weit, dass die unter Naturschutz stehenden Mangroven an der nahen Küste in Gefahr sind.

„Dieser Raubbau an den Mangroven zerstört die Flora und Fauna der Küsten“, meint Senhor Osvaldo von der Regierungsorganisation „Zo-na Verde“. Er ist für den Wald in der Region zuständig. Erst seit 2006 gibt es Wiederauf-forstungsprogramme. In den Dörfern werden Genossenschaften – sogenannte „Associações“ – gegründet, die die Abholzung und Auffors-tung regulieren sollen. Der Erfolg dieser Stra-tegie ist durchwachsen. Viele Carvoeiros stel-len ihre Meiler noch immer dort auf, wo sie es für richtig halten und fällen das Holz, ohne neue Bäume zu pflanzen.

Was wird sein, wenn der letzte Baum abge-holzt ist? Nando hat dafür keine Antwort parat. Er kann sich vorstellen, woanders hinzugehen. Aber nach Quelimane, in seine Geburtsstadt, will er nicht mehr zurück. „Dort gibt es keine Arbeit“, sagt er.

Gerald Henzinger ist Fotograf und lebte von 2008 bis 2011 in Beira. Er war an der Uni-versidade Católica de Moçambique am dort-higen Fernlerninstitut für die Einführung von digitalen Medien verantwortlich. Einige seiner fotografischen Eindrücke sind einzusehen un-ter www.enlumen.net.

„ Der Untergrund muss passen. Nicht zu trocken und nicht zu feucht, sonst verbrennt das Holz vollständig und man bekommt nur Asche“, erklärt Nando vor einem zwei Meter breiten und vier Meter langen Holzstoß.

30 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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Schwerpunktthema Migration

Als Anfang März 2014 der Präsident-schaftskandidat der FRELIMO, der aktuelle Verteidigungsminister Filipe

Nyusi, für die Wahlen am 15. Oktober 2014 aufgestellt war, nahm die portugiesische Zei-tung „Público“ dies zum Anlass, mit dem an der Universidade Eduardo Mondlane lehren-den Soziologen Carlos Nuno Castel Branco ein Interview zu führen (02.03.2014). Der hatte nur wenige Monate zuvor einen zornigen Brief an den amtierenden Präsidenten Guebuza ver-öffentlicht, in dem er die jüngere Entwicklung der FRELIMO und ihrer Politik, vor allem aber Guebuza selbst, heftig kritisiert hatte. Doch nicht nur darum ging es im Gespräch mit der

„Público“, die Portugiesen interessierten sich auch für die zahlreichen Entführungsfälle, die in den letzten Monaten bedrohlich zugenom-men hatten. Nicht wenige StaatsbürgerInnen Portugals waren betroffen, hauptsächlich aber richteten sich die Überfälle und Erpressungen gegen die monhés, wie MosambikanerInnen arabischer oder indischer Herkunft bereits seit Kolonialzeiten – durchaus abwertend – ge-nannt werden. Insbesondere für das Schwei-gen und die Untätigkeit der Regierung – selbst nach jenem Fall Ende Oktober 2013 in Bei-ra, als der 13jährige Ahmad entführt, brutal misshandelt und schließlich ermordet wurde – fand Castel Branco heftige Worte. Und für die Haltung hochrangiger Parteimitglieder, die auch öffentlich meinten, die Entführungen seien eine Sache „entre eles“ und „eles“ zähl-ten nicht zu den „moçambicanos genuínas“, sie oblägen mithin, so der unterschwellige Ge-danke, nicht der Verantwortung des mosam-bikanischen Staates. Gegen diese Auffassung, die von der immer häufiger verwendeten Be-zeichnung „moçambicanos de origem asiática“ (MosambikanerInnen asiatischer Herkunft) genährt wird, waren am 31. Oktober 2013 etwa zehntausend Demonstranten und De-monstrantinnen durch die Straßen Maputos

gezogen, „Abaixo a polícia corrupta, abaixo o Governo mudo, abaixo o racismo!“ (Schluss mit der korrupten Polizei, mit der stummen Regierung, mit dem Rassismus!), hatten sie skandiert.

Alte Handelsverbindungen

Der Ausdruck monhé soll auf das swahili-sche Wort für „Herr“ zurückgehen und auf solche, Handelsherren, trafen bereits die Por-tugiesen, die 1498 unter Vasco da Gama in Sofala, Inhambane und Ilha de Moçambique Halt machten. Auch heute stellen die Musli-me u. a. in den eben genannten Städten den Großteil der Bevölkerung; die älteste Moschee Mosambiks ist auf der Ilha zu finden. Mit der Etablierung des portugiesischen Estado da Índia in Goa (1505–1752) kamen die Handels-beziehungen zwischen afrikanischer Ostküs-te, der Golfregion und indischer Westküste trotz der religiösen Feindseligkeit nicht zum Erliegen. In der Regel waren die „muçulma-nos“, „mouros“ oder „maometas“ Ismaeliten, die mit den Portugiesen/Portugiesinnen und den Einheimischen bis tief ins Innere der Ko-lonie Handel – der selbstredend auch Sklaven implizierte – betrieben; sie kamen aus dem heutigen Oman, Pakistan und den indischen Bundesstaaten Gujarat und Maharastra. Bom-bay, heute Mumbai, verschenkte die portugie-sische Krone allerdings schon 1668 als Mitgift der Katharina von Bragança an England. 1686 wurde mit portugiesischer Genehmigung die

„Companhia de Comercio de Baneanes“ (Han-delskompagnie der Baneanen)1 in Diu gegrün-det die zunächst vor allem um die alte Haupt-stadt Ilha de Moçambique aktiv war. Als die Hafenstadt Lourenço Marques, ab 1898 Haupt-

1 „Baneane“ von „baniyan“, auch „Manzane“: jemand indischer Herkunft, der im Handel tätig ist

stadt von África Oriental Portuguesa wurde, siedelten sich viele ihrer Mitglieder vor allem in der Baixa an. Nicht alle waren “maometas“, Hindus folgten den Handelsrouten ebenso. Der größte Mandir (Tempel) wurde allerdings erst 1908 auf Wirken eines als heilig verehr-ten Mannes, Kalides, in Salamanga errichtet, einer Ortschaft etwa eine Autostunde südlich von Katembe am Fluß Maputo. Der besteht bis heute fort und gilt als das „Fatima“ (der wichtigste katholische Wallfahrtsort in Por-tugal) der Hindus in Mosambik. Auch in Ma-puto, nahe der ältesten Moschee der Stadt in der Baixa, gibt es einen Tempel, in dem die traditionellen Bräuche gepflegt werden und Gujarati2 unterrichtet wird. Zustrom erhielten die verschiedenen muslimischen und Hindu-Gemeinden, die keineswegs nur mit einer Stimme sprachen, Anfang des 20. Jahrhun-derts, als verstärkt einstige coolies und Kauf-leute aus Britisch-Indien über Südafrika nach Mosambik kamen, wo die „Rassen“-Gesetze zwar restriktiv, jedoch nicht so scharf wie in Südafrika waren.

Integration und Abgrenzung

Eine besondere Gruppe unter den monhés bildeten von Anfang an die Goesen, nach ihrer Sprache, dem Konkani, auch canarins genannt. Besonders in den Jahren des portu-giesischen Estado Novo unter Salazar wurden sie ins Land gebeten, um die aufblühende überseeische Provinz Mosambik, wie sie ab 1951 bezeichnet wurde, bei der Durchsetzung administrativer Maßnahmen zu unterstützen. Salazar galten die Goesen als gelungenes Bei-spiel portugiesischer Kolonialpolitik, hier hät-ten Okzident und Orient wahrhaft zueinander

2 Sprache der Gujarat, die v.a. im indischen Bundesstaat Gujarat gesprochen und insgesamt von mindestens 45 Mio. Menschen (2002) gesprochen wird.

Wer ist ein „echter“ Mosambikaner?

Ein Grundpfeiler der Politik des jungen Staates Mosambik unter Samora Machel war die Gleich be- handlung aller StaatsbürgerInnen unabhängig von Hautfarbe, Glauben und Geschlecht. Die wachsen-

den sozialen Unterschiede im Land bewirken jedoch, dass die Zugehörigkeit, insbesondere der Mosambika-nerInnen “asiatischer Herkunft”, zur Nation Mosambik mehr und mehr öffentlich in Frage gestellt wird.

Von Susanne Jahn (Text & Foto)

Migration zwischen Indien und Mosambik

32 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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gefunden. Sie waren oft katholisch – dafür hatte das jahrhundertelange Wirken der be-rühmt-berüchtigten Inquisition gesorgt –, ge-bildet und galten als loyal. Ein Irrtum, wie sich nicht nur 1961 bei der Libertation von Goa, Diu and Damão zeigen sollte, sondern auch bei der Unabhängigkeitswerdung Mosambiks, die nicht wenige Intellektuelle indischer Herkunft von Anfang an unterstützten. Andere wiede-rum nicht: Und in diesen Zeiten war es von Nutzen, dass die Goesen enge Familienbande zwischen den ehemaligen portugiesischen Kolonien auf beiden Seiten des Índico, aber auch Portugal, geflochten und nie aufgegeben hatten; sie machten – und das bis heute – die Migration zwischen Afrika, Asien und Europa um vieles einfacher.

Ähnlich familienorientiert zeigten sich auch die Moslems arabischer oder indischer Herkunft, die aber, befördert durch ihren Glauben, oft Ehen mit einheimischen Frauen eingingen und den gemeinsamen Nachwuchs legitimierten. Das unterschied sie rigoros von den Hindus, die gewöhnlich ihren Kastenre-geln entsprechend heirateten, meistens Frau und Familie in der Heimat zurückließen und nur eventuell später nachholten. Nachkom-men, die sie in Mosambik mit einheimischen Frauen hatten, wurden so gut wie nie aner-

kannt, die Kinder verblieben in den Familien ihrer mosambikanischen Mütter.

Von der Libertação bis heute

Als 1975 die FRELIMO die Regierungsgeschäf-te übernahm, vor allem aber, als der Krieg ge-gen die RENAMO ausbrach, der aufgrund des Zusammenbruchs jeder staatlichen Ordnung besonders auf dem Land schnell zum Krieg aller gegen alle wurde, entschieden sich vie-le Indischstämmige, egal welcher religiösen Provenienz, Mosambik in Richtung Portugal und Goa, aber auch Großbritannien und die USA zu verlassen. Meist wurde jedoch mindes-tens ein Familienmitglied zurückgelassen, um nicht ganz die Kontrolle über die Geschäfte zu verlieren. Als 1992 die Friedensverträge mit der RENAMO ausgehandelt waren, nahmen das viele zum Anlass, wieder nach Mosambik zurückzukehren. In dieser ganzen Zeit hörte der Tempel in Salamanga nie auf, für die Gläu-bigen da zu sein, genauso wenig wie die Mo-scheen, die in jedem Viertel Maputos sowie im ganzen Land zu finden sind.

Die eigentümliche Stellung der monhés zwischen Portugiesen und Bantubevölkerung, ihre offensichtlich eigene Kultur, die sich

vielfach noch heute in Sprache, Kleidung und Religionsausübung zeigt, die engen Familien-bande, die sie pflegen und gleichzeitig ihre Weltläufigkeit, aufgrund derer sie Produkte aus jedem Winkel der Erde anbieten können, vor allem aber ihre wirtschaftliche Tätigkeit, bestimmen die Wahrnehmung nicht weni-ger MosambikanerInnen. Sie gelten ihnen als unsolidarisch gegenüber dem Rest der Gesellschaft, als arrogant und herablassend. Doch, so fragte sinngemäß ein Internet-User in Reaktion auf die letzte Entführung eines indischstämmigen Geschäftsmannes am 17. Januar 2014, genüge das schon als Grund, jemanden zu überfallen, auszurauben, gar zu töten? Lasse man dies als Gemeinschaft zu in einem Staat, der eben multikulturell und mul-tiethnisch ist, warnte er, stehe das Verbrechen bald vor jeder Haustür. Es ist höchste Zeit für die Regierung, so Castel Branco im „Público“-Interview, endlich eine Regierung zum Wohle aller MosambikanerInnen zu sein.

Susanne Jahn ist seit September 2012 DAAD-Lektorin an der Universidade Pedagógica in Maputo.

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Hindutempel in Maputo

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34 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Familie Kampfer und die Erwartungen an das Gegenüber

Judas ist Mosambikaner und Architekt, Konstanze eine deutsche Entwicklungshelferin, die beiden haben ein süßes einjähriges Kind und sitzen am Sonntagmorgen auf einer Parkbank, der Spielplatz im Hintergrund. Auf die Frage, was er von ihr in einer Beziehung erwartet, antwortet er „Gehorsam“, und sie lacht laut, andersherum sagt sie „Ehrlichkeit“, und er schaut verlegen.

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Schwerpunktthema Migration

Emigration ist „das freiwillige oder un-freiwillige Verlassen des Ortes, an dem jemand lebt, um sich woanders nieder-

zulassen.“ Für Mobilität gibt es unterschiedli-che Gründe: Suche nach besseren Lebensbe-dingungen, politische Verfolgung, Segregation, Krieg und Hunger. Besonders in Afrika waren dies die wichtigsten Motive für viele, die in an-deren Regionen der Welt wie Europa, Amerika oder innerhalb von Afrika neuen Lebensmut suchten – so ist Südafrika in Mosambik immer als das Eldorado begriffen worden. Die Bedeu-tung der Emigration in Mosambik zeigen z. B. Covane (2001) in seiner Schilderung der Wan-derarbeit in den südafrikanischen Minen und Borges Coelho (2004)1, für den die Naturkatas-trophen Hauptursache für Bevölkerungsbewe-gungen sind. In Mosambik gibt es unterschied-liche Beispiele für die Emigration. Beispiele, die aus der Perspektive des Betrachters positiv oder negativ sind, unvernünftig oder fernliegend, charakterisiert durch Armut oder Aggressivität, Schmutz oder Glanz. Die erfolgreiche Migrati-onsgeschichte des Musikers Jimmy Dludlu hat in Mosambik viele Menschen bewegt.

Der Junge aus Chamanculo

Jimmy Dludlu wurde in den 1960er Jahren im Bairro Chamanculo geboren. Das Viertel am Stadtrand von Maputo hat einige der größten Talente Mosambiks hervorgebracht. Hier wur-de der Musiker Gabriel Chiau geboren. Auch Lurdes Mutola, Mosambiks „Goldmädel“ – die Goldmedaillengewinnerin über 800 Meter bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahre 2000 und Weltmeisterin über 800 Meter 2003 in Edmonton, stammt aus dem Viertel, dessen Hütten aus Wellblech und Holzbrettern errich-tet wurden.

1 Covan, L. (2001). O Trabalho Migratório e a Agricultura no Sul de Moçambique (1920–1992), Maputo, Promedia, Identidades. Borges Coelho, J.P. (2004) „Estado, Comuni-dades e Calamidades Naturais no Moçambique Rural”, in Santos, B., S. & Silva, T., C. (Orgs.) 2004, Moçambique e a Reinvenção da Emancipação Social, Maputo, Centro de Formação Jurídica e Judiciária, S. 49–76.

Dludlu ist Autodidakt, mit 13 Jahren fing er an Gitarre zu spielen. Er trat von 23 Uhr bis sechs Uhr morgens auf und unterhielt in der Zeit der Kooperativen die Menschen in der Schlange vor der Bäckerei Pão Nosso mit seiner Musik, um so das Frühstücksbrot zu verdienen und seine Familie zu unterstützen. Aus Liebe zur Musik und um nicht zum Militärdienst einge-zogen zu werden, emigrierte er heimlich nach Südafrika, gemeinsam mit seinem Freund Ma-nito. Von Maputo aus fuhr er mit dem Auto bis zur Grenze von Swasiland, den Rest der Strecke bis Manzine legte er zu Fuß zurück.

Doch wegen des Apartheidregimes verließ er Südafrika bald wieder und lebte von 1982 bis 1987 in Swasiland. Dort arbeitete er als Viehhirte und bei einem Metzger. Bei seiner Arbeit in einer Schlosserwerkstatt, ebenfalls in Swasiland, zog er sich ein Augenleiden zu. In seiner Freizeit hörte er den Radiosender BBC, um Englisch zu lernen. Dort lernte er Jorge Lee kennen, der ihm Zugang zur Mu-sikszene verschaffte. In dieser Zeit begann er sich ernsthaft mit Musik zu beschäftigen. Da die Polizei in Swasiland viele Mosambikane-rInnen verhaftete, zog er nach Botswana. Er lebte in Tonota, wo er Hugh Massekela ken-nenlernte. Nach zwei Jahren in Botswana entschied er sich, wieder nach Südafrika zu gehen. Dort trat er u. a. mit Trevor Hall und Thomas Mapfumo auf. Vor seinem Studium spielte er bereits mit Hugh Massekela, Brenda Fassie, John Hassan und Frank Paco zusam-men. Er arbeitete auch als Studiomusiker und machte Aufnahmen mit McCoy Mrubata und seiner Band Brotherhood.

Der Weg zum Profi-Musiker

Er beherzigte den Ratschlag seines Vaters, an einer Universität zu studieren, um Profi-Musiker zu werden. Aufgrund seiner künst-lerischen Fähigkeiten als Gitarrenspieler schaffte er es, an der Universität Kapstadt aufgenommen zu werden. „Wir waren die ersten Schwarzen, die dort studierten – außer

mir waren das Frank Paco, Judith Sephuma und Salelo Selota.“2 Gemeinsam mit Moses Sephuma brachte er die ersten Afro-Jazz-CDs in Südafrika heraus. Durch seine zahlreichen CDs – Echos From The Past (1997), Essence of Rhythm (1999), Portrait (2008), Tonato Into The Groove (2011) u. a., wurde er zu einem Jazzmusiker, der in Afrika und der Welt großes Ansehen genießt. Dludlu ist nicht nur auf der Bühne präsent, er ist auch als Lehrer tätig und in der Kulturszene aktiv. Trotz schwieriger Ausgangsbedingungen hat er vieles erreicht. Vom Armenviertel gelangte er ins Scheinwer-ferlicht der Bühne. Von Chamanculo über Kap-stadt in die Welt.

Eine Zeitlang, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, stieß Jimmy Dludlu auf Unverständ-nis, und zwar aus einem einzigen Grund: sei-ner Nationalität. Er verstand sich immer als Südafrikaner. Das irritierte einige Südafrika-nerInnen, aber vor allem empörte es nationa-listisch eingestellte MosambikanerInnen. Die sentimentale Vorstellung, Dludlu müsse sich als Mosambikaner begreifen, erhielt noch Auf-trieb, als er seine letzte CD – aufgenommen auf dem Cap Town Jazz Festival 2013 – Kap-stadt widmete. Ihm wurde vorgeworfen, sein Heimatland, das Land seiner Geburt, nicht zu respektieren. Zu seiner Verteidigung erklärte er: „Die Frage, ob ich Mosambikaner bin oder nicht, ist nicht neu, und manchmal wird sie unnötigerweise gestellt […] Ohne die Chan-cen für mein Leben und für meine Karriere, die Kapstadt mir geboten hat, würde ich nicht da stehen, wo ich heute stehe. Ich bin ein Pro-dukt Kapstadts. Natürlich komme ich auch aus Mosambik, wo ich geboren bin und aus den anderen Orten, in denen ich gelebt habe […] meine Gefühle sind ganz allein meine Sache und gehen niemand etwas an. Sie wollen wis-sen, was meine Nationalität ist? […] Ich bin ein in Mosambik geborener Südafrikaner. Hier in Südafrika spricht man von Jimmy Dludlu als von einem südafrikanischen „mozambican born“ Künstler, ohne jede Polemik. Ich sage

2 Zeitschrift Lua, 5. 10.2012, n° 45, Ano III, S. 22

Erfolg in der FremdeBewegung ist Teil menschlichen Handelns. Sesshaftigkeit schließt also Nomadismus niemals aus.

Einen Ort zu verlassen, um zu einem anderen zu gelangen, ist das Schicksal eines jeden Individuums, das zu neuen Horizonten aufbricht. Die Emigrationsgeschichte des Musikers Jimmy Dludlu.

Von Cremildo Bahule, übersetzt und redaktionell bearbeitet von Angela Wodtke

Die Geschichte des Jazzgitarristen Jimmy Dludlu

36 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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voller Stolz, dass ich in Mosambik geboren bin, das in der Tat mein Herkunftsland ist.“3

Für Dludlu bewegt sich seine Identität zwischen drei Realitäten: die Situation zu ak-zeptieren, Chancen zu ergreifen und Selbst-verwirklichung anzustreben. Offensichtlich waren die Voraussetzungen vorhanden, dass er auf dieser Grundlage erfolgreich war. Je-der Mensch hat das Recht glücklich zu sein, anderen Menschen Freude zu bereiten und seinen Weg zu suchen, um sich über die Ge-spenster seiner Vergangenheit, die auch Teil seiner selbst sind, hinwegzutrösten. Diese Realität „erfährt ihre Stärkung im Prozess der Globalisierung, in dem die Rekonstruktion der Identitäten sich multiethnisch, mehrspra-chig, mittels Migration und konstituiert aus Elementen verschiedener Kulturen vollzieht.“ (Garcia Canclini, 1995, S. 109)4. Daher ist die Bedingung der Hybridität im Prozess der Herausbildung der Identität fundamental und kann sich außerhalb des Geburtsorts oder des Referenzraums unserer Traditionen vollziehen.

Rückkehr nach Mosambik

Es kam trotzdem nicht überraschend, als Dludlu 2014 seine definitive Rückkehr nach Mosambik ankündigte. Was viele Mosambi-kaner ersehnten, diejenigen, die von seiner Musik begeistert sind und vor allem die puris-tischen Nationalisten, wird nun wahr: „Jimmy kehrt nach Hause zurück.“ Bei seiner endgül-tige Rückkehr nach Mosambik konzentriert er sich auf drei Schwerpunkte: 1. seine Arbeit als Dozent an der ECA (Institut für Kommuni-kation und Kunst) der Universidade Eduardo Mondlane; 2. die Zusammenarbeit mit dem Instituto Superior de Artes e Cultura und 3. den Einsatz seiner Erfahrung bei der Orga-nisation von Musik-Events.

„Ich habe bereits in Mosambik unterrich-tet, aber als ich jetzt gebeten wurde hierher zurückzukehren, um als Dozent zu arbeiten, sah ich das als gute Gelegenheit, meine Er-fahrungen im Bereich des Afro-Jazz und im Kulturbereich im allgemeinen mit jungen Leuten zu teilen. Ich werde weiterhin meinen Verpflichtungen im In- und Ausland nachkom-men, werde alle unterstützen, soweit es mir möglich ist, aber ich werde auch Jimmy der Künstler bleiben und meine Konzertagenda einhalten.“5

Diese Äußerungen besänftigten und beflü-gelten die Gemüter der skeptischen Patrioten und der MosambikanerInnen, die sich eine

3 Vgl. Caderno Cultural, der Tageszeitung Notícias v. 04.05.2013, S. 4–5

4 García Canclin, N.(1995). Culturas Híbridas: Estrategias Para Entrar y Salir de la Modernidade. Mexiko D.F.: Grijalbo

5 Espaço Cultural, O País, 20.02.2014, S. 22

solche Haltung gewünscht hatten. Der Kum-mer der Fangemeinde Dludlus verwandelte sich in Begeisterung, als er eine Woche spä-ter in Maputo sein erstes Konzert nach sei-ner Heimkehr gab. Jetzt ist er Unidozent und widmet seine Zeit der Ausbildung von Künstle-rInnen, MusikerInnen und KulturagentInnen, die die Kulturindustrie in Mosambik ausbauen werden.

Dies ist eine Emigrationsgeschichte, in der „ein Junge aus Chamanculo die Welt er-obert hat, indem er Jazzmusik spielt.“ Aus einem Flüchtling, einem Emigranten, wurde ein Weltbürger. Jimmy Dludlus Migrations-geschichte lehrt uns, dass die Emigration manchmal unumgänglich, der Aufbruch die bestmögliche Lösung ist. Jimmy Dludlu hat es

geschafft mit seiner Gitarre in der Diaspora seinen Weg zu gehen, und heute teilt er seine Kenntnisse mit seinen Landsleuten. Dies ist ein wesentliches Kennzeichen der Emigration: fortzugehen, Erfahrungen zu sammeln und zum Ursprung zurückzukehren, wenn wir stark genug dafür sind.

Bayete Jimmy Dludlu! Danke Jimmy Dludlu!

Cremildo Bahule ist Essayist, Mitarbeiter im Ndjira-Verlag und Kolumnist der Wochenzei-tung „@Verdade“. Er befasst sich mit Ver-gleichender Literaturwissenschaft und Musi-kästhetik und veröffentlichte mehrere Publi-kationen in diesen Bereichen.

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Jimmy Dludlu bei einem seiner Auftritte. Foto: Inocêncio Albino

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Schwerpunktthema Migration

38 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

R oxana Zimmerm (RZ): Wie und wann bist du nach Deutschland gekommen?

Jerry Fulau (JF): Ich bin am 24. November 1980 hergekommen. Wir sind zu Hause von der Regierung vorgeschlagen worden, um in der DDR eine Ausbildung zu machen. Damals war in Mosambik Krieg, und das war für uns ein Ausweg. Wir waren ja eigentlich alle min-derjährig.

RZ: Kannst du dich daran erinnern, wie du dich am Anfang gefühlt hast?

JF: Wir sind in Berlin-Schönefeld gelandet. Damals war es ein sehr starker Winter. Ich weiß noch ganz genau, dass es sehr kalt war. Wir wurden herzlich empfangen und haben uns gewundert, dass uns die Betreuer sofort Decken gaben zum Wärmen. Wir sind ja mit mosambikanischen Sommerklamotten ge-kommen. Dann sind wir schnell in den Bus eingestiegen und direkt nach Leipzig gefah-ren. Wir haben nicht viel gesehen, weil es früh morgens war und alles sehr grau aussah. Aber ein sehr angenehmes Erlebnis war, dass ich zum ersten Mal auf dem Weg von Berlin nach Leipzig Schnee gesehen habe.

RZ: Wo hast du gewohnt in Leipzig?

JF: In Probstheida. Das waren damals sehr schöne 2- bis 3-Raum-Wohnungen mit Bad und Küche. Alles roch komplett anders und war neu, mit Fußböden, schönen Gardinen und Schränken. Die Wohnungen waren für DDR-Verhältnisse sehr gut, weil sie beheizt waren, man konnte die Heizung selber regu-lieren. Wer damals in der DDR gewohnt hat, weiß, dass die Leute mit Kohlen geheizt ha-ben. Wir hatten warmes Wasser, eine eigene Küche usw. In dem Haus wohnten nur Mo-sambikaner, da wir nach der Herkunft verteilt worden sind.

RZ: Wie hast du dich dazu entschieden, nach der Wende hier zu bleiben?

JF: Schon vorher wollte ich eigentlich blei-ben, ich hatte immer Projekte. Zusammen mit der Uni organisierte ich das sogenannte

„Ensemble Solidarität“ [Anm.: Internationales Studentenensemble der Karl-Marx-Universität Leipzig] und auch musikalisch war ich sehr viel unterwegs. Ich hatte in Leipzig schon Fuß gefasst und wollte hier weiterleben. Meine ganze Jugend habe ich in Leipzig verbracht, ich kenne die komplette Stadt.

RZ: Wie sieht dein Leben heute aus?

JF: Das BASAMO nimmt sehr viel Zeit in An-spruch. Ich habe auch Kinder, für die ich sor-ge. Die Zeit ist nicht mehr wie vor 20 Jahren, sie ist schneller geworden oder kürzer. Aber ich versuche noch ein paar Projekte auf die Beine zu stellen, zum Beispiel ein Partner-schaftsprojekt zwischen Leipzig und Maputo. Ich hätte eigentlich gerne eine Partnerschaft zwischen meiner Heimatstadt Inhambane und Leipzig aufgebaut, aber die Stadt ist ein-fach zu klein, und es ist besser, die Hauptstadt Maputo als Partnerstadt zu etablieren. Außer-dem organisiere ich jeden Herbst Touristen-reisen nach Mosambik mit kleinen Gruppen von 8–10 Personen. Wir besuchen Maputo, den Krüger- und Limpopo-Nationalpark und die Strände. Ich bin Guide und Organisator in einem, aber normalerweise plane ich so, dass ich am Ende noch ein paar Tage mit meiner Familie verbringen kann.

Ich habe auch noch eine Band, Semba Two. Mit dieser Band haben wir schon in ganz Deutschland gespielt, auch in Bielefeld beim KKM. Jetzt bin ich nicht mehr so aktiv wie vor 20 Jahren, als ich das BASAMO noch nicht hatte. Wir spielen mosambikanische Musik, aber mit eigenem Stil. Es gibt ein Mitglied aus Mosambik, zwei aus Ghana und der Key-boarder kam aus Ecuador.

RZ: Was verbindet dich heute noch mit Mosambik?

JF: Mosambik ist meine Heimat. Die paar Jah-

re, die ich dort als Kind verbracht habe, habe ich noch im Kopf. Meine Familie und meine Freunde, die dort noch leben, sie verbinden mich mit Mosambik. Außerdem meine schö-ne Heimatstadt Inhambane, das leckere Essen, die Kultur, die Menschen und ihre Geduld, das ist schon was Besonderes.

RZ: Würdest du sagen, dass Mosambik und Deutschland gleichermaßen deine Heimat sind oder eins mehr als das andere?

JF: Nein, fifty-fifty. Das sieht man nicht und das ist auch gut, weil keiner weiß, wie lange ich hier lebe, was ich erlebt habe. Und wenn ich in Mosambik bin, weiß keiner, wen oder was ich in Deutschland kenne. Ich bin überall zu Hause, es ist einem selbst überlassen zu definieren, wie man mit der Zeit oder mit den Menschen umgeht. Zum Beispiel möchte ich nicht, wenn ich in Mosambik bin, dass die Menschen denken, ich bin aus Deutschland. Ich möchte, dass die Leute mich als Mosam-bikaner sehen. Andersrum ist es hier schwer, die Leute zu überzeugen, dass ich zu ihnen gehöre. Solange ich noch nicht mit einer Per-son gesprochen habe, ist es schwer rüber zu bringen, dass ich mich hier auch zu Hause fühle.

RZ: Möchtest du, wenn du alt bist, wieder nach Mosambik ziehen?

JF: Nein! Ich warte nicht, bis ich alt bin. Ich würde auch jederzeit nach Mosambik ziehen, sobald die Gegebenheiten und die Konditio-nen stimmen. Das liegt an der großen Verant-wortung, die ich jetzt in Deutschland trage.Einen großen Wunsch habe ich noch: Es wäre schön, ein Buch zu schreiben.

Roxana Zimmermann war 2011/12 im Rah-men eines weltwärts-Jahres in Maputo und arbeitet im Redaktionsteam. www.basamo.de

Mit LeidenschaftJerry Fulau kam im Alter von 15 Jahren im Rahmen des Kooperationsvertrages zwischen dem

sozialistischen Mosambik und der DDR nach Deutschland. Neben seinen vielfältigen Projekten ist seine Hauptbeschäftigung und Leidenschaft die mosambikanische Kultkneipe BASAMO, die sich seit 17 Jahren

als gastronomische Einrichtung, Diskothek und beliebter Ort für Musik-Events in Leipzig etabliert hat.

Von Roxana Zimmermann

Interview mit Jerry Fulau

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Die zwei Seelen der Petra Wanga

„Ich war zurückgekommen und hatte gelernt zu produzieren, aufzubauen, zu planen, aber ich wurde in einen sinnlosen Krieg geschickt, wurde gezwungen, meine Brüder zu töten. Ich, der zu lieben gelernt hatte, sollte jetzt hassen! Ich habe diese schockierende Rückkehr zwar überlebt, aber nun muss ich lügen, um Arbeit zu bekommen, obwohl ich gerade gelernt hatte, die Wahrheit zu sagen!“

Petra Wanga war von 1982 bis 1989 in der Schule der Freundschaft in Magdeburg. Petra ist eine sehr stolze und selbstbewusste Frau, die sich trotz einer traumatischen Heimkehr, bei der sie zur Soldatin gemacht wurde, über verschiedenste Arbeiten und mittels ihrer sehr guten Deutsch-Kenntnisse zu einer „erfolgreichen“ Madgerman hochgearbeitet hat.

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40 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Manuel auf den Spuren seines Vaters

Manuel Siegert, 25 Jahre alt, erzählt die Geschichte der Suche nach seinem leiblichen mosambikanischen Vater und sucht dazu die Orte auf, wo dieser gelebt und gearbeitet hat. Dabei trifft Manuel nicht nur alte Arbeitskollegen und Kameraden seines Vaters. Er berichtet auch, wie er von Kindheit an wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wurde, wie frustriert er war, keinen Vater gehabt zu haben, der ihn in Schutz nehmen konnte. Erst als erwachsenem Mann gelang es ihm im Jahr 2012, seinen Vater zu finden und ihn in Maputo zu besuchen. Die Erfüllung seines Kindheitstraumes und die Bedeutung seiner heutigen neuen mosambikanischen Familie beschreibt Manuel nicht nur mit Worten, sondern auch durch seine starke, feinfühlige Ausstrahlung.

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Ich bin am 05.10.2013 nach Deutschland gekommen, um ein Semester Bildungssys-temdesign (was für ein langes Wort!) zu

studieren, und es war mehr als ein Univer-sitätsbesuch. Mit meiner Kultur und meinen Glaubensvorstellungen vom anderen Ende der Welt begegnete ich der Kultur der Bevölkerung und der Studierenden hier am entgegengesetz-ten Pol unserer gemeinsamen Mutter Erde.

Gleich zu Anfang verspürte ich große Bar-rieren, die mit der „Kälte“ der Leute zu tun haben. Ich nenne es Kälte, weil in Mosam-bik immer jemand zum Reden da ist, ob in den „Chapas“, den als öffentlichen Verkehrs-mitteln dienenden Kleinbussen, ob auf der Straße oder sonst irgendwo – überall spürst du die menschliche Wärme. Fremd war mir auch das sehr salzige und oft sehr fette Essen (in Deutschland ist es meiner Ansicht nach viel teurer, sich gut zu ernähren). Es war ein Kampf, die Straßenbahnlinien und die Namen der Haltestellen im Kopf zu behalten und die langen deutschen Wörter und ihre komplizier-te Aussprache zu verstehen, z. B. Alltagskom-munikation, Entschuldigung oder Leistungs-beschreibung.

Oft habe ich die Sprüche „Gewohnheiten kann man nicht verpflanzen“ oder „Die Zeit heilt alles“ gehört. Was den ersten Spruch be-trifft – wenn ich auf meinen Gewohnheiten bestanden und ihnen verhaftet geblieben wä-re, hätte ich mich nicht in das Universitätsle-ben in Deutschland integrieren können. Was den zweiten betrifft, denke ich, dass er auf mich nicht zutrifft, denn der Zeit ist es nicht gelungen, meine Grenzen beim Verständnis dieser geheimnisvollen Sprache zu über-winden, mich an das salzige Essen und die enorme Kälte zu gewöhnen, die für jemanden unbegreiflich bleibt, der in einem tropischen Land namens Mosambik, dort unten im südli-chen Afrika am wunderbaren Indischen Oze-an, geboren und aufgewachsen ist.

Die ganze Welt auf weniger als 10m2

Liebe LeserInnen, wenn Ihr den Wunsch habt zu reisen und die Welt und ihre Kulturen ken-nenzulernen und nicht über die Mittel dafür verfügt, hier ein unfehlbarer Tipp: Bewerbt euch für ein Auslandssemester an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, und euer Wunsch geht in Erfüllung.

Im Deutschunterricht hatte ich die Gele-genheit, die Welt von Lateinamerika bis Pa-kistan, vom Iran bis Ungarn und, als ob das nicht schon genügte, auch noch von Vietnam bis Ägypten kennenzulernen. Die Gruppen des Sprachniveaus A 1+ verschafften mir die-se schöne, interessante Weltreise mittels der anderen Studierenden, die von überall her-kommen, um diese Universität zu besuchen. Dort habe ich auch gelernt, dass Wissenschaft keine Grenzen kennt und niemand in der La-ge ist, den Bildungshunger der Menschen zu bremsen.

Die Reisen durch die Welt der deutschen Grammatik machten Spaß, dank einer sensib-len und immer freundlichen Frau Bettina Beh-rendt, doch soll nicht vergessen werden – das möchte ich allen ans Herz legen, die die deut-sche Sprache lernen wollen – Manche Dinge müssen eben auswendig gelernt werden, in diesem Fall die deutsche Grammatik.

Über den Deutschkurs hinaus war ich ge-zwungen die dreifache Zeit und Mühe auf-wenden, denn ich musste auf Deutsch studie-ren. Das Deutsche war also gleichzeitig die Sprache, die ich lernte und die ich in meinem Studienfach anwenden musste. Das war die bitterste und härteste Erfahrung meines Le-bens, doch ich kann sagen, dass ich mit Hilfe von Freunden/Freundinnen, die mich bedin-gungslos unterstützten, ganz erfolgreich war – ihnen gebührt ein kanimambo (Dankeschön).

Kalte Weihnachten und Silvester

Kuchen und Süßigkeiten, Kuchen und Sü-ßigkeiten, Kuchen und Süßigkeiten, wohin ich auch ging, das war meine unglaubliche Erfahrung mit Weihnachten in Deutschland. Doch auch der Glühwein darf nicht vergessen werden, ebenso die schönen Weihnachtsmärk-te mit den Unmengen an Essen und den Ge-schenken.

Der strahlende, fröhliche Himmel, mit dem das Neue Jahr begrüßt wurde, war sehr be-eindruckend und ähnlich wie die Freude in meinem Land (in den Städten), wenn dieser Augenblick gefeiert wird – abgesehen natür-lich davon, dass die enorme Kälte unerträglich war. Meine Erfahrungen hier sind so zahl-reich, dass sie nicht auf zwei Seiten passen.

Also, ehe ich die Straßenbahn verpasse, ver-abschiede ich mich in der Hoffnung, bald nach Deutschland, in das Land des Studiums und der Kälte, zurückzukehren

Auf Wiedersehen, oder besser: bis bald!

Camillo Macoo ist Studierender der Univer-sidade Pedagógica de Moçambique und war in 2013 für ein Semester an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg.

Mehr als nur ein Universitätsbesuch

Im Rahmen des über den DAAD geförderten Masterstudiengangs „Bildungssystem Design – Desenho das Sistemas de Educação“ an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und der Universidade Pedagógica

Maputo verbringen mosambikanische und deutsche Studierende ein Semester an der jeweiligen Partne-runiversität. Der Autor reflektiert seine vielfältigen Erfahrungen seines Aufenthalts in Magdeburg.

Von Camilo Macoo

Reflektionen eines Auslandssemesters

Schwerpunktthema Migration

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Solidarität

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Seit der Gründung im Jahr 2005 ist es AIDGLOBAL gelungen, vier kommu-nale und fünf Schulbibliotheken mit

mehr als 25 000 Büchern und insgesamt 112 Computern auszustatten; eine davon ist mobil, bekannt als „Bibliotchova“. Außer-dem werden im Rahmen des Programms

„Passaporte para a Leitura“ (Lektürepass) in den Bibliotheken Schulungen für Lehrkräfte und Aktivitäten zur Förderung des Lesens bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Derzeit sind wir dabei, den vierten Container mit Mobiliar, Schulmaterial, Kinderliteratur und technischen Handbüchern für die Biblio-theken zu packen, der im Juni in Mosambik erwartet wird. Es sind Spenden von Mitglie-dern und FreundInnen unseres Vereins, Un-ternehmen und Einrichtungen wie der Verlag

„Editora LeYa“, „CTT – Correios“, die Stiftung „Fundação Portugal Telecom“, der Verein „As-sociação Voluntários com Asas“, die Familie Laginha, die Stiftung „Fundação Luso-Ameri-cana para o Desenvolvimento“ und „Essentials Minds“. Parallel dazu hat AIDGLOBAL eben-falls in Mosambik 30 Frauen in kritischer Situ-ation in einem Projekt zusammengebracht, bei dem es um die Beschaffung von Einkünften und die Erziehung zur Gesundheit geht. Darü-ber hinaus läuft seit Jahren die Unterstützung des Gemeindezentrums von Chimundo, u. a. mit Aktivitäten zum Thema Erziehung in der Kindheit. 

Bildungsarbeit in Portugal

In Portugal liegt ein Schwerpunkt unserer Aktivität darin, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Werte der „Erziehung zur Weltbürgerschaft“ näher zu bringen. Ziel ist es, Bewusstsein für die Gründe der Ungleich-heiten in der Welt zu erzeugen, sowie die Notwendigkeit zu vermitteln, sich für eine gerechtere und nachhaltige Welt einzusetzen. Im Rahmen dieser entwicklungspolitischen Bildungsarbeit findet z. B. das Projekt „Edu-

car para Cooperar“ statt, welches Aktivitäten mit Lehrkräften und SchülerInnen in Schulen Lissabons und Loures (Amtsbezirk bei Lissa-bon) beinhaltet. Bisher haben dabei bereits mehr als 2 300 SchülerInnen aus elf Schulen mitgemacht. Behandelte Themen sind ver-antwortungsvoller Konsum, Fairer Handel, Menschenrechte, Solidarität, Interkulturalität, Konflikte und Frieden, universeller Zugang zu Bildung, Nachhaltige Entwicklung, Gleichstel-lung der Geschlechter, Millennium-Entwick-lungsziele, Ungleichheiten auf der Welt und Gesundheit.

Im Jahr 2012 hat AIDGLOBAL im Rahmen des Projekts „Erziehen zur Kooperation“ ein Austauschprogramm in Loures zum Thema Umwelt zwischen Sekundarstufen von Chi-buto und Malehice in Mosambik und den Schulgruppierungen von Bucelas und Bobade-la durchführen können. Die SchülerInnen der Schulen in Mosambik haben handverarbeite-te, wiederverwendete Materialien von ihren Schülerkollegen aus Portugal erhalten. Damit wurde der Ideenaustausch und die Reflexion über verschiedene Formen der Abfallverwer-tung gefördert. Ziel war es, die SchülerInnen beider Länder für einen respektvollen Umgang mit der Umwelt zu sensibilisieren und über interkulturelle Unterschiede ins Gespräch zu kommen. Die beiden an diesem Austausch beteiligten Schulen in Mosambik liegen im Distrikt von Chibuto und gehörten zu den Teilnehmenden am Projekt „Netz von Schul-bibliotheken“, Bestandteil des Programms

„Passaporte para a Leitura“, ein Beitrag zur Lesefähigkeit mosambikanischer Gruppen in benachteiligter Situation.

In diesem Zusammenhang hat unsere Orga-nisation die mosambikanische Bewegung um die Geschichte der „Formiga JUJU“ (Ameise JUJU) mit offenen Armen in ihr Programm auf-genommen. So unterstützen wir dabei, durch das Vorlesen der Geschichte in Bibliotheken Kinder mit Werten der Interkulturalität, der Inklusion, der Vielfalt, des Engagements und des Umweltschutzes vertraut zu machen. In

den Schulferien bietet AIDGLOBAL in Portu-gal das Programm „O Mundo em Nós“ (Die Welt in uns) an: Auf einer „interkontinenta-len Reise“ entdecken die ganz Kleinen andere Menschen und Kulturen. Im Projekt „facilita-ting global learning“ (Globales Lernen leicht gemacht), das nach der Umsetzung der Werte Globalen Lernens auf europäischer Ebene strebt, ist AIDGLOBAL eine von fünf europä-ischen Partnerorganisationen.

Portugiesische Entwicklungszusammenarbeit

Das „Camões – Instituto da Cooperação e da Língua (CICL)“ ist in Portugal die zuständige und verantwortliche staatliche Einrichtung zur Implementierung politischer Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit. Im Fokus der Politik stehen Themen, die Frieden, die Soli-darität zwischen Völkern, die Stärkung von demokratischen Verhältnissen weltweit, den Respekt vor den Menschenrechten, die För-derung der portugiesischen Sprache und den Umweltschutz im Blickfeld haben. In Portu-gal sind die NRO die stärksten Alliierten einer Agenda zur Kooperation für eine gerechtere, angemessenere und wirksamere Entwicklung weltweit.

Vânia Baldrico ist zuständig für die Öffent-lichkeitsarbeit bei Aidglobal. Der Übersetzer Andreas Müller ist Schatzmeister im Vorstand und auf der Ilha de Moçambique geboren und Mitglied im KKM.

AidglobalDie portugiesische Nichtregierungsorganisation AIDGLOBAL (Acção e Integração para o Desenvolvimento Global) wurde ins Leben gerufen, um durch den Aufbau und die Unterstützung von Bibliotheken in Kom-munen und Schulen in Mosambik den Zugang zu Literatur und die Lese- und Schreibfähigkeit zu fördern.

Der Artikel vermittelt einen Überblick über die verschiedenen Tätigkeitsfelder des Vereins.

Von Vânia Baldrico, PR Aidglobal, Übersetzung E. H. Andreas Müller, Vorstand Aidglobal

Solidaritätsarbeit zwischen Portugal und Mosambik

BU: Ecumqui quia dendia di offictiae lit, idus sint harum aut vid quiduci psusam, serum, sit audanis sit remos doluptur magnihitata

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Oben: ESChibuto: Sekundarschule Chibuto (Escola Secundária): Erste Hürden überwunden! Unten: Biblioteca Municipal – Gemeinsam lernen macht Spaß!

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Solidarität

Die „Freunde Mosambiks“ sind vor allem Menschen, die als VertreterIn-nen der DDR in Mosambik gelebt und

gearbeitet haben – als Experten/ Expertinnen im Bildungs- und im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaft, im Verkehrswesen, in der Justiz, im Bankwesen, in der Rohstofferkun-dung, im Bergbau, in der Fischereiwirtschaft, in verschiedenen Zweigen der verarbeitenden Industrie sowie im Außenhandel. In den ver-gangenen 16 Jahren sind aber auch immer mehr Freunde Mosambiks nicht nur aus dem Osten Deutschlands dazugekommen, die sich gegenwärtig in der Entwicklungszusammen-arbeit in dem südostafrikanischen Land en-gagieren, dort eigene Projekte initiieren und vorantreiben oder im Rahmen internationaler Hilfsorganisationen arbeiten. Auf den Treffen tauschen die TeilnehmerInnen persönliche Erinnerungen aus und lassen sich von Fach-leuten über die aktuellen Entwicklungen in Mosambik informieren. Unermüdlicher Spi-ritus rector der Veranstaltungen ist Wilfried Denzler, der nicht nur das Land so gut kennt wie kaum ein Zweiter, sondern der auch Kon-takte zu zahlreichen persönlichen Freunden in dem Land pflegt. Regelmäßig organisiert er mit seiner Agentur travelnet-4u Reisen in das Land am Indischen Ozean. Seit einigen Jahren werden die Treffen von der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft e. V. (BBAG) ausgerichtet und finanziell unterstützt. Zum neunten Treffen der Freunde Mosambiks in Erkner waren etwas mehr als 100 Gäste gekommen.

Wirtschaftliche Erfolge

Für den Botschafter Mosambiks in Deutsch-land, Amadeu da Conceição, sind die Treffen wichtige Fixpunkte seines Arbeitskalenders. Er berichtete in diesem Jahr in Erkner von den wirtschaftlichen Erfolgen seines Landes,

das seit mehr als zehn Jahren auf ein Wirt-schaftswachstum von jährlich etwa 7 Prozent verweisen kann. Vor zehn Jahren sei der Staatshaushalt des Landes zu 70 Prozent mit ausländischen Hilfsgeldern bezahlt worden, inzwischen hat sich dieses Verhältnis um-gekehrt: Im Jahr 2012 wurden 68,1 Prozent und 2013 72,6 Prozent des Etats aus eigenen Einnahmen finanziert. Verschlechtert hat sich aber die innenpolitische Lage. Es gab bewaff-nete Auseinandersetzungen in den zentralen Provinzen Manica und Sofala. Das 1992 zwi-schen der regierenden Frelimo-Partei und der Rebellengruppe Renamo geschlossene Frie-densabkommen ist in Gefahr. Botschafter da Conceição sprach davon, dass es zurzeit drei Renamos gebe: „Die eine verhandelt mit uns, der Frelimo, die zweite sitzt im Parlament und arbeitet dort mit, und die dritte sitzt im Busch und ist bewaffnet.“ Die Frelimo-Regierung hat nun vorgeschlagen, dass die bewaffnete Renamo in die Zivilgesellschaft eingegliedert wird. Dieser Prozess soll von internationalen BeobachterInnen kontrolliert werden, die aus Simbabwe, Botswana, Kenia, Südafrika, den Kapverden, Italien, Portugal, USA und Groß-britannien kommen sollen. „Dieser Prozess soll 135 Tage dauern – aber er hat noch nicht begonnen“, sagte da Conceição.

Der Botschafter lud die TeilnehmerInnen des Treffens ein, wieder nach Mosambik zu kommen: „Wir warten auf Sie! Schon lange! Es ist ja Ihr zweites Land!“

Vom immensen Rohstoffreichtum Mosam-biks und den großen Schwierigkeiten, diesen zu bergen und nutzbar zu machen, berichtete der Geologe Dr. Siegfried Lächelt, der trotz sei-ner inzwischen 83 Lebensjahre noch immer in Mosambik tätig ist und die Regierung berät. Sein Buch über die erkundeten Lagerstätten des Landes gilt als Standardwerk und ist längst vergriffen; ein neues über die Perspektiven und Potenziale auf diesem Gebiet wird dem-nächst erscheinen.

Persönliche Berichte

Das MosamBIT-Projekt der Strato AG Berlin, das bereits 2012 vorgestellt worden war, wird fortgesetzt. Dabei hatten deutsche Auszubil-dende in Maputo mit gespendeten Rechnern ein IT-Ausbildungslabor aufgebaut, das sie weiterhin betreuen.

Die Zahnärztin Dr. Claudia Eisentraut aus dem thüringischen Hermsdorf, die für „Zahn-ärzte ohne Grenzen“ unter anderem in der Mongolei und in Rumänien war, hatte 2013 ihren Jahresurlaub in der Missionsstation Cambine (Provinz Inhambane), in deren Ein-zugsgebiet 4000 Menschen leben, verbracht. Zahnbehandlung bedeutet in dem Land in der Regel – Zähne ziehen; eine Sanierung ist meis-tens unmöglich, weil das Material dafür fehlt. Dr. Eisentraut berichtete von ihren verzweifel-ten Kämpfen gegen den Zoll und die Bürokra-tie der Gesundheitsverwaltung in Mosambik, bis sie ihre Arbeitserlaubnis erhielt. Und sie berichtete von den 150 glücklichen Mosambi-kanerInnen, denen sie schließlich doch helfen konnte – vor allem mit 158 Zahnfüllungen.

Die Schülerin Jessica Scheweleit von der Sportschule Potsdam stellte die Patenschaf-ten ihrer Bildungseinrichtung für eine Schule in der Stadt Matola südlich von Maputo (seit 2000) und ein Waisenheim in Inhambane (seit 2005) vor.

Landkonflikte

Christine Wiid vom INKOTA-Netzwerk be-richtete vom Problem des sogenannten „Land Grabbing“, von dem Mosambik in zunehmen-dem Maße betroffen ist. Dabei sichern sich in-ternationale Unternehmen große Landflächen in Entwicklungsländern für ihre Projekte und zerstören dabei gleichzeitig oft ersatzlos die traditionellen lokalen Infrastrukturen. Die be-troffene Bevölkerung vor Ort ist diesem Vorge-

Wichtig ist, was in den Köpfen passiert

Die Tradition lebt fort. Seit nunmehr 16 Jahren treffen sich die „Freunde Mosambiks“ alle zwei Jahre am zweiten Aprilwochenende am Rande von Berlin. Von dem diesjährigen Treffen,

welches vom 11. bis 13. April in Erkner bei Berlin stattfand, berichtet Matthias Kunert.

Von Matthias Kunert

Bericht über das neunte Treffen der Freunde Mosambiks

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hen meistens schutzlos ausgeliefert. So will im Norden Mosambiks das norwegische Unter-nehmen Lúrio Green Resources auf 120 000 Hektar eine Eukalyptusplantage anlegen. Die Mangobäume, die bisher die Bevölkerung des Dorfes Mutápua ernährten, wurden alle gero-det. Die versprochene Schule, Gesundheitssta-tion, der Brunnen wurden bisher noch nicht einmal in Angriff genommen, sodass die Dorf-bewohnerInnen nun vor dem Nichts stehen.

Mosambikanisch-deutsche Begegnungen

Jacob Maehl-Jensen, Auszubildender an der Staatlichen Gewerbeschule Hamburg, und sein Vater, der Lehrer Rainer Maehl, berichte-ten vom Projekt „Interkulturelles Lernen und berufliche Ausbildung“ an ihrer Schule und zeigten dabei kurze Filme. Schon mehrfach waren SchülerInnengruppen aus Hamburg in

Mosambik und SchülerInnen und Lehrkräfte aus Mosambik in Hamburg gewesen. Und oft reisten die Hamburger los mit dem Gedanken:

„Wir leisten Entwicklungshilfe, das heißt, wir zeigen denen mal, wie’s geht.“ Rainer Maehl:

„Spätestens nach ein, zwei Wochen sehen die deutschen SchülerInnen: ,Ich bin eigentlich hier der Lernende.́ “ Sie sehen, dass jedes Ma-terial in Mosambik einen Wert hat, dass die MosambikanerInnen mit Enthusiasmus und Überlebenswillen oft wahre Wunder durch Improvisation vollbringen, dass die gemeinsa-me Arbeit von Deutschen und Mosambikane-rInnen durch den gemeinsamen Stolz auf das Geschaffene auf beiden Seiten ein besonderes Selbstbewusstsein entwickelt. Oft kommt es dabei auch vor, dass von älteren Bauprojekten in Mosambik bei späteren Besuchen kaum noch etwas zu sehen ist. Das ordnet Rainer Maehl so ein: „Wichtig ist, was dabei in den Köpfen passiert, das ist nachhaltig. Nicht un-bedingt, was nach zwei Jahren noch steht. Es

muss nicht nur Materielles sein, was sich ent-wickelt. Da findet ein gravierender Perspekti-venwechsel statt.“

Zum Abschluss des Treffens der Freunde Mosambiks sagte Kilian Kindelberger, Ge-schäftsführer der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft, dass er einen Traum he-ge: „Jedem und jeder Jugendlichen in Deutsch-land müsste während seiner/ihrer Schulzeit mindestens einmal eine Auslandsreise ermög-licht werden. Das würde Fremdenfeindlich-keit vorbeugen und das Akzeptieren anderer Kulturen fördern.“

Matthias Kunert ist Redakteur der Berliner Zei-tung. Er war von 1987 bis 1990 Korrespondent in Mosambik.

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Bild mit den Akteuren des 9.Treffen der Freunde Mosambiks, v.r.n.l.: Botschafter Amadeu da Conceição, Dr. Siegfried Lächelt, Wilfried Denzler

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Kultur

Umgeben von vollen Bücherregalen – man könnte fast sagen, in seinem natürlichen Habitat – beantwortet

der Schriftsteller die Fragen des Publikums. Seine rhythmische Rede geht mal in die ei-ne, mal in die andere Richtung, und die Ge-schichten sind verknüpft wie Rosenkränze von Erzählungen, schließen aneinander an oder verzweigen sich in neuen Gesprächen. Es erinnert an die Erzählungen aus Tausend-undeiner Nacht, in der in jeder Geschichte eine neue beginnt. Und so, in einem Knäuel aus Erlebnissen und Berichten, erzählte er uns von der noch nicht weit zurückliegenden Kolo-nialvergangenheit, von der Notwendigkeit, die afrikanischen Sprachen zu bewahren, von der mosambikanischen Namensgebung und von der Rechtschreibreform im Portugiesischen.

„Schreiben ist verrückt“

Südamerikanische Schriftsteller wie Alejo Carpentier, Gabriel García Marquez und Ma-rio Vargas Llosa waren es, die ihn zur Litera-tur brachten. „Die Südamerikaner haben mich dazu gebracht, die Realität auf andere Art und Weise zu schreiben.“ Abgesehen von diesen Einflüssen gehören Hemingway und Jorge Luís Borges zu seinen bevorzugten Schriftstel-lern. Und dass die Realität eines Schriftstellers nicht immer heiter ist, kann wohl kaum je-mand besser sagen als ein mosambikanischer Autor. Die Schwierigkeit, vom Schreiben zu leben, zwingt die mosambikanischen Schrift-steller, von denen es „etwa 30 oder 50“ gibt, zwei oder mehrere andere Jobs zu verrichten.

„Wir haben praktisch alle einen anderen Job. Ich war viele Jahre lang Lehrer, im Moment arbeite ich für das Kultusministerium. Das Schreiben bringt einfach nicht genug ein. Wir sind nur wenige Schriftsteller, ich, Mia [Cou-to], Paulina [Chiziane], Suleiman [Cassamo]. Unsere Auflagen bewegen sich normalerweise zwischen 2 000 und 3 000 Exemplaren, und

wenn es ein Gedichtband ist, können es auch nur 500 Exemplare sein, was sehr wenig ist. Unter diesen Bedingungen zu schreiben, ist verrückt.“ Die Bücher sind schnell ausverkauft, da zudem viele zur Pflichtlektüre in den Schu-len gehören, und Neuauflagen sind schwierig. Selbst der preisgekrönte Roman Ualapi, der als eines der besten afrikanischen Bücher des 20. Jahrhunderts gilt, ist heute so gut wie in kei-ner Buchhandlung mehr zu finden.

„Sie [die mosambikanische Literatur] exis-tiert seit weniger als 100 Jahren, und man kann die Schriftsteller fast an einer Hand abzählen. Jeder von uns, der es ein bisschen weiter schafft, ist zugleich auch Botschafter für die anderen.“

„Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels.“ Dieses Licht ist das Netz der Hochschulen, welches zurzeit 37 Einrichtungen in Mosam-bik umfasst, und fast 70 000 SchülerInnen zur Verfügung steht.  Dieses Netzwerk för-dert nicht nur die Dezentralisierung der Lehre, sondern schafft auch gleichzeitig Bibliotheken, und trägt so zur Verbreitung der Bücher bei.

Sich erinnern

Ungulani Ba Ka Khosa verknüpft traditionelle Geschichten mit einem bewussten Umgang mit der Vergangenheit. Ualapi ist ein histori-scher Roman, der einen wichtigen Abschnitt des Kolonialismus behandelt, den Widerstand Gungunhanas gegen die Kolonisatoren, mit al-lem, was dies mit sich bringt. Doch er befasst sich auch mit der neueren Geschichte.

„Als ich nach Maputo kam, war das Land in einer sehr unruhigen Lage. Mosambik hatte Sanktionen gegen Rhodesien ausgesprochen, ein mutiger Schritt. Die Schwierigkeiten wuchsen und es begann eine Zeit der Entbeh-rungen verschiedenster Art. Plötzlich erklär-te Zimbabwe seine Unabhängigkeit und wir dachten, jetzt passiert etwas, doch ebenso plötzlich verstärkte Südafrika die Offensive

auf das Land. Uns fehlte es an vielem. Ich arbeitete zu dieser Zeit im Bildungsbereich. Ich erinnere mich, dass nach dem Nkomati-Abkommen1 Äpfel in den Schulen verteilt wurden. Kinder, die nach der Unabhängigkeit geboren worden waren, hatten noch nie einen Apfel gesehen. Das zeigt, wie groß die Entbeh-rungen dieser Kinder waren.“

Diese Stimmung bildet den Hintergrund für Histórias de Amor e Espanto. „Unser Umfeld war geprägt von Schwierigkeiten. Es gab Leu-te, die, um eine Lebensmittelkarte zu bekom-men, die Behörden täuschten, um so an ein paar Kilo mehr Essen heranzukommen. Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund dieser schweren Zeit. Und heutzutage erzählen wir den jüngeren Generationen, was wir erlebt ha-ben, und wenn wir in die Supermärkte in Mo-sambik gehen, sind sie voll von Lebensmitteln. Ich erinnere mich noch, wie die Supermärkte früher aussahen, wenn überhaupt, sah man Kakerlaken durch die Schaufenster kriechen, es gab buchstäblich nichts. Deshalb sage ich, die Literatur hat die Kraft diese Geschichten zu vermitteln, die Atmosphäre dieser sehr schwierigen Zeit, die wir erlebt haben.“

Sprachenvielfalt

Über die Geschichte hinaus beharrt der Schriftsteller auf der Notwendigkeit, traditi-onelle Kulturen zu verbreiten und zu bewah-ren. „Das aktuelle Bildungsprogramm sieht vor, schon in der Grundschule die verschie-denen mündlichen Traditionen zu vermitteln. Es geht dabei um einen großen Reichtum. Was zum Beispiel Sprichwörter angeht, sagt man im Süden von Mosambik, jemand ist „heim-tückisch und geräuschlos wie eine Schlange“, was mehr oder weniger der universellen Ver-

1 unterzeichnet 1984, demzufolge Südafrika die mosam-bikanische politische Partei RENAMO und die mosambi-kanische Regierung die Militanten des Afrikanischen Na-tionalkongresses (ANC), die sich in Mosambik aufhielten, nicht weiter unterstützten

Der Meister aus MosambikEin Spätnachmittag in Berlin. In einem kleinen Raum im Stadtzentrum sitzen Menschen verschiedener

Herkunft gedrängt zusammen, einige stehen. Vor dem Publikum spricht ein Mann mittleren Alters. Der Mann, der es schafft sein Publikum zu verzaubern, ist für viele einer der wichtigsten Schriftsteller

des 20. Jahrhunderts. Ungulani Ba Ka Khosa, ein bedeutender Vertreter der mosambikanischen und Weltliteratur, war auf Lesereise in fünf deutschen Städten unterwegs.

Von Inês Thomas Almeida

Ein Gespräch mit dem Autor Ungulani Ba Ka Khosa

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wendung entspricht. Aber im Norden, bei den Makua, wird gesagt: „Er ist wie eine Schlange, klettert ohne Beine auf einen Baum. Das alles ist ein reicher Schatz, der in den Unterricht gehört. Es sind Werte, die in die Bildung mit einfließen müssen.“ Und das führt, so der Au-tor, zu der sprachlichen Frage.

„In Mosambik gibt es 23 verschiedene Sprachgruppen. Wir alle haben eine Mutter-sprache, aber nur wenige können in dieser Sprache schreiben und lesen. Diese Sprachen wurden stark verdrängt. Die wenigen, die sie lesen und schreiben können, haben sie über die evangelische Kirche gelernt, die die Bibel übersetzt und einige (wenige) Leute in sehr begrenzten Gebieten in den Nationalsprachen alphabetisiert hat. Das verwendete Alphabet war das englische, mit dem K und dem W“, so dass beispielsweise der Autor selbst seinen Namen immer mit K schrieb, welches es im portugiesischen Alphabet nicht gibt. „Aber mit dem Vergleich der Kolonialregierung gab es Verbote, die Leute durften diese Sprachen nicht mehr sprechen.“ Dies verurteilte eine ganze Generation zu einem zeitraubenden Lernprozess, weil der normale Unterricht in den Schulen in der Fremdsprache Portugie-sisch stattfand. „Die Generation meiner Eltern hat die Grundschule acht bis zehn Jahre lang besucht.“

Inzwischen ist Portugiesisch schon als Umgangssprache assimiliert, abgesehen von ihrem offiziellen Status. „Die portugiesische Sprache ist schon unser Eigentum“. Auf der anderen Seite, beim Schreiben in den traditi-onellen Sprachen, ist der Weg noch weit.

„Es gibt zwei oder drei Schriftsteller, die sich getraut haben auf Changana zu schrei-ben, einer hat es auf Makua versucht, aber die Verbreitung ist sehr, sehr schwierig. In Afrika gibt es sehr viele Schriftsteller aus ehemali-gen englischen Kolonien, die auf Zulu und anderen traditionellen Sprachen schreiben, weil ihre ganze Bildung in dieser Sprache ab-lief. In unserem Fall gibt es das nicht. Es ist relativ schwierig, ihren Gebrauch offiziell zu machen. Die Eduardo-Mondlane-Universität zum Beispiel hat Studienabschlüsse in Chan-gana- und Makua-Sprache angeboten. Aber so unglaublich es auch erscheint, haben es diese Absolventen sehr schwer, Arbeit zu finden.“

„Diese Sprachen sind keine offiziellen Spra-chen, wie es Zulu und andere sind. Beim Sch-

reiben bemühe ich mich, diese Werte in das Portugiesische einfließen zu lassen und die Sprache zu bereichern. Aber unsere Zukunft liegt in der Anerkennung dieser Sprachen. Wir müssen den traditionellen Sprachen einen offi-ziellen Status geben. Jede einzelne von ihnen muss offiziell sein, um weiter zu bestehen.“

„Dafür muss sehr, sehr viel investiert wer-den. Es hat gerade angefangen und wir sind auf dem Weg, aber ich denke es wird noch zwei oder drei Generationen dauern.“

Kolonialvergangenheit im Namen

In einem Land, das erst vor 36 Jahren unab-hängig wurde, spiegeln selbst die kleinen Din-ge die neuere Geschichte wider. Die Namen zum Beispiel. Bis 1975 war es Pflicht, einen Namen in der offiziellen Sprache, Portugie-sisch, zu wählen. Da die große Mehrheit der Bevölkerung eine Muttersprache afrikanischen Ursprungs hatte, war es üblich einen offiziellen Namen zu haben, der zur Identifizierung dien-te, und einen echten Namen, in traditioneller Sprache. „Mein offizieller Name ist Francisco, Ungulani Ba Ka Khosa ist mein traditioneller Name. In Südmosambik gibt es viele Khosa, es ist wie Paco in Spanien, Silva in Portugal oder Müller in Deutschland. An jeder Ecke gibt es einen Khosa. Übersetzt bedeutet mein Name:

„die Khosa dezimieren, von denen es viele gibt“. So habe ich quasi die Rolle eines Unsterblichen, ich muss die Khosa niedermetzeln!“ erklärt der Schriftsteller lachend. Heutzutage kann man sich bei der Wahl des offiziellen Namens die Sprache aussuchen, die man will.

Seltsamerweise findet man in der Provinz Sambezia selten Namen in traditionellen Spra-chen. „Viele Generationen lang war die koloni-ale Präsenz in Sambezia sehr stark. Während sich die koloniale Präsenz im Süden des Lan-des erst später bemerkbar machte – Gungunha-na zum Beispiel stürzte 1894/1895 – gab es in Sambezia schon seit dem 17. Jahrhundert eine starke koloniale Prägung. Deshalb ist jemand, der ins Hinterland von Mosambik reist, nach Sambezia oder in die Tete-Provinz, ziemlich verblüfft darüber, dass die Bauern untereinan-der perfekt Portugiesisch sprechen, während dies im Süden ein vergleichsweise neues Phä-nomen ist. Und die Namen spiegeln diese Ge-schichte wider.“

Bei einer Erhebung der Namen in den Re-gionen Sofala und Sambezia stieß der Autor auf Namen wie: João Trinta e Nove Quarenta (Johannes Neunundreißig Vierzig), António Redondo Triste (Anton Rund Traurig), António Segunda Feira Está Mal (Anton Am Montag Geht Es Ihm Schlecht), und sogar kleinere Beleidigungen. „Es gibt diese Namen, die von

der Gutwilligkeit des Verwalters abhingen. Erwachte ein Arbeiter beispielsweise schlecht gelaunt, sagte der Verwalter: „Das ist Anton Schlechtgelaunt, unterschreib das! [lacht]. Wir sind erst seit 36 Jahren unabhängig, und unse-re Namen spiegeln eben oftmals unsere koloni-ale Vergangenheit wider.“

Verbreitung von Büchern

In mosambikanischen Verlagen wird heute der meiste Umsatz mit Schulbüchern gemacht, die kostenlos in den Schulen verteilt werden. Das bedeutet, dass die wenigen Verlage unter-einander darum kämpfen, wer den Zuschlag vom Staat bekommt, denn wer die Bücher he-rausgeben darf, kassiert eine ordentliche Sum-me. „Das große Geschäft dieser Verlage sind also die Schulbücher. Dass sie ein Buch von mir, oder einem anderen mosambikanischen Schriftsteller veröffentlichen, passiert hin und wieder, aber besondere Begeisterung dafür zei-gen sie nicht. Für die Verleger ist es ein Risiko, das sie nicht eingehen möchten.“

„Mit der Rechtschreibreform können auf ein-mal brasilianische Verlage unsere Bücher ver-öffentlichen. Und in Brasilien gibt es so viele Verlage! Die Macher der Reform, Portugal und Brasilien, streiten sich darum wer gewinnt, und wir [die mosambikanischen Schriftstel-ler] warten einfach darauf, dass unsere Bücher herausgegeben werden.“

Ungulani Ba Ka Khosa, offiziell Francisco Esaú Cossa, studierte Geschichte und Geo-graphie, bevor er Lehrer wurde. Seine ersten literarischen Werke waren Kurzgeschichten. 1987 veröffentlichte er den historischen Ro-man „Ualapi“, über die koloniale Vergangen-heit Mosambiks, verkörpert von Gungunha-na, dem letzten König von Gaza, der sich im 20. Jahrhundert gegen die portugiesische Ko-lonisierung auflehnte und nach seinem Sturz auf die Azoren verbannt wurde. Ungulani Ba Ka Khosa schrieb außerdem „Orgia dos Loucos“ (1990), „Histórias de Amor e Espanto“ (1999),

„No Reino dos Abutres“ (2002), „Os sobrevi-ventes da noite“ (2007), das ihm den José-Craveirinha-Literaturpreis einbrachte, und

„Choriro“ (2009). Der Roman „Ualapi“ gewann 1990 den Großen Erzählpreis von Mosambik und 1994 den Nationalen Literaturpreis, und gilt als eines der besten afrikanischen Bücher des 20. Jahrhunderts.

Das Interview ist eine leicht gekürzte Fassung und erschien auf der Kultur-Onlinezeitschrift www.berlinda.org. Wir danken Inês Thomas Almeida (Interview) und Johannes Reiss (Über-setzung) für die Erlaubnis, das Interview ab-zudrucken.

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Kultur

Das ICMA ist als Ort der Begegnung und des Kulturaustauschs für Mo-sambikanerInnen sowie auch für

Deutsche unverzichtbar. Hinter den Kulissen arbeiten zur Zeit acht MitarbeiterInnen mit viel Elan.

Birgit Plank-Mucavele, die Direktorin des ICMA, ist seit zehn Jahren mit viel Herzblut bei der Sache. Sie hält alle Fäden in der Hand, macht Unmögliches möglich. Verheiratet mit einem mosambikanischen Musikethnologen wohnt sie mit ihren zwei Söhnen in Maputo, wo sie sich mittlerweile komplett zu Hause fühlt. Birgit Plank-Mucaleve kam vom Goe-the-Zentrum Harare nach Maputo und blickt auf eine zwölfjährige Zusammenarbeit mit deutschen Kulturgesellschaften zurück.

Rosita Mbembe ist bereits seit zehn Jah-ren mit dabei. Sie ist für die Buchhaltung, die Bibliothek und Informationen rund um Deutschland im ICMA zuständig. Angesichts einer bilateralen Geschichte, die neben wirt-schaftlichen und politischen Beziehungen auch gerade durch intensiven menschlichen Austausch gekennzeichnet ist, inspiriert Ro-sita Mbembe vor allem die Rolle des ICMA als Stätte der Begegnung. Als sie 1985 als Studentin der Informationsverarbeitung an die Technische Universität Dresden kam, kannte sie genau zwei deutsche Worte: „Ka-kerlake“ und „Frau.“ Damals hätte sie sich nicht träumen lassen, dass Deutschland fast 30 Jahre später immer noch eine so zentrale Rolle in ihrem Leben einnehmen würde.

Abel Maria Victorino versteht sich als Teil der Geração 8 de Março – der Generation, die ein unabhängiges Mosambik aufbaute. Ursprünglich besuchte er die Fachschule für Sport in Maputo. Um dem Schicksal des in ein Kriegsgebiet versetzten Lehrers zu ent-gehen, arbeitete er zunächst bei der Polizei. Im Rahmen eines Ausbildungsprogrammes ging er für fünf Jahre nach Magdeburg, wo er im Bereich Polizei und Brandschutz ange-

leitet wurde. Zu guter Letzt ist er doch noch Lehrer geworden. Aber statt Turnübungen bringt er seinen SchülerInnen nun deut-sche Grammatik und Vokabeln bei. Abel Maria Victorino begann beim ICMA als Deutschlehrer und ist mittlerweile PASCH-Koordinator – er organisiert und führt den

Deutschunterricht am Instituto Comercial in Maputo durch.

Lázaro Magalhães, ein ehemaliger DDR-Vertragsarbeiter, ist für die Administration zuständig. Obwohl Lázaro Magalhães heute sagt, dass er zunächst keinen Nutzen aus sei-

Wer macht eigentlich was?2014 feiert das ICMA – Instituto Cultural Moçambique-Alemanha – Goethe-Zentrum Maputo, sein

zehnjähriges Bestehen mit einem vielfältigen Kulturprogramm. Anlässlich des Jubiläums ist es an der Zeit, die engagierten MitarbeiterInnen des Kulturinstituts vorzustellen.

Von Marcia C. Schenck

Zehn Jahre deutsch-mosambikanische Begegnungen im ICMA

48 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

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ner Zeit in Deutschland ziehen konnte, hat er zu guter Letzt im ICMA doch seinen Platz gefunden. Das Kapitel Arbeit in Deutschland ist für ihn, wie für viele der ehemaligen Ver-tragsarbeiterInnen, jedoch noch lange nicht abgeschlossen.

Petra Tomás Wanga wollte zuerst partout nicht nach Deutschland. „Ich war jung, ver-misste meine Eltern und wollte einfach nur wieder nach Hause!“, erinnert sie sich. Was damals, im Jahr 1982, wie ein Unglücks-fall aussah, zieht sich heute als roter Faden durch ihr berufliches Leben. Als Schülerin an der Schule der Freundschaft lernte sie als Jugendliche Deutsch, heute gibt sie Deutsch-unterricht für zahlreiche MosambikanerIn-nen. Petra Wanga arbeitet seit Dezember 2013 in der Sprachabteilung des ICMA und ist seit 2004 als Deutschlehrerin vom Goe-the Institut Johannesburg zertifiziert. Ne-ben dem Unterricht organisiert sie auch die

Sprachkurse im ICMA. Es freut sie beson-ders, dass die Anzahl der Sprachkursteilneh-menden stetig steigt und die SchülerInnen mit so viel Motivation dabei sind.Assado Mário Lichane ist seit 2011 mit von der Partie. Der Dreiundzwanzigjährige war ein herausragender Deutschschüler und wur-de dann im Rahmen des PASCH-Programms für einen dreimonatigen Sprachkurs nach Schloss Wallberg bei Frankfurt am Main ge-schickt. Danach begann er als Praktikant im ICMA. Mittlerweile ist er für die Rezeption verantwortlich, hilft bei Veranstaltungen als Tontechniker und fasst mit an, wo Hilfe be-nötigt wird. Assado Mário Lichane bedeutet seine Arbeit beim ICMA sehr viel. „Sie de-finiert mich als Person“, sagt er. Es ist sein erster richtiger Arbeitsplatz. Abends geht es an die Universität, wo er Buchhaltung und Wirtschaftsprüfung studiert. Er wohnt au-ßerhalb, in Zimpeto, und kommt selten vor 23 Uhr nach Hause. Der nächste Tag beginnt

früh, um sechs. „Deutschland, das bedeute-te einst für mich die Automarke Mercedes und was man so aus Filmen kennt. Heute ist es die Tür zu meinem Erfolg, “ sagt Assado Lichane stolz. Und wenn man ihm in die Au-gen sieht, dann weiß man, er meint es ernst.

Auch von Anfang an mit dabei ist Israel Maunze. Der Mann, ohne den im ICMA im wahrsten Sinne des Wortes alles zusam-menbrechen würde. Er hat sich mit seiner aufgeschlossenen, hilfsbereiten Art schnell in die Herzen der ICMA-Familie hineinge-arbeitet. Heute hält er das ICMA blitzblank und repariert mit viel Geschick, was einer Reparatur bedarf.

Jedes Jahr wird das ICMA von tatkräftigen Freiwilligen aus Deutschland unterstützt. Seit September 2013 wird das ICMA von Lea Sherin Kübler unterstützt, die mit dem Programm weltwärts über das Welthaus Bie-lefeld für ein Jahr in Maputo ist. Als Fan von Henning Mankell hat sie sich sehr gefreut, ihr Gap Year in seiner Wahlheimat Mosam-bik verbringen zu dürfen. Lea Kübler arbei-tet an der Rezeption, in der Bibliothek, ist zuständig für Sprachkurseinschreibungen und Facebook-Updates. Nach ihrem Einsatz möchte sie Schauspiel studieren und freut sich deshalb besonders über Aufgaben, die mit Theaterspielen und Skriptentwicklung zu tun haben. Außerdem dient dieses Jahr auch der Persönlichkeitsentwicklung und dem interkulturellen Austausch. Lea Kübler lebte erst bei einer Gastfamilie, um Portu-giesisch zu lernen, sie tanzt Afroswing und nutzt jede Gelegenheit zum Reisen.

Alle MitarbeiterInnen teilen einen gemein-samen Wunsch: das ICMA zu unterstützen, wachsen zu lassen und den Kulturkalender in Maputo mitzugestalten. Und – dass es min-destens für die nächsten zehn Jahre so bleibt.

www.goethe.de/maputo www.facebook.com/pages/Maputo/

Instituto-Cultural-Moçambique-Alemanha-Goethe-Zentrum-Maputo

Marcia C. Schenck ist Doktorandin der Ge-schichte an der Princeton Universität, NJ, USA, und lebt zur Zeit zwecks ihrer Feldforschungen zum Thema Mosambik-DDR Beziehungen in Maputo.

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Kultur

50 Mosambik-Rundbrief Nr. 88 • Juni 2014

Buchrezension

Zwölf afrikanische Geschichten aus Mosambik, Cap Verde, Äthiopien, Angola und Guinea-Bissau

Von Katrin Schneider

Warum erzählen wir? Um zu berühren, erstaunen, infor-mieren und aufzuklären. Genau das tut Aaron Ravens-berg in seinen Geschichten, die er ‚nach der Wirklich-

keit‘ unterschiedlicher Jahre erzählt.

Berührend die Geschichte von Ana Paula, die, so ein Curandeiro, von ihren Eltern ‚gerufen‘ wird. Dabei ist sie für alle im Heim Wai-se. Erstaunlich die Geschichte, wie der Autor wieder zu seinem gestohlenen Auto kommt. Die Erzählung Der lange Weg nach Mueda informiert uns über das Massaker, das dort 1960 verübt wurde, und wir werden in anderen Geschichten über die Tätigkeit eines Curandeiros und eines Griots aufgeklärt.

Aaron Ravensberg hat etwas von einem Griot. Auch er reist von Ort zu Ort, überbringt Nachrichten und erzählt Geschichten, Märchen und Mythen der Gegenden, die er bereist. Der Griot der gleich-namigen Erzählung braucht Träume, um Geschichten erzählen zu können. In Ravensbergs Geschichte Unter dem Mangobaum geht

es um einen Alptraum, den der „Entwicklungsexperte“ träumt: In einem mosambikanischen Dorf sieht er sich den provozierenden Fra-gen und Kommentaren der DorfbewohnerInnen ausgesetzt, denen er etwas über Armutsbekämpfung erzählen soll.

Ravensberg ist ein Pseudonym. Der Autor ist nicht als Tourist durch die oben genannten afrikanischen Länder gereist, sondern als „Entwicklungsexperte“. Dafür gibt es in seinen Geschichten viele Hinweise. Aber Ravensbergs Blick gilt vor allem den Menschen, nicht den Projekten, und das macht das Buch zu einem lesenswerten Erlebnis.

P.S.: Aber eine Rechtschreibkorrektur täte ihm gut.

Aaron Ravensberg „Der lange Weg nach Mueda“ ErzählungenAJZ Druck&Verlag Bielefeld 2013, 110 Seiten, 9,80 €

Ein mosambikanisch-deutsches Schul- Theater-Projekt

Vom 10.5.2013 bis zum 13.6.2013 arbeiteten vier Theatermacher-Innen aus Mosambik und Deutschland an Schulen in Bautzen, Bielefeld, Dortmund, Hamburg, Lennestadt und Nottuln. Mit der Methode des Theaters der Unterdrückten wurden die SchülerInnen an globale Konflikte rund um Bergbau, extraktive Ressourcen, Land-grabbing und unseren Konsum im globalen Norden herangeführt.

Die Dokumentation des Projektes kann eingesehen werden unter www.kkmosambikde/bergbaumachttheater/

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Materialien und Medien zum Bestellen und Leihen

BücherMoçambique – Alemanha, Ida e Volta. Mosambik – Deutschland, hin und zurück Erlebnisse von Mosambikanern vor, während und nach dem Aufenthalt in Deutschland. Zweisprachig Deutsch – Portugiesisch Hrsg: ICMA, 2005, 244 Seiten, € 10,–

Schule zwischen Tradition und ModerneVon Felix Mulhanga. Eine Fallstudie in den ländlichen Regionen Mosambiks. Hrsg: INISIA e.V. 2002, 234 Seiten, € 25,65

Liebeslied an den Wind von Paula Chiziane Roman; Hrsg. Brandes & Apsel, Südwind, 2001, 134 Seiten, € 15,50

Wind der Apokalypse von Paula Chizane Roman; Hrsg. Brandes & Apsel, Südwind, 1997, 261 Seiten, € 19,50

BroschürenRiqueza e Pobreza – Armut und Reichtum. Ein mosambikanisch-deutsches Jugendfotoprojekt Broschüre zur Fotoausstellung, Bielefeld, 2007, 86 Seiten farbig, € 3,–

Encontros – Begegnungen. Schulpartnerschaften mit Mosambik – Chancen für globales LernenEine Handreichung des KKM zur Schulpartner­schaftarbeit, Bielefeld, 2005, 62 Seiten € 2,50

Ressourcenarmut – RessourcenreichtumEin deutsch­mosambikanisches Jugendfoto­projekt, Broschüre zur Fotoausstellung, Bielefeld, 2010, 126 Seiten, € 3 ,–

Vom Reichtum in der Armut Rohstoffabbau und Verteilungskonflikte am Beispiel MosambikInformationsbroschüre, Bielefeld 2011, 56 Seiten, € 3,– (PDF unter kkmosambik.de)

FilmeAus gutem Holz Dokumentarfilm zum deutsch­mosambi ka­nischen Austausch über das Tischlerhandwerk der Gewerbeschule 6 in Hamburg, ca. 25 Min., Schutzgebühr für DVD, € 10,–

O Grande BazarFilm über zwei Jungen, die sich auf einem Markt in Maputo durchschlagen. Portugiesisch mit englischen Untertiteln (ca. 1 Stunde)

André und Carlitos. Aidswaisen in MosambikKurzer Film für SchülerInnen (Sek I) über zwei Jun­gen, die ohne Eltern überleben müssen (ca. 10 Min.)

Zwischen Traum und Wirklichkeit das Experiment Schule der FreundschaftIn Stassfurt entsteht 1975 die „Schule der Freund­schaft“, in der 900 mosambikanische Kinder eine Ausbildung erhalten und im Geiste des Kommu­nismus erzogen werden. Der Film wandelt auf den Spuren ehemaliger SchülerInnen.

Steps for the future (DVD)8 Filme und Begleitmaterial für Unterricht und Bildung zum Thema Alltag im südlichen Afrika im Zeichen von HIV/Aids, aus Mosambik der Kurzfilm „The Ball“ und der Spielfilm „A Miner’s Tale – Reise zwischen zwei Welten“

Im Rhythmus der StrasseAdolfo lebt mit seiner Familie in Inhambane. Abends geht er in die Schule, tagsüber ist er auf der Strasse mit seinen Freunden. Er arbeitet als Fremdenführer, trägt den Touristen die Einkaufsta­schen, verhandelt für sie auf dem Markt. (Laufzeit 15 Minuten)

Die Katastrophenmacher. Spendenflut und Medienmacht Wenn eine Krise das Medieninteresse geweckt hat fließen die Spendengelder. Wenn nicht, wird kaum gespendet. Die wichtigen Katastrophen sind kaum fernsehtauglich, z. B. Mosambik und die Dürre.

Die Ausleihzeit für Videos und DVD beträgt 14 Tage, Gebühr € 6,–. Ausführliche In halts­angaben über den KKM erhältlich.

Mosambik-RundbriefEinzelheft € 6,– (plus Versand), Jahresabo (2 Ausgaben) Inland € 12,–, Ausland € 18,­ Ältere Einzelhefte € 2,–. Die letzten Hefte:

76 Wachsende Distanz? Regierung, Geber und Gesellschaft

77 Mehr Mitbestimmung? Kommunalwahlen und Dezentralisierung

78 Geprägt durch zwei Welten – Mosambikaner und Deutschland

79 Zwischen Hoffnung und Wirklichkeit – Agrar treibstoffe in Mosambik

80 Alles in Bewegung – Fußball, Sport und Spiele81 Vom Nehmen und Geben –

Politik, Transparenz, Korruption82 Mit Leichtigkeit und Humor –

Kunst und Kultur in Mosambik83 Vom Reichtum in der Armut – Rohstoffabbau

und Verteilungskonflikte in Mosambik84 Kindheit und Jugend in Mosambik85 Ressourcen – Menschen – Rechte:

Wirtschaftswachstum versus Entwicklung?86 Hunger nach Land?! Landwirtschaft und

Ernährung in Mosambik

CDsMabulu: Outra VezNeue CD der Gruppe Mabulu, € 15,–

Eyuphuro – WatanaFolklore aus dem Norden Mosambiks, € 15,–

Unterrichts materialienWir alle können gewinnen im Kampf gegen die Armut Wie die Millenniums-Entwicklungsziele in Mosambik erreicht werden könnenvon Monika Scheffler, Unterrichtseinheit für Sek. I ab 7. Klasse, KKM, Bielefeld, 2006,40 Seiten, € 2,50

Olá, ich bin Cidália aus Mosambik von Katja Mergelsberg, Unterrichtsmappe zu Mosambik, 4.–7. Klasse, KKM, Bielefeld, 2004, 108 Seiten, € 4,–

Passar Fronteiras – Über Grenzen hinweg nach Mosambik von Katja Mergelsberg, Unterrichtsmappe zu Mosambik, 7.–9. Klasse, KKM, Bielefeld, 2004, 96 Seiten, € 4,–

„Christ sein weltweit – Mosambik“Material für den Religionsunterricht, Hrsgb.: Missionspädagogische Arbeitsgemeinschaft, 2001, 92 Seiten, € 7,50

Zwischen Tank und TellerUnterrichtsmaterialien zu Agrartreibstoffen am Beispiel Mosambik, 8.–12.Klasse, KKM/ARA Bielefeld, 2010, 46 Seiten, € 5,–

Ressourcenarmut – RessourcenreichtumUnterrichtsmaterialien zum Fotoaustauschprojekt über unseren Umgang mit Ressourcen, 7.–10.Klasse, KKM/ARA, 2010, 59 Seiten, € 5,–

Alle Preise verstehen sich inklusive Mehrwert­steuer. Verpackung und Porto extra. Der Versand erfolgt gegen Rechnung.

AusstellungenRiqueza e Pobreza – Armut und ReichtumEin mosambikanisch­deutsches Jugendprojekt vom ICMA und KKM, Fotoausstellung, 48 Tafeln, 8 à 45 x 60 cm, 40 à 30 x 45 cm € 50,– / Woche

Venha Ver o Meu Mundo – Komm, ich zeig dir meine WeltFotoaustausch über Wasser und Müll zwischen deutschen und msambikanischen SchülerInnen, 11 Fotos, 90 x 90 cm, € 25,– / Woche

Ressourcenarmut – Ressourcen reichtumFotoausstellung zum Austauschprojekt mit deutschen und mosambikanischen SchülerInnen13 Roll­Up­Banner, je 0,85m x 2,15 m€ 50,– / Woche

Online-LernplattformDer Streit um die wieder entdeckten Rohstoffvorkom­men – von Kohle über Gas bis hin zu Anbauflächen für Agrokraftstoffe – ist in Mosambik heftig entbrannt. Die Lernplattform „Streit um Ressourcen!“ greift in drei Lernpfaden á 90 Minuten, aufbereitet in zwei Schwierigkeitsgraden für Sekundar­ und Berufsschu­len, die Thematiken auf. Die Bildungsbausteine setzen in erster Linie auf die Vermittlung von Perspektiven aus Mosambik: Interviewmaterial, Videos, Zeitungs­artikel, Bilder und interaktive Aufgaben bieten die Möglichkeit zur altersgerechten Auseinandersetzung mit den lokalen und globalen Konsequenzen der Nut­zung von Rohstoffen. Wer mit dem Material arbeiten will, kann mit wenigen Klicken die Bausteine herun­terladen oder online nutzen – der Zugang zu diesen Wissensressourcen ist frei.

http://streitumressourcen.kkmosambik.de

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David Aguacheiro wurde am 15. September 1985 in Maputo geboren. Er ist bildender Künstler, Fotograf, Filmemacher und Diplomgrafikdesigner. 2006 hat er den ersten Platz in Malerei bei einem Wettbewerb des Kulturhauses Ma­puto, 2010 den ersten Platz für ein Video­art­Projekt am CCFM und in diesem Jahr den zweiten Platz in Fotografie am CCFM gewonnen. Zwei seiner Dokumentarfilme haben an internationalen Filmfestivals teil­genommen. Neben seiner Künstlertätigkeit ist David Aguacheiro selbständig in seiner Design & Multimediaproduktionsfirma tätig.

www.aguacheiromultimedia.com