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LIEBE GENOSSINNEN, LIEBE GENOSSEN, mit 100 noch auf der Höhe der Zeit? Ja, unbedingt ist das so beim Internationa- len Frauentag. Das gilt insbesondere für die SPD in Niedersachsen. Denn wir waren beim Thema Frauenrechte immer vorne mit dabei. Erinnert sei an den gro- ßen Einsatz unserer G enossin Inge Wet- tig-Dani elmeier für die Geschlechterquo- te in der SPD und an Lenelotte von B oth- mer. 1970 hielt sie als erste Frau in einem Hosenanzug eine Rede im Deutschen Bundestag. Sie setzte sich über den Vize- präsidenten des Bundestages von der CSU hinweg – und damit ein Zeichen für die Souveränität von Frauen in der Poli- tik. Doch haben wir noch ‚of fene Posten‘ in Sachen Gleichberechtigung: Welche Perspektiven bieten wir der jungen allein erziehenden Mutter? Warum haben die kinderlosen »Top-Girls« politische Lösungssuche genauso wenig auf dem Schirm wie Akademikerinnen mit Kin- dern? Inspiriert die Konkurrenz unterein- ander einen neuen Feminismus? Wer an Antworten darauf interessi ert ist: Bit te lesen! Eure Gabriele Lösekrug-Möller Stellvertretende SPD-Landesvorsitzende vorwärts NIEDERSACHSEN M Ä R Z  2 0 1 1  |  W W W. S P D - N I E D E R S A C H S E N . D E EDITORIAL immer noch keine Gleichstellung bei Führungspositionen und besonders bei denen in der Wirtschaft? Hat sich die Politik der Macht der Wirtschaft unter- geordnet – auf Kosten der Gleichstel- lung? Dass es anders und besser geht, haben uns andere Länder bereits vorge- macht. In Deutschland dagegen hält der Chef der Deutschen Bank, Josef Acker- mann, hier und da eine Frau als Farbtup- fer und zur Dekoration von Vorständen und Aufsichtsräten für denkbar – natür- lich freiwillig. Was hätte Olympe de Gouges dazu gesagt? Vielleicht hätte sie einen weiteren Artikel der »Erklärung der Rechte der Frau« zitiert: »Freiheit und Gerechtigkeit bestehen darin, alles zurückzugeben, was einem anderen gehört. So hat die Ausübung der natürli- chen Rechte der Frau keine Grenzen außer denen, die die ständige Tyrannei des Man- nes ihr entgegensetzt. Diese Grenzen müssen durch die Gesetze der Natur und der Vernunft reformiert werden«. Das klingt radikal in unserer modernen, vom politischen und ideologischen Main- stream weichgespülten Zeit. Wahr ist es dennoch. Darum: Geduldig waren wir lange genug. Wir wollen Taten sehen. Während der französischen Revolution verfasste Olympe de Gouges 1791 die »Erklärung der Rechte der Frau und Bür- gerin«, zwei Jahre später starb sie auf dem Schafott. In Artikel 13 heißt es da: »Für den Unterhalt der Staatsmacht und für die Ausgaben der Verwaltung sind die Beiträge von Frau und Mann gleich. Sie ist beteiligt an allen Frondiensten und mühseligen Arbeiten; sie muss des- halb gleichermaßen beteiligt sein an der Verteilung der Posten, der Anstellungen, der Aufträge, der Würden und der Gewer- be«. Im Jahr 2011, also 220 Jahre später, beträgt der Frauenanteil in den Vorstän- den der 100 größten deutschen Unter- nehmen beschämende 2,2 Prozent. Und immer noch diskutieren wir darüber, ob wir darauf warten sollen, dass die Män- ner freiwillig die Macht teilen oder ob eine gesetzliche Quote endlich die Gleichstellung und damit den gesell- schaftlichen Fortschritt bri ngt. Zwar sind viele Forderungen der Frauenrechtsbe- wegungen der vergangenen Jahrhun- derte Wirklichkeit geworden: das Frau- enwahlrecht, das Recht auf Erwerbstä- tigkeit und das Recht auf Bildung, um nur drei zu nennen. Warum aber gibt es GEDULDIG WAREN WIR LANGE GENUG Frauen wollen bei der Gleichstellung endlich Ta ten sehen. Von Caren Marks MdB Im Niedersachsen-vorw ärts: »TiL – Themen im Landtag« (Mittelteil Seiten 1–4) Bürgerin auf den Barrikaden: »Die Freiheit führt das Volk«, Gemälde von Eugène Delacroix. Caren Marks, Frauen- politische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Foto: SPD-Fraktion 1 0 0  J A H R E I N T E R N A T I O N A L E R  F R A U E N T A G ! 

Niedersachsen-Vorwärts März 2011

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LIEBE GENOSSINNEN,LIEBE GENOSSEN,

mit 100 noch auf der Höhe der Zeit? Ja,unbedingt ist das so beim Internationa-len Frauentag. Das gilt insbesondere fürdie SPD in Niedersachsen. Denn wirwaren beim Thema Frauenrechte immervorne mit dabei. Erinnert sei an den gro-ßen Einsatz unserer G enossin Inge Wet-tig-Danielmeier für die Geschlechterquo-te in der SPD und an Lenelotte von B oth-mer. 1970 hielt sie als erste Frau in einemHosenanzug eine Rede im DeutschenBundestag. Sie setzte sich über den Vize-präsidenten des Bundestages von derCSU hinweg – und damit ein Zeichen fürdie Souveränität von Frauen in der Poli-

tik. Doch haben wir noch ‚of fene Posten‘in Sachen Gleichberechtigung: WelchePerspektiven bieten wir der jungen alleinerziehenden Mutter? Warum haben diekinderlosen »Top-Girls« politischeLösungssuche genauso wenig auf demSchirm wie Akademikerinnen mit Kin-dern? Inspiriert die Konkurrenz unterein-ander einen neuen Feminismus? Wer anAntworten darauf interessiert ist: Bit telesen!

Eure

Gabriele Lösekrug-MöllerStellvertretende SPD-Landesvorsitzende

vorwärtsNIEDERSACHSEN

M Ä R Z   2 0 1 1   |   W W W . S P D - N I E D E R S A C H S E N . D E

EDITORIAL

immer noch keine Gleichstellung beiFührungspositionen und besonders beidenen in der Wirtschaft? Hat sich diePolitik der Macht der Wirtschaft unter-geordnet – auf Kosten der Gleichstel-lung? Dass es anders und besser geht,haben uns andere Länder bereits vorge-macht. In Deutschland dagegen hält derChef der Deutschen Bank, Josef Acker-

mann, hier und da eine Frau als Farbtup-fer und zur Dekoration von Vorständenund Aufsichtsräten für denkbar – natür-lich freiwillig. Was hätte Olympe deGouges dazu gesagt? Vielleicht hätte sieeinen weiteren Artikel der »Erklärungder Rechte der Frau« zitiert: »Freiheit undGerechtigkeit bestehen darin, alleszurückzugeben, was einem anderengehört. So hat die Ausübung der natürli-chen Rechte der Frau keine Grenzen außerdenen, die die ständige Tyrannei des Man-nes ihr entgegensetzt. Diese Grenzenmüssen durch die Gesetze der Natur undder Vernunft reformiert werden«. Das

klingt radikal in unserer modernen, vompolitischen und ideologischen Main-stream weichgespülten Zeit. Wahr ist esdennoch. Darum: Geduldig waren wirlange genug. Wir wollen Taten sehen. ■

Während der französischen Revolutionverfasste Olympe de Gouges 1791 die»Erklärung der Rechte der Frau und Bür-gerin«, zwei Jahre später starb sie auf dem Schafott. In Artikel 13 heißt es da:»Für den Unterhalt der Staatsmacht undfür die Ausgaben der Verwaltung sinddie Beiträge von Frau und Mann gleich.Sie ist beteiligt an allen Frondiensten

und mühseligen Arbeiten; sie muss des-halb gleichermaßen beteiligt sein an derVerteilung der Posten, der Anstellungen,der Aufträge, der Würden und der Gewer-be«. Im Jahr 2011, also 220 Jahre später,beträgt der Frauenanteil in den Vorstän-den der 100 größten deutschen Unter-nehmen beschämende 2,2 Prozent. Undimmer noch diskutieren wir darüber, obwir darauf warten sollen, dass die Män-ner freiwillig die Macht teilen oder obeine gesetzliche Quote endlich dieGleichstellung und damit den gesell-schaftlichen Fortschritt bringt. Zwar sindviele Forderungen der Frauenrechtsbe-

wegungen der vergangenen Jahrhun-derte Wirklichkeit geworden: das Frau-enwahlrecht, das Recht auf Erwerbstä-tigkeit und das Recht auf Bildung, umnur drei zu nennen. Warum aber gibt es

GEDULDIG WARENWIR LANGE GENUGFrauen wollen bei der Gleichstellung endlich Taten sehen.Von Caren Marks MdB

Im Niedersachsen-vorwärts:»TiL – Themen im Landtag«

(Mittelteil Seiten 1–4)

Bürgerin auf den Barrikaden:

»Die Freiheit führt das

Volk«, Gemälde von Eugène

Delacroix.

Caren Marks, Frauen-

politische Sprecherin derSPD-Bundestagsfraktion

Foto: SPD-Fraktion

1 0 0  J A H R E 

I N T E R N A T I O N A L E R  

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II NIEDERSACHSEN 03/2011 vorwärts

tungsstelle weiterverweisen. Weiterhinist ein grosses Thema, einen Herzinfarktbei Frauen zu erkennen und sie so schnellwie Männer einer Krankenhausbehand-lung zuzuführen. Dies passiert häufignicht, da Frauen zum Teil andere Sym-ptome als Männer zeigen und dadurchfalsche Diagnosen bekommen.

Sozialwahl 2011

Ab April 2011 darf wieder gewählt wer-den. Nein, es ist keine Landtagswahlgemeint. Die Sozialwahlen stehen an. DieMitglieder wählen in ihren Sozialversi-cherungen die Selbstverwaltung. Das istin Krankenkassen der Verwaltungsrat, inder Rentenversicherung die ehrenamtli-chen Mitglieder der Vertreterversamm-lung. Gewählt wird per Briefwahl. AlleMitglieder ab dem 16. Lebensjahr sindwahlberechtigt. Echte Wahlen findenstatt bei der BARMER GEK, aber auch derTechniker Krankenkasse, der DeutschenAngestellten-Krankenkasse, der KKH-Allianz, der Hanseatischen Krankenkas-

se, hkk und der Deutschen Rentenversi-cherung Bund. Es gibt Krankenkassen,die mit Listen antreten, die sich die Ver-besserung der Versorgung von Frauenauf ihre Fahnen geschrieben haben, so

z.B. die größte Kasse, die BARMER / GEK.Informieren lohnt sich.

Die Landesvereinigung für Gesund-heit und Akademie für SozialmedizinNiedersachsen e.V. ist eine Plattform, dieüber relevante Aspekte der Gesundheits-förderung und Gesundheitsversorgungregelmässig informiert. Die Fachzeit-schrift impu!se, Newsletter zur Gesund-heitsförderung, informiert einmal imQuartal über relevante Themen. Die letz-

ten Hefte hatten die Themen »MyHealth– Gesundheit und Medien« (Heft 69,Dezember 2010 oder »Gesunde Arbeit,ungesunde Arbeit, keine Arbeit« (Heft68, September 2010) zum Schwerpunkt.Für 2011 ist z. B. »Demografie und Gesund-heit konkret« oder »Gesundheitsvorstel-lungen und Kulturen – IndigeniousHealth« geplant. Ein alle sechs Wochenerscheinender Online-Newsletter infor-miert aktuell und knapp über Neuigkei-ten aus dem Bereich Gesundheit. Frauen-gesundheitsthemen sind immer wiederdabei. Beide Informationsquellen kön-nen kostenlos abonniert werden.

Weitere Informationen:

www.gesundheit-nds.de

www.netzwerk-frauengesundheit.de

www.rki.de

Gesundheitsberichterstattung

Welche gesundheitlichen Aspekte sindfür Frauen besonders wichtig? Wie wer-den Frauen im Gesundheitswesenbehandelt? Wo gibt es Versorgungslük-ken? All diese Fragen beantworten

Gesundheitsberichte. 2001 wurde dererste Frauengesundheitsbericht für dieBundesrepublik Deutschland veröffent-licht. Ein Jahr zuvor wurde in Nordrhein-Westfalen ein Gesundheitsbericht fürFrauen und Männer vorgestellt. Seitherhat das Robert Koch-Institut zu einzel-nen Aspekten der FrauengesundheitEinzelhefte herausgegeben. So z. B. zumThema »Gesundheit von Frauen undMännern im mittleren Lebensalter«(2006), »Ungewollte Kinderlosigkeit«(Heft   20, 2004), »Gebärmuttererkran-kungen« (Heft 37, 2007) oder »Gesund-heitliche Folgen von Gewalt, unter

besonderer Berücksichtigung von häus-licher Gewalt gegen Frauen« (Heft 42von 2008).

In diesem Jahr jährt sich der Frauen-gesundheitsbericht des Bundes zumzehnten Mal. Aus diesem Anlass veran-staltet das Nationalen Netzwerk Frauenund Gesundheit am 29.-30. September2011 in Berlin eine Fachtagung, die dieEntwicklungen im Frauengesundheits-bereich seit dem Bericht nachzeichnetund Themen der Zukunft diskutiert. DasNationale Netzwerk Frauen und Gesund-heit ist ein Zusammenschluss von 16Organisationen, die auf Bundes- oder

Landesebene zu Frauen- und Mädchen-gesundheit arbeiten. Das Netzwerk dientdem Erfahrungsaustausch und setzt sichfür eine frauengerechte Gesundheitsver-sorgung, Gesundheitsförderung undPrävention ein.

Gesundheitliche Versorgung vonFrauen: zwei Beispiele

Aktuell gilt es z. B., die gesundheitlicheVersorgung von Frauen, die von häusli-cher Gewalt betroffen sind, sicherzustel-len. So er kennen AllgemeinärztInnen,ZahnärztInnen oder das Personal in

Krankenhäusern häufig nicht, dassGewalt vorliegt. Die Forderungen hiersind: Schulungen zum Thema, die Verlet-zungen gerichtsverwertbar dokumen-tieren und kompetent an spezielle Bera-

Dr. Ute Sonntag,

Stv. Geschäftsführerin

Landesvereinigung für

Gesundheit und Akademie

für Sozialmedizin Nieder-

sachsen e.V.

Foto: ISO-K 

FRAUENGESUNDHEITAKTUELLSeit zehn jahren gibt es den Frauengesundheitsbericht für die Bundesrepublik Deutschland

Von Dr. Ute Sonntag Stv. Geschäftsführerin Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.

Gesundheitliche Versorgung von Frauen muss weiter verbessert werden. Foto: Shutterstock

ImpressumHerausgeber: 

SPD Niedersachsen

Verantwortlich:Michael Rüter

Redaktion: Lothar Pollähne,

Sebastian Schumacher

Anschrift: Odeonstraße 15/16,

30159 Hannover

E-Mail: [email protected]

Layout & Satz: Anette Gilke

[email protected]

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NIEDERSACHSEN III03/2011 vorwärts

EINE ECHTE QUOTEMUSS HERGleichberechtigung ist kein Thema des vergangenen Jahrhunderts

Von Yasmin Fahimi

Arbeit dadurch abqualifiziert wird. Wennihr doppelt so hart arbeiten könnt, umdie gleichen Chancen wie Männer zubekommen, dann könnt ihr auch doppeltso hart dafür arbeiten, dass man Euchnicht als Quotenfrauen diskriminierenkann.

Tarifverträge sind per Definition dievertragliche Manifestierung des PrinzipsEqual-Pay. Die betriebliche Praxis dazusieht aber anders aus. Wenn Chancen

nicht gleich verteilt sind, wenn informel-le Vertrauens- und Unterstützungskreisenicht zur Verfügung stehen und wennFrauen sich nicht laut zur Wehr setzenund sich solidarisieren, dann werdenVoraussetzungen so grundsätzlich ver-schoben, dass keine Rede von Chancen-gleichheit sein kann. Die gewerkschaftli-che Bewegung lebt aber nicht alleinedavon, dass sich diejenigen untereinan-der solidarisieren, die die gleiche Ent-rechtung erleben. Solidarität basiertvielmehr auf der persönlichen Überzeu-gung, dass eine verlässliche Bindungzwischen so genannten Starken und

Schwachen nicht nur die Rechte derSchwächeren stärken, sondern auch dieder Stärkeren absichert.

Daher müssen erfolgreiche Frauensich mit jungen Beschäftigten solidarisie-

ren, denen der Berufseinstieg schwergemacht wird. Erfolgreiche Männer müs-sen sich mit Frauen solidarisieren, die bis-her ihre Potenziale nicht ausreichend ent-wickeln konnten. Hochqualifiziert ausge-bildete Jungakademikerinnen und Jung-akademiker müssen sich mit Beschäftig-ten im Vertrieb, in der Produktion undanderswo solidarisieren, die um ihrezukünftige Arbeitsfähigkeit kämpfen.

Mit partnerschaftlichen Arbeits-

und Lebensmodellen müssen wir end-lich einen nennenswerten Beitrag fürdie Entwicklung unserer Erwerbsgesell-schaft sicherstellen. LebensfeindlicheKarrieremodelle ermöglichen weder dereinzelnen Person noch einer dahinterliegenden Familie Entwicklungsmög-lichkeiten, auf die eine moderne Demo-kratie und Zivilgesellschaft zwingendangewiesen ist. Ein freier Mensch istauch ein Mensch, der Grenzen setzendarf. Dies gilt auch für Grenzen zwi-schen Arbeit und Leben. Und dies giltfür Männer und Frauen gleichermaßen.Eine Umverteilung der Erwerbsarbeits-

zeit geht einher mit einer Umverteilungvon Einfluss- und Gestaltungsmöglich-keiten sowohl im Erwerbsleben als auchim Privatleben. Beides müssen wir wei-ter ausbauen.■

Wir feiern 100 Jahre internationalenFrauentag und alle Expertinnen undExperten prognostizieren uns ein Jahr-zehnt, nein, ein Jahrhundert der Frauen.Frauen machen die besseren Bildungs-abschlüsse, Frauen übernehmen einhöheres Maß an sozialer Verantwortung

und entwickeln damit außerdem einhöheres Maß sozialer Kompetenz. JungeFrauen sind selbstbewusst wie nie zuvorund nehmen sich ihren Teil vom Leben.

Dennoch bitte ich um Vorsicht. DerKahn ist in voller Fahrt, ja. Aber nun gehtes darum, ihn richtig zu steuern. Lassenwir uns nicht erzählen, dass Gleichbe-rechtigung ein politisches Thema ver-gangener Jahrzehnte wäre. Jetzt klareForderungen zu formulieren, ist kein Ein-geständnis von Schwäche, sondern vonstrategischer Kompetenz.

Frauen bekommen weniger Geld fürdie gleiche Arbeit. Frauen erhalten weni-

ger Entwicklungsmöglichkeiten, umüberhaupt entsprechend vergleichbareTätigkeiten ausüben zu können. Frauenhaben sehr viel häufiger prekäre Beschäf-tigungsverhältnisse. Sie werden häufi-ger befristet und stecken in unfreiwilli-gen Teilzeitmodellen fest. Und Frauenschaffen so gut wie nie den Sprung inabsolute Spitzenpositionen. Führung istimmer noch männlich in Deutschland.Für diese Missstände müssen wir im Gei-ste der sozialen Demokratie Lösungenfinden.

Die immer noch anhaltende Diskus-sion um die Geschlechterquote in

Deutschland ist peinlich. In jeder Organi-sation, in jedem Land, in dem eine Quoteeingeführt worden ist, hat sie sich alspositive Einflussgröße bewährt.   InDeutschland gibt es kaum ein Gremium,in dem es nicht Minderheitsmandategibt. Mandate für Jugend, Mandate fürspezifische Berufsgruppen, Mandate fürpolitische Parteien usw. Niemand disku-tiert über diese Mandate. Die Tatsache,dass die Mehrheit dieser Gesellschaftnicht ansatzweise repräsentativ in denpolitischen und wirtschaftlichenMachtzentren verankert ist, ist aber kei-ne Frage von Mandaten. Eine echte Quo-

te muss her, um Chancengleichheit her-zustellen, wo sie von alleine nichtgewachsen ist. Freiwillige Selbstver-pflichtung hin oder her. Und, liebe Frau-en, lasst Euch nicht einreden, dass Eure

Yasmin Fahimi,

Gewerkschaftssekretärin

im Stab des Vorsitzenden der

IG BCE Foto: privat 

2011Unter dem Motto »Fair p(l)ay

–   Spielregeln für die Gleich-

berechtigung am Arbeits-

markt«, findet der Equal Pay

Day 2011 am 25. März 2011 in

Hannover statt. Der Equal Pay

Day wird zum dritten Mal von

einem breiten Bündnis aus

Frauenverbänden, -gruppen,

Wirtschaft und Gewerkschaf-ten durchgeführt, um über

die Ursachen der Entgeltun-

terschiede aufzuklären. Ziel

ist es, Unternehmen für die

Problematik zu sensibilisie-

ren, das Thema ungleiche

Bezahlung von Frauen und

Männern in die Öffentlichkeit

zu bringen und betroffenen

Frauen Informationen anzu-

bieten. Neben Impulsrefera-

ten von Doris Schröder-Köpf 

(angefragt), dem Journalisten

Dr. Thomas Gesterkamp und

der Bundestagsabgeordnetenund ehemaligen Bundesmini-

sterin Edelgard Bulmahn, bie-

tet der EPD 2011 mehrere

Workshops rund um das The-

ma Gleichstellung.

Die Teilnahme am Kongress

ist kostenfrei und findet statt: 

Freitag, 25. März 2011,14.00–18.00 UhrHauptgebäude der IG BCE,

Königsworther Platz 6

30167 Hannover 

Anmeldungen und weitere

Informationen bei:Uschi Salzburger per E-Mail:

[email protected]

oder telefonisch unter

0511.7631258.

Gleiches Geld für gleiche Arbeit von Frauen und Männer ist noch immer keine Selbstverständ-

lichkeit. Foto: Shutterstock

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IV NIEDERSACHSEN 03/2011 vorwärts

NETZWERKARBEIT FÜR FRAUENDer Landesfrauenrat Niedersachsen – 40 Jahre frauenpolitisches Engagement

Von Cornelia Könneker 

DEUTSCHLAND UND SHINYANGAVon Suna Baris

Im vergangenen Jahr konnte der Landes-frauenrat Niedersachsen (LFRN) Rückblickauf 40 Jahre frauenpolitisches Engage-ment in Niedersachsen halten. In Videobei-trägen berichteten die Vorsitzenden überihre Erfahrungen, über Erreichtes, wie dieEinrichtung von Frauen- und Kinder-schutzhäusern oder auch Frauenbera-tungsstellen. Auch Niederlagen mussten

weggesteckt werden, so die Abschaffungdes Frauenministeriums. Es erstauntenicht, dass uns einige Themen durch dieJahre begleiteten: Lohnungleichheit zwi-schen Frauen und Männern, Gewalt gegenFrauen oder Frauen im Ehrenamt.

Integration ist für mich, wenn Etwasoder Jemand in das Ganze oder in eineGesellschaft eingepasst werden sollen.

Das scheint mir, dass die zu Integrieren-den Störfaktoren sind und mit Maßnah-men aktiv einbezogen aber auch sortiertund bestimmt werden sollen. Ich finde,dass der Begriff Integration längst über-

Der LFRN ist in diesen 40 Jahren zueinem Netzwerk von 63 Frauenverbän-den und Frauengruppen gemischterVerbände herangewachsen. Der Auf-trag, die ca. 2,2 Millionen Frauen gegen-über Politik, Wirtschaft und Gesellschaftzu vertreten und zur Verbesserung derSituation von Frauen im Beruf, in derGesellschaft und Familie beizutragen

ist nach wie vor die Hauptzielrichtung.Die zur Zeit in der Öffentlichkeit ent-fachte Diskussion um eine Quote fürFrauen in Aufsichtsräten, Vorständenoder in der Privatwirtschaft begrüßt derLFRN sehr.

holt ist und sich verändert hat. Genausowie die Gesellschaft. Wenn ich bei demThema mitrede, dann geht es nicht ohne

Emotionen und Haltungen: Heute wür-de ich von Inklusion sprechen, denn esgeht um eine heterogene unteilbareGruppe auf einer sozialen und emotiona-len Ebene. Es geht um ein gemeinsamesund individuelles Leben und Lernen inallen Bereichen: Alle Menschen, Mehr-heiten und Minderheiten sollten unab-hängig ihrer Möglichkeiten und Ein-schränkungen wertgeschätzt werden.

Ich habe viele Erfahrungen mit mei-nem Hintergrund gemacht, diese aberimmer positiv bewertet und zu einemTeil meiner Persönlichkeit gemacht: Mei-ne Sprache: ich wollte nie wählen zwi-

schen deutsch und türkisch. Heutebeherrsche ich beide Sprachen sehr gut.Und weitere auch! Mein Beruf: ich habebewusst Sozialwissenschaften studiert,damit ich mit und in dieser unteilbaren

Die 2008 gestartete Initiative frauenOR-TE Niedersachsen will der Landesfrauen-rat Leben und Wirken historischer Frau-enpersönlichkeiten, die in Niedersach-sen geboren wurden oder gewirkt haben,einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachen und dazu beitragen, dass Frau-engeschichte und Frauenkultur einenfesten Platz im Spektrum kulturtouristi-scher Angebote erhält. Diese kulturtouri-stischen Angebote sind vielfältig: Aus-

stellungen, Rundgänge, Theaterstücke,Musicals. Wenn sie mehr über die Frau-enrechtlerin Anita Augspurg, die Tänze-rin Mary Wigman, die SchriftstellerinRicarda Huch, die Herzogin Eléonored´Olbreuse, oder die Pädagogin HeleneLange erfahren wollen, besuchen Sieunsere Homepage unter www.landes-frauenrat-nds.de. Am 20. März 2011 star-tet in Leer der 10. frauenORT in Nieders-achsen mit der Politikerin und LehrerinWilhelmine Siefkes (1890-1984) und wei-tere folgen ...

Mit dem Zitat von Gerda Lerner: »JedeFrau ändert sich, wenn sie erkennt, dass

sie eine Geschichte hat.«, appelliere ichan alle Frauen, kämpft für eure Rechteund zeigt euch solidarisch.  Nur gemein-sam können wir das uns gesteckte Zielder Gleichberechtigung und Gleichstel-lung  erreichen.■

Gesellschaft in ihrer bunten Vielfaltarbeiten kann. Meine Heimat: könnteauch neben Deutschland, Shinyanga

sein! Und mein Ehemann: ist weder tür-kisch noch deutsch, sondern ganz lieb!Das Zusammengehörigkeitsgefühl istnoch nicht sehr ausgeprägt. Wir müssendaran arbeiten, dass die Menschen, diehier leben, sich auch zugehörig fühlen.Das fängt ganz früh an: bei den Klein-sten! Insofern bin ich dafür, die Rahmen-bedingungen für eine solide Gesellschaftbei den Jüngsten zu erweitern und zuoptimieren. Ich bin sehr froh, dass ichschon früh bei der SPD gelandet bin!Auch wenn mir nicht immer alles in derSPD gut gefällt, bin ich sicher, dass derWeg der richtige ist. Meine Partei hat

erkannt, dass viele gesellschaftliche The-men Querschnittaufgaben sind.  Ich habedas Gefühl, dass ich dazu gehöre unddass ich mit mei nem ganzen Wesen andiesen Aufgaben teilhaben kann! ■

Jubiläums-Netzwerkerinnen für Fraueninteressen.  Foto:  Fleige

Zum 100. Weltfrauen-tag hat der LFRN ge-

meinsam mit den Lan-

desfrauenräten aus

Berlin, Mecklenburg-

Vorpommern, Sachsen,

Sachsen-Anhalt, Thü-

ringen und dem frau-

enpolitischen Rat des

Landes Brandenburg

eine Postkartenaktion

ins Leben gerufen.

Unter dem Thema:

»Allen Frauen eine

Stimme geben«, sind

sieben Forderungenaufgestellt worden:

Eigenständige

Existenzsicherung

für alle Frauen

Gleicher Lohn für

gleiche und gleich-

wertige Arbeit

Mindestens 40%

Frauenquote für

alle Gremien

Gleichstellungs-

gesetz für die

Privatwirtschaft

Familienförderung

statt Ehegatten-splitting

Schutz und Hilfe

für Opfer von

Gewalt gesetzlich

sicherstellen

Geschlechterge-

rechte Verteilung

aller öffentlichen

Mittel

Wollen Sie diese

Aktion unterstüt-

zen, dann fordern

Sie die Postkarte

an und schicken

Sie sie unterschrie-ben an die Landes

– oder Bundesre-

gierung.

Cornelia Könneker ist

Vorsitzende des Landesfrau-

enrates Niedersachsen

Foto: Fleige

 Foto:  privat 

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NIEDERSACHSEN V03/2011 vorwärts

SCHRAUBERIN AUS PASSIONVon Miriam Lühmann

Gebannt schaute die Frauenwelt im Okto-ber 1949 auf den niedersächsischen Kur-ort  Bad Pyrmont. Hannovers Regierungs-präsidentin Theanolte Bähnisch hattedorthin eingeladen und etwa 600 Frauenwaren ihrem Ruf gefolgt: Delegierte west-deutscher und Berliner Frauenverbändesowie Gäste aus vielen Ländern der Welt.Schließlich ging es um nichts Geringeres,

als die deutsche Frauenbewegung nachihrer Zerschlagung durch die Nationalso-zialisten wieder aufzubauen. Nach demverheerenden Krieg waren mit TheanolteBähnisch viele andere Frauen fest davonüberzeugt, dass die Welt in Zukunft nurdurch den Einsatz der Frauen langfristigin Frieden und Freiheit leben könnte.

Es brauchte also eine starke Frauenbe-wegung und Theanolte Bähnisch war die-jenige, die den Boden dafür bereitete. Auf ehrenamtlicher Basis, aber unter Ausnut-zung aller ihr zur Verfügung stehendenNetzwerke, sponn sie ein Netz aus deut-schen, europäischen und internationalen

Frauenkontakten. Die Sozialdemokratinvertrat dabei eine überparteiliche undüberkonfessionelle Frauenpolitik. Unter-stützt wurde sie von Teilen der westdeut-schen Politik, der britischen Militärregie-rung und namhaften Vertreterinnen derdeutschen Frauenbewegung aus denWeimarer Jahren. Mit der SPD-Frauense-kretärin Herta Gotthelf lieferte sie sichjedoch heftige Dispute, da diese eine par-teigebundene Frauenpolitik favorisierte.

Um ihr Ziel zu erreichen, hatte Thea-nolte Bähnisch sofort, nachdem sie imFrühjahr 1946 nach Hannover gekommenwar, mit der organisatorischen Aufbauar-

beit begonnen. Im Juni 1946 initiierte sieden »Club deutscher Frauen« in Hannover,im Juni 1947 den «Frauenring der briti-schen Zone«, im Juni 1948 die Herausgabeder Zeitschrift »Die Stimme der Frau«, ausder später die »Für Sie« entstand, undschließlich als krönenden Abschluss imOktober 1949 die Gründung des »Deut-schen Frauenrings« im Konzerthaus vonBad Pyrmont. Noch in ihrer kurzen Amts-zeit als 1. Vorsitzende (1949-52) erreichte sie1951 die Aufnahme des Verbandes in den»International Council of Women« (ICW).Von 1960 bis 1966 war Theanolte BähnischVizepräsidentin des »Weltfrauenrats«.

Wie im Ehrenamt, so war TheanolteBähnisch auch im Hauptberuf einegestandene Führungspersönlichkeit, ent-scheidungs- und durchsetzungsstark,zudem geschickt bei Verhandlungen.

1899 geboren, hatte sie in den 20er JahrenFrauen den Weg in den höheren Verwal-tungsdienst geebnet. Sie war stets dieerste Frau, die die einzelnen Stufen derLaufbahn erklomm – als Referendarin beider Regierung in Münster, Absolventindes 2. juristischen Staatsexamens undAssessorin im Polizeipräsidium Berlin. AlsEhefrau des Merseburger Landrats

Albrecht Bähnisch musste sie allerdingsals »Doppelverdienerin« ihren Arbeits-platz im öffentlichen Dienst verlassen. Siegründete dann einen Verlag und wurdeMutter. Nachdem die Nationalsozialisten1933 ihren Mann des Amtes enthobenhatten, baute das Ehepaar eine Anwalts-kanzlei auf und vertrat sehr häufig poli-tisch und rassisch Verfolgte. Im 2. Welt-krieg wurde ihr Mann seit 1943 in Rus-sland vermisst.

In Niedersachsen schloss TheanolteBähnisch an ihre Karriere der 20er-Jahrean. Vom SPD-Vorsitzenden Kurt Schuma-cher und vom ersten Ministerpräsidenten

Hinrich Wilhelm Kopf nach Hannovergeholt, war sie die erste Frau in West-

deutschland im Amt der Regierungsprä-sidentin (1946–59) und als Bevollmäch-tigte des Landes Niedersachsen beimBund (1959–64). Theanolte Bähnisch starb

1973; ihr Grab befindet sich auf dem Seel-horster Friedhof in Hannover.■ 

B

A

D

 P

Y

R

M

O

N

T

Theano lte Bähn isch

»DIE MITARBEITDER FRAU ÜBERALL!«Regierungspräsidentin Theanolte Bähnisch – Netzwerkerin für die Frauen

Von Dr. Karin Ehrich

Ich bin eine 22 jährige, verheiratete Mut-ter, die als Panzerschlosserin arbeitet!Schuld daran waren meine Mama, diemit unserem alten Feuerwehrunimog  inden Urlaub fahren wollte und mein Papader mich, mit drei Jahren, dabei helfenließ, in den Unimog einen neuen Motor

einzubauen, damit wir Mamas Wunscherfüllen konnten. Danach habe ich einfreiwilliges Praktikum in einer Kfz-Werk-statt gemacht, welches mir gezeigt hat,dass ich »Schrauberin« werden möchte.Ich habe mich dann in vielen Werkstät-ten beworben. Nur »leider« bin ich eineFrau und deshalb haben mich vieleBetriebe von vornherein abgelehnt.

Zumindest als Mechanikerin, Büro-kauffrau hätte ich gerne lernen können.Die anderen, die mich eingestellt hätten,hatten leider nicht die nötigen sanitärenAnlagen, das heißt, es muss eine separa-te Damendusche vorhanden sein, wenn

eine Mechanikerin eingestellt wird. Dadas aber für viele kleine örtliche Betriebenicht möglich ist, bekam ich auch dortkeinen Ausbildungsplatz. Nach vielenAbsagen bekam ich den Tipp das im

Nachbardorf Faßberg die Lehrwerkstattder Bundeswehr noch Auszubildendezum Fluggerätemechaniker mit derFachrichtung Triebwerkstechnik sucht.Dort habe ich, nach einem Einstellungs-test und dem Vorstellungsgespräch,  am01.09.2005 meine Ausbildung begonnen.

Schnell habe ich mich in der »Männer-welt« zurechtgefunden und das ersteAusbildungsjahr verging  wie im Flug.Im zweiten Lehrjahr kam dann schon diegroße Zwischenprüfung. Kurz danacherfuhr ich, dass ich schwanger gewordenwar. Meine Tochter kam im Sommer2007 zur Welt. Nach einem Jahr Eltern-zeit  habe ich meine Ausbildung wiederaufgenommen und Anfang 2010 erfolg-reich beendet. Danach habe ich meinenjetzigen Ehemann geheiratet.   Nacheinem halben Jahr  als Angestellte beider Bundeswehr gab es leider keine Ver-wendung mehr für mich. So habe ich zur

Firma Rheinmetall nach Unterlüß ge-wechselt, wo es leider keine Flugzeugegab. Aber es gibt Panzer. Jetzt bin ich eine22 jährige, verheiratete Mutter, die alsPanzerschlosserin arbeitet!. ■

Stimme der Frau, Jahreszei-

ten Verlag, Kurt Julius

Miriam Lühmann

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VI NIEDERSACHSEN 03/2011 vorwärts

»DIE QUOTE IST DER HAMMER, MIT DEM

MAN ROLLENZUWEISUNGEN AUFBRICHT«ten, d.h. der Regionalbischöfe und-bischöfinnen, die zusammen mit demBischof oder der Bischöfin den Bischofs-rat bilden, die einzige Frau. Zur Zeit vonLandesbischöfin Käßmann waren wirbis vor wenigen Jahren vier Frauen undfünf Männer, das heißt, wir waren schonfast 50 Prozent. Auf der nächsten Ebeneder Superintendentinnen und Superin-tendenten, also der Leitung der Kirchen-kreise, beträgt der Anteil der Frauen der-zeit knapp 20 Prozent, bei den Pastorenund Pastorinnen sind es 34 Prozent. Das

ist noch nicht zufriedenstellend.Behrens: In der SPD haben wir sehrgute Erfahrung mit der Quote gemachtund würden sie wohl auch nicht wiederhergeben. Edelgard, wie beurteilst dudie Quote?

Edelgard Bulmahn: Die Quote ist einInstrument. Sie ist der Hammer, mit demman traditionelle Rollenzuweisungen auf-bricht, wenn alle anderen Anstrengungennicht erfolgreich waren. Als ich zum erstenMal in den Bundestag gewählt wurde, gabes noch keine Quote. Nur 15% der Abgeord-neten waren weiblich. Das ist heute anders.Ich bin für die Frauenquote, weil ich denke,

dass Rollenbilder und geschlechtsspezifi-scher Zuordnungen von Eigenschaftenaufgebrochen werden müssen, auch in derWirtschaft. In den Topetagen herrschenunverändert patriarchalische Verhältnis-se. Und nicht nur das: In Deutschland ver-dienen Frauen durchschnittlich 23 Prozentweniger als Männer, obwohl sie inzwi-schen deutlich bessere Bildungsabschlüs-se haben. Frauen stellen 2/3 aller geringfü-gig Beschäftigen und der Anteil der voll-zeitbeschäftigten Frauen ist sogar gesun-ken. Das ist dramatisch, denn Teilzeitarbeitbehindert Karrierechancen und führt zuAltersarmut. Außerdem zeigt es, dass Kom-

petenzen von Frauen in unserem Landnicht ausreichend gewürdigt werden. Dasist volkswirtschaftlich dumm.

Behrens: Ist das im Schauspielbe-reich ähnlich?

Struppek: Im Theaterbereich ist esimmer noch so, dass Frauen deutlichweniger verdienen. Es wird zwar unterFrauen darüber diskutiert, fast nie aberdas reale Gehalt offengelegt, weil das The-ma noch mit Scham behaftet ist.

Behrens: Wenn über Bezahlung undPräsenz von Frauen auf bestimmtenEbenen diskutiert wird, fällt früheroder später das Wort von der »Gläser-

nen Decke«. Das neueste Buch der ehe-maligen taz-Chefredakteurin BaschaMika spricht von der »Feigheit derFrau«. Mika sagt, Frauen seien auchselbst schuld, denn sie engagierten

sich nicht in Netzwerken. Wie bringensich Frauen im Bereich Kultur in Netz-werken ein?

Struppek: Die gewerkschaftlichenRechte werden eher abgebaut bei Künst-lern. Theaterleitungen sehen es nicht ger-ne, wenn der Betriebsrat ins Spiel gebrachtwird. Auf der künstlerischen Ebene gibt eskaum effektive Netzwerke, zumindestnicht für die Rechte der Künstler.

Bulmahn: Es gibt viele Frauen, dieMacht als Instrument betrachten, umdamit bestimmte Ziele   zu erreichen.

Macht an sich ist für die meisten Frauennicht anziehend.  Frauen brauchen eige-ne Netzwerke, aber reine Frauennetz-werke reichen nicht. Durch die Organisa-tion von Berufs- und Familienlebenhaben Frauen häufig große Zeitproble-me, da stehen die Netzwerke hinten an.Dass Netzwerke überhaupt so eine großeRolle spielen, liegt an mangelhafterTransparenz in vielen Bereichen. Gerade,was das Gehalt und Einkommen und dieKriterien einer Stellenbesetzung betrifft.

Dr. Spieckermann: Bei uns gibt es seitlangem ein Netzwerk von Theologinnen,die sich bei der beruflichen Orientierung

unterstützen. Ich nehme aber auch einunterschiedliches Verhalten von Frauenund Männern im Blick auf Macht und dieBesetzung höherer Leitungsämter wahr:Männer gehen sehr viel schneller auf Lei-tungsstellen zu, Frauen sind skrupulöser,schauen genauer, ob eine solche Stelle mitihrer Familiensituation vereinbar ist undob sie sich einer solchen Stresssituationaussetzen wollen.

Behrens: Wie nimmt man Frauen dieSorge vor zuviel Stress oder die Ängstevor Leitungsaufgaben?

Dr. Spieckermann: In der Landeskircheist Gender Mainstreaming seit einigen

Jahren  ein wichtiges Thema. Es ist eineAufgabe für beide Seiten, Männer wieFrauen. Die Auseinandersetzung damithat gezeigt, dass die Wahrnehmung für dieandere Perspektive gestärkt wird. Mir istauch wichtig, dass Frauen sich nicht nurfrauenspezifisch einbringen, sondern ins-gesamt als Person mit ihren Fähigkeiten.

Behrens:Wie wichtig sind für FrauenVorbilder? Hatten Sie selber ein weibli-ches Vorbild?

Struppek: Ich selber habe kein Vorbildund künstlerisch sollte man seinen eige-nen Weg gehen. Im Bereich des Mutes istes gut, wenn  man jemanden vor Augen

hat, der sich traut voran zu gehen.Behrens: Auf der politischen Ebene habenwir eine Kanzlerin. Hat das etwas verän-dert?

Wie wirkt die aktuelle Quotendebatte ausder Sicht erfolgreicher Frauen? BrauchenFrauen Vorbilder im Kampf für gleicheRechte? Und haben Frauen ein anderesVerhältnis zur Macht als Männer? Hier-über sprach die stellvertretende SPD-Lan-desvorsitzende Daniela Behrens mit derPolitikerin Edelgard Bulmahn, der Schau-spielerin Martina Struppek und der Lan-dessuperintendentin des Kirchenspren-

gels Hannover, Dr. Ingrid Spieckermann.Daniela Behrens: Was bedeutenGleichstellung und Gleichberechtigungfür heute? Brauchen wir eine Frauen-quote für die Wirtschaft?

Martina Struppek: In meinem Beruf spielt das Thema nicht so die Rolle. Geradefür Schauspieler gibt es eine Festlegung,weil 2/3 eines Theaterensembles sowieso aus Männern und zu 1/3 aus Frauen beste-hen. Das macht ja schon deutlich, wieungerecht die Chancen verteilt sind. Aber leider gibt es immer noch mehr Männer-als Frauenrollen. Und damit gibt es ein-fach weniger Stellen für Frauen.

Dr. Ingrid Spieckermann: Wenn ichvom kirchlichen Bereich ausgehe unddann zur Wirtschaft komme: Wir haben inder Hannoverschen Landeskirche ja erstseit den 60er Jahren auch weibliche Perso-nen gleichberechtigt  im Pfarramt. 1990wurde das Dezernat zur Förderung einer»Erneuerten Gemeinschaft von Frauenund Männern in der Kirche«, quasi eineGleichstellungsstelle,  eingerichtet mit derAufgabe, für den Abbau von Benachteili-gungen von Frauen und eine angemesse-ne Ämtervergabe an Frauen und Männerzu sorgen. Frauenquote kann nur heißen,übergangsweise bei gleicher Qualifikation

der Frau  den Vorzug zu geben.Behrens: Wie sind die Führungsebe-nen in der Hannoverschen Kirche besetzt?Dr. Spieckermann: Im Moment bin ichauf der Ebene der Landessuperintenden-

Daniela Behrens MdL,

Edelgard Bulmahn MdB,

Dr. Ingrid Spieckermann

und Martina Struppek.  Foto:Schumacher 

Fortsetzung auf Seite 7

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NIEDERSACHSEN VII03/2011 vorwärts

Bulmahn: Ich hätte mir eine SPD-Kanz-lerin gewünscht. Aber die Tatsache, dass

wir eine Kanzlerin haben, hat schon einestarke Symbolwirkung. Als wir die Rot-Grü-ne Bundesregierung stellten, hatten wir einausgewogenes Verhältnis zwischen Män-nern und Frauen im Kabinett.  Als Ministe-rin war ich jedoch häufig in zwei Welten: Inder klar männlich dominierten Forschungs-welt und der eher ausgeglichenen Hoch-schulwelt. Entscheidend war für mich, mei-ne politischen Ziele durchzusetzen. Durch-setzungsfähige Frauen werden aber nichtvon allen gemocht, darauf muss man sicheinstellen. Trotz aller Fortschritte, Frauen inLetungsfunktionen werden immer nochmit dem typischen Frauenbild konfrontiert

– nett und charmant.Dr. Spieckermann: In meinem Bereichhatte ich keine weiblichen Vorbilder, als ichdiesen Berufsweg einschlug. Vorbilder hän-gen auch nicht nur am Geschlecht. Dennochglaube ich, dass wir Frauen in Leitungsäm-tern Vorbild sind: der eigenen Kompetenzetwas zuzutrauen, den eigenen Anteil anInhalts- und Beziehungsorientierung ein-zubringen und auch in bestimmten Situa-tionen Widerspruch zu zeigen.Behrens: Handeln junge Männer heute

auch – freiwilligen – Verzicht.Bulmahn: Bis jetzt ist das so. Wenn

man keine Partner, Eltern oder Mitarbei-

ter hat, ist es schwierig. Ich selber habe esnicht geschafft, bei mir hat das privateLeben immer weit hinter dem beruflichengestanden. Individuell stößt man immerwieder an Grenzen. Aber die Gesellschaftkann es ändern – das zeigt sich in denskandinavischen Ländern.

Dr. Spieckermann: Unterstützungdurch gute Rahmenbedingungen etwa inder Kinderbetreuung ist wichtig. Teilzeit-stellen im höheren Leitungsbereich sindbei uns noch rar, werden aber erprobt.

Behrens: Der Frauenanteil im Vor-stand der Deutschen Bank beträgt derzeitnull Prozent. Der Deutsche-Bank-Chef 

Josef Ackermann hat eine generelle Frau-enquote für die Wirtschaft abgelehnt,wünscht sich aber mehr Frauen in denFührungsetagen. Wörtlich sagte er: »Aberich hoffe, dass das irgendwann dann far-biger sein wird und schöner auch.« Wel-chen Rat geben Sie Herrn Ackermann inSachen Frauenförderung?

Bulmahn: Lieber Herr Ackermann,der Entwicklungsstand eines Mannes istan seiner Einstellung zu Frauen ablesbar.Das sagt doch alles.■ SchumS

anders im Umgang mit Berufstätigkeitund Familie? Haben wir eine andereGeneration von Männern?

Dr. Spieckermann: Tendenziell ja. DerAnteil von Männern, die partnerschaftlichmit Beruf und Familie umgehen, ist größergeworden. Hier ist vieles selbstverständ-lich geworden. Aber es ist auch noch viel zutun, das Ziel ist noch nicht erreicht.

Struppek: Ich kenne das nur aus dempersönlichen Bereich, wo der Alltag  eherpartnerschaftlich organisiert wird. DieArbeitszeiten von Schauspielern sindsehr unregelmässig und nicht lange imvoraus planbar. Da muss man zusehen,wie man das hinbekommt. Auch gere-gelte Wochenenden sind in meiner Bran-che schwierig. Mein Beruf ist nicht sehr

familienfreundlich.Behrens: Erfolgreiche Frauen habenwenig Zeit für Familie. Muss man sichentscheiden als selbstbewusste Frau fürBeruf und Macht oder für die Familie?

Dr. Spieckermann: Der Partner mussmit ran. Es gibt Beispiele von Frauen, diebeides miteinander vereinbaren. Unab-dingbar ist ein partnerschaftliches Zusam-menleben und ein Blick für Wesentliches.Die Beanspruchung durch den Beruf bedeutet im persönlichen Bereich aber

Fortsetzung von Seite 6

EINBERUFUNGSPD-BEZIRKS-PARTEITAGHANNOVER 

Sa., 18. Juni 2011,Hameln

Vorläufige

Tagesordnung:

– Rechenschaftsberichte

– Satzungsänderungen

– Wahlen

– Antragsberatung 

Antragsschluss:

Sa., 07. Mai 2011

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VIII NIEDERSACHSEN 03/2011 vorwärts

VORWÄRTSRÄTSEL

Obwohl sie 1956 nach der

sowjetischen Invasion in

Ungarn mit ihrem Mann nach

Moskau reist, um Nikita

Chrutschtschow die Meinung

zu sagen, spielt sie ein Jahr

später die Hauptrolle in dem

von der DEFA mitproduzier-

ten Film »Die Hexen von

Salem«. Das Drehbuch hatJean-Paul Sartre nach der

Vorlage von Arthur Millers

Drama »Die Hexenjagd« ver-

fasst. Da es sich dabei um die

Kommunistenhatz in der USA

handelt, dürfte die DDR-Film-

firma ebenso eine Ausnahme

gemacht haben wie die Ver-

antwortlichen des Filmfestes

von Karlsbad.

Für ihre Darstellung der

Alice Aisgill in »Der Weg nach

oben« erhält sie den Oscar als

beste Schauspielerin. Vielen

gilt Simone Henriette Char-lotte Kaminker als attraktiv-

ste Charakterdarstellerin des

französischen Films, auch im

Alter, das sie souverän mei-

stert. »Ich sehe aus, wie viele

Frauen in meinem Alter eben

aussehen. Und das ist gut

so«, erklärt sie in einem ihrer

letzten Interviews. In kaum

einem anderen Film hat sie

das so sehr unter Beweis

gestellt wie in »Madame

Rosa«. Dort spielt sie eine

alternde ehemalige Nutte,

eine Auschwitzüberlebende,die auf die Kinder ihrer jun-

gen Kolleginnen aufpasst.

Auch das passt zu ihr, die als

Jugendliche vor den Nazis

floh und mit ihrem Berufsna-

men in Paris überlebte. Gebo-

ren wurde sie am 25. März

1921 in Wiesbaden. Wer war‘s.

Zu gewinnen gibt es eine

DVD mit einem ihrer Filme.

 ■Helene Jacobs

Die Lösung bitte an den

vorwärts, Odeonstr. 15/16,

30159 Hannover

Im Februar-vorwärts war

»Moderne Zeiten« gesucht.

Der Silberling geht an: Czeslaw

Wilczynski aus Hannover

BEI SCHLECKER GEHTDIE ANGST UM

bedeutet einfach, dass die Verkaufsstel-len permanent unterbesetzt sind. Nichtselten ist eine Kollegin alleine in derFiliale. Das schafft auch immer wiederProbleme mit der Bezirksleitung.

vorwärts: Die niedrigen Löhne imEinzelhandel zwingt viele Frauen dazu,mehrere Jobs auszuüben oder ihrenLohn mit Hartz IV aufzustocken umüber die Runden zu kommen. Was mussaus Ihrer Sicht passieren, damit dieserunwürdige Trend durchbrochen wird?Kerstan: Frau und Mann brauchen Fest-verträge mit tariflicher Bezahlung.Außerdem muss es tarifliche Sonderzah-lungen für alle Mitarbeiter geben.

vorwärts: Gibt es aus ihrer Sicht eine»Hire-and-Fire-Mentalität« bei Schlek-ker? Hatten Sie in den letzten Jahrenmit vielen Kündigungen von Leihar-

beitnehmerinnen zu tun?Kerstan: Bei Kündigungen der Mitarbei-terInnen der Firma Meniar hatten  wirkein Mitspracherecht, da bis zu dem Zeit-punkt die Firma Meniar offiziell nicht zuAS gehörte. Diese Trickserei hat durchden öffentlichen Aufschrei zum Glückein Ende gefunden.vorwärts: Als Betriebsrätin haben siesicherlich einen schweren Stand beiSchlecker. Benötigen sie häufig Hilfevon den Gewerkschaften, um sich Gehörbeim Arbeitgeber zu verschaffen?Kerstan: Bei den Sitzungen unseresBetriebsrates steht uns alle 14 Tage ein

Verdi-Vertreter beratend zur Seite. Auchsonst können wir Verdi jederzeit um Ratfragen. Der Betriebsrat arbeitet zusätz-lich mit einer Anwaltskanzlei zusam-men, um sich abzusichern. Das ist wich-

tig, weil sich Verkaufs- und Bezirksleitermit Informationen, die für den Betriebs-rat wichtig sind, zurückhalten.

vorwärts: Wie sehen sie die Zukunftbei und für Schlecker?

Kerstan: Durch den Generationswechselan der Schlecker-Spitze herrscht einegroße Unsicherheit in unserer Verkaufs-stelle. Wird es in Zukunft besser für dieAngestellten oder schlechter? Wie vieleLäden werden noch geschlossen? Waswird mit den Kolleginnen? Es geht dasGerücht um, dass das Filialnetz neustrukturiert werden soll. Das heißtSchließungen von Verkaufsstellen undStellenabbau im großen Stil. Der Konzernäußert sich nicht dazu, und das schürtÄngste bei den Beschäftigten. ■ SchumS

Angelika Kerstan, Jahrgang 1955Gelernte Kauffrau im EinzelhandelVerheiratet, 2 KinderSeit 18.11.2000 bei Firma Schlecker – inTeilzeit (19 Wochenstunden) angestellt.

»Der Tätigkeitsbereich Verkäuferin istfür mich nicht nur ein »Job«, sonderneine Berufung, da i ch diese Tätigkeitgern ausübe.«

ZUR PERSON

vorwärts: Schlecker ist in Verruf gera-ten, weil der Konzern im großen Stil dieStammbelegschaft durch Leiharbeite-rinnen und Leiharbeiter ersetzt hat, umdie Löhne zu drücken. Wie ist ihr Kennt-nisstand, hat Schlecker diese Praxis wieversprochen eingestellt? Wie ist dieSituation in ihrer Filiale?Angelika Kerstan: Bei uns in der Filialewar das so nicht der Fall. Die Mitarbeite-

rInnen haben einen befristeten Schlec-ker-Vertrag erhalten. Der läuft in diesemJahr aber bei vielen Kolleginnen aus undwird nicht verlängert. Mir macht außer-dem große Sorgen, dass die zwischenSchlecker und Verdi geschlossenenBeschäftigungssicherungstarifverträge2012 auslaufen. Wie es danach weiter-geht, ist völlig offen.

vorwärts: Als Betriebsrätin habensie ihr Ohr nah an den Problemen derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wel-che Klagen hören sie aktuell am häufig-sten?Kerstan: Schlecker fährt die Strategie,

durch Stundenkürzungen Personalko-sten einzusparen. Vielen Kolleginnenwerden Änderungsverträge mit wenigerWochenstunden vorgelegt und die soge-nannten Sollzahlen zurückgefahren. Das

Durch den Lohndumping-Skandal hatdas Image von Schlecker großen Schadengenommen. Der vorwärts sprach mitAngelika Kerstan über die aktuelleArbeitssituation bei der Drogeriekette.

Sie ist als Verkäuferin bei Schleckerbeschäftigt und engagiert sich alsBetriebsrätin. Sie sorgt sich vor allem umdie Zukunft der Beschäftigten.

Wie geht es weiter für die Beschäftigten bei Schlecker? Foto: Lopo