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BRANDENBURGISCHE HEFTE FÜR WISSENSCHAFT UND POLITIK HEFT 52 JUNI 2012 www.perspektive21.de WOLFGANG SCHROEDER: Vorsorge 2.0 KLAUS NESS: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo ENRICO SCHICKETANZ & DAVID KOLESNYK: Quo vadis? ERADO C. RAUTENBERG: Demokratische Stolpersteine MANFRED GÜLLNER: Die Medien und das Volk MATTHIAS BEIGEL: Neue Wege gesucht ALEXANDER GAULAND: Ein gewisser Machttrieb THOMAS STEG & DANIEL WIXFORTH: Mut zur Lücke ERHARD THOMAS: Mehr als Kino und Fernsehen WIE WIR UNS IN ZUKUNFT INFORMIEREN WERDEN Die Zukunft der Medien

perspektive21 - Heft 52

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Die Zukunft der Medien.

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Page 1: perspektive21 - Heft 52

BRANDENBURGISCHE HEFTE FÜR WISSENSCHAFT UND POLITIK

HEFT 52 JUNI 2012 www.perspektive21.de

WOLFGANG SCHROEDER: Vorsorge 2.0

KLAUS NESS: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

ENRICO SCHICKETANZ & DAVID KOLESNYK: Quo vadis?

ERADO C. RAUTENBERG: Demokratische Stolpersteine

MANFRED GÜLLNER: Die Medien und das Volk

MATTHIAS BEIGEL: Neue Wege gesucht

ALEXANDER GAULAND: Ein gewisser Machttrieb

THOMAS STEG & DANIEL WIXFORTH: Mut zur Lücke

ERHARD THOMAS: Mehr als Kino und Fernsehen

WIE WIR UNS IN ZUKUNFT INFORMIEREN WERDEN

Die Zukunft der Medien

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| Hoffmann und Campe | Das will ich lesen

20 Jahre nachder friedlichenRevolution von 1989:

Wie viel Einheit haben wir erreicht? Welchen Aufbruch braucht Deutsch-land jetzt?

224 Seiten,gebunden

Eine persönliche Bestandsaufnahme

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Die Zukunft der Medien

D ie Medienwelt ist im Auf- und Umbruch. Werden wir in fünf Jahren morgensnoch zum Postkasten gehen und unsere Tageszeitung holen? Oder werden

wir alle zum Frühstück unser iPad anmachen und das App unserer Tageszeitunganklicken? Wird es noch eine lokale Berichterstattung geben, wie sie heute dieRegionalzeitungen leisten? Oder findet Lokalberichterstattung nur noch in Anzei-genblättern statt? Wird der Zwang zur Schnelligkeit durch das Internet die Qua-lität journalistischer Arbeit verschlechtern? Oder ist das Internet der Königsweg,demokratische Teilhabe zu verbessern? Sind Journalisten tatsächlich die vierteGewalt im Staate? Entwickeln sich Journalisten möglicherweise immer mehr vonChronisten zu Politikberatern? Oder gar zu Entscheidern? Das sind einige der Fra-gen, denen wir uns mit dieser Ausgabe der Perspektive 21 widmen.

So weist beispielsweise Manfred Güllner auf die wachsende Kluft zwischen veröffent-lichter und öffentlicher Meinung hin. Hervorheben möchte ich den Beitrag vonMatthias Beigel in diesem Heft. Er untersucht, wie sich der Zeitungsmarkt in Bran-denburg in den vergangen Jahren entwickelt hat. Der rasante Rückgang aller Zeitun-gen wirft nicht nur ökonomische Fragen auf, sondern auch, ob der Niedergang derAuflagen nicht einhergeht mit dem Verlust an demokratischer Öffentlichkeit. Wennheute nur noch jeder vierte Haushalt in Brandenburg morgens eine Tageszeitung imPostkasten hat, bedeutet das, dass mehr als die Hälfte der Brandenburger abgekop-pelt sind von regionaler und landespolitischer Information? Steuern wir auf eineSituation zu, dass Politik immer komplexer wird, aber der Informationsstand in derBreite der Bevölkerung gleichzeitig immer geringer? Führt das zu einem fort-schreitenden Verlust an Demokratie und wird dadurch letztlich die Akzeptanzdes demokratischen Systems gefährdet? Kann das Internet einen Weg aus dieserFalle weisen? Abschließende Antworten werden sicherlich auch die Beiträge indiesem Heft nicht liefern.

In diesem Heft beginnen wir auch eine Debatte um die Zukunft des Hochschul-standortes Brandenburg, die wir ausführlich in der nächsten Ausgabe fortsetzenwerden. Besonders empfehle ich eine neue Rubrik: Das Straßenschild. Mit ihrwollen wir namhafte Persönlichkeiten vorstellen, von denen wir meinen, dass ihrName eine größere Würdigung verdient.

IHR KLAUS NESS

vorwort

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inhalt

Die Zukunft der MedienWIE WIR UNS IN ZUKUNFT INFORMIEREN WERDEN

MAGAZINWOLFGANG SCHROEDER: Vorsorge 2.0 ................................................................ 7

Zehn Thesen zur vorsorgenden Sozialpolitik

KLAUS NESS: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo .................................................. 17

Wie sich die Brandenburger CDU systematisch ins politische Aus manövriert

ENRICO SCHICKETANZ & DAVID KOLESNYK: Quo vadis? ...................................... 21

Die Hochschulfinanzierung in Brandenburg zwischen Aufbau, Einfrieren, Abbau und Privatisierung

DAS STRASSENSCHILDERADO C. RAUTENBERG: Demokratische Stolpersteine ...................................... 29

THEMAMANFRED GÜLLNER: Die Medien und das Volk .................................................. 31

Eine wachsende Entfremdung

MATTHIAS BEIGEL: Neue Wege gesucht .............................................................. 39

Wie sich der Zeitungsmarkt in Brandenburg verändert

ALEXANDER GAULAND: Ein gewisser Machttrieb .................................................. 47

Über das Regieren ohne Handys sowie Medien und Politik im Zeitalter des Internetssprach Thomas Kralinski mit Alexander Gauland

THOMAS STEG & DANIEL WIXFORTH: Mut zur Lücke .......................................... 55

Über die Gegenläufigkeit von Bürgererwartungen und politischen Sachzwängen in einer digitalisierten und europäisierten Mediengesellschaft

ERHARD THOMAS: Mehr als Kino und Fernsehen ................................................ 65

Der Medienstandort Brandenburg hat solide Entwicklungsperspektiven, da mag Berlin noch so sexy sein

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Vorsorge 2.0 ZEHN THESEN ZUR VORSORGENDEN SOZIALPOLITIK

VON WOLFGANG SCHROEDER

Vorsorgende Sozialpolitik ist das Programm der sozialen Demokratie. DiesesProgramm liegt nicht in Utopia. Es ist hier und heute machbar. Es soll

Armut verhindern und soziale Gerechtigkeit stärken. Menschen sollen so frühwie möglich gefördert werden und zwar unabhängig von den finanziellen undkulturellen Möglichkeiten ihrer Familien. Dieser proaktive Förderansatz setzt aufstarke miteinander kooperierende Institutionen, Netzwerke und handlungsfähigeAkteure. Dadurch können soziale Folgekosten reduziert und qualitativ hochwerti-ge, befähigende Unterstützungsstrukturen vorangebracht werden. Eine übergrei-fende Sozialpolitik, die die Familien-, Gesundheits-, Bildungs-, und Arbeits-marktpolitik umschließt, soll stärker befähigend und motivierend ausgerichtetsein, um individuell und lebenslagenspezifisch wirken zu können. Auch wenn diefrühe Lebensphase der wichtigste Schwerpunkt für diese Politik sein muss, istvorsorgende Sozialpolitik ein Angebot für alle Lebensalter vom Kleinkind biszum Greis. Wichtig für dieses Programm ist eine konsequentere Orientierung anden Grundsätzen einer modernen Vorsorgepolitik.

1. DIE NEUE SOZIALSTAATSDEBATTE IST EINE INTEGRATIONS- UND AUFSTIEGSORIEN-

TIERTE DEBATTE UM WIRKSAMKEIT. Die neue Etappe der Sozialstaatsdebatte willAntworten auf die Gerechtigkeitslücke geben, die in den letzten Jahren gewach-sen ist. Als Politikfeld, das wesentlich dazu beitragen könnte, wird allgemein einesozialpolitisch integrierte Bildungspolitik gesehen, die verzahnt mit anderen Po-litikfeldern ein Kernpunkt der verbesserten Vorsorgepolitik ist. In diesem Sinnezielt die neue Sozialstaatsdebatte auf eine verbesserte Qualität und Wirksamkeitsozialstaatlicher Leistungen. Langfristig sollen so soziale Folgekosten aufgrundschlechter Startchancen durch frühzeitiges Investieren in die Menschen vermie-den werden.

Die meist allzu kurzfristig gedachte Kosteneffizienzlogik muss jedoch durcheine integrationsorientierte Logik der sozialpolitischen Wirksamkeit ergänztwerden. Das heißt, wir brauchen nicht alleine eine Kostenorientierung, sondernvor allem auch eine längerfristig ausgerichtete Orientierung an der Wirksamkeitder Integration, der sozialen Aufstiegsfähigkeit und der Lebensqualität. Zu die-

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sem Zweck muss der für soziale Leistungen aufgebrachte Anteil des Brutto-inlandsproduktes nicht unbedingt erhöht, aber anders verteilt und investiertwerden.

2. KEIN SYSTEMWECHSEL, SONDERN EINE STRATEGISCHE POLITIK FÜR EINEN KOOPE-

RATIVEN, WIRKSAMKEITSORIENTIERTEN SOZIALSTAAT. Die Debatte über die Wirk-samkeit von Vorsorgepolitik intendiert keinen grundlegenden Systemwechsel.Dieser ist nicht notwendig, weil die Grundarchitektur des deutschen Sozial-staates einen hinreichend kreativen Rahmen für neue innovative Politiken bietet.Einerseits kann der Sozialstaat als Institutionenwerk auf festem Pfad gedachtwerden, das – bei allem Wandel – beruhigend, vertrauensbildend und planungs-ermöglichend wirken kann. Andererseits ist der Sozialstaat sich verändernden,individuellen und kollektiven Herausforderungen, Bedarfen, Interessen- undIdeenlagen ausgesetzt. Deshalb werden die Standards, die Ressourcen und damitauch die Legitimation des Sozialstaats im öffentlichen Diskurs kontinuierlichneu verhandelt. Der Sozialstaat ist mithin „Work in Progress“. Noch weniger alsdas Steuersystem lässt sich die sozialstaatliche Ordnung gleichsam „auf demBierdeckel“ reformieren. Vielmehr muss in diesem komplexen Strukturrahmengenau geschaut werden � welche einzelnen Instrumente leistungsfähig sind, � ob sie Probleme lösen oder schaffen und � was mögliche Ursachen und denkbare Konsequenzen sind. Und dann müssen

die besten Instrumente und Praktiken identifiziert und praktiziert werden.

Eine gewisse Entwicklung in die Richtung, wie sie hier im Sinne von Vor-sorge- und Wirksamkeitspolitik verfochten wird, ist in Deutschland undBrandenburg durchaus schon auf den Weg gebracht; aber sie muss konse-quenter und flächendeckend umgesetzt werden. Dabei geht es um die Ver-bindung zwischen Institutionen und Lebenslagen – also vor allem um ko-operative soziale Netzwerke und motivierte sowie kompetente Akteure. DieSchnittstellen zwischen den Säulen, den verschiedenen Ebenen und Ressortsdes Sozialstaates müssen strategisch ausgerichtet werden. Was wir brauchen ist ein kooperativer Sozialstaat. Das ist auch eine Haltungsfrage. Denn an-dernfalls besteht die Gefahr, dass auch zukünftig Ressortegoismen, Friktionen,Doppelaufgaben, Leerlauf und Unklarheiten das Verhältnis zwischen denAkteuren bestimmen. Das erfordert nicht zuletzt auch ein anderes Selbstver-ständnis der sozialstaatlichen Akteure.

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3. DIE SYNTHESE VON INKLUSIVER ARBEITSGESELLSCHAFT UND VORSORGENDER

SOZIALPOLITIK IST EIN SOZIALDEMOKRATISCHES ALLEINSTELLUNGSMERKMAL.

Das Ziel vorsorgender Sozialpolitik ist, dass Menschen aus eigener Kraft in dieserGesellschaft gut leben können. Der Normalfall, um solch ein Leben zu führen,realisiert sich über das Nadelöhr der Erwerbsarbeit. Um dorthin zu kommen,wird der erfolgreiche Besuch vorgelagerter Bildungsinstitutionen vorausgesetzt.Durch entsprechende Unterstützung im vorschulischen, aber auch beim schuli-schen Werdegang bis zum Übergang von der Schule in den Beruf können dieseVoraussetzungen durch vorsorgende Sozialpolitik unterstützt und teure Über-gangssysteme bis hin zur Arbeitslosigkeit vermieden oder weniger wahrscheinlichgemacht werden.

Eine zweite und auch dritte Chance

Für diejenigen, die es trotzdem aus individuellen oder strukturellen Gründennicht schaffen, bedarf es auch in späteren Lebensphasen einer zweiten und –wenn möglich – auch einer dritten Chance bis hin zu öffentlich geförderterBeschäftigung, die nicht nur auf den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet ist, sondernauch sozial integrativen Charakter haben soll. Zu einer Politik der inklusivenArbeitsgesellschaft gehört auch die Umgestaltung von einer Arbeitslosenversiche-rung hin zu einer Arbeitsversicherung, die frei wählbare, auf einem individuellenRechtsanspruch aufbauende Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten anbietet.

Erwerbsarbeit ist mehr als Broterwerb. Sie hat in der Regel etwas mit Sinn-konstruktionen und Integrationsperspektiven zu tun. Soziale Politik ist deshalb ineiner modernen, säkularisierten Massengesellschaft gut beraten, die Erwerbsarbeitzum zentralen Ausgangspunkt ihrer Aktivitäten zu nehmen. Zugleich ist mit derstarken Bezugnahme auf Erwerbsarbeit als Quelle der Integration angesichts einesgewachsenen Niedriglohnsektors, zuweilen hyperflexibilisierter und vielfachschlechter Arbeitsbedingungen, eine große Verantwortung verbunden. Wie sollIntegration gelingen, wenn arbeitende Menschen schlecht bezahlt, mies behandeltund zweifelhaften Umweltbedingungen ausgesetzt werden? Da klingt die Redevon der „guten Arbeit“ oder der Arbeit als Quelle der Integration wie billigerHohn.

Genau hier setzen die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommensan. Doch indem sie sich von der für den Sozialstaat konstitutiven Funktion derErwerbsarbeit abwenden, sind sie einerseits nicht in der Lage, die Verhältnisse inder Arbeitswelt zu verbessern. Andererseits überschätzen sie auch die gesellschaft-

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liche Integrationskraft des Geldes. Demgegenüber lehnt die Politik der inklusivenArbeitsgesellschaft eine „Stilllegung“ und passive Alimentierung der Menschenab. Sie sucht nach sinnvollen Reformperspektiven in der Arbeitswelt sowie nachaktiven Beiträgen für eine gesellschaftliche und individuelle Sinnstiftung. DiePerspektive der inklusiven Arbeitsgesellschaft lautet: Aus schlechter Arbeit mussgute Arbeit werden – oder, wo dies nicht möglich ist, wird zumindest die Mög-lichkeit geschaffen, von schlechten in bessere Arbeitsverhältnisse zu gelangen,indem sozialer Aufstieg gefördert wird. Die inklusive Arbeitsgesellschaft und derVorsorgende Sozialstaat sind zwei Seiten einer Medaille und werden in dieser sichergänzenden Perspektive nur von der Sozialdemokratie vertreten.

4. TREIBENDE STRUKTURELLE KRÄFTE FÜR DIE VORSORGENDE SOZIALPOLITIK SIND

DER SOZIO-ÖKONOMISCHE WANDEL AUF DEN ARBEITSMÄRKTEN, IN DEN FAMILIEN UND

ZWISCHEN DEN GESCHLECHTERN. Die treibenden Kräfte des Wandels gehen von densozio-ökonomischen Strukturveränderungen auf den Arbeitsmärkten, in den Fa-milien und zwischen den Geschlechtern aus. Da ist in vielen Bereichen nichts mehrso, wie es einmal war. Angesichts dieser Veränderungen bestehen Überforderungs-phänomene auf Seiten der Betroffenen und große Anpassungsprobleme in denetablierten Institutionen. Mit einer in den letzten Jahren gewachsenen Zahl vonMenschen, die abgehängt und ausgegrenzt sind, hat auch die Hilflosigkeit vonStaat und Gesellschaft zugenommen. Internationale Vergleiche zeigen, dass andereLänder auf diese sozio-ökonomischen Strukturveränderungen zum Teil besser rea-gieren. Vor allem ist mittlerweile auch in Deutschland offensichtlich geworden,dass mit veränderten Geschlechterbeziehungen die arbeitsteilige Struktur zwischenmännlichem Ernährer und sorgender, nicht erwerbstätiger Mutter der Vergangen-heit angehört. Da diese Strukturveränderungen von den Institutionen unzurei-chend beantwortet worden sind, hat sich ein Reformstau entwickelt. Dabei geht eseinerseits um eklatante Anpassungsdefizite in den Institutionen, andererseits aberauch darum, dass es so etwas wie einen neuen Geschlechtervertrag geben sollte, derangesichts steigender weiblicher Erwerbsbeteiligung auch eine andere, kooperative-re Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern fördern sollte.

5. VORSORGENDE SOZIALPOLITIK MUSS MIT DER OFFENSIVEN UNTERSTÜTZUNG VON

MÜTTERN UND KINDERN BEGINNEN. Demografischer Wandel, geringe Geburten-zahlen, die Tendenz zur Vererbung von Armut und Bildungsarmut, Verunsiche-rungs- und Überforderungsgefühle bei einer größer gewordenen Zahl von Elternsowie veränderte Familienstrukturen und Geschlechterbeziehungen sind wesent-

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liche Impulse, die den Rahmen für eine neue mütter- und kinderzentrierte Sozialpo-litik bilden. Der Prozess hin zu einer kinderzentrierten Sozialpolitik ist in Deutsch-land durchaus in Gang gekommen. Es handelt sich im Ergebnis um einen komple-xen Paradigmenwechsel, der dem Grundsatz folgt: „Um ein Kind zu erziehen,braucht man ein ganzes Dorf.“ Dabei geht es auch darum, die alleinige Verantwor-tung der Familie und der Eltern zu relativieren und die Familie mit Kindern stärkerin den öffentlichen Raum zu öffnen. Und zwar hin zu einer größeren Verantwor-tung der gesamten Gesellschaft dafür, das Wohl jedes einzelnen Kindes zu fördern.

Chancengleichheit kostet Geld

Vorangekommen ist die Neudefinition der rechtlichen Rahmenbedingungen: Mitden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes zum Unterhaltsrecht der Frau hatdas oberste deutsche Gericht deutlich gemacht, dass die Verantwortung desStaates nicht mehr primär die Absicherung der Institution Ehe und die nachehe-liche Statusabsicherung der Frau betrifft, sondern darin liegt, das Kindeswohl zufördern. Somit sind in Deutschland 1,6 Millionen alleinerziehende Mütter, dieKinder unter 18 Jahren betreuen, auf viel entschiedenere Unterstützung angewie-sen, damit sie einer eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen können. Mit dem Ge-richtsurteil vom Februar 2010 ist auch ein elternunabhängiger Rechtsanspruchauf ein sozio-ökonomisches Existenzminimum für Kinder formuliert worden, dasin dem daran anknüpfenden Gesetz der Bundesregierung zu Bildungs- und Teil-habemaßnahmen nur sehr defensiv aufgenommen wurde. Im Sinne dieses Urteilsmuss die Umstellung hin zu einer kindzentrierten Infrastruktur im vorschulischenwie auch schulischen Bereich weiterentwickelt und die Konzeption einer so ge-nannten Kindergrundsicherung begonnen werden.

Wenn die Rede von der Chancengleichheit und vor allem der Startgleichheitetwas wert sein soll, dann muss unsere Gesellschaft zur Förderung der Kinder mitschwachem Startkapital deutlich höhere Mittel einsetzen als für Kinder, derenElternhaus reichhaltige Anreize, Angebote und Mittel aus eigenen Kräften bietet.

6. BILDUNGSPOLITIK KANN EINEN POSITIVEN BEITRAG FÜR EINE NEUE SOZIALPOLITI-

SCHE WIRKSAMKEITSPOLITIK LEISTEN, WENN SIE SICH ALS TEIL DES VORSORGENDEN

SOZIALSTAATES BEGREIFT. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Bildungspo-litik ist ein zentrales Fundament des Vorsorgenden Sozialstaates. Der Ausbau derfrühkindlichen Bildung, sensible Reaktionen auf die verschiedenen PISA-Debat-ten, die Bundesprogramme zur Förderung von „Bildung und Betreuung“ und

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nicht zuletzt der schnelle Ausbau der Ganztagsschulen unterstreichen, dass dieSignale gehört werden. Doch zugleich ist Skepsis angebracht. Denn die in der an-gelsächsischen Debatte vorherrschende Vorstellung, dass die Bildungspolitik eineAntwort auf die neuen sozialen Fragen geben kann, hat sich bislang kaum erfüllt.Denn diese Ansätze sind meist zu individuell oder punktuell angelegt. Jedenfallsfehlt in der Regel eine strukturelle Flankierung, die die sozialen sowie familiärenVoraussetzungen des Lernens und Wollens thematisiert. Und genau diese Ent-wicklung deutet sich auch für Deutschland an. Warum?

Auf die Kommunen kommt es an

Schaut man sich die deutschen Schulen an, dann stellt man fest, dass sich dort trotzmancher Angebote noch zu wenig Veränderung hin zu einem vernetzten Akteurabzeichnet. Schulen haben sich kaum gesellschaftlich geöffnet. Schulsozialarbeitersind in der Regel dort, wo es sie gibt, eher isoliert. Und die Lehrerinnen und Lehrerfühlen sich weiter unzuständig für soziales Schnittstellenmanagement. Eine isolierteBetrachtung der Bildungspolitik führt also vermutlich kaum zu strategischen Im-pulsen zugunsten einer Politik des sozialen Aufstiegs und der sozialen Integration.Vielmehr ist es notwendig, die sozialen und familiären Voraussetzungen des Ler-nens zu thematisieren und die Bildungspolitik mit anderen Feldern des Vorsorgen-den Sozialstaates zu verzahnen. Dass dabei noch sehr viel zu tun ist, liegt auf derHand. Dass dies aber tatsächlich möglich ist, zeigt die positive Entwicklung einzel-ner Schulen. Denken wir nur an die atemberaubende Reform der Berliner Rütli-Schule, die in kurzer Zeit den Weg von der Problemschule zur problemlösendenSchule geschafft hat. Warum sollte anderswo nicht Vergleichbares gelingen?

7. NETZWERKE ERGÄNZEN, ENTLASTEN UND VERSTÄRKEN DIE ETABLIERTEN INSTI-

TUTIONEN DES SOZIALSTAATES. Die Arbeitshypothese der vorsorgenden Sozialpo-litik lautet: Netzwerke können niedrigschwellige Angebote entwickeln, um denMenschen den Zugang zu helfenden und befähigenden Institutionen zu ermögli-chen. Vor allem aber sollen sie die Menschen dazu befähigen, ihre Kräfte zu stärkenund ihre Herausforderungen und Ziele im Sinne eines guten Lebens selbst in dieHand zu nehmen. Ob dies gelingt, hängt maßgeblich davon ab, ob eine verlässlicheKooperation zwischen Betroffenen und hauptamtlichen sowie ehrenamtlichenExperten etabliert werden kann. Die Politik der Netzwerke, die durch staatlichePolitik verstärkt werden sollte, erschöpft sich aber nicht darin, Betroffene undUnterstützer in ein kooperatives Verhältnis zu bringen.

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Netzwerke können auch die Kooperation zwischen Institutionen, Organisatio-nen und Selbsthilfegruppen vorantreiben. Mithin können Netzwerke – gedacht imSinne einer Politik des Schnittstellenmanagements – dazu beitragen, die segmen-tierte und fragmentierte Landschaft der deutschen Sozialpolitik auf eine koopera-tive Logik der sozialpolitischen Wirksamkeit festlegen. Das wird man vermutlichnicht alleine durch die Kraft des guten Arguments erreichen, sondern eher durchpolitische Vorgaben und positive Anreize, nötigenfalls auch durch Sanktionen.Denn ohne deutliche Fortschritte in der Kooperation der Ebenen, Institutionenund Akteure werden viele Ressourcen verschenkt und Prozesse blockiert.

Sozialpolitische Netzwerke sollen lebenslaufbegleitende Hilfen für jedesLebensalter bieten. Also von den frühen Hilfen, über die Schulzeit und dasErwerbsalter bis hin zum Seniorenalter. Die meisten Projekte und Netzwerkebestehen für die ersten drei bis vier Lebensjahre – wie zum Beispiel die Bran-denburger Netzwerke Gesunde Kinder. Nachholbedarf gibt es hinsichtlicheiner präventiven Infrastruktur für Kinder und Jugendliche. In dieser Lebens-phase sind insbesondere folgende Konstellationen zu berücksichtigen: DerÜbergang vom Kindergarten in die Schule, die ersten Grundschuljahre, derÜbergang von der Grundschule in eine weiterführende Schule, dann die Puber-tätsphase und schließlich der Übergang von der Schule in den Beruf, mithinder schwierige Prozess der Berufswahl. Interventionen im Schulalter sollten aufeine verbesserte Sensibilität für sich andeutende „Schulverliererkarrieren“ kon-zentriert werden. In der sich anschließenden Ausbildungszeit geht es darum,schwächere Schüler zu motivieren und ihnen Chancen für neue Lernerfolge zuermöglichen.

8. SOZIALSTAATLICHE AKTEURE BENÖTIGEN ATTRAKTIVE UND PROFESSIONELLE

ARBEITSBEDINGUNGEN, UM FACHKRÄFTEMANGEL ZU VERHINDERN UND ZENTRALE

TRÄGER VORSORGENDER SOZIALPOLITIK ZU SEIN. Die Akteure des Sozialstaates sinddie Hoffnungsträger dafür, dass die vorsorgende Sozialpolitik gelingt. Zu ihnengehören sowohl die hauptamtlichen Erzieher, Altenpfleger, Sozialpädagogen,Lehrer etc. als auch die vielen ehrenamtlichen Kräfte. Sie alle sind nicht einfach da,sondern auch ihre Rolle und Bedeutung muss politisch flankiert werden. Dazu ge-hören die Wertschätzung und die Anerkennung ihrer Leistungen. Man kann vonihnen nicht erwarten, dass sie für die Gesellschaft die „Kohlen aus dem Feuer holen“ und sie gleichzeitig als „faule Säcke“ beschimpfen. Vielmehr geht es darum,sie dazu zu befähigen, die verlässlichen und reformfreudigen Träger des Vorsor-genden Sozialstaates zu werden.

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Angesichts der zuweilen schweren Arbeitsbedingungen und der – gemessen anihrer bedeutsamen gesellschaftlichen Aufgabe – bisweilen wenig attraktiven Be-zahlung in einzelnen Berufen sind besondere Anstrengungen notwendig. Dabeigeht es sowohl darum, für bestimmte Gruppen, wie die Erzieher und Alten-pfleger, eine bessere Bezahlung durchzusetzen, als auch um professionellere undbessere Arbeitsbedingungen. Sonst wird angesichts des bereits jetzt greifbarenFachkräftemangels die Gesellschaft das Nachsehen haben. Denn dann suchensich die für diese Berufe durchaus motivierten Menschen andere Jobs, die ihnenbessere Arbeitsbedingungen bieten. Der Dienst am Menschen ist kein Feld fürBilliglohnpolitik und Schwarzarbeit. Der Reformstau, der die Aufwertung dersozialen Berufe noch behindert, ist sowohl „oben“, also auf Seiten der Politik undder Arbeitgeber zu lokalisieren, als auch „unten“. Denn die Betroffenen sind teil-weise nicht hinreichend gut organisiert, um ihre Interessen öffentlich wahrnehm-bar in die Waagschale zu werfen. Der Reformstau von „oben“ und „unten“ mussaufgelöst werden. Wir brauchen ein öffentliches Programm zur Förderung dersozialen Berufe. In diesem Bündnis müssen öffentliche Hand, Arbeitgeber, Tarif-partner, die Wohlfahrtsverbände, Kirchen und kirchliche Träger an einen Tisch.

9. DIE KOMMUNEN HABEN EINE SOZIALPOLITISCHE SCHLÜSSELROLLE FÜR DEN VOR-

SORGENDEN SOZIALSTAAT. Den Kommunen kommt bei der vorsorgenden undwirksamkeitsorientierten Sozialpolitik eine Schlüsselrolle zu. Nicht nur die Pro-bleme sind vor Ort zu lösen, auch ein Teil der Ressourcen muss von den Kom-munen aufgebracht werden. Dabei dürfen die Kommunen weder finanziell, noch inhaltlich, konzeptionell oder strukturell überfordert werden. SozialräumlicheKonzepte, die auf Wohnquartiere und Nachbarschaftsumfelder setzen, bieten neuekommunale Perspektiven, die erst am Anfang stehen. Konzepte wie die „SozialeStadt“ müssen reaktiviert werden. Auch die stärkere Einbindung der Kommunenin übergeordnete Strategien sollte forciert werden, und dies nicht nur über ihreVerbände, sondern auch durch konkret handelnde Akteure, die eine Richtig-keitsgewähr für die Praxistauglichkeit von Strukturen und Strategien bieten.

10. DER VORSORGENDE SOZIALSTAAT BRAUCHT KOOPERATIVE STRUKTUREN UND EN-

GAGIERTE MITSTREITER. Wenn man sich anschaut, welche Hindernisse in Deutsch-land den Weg zu einer stärker vorsorgenden Politik pflastern, dann fällt einemschnell sehr viel ein. Allem voran die schwierige Lage der öffentlichen Haushalte.Dann die immer wieder beklagten Konkurrenz-, Abschottungs-, und Abstim-mungsprobleme im föderalen Mehrebenensystem. Nicht unerwähnt bleiben dür-

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fen die Probleme, die aus einer kurzzyklischen, unverbindlichen und nicht vernetz-ten Projektvielfalt resultieren. Dies verhindert nachhaltige, belastbare und länger-fristige Kooperationsstrukturen. Zu nennen sind schließlich die Sozialversiche-rungen, aber auch die Sozialpartner, die in der Vergangenheit nicht unbedingt zuden beflügelnden Faktoren einer dynamischen und vorsorgenden Sozialpolitik un-ter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zählten.

Der Vorsorgende Sozialstaat ist keine Utopie

Bei genauerer Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen zeigt sich je-doch auch, dass sie im Sinne einer vorsorgenden Sozialpolitik positiv aufgelöstwerden können. Direkt und ohne Widersprüche kann dies nicht gelingen, aberdoch so, dass eine Politik des langen Atems die einschränkenden Strukturen undAkteure durchaus zu begünstigenden und mitspielenden Faktoren entwickelnkönnte. Das trifft selbst auf die restriktive Finanzlage zu, die aufgrund von Ver-schuldung und Schuldenbremse besteht. Die bestehenden Koordinationspro-bleme verlangen nach neuen Schnittstellen, Kooperationen und gemeinsamenVerantwortlichkeiten, vielleicht auch nach einem anderen Steuerungsmodell.Projekte dürfen nicht inflationär entstehen, bewährte Projekte müssen verstetigtwerden, vieles an Innovationspolitik sollte auch direkt in die Regelstrukturenzurückverlagert werden. Und die Sozialversicherungen und Sozialpartner sind ineinzelnen Feldern bereits dabei, sich zu Akteuren in vernetzten Strukturen zu entwickeln.

Auch wenn mit bereits eingetretenen positiven Entwicklungen die Problemenicht aus der Welt sind, so zeigen sie doch immerhin, dass die bestehenden Hin-dernisse auf dem Weg zum Vorsorgenden Sozialstaat nicht unüberwindlich sind.Wer dabei die vorhandenen Strukturen und Akteure nicht als Ausgangspunkt sei-ner Politik anerkennen will, sollte bedenken, dass er dann kaum über eine Hand-lungsbasis für seine Politik verfügt. Mit den vorhandenen Strukturen und Akteu-ren ist der Vorsorgende Sozialstaat kein Utopia. Denn vorsorgende Sozialpolitikist ein bereits seit längerem sehr erfolgreich praktizierter Politikmodus. Darumsollten wir ihn zukünftig noch viel offensiver und kooperativer verfolgen. �

PROF. DR. WOLFGANG SCHROEDER

ist Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg sowie Professor der

Politikwissenschaft an der Universität Kassel.

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Es fährt ein Zug nach Nirgendwo WIE SICH DIE BRANDENBURGER CDU

SYSTEMATISCH INS POLITISCHE AUS MANÖVRIERT

VON KLAUS NESS

Im Sommer 2008 bezeichnete Saskia Ludwig den Brandenburger Landesver-band ihrer Partei in einem Positionspartei als die „schlechteste CDU Deutsch-

lands“. Das war zu einer Zeit, als die Brandenburger Christdemokraten alsJuniorpartner der SPD noch ordentliche Regierungspolitik machten. SaskiaLudwig wollte mehr. Nachdem sich Johanna Wanka entschieden hatte, ihreKarrierechancen im Westen zu suchen, steht Frau Ludwig nun selbst an derSpitze der inzwischen oppositionellen Brandenburger CDU. Seither ist kaumeine Woche vergangen, in der sie nicht mit skurrilen Aussagen, bizarren Bei-trägen, abwegigen Äußerungen, widersprüchlichen Positionierungen, schrillenAnschuldigungen und ideologischem Kampfgeschrei aufgefallen wäre.

Abwegige Thesen von der Oberlehrerin

Gewiss, wer weitgehend unbekannt ist im Land, der muss sich so gut es gehtbemerkbar machen: Klappern gehört zum oppositionellen Handwerk. Wodabei aber der Bezug zur Realität völlig verlorengeht, wo Politikern sämtlicheKategorien verrutschen, wo jede Verhältnismäßigkeit und jeder Anstand verlo-ren gehen – da lässt sich vielleicht Aufmerksamkeit erzielen, vor allem aberBefremden und echtes Entsetzen. Man fragt sich: Was treibt Saskia Ludwig zuso absurden Behauptungen wie derjenigen, im Land Brandenburg herrscheheute der „Kommunismus-Sozialismus unter Platzeck“? Worauf will sie hinaus,wenn sie das wichtige politische Ziel der sozialen Gerechtigkeit als „trojanischesPferd des Totalitarismus“ verunglimpft? Was um Himmels Willen meint SaskiaLudwig, wenn sie im Dezember 2011 in der Landtagsdebatte in einer Pauschal-beschimpfung der Brandenburger sagt: „Als Ministerpräsident würde ich michfragen, warum gerade die Brandenburger (…) den Unterschied zwischen Dik-tatur und Demokratie nicht verstehen.“

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Man muss sich das alles auf der Zunge zergehen lassen. Hier versucht also offen-bar die Vorsitzende einer Oppositionspartei dadurch Zustimmung zu erlangen,dass sie völlig abwegige Thesen verbreitet und nebenbei noch wüste Publikums-beschimpfung betreibt. Die Brandenburger wissen aber sehr gut, dass ihr Minis-terpräsident Matthias Platzeck nicht in einer historischen Reihe mit Stalin, EnverHodscha und Kim Jong-Il steht. Sie haben in Wahlen und Umfragen immer wieder ihrem mehrheitlichen Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit Ausdruck ver-liehen. Und die allermeisten Menschen in Brandenburg finden es auch zweifellosüberhaupt nicht witzig, von Frau Oberlehrerin Dr. Ludwig pauschal attestiert zubekommen, sie seien zu naiv oder zu ahnungslos, zwischen Demokratie und Dik-tatur zu unterscheiden.

Im Abseits

Es trifft sicherlich zu, dass die Brandenburger CDU nach zwei Jahrzehnten inter-ner Auseinandersetzungen zum Zeitpunkt von Saskia Ludwigs Machtübernahmein keinem guten Zustand war. Seitdem aber hat Frau Ludwig den hiesigen Lan-desverband mit geradezu atemberaubender Konsequenz ins vollständige politischeund gesellschaftliche Abseits manövriert. Gesprächsfäden werden abgerissen,frühere Partner systematisch verprellt, Bürgerinnen und Bürgern vor den Kopfgestoßen. Die Ludwig-CDU ist drauf und dran, alle Brücken zur Wirklichkeitniederzureißen. Während die Vorsitzende Journalisten vieler brandenburgischerMedien mit Gerichtsverfahren überzieht, gibt sie zugleich gerne Interviews in dubiosen Blättern vom äußersten rechtskonservativen Rand wie der Jungen Freiheitund der Preußischen Allgemeinen Zeitung. Dort versteigt sie sich dann zu Be-schreibungen der Brandenburger Landespolitik und des Ministerpräsidenten, dieden Eindruck vermitteln, auf seinem Weg in den Kommunismus bereite Bran-denburg gerade den Austritt aus der Bundesrepublik Deutschland oder gar – mög-lichst am 13. August 2012 – den Bau einer neuen Mauer vor. Das alles ist nurnoch bizarr.

Man könnte Saskia Ludwig „Geradlinigkeit“ bescheinigen, aber diese Eigen-schaft schreibt man einem Elefanten im Porzellanladen üblicherweise auch nichtzu. Nein, der Fall Ludwig ist wohl anders gelagert. Hier ist es einer rechtskonser-vativen Ideologin gelungen, sich an die Spitze einer schwer angeschlagenen undverunsicherten Partei zu setzen, indem sie ihr weismachte, sie allein besitze einenklaren Kompass, kenne Ziel und Richtung. Damit ist Saskia Ludwig ein wirkli-ches Phänomen. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und auch

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in der Geschichte der ostdeutschen Bundesländer haben die Volksparteien übli-cherweise versucht, die ganz normalen Menschen in der Mitte der Gesellschaft zuerreichen und zu überzeugen. Der politische Wettbewerb in Deutschland ist einWettbewerb um solche Wähler. Doch deren Ansichten und Anliegen sind FrauLudwig herzlich gleichgültig.

Sozialismus oder Ideologie

Noch unbegreiflicher ist nur, dass sich die Brandenburger CDU-Vorsitzendenicht einmal darum schert, was die noch verbliebenen Anhänger ihrer eigenenPartei denken. Ausweislich einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Aufar-beitungs-Enquete des Landtages sind nämlich 63 Prozent der BrandenburgerCDU-Anhänger der Meinung, dass die Lebensleistungen der Ostdeutschen heutenicht ausreichend anerkannt werden. Fast die Hälfte (46 Prozent) der Branden-burger CDU-Wähler lehnen den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR ab. Volle50 Prozent der CDU-Anhänger meinen sogar, mehr als 20 Jahre nach der Wie-dervereinigung müsse endlich ein Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogenund mehr in die Zukunft geschaut werden.

Fast schon amüsant angesichts der Tiraden von Frau Ludwig ist, dass die Bran-denburger CDU-Anhänger mit dem politischen System in ihrem Bundeslandzufriedener sind als mit dem System auf Bundesebene (Brandenburg 57 Prozent,Bund 44 Prozent). Einen Rat für die Ludwig-CDU hätten deren Anhänger übri-gens auch: 62 Prozent der CDU-Wähler sind nämlich der Meinung, dass es nichtdie Aufgabe der politischen Opposition ist, die Regierung zu kritisieren, sondernsie in ihrer Arbeit zu unterstützen. Frau Ludwigs Strategie sieht aber anders aus:„2014 werden die Bürger dann die Wahl haben zwischen Kommunismus-Sozia-lismus unter Platzeck oder einer freiheitlichen Alternative der bürgerlichen Par-teien ohne ideologische Bevormundung durch die Politik.“ Angesichts der Stim-mung in der CDU-Wählerschaft könnte es sein, dass Frau Ludwig, die wieweiland Franz Josef Strauß den Sozialismus zu Lande, zu Wasser und in der Luftbekämpfen will, bald niemand mehr folgt. Der Brandenburger CDU und derpolitischen Kultur in unserem Land wäre es zu wünschen. �

KLAUS NESS

ist Generalsekretär der Brandenburger SPD.

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klaus ness – es fährt ein zug nach nirgendwo

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20 mai 2012 – heft 52

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Quo vadis? DIE HOCHSCHULFINANZIERUNG IN BRANDENBURG ZWISCHEN

AUFBAU, EINFRIEREN, ABBAU UND PRIVATISIERUNG

VON ENRICO SCHICKETANZ UND DAVID KOLESNYK

B randenburg hat im deutschen Raum, was Umfang und Finanzierung betrifft,eine eher bescheidene Wissenschaftslandschaft. Sie kann jedoch auf eine der

längsten Universitätstraditionen zurückblicken. Seit 1506 gab es in Frankfurt eineUniversität, die im 19. Jahrhundert durch Breslau und Berlin ersetzt wurde, aberals Europa-Universität Viadrina 1991 erneuert entstand.

1991 ist das Jahr, in dem mit großen Ambitionen und viel Elan der Ausbau derBrandenburger Hochschullandschaft im nunmehr vereinten Deutschland begann.Über Investitionen in Wissenschaft und Forschung sollten wegfallende Arbeits-plätze in Industrie und Landwirtschaft zukunftssicher kompensiert werden. Sohaben das mit vielen Bundesmitteln schließlich schon Bayern oder Nordrhein-Westfalen vorgemacht und neue Zukunftstechnologieindustrien verankert.

Vieles musste neu entstehen und unter den Vorzeichen einer zukunftsorien-tierten demokratischen Gesellschaft neu konzipiert werden. Dabei siedelten sichForschungseinrichtungen an, auf deren „Exzellenz“ wir heute stolz sein können.Oder es konnte auf gute Vorgängereinrichtungen aufgebaut werden. So ging zumBeispiel die ehemalige DDR-„Architektenschmiede“ in der BrandenburgischenTechnischen Universität (BTU) Cottbus auf und belegt in Rankings weiterhinSpitzenplätze – trotz miserabler Finanzierung. Doch wie lange kann sie nochüberleben?

Studierendenzahlen wachsen auf über 50.000

Das sich im Aufbau befindende Hochschulwesen bekam erstmals 1995 einen her-ben Rückschlag, als massive Personal- und Finanzkürzungen vollzogen wurden.Bis dahin gab es eine adäquate Finanzierung für alle Hochschulen des Landes.Seitdem macht die bestehende chronische Unterfinanzierung allen Hochschulenzu schaffen.

Dabei leistet sich Brandenburg als einziges Land zum Beispiel keine (teure)medizinische Ausbildung. Die sollen andere Länder wie Berlin übernehmen,

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ebenso wie unter anderem die Ausbildung von Kunst- und Musiklehrern. Dieursprünglich angedachte Gründung weiterer Fachhochschulen als regionaleWirtschafts- und Zukunftsanker wurde nicht realisiert.

Die seit dem Jahr 2000 von 32.000 auf heute rund 51.000 massiv gestiegenenStudierendenzahlen gingen ohne entsprechende Gegenfinanzierung vom Landeinher. In Kombination mit Sparrunden, gleich bleibenden oder nur minimalwachsenden Mitteln erhöhte sich die Unterfinanzierung so immer weiter. So wardie Universität Potsdam einst angedacht mit ca. 270 Professuren und 12.000Studierenden. Heute gibt es dort rund 210 Professuren bei ca. 21.000 Studie-renden. Alle Hochschulen sind in etwa nur zur Hälfte ausfinanziert, ihr Funktio-nieren nur durch das Engagement der Mitarbeiter und Studierenden möglich.

Bei den Pro-Kopf-Angaben hinten

Auch unter Rot-Rot gab es leider Kürzungen, zum Beispiel durch die so genann-ten „globalen Minderausgaben“, die der Finanzminister fordert. 2012 sind das 12 Millionen Euro. Zieht man die festen Ausgaben der Hochschulen ab, heißtdas, dass 50 Prozent der Mittel gekürzt werden, mit denen die Hochschulen fle-xibel „arbeiten“ können. Im Verteilungskampf der Ressorts ist ein „Einfrieren“der Mittel schon ein kleiner Erfolg, reicht aber nicht aus.

Im Konkreten heißt das, dass auf die aktuell höhere Studienplatznachfrage –zum Beispiel durch den doppelten Abiturjahrgang 2012, die Aussetzung derWehrpflicht oder mittelfristig steigende Studierwilligkeit – nicht reagiert werdenkann. Vielmehr bedeutet ein Fortschreiben der Finanzierungspolitik einen Abbauvon tausenden Studienplätzen. Die Hochschulleitungen rechnen mit einem Ver-lust von bis zu 15.000. Von einer Verbesserung der Lehre kann erst gar nicht dieRede sein. Ein Schock.

Fehlen schlicht die Finanzmittel? Dazu hilft ein Blick auf wichtige monetärehochschulstatistische Kennzahlen im Bundesvergleich. Der ergibt, dass Branden-burg in der Regel auf Platz 16 rangiert, oft mit großem Abstand zum zweitletztenLand. Kein Land gibt pro Kopf oder gemessen am BIP weniger Geld für seineHochschulen aus.

Bei den Pro-Kopf-Ausgaben investieren alle Ost-Länder deutlich mehr, Sachsen fast doppelt und Berlin sogar dreimal so viel wie Brandenburg. VomBundesdurchschnitt sind wir um Längen entfernt. Auch haushaltsanteiligbetrachtet investieren Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen rund doppeltso viel wie Brandenburg.

22 juni 2012 – heft 52

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War Brandenburg 2000 bei der Betreuungsrelation nur leicht unter dem Bun-desdurchschnitt, so hat diese sich danach drastisch verschlechtert, während sichalle anderen Länder im Schnitt langsam aber stetig verbesserten. Oder anders aus-gedrückt: Nirgendwo gibt es mehr Absolventen pro Dozent und dafür wenigerMittel. Kein Land müsste also mehr auf das eigentlich begrüßenswerte Anwach-sen der Studierendenzahlen reagieren wie Brandenburg.

In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Grundmittel am Hochschuletatdeutschlandweit von 80 auf 70 Prozent gesunken, während die Drittmittelfinan-zierung von 20 auf 30 Prozent stieg. Drittmittel sind für zusätzliche Angeboteund Forschungen gut. Sie sind auch wichtig für die Industrieforschung der hei-mischen Unternehmen. Als Ersatz für eine sichere staatliche Finanzierung grund-ständiger Lehre und Forschung können sie aber nicht dienen. Auch bei einerstaatlichen Herkunft der Drittmittel (wie beispielsweise der Deutschen For-schungsgemeinschaft) führen befristete Drittmittelprojekte zu finanzieller undplanerischer Unsicherheit. Sie befördern nachweislich die Prekarisierung und dasBefristungsunwesen an den Hochschulen. Das ist eine zentrale soziale Frage.

23perspektive21

enrico schicketanz und david kolesnyk – quo vadis?

Anteil der öffentlichen Ausgaben für Hochschulen am Gesamtetatin Prozent (Soll 2010)

Hessen

Nordrhein-Westfalen

Sachsen

Baden-Württemberg

Mecklenburg-Vorp.

Niedersachsen

Bayern

Sachsen-Anhalt

Thüringen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Schleswig-Holstein

Brandenburg

Berlin

Hamburg

Bremen

12,2%

11,2%

11,1%

10,4%

10,0%

9,6%

9,5%

8,7%

8,1%

7,7%

7,5%

7,1%

5,4%

6,3%

5,7%

4,6%

Quelle: Wissenschaftsrat, Basisdaten Hochschulen/Forschungseinrichtungen in Deutschland 2011

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Mehr Drittmittel heißt derzeit auch, dass sich der Staat aus seiner Verantwortungfür eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung zurückzieht. Bildung wird durch dasAbhängigmachen von privaten und profitorientierten Geldgeben und derenWirtschaftsinteressen schleichend privatisiert. Demokratisch legitimierte politi-sche Gestaltungshoheit in den Hochschulen geht zurück.

Es gilt festzuhalten, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, dessen Privatisierungkeine Lösung, sondern ein Eingeständnis der eigenen Unwillig- und Unfähigkeitdarstellt. Das heißt aber ebenso, dass Bildung für alle zugänglich sein muss. Bildungund Wissenschaft sind im internationalen Vergleich in Deutschland allgemein chro-nisch unterfinanziert. Die Studien- und Arbeitsbedingungen sind verbesserungswür-dig, worauf die „Bildungsstreiks“ der letzten Jahre eindrucksvoll hinwiesen.

Gibt es einen festen und klaren politischen Willen zu nachhaltiger Verbesse-rung, dann finden sich auch sozial gerechte Alternativen zur neoliberalen Doktrinder Privatisierung und Kürzung von Staatsausgaben zum Zwecke der Haushalts-konsolidierung in gesamtgesellschaftlich relevanten Bereichen wie der Bildung.Diese Haltung ist kostenlos, aber keinesfalls umsonst.

24 juni 2012 – heft 52

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Pro-Kopf-Ausgaben für Hochschulen nach Bundesländern

Baden-Württemberg

Hessen

Sachsen

Deutschland

Bayern

Nordrhein-Westfalen

Niedersachsen

Saarland

Thüringen

Mecklenburg-Vorp.

Rheinland-Pfalz

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein

Brandenburg

Bremen

Berlin

Hamburg

328

322

311

292

280

274

271

265

253

244

242

226

204

157

571

481

445

in Euro (2007)

Quelle: Statistisches Bundesamt, Monetäre hochschulstatistische Kennzahlen 2008

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Die Föderalismusreform von 2006, nach der sich der Bund nur noch in weni-gen Bereichen an der Bildungsfinanzierung beteiligen kann – wie der Hochschul-mitfinanzierung nach Art. 91b Grundgesetz und Bund-Länder-Hochschulpakte –,war angesichts einer schwierigen Einnahmesituation der Länder ein Eigentor. Sieführte dazu, dass einige Länder ihrer zentralen Aufgabe, den Bildungsbereich ange-messen auszustatten, nicht mehr hinreichend nachkommen können und sich dieSituation verschlimmerte.

Der Bund muß sich stärker engagieren

Wenn man die Breite noch nicht einmal ausfinanziert hat, braucht es mehr alsnur eine Förderung von ausgewählten Studienrichtungen und „Exzellenz“. Die„Exzellenzinitiative“ ist eher die Nutzung einer letzten Mitfinanzierungsmöglich-keit des Bundes, die allerdings problematische Folgen hat, da ein breites emanzi-patives Angebot nun noch mehr vernachlässigt wird. Dem gegenüber steht derHochschulpakt – der richtig und wichtig ist – jedoch im Vergleich zur „Exzel-lenzförderung“ oder anderen Bundesprogrammen bedarfsgerecht und sinnvoll zuerneuern und beim Finanzvolumen deutlich auszubauen ist.

Es muss sich etwas an der Bildungsfinanzierung ändern, wenn Bildung nachsozialdemokratischem Kerngedanken auch in Zukunft öffentliches Gut sein soll.In diesem Sinne aktiv zu sein, liegt im ureigenen Interesse Brandenburgs. DieUnterstützung von Bundesratsinitiativen und der SPD-Bundestagsfraktion zurAufhebung des Bund-Länder-Kooperationsverbotes ist ein guter Zwischenschritt.Doch für deren Erfolg muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.Dabei muss deutlich werden, dass Bundesmittel vor allem zur Breitenförderungim Bildungsbereich benötigt werden und es nicht zu bloßer Elitenförderungkommt. Vielmehr muss daraus ein nachhaltiger Bund-Länder-Pakt für mehr undbessere Bildung – einschließlich der Hochschulbildung – entstehen. Die Bundes-SPD hat dazu bereits umfassende Vorschläge vorgelegt, die sich auch auf dieGrundausstattung der Hochschulen beziehen.

Ebenso gilt es, eine sozial gerechte Steuerreform aktiv zu forcieren. Der deut-sche Staat lebt nicht über seine Verhältnisse, zumal immer neue Kürzungsmög-lichkeiten erdacht werden. Vielmehr gibt es eine künstlich erzeugte Einnahmen-krise. Allein in den letzten zehn Jahren wurden Steuersenkungen über mehr als400 Milliarden Euro für Superreiche und Großunternehmen verabschiedet, vor-rangig für Einkommen aus Kapitalbesitz.

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enrico schicketanz und david kolesnyk – quo vadis?

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Einen ersten richtigen und wichtigen Schritt ging daher die rot-rote Landes-regierung, als sie im Februar 2012 eine Bundesratsinitiative startete, um denSpitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer auf 49 Prozent anzuheben. DesWeiteren plädiert sie für eine Finanztransaktionssteuer, für eine Vermögenssteuerund für eine sozial gerechte Erbschaftssteuerreform. Hat sie Erfolg, ist das gerech-ter und besser, als sich über Kredite das Geld bei Superreichen zu leihen oderöffentliche Güter wie Bildung abzubauen.

Rettungspaket für Studierende

Ziel muss in jedem Fall sein, den Bildungs- und Wissenschaftssektor bedarfsgerechtauszufinanzieren. Die Juso-Hochschulgruppen haben angesichts chronischer Unter-finanzierung und mangelnder Studienplätze ein „Rettungspaket für Studierende“gefordert. Man darf sich jedoch nicht allein auf den Bund verlassen. Zentral ist es,die Landesmittel bedarfsgerecht zu erhöhen. Bei einem Haushaltsüberschuss vonüber 170 Millionen Euro im Jahr 2011 stellt sich die Frage nach fehlenden Mittelnso nicht, sondern eher, ob 50 oder 70 Millionen Euro zusätzlich in Bildung inves-tiert werden – bei gleichzeitigem Schuldenabbau. Mehr Studierende und Absolven-ten bringen zudem zusätzliches Geld und Steuern ins Land.

„Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das brandenburgische Hochschulsysteminsgesamt jetzt und auf absehbare Zeit überdimensioniert ist.“ Vielmehr seiendringend mehr Kapazitäten, insbesondere für die Weiterbildung, nötig, um demabsehbaren Mangel an Akademikern begegnen zu können. Insgesamt brauche esdeutlich mehr Geld. Zu diesen Schlüssen kommt die Hochschulstrukturkom-mission, die Ministerpräsident Matthias Platzeck 2011 berief.

Doch es geht nicht nur um finanzielle Aufwüchse. Gleichzeitig ist für bessereLern-, Lehr-, Forschungs- und Arbeitsbedingungen auch eine geeignete Struktur-gestaltung nötig. Die Debatte ist mit vielen klugen Vorschlägen auf allen Seitenin vollem Gange. Allerdings sind dabei Mitbestimmung und Autonomie derHochschulen zu gewährleisten. Um mehr junge Fachkräfte zu bekommen, sindÜberlegungen zum Abbau von Studienplätzen und Studienfächern abträglich.Strukturänderungen müssen der Verbesserung von Forschung und Lehre dienenund stets mit den regional Betroffenen gemeinsam entwickelt werden. Sie dürfennicht unter der Prämisse von Kürzungen stehen.

Fachspezifisch sind insbesondere Antworten auf den Mangel an Ärzten undPflegepersonal in der Peripherie erforderlich. Hier untersagte das Wissenschafts-ministerium regelmäßig entsprechende Kooperationsambitionen zum Beispiel der

26 juni 2012 – heft 52

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BTU Cottbus, die auf eine medizinische Kapazitätsbildung hinauslaufen könn-ten. Eine staatlich finanzierte und demokratisch verfasste medizinische Fakultätan der BTU scheint aber sinnvoller zu sein als durch die Umstände erzwungenePrivatinitiativen, die wie in Frankfurt horrende Studiengebühren von 10.000Euro pro Jahr in Aussicht stellen. Die Mehrkosten wären marginal im Vergleichzum Nutzen.

Das Hochschulwesen muss den Anforderungen einer sich emanzipierendenund ändernden „Wissensgesellschaft“ im nationalen wie internationalen Kontextgerecht werden und hinreichende Attraktivität ausstrahlen, um kluge Köpfe undInvestitionen in die Arbeitsplätze von morgen ins Land zu holen oder zu halten.Zukunftschancen durch ein breites Ausbildungsangebot in den Regionen sowiegezielte Bewerbung sind der beste Weg dazu. Das macht dann auch Debattenüber Rückholprogramme und Überalterung zunehmend unnötiger.

Perspektiven für gute Arbeit

2006 forderte die jetzige finanzpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion,Klara Geywitz, „die Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen mit attrakti-ven Löhnen“ durch eine „langfristige und ernsthafte Prioritätensetzung im Lan-deshaushalt“ ohne Kürzungen, denn „Basis dafür sind Investitionen in Bildung,Wissenschaft und Forschung.“ Thüringen, Bayern oder Baden-Württemberg zei-gen sehr gut, dass ein flächendeckendes breites Hochschulangebot die regionaleWirtschaftsentwicklung stützt. So siedeln sich Unternehmen gerne in Hochschul-nähe an. Sie werden dort auch von ehemaligen Studierenden gegründet undlegen den Grundstein für mehr oder neue Arbeits- und Ausbildungsplätze aufallen Qualifikationsebenen. Die hohe Verbleibquote der Absolventen von bis zu80 Prozent, wie eine Studie der Universität Potsdam für die IHK ergab, zeigt denEffekt ebenfalls gut. Auch für 2030 könnten so regionale Wachstumskerne nach-haltig gestärkt werden und junge Menschen Perspektiven in ihrer Heimat nutzen.

Wir müssen den gemeinsamen Dialog, den Informationsfluss und das gemein-same Arbeiten an Zukunftskonzepten und ihrer Realisierung weiter ausbauen.Denn Brandenburg hat viele Potenziale und noch einen weiten Weg bis ins deut-sche Mittelfeld bei der Hochschulausstattung vor sich.

Die auch von hochschulpolitisch Aktiven und Verantwortung tragenden Poli-tikern gewünschte stärkere „Lobby“ entwickelt sich. Ausgehend von den Juso-Hochschulgruppen, dem Juso-Landesverband und vielen befreundeten Organi-sationen wächst sie jetzt bescheiden, aber stetig. Davon zeugen eindrucksvoll

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die intensiven und leidenschaftlichen Debatten und Aktionen der vergangenenMonate, nicht nur in den Gremien der beiden Koalitionsparteien SPD undLinkspartei, sondern insbesondere in breiten Kreisen der Gesellschaft, Wirtschaftund der Medien. Zudem gründete sich als bundesweit einzigartige Initiative dieBrandenburgische Hochschulkonferenz am 7. März 2012 in Potsdam, in derWissenschaftler und Studierende aus allen brandenburgischen Hochschulengleichberechtigt für gemeinsame Interessen zusammenarbeiten.

Es gibt viele politische Partner für eine beteiligungsorientierte, progressive undsozial gerechte Politik des Ausbaus einer guten Hochschullandschaft, für dieBildung keine Ware, sondern öffentliches und gebührenfreies Gut ist. Wir allemüssen uns bemühen, diese an einen Tisch zu bekommen und zu halten. 2030wünschen wir uns für eine selbstbewusste Gesellschaft eine leistungsfähige, breitaufgestellte, zukunftsorientierte und ausfinanzierte Hochschullandschaft, dieSelbstbewusstsein und Emanzipation fördert. Auf dieser Grundlage können dieBrandenburger ihre Zukunft selbst mitgestalten. �

ENRICO SCHICKETANZ

ist Landessprecher der Juso-Hochschulgruppen Brandenburg und deren Vertreter im

Landesvorstand der Jusos Brandenburg.

DAVID KOLESNYK

ist Vorsitzender des Juso-Unterbezirks Potsdam und Mitglied im Präsidium des

Studierendenparlaments der Universität Potsdam.

28 juni 2012 – heft 52

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Zum 140. Geburtstag von Otto Braun am 28. Januar 2012 hat MatthiasPlatzeck den „Gestalter des demokratischen Preußen“ gewürdigt, was jedoch

leider von den Medien unbeachtet geblieben ist. Dabei nimmt der Sozialdemo-krat Braun in der deutschen Demokratiegeschichte einen bedeutsamen Platz ein:Während der Weimarer Republik war er mit nur zwei kurzen UnterbrechungenMinisterpräsident von Preußen, das sich unter seinem Einfluss zu einem „demo-kratischen Bollwerk“ gegen die Feinde der Demokratie im Deutschen Reich ent-wickelte.

Mit Hilfe seiner beiden sozialdemokratischen Innenminister Carl Severingund Albert Grzesinki besetzte er die Spitzen des Beamten- und insbesondere desPolizeiapparats in einem Umfang mit Anhängern der Demokratie, wie dies inkeinem anderen Land gelang und bewirkte das reichsweite Verbot der SA. Auchging der preußische Staatsschutz erfolgreich gegen die NSDAP vor. Nachdem dievon ihm geführte Koalition der demokratischen Parteien bei den Landtagswah-len 1932 nicht mehr die Mehrheit erringen konnte, Braun und sein Kabinettaber gemäß der Landesverfassung geschäftsführend im Amt blieben, übernahmam 20. Juli ein von dem konservativen Reichskanzler Franz von Papen geführtesReichskommissariat die Regierungsgeschäfte im Freistaat Preußen („Preußen-schlag“), das sich bemühte, sämtliche während der Regierungszeit Brauns inPreußen durchgeführte Reformen zu revidieren.

Braun wehrte sich dagegen mit der Einreichung von weitgehend erfolglosenKlagen beim Staatsgerichtshof. Um kein Blutvergießen zu provozieren, lehnte erjedoch ein aktiveres Vorgehen gegen die Feinde der Demokratie angesichts derpolitischen und militärischen Machtverhältnisse ab und verließ am 4. März 1933Deutschland, was ihm nicht wenige verübelt haben. Eckhard Fuhr schrieb anläss-lich des 50. Todestages am 15. 12. 2005 in der Welt über den zu Unrecht Ver-gessenen: „Wer wissen will, warum die Republik 14 Jahre gehalten hat, obwohles doch seit 1920 im Reich keine stabilen republikanischen Mehrheiten mehrgab, der findet eine Antwort in Preußen und in seinem roten König Otto Braun.“

DemokratischeStolpersteineVON ERADO C. RAUTENBERG

d a s s t r a ß e n s c h i l d Otto Braun

1872-1955

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Daher sollten wir uns aufgerufen fühlen, ihm ein ehrendes Andenken zu bewah-ren, denn sein Wirken ist ein wesentlicher Teil der Tradition unserer Demo-kratie, die wir auch heute wieder gegen den Rechtsextremismus zu verteidigenhaben. �

ERADO C. RAUTENBERG

ist Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.

Mit diesem Beitrag beginnen wir in der Perspektive 21 eine neue Rubrik. In jedemHeft stellen wir eine Person vor, deren Lebensleistung größere Beachtung verdient.Zum Beispiel in Gestalt von Straßen- oder Schulnamen.

30 juni 2012 – heft 52

d a s s t r a ß e n s c h i l d Otto Braun

1872-1955

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D ie Medien berichten regelmäßigüber den Vertrauensschwund, den

die Politik bei den Menschen seit Jah-ren erfährt. Dass sie aber selbst auch beiden Menschen Vertrauen einbüßen,verdrängen sie in ähnlicher Weise wiedie von ihnen heftig kritisierten politi-schen Akteure. Die Verantwortlichen inden Medien müssen zwar zur Kenntnisnehmen, dass das Volk sie nicht mehr indem Maße nutzt, wie das einstmals derFall war. Aber wie die Politik weisen siedie Verantwortung dafür, dass sie im-mer weniger oder immer unzufriedene-re Leser, Hörer oder Seher haben, weitvon sich.

Wenn aber zu einem Medium wiedem Fernsehen von den Jüngeren, denoberen Bildungsschichten, den Selb-ständigen oder den Anhängern derFDP nur noch ein Viertel oder gar nurein Fünftel Vertrauen haben, danndürfte das nicht nur mit dem Aufkom-men neuer Medien zusammenhängen,sondern auch auf massive Qualitätsver-luste im Programm zurückzuführensein. Und die können nicht einseitig –wie es die öffentlich-rechtlichen An-bieter gerne tun – den privaten TV-Sendern angelastet werden. Vielmehr

hat die Quotenjagd der öffentlich-recht-lichen Sender und die Orientierung desProgramms an einem vermeintlichen„Mainstream“ der Zuschauer zu deut-lichen Qualitätsverlusten geführt. Undselbst bei der „Grundversorgung“ derBürger mit Informationen, die den öf-fentlich-rechtlichen Sendern obliegt,weil sie mit den Gebührengeldern allerBürger finanziert werden, gibt es zuneh-mend Mängel oder Schieflagen in derBerichterstattung.

Um 18 Uhr war Stoiber Kanzler

Unvergessen ist zum Beispiel, dass dieARD, der die meisten Bürger in derpolitischen Berichterstattung nochimmer eine recht hohe Kompetenz zu-billigen und deren Sendungen an Wahl-abenden dementsprechend von vielenZuschauern gesehen werden, bei derBundestagswahl 2002 um 18.00 Uhr(und auch bei den späteren Hochrech-nungen) eine schwarz-gelbe Mehrheitprognostizierte und Edmund Stoiberzum Kanzler ausrief. Das Konsortiumder – allerdings nur von wenigen Zu-schauern am Wahlabend eingeschalte-ten – privaten Sender hatte 2002 hin-

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thema – die zukunft der medien

Die Medien und das VolkEINE WACHSENDE ENTFREMDUNG

VON MANFRED GÜLLNER

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gegen trotz eines viel schmaleren finan-ziellen Budgets von Anfang an dieknappe Mehrheit der damaligen rot-grünen Bundesregierung gesehen undverkündet. Und obwohl die ARD mitden Geldern ihrer Gebührenzahler die Zahl der am Wahltag Befragtennach dieser Schmach von 30.000 auf100.000 aufstockte, war die 18-Uhr-Prognose 2005 nicht besser und 2009sogar wieder schlechter als die der pri-vaten Anbieter RTL und SAT.1.

Wann die Erosion begann

Aber auch manche Interpretationendes Wahlausgangs sind in der ARDeher abenteuerlich und wenig überein-stimmend mit der Realität. So narrtdie ARD an Wahlabenden mit Zahlenzur sogenannten „Wählerwanderung“,die sich montags nach Vorliegen desendgültigen Ergebnisses oft völlig an-ders darstellen. Absurd auch die amAbend der Europawahl 2009 verkün-dete „Erkenntnis“, die Mehrheit derwenigen Wähler, die sich noch an derEuropawahl beteiligten, hätte sich erstin der Wahlkabine entschieden, welchePartei sie auf dem Stimmzettel ankreu-zen wollten. Doch bei den Europawah-len gehen nur noch die treuesten dertreuen Stammwähler der Parteien wäh-len, die seit Jahren immer derselbenPartei ihre Stimme geben.

Ebenso bar jeder Sachkenntnis istdie Behauptung des ARD-„Wahl-

papstes“ Jörg Schönenborn (in einemArtikel für den von Matthias Machnigund Joachim Raschke vor der Bundes-tagswahl 2009 herausgegebenen Sam-melband „Wohin steuert Deutschland“),die „Erosion der Wahlbereitschaft“hätte „auf breiter Front im Sommer2005“ begonnen – nach der damali-gen Landtagswahl in Nordrhein-West-falen. Doch diese „Erosion“ begannschon lange vor 2005. In Hamburgzum Beispiel sank die Wahlbeteili-gung bereits 1991 im Vergleich zumvorherigen Maximum um 18 Prozent-punkte auf nur noch 66 Prozent. InHessen ging die Wahlbeteiligung 1995um 21 Prozentpunkte, in Rheinland-Pfalz 2001 um 19, im Saarland 2004um 33, in Sachsen ebenfalls 2004 um13, in Sachsen-Anhalt 2002 um 9, in Baden-Württemberg 2001 um 18,in Bayern 2001 um 18 und in West-Berlin 1999 um 16 Prozentpunkte(bezogen auf das jeweilige Maximum)zurück.

Auch der Spiegel irrt

Doch nicht nur im öffentlich-recht-lichen Fernsehen finden sich solcheQualitätsmängel bzw. Fehlinforma-tionen über die Befindlichkeiten derMenschen, sondern auch in den klas-sischen „Print-Medien“, die an sichnoch über ein etwas höheres Vertrauenbei den Bürgern verfügen als das Fern-sehen. In einem der wichtigsten „Leit-

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thema – die zukunft der medien

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medien“ der Republik, dem Spiegel, fin-den sich allein in der letzten Zeit zahl-reiche derartige Fehleinschätzungen.

Den Wutbürger gibt es nicht

Da wurde zum Beispiel der „Wut-bürger“ gefeiert, also jene angeblichimmer weiter wachsende Gruppe von„normalen“ Bürgern, die gegen Pla-nungen und beabsichtigte Maßnahmenjedweder Art protestieren. Doch wieunangemessen der Begriff „Wutbürger“zur Beschreibung der wirklichen Lagein Stuttgart oder im Land Baden-Württemberg von Anfang an war, zeigtdas Ergebnis der Volksabstimmungüber das Bahnprojekt „Stuttgart 21“.Nur eine Minderheit der Wahlberech-tigten stimmte – anders als zuvor vomSpiegel oder anderen Medien suggeriert– gegen das Bahnprojekt. Wut emp-fand die Mehrheit der Bürger in Stutt-gart und Baden-Württemberg vielmehrüber die Diktatur einer grünen Mino-rität in Politik und Medien; denn dieProteste gegen „Stuttgart 21“ wurden –wie auch andere Proteste gegen Groß-projekte oder die „Anti-Atom-Bewe-gung“ - im Wesentlichen von Anhän-gern der grünen Bewegung getragen,allenfalls ergänzt durch wenige „nor-male“ Bürger mit spezifischen Parti-kular-Interessen.

Ebenso wie das Konstrukt des„Wutbürgers“ ist auch die im SpiegelEnde 2011 zu lesende Behauptung

falsch, der „neue Mainstream“ in derRepublik sei „links“ und bei der Bun-destagswahl 2013 würde das „große“Thema „soziale Gerechtigkeit“ wahl-entscheidend sein. Diese These istheute genauso falsch wie schon 2007,als sie zum ersten Mal von einem an-deren „Leitmedium“, nämlich der Zeit,unter Berufung auf einen Marktfor-scher des in London basierten Kon-zerns WPP-TNS (der auch demSpiegel, der Bild am Sonntag oder derARD Daten liefert) verbreitet wurde.

Eine neue Volkspartei?

Wie verfehlt die These vom „Links-drall“ in Deutschland schon damalswar, zeigte das Ergebnis der Bundes-tagswahl 2009, als die bürgerlichenParteien CDU, CSU und FDP undnicht das linke Lager aus SPD, Grünenund Linkspartei die Wahl gewannen.Und auch bei der Neuwahl des Land-tags in Nordrhein-Westfalen im Mai2012 wurde das „linke“ Lager nur voneiner Minderheit von 31 Prozent derWahlberechtigten gewählt. 1998 aberhatten noch rund 46 Prozent der Wahl-berechtigten an Rhein und Ruhr „links“gewählt. Und auch in den aktuellenbundesweiten Wahlumfragen wird daslinke Lager nur von rund einem Drit-tel aller Befragten präferiert.

Ebenso abwegig wie der behauptete„Linksdrall“ in der Gesellschaft warund ist die ebenfalls im Spiegel verbrei-

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manfred güllner – die medien und das volk

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tete Einschätzung, die Grünen seiendie „neue deutsche Volkspartei“. Auchzu Zeiten, als die Grünen in bundes-weiten Umfragen von mehr als 25 Pro-zent der „Wahlwilligen“ sympathischgefunden wurden, waren es überwie-gend die oberen Bildungs- bzw. Ein-kommensschichten und nicht – wie bei einer wirklichen Volkspartei –unterschiedliche Wählergruppen mitverschiedensten Werten und Inte-ressen, die Präferenzen für die grüneBewegung zeigten. Und bei den meis-ten Landtagswahlen seit 2009 lag derAnteil der Grünen weit unter einemZehntel aller Wahlberechtigten. Selbstin Baden-Württemberg kamen dieGrünen unmittelbar nach Fukushimanur auf einen Anteil von knapp 16 Pro-zent – über 84 Prozent aber wolltenweder die Grünen noch den von ihnenpropagierten radikalen Politikwechsel.Nach wie vor sind die Grünen eineKlientelpartei für eine Minorität undkeine Volkspartei für eine größere Zahlder Wahlbürger.

Und vollkommen konträr zur Ein-schätzung der großen Mehrheit derBürger war die ebenfalls im Spiegel zulesende Behauptung, das Amt desBundespräsidenten sei das „überflüs-sigste“ in der Republik und könneabgeschafft werden. Diese Meinungaber wurde selbst auf dem Höhepunktder Anti-Wulff-Kampagne nur voneiner Minderheit von 27 Prozent allerBürger geteilt. Die große Mehrheit von

69 Prozent aber war im Januar 2012trotz des Unbehagens über das Ver-halten des damaligen Präsidenten derMeinung, Deutschland brauche auchzukünftig einen Bundespräsidenten.Dieser Meinung waren und sind imübrigen alle Alters-, Berufs- oder Bil-dungsgruppen in gleichem Maße. Vonden Anhängern der Union, der SPD,der FDP und der Grünen glaubensogar mehr als drei Viertel, Deutsch-land brauche weiterhin einen Präsi-denten. Nur die ohnehin eher system-kritischen Anhänger der Linksparteiglauben wie der Spiegel mehrheitlich,auf den Präsidenten könne die Repu-blik verzichten.

Das Interesse lässt nicht nach

Eine Mär ist im übrigen auch die invielen Medien zu findende – und lei-der auch von einigen Vertretern derZunft der Meinungsforscher – verbrei-tete Unterstellung, die Menschen inDeutschland seien zunehmend uninte-ressiert am politischen Geschehen undfällten deshalb ihre Wahlentscheidun-gen mit wenig Verstand. Doch inWirklichkeit verfolgen die Bürger inDeutschland das Geschehen in derWelt, in Deutschland, in ihrem Bun-desland und vor allem in ihrer Stadtoder Gemeinde mit unverändert gro-ßem Interesse. Das zeigen zum Beispielauch die Ergebnisse einer seit zweiJahrzehnten von forsa täglich gestellten

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thema – die zukunft der medien

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Frage nach den wichtigsten Themen inder Medienberichterstattung. Würdedie These vom nachlassenden Interesseder Menschen am politischen Gesche-hen stimmen, dann dürften viele dervon forsa Befragten diese Frage nichtbeantworten können. Doch tatsächlichsind es nur ganz wenige (im Durch-schnitt ca. 3 Prozent), die kein für siewichtiges Thema nennen können. Fastalle nennen also Tag für Tag Themen,die sie besonders interessiert haben.

Was will das Volk?

Der von vielen behauptete „Wunsch“der Bürger nach mehr „direkter Demo-kratie“ und mehr direkter Beteiligung anEntscheidungsprozessen entpuppt sichebenfalls als eher oberflächliche Bespie-gelung des Willens des Volkes, denn alswirklich große Sehnsucht der Menschennach mehr Plebisziten. Zwar sagt eineMehrheit der Bürger, man wolle denOberbürgermeister, Bürgermeister,Landrat oder den Bundespräsidentengern selbst wählen. Doch das ist für dieMenschen kein besonders wichtigesAnliegen; denn nur eine Minderheit derBürger macht tatsächlich dort von dieserMöglichkeit Gebrauch, wo das Stadt-oberhaupt direkt gewählt wird. Bei Direktwahlen des Oberbürgermeistersbeteiligt sich oft nur ein Drittel, manch-mal – auch in kleineren Städten wiezum Beispiel Flensburg – nur ein Viertelaller Wahlberechtigten.

Auch die Wahlbeteiligung bei bislangdurchgeführten Volksentscheiden zeigt,dass der unterstellte Wunsch nachmehr direkter Beteiligung alles andereals dringlich ist. Vordergründig „bür-gerfreundliche“ Partizipationsangeboteoder entsprechende Elemente im Wahl-recht führen insgesamt keinesfalls zumehr, sondern tatsächlich zu einergeringeren Beteiligung der Bürger. InHessen war beispielsweise die Wahl-beteiligung bei Kommunalwahlensolange im Vergleich zu anderen Län-dern extrem hoch wie nach einem rei-nen Verhältniswahlrecht gewählt wur-de. In dem Maße wie das Wahlrechtpersonalisiert wurde (zuletzt durch dieMöglichkeit des Panaschierens undKumulierens) ging die Wahlbeteiligungin Hessen flächendeckend auf rund 50 Prozent zurück. UnausgegoreneAngebote zur Schein-Partizipation (soauch das von den meisten Bürgern alsvöllig absurd empfundene neue Ham-burger oder Bremer Wahlrecht) sind alsokeinesfalls eine adäquate Antwort aufden Vertrauensverlust der Politik.

Die Kluft nimmt zu

Die Einschätzungen des Volkes unddie in den Medien verbreiteten Mut-maßungen darüber klaffen also sehr oftauseinander. So ist zum Beispiel auchdas Russlandbild der Deutschen vielpositiver als die in den Medien vorzu-findende Darstellung Russlands. Die

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manfred güllner – die medien und das volk

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Berichterstattung der Medien überRussland wird von vielen Bürgern alsverzerrt, nicht zutreffend und wenigobjektiv beurteilt. Das Russlandbildder Deutschen ist dagegen – anders alsdie Berichterstattung in den Medien –überwiegend durch positive Züge ge-kennzeichnet. So hält eine Mehrheitden russischen Präsidenten Putin fürden derzeit bedeutsamsten Politiker desLandes, der Russland eine lange Phaseder Stabilität beschert, den Lebensstan-dard deutlich verbessert, die Bedeutungdes Landes in der Weltwirtschaft ge-stärkt und die Beziehungen zu denNachbarvölkern verbessert hat. Immer-hin 42 Prozent haben den Eindruck,dass heute in Russland mehr Pressefrei-heit herrsche als zur Zeit vor Putin(nur 30 Prozent glauben, das Gegenteilsei der Fall). Alles in allem ist das Bildder Deutschen von Russland überwie-gend durch positive Züge geprägt – unddas, obwohl die Berichterstattung derdeutschen Medien über Russland alskritisch und wenig freundlich bewertetwird.

Entscheidend ist …

Ein weiteres Beispiel für die Fehlein-schätzungen vieler Medien und Poli-tiker über den wirklichen Willen desVolks ist auch die nach dem Reaktor-unglück in Fukushima abrupt vollzoge-ne Kehrtwende in der Energiepolitik,die angeblich – so behauptete es auch

der kläglich gescheiterte CDU-Spitzen-kandidat in Nordrhein-Westfalen,Norbert Röttgen, – von „über 90 Pro-zent“ der Deutschen so gewollt wurde.Es ist zwar richtig, dass in Umfragennicht erst seit Fukushima, sondernschon seit der Reaktorkatastrophe vonTschernobyl vor mehr als 25 Jahreneine Mehrheit der Bürger in Deutsch-land prinzipiell auch auf die friedlicheNutzung der Kernenergie verzichtenwürde. Doch daraus – wie es Röttgenzur Begründung der Energiewende imletzten Jahr getan hat – eine „breiteAblehnungsfront“ selbst bei den An-hängern der Union zu konstruieren,war und ist eher abwegig.

... was wichtig ist

In Wirklichkeit war nämlich der Aus-stieg aus der Kernenergie auch unmit-telbar nach Fukushima für die großeMehrheit der Bürger in Deutschlandkein drängendes Problem. Und überein Jahr nach Fukushima hält im Früh-sommer 2012 nur noch ein winzigesProzent aller Bürger den Ausstieg ausder Kernenergie und den Einstieg inerneuerbare Energien für ein wichtigesProblem, um das sich die Politik küm-mern sollte. Im übrigen hielten auchunmittelbar nach Fukushima 61 Pro-zent aller Bundesbürger die deutschenKernkraftwerke für sicher, während die„Energiewende“ von 67 Prozent nichtfür glaubwürdig und von 53 Prozent

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thema – die zukunft der medien

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auch nicht so wie geplant für machbargehalten wurde. 61 Prozent glaubenauch 2012 nicht daran, dass der Ener-giebedarf in Deutschland allein durchdie erneuerbaren Energien gedecktwerden kann. Umso realitätsferner undabsurder klingt es vor diesem Hinter-grund, wenn manche – so die Vertreterder „Stiftung neue Verantwortung“ –glauben, die „Energiewende“ könne„nicht nur ökonomischer Innovations-treiber sein, sondern auch unsere De-mokratie in Deutschland grundlegendverändern“.

Absurde Schlussfolgerungen wiediese zeigen, wie gefährlich die vielfa-chen, von den Medien verbreitetenFehleinschätzungen über die Befind-lichkeiten der Menschen sind. Wäh-rend sich die meisten Bürger – wie am

Beispiel des Russland-Bildes schönablesbar – von der verzerrten Bericht-erstattung der Medien wenig beein-druckt zeigen, fallen viele politischeAkteure auf diese Fehleinschätzungenherein. Es werden infolgedessen falscheSchlussfolgerungen gezogen und ent-sprechend falsche Weichenstellungenin der Politik vorgenommen. Diesewiederum erzürnen das Volk nur nochmehr als es ohnehin schon der Fall istund vergrößern somit die vorhandeneEntfremdung zwischen Politik undBürgern weiter. Die politischen Akteu-re wären deshalb klug beraten, wennsie die wirklichen Probleme, Ängsteund Sorgen der Menschen ermittelnund nicht nur die gefilterten und ver-zerrten Darstellungen der Medienübernehmen würden. �

37perspektive21

manfred güllner – die medien und das volk

PROF. MANFRED GÜLLNER

ist Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts forsa.

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38 mai 2012 – heft 52

thema – die zukunft der medien

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S chon längst gehört der morgendli-che Gang zum Briefkasten nicht

mehr zum lieb gewonnenen Ritual vie-ler Brandenburgerinnen und Branden-burger. Denn immer seltener finden dieheimischen Tageszeitungen den Weg indie märkischen Haushalte. Der Zei-tungsmarkt in Brandenburg ist in Be-wegung – und zwar ausnahmslos in eineRichtung: nach unten.

Der Zeitungsmarkt in Brandenburgwird maßgeblich geprägt von drei gro-ßen heimischen Zeitungen1: die Mär-kische Allgemeine Zeitung (MAZ), dieMärkische Oderzeitung (MOZ) und dieLausitzer Rundschau (LR). Im Jahr 1998kamen sie zusammen auf durchschnitt-lich 528.000 verkaufte Exemplare proTag. Bei damals 1.034.000 Haushaltenentsprach dies einer Abdeckung von 51 Prozent. Jeder zweite Haushaltbezog 1998 also eine der drei großenmärkischen Tageszeitungen. Heute(Stand: März 2012) kommen die dreiTageszeitungen auf durchschnittlich311.000 verkaufte Exemplare täglich.

Ein Rückgang um 41 Prozent. Bei rund1.237.000 Haushalten erreichen MAZ,MOZ und LR gemeinsam damit nurnoch 25 Prozent aller Haushalte imLand Brandenburg. Ein dramatischerVerlust.

Trend nach unten

Nicht viel anders sieht es bei den Zei-tungen aus, die hauptsächlich auf dieBundeshauptstadt Berlin ausgerichtetsind. Sie werden in Brandenburg vorallem im Berliner Umland gelesen: dieBerliner Morgenpost, die Berliner Zei-tung, der Tagesspiegel und die BildBerlin-Brandenburg. Da sich die offi-zielle Statistik der Verkaufszahlen aufden Bereich Brandenburg und Berlinbezieht, ist eine rein brandenburgischeBewertung aufgrund des vorhandenenDatenmaterials leider nicht möglich. Eskann aber durchaus unterstellt werden,dass die Berliner Zeitungen einen Groß-teil ihrer Auflage in Berlin absetzen unddamit in Brandenburg deutlich wenigerEinfluss auf die Meinungsbildung ha-ben, als MAZ, MOZ und LR. Die vierBerliner Zeitungen kamen im Jahr 1998zusammen auf 690.000 verkaufte Exem-

39perspektive21

Neue Wege gesucht WIE SICH DER ZEITUNGSMARKT IN BRANDENBURG VERÄNDERT

VON MATTHIAS BEIGEL

1 Aufgrund ihrer geringen Auflage werden die kleinerenZeitungen wie etwa „Neues Deutschland“, „PotsdamerNeueste Nachrichten“ oder „Oranienburger General-anzeiger“ in diese Analyse nicht einbezogen.

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plare täglich, bis März 2012 fiel dieZahl ihrer verkauften Zeitungen um30 Prozent auf 481.000 Exemplare.

Betrachtet man zunächst die drei heimischen Tageszeitungen, so fällt derVerlust an verkauften Exemplaren beider LR am kräftigsten aus. Mit minus48 Prozent hat sich die Leserschaft seit1998 fast halbiert. Die MOZ verliert 39 Prozent an verkauften Exemplaren,die MAZ 37 Prozent.

Größter Verlierer unter den BerlinerZeitungen ist die Bild Berlin-Branden-burg, die 37 Prozent ihrer Leser seit1998 einbüßte. Die Berliner Zeitungverlor 36 Prozent, die Berliner Morgen-post 33 Prozent. Beachtlich ist, dass derTagesspiegel hingegen nur einen Verlustvon 11 Prozent verkraften musste.

Dass dieser Abwärtstrend nochimmer in voller Bewegung ist, zeigt einBlick auf die Entwicklung der letztenzwei Jahre. Alle Zeitungen musstenweitere Verluste verkraften. Die Berli-ner Zeitungen sind davon allerdingsstärker betroffen als die heimischenTageszeitungen. Ganz besonders vieleFedern hat die Bild-Zeitung gelassen.Das Blatt verlor seit 2010 ganze 17 Prozent seiner Leser. Pro Tag ent-spricht das 19.500 weniger verkaufteExemplare als noch vor zwei Jahren.Mit jetzt 95.000 rutschte Bild Berlin-Brandenburg sogar erstmals unter die symbolisch wichtige Grenze von100.000 Verkaufsexemplaren pro Tag.Sie ist damit inzwischen die kleinsteder vier für Brandenburg relevanten

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thema – die zukunft der medien

Zeitungen in Brandenburger Haushalten

� 1998 � 2012

1.034.076

527.964

1.236.933

310.730

Zahl der Haushalte Verkaufte Exemplare vonMAZ, MOZ und LR

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Berliner Tageszeitungen. Die BerlinerZeitung verkauft heute im Vergleich zu2010 täglich 17.000 Zeitungsexem-plare weniger. Das entspricht einemVerlust von 11 Prozent. Es folgt derTagesspiegel mit einem Verkaufsverlustvon 14.500 Exemplaren (-10,5 Pro-zent). Die Berliner Morgenpost verzeich-net ein Minus von 12.000 täglichenZeitungsverkäufen (-9 Prozent). ImVergleich zu den Berliner Zeitungenscheinen die Verluste der Brandenbur-ger Tageszeitungen in den vergangenenzwei Jahren fast schon überschaubar.Die LR setzte 7.000 Zeitungen proTag weniger ab – ein Verlust von 7 Prozent. Die MAZ verlor 10.000 (-7 Prozent) ihrer täglichen Leser. Vonallen am besten geschlagen hat sich in

den vergangenen zwei Jahren die MOZ.Sie verlor „nur“ 4.000 verkaufte Zeitun-gen pro Tag (-4 Prozent).

Sind Lokalzeitungen sicher?

Selbst wenn die Brandenburger Zei-tungen im Vergleich zu den BerlinerBlättern seit 2010 weniger Verluste zuverzeichnen hatten, bleibt zu konstatie-ren, dass sich der Abwärtstrend weiterfortsetzt. Deshalb ist klar, dass die Zei-tungsverlage durch die negative Ent-wicklung immer stärker unter Druckgeraten. Sicher geglaubte Strukturensind längst nicht mehr unantastbar.Besonders gilt dies für das größte Pfundder heimischen Tageszeitungen: dieLokalredaktionen. Gerade die Lokal-

41perspektive21

matthias beigel – neue wege gesucht

Täglicher Verkauf von Tageszeitungen in Brandenburg im Vergleich

* = Verkaufszahlen für Berlin und Brandenburg

� 1998 � 2012

214.0

89

139.2

29

174.6

46

151.0

52

140.0

17

181.9

72

216.6

03

135.1

33

84.9

20

90.6

97

95.1

71

124.3

55

121.8

71

139.7

75

Page 42: perspektive21 - Heft 52

seiten sind es, die treue Leserinnen undLeser an ihrer Zeitung schätzen.

Eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene qualita-tive Studie von tns infratest aus demDezember 2011 hat dies erneut bestä-tigt. Die Leserinnen und Leser vonTageszeitungen wollen vor allem wis-sen, welche Straße in ihrer Stadtgesperrt ist oder wie sich der örtlicheFußballclub geschlagen hat. Kurzum:Sie wollen wissen, was in ihrer Regionpassiert. Doch genau im lokalen Be-reich werden die Verlage, wenn sie esnicht schon getan haben, in den nächs-ten Jahren aus finanziellen Gründenreagieren müssen. So ist es etwa schwervorstellbar, dass es sich die MAZ auflange Sicht wird weiter leisten können,im Landkreis Havelland zwei selbstän-

dige Redaktionen („Havelländer“ und„Westhavelländer“) zu unterhalten, diejeweils für weniger als 5.000 Abonnen-ten eigene Lokalausgaben produzieren.Wie groß aber dürfen die Flächen sein,für die Lokalredaktionen räumlichzuständig sind, ohne dass der lokaleBezug verloren geht? Was passiertetwa, wenn Abonnenten in Rathenowkünftig vermehrt darüber lesen, welcheKreuzung im 65 Kilometer entferntenFalkensee saniert wird, der Streit umden örtlichen Busverkehr im heimi-schen Rathenow aber keinen Platzmehr findet? Beschleunigt das nichtvielleicht sogar die Abwanderung wei-terer Leserschaften?

Es ist daher richtig, dass sich dieZeitungsverlage schwer tun, ihre Lokal-redaktionen auszudünnen. Es ist zu

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thema – die zukunft der medien

Verluste im Verkauf seit 2010

-6,8%

-4,4%

-6,9%

-10,5% -11,0%

-9,1%

-17,0%

Page 43: perspektive21 - Heft 52

vermuten, dass die Verantwortlichenzunächst vor allem bei der Produktionihrer Zeitungen verstärkt auf Zentra-lisierung setzen. Die LR hat dieseZentralisierung bereits 2009 vorge-nommen und produziert seitdem alle13 Lokalausgaben über einen so ge-nannten „Newsdesk“. Texte, Fotos undGrafiken können so über eine gemein-same Datenbank ausgetauscht werden.Kritiker sehen in der Zentralisierungder Produktion von Lokalseiten aller-dings einen deutlichen Verlust an loka-lem Bezug. Denn entschieden wirdüber die jeweilige Lokalseite eben nichtmehr in Forst, Guben oder Luckau,sondern am „Newsdesk“ im entferntenCottbus. Ob und wie weit diese Um-stellung dazu beigetragen haben mag,dass die LR unter den drei Branden-burger Tageszeitungen seit 2010 dengrößten prozentualen Verlust zu ver-kraften hat, kann zum jetzigen Zeit-punkt zwar noch nicht bewertet wer-den. Eine genaue Analyse wäre jedochsicherlich lohnenswert. Es ist aber injedem Fall davon auszugehen, dassauch anderen Zeitungen früher oderspäter bei der Produktion auf einen„Newsdesk“ zurückgreifen werden.

Grenzen des Vertriebs

Mit den zurückgehenden Verkaufszah-len sinkt auch die Zahl der Abonnentenstetig weiter nach unten. Gerade imländlichen Raum Brandenburgs führt

das zu neuen Problemen der Zeitungs-verleger – sie werden immer unwirt-schaftlicher. Denn während die Zahlder kontinuierlich zahlenden Abonnen-ten abnimmt, bleiben die Vertriebskos-ten relativ konstant. Schließlich müssendie Zeitungsexemplare in jeden Ort imVerbreitungsgebiet transportiert und vorOrt durch Personal verteilt werden –ganz egal ob es früher 15 Abonnentenim Dorf gab, heute aber nur noch 5.Noch ist nicht absehbar, wie dieses vorallem finanzielle Problem für die Zei-tungsverlage zu lösen ist. Es ist jeden-falls nicht auszuschließen, dass das bis-lang dichte Verteilungsnetz in denländlichen Regionen spürbar gelichtetwerden muss. Manch ein Abonnentwird dann wohl damit leben müssen,seine Zeitung nicht mehr früh um sechsUhr im Briefkasten zu haben, sondernerst mittags mit der Post. Wer tagsüberarbeitet, liest sie dann frühestens amAbend. Auch diese Entwicklung würdedaher zu einem weiteren Wertverlustder gedruckten Zeitung und damit ver-bunden wohl noch weniger Abonnen-ten führen. Denn je später man dieZeitung in den Händen hält, umsoälter ist die Nachricht. In unsererschnelllebigen Zeit ein nicht zu unter-schätzender Aspekt.

Als weitere Konkurrenz für die hei-mischen Tageszeitungen entwickelnsich zunehmend auch die kostenlosenWochenzeitungen. Sie finanzieren sichvornehmlich aus Anzeigen und leben

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matthias beigel – neue wege gesucht

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damit offensichtlich recht gut. Quali-tativ sehr unterschiedlich drohen sie inmanchen Regionen Brandenburgs denTageszeitungen den Rang als lokaleInformationsquelle abzulaufen. Einbeunruhigender Trend für die verant-wortlichen Zeitungsmacher. Man kannes daher als strategisch sehr weitsichtigbezeichnen, dass sich das Medienhausder MOZ, die „Märkische Verlags-und Druckhaus GmbH“ in Frankfurt(Oder), Anfang 2011 nicht nur denOranienburger Generalanzeiger, denHennigsdorfer Generalanzeiger, dieGransee-Zeitung, den Ruppiner Anzeigersondern auch die kostenlosen Wochen-zeitungen Märker und BRAWO käuf-lich erwarb. Während die MOZ inOstbrandenburg zuhause ist, erschei-nen die erworbenen Blätter nördlichund westlich von Berlin. Allein die bei-den kostenlosen Wochenzeitungenerscheinen wöchentlich mit einer Auf-lage von rund 300.000 Exemplaren.Auch im Internet stärken sie mit häu-fig ansprechenden kostenlosen Portalenihre Konkurrenzstellung als Informa-tionsquelle mit regionalem Bezug.

Die große Konkurrenz

Das Internet stellt alle Zeitungen ohne-hin vor große Herausforderungen. Essorgt durch seine ortsunabhängige,nahezu grenzenlose Verfügbarkeit zujeder Tages- und Nachtzeit für immerstärkere Konkurrenz. Die Zeitungen

befinden sich dabei in einer schwie-rigen Zwickmühle. Zum einen ist einmoderner Internetauftritt als Leser-Service seit einigen Jahren unabding-bar. Ein informativer Online-Auftrittbedeutet im Gegenzug aber auch einenWertverlust der gedruckten eigenenZeitung. Wer morgens kostenlos diegleichen Artikel auch bequem amComputer lesen kann, spart sichschnell die monatlichen Ausgaben fürdas Abonnement im Briefkasten.Immer wieder versuchen sich die Zei-tungsverlage daher darin, ihr Online-Angebot zu beschränken oder aus-führliche Artikel nur kostenpflichtiganzubieten. Den neuesten Anlaufunternimmt gerade die „MediengruppeMadsack“, die Ende 2011 die MAZkaufte und in ihre umfangreiche Zei-tungslandschaft (u. a. Leipziger Volks-zeitung, Dresdner Neueste Nachrichtenund Hannoversche Allgemeine Zeitung)integrierte. Bis Ende 2012 sollen alleNicht-Abonnenten für exklusive In-halte auf den Online-Portalen Geldbezahlen. Der stellvertretende „Mad-sack“-Geschäftsführer Thomas Düffertbegründete dies mit den Worten:„Unsere journalistische Leistung hateinen hohen Wert und kann deshalbnicht kostenlos zur Verfügung gestelltwerden.“ Dieser Aussage muss manzwar einerseits zustimmen, jedoch zeigtdie Praxis andererseits, dass kosten-pflichtige Informationsportale imInternet kaum Anklang finden. Das

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thema – die zukunft der medien

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Angebot an kostenlosen Informations-quellen ist einfach zu groß, als dassInternetnutzer regelmäßig Geld für dasLesen einzelner Artikel ausgeben. Undauch der vermeintliche Anreiz, wegender exklusiven Artikel im Internet einZeitungs-Abonnement zu erwerben,scheint angesichts des Überangebots an freien Informationen im Netz docheher fraglich.

Kostenlos im Internet?

Dass Internetnutzer um kostenpflichti-ge Online-Artikel einen großen Bogenmachen, hat nicht zuletzt die MAZselbst bereits erlebt. 2010 konnten aus-gewählte Artikel für eine Zeit lang nurgegen Gebühr vollständig online gele-sen werden. Wie groß der Einbruchbei MAZ-online-Lesern gewesen ist, istnicht bekannt. Jedenfalls stellten dieVerantwortlichen ihr Angebot relativschnell wieder kostenlos zur Verfü-gung. Die MAZ steht mit diesemProblem natürlich nicht allein. Selbstdie bundesweit führenden Internet-Informationsportale ringen seit Jahrenum geeignete Lösungen. ChristophKeese, beim Axel-Springer-Verlagzuständig für Public Affairs, hat überdie redaktionellen Internet-Angeboteseines Verlages im Februar 2009 ge-sagt: „Wir sind über die Maßen erfolg-reich, kriegen nur kein Geld dafür.“Geld verdienen lässt sich dagegen mitden Werbeanzeigen auf den kostenlosen

Internetseiten. Die digitalen Werbeer-löse von Springer lagen im vergangenenJahr erstmals über den Einnahmendurch Werbung in den Printmedien desVerlags. Schwer vorstellbar, dass Verlageangesichts dieser Entwicklung künftigauf diese für den Internetnutzer kosten-losen Angebote im Netz verzichten wer-den. Umso schwieriger wird die Lagefür kostenpflichtige Internetseiten vonZeitungen – auch auf dem Brandenbur-ger Zeitungsmarkt. Man darf also ge-spannt sein, wie die Umstellung desOnline-Angebotes der MAZ auf kosten-pflichtige Inhalte von den Brandenbur-gerinnen und Brandenburgern künftigangenommen wird und welche weiterenAuswirkungen es durch die Entwick-lung im Internet auf den Verkauf dergedruckten Tageszeitungen in Branden-burg gibt.

Wo die Zukunft liegt

Besonders große Hoffnung setzt dieZeitungsindustrie bundesweit aufSmartphones und Tablet-Computer.Immerhin war 2011 jeder sechste ver-kaufte Computer in Deutschland einTablet. Grund genug für Zeitungs-verleger, ihre Angebote an neuenMedien auszubauen. In Brandenburgbietet bisher nur die LR ein „App“ an,mit dem sich Zeitungsinhalte gegen1,50 Euro pro 30 Tage auf Tablet-Computern oder Smartphones abrufenlassen. Bundesweit liegen die Markt-

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matthias beigel – neue wege gesucht

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preise deutlich höher. So verlangt etwadie Frankfurter Rundschau für ihre 2011mit dem „European Newspaper Award“ausgezeichneten App 7,99 Euro zusätz-lich zur Printausgabe, die SüddeutscheZeitung erhebt einen Zuschlag von7,50 Euro auf das gedruckte Abo.Grundsätzlich, so meinen zumindestdie Optimisten der Branche, ließensich gedruckte Zeitungen durch dasneue Digitalprodukt langfristig sogarin Gänze ersetzen. Vor allem die enor-men Probleme der teuren Vertriebs-wege würden sich auf diese Weisequasi in Luft auflösen. Ob in den bedienerfreundlichen Geräten viel-leicht wirklich die Zukunft des Zei-tungsmarktes steckt, muss sich aller-dings erst noch erweisen. Schließlichgehören Nutzer kostenpflichtigerApps und Nutzer kostenloser Inter-net-Angebote zur selben Zielgruppemedienaffiner Leser. Ob diese dannwirklich bereit sind, für Apps Geldauszugeben, wenn sie zeitgleich mitdemselben Gerät die Informationenandernorts auch kostenlos beziehenkönnen, darf zumindest noch bezwei-felt werden. Manch grenzenloser Opti-mismus ist zum jetzigen Zeitpunktjedenfalls deutlich verfrüht. Die Ent-wicklung ist bislang nicht mehr als

ein – immerhin durchaus ernst zunehmendes – Experiment.

Als Fazit bleibt festzuhalten: DerZeitungsmarkt in Brandenburg ist seitvielen Jahren erheblich unter Druck.Ein Ende der Abwärtsspirale ist nichtabsehbar. Selbst großangelegte Werbe-kampagnen bringen kaum zählbarenErfolg. Auch Experimente mit neuenMedien können diese Entwicklungtrotz aller Euphorie bislang nicht auf-halten. Vielmehr ist anhand der sin-kenden Verkaufszahlen zu beobachten,dass das weiter abnehmende Interessean Tageszeitungen die gesamte Bran-che in den kommenden Jahren inimmer größere Schwierigkeiten brin-gen wird. Qualitativ hochwertigerJournalismus ist davon ebenso betrof-fen, wie schlagzeilenträchtiger, oberfläch-licher Boulevard. Die Medienland-schaft muss sich diesen Entwicklungenanpassen. Nur mit guten neuen Ideenwerden sie sich am Markt behauptenkönnen. Es bleibt zu hoffen, dassihnen dies gelingt. Wir brauchen auchin der Zukunft Leitmedien, die guteTageszeitungen für Brandenburg aufden Markt bringen. Für eine gesundeEntwicklung von Gesellschaft undDemokratie sind Tageszeitungen injedem Fall unverzichtbar. �

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thema – die zukunft der medien

MATTHIAS BEIGEL

ist Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg.

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PERSPEKTIVE 21: In der zweiten Hälfteder achtziger Jahre waren Sie Chef derHessischen Staatskanzlei. Damals gab es kein Internet, keine E-Mails, keineHandys. Wie konnte man so überhauptregieren? ALEXANDER GAULAND: Besser als heute.Man kann das noch zuspitzen. Bismarckhat drei Monate Urlaub gemacht imJahr – und war statt in Berlin in Varzin.Und zumindest außenpolitisch – innen-politisch sehen das Sozialdemokratensicherlich anders – kann man nichtsagen, dass das bismarcksche Reichschlecht regiert worden ist. Das warenandere Zeiten und es war, glaube ich,für die Entscheidungsfindung besser.

Warum?GAULAND: Weil die heutige Geschwin-digkeit dazu führt, dass immer mehrUnausgegorenes und nicht Durch-dachtes schnell vor eine Pressekon-ferenz gekippt wird. Weil man glaubt,man muss jetzt den großen Konkur-renten durch Zeit übertreffen. Undwenn ich mir angucke, wie viel dannkorrigiert werden muss, dann glaubeich, dass diese Geschwindigkeit nichts

dazu beigetragen hat, dass wir besserregiert werden.

Trifft das auch auf Medien zu?GAULAND: Natürlich trifft es auch aufdie Medien zu. Schon deshalb weilbeispielsweise in Berlin alles sehr vielhektischer und schneller umläuft als es noch in Bonn der Fall war. Heutemüssen Spitzenpolitiker, wie bei derzweiten Wahl von Horst Köhler,sagen, es gehe nicht, dass aus Wahl-vorgängen heraus schon die Ergeb-nisse getwittert werden. Dass man dasüberhaupt zum Thema machen muss,finde ich schon eine deutliche Ver-fallserscheinung. Dem kann ich nichtsPositives abgewinnen.

Ein sehr kleines Fenster

Sie haben unmittelbare Erfahrungen ausder politisch-medialen Landschaft inBrandenburg und können dies verglei-chen mit der in Hessen vor 25 Jahren.Was hat sich verändert in der Landes-politik im Laufe der Zeit? GAULAND: Auch in der Landespolitikhaben Geschwindigkeit und „Inter-

47perspektive21

Ein gewisser Machttrieb ÜBER DAS REGIEREN OHNE HANDYS SOWIE MEDIEN UND POLITIK

IM ZEITALTER DES INTERNETS SPRACH THOMAS KRALINSKI MIT

ALEXANDER GAULAND

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netisierung“ zugenommen. Nun istLandespolitik leider nicht so stark imFokus des immer nach Neuem Su-chenden. Zum Glück muss man aller-dings heute sagen mit Blick auf denGeschwindigkeitsrausch. ManfredKanther, mein Kollege aus der hes-sischen Landesregierung, hatte malgesagt, die Landespolitik hat nur einsehr kleines Fenster. Da kann maximalder Ministerpräsident herausguckenund alle anderen fallen da schon durchden Rost. Da ist was dran. Insofernsind die Entwicklungen in der Landes-politik, nicht so brutal schnell wie wirdas in Berlin erleben.

Landespolitik findet durch eine Milch-glasscheibe statt?GAULAND: Da haben Sie Recht. DieLeute schauen über das Fernsehen aufBerlin und sie interessieren sich fürKommunalpolitik, für Windparks vorihrer Haustür oder Verkehrsprojekte.Ihnen geht es nicht unbedingt um diepolitischen Diskussionen in der Stadt-verordnetenversammlung, aber Kom-munalpolitik berührt sie. Abgesehenvon Bildung, berührt die Landespoli-tik die Leute im Grunde genommenwenig.

Und dadurch kann man Landespolitiketwas langsamer machen? GAULAND: Ja, ich habe schon dasGefühl, dass es selbst in einer angeb-lichen Weltbankenstadt wie Frankfurt

ruhiger zugeht als beispielsweise inBerlin. Das hat den Vorteil, dass manüber ein paar Entscheidungen, wiezum Beispiel die Frage, wie man Wirt-schaftsförderung strukturiert, ein bis-schen länger nachdenken kann.

Wo die Zeitungskultur noch lebt

Sie haben viele Jahre die MärkischeAllgemeine Zeitung herausgegeben. Wie stark sind die regionalen Zeitungendurch das Internet unter Druck geraten? GAULAND: Die Märkische Allgemeinehat viele Leser und Abonnenten ausder Vergangenheit. Das sind Leser, diezum größten Teil nicht im Internetpräsent sind, die noch diese alte –manche sagen kleinbürgerliche – Zei-tungskultur für sich leben und entspre-chend auch durch das Internet nichtgetrieben sind. Die Regionalzeitungenstellen ja mittlerweile auch fast alles insInternet, aber davon hängt die Auflagenoch nicht ab. Aber in der nächstenGeneration kann das sicherlich anderswerden.

Vor 15 Jahren lag die Haushaltsabde-ckung der Regionalzeitungen bei 50 Pro-zent, heute nur noch bei 25 Prozent.Gibt es eine kritische Untergrenze? GAULAND: Ja, natürlich. Schauen Siesich nur an, mit welchen Maßnahmendie Zeitungen versuchen zu sparen. Sie sparen die Eigenständigkeit von bestimmten Produkten ein. Das fängt

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thema – die zukunft der medien

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bei den völlig unpolitischen Sachenan, vom Ratgeber bis zum Feuilleton.Das wird in Zukunft sicherlich nichtmehr alles eigenständig produziert –sondern man wird in Rostock, Hanno-ver, Leipzig, Potsdam und Erfurt dasGleiche lesen.

Das bedeutet, dass die regionalen Print-medien immer einheitlicher werden. GAULAND: Das ist die einzige Möglich-keit zu sparen und sicherlich keinepositive Entwicklung. Damit das aberfunktioniert, muss die Lokalbericht-erstattung unbedingt erhalten bleiben.Wenn der lokale Bezug weg ist, hatsich die Geschichte mit der Zeitungerledigt. Denn es ist niemandem inden letzten Jahren gelungen, den Auf-lagenverlust von Papier zu stoppen –abgesehen von den großen nationalenZeitungen wie der Süddeutschen, derFrankfurter Allgemeinen oder der Zeit.Aber bei den regionalen Medien ist esin Brandenburg nicht anders als beider Rheinischen Post oder der Rhein-zeitung in Koblenz. Sie verlieren anZustimmung im Sinne von Abonnen-ten, weil die jungen Leute, die ihreRegionalzeitung bei den Eltern mit-gelesen haben, in dem Moment, wo sie heiraten oder sich niederlassen, dieZeitung eben nicht weiterlesen. DieseGeneration ist inzwischen so starktechnikaffin, dass sie immer wenigerliest. Der Widerstand gegen das Lesenwird größer. Stattdessen wird der

Computer oder der Fernseher ange-macht und ein paar Nachrichtengeschaut. Wir erleben einen Verfallvon Zeitungskultur.

Ist dieser Trend umkehrbar?GAULAND: Das kann man heute nochnicht beurteilen. Es ist nur dann um-kehrbar, wenn das Gefühl für dasgedruckte Wort eine neue schon his-torisch traditionelle Qualität wiederbe-kommt. Bei manchen Kulturen habenwir das schon erlebt – der Kinofilmerlebte einen riesigen Niedergang undhat sich heute wieder etabliert. Auchbei den Medien kann ich mir vorstel-len, dass das Gefühl, es ist doch vielschöner eine Zeitung in der Hand zuhalten, wieder zurückkehrt.

Der Marktplatz im Internet

Im Moment ist das allerdings nicht so. GAULAND: Ja. In den USA ist diese Ent-wicklung schon viel weiter. Die großenZeitungen arbeiten dort an der Grenzedessen, was noch wirtschaftlich ist.

Welche Konsequenzen hat das auf denpolitischen Diskurs und unsere Demo-kratie?GAULAND: Das ist es, was mich immerärgert, wenn über das Internet geredetwird, was es doch alles für tolle Mög-lichkeiten mit Facebook und solchenSachen gebe. An diese Marktplatz-Idee glaube ich nicht. Wenn sie auf

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der einen Seite niemanden mehrhaben, der ihnen irgendwas vernünf-tig erklärt und irgendeinen Zusam-menhang herstellt, leidet die Dis-kussion und führt dazu, dass esimmer weniger kompetente Teilneh-mer an öffentlichen Diskussionengibt. Da haben die Zeitungen einegroße positive Rolle in der Vergan-genheit gespielt, sicherlich manchmalauch eine negative. Über das Zeitung-lesen konnte man die Welt verstehen –und das wird immer weniger.

Politik braucht Medien, weil man sonstdie Leute nicht erreichen kann. Selbst derPodcast von Frau Merkel hat ja nur einpaar Zehntausend Zuschauer – und nichtMillionen wie Zeitungen oder Fernsehen. GAULAND: Die Piraten erzählen einem,dass das alles über das Internet geht.Ich kann mir nicht vorstellen, wie dasfunktionieren soll. Denn eine Diskus-sion muss strukturiert sein. Und eineunstrukturierte Diskussion bringt letzt-lich keine Ergebnisse. Ich sehe in derTat eine Gefahr, weil Politik wenigererklären kann und es damit schwierigerwird über rationale Argumente eineMachtposition durch Wahlen zu errei-chen – das ist schließlich Demokratie.

Damit wird es schwieriger, die Leute zu erreichen. GAULAND: Das ist aber schon immerdas Problem der Landespolitik gewe-sen. Das habe ich in Hessen nicht an-

ders erlebt und hat mit dem Internetoder diesen Dingen nichts zu tun. Dashat eher mit unserem dreigliedrigenpolitischen System aus Bund, Landund Kommunen zu tun. Das stellt zuviel Aufmerksamkeitserfordernis fürden normalen, nicht übermäßig inter-essierten Leser und Wähler dar. Alsolässt er das Land weg, es sei denn, esberührt ihn persönlich – wie vor allemin der Bildungspolitik.

Die Ruhe des Landes

Gleichzeitig hat die Bedeutung derMinisterpräsidenten in der Bundes-republik abgenommen. Man denke nuran Biedenkopf, Rau, Schröder oderSpäth. Die wurden bundesweit gehört.Heute kennt kaum noch jemand dieNamen der Ministerpräsidenten. GAULAND: Das ist meiner Meinungnach keine endgültige Entwicklung,sondern hat viel damit zu tun, dass wirin den letzten zwei, drei Jahren Politikfast nur noch über Euro- und Griechen-landkrise definieren. Und da spielen dieMinisterpräsidenten keine wirklicheRolle. Das war bei der Wiedervereini-gung zum Beispiel anders und sie hattendadurch auch andere Möglichkeitenpräsent zu sein. Hinzu kommt, dasswir eine verhältnismäßig starke Kanz-lerin haben, aber auch starke Oppo-sitionsfiguren wie zum Beispiel Gabriel,Steinmeier oder Steinbrück. Wenn esda eine Lücke gäbe, wären die Minis-

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terpräsidenten auch präsenter. Hinzukommt, dass es in den letzten Jahreneine ganze Reihe von Wechseln bei den Länderregierungschefs gab.

Täuscht der Eindruck oder meiden manche Ministerpräsidenten lieber den „Berliner Zirkus“? GAULAND: Da ist sicher was dran.Manche wie McAllister oder Tillichsagen explizit, dass sie nicht in der„großen Politik“ mitmischen wollen.Mancher hat dabei sicher die Erfah-rungen von Beck oder Wulff vorAugen, wo man schnell sehen konnte,wo das hinführt. Die regieren dann lieber in Ruhe in ihren Landeshaupt-städten. Ich glaube aber nicht, dass das auf Dauer so ist.

In den achtziger Jahren waren Sie daran beteiligt, neben dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen das Privatfern-sehen zu etablieren. Haben Sie dasbereut? GAULAND: Als wir an die Regierungkamen, hatten alle anderen schonlängst Privatfunkgesetze gemacht –insofern gab es im Grunde genommengar keine Alternativen mehr. Schließ-lich konnte Hessen kein medienloserOrt sein. Privat war ich gegen denPrivatfunk, als Chef der Staatskanzleihabe ich das Gesetz aber mit erarbeitet.In der Sache habe ich aber Recht be-halten. Das war eine der großen Sün-den der damaligen CDU. Lothar Späth

oder Helmut Kohl und viele anderemeinten, sie könnten mit dem Privat-funk die Linkslastigkeit der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten konterka-rieren. Ich habe immer gesagt: Das istkeine Frage von links und rechts, son-dern von mehr oder weniger. Denn sowie die „Linken“ ihre Positionen imPrivatfunk nicht durchbekommen, ist das den „Rechten“ auch nichtgelungen. Meine Vermutung war, dassdas ein Dudelmedium wird, wo es gar keine Rolle mehr spielt, ob etwasrechts oder links ist. Ich war damalsvöllig allein mit dieser Position in derCDU, ein Kulturpessimist sozusagen.Jetzt habe ich zwar Recht, aber es nütztnichts mehr.

Der Geist ist aus der Flasche

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma,dass sich die Öffentlich-Rechtlichen derQuote stellen und entsprechend ihr Pro-gramm gestalten müssen? GAULAND: Ich bin dagegen, dass sichdie Öffentlich-Rechtlichen der Quotestellen. Das ist inzwischen eine merk-würdige Argumentation. Die öffent-lich-rechtlichen Rundfunkanstaltensind dazu da, eine kulturelle Vollver-sorgung zu liefern. Da kann man sichnicht nach der Quote richten undsagen, dafür brauche ich aber Werbe-einnahmen. Nein, die haben Gebüh-ren. Das Zwei-Säulen-Modell vonöffentlich-rechtlichen und privaten

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Rundfunkanstalten war darauf aufge-baut, dass die einen die leichte Musemachen, die anderen das, wo es in derTat mal weniger Hörer gibt. Die Städteunterhalten ja auch Opernhäuser, in dienur wenige Leute gehen. Nein, die öf-fentlich-rechtlichen Sender haben eineArt Erziehungsauftrag – auch wenn daspaternalistisch klingt. Und da müssensie auch Sachen machen, die die Mehr-heit nicht unbedingt interessiert. DasProblem ist, dass das System nicht mehrzu korrigieren ist. Der Geist kann nichtmehr in die Flasche zurück.

Die Tendenzen zu mehr Schnelligkeit,weniger Politik und mehr Boulevard hatmit Bild und Spiegel-Online neueLeitmedien hervorgebracht. Ist das einNaturgesetz? GAULAND: Bei Spiegel-Online stimmtdas zweifellos. Bild war eigentlichschon immer eine Art Leitmedium.Die Bild-Zeitung hat sich nicht ver-ändert. Sie war wegen ihrer fünf odersechs Millionen Leser bei den einengefürchtet, bei den anderen gelobt. Die ganzen Auseinandersetzungen um Christian Wulff hätten auch vor20 Jahren schon stattfinden können.

Täuscht es oder sind Journalisten öftermal versucht, in die Politik eingreifen zu wollen? GAULAND: Jeder Mensch hat einengewissen Machttrieb und wenn ermerkt, dass das funktioniert ist auch

der Journalist nicht davor gefeit zusagen: Ach, das kann ich besser. Aberich halte das für falsch. Wenn ich anmanche Auftritte von Journalistenzum Beispiel in der Wulff-Affäredenke, dann treten sie auf wie macht-volle Politiker, die über die Karrierevon anderen bestimmen. Damit be-gibt man sich heraus aus der Positiondes Beobachters – und das machtangreifbar.

Kampf zwischen Politik und Medien

Häuft sich so etwas in jüngster Zeit? GAULAND: Nein, das hat es immer ge-geben. Der Spiegel hat in der altenBundesrepublik immer eine großeRolle gespielt – denken Sie nur an den„Abgrund von Landesverrat“ 1962. Erhat ganze Regierungen gestürzt, denVerteidigungsminister Strauß ins po-litische Aus befördert. Oder denken Sie an den machtvollen Einfluss desHugenberg-Konzerns am Ende derWeimarer Republik. Bei der Hinden-burg-Wahl 1932 wurde er von dergesamten nationalen Presse – seineneigentlichen Unterstützern – angegrif-fen, weil er sich von den Sozialdemo-kraten unterstützen ließ gegen Hitler.Der Hugenberg-Konzern spieltedamals eine ganz verheerende Rolle.Und so etwas ähnliches gab es zuvorauch im Kaiserreich in der Auseinan-dersetzung zwischen Harden, demHerausgeber der Zukunft, und Eu-

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lenburg, dem Freund des Kaisers.Gegen den Imperialisten Harden war Bismarck schon fast ein Linker.Das war die erste große Auseinander-setzung zwischen Politik und Medien –bei der die Medien gewannen.

Haben Sie in Ihrer Zeit bei der Märki-schen Allgemeinen auch mal die Ver-suchung gespürt, Politik zu gestalten? GAULAND: Nein, diesen Ehrgeiz hatteich nie. Ich habe meine Rolle auch

nicht so verstanden, auch ist die Lan-despolitik dafür gar nicht geeignet.Warum sollte ich in einer Auseinan-dersetzung zwischen der SPD und derCDU Partei ergreifen? Es gab sicherFälle, zum Beispiel bei der Stasi-Aus-einandersetzung um Manfred Stolpe,da muss man sehr vorsichtig sein, dassman nicht den Machtpolitiker spielt.Aber in normalen Zeiten ist die inne-re Gefährdung in der Landespolitikgering. �

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ALEXANDER GAULAND

war von 1987 bis 1991 Chef der Hessischen Staatskanzlei und von 1991 bis 2005 Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung.

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Im Rahmen der Betrachtung unsererGegenwart gehört es zu den unstritti-

gen Allgemeinplätzen, dass wir in einerMediengesellschaft ohne historischesVorbild leben. „Was wir über die Welt,in der wir leben, wissen, wissen wirdurch die Massenmedien“, schriebNiklas Luhmann 1996 und trotz der rasanten Entwicklung und Verbreitungdes Internet hat dieses Diktum bis heutewohl kaum an Gültigkeit verloren.Auch viele Internetmedien sind ja mitt-lerweile Massenmedien, sind Medienfür die Massen, die in ihrer Systematikzum Teil allerdings fundamental andersfunktionieren als Zeitung, Fernsehenoder Rundfunk. Interessanter als diebloße Feststellung einer Mediengesell-schaft erscheinen deshalb andere Fra-gen: Wodurch ist diese Mediengesell-schaft charakterisiert? Wie verändert sie sich und wie verändert sie gegebe-nenfalls unser Zusammenleben?

Als Charakteristikum von Medienge-sellschaften kann zunächst festgehaltenwerden, dass sich politische Entschei-dungen weder in obrigkeitsstaatlicherManier noch in hierarchischer Willens-

bildung treffen lassen. Besonders inDemokratien muss politische Herr-schaft immer auf Zustimmung undAkzeptanz basieren, müssen Entschei-dungen vermittelt, im wörtlichen Sinnmediatisiert werden. In modernenGesellschaften wie der BundesrepublikDeutschland funktioniert dieser Infor-mations- und Vermittlungsprozessganz wesentlich über Massenmedien.Fernsehen, Zeitungen und Zeitschrif-ten, Radio und Internetmedien ent-scheiden darüber, was eine Nachrichtist, worüber öffentlich diskutiert wird.So ist auch Luhmann zu verstehen:Was wir wissen, entsteht in den meistenFällen nicht in uns selbst – wir haben esgehört, gelesen, gesehen, gegoogelt.

Eine öffentliche Aufgabe

Mit dieser im Kern politischen Funk-tion für die demokratische Gesellschaftwird die besondere Privilegierung derMassenmedien durch Gesetzgebungund Rechtsprechung begründet. DieMedien leisten eine öffentliche Auf-gabe, sie stellen den Raum der Öffent-

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Mut zur LückeÜBER DIE GEGENLÄUFIGKEIT VON BÜRGERERWARTUNGEN

UND POLITISCHEN SACHZWÄNGEN IN EINER DIGITALISIERTEN UND

EUROPÄISIERTEN MEDIENGESELLSCHAFT

VON THOMAS STEG UND DANIEL WIXFORTH

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lichkeit her, ihnen kommen öffentlicheFunktionen zu: Zum einen können sieals zentrale Vermittlungsinstanz füröffentliche Diskussionen die entspre-chenden Foren bieten und somit ge-sellschaftliche Debatten ermöglichen.Zum anderen nehmen Medien aberauch eine Orientierungs- und Willens-bildungsfunktion wahr, indem sie sichmit eigenen Positionen und Wertun-gen selbst an Debatten beteiligen.

Soweit die beruhigenden Konstan-ten. Wir leben aber in einer sich stän-dig weiterentwickelnden Medienge-sellschaft. Diese Entwicklungenmanifestieren sich nicht allein, janicht einmal primär in technischenFortschritten als solchen. Für unserZusammenleben werden sie erst dannwirklich bedeutend, wenn sich ganzeGesellschaftsbereiche an veränderteMedienlogiken anpassen. Das ist in der Geschichte immer wieder passiert.

Partizipation als Zauberwort

Nicht zufällig erstarkte mit der Eta-blierung und Verbreitung der politi-schen Zeitschriften ab der zweitenHälfte des 18. Jahrhunderts flächende-ckend auch das Bürgertum gegenüberden europäischen Monarchien; nichtzufällig sieht die Soziologie mit derEtablierung des Privatfernsehens abden achtziger Jahren des 20. Jahrhun-derts einen gesellschaftlichen Wandelhin zur Erlebnis- und Konsumorien-

tierung anbrechen. Und nicht zufälligist ‚Partizipation‘ das Zauberwort unserinternetdurchdrungenen Gegenwart.Im Folgenden möchten wir den aktuel-len Wandel unserer Mediengesellschaftdeshalb als ‚partizipativen Wandel‘ be-zeichnen. Seine Konsequenzen für diePolitik und sein Einfluss auf die Wahr-nehmung der Demokratie lassen sichsehr deutlich aufzeigen.

Das Top-Down-Prinzip

Im Juni 1999 legten Gerhard Schröderund Tony Blair der Öffentlichkeit ihrberühmt gewordenes Schröder-Blair-Papier vor. Sie bedienten sich dabeieiner Technik, die bis dato vor allembei amerikanischen Präsidenten zubeobachten war und die in der Analyseals ‚going public‘ bezeichnet wird:Schröder und Blair sprachen unmittel-bar die Bürger an – sie machten ihrepolitische Richtungsentscheidung,ihren „Weg nach vorne für EuropasSozialdemokraten“, über die Medienund die Öffentlichkeit (und gegengewichtige Teile besonders der deut-schen Sozialdemokratie) zum Plebiszit.Damit nutzten sie die Macht der Me-dien und der öffentlichen Meinung,um innerparteiliche und innerpoliti-sche Widerstände von vornherein ihrerWirkung zu berauben. Im Hinblickauf den damals noch nicht auszuma-chenden partizipativen Wandel istdabei vor allem die Funktionsvertei-

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lung im Dreieck zwischen Regierung,Medien und Bürgern von Interesse:Die Regierung setzte ein Thema aufdie Agenda, die Massenmedien vermit-telten dieses und die Bürger konntensich zustimmend oder ablehnend dazuverhalten. In jedem Fall aber war ihneneine reaktive Rolle zugedacht. DieseArt des politischen Handelns in Top-Down-Manier stößt mit dem Vor-marsch des partizipativen Wandelszunehmend an ihre Grenzen, wie wiran zwei Beispielen darlegen möchten.

Habermas’ Freude

Als die Stuttgarter Bürger vor zweiJahren begannen, ihre Missbilligungdes geplanten Tiefbahnhofs zu artiku-lieren und zu organisieren, war vonAgenda-Setting durch die Politik undAgenda-Vermittlung durch die Mediennichts zu spüren, im Gegenteil: Me-dien und Politik haben das ProblemStuttgart 21 lange, vielleicht zu langeunterschätzt. Was sich hier politischformierte, war vielmehr die kritischeWahrnehmung der Menschen, in einesie unmittelbar betreffende Entschei-dung nicht hinreichend einbezogenworden zu sein. Es folgten die vielzi-tierten Wutbürger – ein ‚going public‘von unten. Jürgen Habermas, dergroße Antipode Luhmanns im sozial-wissenschaftlichen Diskurs um dieKategorie ‚Öffentlichkeit‘, dürfte daranseine helle Freude gehabt haben – ent-

sprach doch der Stuttgarter Protest inmancher Hinsicht seiner Vorstellungeiner bürgerlich-politischen Öffentlich-keit als „Sphäre der zum Publikum ver-sammelten Privatleute“.

Schwarm-Fahndung im Internet

Diese Privatleute spielten auch beimDoktortitel-Skandal des Freiherrn undEx-Ministers Karl Theodor zu Gutten-berg eine nicht unbedeutende Rolle;auch dieser Fall lässt sich in den Kate-gorien des partizipativen Wandels ana-lysieren. Indem die Süddeutsche Zeitungam 16. Februar 2011 zum ersten Malüber mögliche Plagiate in zu Gutten-bergs Dissertation berichtete, eröffnetesie in klassischer Weise jenen öffentli-chen Raum, den die Soziologen JürgenGerhards und Friedhelm Neidhardt als„Arena“ beschrieben haben: Politischeund gesellschaftliche Protagonisten,Antagonisten und Medien verhandelnrelevante Themen publikumswirksamin dieser Arena der Öffentlichkeit,während die Bürger die Verhandlun-gen als Publikum auf den „Galerien“beobachten und sich von der einenoder anderen Seite überzeugen lassen.Soweit die Theorie bis zum ‚Fall Gut-tenberg‘. Über die hier neu in Erschei-nung getretene, durch die technischenStrukturen des Internet ermöglichteSchwarm-Fahndung nach Plagiaten inder Dissertation ist bereits Vieles ge-schrieben worden, das an dieser Stelle

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nicht wiederholt zu werden braucht.Festhalten lässt sich, dass Politik undMassenmedien auch hier die Deutungs-hoheiten ab jenem Moment nicht mehrexklusiv beanspruchen konnten, abdem sich im Internet ein vernetztarbeitendes und vom Reiz der Partizi-pation angetriebenes Interessenkollek-tiv bildete, das seinen sicheren Platzauf der Galerie aufgab, um sich alsneuer Akteur in die Öffentlichkeits-Arena zu begeben. Dass dieses Kol-lektiv dabei auf die Zusammenarbeitmit den klassischen Massenmedienunbedingt angewiesen war, soll hierallerdings nicht unterschlagen werden.

Demokratie zwischen den Welten

Wie jeder Wandel in Mediengesellschaf-ten wird also auch der partizipativeWandel erst dann wirklich spannend,wenn die neuen innertechnischenLogiken auf die außertechnische, diesoziale Welt übergreifen zu beginnen;wenn die Netz-Kultur auf die Offline-Welt abfärbt. Die Reibungen undDiskrepanzen, die dabei zwangsläufigentstehen, führen uns zur ersten Theseüber die Zukunft der repräsentativenDemokratieform: Der vom Internetbedingte, aber nicht mehr auf dasInternet begrenzte partizipative Wan-del erzeugt in Teilen der Bevölkerungeine neue, kritische Wahrnehmunggegenüber der repräsentativen De-mokratie. Die Kritik speist sich dabei

aus der Tatsache, dass zwischen dertechnisch möglichen und der real ermög-lichten politischen Teilhabe der Bürgereine gravierende Lücke klafft.

Im Netz kann heute jeder mit jedemreden, zu allem seine Meinung äußernund über alles Erdenkliche abstimmen.Überträgt man diese scheinbar hierar-chielose Kommunikations- und Parti-zipationskultur (in Wirklichkeit ist dasInternet keinesfalls hierarchielos!) aufeine politische Ebene, dann werden dietechnischen Möglichkeiten politischerTeilhabe von Bürgern sofort deutlich.Die Erkenntnis: Im Netz ist direkteDemokratie längst machbar. Gleich-zeitig wird den Menschen aber be-wusst, dass sich die realen Möglich-keiten demokratischer Teilhabe inDeutschland seit 1949 nicht substan-ziell verändert haben. Direkt-demo-kratische Elemente sind zwar auf allenpolitischen Ebenen vorgesehen, ihreAusgestaltung ist aber nach wie vorextrem restriktiv und an hohe, oftunerreichbare Quoren geknüpft. DieOrganisatoren der Berliner Volksent-scheide über den Weiterbetrieb desFlughafens Tempelhof oder die Auf-wertung des freiwilligen Religionsun-terrichts können ein Lied davon singen.

Die Galerie wirkt unattraktiv

Diese von vielen Bürgerinnen undBürgern zunehmend wahrgenommeneLücke zwischen potenziellen und realen

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Teilhabemöglichkeiten führt zur Aus-bildung von Kritik gegenüber einempolitischen System, in das man nureinmal in vier oder fünf Jahren aktiveingreifen kann und darüber hinaus, soder Eindruck, zu Passivität verdammtist. Die Plätze auf der Galerie werdenalso zunehmend unattraktiver. Gegendiese These kann man nun einwenden,dass es zwei komplett unterschiedlicheDinge sind, Teilhabe im Netz durcheinen Mausklick auszudrücken oderdirekte Demokratie und Bürgerbetei-ligung mühevoll und arbeitsaufwendigin der Offline-Welt zu organisieren.Längst nicht jeder politisch aktive On-liner geht ja für sein Anliegen auch ausdem Haus. Diese Kritik ist empirischgerechtfertigt, sie begeht aber den Feh-ler, das Symptom einfach herunterzu-spielen, statt sich angemessen mit sei-nen Ursachen zu befassen.

Wo es schwer fällt

Wie also kann die Politik auf die an-gesprochene Lücke, auf die Teilhabe-problematik reagieren? Wer, wie diePiraten das derzeit so genussvoll tun,behauptet, die etablierten deutschenParteien seien auf dem partizipativenAuge blind, dem sei empfohlen, selbsteinmal die Augenklappe abzunehmen.Alle Parteien haben die Relevanz despartizipativen Wandels längst erkannt.Dass es dennoch schwer fällt, darauspolitische oder organisatorische Konse-

quenzen zu ziehen, hat mit der Selbst-und Fremdwahrnehmung der Parteienzu tun. Schauen wir auch hier in diePraxis: Vor einem Jahr machte SigmarGabriel den Vorstoß, künftig alle Bür-ger über wichtige SPD-Personalent-scheidungen, inklusive der über dieKanzlerkandidatur, abstimmen zu las-sen. Der heftige Unmut, der sich ander Parteibasis unmittelbar breit mach-te, führte letztlich zur Abwendung die-ses Vorschlags. Hier zeigte sich einParadoxon, das die derzeit schwierigeLage der etablierten Parteien kenn-zeichnet: Öffnet man politische Ent-scheidungen für alle interessierten Bür-ger, wird man also in der Struktur einwenig ‚piratiger‘, dann bezahlt mandiese Öffnung mit einem innerparteili-chen Demokratieverlust, weil der Sta-tus von Parteimitgliedern entwertetwird. Die Selbstwahrnehmung der Par-teien ist mit einer solchen Öffnunggegenwärtig (noch) nicht in Einklangzu bringen.

Parteien verändern

Eine weitere, mitunter noch größereHerausforderung für den angemesse-nen Umgang mit Forderungen nachmehr direkter, dem partizipativenWandel entsprechender Demokratieergibt sich aus der Fremdwahrneh-mung – dem Image, das Parteien undPolitik in der Gesellschaft anhaftet:Wer sich in den letzten Jahrzehnten

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nicht durch übergroße Bereitschaft zuPartizipation und Transparenz (einweiteres ‚magisches‘ Wort unserer Zeit)auszeichnen musste, weil diese Wertein der Vergangenheit schlicht von ge-ringerer Bedeutung waren, der be-kommt heute schnell ein Glaubwür-digkeitsproblem, wenn er beidesplötzlich ganz oben auf die Agendasetzt. Die Piratenpartei hat es dagegenleicht. Ähnlich wie die Grünen in ihrerGründungszeit mit den Themen Öko-logie und Anti-Atomkraft eine natür-liche Glaubwürdigkeit aufbauen konn-ten, gelingt das den Piraten gegenwärtigmit den Maximen ‚Partizipation‘ und‚Transparenz‘. Schließlich sind sie mitdiesen und durch diese Werte entstan-den. Die etablierten Parteien hingegenmüssen zunächst einen eigenen, eineninneren Wandel vollziehen, um demvon außen an sie herangetragenenWandel gerecht werden zu können. Die neuen „Bürgerdialoge“ der Bundes-kanzlerin und das SPD-Beteiligungs-projekt „Zukunftsdialog online“ sinderste, vorsichtige Schritte auf diesemWeg. Die Kunst wird hierbei vor allemdarin bestehen, den äußeren Anfor-derungen gerecht zu werden, ohnedabei die eigene Identität zu stark zuverwässern. Denn nur in der Werbungist die Kopie besser als das Original.

Wir möchten noch auf eine weitereHerausforderung für die repräsentati-ven Demokratien in Europa zu spre-chen kommen. Diese unterscheidet

sich in ihren Ursachen zwar funda-mental vom partizipativen Wandel, inihren Auswirkungen auf die Einstel-lung der Bürger zur Politik weist sieaber Ähnlichkeiten zu diesem auf. Mitder zunehmenden, durch die Euro- und Staatsschuldenkrise noch weiterbeschleunigten Integration der Euro-päischen Union geht unübersehbar aucheine Erosion nationalstaatlicher Souve-ränität einher. In den Mitgliedstaatender EU können politische Entschei-dungen von nationalen Parlamentenund Regierungen längst nicht mehrnur unter Berücksichtigung nationalerInteressen getroffen werden. Die natio-nalen Politiker müssen sich vielmehr anEU-Verträge halten, sie müssen dasWohl der Union im Hinterkopf habenund dieses gegebenenfalls gegen natio-nale Interessen abwägen.

Die EU macht es komplizierter

Hinzu kommt, dass immer mehr wichti-ge politische Entscheidungen nach Brüs-sel abwandern. Deshalb lautet die zweiteThese zum Zustand der repräsentativenDemokratie: Die Effizienz dieser Demo-kratieform wird in Europas National-staaten derzeit nicht nur von unten (denpartizipationsorientierten Bürgern), son-dern gleichzeitig von oben (durch dieStrukturen der EU) infrage gestellt. Eu-ropäische Politik wird immer wichtigerund gleichzeitig sehen sich die Men-schen ihr weitgehend ohnmächtig ausge-

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liefert. Empörung über diese empfunde-ne Ohnmacht entzündet sich gegenwär-tig vor allem an Fragen der Staatsschul-denkrise und Solidarität in der EU.

Wo der Sachzwang regiert

Wie geht man mit diesem europapoli-tisch bedingten Ohnmachtsgefühl um?Die Annahme, man könne die europä-ische Integration zugunsten nationalerBürgerinteressen wieder zurückdrehen,beruht auf einem falschen und gefährli-chen Nullsummenspiel. Es muss alsoandere Wege geben. Hier ist es lohnens-wert, einen kurzen Blick auf die Ver-ständlichkeit und die Sprache vonPolitik zu werfen: Mit einigen Aus-nahmen scheint es die Politik bis heutenicht gelernt zu haben, über öffentlicheAngelegenheiten klar, verständlich undgleichzeitig begeisterungsfähig zu spre-chen. Gerade auf dem Gebiet der EU-und Krisenpolitik können wir immerwieder den Versuch beobachten, kon-krete politische Entscheidungen mora-lisch zu überhöhen, sie für alternativlosund damit sakrosankt zu erklären.Verbunden mit einer oft allzu techni-schen Sprache („EFSF“, „ESM“,„Bankenlizenz für Rettungsschirm“,„No-bail-out-Klausel“ etc.), schafft dieseArt der Politikvermittlung bei denBürgern Unverständnis und Distanz.

„Sachzwang“ und „Alternativlosig-keit“, so schreibt der Politikwissen-schaftler Franz Walter, „waren in den

letzten zwei bis drei Jahrzehnten diemagischen Formeln einer vermeintlichillusionslosen Wirklichkeitspolitik“.Nirgendwo wird das so deutlich wie inder Euro-Krise. Dabei soll es hier nichtdarum gehen, politische Entscheidun-gen inhaltlich zu bewerten. Das Pro-blem liegt vielmehr auf der Vermitt-lungsebene: Eine Politik, die sichvornehmlich an abstrakten Sachzwän-gen (die Gunst der Finanzmärkte, dieReaktion der Euro-Nachbarn etc.) aus-richtet, ja ausrichten muss, vermitteltungewollt, dass sie an den konkretenInteressen der Menschen vorbei arbei-tet. Walter schreibt weiter: „Die Be-schränkung einzig auf das, was ist, hatder Politik ungeheuer an Spannung,Aura und Faszinationskraft genom-men. Hinterlassen wurde eine trostar-me Leere, in die gerade Menschen mitFantasie – Fantasie! – und Lust nicht(mehr) hinein wollen.“ Man muss denallzu romantischen Grundton Waltersgewiss nicht teilen, um seine Kern-aussage als richtig anzuerkennen.

Wenn die Apathie steigt

Fragen wir also nach der Zukunft derrepräsentativen Demokratie, so müssenwir – nicht nur, aber vor allem im Be-reich der EU-isierung nationaler Po-litik – feststellen, dass es eine zuneh-mende Lücke zwischen den subjektivenErwartungen der Bevölkerung und denobjektiven Erwartungen bzw. Zwängen

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der Politik gibt. Ähnlich wie die in der ersten These beschriebene Teil-habe-Lücke hat auch diese Erwartungs-Lücke Auswirkungen auf das Vertrauender Bürger in die repräsentative Demo-kratie. Beide Entwicklungen führentendenziell zu einem politischen Apa-thie- und Ohnmachtsgefühl, das wie-derum zwei Konsequenzen nach sichzieht: Zum einen wenden sich Bürgerresigniert von der repräsentativen De-mokratie ab und gehen nicht mehr zurWahl, zum anderen steigt der Unmutgegen das etablierte politische System.

Dieser Unmut lässt sich derzeit inEuropa in Analogie zu den beiden dar-gelegten Thesen beobachten: Bezogenauf die Teilhabeproblematik zeigt ersich, gegenwärtig vor allem in Deutsch-land, im Erfolg der Piratenpartei, die dieEntfremdung der Menschen mit derpolitischen Kaste gekonnt mit Visioneninternetbasierter Basisdemokratie ver-rührt. Bezogen auf das EU-bedingteOhnmachtsgefühl zeigt er sich, gegen-wärtig noch nicht in Deutschland, imErstarken populistischer und nationalis-tischer Parteien und Politiker fast überallin Europa. Auf beides werden sich dierepräsentativen Demokratien zukünftigeinzustellen haben.

Nur aufgebauscht?

Im Bezug auf die Wahrnehmung vonPolitik und repräsentativer Demokra-tie haben wir zwei Entwicklungen

dargelegt: den durch das Internetgewachsenen Teilhabeanspruch unddas besonders durch die abstrakteEuropapolitik hervorgerufene Ohn-machtsgefühl vieler Bürger. PolitischeAkteure neigen bei solch kritischenDiagnosen zur Selbstberuhigung unddem Abwehrreflex, die Dinge seienmedial aufgebauscht und in Wahrheithalb so dramatisch. Nach dem erstenErfolg der Piraten bei der BerlinerAbgeordnetenhauswahl im vergange-nen Herbst war diese Reaktion ausden unterschiedlichsten politischenLagern zu vernehmen.

Medienarbeit reicht nicht

Bei den beiden von uns beschriebenenPhänomenen handelt es sich aber we-der um rein subjektive Empfindungender Menschen noch um medial erzeug-te Gesellschafts-Gespenster. Vielmehrsind sowohl die Teilhabe-Lücke alsauch die Erwartungs-Lücke objektivvorhanden und in verschiedenstenKontexten unserer Gegenwart beob-achtbar. Deshalb ist der beliebte Ver-such, diesen kritisch fordernden gesell-schaftlichen Stimmungen allein mitpolitischer PR zu begegnen, sie kom-munikativ zu entkräften oder rheto-risch zu camouflieren, zum Scheiternverurteilt. Wenn eine Entwicklungmehr ist als ein reines Medienphäno-men, dann reicht es schlicht nicht aus,sie mit Medienarbeit und Kommuni-

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kation zu entkräften. Vielmehr musssich dann die politische Praxis denneuen Gegebenheiten der Zeit anpas-

sen. Alles andere wäre nicht nur Selbst-beruhigung, sondern vor allem eineSelbsttäuschung der Politik. �

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DR. THOMAS STEG

ist Journalist und Sozialwissenschaftler, war von 2002 bis 2009 stellvertretenderSprecher der Bundesregierung, ist Lehrbeauftragter am Institut für Kultur- und

Medienmanagement der Freien Universität Berlin und arbeitet bei einem großendeutschen Automobilunternehmen.

DANIEL WIXFORTH

hat Medienwissenschaft, Neuere und Neueste Geschichte sowie Kultur- undMedienmanagement studiert. Derzeit promoviert er an Freien Universität Berlin

über die Europäisierung zivilgesellschaftlich-politischer Öffentlichkeiten imInternet und arbeitet daneben als Kommunikationsberater.

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Anfang dieses Jahres war es soweit:Das älteste Filmstudio der Welt

wurde 100 Jahre alt. Das musste ersteinmal würdig gefeiert werden. DieBerlinale tat es, das Fernsehen tat es, dieZeitungen – von den Potsdamer Neues-ten Nachrichten, der Märkischen Allge-meinen über die Süddeutsche, Stern,Spiegel bis Hollywood-Reporter. Und na-türlich Studio Babelsberg selbst: mit einereindrucksvollen Veranstaltung in derhistorischen Marlene-Dietrich-Halle.Es wurde viel gesagt und viel geschrie-ben. Der Berliner Filmhistoriker HansHelmut Prinzler aber hatte es schon vor-ab auf den Punkt gebracht: „Babelsberg:das sind 2.000 Filme in 100 Jahren, dasist Phantasie, Handwerk, Geld, Politik,Kunst, Unterhaltung, Kino, Fernsehen,ein Ort deutscher Geschichte und inter-nationaler Filmgeschichte. Und wennam 12. Februar 2012 gefeiert wird, istder Filmpionier und Grundstücksent-decker Guido Seeber sicherlich dabei. Ersitzt in der Marlene-Dietrich-Halle aufWolke 7 und sagt leise Glückwunsch!“(Süddeutsche Zeitung 12.01.2012).

Der so oft beschworene „MythosBabelsberg hat sich seinen Weg gebahntdurch 100 bewegte Jahre, so MatthiasPlatzeck in seiner Rede zum Jubiläum:„Die Erfolgsgeschichte Babelsberg istvon schicksalhaften Umbrüchen geprägt– als Spiegelbild zwischen Kaiserreich,Weimarer Republik, Drittem Reich,DDR und wiedervereinigtem Deutsch-land. So unberechenbar die Launen desSchicksals auch sind, meistens meintensie es gut mit Babelsberg. So verdankenwir das legendäre ‚Glasatelier‘, das ersteFilmstudio der Welt, auch den strengenFeuerwehrbestimmungen im preußi-schen Berlin. Sonst wäre die Produk-tionsfirma ,Bioskop‘ wohl in ihremBerliner Studio geblieben … Und einMythos, der nicht nur cineastischeGlücksmomente beschert, sondern auchArbeitsplätze und Wachstum bringt,wird nicht so schnell verblassen.“

Die Feiern sind vorbei, der Alltag istwieder eingekehrt. Aber warum nichtdas Jubiläum zum Anlass nehmen, zufragen: Wie steht es mit dem „Medien-standort Brandenburg“, wohin geht die

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Mehr als Kino undFernsehen DER MEDIENSTANDORT BRANDENBURG HAT SOLIDE

ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN, DA MAG BERLIN NOCH SO SEXY SEIN

VON ERHARD THOMAS

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Reise, welche Perspektiven gibt es, undwo gibt es möglicherweise Handlungs-bedarf?

Der Medienstandort

Brandenburg, ein Land der Seen, derBraunkohle, der erneuerbaren Ener-gien … Ja! Aber auch ein Medienland?Brandenburg hat, soweit es die Film-und Fernsehwirtschaft betrifft – dasollte man sich nichts vormachen – nureinen wirklichen Medienstandort imStadtteil Potsdam-Babelsberg; mit denFilmateliers als Kern und dem Areal,das sich inzwischen als „Medienstadt“entwickelt und etabliert hat. Dazu ge-hören selbstverständlich auch der RBB,die UFA, das Filmorchester Babels-berg, der Filmpark und die „Parkstu-dios“ in Alt-Nowawes.

Der Standort grenzt direkt an Berlinund er profitiert unmittelbar von derNähe zu Berlin. Angefangen hat esbekanntlich mit Guido Seeber unddem ersten Glasatelier-Studio. An derStandortabhängigkeit zur Weltmetro-pole Berlin hat sich bis heute grund-sätzlich nichts geändert. Man kann esauch so sehen: Ohne die Anziehungs-kraft der Welt- und Kreativ-MetropoleBerlin direkt vor der Tür, wäre dieErfolgsgeschichte Babelsberg so nichtmöglich gewesen.

Von außen, vor allem aber durchdie internationale Brille betrachtet,wird Babelsberg gerne auch Berlin

zugeordnet. Dass dazwischen noch eineLändergrenze verläuft, ist außerhalbder Region oft nur schwer vermittelbarund führt bei Ansiedlungsbemühungenund im Fördergeschäft zu so mancherVerwirrung. Das Label „Babelsberg“ istheute gleichwohl ein „Juwel“. Wettbe-werber würden dafür viel Geld in dieHand nehmen, wenn sie ihn erwerbenkönnten.

Babelsberg lockt wieder Weltstarsund große Regisseure in die Region.Davon wiederum profitiert gerade undvor allem Berlin. Die „Rote-Teppich-Berichterstattung“ über Stars undSternchen (nicht nur während derBerlinale) findet weltweit in allen Me-dien immer ein großes Echo. EineWerbung für Berlin als Filmstadt, diepraktisch nichts kostet.

Mythos allein reicht nicht

Vom Mythos allein aber können dieFilmstudios Babelsberg und die Me-dienstadt nicht leben und die Zukunftdieses Medienstandortes in Branden-burg ist keineswegs ein Selbstläufer. Esist keineswegs immer sicher, dass eineausreichende Anzahl von großen inter-nationalen Kinoproduktionen nachBabelsberg geholt werden kann. Auchdieses Geschäft ist sehr konjunkturab-hängig.

Hinzu kommt: In den letzten zehnJahren hat sich die Medienwelt durchdas Internet und neue technische Ver-

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breitungswege radikaler verändert als inden fünf Jahrzehnten zuvor. Das be-trifft nicht nur Film und Fernsehen,sondern alle Bereiche, die mit Bewegt-bild und Tönen zu tun haben. Geradeangesichts dieser digitalen Umwälzun-gen im Internetzeitalter stellen sichauch für Brandenburg neue medienpo-litische Herausforderungen, die wieder-um neue Weichenstellungen erfordern,um im Standortwettbewerb auch inZukunft zu bestehen.

Der Standort

Der Medienstandort Potsdam-Babels-berg gründet auf einigen starken Säulen.Da ist zuerst: Das Kino. Das Herzstückist zweifelsohne das Studio Babelsberg.Mit seinen zusammenhängenden Ate-lierkomplexen ist es das größte dieserArt in Europa. Das Kerngeschäft ist dieProduktion von großen, meist interna-tionalen Kinofilmen, um das sich vielesandere rankt, und was am Ende denStandort prägt. Seit einiger Zeit hat sichdas Studio erfolgreich als Produktions-partner und Studiodienstleister positio-niert. Darüber hinaus ist es verstärkt alsKoproduzent und Filmfinanzierer beinationalen und internationalen Kino-produktionen tätig, wie bei Filmen wieInglourious Basterds, The Ghostwriteroder Anonymus.

Die Geschäftsführer Carl Woebckenund Christoph Fisser, die „BabelsbergBoys“, wie sie in der Branche hierzu-

lande durchaus anerkennend genanntwerden, haben es geschafft, die Film-studios national, international, vorallem aber auch bei dem großen Stu-dios in Hollywood wieder fest auf demRadarschirm zu etablieren. Dort sindsie inzwischen auch als die „BerlinBoys“ bestens bekannt.

Die Produktions-Truppe um Hen-ning Molfenter zählt zu den bestenFilmcrews der Welt. Das Art Depart-ment mit Michael Düwel und seinenschon zu Defa-Zeiten hochspezialisier-ten Kulissenbauern sucht ebenfallsweltweit ihresgleichen. Das sagen vorallem die, die diese Erfahrung gemachthaben, und die wissen, wovon sie re-den: Regisseure wie Roman Polanski,Quentin Tarantino, Roland Emmerichund viele andere mehr.

Diese Kompetenz im Kinofilmbe-reich ist auch ein entscheidenderStandortvorteil, zum Beispiel gegen-über den Filmstudios in Tschechien(Prag) oder Ungarn (Budapest). Dennnur so gelingt es, trotz der in Deutsch-land höheren Lohnkosten, im Wettbe-werb zu bestehen. Produzenten ent-scheiden sich nicht selten, trotz derhöheren Filmförderung oder Steuer-vergünstigungen in anderen Ländern,zugunsten der Kompetenz, die sie inBabelsberg finden.

Aber auch Studio Babelsberg musssich aktuellen Entwicklungen anpassen,um den Standort für die Zukunft zupositionieren. Das Projekt Medien-

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stadt II verdeutlicht den anstehendenEntwicklungs- und Handlungsbedarf.

Der jetzigen Atelierflächen reichennicht aus, um gleichzeitig zwei oderdrei größere Filmproduktionen paralleldurchzuführen, was aber für eine solideAuslastung unumgänglich ist. DieGeschäftsführung hatte deshalb aucheinmal ernsthaft ein Auge auf dieHallen des ehemaligen FlughafensTempelhof geworfen. Daraus wurdejedoch nichts. Aber demnächst stehenwieder Flugzeughangars leer, die sichals Filmhallen gut eignen: auf demdann stillgelegten FlughafengeländeBerlin-Tegel. Wegen des zusätzlichenFlächenbedarfs hatte das Studio schonvor ein paar Jahren leerstehende Fa-brikhallen eines ehemaligen Eisenbahn-bauwerkes gepachtet und ertüchtigt.

Eine zweite Medienstadt

Jetzt besteht eine reelle Chance, diesesacht Hektar große Gelände als „Medi-enstadt II“ (Arbeitstitel) zu entwickeln.Da ziehen die „Medieninvest Babels-berg GmbH“, die Stadt Potsdam, dasLand und auch das Studio glück-licherweise am selben Strang. Undwenn alles nach Plan läuft, könntenoch in diesem Jahr der symbolischeSpatenstich für die Erweiterung undden Ausbau des Medienstandorteserfolgen. Auf diesen Flächen wäre auchPlatz für eine neue „Berliner Straße“,eine Außenkulisse, die jedes große

Filmstudio braucht. Die jetzige Außen-kulisse, die nur eine temporäre Bauge-nehmigung hat, wurde in unzähligenFilmen genutzt und hat sich als sehrprofitabel erwiesen.

Auch der Bedarf an Räumlichkeitenmit erschwinglichen Mieten für kleine-re Unternehmen und Start Ups, diesich in Babelsberg ansiedeln wollen,könnte auf dem Gelände einer zukünf-tigen Medienstadt II zumindest teil-weise gedeckt werden. Büroraum zugünstigen Konditionen ist auf demHauptgelände derzeit Mangelware.

Das Studio Babelsberg muss sichebenfalls stärker als bisher auch auf dieneuen digitalen Produktionsformeneinstellen. Große internationale Filmewurden zwar hier gedreht. Die „VisualEffects“ und die digitale Endfertigungerfolgte oft in London oder den USA.Dieses Geschäftsfeld gilt es zügig aus-zubauen und in der Medienstadt zuetablieren. Bei der Produktion vonRoland Emmerichs Shakespeare-Film„Anonymus“ ist ein erster Probelaufbestens gelungen. Durch die Hinzu-ziehung von Animations- und Compu-terspezialisten aus Los Angeles konntedas Mittelalterspektakel vollständig inBabelsberg produziert werden.

Eine zweite starke Säule am Stand-ort ist die UFA, der größte europäischeFernsehproduzent. Rund 280 feste Mit-arbeiter beschäftigt das Unternehmenin Babelsberg. Die meisten davon lebenin Berlin und arbeiten in Potsdam.

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Szenarien für eine Sitzverlegung undfür einen möglichen Umzug der Firmanach Berlin sind aber glücklicherweisevom Tisch. Die UFA bleibt in Babels-berg. In den Fernsehstudios produziertdie Tochter UFA Grundy seit vielenJahren erfolgreich tägliche Fernseh-serien. Die bekannteste: „GZSZ –Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ fürRTL. Für das ZDF entsteht zurzeiteine weitere Telenovela: „Wege zumGlück – Spuren im Sand“, die im Mai2012 auf Sendung geht.

Am Strand in Babelsberg

Jede solche Produktion beschäftigtallein rund 150 Mitarbeiter am Stand-ort. Und nicht nur das. Um im Wett-bewerb zu bestehen, schafft es die UFAoft, gleichzeitig auch innovative Pro-duktionstechniken zu entwickeln undeinzusetzen. Das aktuellste Beispiel:Stargate Studios. Die Firma aus LosAngeles hat kürzlich ihre Filiale fürEuropa in Babelsberg gegründet und fürrund 1,5 Millionen Euro ein sogenann-tes digitales Greenscreen-Studio ein-gerichtet. Ufa Grundy hat sich mitStargate zusammengetan, um die ZDF-Telenovela mit dieser neuesten Holly-wood-Technik zu produzieren.

Das bedeutet: Es wird in Babelsberggedreht, obwohl die Serie an der Ost-see spielt. Die Schauspieler agieren amSet im Studio, aber alle benötigtenHintergründe, ob Strand, Meer oder

Sonnenuntergänge, können digital undquasi live beim Drehen eingefügt wer-den. So entstehen jetzt täglich zunächstsendefertige 45-Minuten-Folgen undweil nur ein Drehort benötigt wird,können sie sehr viel kostengünstiger,und dennoch den erforderlichen Qua-litätsstandards genügend, hergestelltwerden.

Eine digitale Technik, die nicht nurdie industrielle Serienproduktion starkverändern wird, sondern bald auch invielen anderen Bereichen der Film- undFernsehproduktion ihre Anwendungfinden dürfte. Deshalb hat auch Stu-dio Babelsberg ein Auge auf StargateGreensreeen Studio geworfen und ver-handelt über eine weitere Standortpo-sitionierung des Unternehmens.

Erfahrung bei Finanzierungen

Die Parkstudios in Alt-Nowawes stehenoft im Schatten des großen FilmstudiosStudio Babelsberg. Das ist nicht ge-recht. Zu DDR-Zeiten residierte dortdas Dokumentarfilmstudio der DDR.Die Privatisierung nach der Wendegestaltete sich lange Zeit schwierig. BisJörg Weiland und seine Video Companydas denkmalgeschützte Areal übernah-men, mit Herzblut und großem persön-lichem Engagement wieder herrichte-ten und modernisierten.

Seitdem wurden immer wieder lang-laufende Telenovelas wie „Anna unddie Liebe“ und Fernsehserien produziert.

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Producers at Work, eine Tochterfirmavon ProSiebenSat.1 Media, hatte sichdie Parkstudios als Sitz und Produk-tionsstandort auserkoren. Als Fernseh-dienstleister sind die Parkstudios auchüber die Region hinaus gefragt underfolgreich im Geschäft, sogar in derFernsehproduktions-Hochburg Köln.

Die ILB, die Investitionsbank desLandes Brandenburg, gehört ebenfallszu den tragenden Säulen des Medien-standortes Brandenburg. Klaus Lichtund seine Mitstreiter haben die Ent-wicklung von Anfang an maßgeblichund mit großem Engagement vorange-trieben. Die Bank verwaltet zudemtreuhänderisch den Film - und Me-dienförderfonds der Länder Berlin undBrandenburg. Ob Studio Babelsberg,die UFA, Film-und Fernsehprodu-zenten aus der Region oder kleinereUnternehmen, sie alle hatten undhaben in der ILB einen verlässlichenAnsprechpartner, wenn es um dieFörderung und Finanzierung vonVorhaben und Projekten geht.

Ausbildung ist gefragt

Für Unternehmen der digitalen Me-dien stehen Zuschuss- oder Risikoka-pitalprogramme bereit. Für größereFilmprojekte gibt es die sogenannteGap-Finanzierung mit einem Volumenvon 5 Millionen Euro. Besonders er-folgreich und begehrt sind die Dar-lehens-Angebote zur Zwischenfinan-

zierung von Film- und Fernsehproduk-tionen, die die ILB anbietet. Darlehenmit einem Volumen von über 100 Mil-lionen Euro wurden so seit 2005 ausge-reicht. Keine andere Bank in Deutsch-land bietet das an. Entweder manscheut das Risiko oder – und das istwahrscheinlicher – es fehlt fast allen anKnow How oder an der Branchen-kenntnis, die sich die BrandenburgerLandesbank in über 15 Jahren erarbei-tet hat. Was die Kompetenz in derFilm- und Medienfinanzierung betrifft,ist die ILB bundesweit führend, unddarauf kann sie stolz sein.

Ausbildung und Medienkompetenzsind eine weitere tragende Säule undein Bereich, der ebenfalls den Standortprägt. Dazu gehören: die Hochschulefür Film und Fernsehen Konrad Wolf(HFF), die Kinderfilmuniversität Ba-belsberg, das Filmgymnasium, dieElectronik Media School (EMS), dasErich-Pommer-Institut, das FilmhausBabelsberg, das Hasso-Plattner-Institut,die HPI School of Design Thinking,das Medieninnovationszentrum (MIZ).Und diese Aufzählung ist nicht einmalvollständig.

Ein breites Aus-und Fortbilungsan-gebot, konzentriert an einem Ort, dases andernorts so nicht gibt, ist ein tra-gendes Fundament für die Zukunfts-fähigkeit des Standortes. Die neuestenFortbildungsangebote für Berufsfelderder Film-und Fernsehbranche bietetdas „Filmhaus Babelsberg“: Lehrgänge

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für Regie- oder Kameraassistent, überProduktionsleiter oder Aufnahmeleiter,den Fictionproducer bis hin zur Auto-renwerkstadt. Es sind Ausbildungs-gänge, wie sie bei einem Studium aneiner Filmhochschule nicht angebotenwerden, deren Qualitätsstandard aberdurch eine abschließende IHK-Prüfunggesichert ist.

Neue Aufgaben

Das Filmhaus Babelsberg hat längstauch auf die unaufhaltsame Digitali-sierung der Produktionsprozesse rea-giert. Kein Fernsehfilm wird heutenoch auf herkömmlichem Filmmaterialgedreht. Die 6-monatigen Vollzeitlehr-gänge mit digitaler Ausrichtung in denBereichen „Kamera“ und „Schnitt“sind deshalb besonders begehrt. AbSeptember 2012 startet, in engerAbstimmung mit den Produktions-firmen vor Ort, der Lehrgang „Film-und Fernseheditor“ mit einem Schwer-punkt für die Nachbearbeitung vondigital hergestelltem Filmmaterial.Diese sehr praxisnahe Ausbildung istein nicht zu unterschätzender Stand-ortfaktor und sollte deshalb weiter aus-gebaut werden.

Seit 1990 gibt es (wieder) das LandBrandenburg und mittendrin das neueLand Berlin. Es war sicher klug undweise, die nach der Wende anstehen-den Medien- und Strukturfragen ge-meinsam mit Berlin zu regeln und

staatsvertraglich unter ein gemeinsamesDach zu packen. Das betrafen – nebender späteren Zusammenführung vonORB und SFB – vor allem

� die Gründung der MABB, der Me-dienanstalt Berlin-Brandenburg, mitSitz in Berlin, finanziert mit dem 2-Prozent-Anteil aus den Rundfunk-gebühren.

� die Gründung des „FilmboardsBerlin-Brandenburg“, später erwei-tert zum „Medienboard Berlin-Bran-denburg“ mit Sitz in Brandenburg,finanziert aus den Haushalten derbeiden Länder.

Beide Einrichtungen, da dürftekaum jemand widersprechen, habenihre Erfolgsgeschichte.

Die Medienanstalt Berlin-Branden-burg (MABB) war die erste Zweilän-der-Medienanstalt. Auch der Medien-rat mit nur sieben Mitgliedern, je dreiVertreter aus Berlin und Brandenburgund ein gemeinsamer Vorsitzenderoder eine Vorsitzende, hatte damalsModellcharakter. Die Aufsichtsgre-mien in den Medienanstalten der an-deren Bundesländer waren in der Re-gel sehr viel größer.

2013 steht im Landtag Brandenburgund im Berliner Abgeordnetenhaus dieNeuwahl des Medienrates an. Auch einneuer Direktor muss gefunden werden.Der geltende Staatsvertrag sieht vor,dass der/die Vorsitzende des Medien-

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rates, wie auch der Direktor der An-stalt, Juristen sein müssen mit derBefähigung zum Richteramt. Dasmachte Sinn, als die Ausschreibungund Vergabe von Sendefrequenzen unddie Regulierung des Rundfunks nochdie Kernaufgabe der Landesmedien-anstalten darstellte. Doch die Verbrei-tungsengpässe der analogen Welt sindweitestgehend überwunden. Die Me-dienanstalten, aber auch die Medien-politik, stehen heute vor ganz neuenAufgaben und Herausforderungen. Die neuen Mediennutzungsformen des Internets bedürfen der Regulie-rung, national, wie auch auf europä-ischer Ebene, und sie erfordern neuemedienpolitische Leitplanken.

Deshalb sollte die Frage auf denPrüfstand: Ist diese staatvertraglicheFestlegung noch zeitgemäß? Sind in der Führung nicht eher professio-nelle Medienmanager mit praktischen Erfahrungen in der Netzwelt gefragt?Juristische Kompetenz kann ja, wennbenötigt, jederzeit hinzugezogen werden.

Kein rausgeschmissenes Geld

Dass Filmförderung kein rausgeschmis-senes Geld ist, sondern sinnvolle Wirt-schaftsförderung in einer Branche, diein der Hauptstadtregion besondersstark vertreten ist, das war bei man-chen Abgeordneten oder politischVerantwortlichen nicht immer leicht

zu vermitteln. Heute sprechen dieFakten für sich. Im letzten Jahr zumBeispiel betrug der sogenannte Regio-naleffekt ca. 400 Prozent. Das heißt:Jeder Euro, der in die Filmförderunggesteckt wurde, hat in der Region vier-mal so viel wirtschaftlichen Umsatzgeneriert. Über hundert Millionen alsoim Jahre 2011. Dennoch stellt sichangesichts der rasanten digitalen Ver-änderungsprozesse in der Medien-branche die Frage: Sind die jetzigenFörderrichtlinien im MedienboardBerlin-Brandenburg noch nahe genugan der Realität? Stimmt die Gewich-tung noch, angesichts der Umbrüche,die die digitalen Transformationspro-zesse auch für diese Branche mit sichbringen?

Medienpolitik ist Standortpolitik

Zurzeit gehen knapp 25 MillionenEuro in die klassische Film- und Ver-leihförderung. Für die Förderung inno-vativer digitaler audiovisueller Inhalteund Projektentwickler stehen jedochnur eine Million Euro zu Verfügung.Auch in der Standortförderung miteinem Etat von 3,5 Millionen ist dawenig Spielraum, denn diese Mittelwerden wiederum überwiegend fürfilmbezogene Bereiche ausgegeben, für die Berlinale, andere Filmfestivals,Filmpreisverleihungen oder Film-wochen. Hier besteht medienpoli-tischer Handlungsbedarf.

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Medienpolitik, das ist keine neueErkenntnis, ist gleichzeitig immer auchStandortpolitik. Es geht dabei vor al-lem um die Arbeitsplätze der Zukunft.Brandenburg sei derzeit aber eher„medienpolitische Wüste“, meintekürzlich ein hochrangiger SPD-Me-dienpolitiker. Das ist natürlich maßlosüberzogen. Dennoch: Medienpolitiksteht zurzeit in Brandenburg auf derAgenda nicht sehr weit oben. Da wirdeher verwaltet, als gestaltet.

Ein Patentrezept oder eine ausgefeilteStandortstrategie für den Medienstand-ort Brandenburg kann und wird ange-sichts des rasanten digitalen Wandelsderzeit auch niemand erwarten. Abermögliche Handlungsfelder und Schwer-punkte für den Bereich Film- und Me-dienwirtschaft sind aus meiner Sicht:

� Medienstadt und Infrastruktur,� Förder- und Finanzierungsmodelle

und � eine digitale Standortstrategie.

INFRASTRUKTUR. Die Bezeichnung„Medienstadt“ ist eher eine Mogel-packung und wird der Realität nichtwirklich gerecht. Von urbanen Struk-turen oder urbanem Leben kann jeden-falls nicht Rede sein. Die fehlendeInfrastruktur am Standort ist ein The-ma, das seit Jahren die Gemüter bewegt.Zuletzt auch wieder bei den Befragun-gen, die das Netzwerk „media.connectBrandenburg“ Ende 2011 bei den rund

hundert in Babelsberg ansässigen Fir-men durchgeführt hat.

Zu wenig öffentliche Verkehrsmit-tel, wenig und schlechte Gastronomie,kein Supermarkt, kein Kiosk, keineFirmenwegweiser, zu wenig Kommu-nikation untereinander, schlechteVernetzung der Firmen am Ort … –dieses Klagelied ist nicht neu. ÜberNacht sind solche Defizite auch nicht zuändern. Das bleibt eine Dauerbaustelle.

Etwas Abhilfe schaffen kann da dieEtablierung eines/einer Standortbeauf-tragten oder Standortmanagers; eineAnlaufstelle für die Firmen am Stand-ort, die für eine bessere Vernetzungsorgen kann, aber auch eine Art „HotSpot“ für Kommunikation und Ver-marktung. Eine solche Einrichtungkönnte auch das oft geforderte bessere„Wir-Gefühl“ stärken. Dieser Vor-schlag wird auf Initiative der StadtPotsdam gerade umgesetzt. Mit imBoot sind die „ZukunftsAgentur Bran-denburg“ (ZAB) und „media.netBerlin-Brandenburg“.

Neue digitale Welt

Das Medieninnovationszentrum, dasvor kurzem von der MedienanstaltBerlin-Brandenburg (MABB) in Ba-belsberg gebaut wurde, hat inzwischenFahrt aufgenommen. Schwerpunkt istdie Entwicklung innovativer digitalerFormate für Fernsehen und Radio.Unter dem gleichen Dach agieren auch

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das „Filmhaus Babelsberg“ und„media.connect Brandenburg“. DemGRW-geförderten Unternehmensnetz-werk „media.connect“ ist es in sehrkurzer Zeit gelungen, dem Standortfrisches Leben einzuhauchen. Regel-mäße Firmentreffen, Veranstaltungs-reihen wie „Film meets IT“, die In-formationszeitung „MedienstadtKompakt“, die Vernetzungs- undKommunikationsaktivitäten – das alles trägt spürbar zu einem positivenStimmungswandel und zur stärkerenProfilbildung am Standort bei.

Schnelle Reaktionen

FÖRDER-UND FINANZIERUNGSINSTRU-

MENTE. Die Filmförderung funktioniert,die bisherigen Unterstützungsprogram-me und Finanzierungsinstrumentariendes Landes, der ZAB und der ILB grei-fen. Aber reichen sie angesichts der digi-talen Zeitenwende noch aus, zumal dieFördertöpfe schon jetzt nicht mehr vielhergeben?

Die Stärke von Brandenburg undinsbesondere die der ILB war immer,sehr zügig auf veränderte Situationenoder Bedarfe zu reagieren. Eine Hand-voll engagierter Mitstreiter in allenBereichen und kurze Kommunika-tionswege machten es möglich. Aucham Zustandekommen des „DeutschenFilm-Förderfonds“ (DFF), auch „Neu-mann-Fonds“ genannt, war Branden-burg maßgeblich beteiligt. Der war

und ist vor allem für Studio Babelsbergvon großer Bedeutung für die Anwer-bung großer internationaler Filmpro-duktionen.

In der Diskussion ist derzeit dieBereitstellung von Wagniskapital fürden IKT- und Medienbereich. Damitkönnten innovative Geschäftsideen vonFirmen in der Startphase unterstütztwerden. Im größeren Maßstab und mitErfolg praktiziert dies bekanntlich„Hasso-Plattner-Ventures“. Von den22 Startup-Firmen, die mit Wagnis-kapital zum Fliegen gebracht wurden,sitzen heute elf in Potsdam und Berlin.Zudem ist der „Frühphasenfonds“Brandenburg zu erwähnen, der sich anjunge, innovative und kleine Unter-nehmen im Land Brandenburg richtet.Der Fonds hat das Ziel, die Liquiditätund Eigenkapitalbasis dieser Unter-nehmen in der Frühphase zu stärken.Mittlerweile sind bereits 11 Beteiligun-gen zustande gekommen.

Zukunftsfonds für Babelsberg

Auf dem Tisch liegt auch ein Diskus-sionsvorschlag für einen „Zukunfts-fonds Brandenburg“ mit einem Vo-lumen von bis zu 10 Millionen Euro,das zu je 50 Prozent durch das LandBrandenburg und UFA/Bertelsmannaufgebracht würde. Mit dem Fondssollen „programmliche und produkti-onstechnische Innovationen im Bereichdigitaler Medienproduktion am Stand-

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ort Babelsberg“ befördert und begleitetwerden. Das ist sicherlich die richtigeRichtung, in die jetzt gedacht werdenmuss. Auch in puncto Standortförde-rung ist angesichts der fast leeren För-dertöpfe besonders viel Phantasie ge-fragt. Jetzt müssen die Finanzstrategenan die Front.

Aufbruch an Spree und Havel

DIGITALE STANDORTSTRATEGIE. Die der-zeitige Anziehungskraft der Hauptstadt-region auf die digitale Kreativszene istfast atemberaubend, zumindest bein-druckend. Vom „Aufbruch an derSpree“ ist da die Rede. 10.000 Web-Jobs seien in den letzten Jahren hierentstanden, heißt es in der Branche.Viele der meist noch jungen Firmenwollen Großes: neue „social networks“wie Facebook kreieren oder weitereSuchmaschinen à la Google bastelnoder Geschäftsmodelle für neue Inter-net-Dienstleistungsportale entwickeln.Berlin sei auf bestem Wege, berichteteder Focus kürzlich, zur Kreativ-Haupt-stadt der Internet-Szene und zu einer„globalen Internet-Metropole“ zu wer-den.

Im Firmennetzwerk media.net solljetzt – zusammen mit dem Medien-board – ein „Masterplan für die Inter-netmetropole Berlin-Brandenburg“erarbeitet werden, mit zwei Schwer-punkten: Vernetzung von Branche undPolitik und als Ergänzung zu den

bestehenden Förderprogrammen dieGewinnung von Risikokapitalgebern.Was aber lässt sich davon für den Me-dienstandort Brandenburg auskoppeln?

Die Startup-Firmen-Szene, wie siein Kreuzberg oder Mitte, in Hinter-höfen, Lofts oder hinter „Eingängenmit provisorisch aufgeklebten Klin-gelschildern“ existiert, wird man nichtnach Babelsberg locken können, dafehlt das Umfeld, da fehlt die „Szene“.Der Standort Babelsberg wird wesent-lich geprägt durch Film- und Fernseh-produktionen. Folglich liegt es auf derHand, sich auf die digitalen Entwick-lungen in diesem Sektor zu konzentrie-ren, auf alles, was mit digitaler Bewegt-bild-Produktion zu tun hat: vomgesamten Herstellungsprozess, über„Visual Effects“, die Postproduktion,bis zur Digitalisierung von Filmarchi-ven. Die Ansiedlung von StargateStudio ist dafür beispielhaft und sichereiner der vielen wichtigen Bausteine,die der Standort für seine digitale Zu-kunft braucht.

Wie Filme ins Internet kommen

Eine ganze Reihe anderer erfolgverspre-chender digitaler Projekte sind auchbereits auf dem Radarschirm. Dazugehört das Vorhaben der „transfer-media gGmbH“: eine „D-Werft“, einZentrum für digitales Bewegtbild, zuentwickeln. Eine Plattform für Unter-nehmen und Institutionen, die ein

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starkes Netzwerk verbindet. DerGrundgedanke dahinter ist, dass tra-dierte Geschäftsmodelle an den Trans-formationsprozess angepasst werdensollen, um neue Geschäftsmodelle zugenerieren und somit die Unterneh-men nachhaltig am Markt zu positio-nieren. Oder die Entwicklung einerdigitalen Suchmaschine für Film-archive jeglicher Art. Darin ist auchdas Hasso-Plattner-Institut für Soft-ware-Entwicklung involviert.

Ein Konzept für eine „Video onDemand“-Bibliothek für Kinofilmeliegt ebenfalls auf dem Tisch. 8.000deutsche Kinofilme schlummern inArchiven, nur rund 200 davon sindderzeit legal über Internet abrufbar.Jetzt sind taugliche Geschäftsmodellegefragt. Denn da liegen die Märkte der Zukunft.

Stärken stärken

Die digitale Gegenwart ist aber auchschon sehr erfreulich. Zahlreiche Fir-men, die sich in Babelsberg angesiedelthaben, sind in den digitalen Produk-tionsfeldern bereits sehr erfolgreichunterwegs: wie telefactory Babelsberg,exozet effects GmbH, micro movie,3QMedien oder 45info um nur einigedavon zu nennen.

Erforderlich wäre es, aus dem, wasam Standort bereits existiert und dem,was sich für die zukünftige Entwick-lung abzeichnet, eine digitale Stand-

ortstrategie zu entwickeln, mit me-dienpolitischen Leitplanken, die mög-lichst sicher zum Ziel führen. Stand-ortbezogene Workshops, Arbeitskreiseoder Runde Tische, bei denen allemaßgeblichen Player aus der Brancheund der Politik vertreten sind, könntentaugliche Instrumente sein, um Kon-zepte zu entwickeln und sie auf denWeg zu bringen. „Stärken stärken“,dieses Motto kann auch für Babelsbergals Maxime dienen.

Schnelle Leitungen fehlen

Ein gravierendes Hindernis muss dafürallerdings noch aus dem Weg geräumtwerden. Der Medienstandort verfügtderzeit über keine ausreichende Da-tenleitungsstruktur, bzw. ausreichendeBreitbandkapazitäten. „Das Volumenan Daten, das in Babelsberg produziertwird, wird kontinuierlich steigen. DiesesVolumen muss gespeichert und trans-portiert werden… Die Herstellung einerheute und zukünftig notwendigen tech-nologischen Infrastruktur in den Be-reichen Datenleitung und Speicherungist einer der unverzichtbaren Bausteine,um den Medienstandort PotsdamBabelsberg im Medienbereich wettbe-werbsfähig zu halten.“ So steht es ineiner Adhoc-Studie, die die “transferme-dia gGmbH“ kürzlich durchgeführt hat.In dieser Studie wurden „die infrastruk-turellen Anforderungen an den Medien-standort im Zeitalter der Digitalisie-

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rung“ erstmals genauer unter die Lupegenommen. Inzwischen zeichnen sichjedoch machbare Lösungen ab, die esermöglichen den „Standort in das Zeit-alter der digitalen Medienproduktion zuüberführen.“ Ein Fazit in aller Kürze:

Der Medienstandort Brandenburg hatsolide Entwicklungsperspektiven. Damag Berlin noch so sexy sein. Und infünf Jahren darf am TraditionsstandortBabelsberg wieder gefeiert werden:Dann wird die UFA 100 Jahre alt. �

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ERHARD THOMAS

war von 1990 bis 2004 Regierungssprecher des Landes Brandenburg und von 2004 bis 2009 Beauftragter des Landes Brandenburg

für Medienwirtschaft und Medienpolitik.

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impressum

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� SPD-Landesverband Brandenburg� Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie

in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.V.

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Klaus Ness (V.i.S.d.P.), Thomas Kralinski (Chefredakteur), Ingo Decker, Dr. Tobias Dürr, Klaus Faber,Tina Fischer, Klara Geywitz, Lars Krumrey, Christian Maaß, Till Meyer, Dr. Manja Orlowski, John Siegel

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Wie werden wir im 21. Jahrhundert leben? Die alten Lösungen taugen nicht mehr, die neuen

kommen nicht von selbst. Die Berliner Republik ist der Ort für die wichtigen Debatten unserer

Zeit: progressiv, neugierig, undogmatisch. Weil jede Zeit ihre eigenen Antworten braucht.

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Seit 1997 erscheint „perspektive 21 – Brandenburgische Hefte für Wissenschaft & Politik“.

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Einzelne Exemplare von bisher erschienenen Ausgaben schicken wir Ihnen gerne auchauf Wunsch kostenlos zu. Senden sie uns bitte eine E-Mail an [email protected].

Zur Zeit sind folgende Titel lieferbar:

Heft 17 Ende der Nachwendezeit. PDS am Ende?

Heft 18 Der Osten und die BerlinerRepublik

Heft 19 Trampolin oder Hängematte? Heft 20 Der Letzte macht

das Licht aus?Heft 21/22 Entscheidung im Osten:

Innovation oder Niedriglohn?Heft 23 Kinder? Kinder!Heft 24 Von Finnland lernen?!Heft 25 Erneuerung aus eigner KraftHeft 26 Ohne Moos nix los?Heft 27 Was nun Deutschland?Heft 28 Die neue SPDHeft 29 Zukunft: WissenHeft 30 Chancen für RegionenHeft 31 Investitionen in KöpfeHeft 32 Auf dem Weg ins 21.Jahrhundert

Heft 33 Der Vorsorgende SozialstaatHeft 34 Brandenburg in BewegungHeft 35 10 Jahre Perspektive 21Heft 36 Den Rechten keine ChanceHeft 37 Energie und KlimaHeft 38 Das rote PreußenHeft 39 Osteuropa und wirHeft 40 Bildung für alleHeft 41 Eine neue Wirtschaftsordnung?Heft 42 1989 - 2009Heft 43 20 Jahre SDPHeft 44 Gemeinsinn und ErneuerungHeft 45 Neue ChancenHeft 46 Zwanzig Jahre BrandenburgHeft 47 It’s the economy, stupid?Heft 48 Wie wollen wir leben?Heft 49 Geschichte, die nicht vergehtHeft 50 Engagement wagenHeft 51 Die Zukunft der Kommunen