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Studierendenmagazin der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen pflichtlektüre 012010 www.pflichtlektuere.com Ruhr.2010? Wir haben den Plan! Was ihr von der Kulturhauptstadt sehen müsst Ich sehe was, was du nicht siehst Michael Jack lebt mit einer neurologischen Besonderheit. Er ist hochsensibel. Der Mann hinter den Protokollen Jeder Biochemiker kennt Sven Enterlein – mittlerweile auch die Dozenten. A170_01

Pflichtlektuere Bochum 01-2010

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Die neueste Ausgabe der Pflichtlektüre für Bochum.

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Page 1: Pflichtlektuere Bochum 01-2010

Studierendenmagazin der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen

pflichtlektüre012010 www.pflichtlektuere.com

Ruhr.2010? Wir haben den Plan! Was ihr von der Kulturhauptstadt sehen müsst

Ich sehe was, was du nicht siehst Michael Jack lebt mit einer neurologischen Besonderheit. Er ist hochsensibel.

Der Mann hinter den ProtokollenJeder Biochemiker kennt Sven Enterlein – mittlerweile auch die Dozenten.

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S02 VOR-SPIEL A367_02

WAs geht

Neulich iN DeutschlAND

WisseNs-Wert

Mehr Kunst im Ruhrgebiet - am 30. Januar eröffnet das „Museum Folkwang“ in Essen. Das Museum wurde bereits 1902 in Hagen ge-

gründet. Es war wegweisend für mo-derne Kunst in Deutschland und zeigte Werke von Künstlern wie Gauguin, van Gogh und Matisse. Im Zweiten Welt-krieg wurden jedoch das Museum, und somit auch viele Kunstwerke zerstört.

2010 startet das Museum Folkwang einen Neuanfang in Essen. Neben den Ausstellungsbereichen findet man dort eine Bibliothek, einen Lesesaal und einen Multifunktionssaal für Vor-träge und Veranstaltungen. Ziel ist es, an die damalige Kunst anzuknüpfen und sie weiterzuentwickeln. Ab Januar gibt es dann Ausstellungen zu Berei-

chen wie Fotografie, Zeichnung und Videokunst.

Übrigens:„Folkwang“ ist abgeleitet vom Begriff „Folkvangar“ und heißt „Volkshalle“. Im altnordischen Versepos Edda steht der Begriff für den Palast der Göttin Freya. Genug verwirrt? Dann macht euch am besten ein eigenes Bild!

Der Standardeintritt kostet 5€, er-mäßigt 3,50€. Sonderausstellungen könnten jedoch etwas teurer werden. Mehr Infos gibt’s auf www.museum-folkwang.de

brin/foto: pixelio/Asonnenschein

geldbörse verloren? Normaler-weise macht man sich in die-sem Fall keine großen Hoff-nungen, das gute Stück jemals zurückzubekommen. Laut ei-

ner britischen Studie kann man jedoch die Chancen auf ein Wiedersehen erhö-hen, und zwar durch – Babyfotos.

Für die Studie haben Forscher 240 Geld-börsen in ganz Edinburgh „vergessen“. Eine Woche später übrprüften sie, wie viele zurückgegeben wurden. Die Port-monnees enthielten kein Bargeld, dafür aber typische Gegenstände wie Lotte-riescheine und Mitgliedskarten – und eben Fotos: entweder von Babys oder von Hundewelpen, Familien oder älte-ren Paaren.

Insgesamt fanden 42 Prozent der Börsen den Weg zurück zu ihrem Besitzer, von denen mit Babyfotos sogar 87 Prozent. Solche, die Fotos von Welpen, Familien oder einem Paar enthielten, schnitten deutlich schlechter ab. Laut Studienleiter Richard Wiseman von der Hertfordshire University riefen die Babyfotos bei den Findern fürsorgliche Gefühle hervor, die sie dazu brachten, die Portmonnees zu-rückzugeben. Wer also zu allgemeiner Schusseligkeit neigt und schon öfter seinen Geldbeutel verloren hat, sollte sich das süßeste verfügbare Babyfoto schnappen, es an prominenter Stelle in die Börse stecken und an den Beschüt-zerinstinkt des Finders appellieren. Viel-leicht klappt‘s ja.

jsb/foto: nm

Als ich zum ersten Mal nach Deutschland kam, hatte ich gewisse Erwartungen. Pünktlichkeit und Ordent-lichkeit gelten bei uns in Po-

len als typisch deutsche Eigenschaften. Zudem fürchtete ich mich vor fettigem Essen: so viel Fleisch - immer Wurst und Döner, ein wirklich deutsches Ge-richt, nicht wahr? Ich dachte auch, ver-kochtes Gemüse und schlecht schme-ckendes Bier zu bekommen.

Schnell stellte sich heraus, dass nicht jedes Vorurteil die Wahrheit ist. Die Küche hier bekommt mir ziemlich gut. Auch wenn ich mich nach Mut-tis Essen sehne. Außerdem gibt es in Deutschland eine Vielfalt an Gerichten aus aller Welt. Beim Bier war ich beson-ders überrascht. Ihm fehlt es an nichts.

(Gott sei Dank habe ich im Ruhrgebiet keine polnischen Bekannten, die das hier lesen. Wir sind nämlich sehr stolz auf unsere polnischen Biermarken.)

Noch eine Sache gefällt mir in Deutsch-land: Umweltschutz ist selbstverständ-lich. Es gibt nicht in ganz Europa Pfand auf Flaschen. Deshalb warf ich sie zu Beginn meines Aufenthalts alle in den Müll. Wie sehr ich mich über die Preise aufregte! Mit Pfand erschien mir Mi-neralwasser so teuer.

Nach diesen Erfahrungen kann ich ein polnisches Sprichwort besser verste-hen. Es lautet: Reisen macht klüger.

Agata Sliwinska kommt aus Polen und studiert ein Semester Journalistik in Dortmund. foto:nm

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START-BLOCK S03

S08

Können Tauben Kultur schaffen?

HERZ-STÜCK diesmal

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Zur Ausgabe

Das Titelbild der pfl ichtlektüre produzieren wir immer mit besonderer Sorgfalt. Studenten erarbeiten Ideen, verwerfen sie wieder, probieren aus, lernen die Tech-nik - und am Ende kommt ein Bild heraus.

Technik und Inhalt werden aber spätestens dann zur Neben-sache, wenn es darum geht: Wer ist diesmal unser Model? Wessen Gesicht kommt auf den Titel? Blicke senken sich jäh zu Boden, alle täuschen mit gleichgültiger Miene Unsichtbarkeit vor.

Nach einigen "Bitte nicht!" und "Och nee!" traf es diesmal Nadine, unsere Fotoredakteurin. Statt hinter stand sie für diese Ausgabe vor der Kamera. Als das Bild aufgenommen war, gräm-te sie sich allerdings: "Ich habe keine Haare auf dem Foto!"

Die Redaktion befand zwar: "Du siehst toll aus!" - und stimmte freudig "Du hast die Haare schön!" an. Doch Nadine ist nicht überzeugt. Wir bitten deshalb um Zuspruch an pfl [email protected].

Die nächste pfl ichtlektüre (und letzte des Wintersemesters) er-scheint am 2. Februar. Bis dahin viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!

BOCHUM

S04 … Darfur: Ein zu wenig beachteter Völkermord wird erforscht

HERZ-STÜCK

S11 … Du bist Deutschland, wir sind Kulturgebiet: Ausgewähltes zur Ruhr.2010.

RUHR-BLICK

S13 … Michael Jacks Gehirn nimmt anders wahr: Oft stresst ihn das.

DIENST-BAR

S14 … Auf Leinwand und Papier: Fiktion von Seelen und Unsichtbaren.

Lust aufLuftfahrt?

Hochfliegende Erwartungen? Vom Studium nicht erfüllt?Wenn ein Hochschul-Abschluss Sie nicht mehr länger überzeugt. Sie aber den-noch hoch motiviert für eine Ausbildung sind: Dann bewerben Sie sich bei derdeutschen Flugsicherung! Für die Ausbildung zum Fluglotsen bzw. zur Fluglotsin!Wann immer Sie Ihre Entscheidung treffen – wir bilden das ganze Jahr über aus!www.dfs.de – Weil der Himmel Sie braucht!

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S04 BOCHUM: IM HÖRSAAL A170_04

Die Menschen in Darfur leiden seit über fünf Jahren unter dem Bürgerkrieg.

Forschungsfeld VölkermordWissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum untersuchen am Beispiel des Darfur-Kriegs Ursachen und Aus-wirkungen von Genoziden. Forderung: Mehr Beachtung für das Thema in der Öffentlichkeit.

Wir tun so, als sei der Holocaust der einzige Genozid, aber es passiert auf der ganzen Welt immer wieder - auch heute noch. Deshalb ist es wichtig, das Thema Genozid in das

öffentliche Bewusstsein zu rufen.

Der Name Darfur steht seit fünf Jahren für Krieg, Zerstörung, Vertreibung, Ausrottung und Vernich-tung einer ganzen Kultur - er steht sinnbildlich für den ersten Völkermord des 21. Jahrhunderts.Eine Szenerie, die Wissenschaftler seit langem wahrnehmen. Am Bochumer Institut für Diaspo-ra- und Genozidforschung befasst man sich mit den Ursachen von Völkermord. Die Bochumer un-tersuchen nicht nur die Tat selbst, sondern geben auch Diagnosen und Prognosen ab. Sie hinterfra-gen die Selbstbilder der Täter und decken Gefähr-dungen für Minderheiten in der Gesellschaft auf.

In seiner Forschung nimmt Prof. Mihran Dabag, Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozid-forschung, das Wissen auseinander, vor dem ein

Genozid machbar und denkbar erscheint. Ver-schiedene Fachbereiche analysieren an seinem Institut an der Ruhr-Uni die Struktur der Gewalt und ihre Folgeerscheinungen.

Analyse der Gewalt

Kann man einen Genozid eigentlich rechtferti-gen? Ideologisch legitimiert werde der Genozid in den meisten Fällen mit der Gestaltung der zukünftigen Gesellschaft, sagt Professor Dabag. Denn die Vision, die verfolgt werde, ist die einer neuen, homogenen und territorial abgegrenzten Nation. Und diese solle im Genozid möglichst schnell realisiert werden. „Das Gewaltpotenti-al dieser Visionen muss offen gelegt werden“, so Dabag. „Genozid gestaltet Gesellschaft durch Gewalt“. Es sei, laut Dabag, ein Prozess, in dem Opfer, Täter und Zuschauer unmittelbar zusam-menhängen. Doch fernab von Forschung und europäischer Si-cherheit machen zeitgleich arabische Milizen ge-

meinsam mit Regierungstruppen im Westen des Sudans Jagd auf Schwarz-Afrikaner. Eine Jagd, bei der bis dato mindestens 200 000 Menschen starben und mehr als 2,5 Millionen Menschen vertrieben wurden.

Die Medien in den EU-Ländern berichten mitt-lerweile kaum noch über diese humanitäre Ka-tastrophe. „Gegenüber Afrika sind wir sorglos“, beschreibt Dabag das Verhalten der Deutschen, die nur für manche Sachen auf die Straße gehen. Internationale Institutionen versagen und verta-gen Entscheidungen betreffend eines Einschrei-tens im Darfur-Konfl ikt, während das Morden weitergeht.

Interessenpolitik

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Es sind die Wirtschaftsbeziehungen zum Sudan. „Chi-na ist bedeutendster Abnehmer des sudanesi-schen Erdöls und gleichzeitig Waffenlieferant im

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Darfur-Konfl ikt”, bestätigt Tilman Zülch, Men-schenrechtler und Gründer der internationalen Menschenrechtsorganisation, der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Im Sudan seien Frank-reich, Großbritannien, Russland, China, Malay-sia und die Vereinigten Arabischen Emirate am Erdölgeschäft beteiligt. China als mächtiges „Tä-terland“ in der Darfur-Krise ist laut Zülch auch ein Grund, warum Medien als Wirtschaftsun-ternehmen kaum über Völkermorde (Genozide)

berichten und Weltorganisationen wie gelähmt erscheinen.

Eine weitere Begründung für fehlendes Ein-schreiten sei die Angst vor vermeintlichem Ter-ror von Islamisten. Genozid müsse deswegen, so Dabag, eine feste politische Kategorie sein, die zum Handeln auffordert. „Die EU könnte helfen, den Genozid zu beenden, doch fi nden die einzel-nen Staaten keinen gemeinsamen Konsens in der Sache”, sagt Zülch.

text Martina Vogt, Nils Bickenbach fotos Mia Farrow/GfbV, RUB grafi k Sami Skalli Houssaini

BOCHUM: IM HÖRSAAL S05A170_05

Einen gemeinsamen Konsens fi n-den dafür Banken und Finanzins-titute. Sie fi nanzieren den Geno-zid in Darfur direkt oder indirekt mit, indem sie Firmen unterstüt-zen, die Geschäftsbeziehungen mit der sudanesischen Regierung knüpfen. Technologiekonzerne wie Siemens (Deutschland) und ABB (Schweiz) sind durch Men-schenrechtskampagnen, unter anderem von der GfbV, hellhörig geworden und haben 2007 ihre Geschäfte mit dem Sudan einge-stellt.

Genozid thematisieren

„Alles was passiert, muss doku-mentiert und bekannt gemacht werden“, mahnt Zülch. Forschung ist daher sehr wichtig. In den USA fi ng es an und in Deutsch-land wird erst seit gut 15 Jahren auf dem Gebiet geforscht. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, in Deutschland über dieses Thema zu reden“, sagt Dabag und ver-weist auf die deutsche Geschichte und den Holocaust.

Heute gibt es jedoch weit mehr Genozidforscher und mehr Ak-zeptanz als noch vor 15 Jahren. „Es ist wichtig, das Thema Genozid in das öffentliche Bewusstsein zu ru-fen“, sagt Zülch. „Du kapierst erst, was Menschenrechte sind, wenn du siehst, wie Menschen unter-drückt werden!“

Prof. Mihran Dabag

„Immer wenn es regnet,...“Nein, nicht an von hinten wie von vorne A-N-N-A muss ich denken. Auch nicht an Max aus den Schoß der Kolchose. Und schon gar nicht an Freundeskreis, die mit diesen Zeilen ihren Durch-bruch schafften. Sondern an meinen Schirm. An den kleinen schwarzen Knirps, der eigentlich in der Handtasche sein sollte, aber tatsächlich an meiner Gaderobe zu Hause hängt. Immer dann, wenn es in Strömen regnet. Immer dann, wenn weder Vordächer noch überdachte Bushaltestel-len in Sicht sind. Immer dann, wenn die Haare besonders gut liegen. Pitschnass in der Wohnung angekommen, ärgere ich mich über meine Ver-gesslichkeit – und lasse den Schirm am nächsten Tag wieder zu Hause. se

Dialog über StudienbedingungenAusgerichtet von der Fakultät Sozialwissenschaf-ten fi ndet am 20. Januar der 16. Tag der Lehre statt. In mehreren Arbeits- und Dialogphasen ha-ben Studierende und Lehrende Gelegenheit, sich über Lehrpläne und Prüfungen auszutauschen.

Ziel ist es, sich produktiv mit Kritikpunkten aus-einanderzusetzen, die besonders durch den Bil-dungsstreik betont wurden. Die Begrüßung durch Studiendekan Achim Henkel fi ndet um 12 Uhr im HGC 10 statt. An diesem Tag sollen ab 12 Uhr alle Lehrveranstaltungen an der RUB ausfallen. fh

RUHRSTADTmomente

Kulturhauptstadt in der MensaDas Akafö eröffnet das Kulturhauptstadtjahr mit einem lukullischen Fest: In der Woche vom 18. bis 22. Januar gibt es an derAktionstheke in der Men-sa „lecker Happahappa ausm Pott“, wie das Akafö mitteilt. Der Mensaplan hat dann folgendes zu bieten:Montag: Lecker Currywurst mit´na fruchtigen Currysoße und Kartöffelkes-KringelkesDienstag: Schweinebraten anner 1-A-Pumperni-ckel-Starkbiersoße, Berchmannspargel und rote Erde Mittwoch: Strammer Max mit Rührei beiDonnerstag: Zanderfi let „Baldeney“ auf Kartoffel-pampe und vom Wirsingkappes sein GemüseFreitag: „Schrebergartn-Traum“ Frischer Grün-kohl mit Salzkartöffelken und Kasslerbratn. ks

Neues aus Bochum

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Sagenumwoben schwirrt durch die Fa-kultät für Chemie und Biochemie an der RUB seit Jahrzehnten ein Name, der schon Hunderten von Studenten sehr viele Arbeitsstunden abnahm: Sven

Enterlein. Bis vor neun Jahren war er selbst Bo-chumer Student, protokollierte fl eißig die Vor-lesungen und Versuche und stellte sie ins Netz. pfl ichtlektüre hat ihn in den USA aufgespürt. Auch dort hilft er heute noch Studenten.

Wie viele Stunden seines Studiums ein Bioche-mie-Student mit lästigem Protokollieren ver-bringt, weiß niemand genau. Aber für die meis-ten Studierenden ist wohl klar: zu viele. Doch RUBler haben es da leichter als andere. Wenn der innere Schweinehund mal wieder übermächtig ist, die Party am Vorabend doch länger gedauert hat als gedacht oder andere dringende Termi-ne die To-Do-Listen für den Tag sprengen, dann haben sie noch einen Plan B: die Protokolle des Sven Enterlein.

Schnell den rettenden Namen gegoogelt – Wie-derholungstäter gehen direkt auf www.funny-creature.de – und schon fi nden sich in der Rub-rik „Svens Uniseiten“ die hilfreichen Protokolle und Skripte. Die Seite ist allerdings längst kein Geheimtipp mehr. Wenn die Tutoren an die Pro-tokolle erinnern, schieben nicht wenige gleich eine zweite Forderung hinterher: „Wir wollen keine Protokolle von Sven Enterlein.“ Einlami-niert fi ndet sich der Appell auch an der Wand eines der Labore. „Ich habe schon sehr oft sei-ne Protokolle gesehen. Von den Dozenten weiß mittlerweile jeder, wie Enterleins Protokolle

S06 BOCHUM: IM HÖRSAAL A170_06

aussehen. Die Studenten müssen sich schon an-strengen, damit wir es nicht merken“, glaubt Dr. Erik Bründermann. Er ist Leiter des Physikalisch-chemischen Grundpraktikums, einen Groll hegt er gegen Enterlein aber nicht. „So lange sich die Studenten die Protokolle nur anschauen, sie aber nicht übernehmen, ist es in Ordnung.“ Weit, weit entfernt vom grauen Betonklotz RUB sitzt der ambivalent bewertete Enterlein auf ei-ner Sonnenterasse, die Teil eines schönen Hauses in der Nähe von Washington D.C. ist und Sven Enterlein gehört. Mittlerweile sogar Dr. Sven Enterlein. Doktor der Humanbiologie, so lautet die korrekte Bezeichnung. Ich wollte unbedingt mit Ebolaviren arbeiten und Biochemie wurde in Marburg, wo ich promovierte, nicht als eigen-ständiger Studiengang angeboten.“

Leidenschaft Biochemie

32 Jahre ist Enterlein alt. Er ist humorvoll, liebt Musik, macht viel Sport. Seit 2005 lebt der ge-bürtige Kölner wegen seines Jobs als Assistant Director of Molecular Virology und Biosafety Offi cer in den USA. „Da muss ich unter anderem aufpassen, dass auch alle ihren Laborkittel tragen und sich die Hände waschen“, witzelt Enterlein. In den USA lernte er seine amerikanische Frau in spe kennen. Ab und zu fehlen Sven Enterlein bereits die deutschen Wörter. Und trotz dieses neuen Lebens hat er so manche Leidenschaft aus seiner Jugend in good old Germany noch nicht aufgegeben: das Motorradfahren, die Biochemie und die soziale Ader, anderen zu helfen.

Sein aktueller Plan: „Ich schreibe gerade an einem E-Book, das Studenten beim Ver-fassen von wissenschaftlichen Arbeiten unterstützen soll.“ Anders als die Proto-kolle, die er in seiner Zeit an der RUB ver-fasste und online stellte, wird sein Buch in englisch erscheinen. „Aber es ist leicht zu verstehen, das können auch deutsche Stu-denten nutzen“, ist er sich sicher. Es soll ein Handbuch über das schnelle Bedienen von Word und Excel für wissenschaftliche Arbeiten werden, praktisch also für Stu-denten. Kostenlos ist der Download dieses Mal aber nicht, es wird zirka 20 bis 30 Dol-lar kosten.

Wie wichtig seine zu Unizeiten verfass-ten Protokolle auch heute noch sind, war Enterlein bisher nicht klar. „So etwa ein-mal im Jahr bekomme ich eine Mail von Studenten, die sich bedanken, aber dass es so viele sind, die immer noch von mir pro-fi tieren, das wusste ich nicht.“ Mindestens ein Drittel der Studenten holen sich Hilfe aus dem Internet. Das schätzt jedenfalls Lukas. Er ist Chemiestudent, hat schon viel von Enterlein übernommen und will daher seinen richtigen Namen nicht ver-raten. „Ein bisschen muss man von dem Fach schon verstanden haben. Aber das

reicht, um seine Protokolle gut abzuwandeln, so-dass es die Dozenten nicht merken. Durch seine Skripte sieht man die wichtigsten Aspekte sofort vor sich, das spart Zeit.“

„Es ist kein Schummeln“

Enterlein selbst sieht das ähnlich. „Es ist kein Schummeln. Denn um es zu verstehen, müssen die Leute trotzdem selbst denken.“ Mit seinen Protokollen sei es halt einfacher, sich auf einen Versuch vorzubereiten. „Man lernt ja auch schon, wenn man Sachen abschreibt, deshalb habe ich die Protokolle auch nach einiger Zeit nur noch als pdf-Dokumente hochgeladen“, rechtfertigt sich der berühmte Ex-Student. Aber nötig ist das Rechtfertigen nicht. Denn die halb belustigten, halb genervten Blicke einiger Tutoren treffen nicht ihn, sondern höchstens die neue Studen-tengeneration – und die lieben Sven Enterlein trotz allem. „Außerdem haben wir seit zwei Jah-ren viele Versuche modernisiert“, sagt Prakti-kumsleiter Bründermann. Jetzt gebe es sogar eine offi zielle Vorlage im Internet, die den Studenten helfen solle, allerdings längst nicht so detailliert ist wie die von Enterlein. Chemiestudent Lukas ist immer noch der Meinung, dass Enterlein nicht nutzlos geworden ist. „Er ist und bleibt für viele ein Notanker.“

„Er ist unser Notanker“Unter Biochemiestudenten ist der Name Sven Enterlein schon lange kein Geheimtipp mehr: Seine Protokolle im Internet kennen mittlerweile auch die Dozenten.

Als RUB-Student hat Sven Enterlein fl eißig Proto-kolle geschrieben, heute arbeitet der Doktor der Humanbiologie in den USA.

text Sophie Mono foto Sven Enterlein

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A170_07 BOCHUM: MITTEN IM LEBEN S07

Zeugen durchzechter NächteDie Seite smsvongesternnacht.de veröffentlicht nächtliche SMS, an die sich nicht alle Autoren mehr erinnern können.

„Lieber unter Niveau amüsiert, als über Niveau gelangweilt“ heißt eine Gruppe im Onlinenetz-werk StudiVz. Für all die, die sich darunter nichts vorstellen wollen und all die, die eine neue Form von „Niveau-light“ mit Lachgarantie suchen, gibt es seit rund neun Wochen das Internetportal „sms-vongesternnacht.de“.Mit dem Gedanken „Was die können, können wir schon lange“ hat alles be-gonnen. Im Sommer 2009 sitzt die Filmregie-Stu-dentin Anna Koch zusam-men mit ihrem Kommi-litonen Axel Lilienblum vor der Idee, dem Unsinn des Alltags einen Spiegel vorzuhalten. Fünf Mona-te später war der virtu-elle Spiegel fertig. Was er zeigt? SMS von gestern Nacht. SMS, die ohne das letzte Bier wohl nie ihren Weg über die Handytastatur zum Empfänger ge-schafft hätten. Oder anders ausgedrückt: SMS, die den reinen Informationswert bei Weitem über-steigen.

„Wir haben gesehen, dass es solche Seiten in Frankreich und in den USA gibt, die dort aber kaum angenommen wurden“, sagt Anna Koch.

Inzwischen gehen auf dem Server etwa 70 SMS pro Tag ein. 20.000 Menschen besuchen die Seite täglich. Über 1.000 Nutzer lassen sich via Twitter mit den neuesten Sprüche versorgen. Beinahe

40.000 Facebook-User zählen die Seite zu ihren Freunden. Top-Themen sind Partys, Alkohol und Sex. Die Erlebnisse der SMS-Autoren und derer,

die erhaltene Kurznachrichten veröf-fentlichen, sind aber nicht immer mit den Grundsätzen der Betreiber vereinbar: „Um einem Missbrauch der Seite vorzubeugen, lesen wir erst jede SMS und stellen sie nach 24 Stunden ins Netz“, erklärt Anna Koch. „Extrem sexistische, rechts-radikale und beleidigende Inhalte wollen wir in den SMS nicht ha-ben, genauso wenig Werbung.“ Doch was, wenn jemand trotz An-onymisierung erkannt wird? „Wir ändern jeden Namen, der in einer SMS auftaucht. Selbst Abkürzun-gen, die die Nutzer verwenden, ersetzen wir durch eigene.“ sagt Koch. Mit dieser Strategie sollen ernsthaften Schwierigkeiten aus-geschlossen werden. „Wenn je-mand dennoch darum bittet, dass eine SMS über ihn gelöscht wer-

den soll, dann tun wir das auch.“ Schließlich soll die Seite amüsieren und nicht für Ärger sorgen. text Florian Hückelheim

grafi k Florian Hückelheim

Mehr auf dem neuen Online-Portal: www.pfl ichtlektuere.com

pfl ichtlektüre empfi ehlt

Mehr auf dem neuen Online-Portal: www.pfl ichtlektuere.com

Männer dürfen nur von Männern durchsucht werden, Frauen nur von Frauen. Preisfrage: Wer durchsucht Transvestiten? Um diese und an-dere Fragen zum Unterschied von Theorie und Praxis im Polizeirecht zu klären, gaben sich Toto und Harry aus der gleichnamigen Sat.1-Sen-dung in einer Jura-Vorlesung die Ehre. Doch auch ernste Themen wur-den angeschnitten, etwa Hörsaalräumungen und häusliche Gewalt.

Toto und Harry als Dozenten Nobody is perfect... und das ist auch oft ganz gut so. Vor allem im Unperfekthaus in Essen. Hier gibt es Kultur-angebote ohne Ende, aber eben auf gar keinen Fall Perfektion. Im bunten Künstlerhaus kann sich jeder ausleben. Die pfl ichtlektüre hat sich mal im Unperfekthaus umgeschaut, um he-rauszufi nden was es hier alles unperfektes gibt und warum Perfektion auch gar nicht ge-wünscht ist.

Mensch und MaschineRoboter sollen demnächst bei komplizierten Schweißarbeiten hel-fen. Der Lehrstuhl für Industrielle Robotik und Produktionsauto-matisierung (IRPA) und der Lehrstuhl für Arbeits- und Produkti-onssysteme (APS) forschen gemeinsam an diesem Projekt. Unter anderem können so Belastungen für Arbeiter verringert werden.

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S08 HERZ-STÜCK

Eine Frau mit Kopftuch regt im Ruhrgebietkeinen auf. Aber wie reagieren die Pottbe-wohner, wenn ihnen eine komplett verschlei-erte Studentin gegenübersteht? Hört die To-leranz bei der Burka auf? „Das Kopftuch ist zwar immer noch ein Thema, aber Burkas haben hier eine ganz andere Konfrontations-

fl äche,“ sagt Beate Schmuck vom Institut für Kunst und materielle Kultur in Dortmund. Sie organisiert für Ruhr.2010 ein Projekt, für das Studentinnen in der Öffentlichkeit Bur-kas tragen und die Reaktionen der Passanten dokumentieren. Die Dozentin fi ndet, dass man im Kulturhauptstadtjahr nicht nur auf die po-sitiven Seiten des Ruhrgebiets schauen darf: „Man muss auch Dinge wie Fremdenfeind-lichkeit und Unverständnis aufzeigen.“ Pro-jektteilnehmerin Karin Pietruschka erzählt: „Am Anfang haben mir schon etwas die Beine

gezittert und ich hatte Angst, was passieren würde. Aber ich habe mich auch geschützt gefühlt, weil man ja mein Gesicht nicht erkennen konnte.“ Ihr Spaziergang mit der Burka sei gut verlaufen, sie sei nur einmal von einem Mann gefragt wor-den, ob er ein Foto von ihr machen dürfe.

Bei den anderen Studentinnen waren die Reaktionen zum Teil heftiger: Kommen-tare wie „So was sollte verboten werden!“ oder der Rauswurf aus Geschäften waren die Folge. „Auf dem Weihnachtsmarkt war sogar ein Ehepaar so sauer, dass sie sagten, ihr ganzer Tag sei nun verdorben,“ berich-tet Initiatorin Beate Schmuck. Die Burka wirke auch deswegen so fremd, weil man das Gesicht der Trägerin nicht sehen kann.

„Ich habe mich von Gesprächen ausge-schlossen gefühlt“, sagt Studentin Anna Waschkau. Sie habe durch den Schlei-er so schlecht sehen können, dass sie kaum bemerkt habe, was um sie herum passiert sei. Neben einer wissenschaft-lichen Auswertung der Beobachtungen will die Projektgruppe das Thema Ver-schleierung mehr in den Fokus rücken. So sollen die Kommentare der Passan-ten oder sogar Fotos von den Begegnun-gen auf weiße Burkas gedruckt werden. Mit denen wollen die Studentinnen dann im Juli das große Ruhr.2010-Früh-stück auf der gesperrten A40 besuchen.

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Eine Portion Kunst ohne Hype, bitte!Mehr als Feuerwerk und geschwollene Reden: Wer das komplette Programm der Kulturhauptstadt durchforstet, kann spannende kleine Projekte entdecken. Zum Beispiel diese drei.

Verschleiert am Glühweinstand: Hinter der Burka steckt keine glaubensstrenge Muslima. Aber das Ehepaar vom Nachbartisch nimmt der Studentin die Rolle offenbar ab.

Die Taube als Kunstobjekt: Schmuckdesigner Matthias Grosche vernetzt Künstler über Brieftauben.

„Man kann wirklich schlecht sehen“ – Projektteil-nehmer in der Dortmunder Innenstadt

Projekt 1: In der Burkadurch die Innenstadt

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HERZ-STÜCK S09

gehen, verstärkt den Effekt: „Der Platz ist wie eine Bühne, alle beobachten, was da passiert.“

Weil er eigentlich aus Karlsruhe kommt, war es für Matthias ein großer Schritt, an dem Projekt teilzunehmen. Aber das urbane Leben im Ruhr-pott gefällt dem 19-Jährigen: „Hier merkt man einfach, wie die Zeit vergeht, selbst wenn man nur jemanden die Straße heruntergehen sieht. Außerdem mag ich das Chaotische, es muss nicht immer alles perfekt sein.“ Die Ruhr.2010 hält Lempart für eine gute Chance, die Städte

des Ruhrgebiets näher zusammenrücken zu lassen. Obwohl die Städte so nah beieinander seien, gebe es viel Konkurrenz und Revierden-ken. Das mache sich auch bei der Kultur be-merkbar: „Hier bleibt irgendwie alles in den Stadtmauern: die Kulturen, die Geschichte und die Kunst. Dabei gibt es sehr viel davon!“

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Auf Seite 10 geht es weiter

Wie fühlt man sich als Teil eines Kunst-objektes? Für Maike Plock, eine 26-jährige Psychologiestudentin, fühlt es sich an wie zu Hause. Im Flur stapeln sich die Um-zugskartons, Handwerker geben sich die Klinke in die Hand. Eine normale Studen-tenbude – und gleichzeitig eine Installation. „2-3 Stra-ßen“ nennt sich das Projekt des Künstlers Jochen Gerz.

In mehreren Städten des Ruhrgebiets hat er die Stadtverwaltung gebe-ten, einige Wohnungen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Nach und nach ziehen Freiwillige ein, die zwar keine Miete bezah-len, aber über ihr Leben Tagebuch führen sollen. „Ich war vor allem extrem gespannt auf die anderen Mieter und darauf, wie sich die Dynamik entwickelt,“ sagt Maike Plock (26), die vorher in Bochum gelebt hat. Sie zog schon Mitte Dezember ein, die ande-ren Mieter kommen nach.

Die meisten von ihnen sind jung, Studenten oder gerade fertig gewordene Absolventen. Insgesamt sollen 26 Projektteilnehmer in die Dortmunder Nord-stadt ziehen, direkt an den Borsigplatz. Doch es geht nicht nur um kostenloses Wohnen: Die Mieter sollen durch ihre Anwesenheit die Straße verändern, in der sie leben. Deshalb fi el die Wahl auf einen Stadtteil mit hohem Migrantenan-teil und Problemen wie Pro-stitution und Drogenhandel: „Es ist auch ein soziologisches Projekt – Was passiert mit den Straßen durch neue Bewohner, die anders sind?“ erklärt Studentin Maike.

Um das herauszufi nden, müssen die Bewohner Tagebuch schreiben. Das hilft dabei, einen ganz anderen Blick auf seine Umgebung zu bekommen: „Man erlebt viele Sachen einfach viel bewusster. Dinge über die man mal ir-gendwann einfach nachgedacht hat, kommen beim Schreiben wieder hervor.“

Auch Matthias Lempart (19), der direkt ge-genüber wohnt, entdeckt durch das Schrei-ben vieles neu: „Jeder von uns hier nimmt die Dinge anders wahr, und so wird man auch auf Sachen aufmerksam, die sonst unter den Tisch gefallen wären.“ So wie der alte Mann im Erdgeschoss, der schein-bar immer an seinem Fenster sitzt und raucht. Dass die Wohnungen der meisten Teilnehmer zu einem offenen Hof hinaus-

Projekt 2: Du selbstbist das Kunstwerk

Matthias Lempart ist für das Projekt „2-3 Straßen“ extra aus Karlsruhe angereist.

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S10 HERZ-STÜCK

Am Ende des Jahres sollen die Tagebucheinträge der Teilneh-

mer zu einem Buch zusammengefügt werden. Dann wird klar werden, ob die neuen Mie-ter die Straße verändert haben. Für Matthias Lempart geht es noch um viel mehr – näm-lich um ihn selbst. „Mich interessiert natür-lich auch, wie das Projekt mich verändert!“

Kohle und Stahl, Wasserdampf und schmutzi-ger Qualm – das war der Pott früher. Heute ist er Hauptstadt. Kulturhauptstadt. Doch was be-deutet das für die Menschen im Ruhrgebiet und was passiert da, im Kulturhauptstadtjahr? Tau-ben werden fl iegen – und die große weite Welt mit, nun ja, Castrop-Rauxel verbinden. Das zu-mindest ist der Plan eines Schmuckdesigners.

Ein Januartag in der stillgelegten Kokerei der Zeche Zollverein in Essen. Die grauen Beton-wände sind in schillernden Farben angestrahlt, Fotos und Comics hängen an der Wand, Skulp-turen stehen auf dem Boden. Durch eine Öff-nung in der Decke fällt Papier, das Besucher wei-ter oben in dem hohen Gebäude auf den Weg schicken. Matthias Grosche fällt das Papier wie Schnee vor die Füße. Für den Schmuckdesigner aus Castrop-Rauxel ist die Ruhr.2010 eine Her-zenssache. Er ist hier, um sein ganz eigenes Kul-turprojekt vorzustellen: Er lässt Tauben fl iegen. 20 Künstler aus dem Ruhrgebiet sollen per Brieftaube mit zehn Künstlern aus Polen, den Niederlanden und Österreich vernetzt wer-den. „Tauben gehören für mich ganz stark zum Ruhrgebiet,“ sagt Grosche: „Ich habe als Kind

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Kulturhauptstadt für Dummies

Was ist eine „Europäische Kulturhauptstadt“? Der Titel wird seit 1985 vom Rat der EU jährlich an mindestens eine Stadt vergeben, die sich dann ein Jahr lang mit zahlreichen Veranstaltungen als kul-turelles Zentrum Europas präsentiert. Ziel ist es, die Vielfalt Europas deutlich zu machen und einen Bei-trag zum Zusammenwachsen der Länder zu leisten.

Der Weg zum Titel ist ein Wettbewerbsmarathon. Die Bewerberstädte arbeiten ein Kulturprogramm aus, das eine europäische Dimension hat und die Bürger mit einbezieht. Die Programme werden von zwei Expertenkommissionen bewertet, die jede Stadt bereisen und pro Bundesland eine nominieren. Auf Bundesebene trifft die Kultusministerkonferenz eine Wahl, die der Bundesrat bestätigen muss, bevor die Stadt als deutscher Vorschlag in Brüssel eingereicht wird.

Wie ist das Ruhrgebiet „Europäische Kulturhaupt-stadt“ geworden? Zunächst hat das Ruhrgebiet Essen als „Bannerträge-rin“ ausgewählt – eigentlich sind nach den EU-Regeln

nämlich nur einzelne Städte zur Bewerbung zugelas-sen.

In ihrer Bewerbungskampagne „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ thematisierte die Stadt die Entwicklung des Ruhrgebiets vom „grauen Kohlenpott“ zu einem modernen Wirtschafts- und Kulturzentrum. Auf Landesebene konnte sich Essen gegen Köln und Münster durchsetzten und gewann schließlich den Bundesausscheid zusammen mit Görlitz. Insgesamt hatten sich 16 deutsche Städte um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ beworben. In der Endrunde in Brüssel 2006 konnte Essen auch die EU-Jury überzeugen. Die wertete die kulturellen Leistungen und die multiethnischen Erfahrungen des Ruhrgebiets als wegweisend für ein zusammenwach-sendes Europa.

In seinem Jahr als Kulturhauptstadt will sich das Ruhrgebiet als „Metropole neuen Typs“ aus 53 Städten präsentieren. Essen und das Ruhrgebiet sind übrigens nicht die einzige Kulturhauptstadt im Jahr 2010: Die ungarische Stadt Pécs und Istanbul (als Ver-

treter eines Nicht-EU-Landes) können sich in diesem Jahr ebenfalls „Kulturhauptstadt“ nennen.

Was ist diese Ruhr.2010 GmbH? Die Ruhr.2010 GmbH ist eine Gesellschaft, die eigens zur Vorbereitung und Organisation des Kulturhaupt-stadtjahres gegründet wurde. Gesellschafter sind die Stadt Essen, der Regionalverband Ruhr, das Land Nordrhein-Westfalen sowie der Initiativkreis Ruhrgebiet. Das Schlagwort Ruhr.2010 benutzt die Gesellschaft für das Marketing. Für das Programm des Kulturhauptstadtjahres hat die Ruhr.2010 GmbH drei Leitthemen festgesetzt: Mythos, Metropole und Europa. Die einzelnen Veranstaltungen gliedert sie in die sechs Programmfelder Bilder, Theater, Musik, Sprache, Kreativwirtschaft und Feste.

Infos zum Programm des Kulturhauptstadt-Jahres fi ndet ihr auf http://www.essen-fuer-das-ruhrgebiet.ruhr2010.de.

text Johanna Fritz

Ruhr.2010 – da war doch was ... - Drei Fragen und drei Antworten, damit ihr mitreden könnt.

schon die Schwär-me beobachtet.“

Taubenzucht, ehe-mals ein Hobby der Bergarbeiter, ist im Ruhrgebiet immer noch weit ver-breitet. So war es für Grosche nicht schwer, die Vögel für sein Projekt zu fi nden. Die ver-netzten Künstler sollen ihre Arbei-ten fotografi eren – die Kunstwerke werden dann auf einem Speicher-chip gesichert und den Tauben in kleinen Ruck-säcken auf den Rücken geschnallt.

Die Tiere machen sich auf den langen Weg aus dem Ausland nach Castrop-Rauxel. „Das Ziel der Vernetzung, dem die Ruhr.2010 dienen soll, ist hier schon gegeben. Es haben sich Netzwerke gebildet.“ Nicht nur Maler und Bildhauer konn-te Grosche für sein Projekt gewinnen, auch Kö-che, Comiczeichner und Musiker machen mit.

Thematisch sollen die Kreativen gerade nicht den ordinären Ruhrpott-Stereotyp bedie-nen – Grosche interessiert die Zeit vor und nach der Kohleförderung. „Im Fluge ver-gangen...“ heißt das Projekt. „Schließlich ist der Zeitraum der Kohle nur ein Wimpern-schlag in der Geschichte des Ruhrgebiets.“

text Philipp Anftfotos Birte Blothenberg, Thomas Gödde und Philipp Anft

Mehr zum Thema

Projekt 3: Lass wasmit Tauben machen!

Wir sind Kulturhauptstadt! Aber hat das Ruhrgebiet den Titel überhaupt verdient? Einen Schlagabtausch zwischen passionier-tem Rheinländer und überzeugtem Ruhrge-biets-Fan fi ndet ihr auf www.pfl ichtlektuere.com

Reisen mit leichtem Gepäck: In einem Mini-Rucksack transportieren die Tauben Fotos von Kunstwerken.

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HERZ-STÜCK S11A367_11

Ruhr.2010: Wo ihr hin müsst53 Städte, 365 Tage, 2.500 Veranstaltungen: Bei solch einem Kulturmarathon kann man schon mal den Überblick verlieren. Wir stellen euch drei Höhepunkte vor, die ihr 2010 nicht verpassen solltet.

UrbanatixWas ist das – und warum muss ich da hin?Bei dem Street-Dance Projekt geht es um Kunst von der Straße und Jugendkultur – das vor der industriellen Kulisse des Ruhrgebiets. 45 junge Talente der regionalen Jugendszene arbeiten ein Jahr lang mit internationalen Profi s zu-sammen. Dabei werden nicht nur ihre Skills im Tanzen geschult, sondern es gibt Übungen in Parkour, Freerunning (über Hausdächer sprin-gen, an Wänden hoch laufen), Tricking (Sprünge und Luftkicks), Kampfkunst, Skaten, Biken und Breakdance. Wer nicht selbst mitmachen will, ist zur Abschluss-Show eingeladen, die der Höhe-punkt des Projekts sein wird. Die ausgewählten Jugendlichen treten darin zusammen mit zehn Weltklasseartisten auf.

Wann? 21.-23. Mai 2010, je zwei Vorstellungen pro Abend um 21 und 24 UhrWo? Bochum, JahrhunderthalleWas kostet das? Ca. 20€, für Studenten ermäßigt. Der Vorverkauf beginnt Ende Januar. Tickets gibt‘s online oder bei der Jahrhunderthalle Bochum.Kann ich noch mitmachen? Ja. Die Castings sind schon vorbei, aber Urbanatix ist weiterhin offen für Talente. In Frage kommen junge Leute zwischen 16 und 25, die im Ruhrgebiet wohnen. Bewerbungen sind noch bis Anfang/Mitte Februar möglich. Die Formulare sind auf der Homepage von Urbanatix zu fi nden.Wo gibt‘s mehr Infos? http://www.dacapo-bochum.de/urbanatix/

Still-Leben RuhrschnellwegWas ist das – und warum muss ich da hin?Könnt ihr euch ein Fest mitten auf der B1 vor-stellen? Eine Party auf der Hauptverkehrsader der Region? 20.000 aneinandergereihte Tische sollen dort mit knapp 60 Kilometern die längste Tafel der Welt bilden. An ihr sollen die verschie-denen Kulturen, Generationen und Nationen des

Ruhrgebiets zusammenkommen. Dafür wird der Abschnitt zwischen den Ausfahrten Dortmund, Märkische Straße und Duisburg-Häfen den gan-zen Tag lang gesperrt. Jeder hat die Möglichkeit, sich einen Platz an einem der Tische zu sichern. Dafür gibt es zwei Voraussetzungen: Man muss mit einer Gruppe einen ganzen Tisch besetzen und die Feier durch einen eigenen Programm-beitrag mitgestalten. Das kann so ziemlich alles sein, was Kultur ist – Gesang, Tanz, Musik, Kaba-rett, Theater, Lesungen oder einfach typisches Essen. Nicht vergessen: Die Tische sind nur zu Fuß erreichbar und es gibt weder Strom- noch Wasserversorgung auf der Strecke. Alle Aktivi-täten fi nden auf der „Programmspur“ statt, der Fahrbahn Richtung Duisburg. Aus der Gegen-spur der A40/B1 wird eine „Mobilitätsspur“: Hier haben alle die einmalige Chance, sich frei auf der Autobahn zu bewegen – mit allem, was Räder, aber keinen Motor hat.

Wann? 18. Juli 2010, 11-17 UhrWo? Auf der A40.Muss man sich anmelden? Zum Spazierengehen nicht. Tische müssen aber reserviert werden (nur ganze Tische für 8-10 Personen). Anmeldung online oder telefonisch: 01805-15 2010.Was kostet das? 25€ pro Tisch zzgl. Gebühren und Ticket-VersandkostenWo gibt‘s mehr Infos? http://www.ruhr2010.still-leben-ruhrschnellweg.de

Zeltfestival RuhrWas ist das – und warum muss ich da hin?In einer riesigen Zeltstadt auf den Wiesen am Kemnader See werden 13 Tage am Stück insge-samt 35 Gastspiele und Konzerte geboten. Dieses Jahr sind unter anderem die Band „Ich und Ich“ (26.8.), der Ex-„Selig“-Sänger Jan Plewka (3.9.) und die Kabarettisten Hagen Rether (26.8.) und Dieter Hildebrandt (5.9.) dabei. Der Mittelpunkt der Zeltstadt – ein sechs Meter hohes Pagodenzelt – fasst zusammen mit zwei weiteren Eventzelten 6.000 Menschen. Auf dem Zeltfestival Ruhr kommen neben Konzertgängern, Kabarett- und Comedy-Fans auch Kunstinteressierte auf ihre Kosten. Auf dem Markt der Möglichkeiten stellen internationale Künstler, Kunsthandwerker und Designer selbstentworfene und -hergestellte Schmuckstücke und Mode vor. Wer selbst etwas ausstellen möchte, kann sich noch bei Peter Lihs ([email protected]) melden.

Wann? 20. August – 5. SeptemberWo? Am Kemnader See in Bochum/Witten, neben Strandbad Heveney Was kostet das? Zwischen 20 und 30€, Ich und Ich 40€. Der Vorverkauf läuft.Wo gibt‘s mehr Infos? http://www.zeltfestivalruhr.de

text Johanna Fritz fotos DACAPO/Sebastian Förster, TAS Emotional Marketing GmbH

Stretching auf „Urbanatix“-Art.

Das „Still-Leben Ruhrschnellweg“, wie es sich die Planer vorstellen.

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S12 RUHR-BLICK: MITTEN IM LEBEN A367_12

Lara, für dein Buch hast du eine Abiklasse ein Jahr lang begleitet. Kamen Erinnerungen hoch?Das Schulgefühl ändert sich nie. Es gibt immer noch den Schwarm, den Streber, die Hübsche, all diese Typen. Der größte Unterschied ist der Umgang mit dem Internet – dabei bin ich nur sechs Jahre älter.

„Ohne Internet fühlt man sich halb tot“, sagte dir eine Abiturientin im Interview. Wissen-schaftler sprechen gar von der Generation der „Digital Natives“. Für was steht sie?Für Dauererreichbarkeit und einen anderen Medienkonsum. Die Leute, die ich erlebt habe, sind täglich mindestens fünf Stunden online. Sie sitzen zwar nicht die ganze Zeit vorm Com-puter, aber MSN oder Skype sind immer an. Das ist, wie wenn man den Telefonhörer neben die Tastatur legt und nur ab und zu etwas sagt.

„Alles geht sofort online“Im pfl ichtlektüre-Interview spricht die mehrfach preisgekrönte Journalistin Lara Fritzsche über die „Generation Internet“ und ihr Buch „Das Leben ist kein Ponyhof“.

Inwieweit zählst du dich selbst dazu? Während der Recherche bin ich extrem viel in sozialen Netzwerken und Chats unterwegs ge-wesen. Dann war ich der Sache überdrüssig. Ich habe alles abgemeldet. Unpersönliche Geister-profi le sind da besser, die kann man problemlos löschen.

Unterscheiden „Digital Natives“ zwischen ihrer Online- und Offl ine-Identität?Nein. Eltern denken häufi g, dass sich Jugendliche im Internet verstellen. Einige Pädagogen sagen dann: „Toll, im Internet können die Jugendlichen mehrere Identitäten ausprobieren.“ Fest steht: Für diese Generation ist die Synchronisation von On und Off alles. Was sie offl ine erleben, kommt sofort online.

Die Jugend begreift das Leben als Casting und die Welt als Jury, sagen einige Soziologen. Auf Abruf lospowern – das scheint ein Dauergefühl unserer Generation zu sein.Da spielt der Leistungsgedanke eine Rolle. Früher hatte man eine Note, eine Bewerbung und dann war die Sache durch. Inzwischen ist es unheim-lich komplex geworden; es gibt Motivationsge-spräche, Tests, Assessment Center. Man lernt früh, dass man offensichtlich besser sein muss als der Durchschnitt.

Was sagst du jungen Leuten? Dass alle nur mit Wasser kochen. Man sollte es

mit dem Respekt nicht übertreiben. Es ist der Be-ruf der Professoren und Chefs, einem etwas zu er-klären. Darum lieber dreimal fragen als gar nicht.

Du bist unter anderem mit dem Axel-Springer- und dem Emma-Journalistinnen-Preis ausge-zeichnet worden. Was bedeutet dir Erfolg?Wenn man berufl ich das machen darf, was man machen möchte.

Was bedeuten dir gute Kritiken, die du für dein Buch bekommst?Sie freuen mich sehr, denn ich habe viel Arbeit hineingesteckt: die Idee mit mir herumgetragen, Themen gesammelt, Artikel und Zettel mit An-sprechpartnern in große Kisten gepackt. Wenn man die dann zumachen kann, und der Inhalt zwischen zwei Buchklappen steckt, ist das super.

Wirst du mit 30 immer noch in München leben?Mal sehen. Du kommst ja auch aus dem Ruhrge-biet und weißt, dass es eine nette Ecke ist. Mün-chen ist doch sehr anders. Ich möchte einen Job, der mir Spaß macht. Und wenn er genügend Geld einbringt, so dass es hin und wieder für eine zu teure Tasche reicht – super. Dann bin ich voll zu-frieden.

Lara Fritzsche, gebürtige Kölnerin, arbeitet für die „Neon“ in München.

Lara Fritzsche studiert Germanistik und Psychologie in Bonn und schreibt gerade ihre Bachelor-Arbeit. Die 25-Jährige arbeitet zudem als Redakteurin bei der „Neon“ in München. Ihr aktuelles Buch heißt „Das Leben ist kein Pony-hof. Die unbekannte Welt der Abiturienten“.

VITA

text Miriam Sahlifoto Kiepenheuer & Witsch

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RUHR-BLICK: MITTEN IM LEBEN S13A367_13

Lara Fritzsche, gebürtige Kölnerin, arbeitet für die „Neon“ in München.

Ein kleines Café in Bochum: Fast alle Plätze sind belegt, die Besucher unterhalten sich mit einem leisen, aber stetigen Gemur-mel. Jemand tritt ein, um einen Kaffee zu bestellen. Eine tagtägliche Situation, von

jedem schon dutzende Male durchlebt – Michael Jack erlebt sie anders.

Der 28-Jährige ist hochsensibel. Das klingt wie eine lapidare Ausrede für ein überempfi ndliches Verhalten. Ist es aber nicht. Bereits Mitte der 90er Jahre etablierte die amerikanische Psychologin Elaine Aron das Phänomen der „Hochsensibili-tät“. Betroffene nehmen alles intensiver wahr. Alltägliche, unwichtige Dinge, die jeder andere aus seinen Sinneseindrücken unbewusst heraus-fi ltert, bleiben bei ihnen hängen. Doch je mehr Informationen diese Menschen aufnehmen, des-to erschöpfender ist es für sie.

Schnell an der Belastungsgrenze

Michael Jack hat das oft erlebt. Bereits zu Schul-zeiten fi el ihm auf, dass er anders war. „Ich war zwar nie ein Problemfall, aber ich merkte, dass etwas nicht stimmt“, so der Pro-motionsstudent. Mit 15 Jahren bei einer Feier – viele Menschen, laute Musik – hielt er es nicht mehr aus: „Ich stürzte fl uchtartig hinaus und spürte eine furchtbare Erleichte-rung, als ich endlich draußen war.“

Solche Erlebnisse verwirrten ihn zunehmends: „Einerseits war ich sehr leistungsfähig, andererseits kam ich schnell an meine Belas-tungsgrenzen.“ 2003 war es ihm genug – endlich wollte er Klarheit haben. Als er das Wort „hochsensi-bel“ googelte, stieß er prompt auf die Studien Arons. Eine Last fi el von ihm ab: „Zwei Monate lang bin ich hocherfreut umhergelau-fen, endlich war meine Lebenswei-se legitimiert.“

Hochsensibilität ist keine Krank-heit, darauf legt Michael Jack Wert. Es handelt sich vielmehr um eine neurologische Besonderheit: Der Filter für Wahrnehmungen ist bei den Betroffenen durchlässiger. „Wir Hochsensiblen haben einfach einen höheren Level an Input“, drückt es Jack aus.

Isoliert und anders sein

15 bis 20 Prozent der Menschen sol-len laut der amerikanischen Psy-chologin Aron empfi ndlicher sein als andere und damit zur Gruppe

der Hochsensiblen gehören. Wie realistisch die-se Zahlen sind, kann Michael Jack nicht sagen. Leicht zu bestätigen seien sie jedenfalls nicht.

Inspiriert von dem Gefühl, endlich verstanden zu sein, initiierte der 28-Jährige Gesprächskreise, zum Beispiel in der „Oase“ in Bochum. Der große Zuspruch blieb aus, nur wenige Studenten konn-te er für seine Gruppe gewinnen. „Ich denke, es entspricht dem Anpassungswillen gerade junger Menschen: Ob bewusst oder unbewusst, jeder versucht, der generellen Norm zu entsprechen“, so Jack.

Aufklären statt verstecken

Ein Grund zum Aufgeben war das für ihn nicht – im Gegenteil: 2007 gründete er den bundes-weiten Verein „Hochsensibel?“ mit einer entspre-chenden Internetseite. Vor allem, um Öffentlich-keit zu schaffen. Die sucht Jack immer wieder: Zahlreichen Medien erzählte er schon seine Ge-schichte, immer und immer wieder berichtete er von dem merkwürdigen Gefühl, isoliert und an-ders zu sein. Aber auch von seinen Stärken, kleine

Details, wie das neue Make-up der Kollegin, zu bemerken, perfektionistischer zu sein und tiefge-hender als andere nachdenken zu können.

In der Broschüre des Vereins heißt es, niemand könne sich „etwas dafür kaufen“, dass er hoch-sensibel sei. Michael Jack weiß jedoch, dass sich das Lebensgefühl verändern kann, wenn man sich der Besonderheit bewusst ist. „Ich habe mitt-lerweile eine ganz andere Grundeinstellung. Vor allem, seit ich weiß, dass es auch anderen so geht wie mir“, sagt Jack.

Seiner Umwelt kann er heute gelassener begeg-nen. Denn er weiß ja, was seine Irritationen her-vorruft. So verwundert es nicht, dass er völlig ruhig im Café sitzt. Die Umgebung scheint ihn genauso wenig zu beeindrucken, wie alle ande-ren. Wer ihn kennt, weiß, dass es anders ist.

text und foto Anna-Lena Wagner

Immer etwas BesonderesSeine große Schwäche ist zugleich seine große Stärke: Michael Jack nimmt aufgrund einer neurologischen Besonderheit intensiver wahr als andere Menschen. Er ist hochsensibel.

Es hat lange gedauert, bis Michael Jack herausfand: Er ist hochsensibel.

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23.01.10 –Tanzen gegen kalte FüßeJuicy Beats wird 15! Wer nicht bis zum Sommer warten kann, feiert schon heute mit Frittenbude, Data und be-kannten Dortmunder DJs im FZW.

29.01.10 – Glückliche Tage - Premi-ereWinnie und Willie - Wo sich nichts verändert, kann es auch nicht schlim-mer werden. Aber dann erwacht in Willie neues Leben. Schwarzer Humor im Theater Dortmund.

30.01.10 – „Wolfmother“ rockt das Palladium in Köln! 2009 erschien das zweite Album der Band mit dem Titel „Cosmic Egg“.

Bis 16.02.10 – Karneval im PottBeim Geierabend 2010 gibt es drei Stunden Comedy, Satire, Klamauk und Musik.Karten kosten ermäßigt 20,90 €.

S14 DIENST-BAR

Tag ein, Tag aus zieht der grob wirkende Dr. Parnassus (Christo-pher Plummer) mit seinem Wan-dertheater durch die Lande. Dabei buhlt er ständig um Zuschauer für seine Show. Mit Hilfe seiner Gedankenkraft und eines Spie-gels verhilft er seinem Publikum zu einer Reise durch ihre Gedan-kenwelt. Dabei stehen ihm seine Tochter Valentina (Lily Cole) und seine Assistenten Percy und Mar-tin zur Seite. Diese Geschichte allein wäre nicht sehr spannend. Wäre da nicht der Filmschur-ke schlechthin: der Teufel (Tom Waits). Um unsterblich zu wer-

den, hat Dr. Parnassus ihm die Seele seiner Tochter versprochen. Als Satan drei Tage vor Valenti-nas Geburtstag auftaucht und sein Recht einfordert, schließt Dr. Parnassus eine Wette ab, um Valentina doch noch aus seinen Fängen zu befreien. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, bei dem die Crew des Wandertheaters noch die Bekanntschaft des geheim-nisvollen Tony (Heath Ledger) macht, der sie fortan auf ihrer Reise begleitet.In seiner letzten Rolle wird Heath Ledger, der während der Drehar-beiten verstarb, noch durch seine Freunde Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell vertreten.Drehbuchautor und Regiesseur Terry Gilliam nimmt den Zu-schauer mit auf eine fantastische und bildgewaltige Reise. jj

in der schnelllebigen Zeit keine Besonderheit zu sein. Die Histo-rikerin Alexandra Lessing und ihr Freund Ismael, beide homo invi-siblis, nehmen die Herausforde-rung an und kämpfen gegen die dunklen Mächte. Sie versuchen die Menschheit und das Leben ihres ungeborenen Kindes zu ret-ten.Caligo erscheint als eine Mi-schung aus Science-Fiction, Thril-ler und Liebesgeschichte. Die Idee ist keinesfalls neu. Geschickte Einschübe von unerwarteten und zum Teil erschreckend re-alen Handlungen machen das Buch jedoch richtig lesenswert. Es erinnert an das Drehbuch zu einem Actionfi lm, denn einzelne Handlungen werden szenisch und detailreich dargestellt. macl

Marc van Allen „Caligo“Verlag: Ullstein TB

Preis: 8,95 Euro

Umfang: 496 Seiten

DER KINOFILM:

EXIT - RAFF DICH AUF, GEH RAUS!

DAS BUCH:

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Für alle SinneVon einem Wettlauf mit der Zeit über ein Weltkriegsszenario bis hin zur Kokerei.

Das Kabinett des Dr. Parnassus

Kinostart: 7. Januar 2010

Den Weltkrieg, der in dem Buch von Marc van Allen tobt, bemerkt kaum jemand. Dabei wird dieser so offensichtlich geführt, dass man ihn eigentlich nicht ignorie-ren kann. Zwei Gruppen von un-sichtbaren Menschen, den homo invisiblis, kämpfen um die Welt-macht. Den normalen Menschen, den homo sapiens, bleibt dieser Kampf jedoch verborgen. Zwar verschwinden immer wieder ei-nige von ihnen, aber das scheint

* Tipp 1!Kulturreise in die VergangenheitIhr lebt in der Kulturhauptstadt 2010, aber habt keine Ahnung von der Geschichte des Ruhrgebiets? Das könnt ihr ändern! Einbli-cke gibt‘s bei Führungen in der Kokerei Han-sa. Von 1928 bis 1992 wurde hier Steinkohle abgebaut. Heute steht die Kokerei unter Denkmalschutz. Donnerstags bis Sonntags und an Feiertagen könnt ihr in die Vergan-genheit reisen. In ganz besonderem Licht er-scheint Dortmund übrigens bei den Nacht-lichtführungen. Mehr Infos fi ndet ihr auf www.industriedenkmal-stiftung.de.

** Tipp 2! 23.01 -Uni Do JazzfestivalEröffnet wird das Festival von „Torsten Goods“. Danach geht‘s weiter mit den „Hea-vy Tones“, der bekannten Band aus „TV To-tal“, und Peter Fessler. Außerdem dabei sind unter anderem „Dreams of Electric Sheep“ und „Syntax“. Auf vier Bühnen wird zeit-gleich musiziert. Die Konzerte fi nden im Fritz-Henßler-Haus statt. Um 20 Uhr geht‘s los. Die Tickets kosten im Vorverkauf 17 €, er-mäßigt 10 €. brin fotos Manfrd Vollmer/pixelio-T. Schlief Dülmen

Page 15: Pflichtlektuere Bochum 01-2010

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Sherlock HolmesAction-geladene Neuerfindung des wohl berühmtestenDetektivs der Welt. Robert Downey Jr. absolviert denSprung vom Superhelden zum Superhirn mühelos,in Guy Ritchies Macho-Makeover des Klassikersvon Arthur Conan Doyle. Ab dem 28.1.2010 in Ihrer

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Business ExtraAnzeigen-Sonderveröffentlichung

Bei der vonSchaewenAGkönnenStudentendirekt loslegen. Foto:Wolf Sondermann

AbsolventenwillkommenUnternehmen sucht Jungingenieure

Mitten in Essen, genau-er gesagt an der Kron-

prinzenstraße, liegt der Sitzder vonSchaewenAG–undgenau hier werden Jungin-genieure gesucht!Als vor 79 Jahren das Fa-

milienunternehmen ge-gründet wurde, ahnte nochniemand, dass in dennächsten Jahrzehnten derName „von Schaewen” ausdem weltweiten Stahlge-schäft nicht mehr wegzu-denken sein würde. Dievon Schaewen AG schmie-det Stahl, schneidet Stahlund bearbeitet Stahl. Undvor allem handelt das mitt-lerweile in der dritten Ge-neration angekommeneund 407 Mitarbeiter zäh-lende Unternehmen mitStahl. Und das weltweit!

Sicheres Wachstumsteht im Vordergrund

Ob nun China, Brasilienoder Saudi Arabien – dievon Schaewen AG strebtein kontinuierliches, ge-sundes Wachstum an, umden Mitarbeitern einen si-cheren Arbeitsplatz undseinen Kunden, Lieferan-ten und Dienstleistern ei-nen zuverlässigen Partnergarantieren zu können.Gewährleistet wird dies

natürlich auch durch diesehr erfolgreiche Ausbil-dung von Mitarbeitern imeigenen Betrieb. Aus die-

sem Grund wurde im Som-mer 2008 ein eigenes Aus-bildungszentrum einge-weiht.Höheder Investitionin die eigene Zukunft: vierMillionenEuro! Zur Zeit be-finden sich 33 Auszubil-dende und Praktikanten imEinsatz.

Projekte fürDiplomarbeiten

Für Studenten im Ingeni-eur- bzw. Maschinenbau-wesen bedeutet dies dieMöglichkeit, bereits imPraktikum viele wichtigeund prägende Erfahrungenzu sammeln.Undnicht nurdas! Das erfolgreiche Esse-ner Unternehmen bietetsogar Projekte für Diplom-arbeiten im technischenStudiengang an. Es darfsich also gern beworbenwerden.Ganz aktuell werden bei

der von Schaewen AG Ab-solventen des Maschinen-baustudiums und sonstigerIngenieurstudiengänge ge-sucht. Soll heißen: langjäh-rige Berufserfahrungensind nicht zwingend not-wendig. Und jetzt: viel Er-folg bei der Bewerbung!

i Kontaktvon Schaewen AGKronprinzenstraße 1445128 Essen

0201 - 81 10-0www.von-schaewen.de

KURZ NACHGEFRAGT

? Wie sehen Sie dieZukunft der komm-

enden Ingenieure?

! Wir glauben, dass Ab-solventen der Ingeni-

eurwissenschaften auchin den kommenden Jah-ren gute Anstellungs-chancen haben werden.

? In Zeiten der Krise...warum geht es Ihrer

Firma so gut?

! In guten Zeiten vo-rausschauende Inves-

titionen in Maschinenund Anlagen sowie steti-ge Qualitätssicherung,sichern der von Schae-wen-Unternehmens-gruppe ein gesundesWachstum auch in Zei-ten der Krise und darü-ber hinaus.

? Was macht IhreFirma aus?

! Das entscheidendePotential des Unter-

nehmens und Basis desErfolges sind die Mitar-beiter/ - innen. Die Fes-tigung und Stärkungdieses Potentials, in demsich Werte wie Engage-ment, Leistung , Koope-ration, Qualitätsbe-wusstsein, Verantwor-tung, Teamfähigkeit undKundenorientierung be-finden, ist für die Gegen-wart und Zukunft desUnternehmens ent-scheidend. FrühzeitigesErkennen der Bedürf-nisse am Markt und derWünsche der Kunden,um so die eigenen Pro-duktions- und Liefer-möglichkeiten in dieseRichtung zu gestalten.

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knobeln mit SudokuFür Fortgeschrittene: Pro Spalte, pro Reihe und pro drei mal drei Kästchen großem Quadrat dürfen die Zahlen 1 bis 9 nur jeweils einmal vorkommen.

ImpressumHerausgeber: Institut für Journalistik, TU DortmundProjektleitung: Prof. Dr. Klaus MeierRedaktionsleitung: Vanessa Giese (vg), ViSdP Redaktion: Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227 Dortmund Tel: 0231/755-7473, Fax: 0231/755-7481Briefanschrift: pflichtlektüre, c/o Institut für Journalistik, TU Dortmund, 44221 DortmundE-Mail: [email protected]: Tobias Jochheim (tjo) und Daniel Klager (tni) Bild: Daniel Gehrmann (dg), Nadine Maaz (nm), Elvira Neu-endank, Pascal Amos Rest, Katja SeidlTitelbild: Moritz TschermakAn dieser Ausgabe haben mitgewirkt: Philipp Anft (pan), Nils Bi-ckenbach (nils), Brinja Bormann (brin), Sebastian Bolsinger (jsb), Susann Eberlein (se), Pia Eschenbruch, Johanna Fritz (jf), Florian Hückelheim (fh), Jens Jüttner (jj), Sarah Keller (sk), Jonas Knoop (jk), Marie Lanfermann (macl), Julia Misch-ner, Sophie Mono, Malina Opitz (mao), Siola Panke (sp), Linus Petrusch (lipe), Marylen Reschop (mr), Miriam Sahli (miri), Sarah Salin (sal), Katrin Schmidt (ks), Fabian Schwane (fas), Agata Sliwinska, Kathrin Strehle (ks), Karina Strübbe (kas), Natascha Tschernoster (nt), Martina Vogt (mv), Barbara We-ge (bw), Julian Weimer, Anja-Kristin Willner (awi)Verantwortlich für Anzeigen: Oliver Nothelfer, Anschrift wie Ver-lag, Kontakt: 0201/804-8944Objektleiter: Wolfgang IbelVerlag: Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesell-schaft , E.Brost & J. Funke GmbH u. Co.KG, Friedrichstr. 34-38, 45128 EssenDruck: Druckhaus WAZ GmbH & Co. Betriebs-KG, Anschrift wie Verlag. Kontakt: [email protected]: Wintersemester 2009: 27. Oktober, 10. No-vember, 24. November, 8. Dezember, 19. Januar, 2. Februar.

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Das Produktmanagement Reise steuert sämtliche Salesaktivitäten der WAZ Mediengruppe die Tourismusbranchebetreffend und konzipiert und realisiert innovative Produktideen unter der bekannten Dachmarke Reise Journal.

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• Für die Tätigkeit ist die Anwesenheit vor Ort nötig. Die Arbeitszeiten können nach Absprache flexibel gestaltet werden

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