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SoVD Magazin 07/08 2014 Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland Inklusionslauf 2014 – So sehen Sieger aus

SoVD-Magazin 07/08_2014

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Sozialpolitik Menschen mit Behinderung Rente Hartz IV Pflege Inklusionslauf

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Page 1: SoVD-Magazin 07/08_2014

SoVD Magazin07/082014Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland

Inklusionslauf 2014 –So sehen Sieger aus

Page 2: SoVD-Magazin 07/08_2014

Über uns

Eine starke Gemeinschaft

Der Sozialverband Deutschland (SoVD)

vertritt die Interessen der Rentner, der

Patienten und gesetzlich Krankenversi-

cherten sowie der pflegebedürftigen und

behinderten Menschen. Wir set-

zen uns für Ihre Rechte ein und

bieten unseren Mitgliedern Be-

ratungsstellen in ganz Deutsch-

land. Dort erhalten sie Hilfe bei

Fragen zur gesetzlichen Kran-

ken-, Renten- und Pflegeversicherung oder

in behindertenrechtlichen Dingen. Soziale

Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt unserer

Arbeit. Wir setzen uns für den Ausbau

und den Erhalt der sozialen Sicherungs-

systeme ein. Der Sozialstaat ist ein wich-

tiges Auffangnetz für die Menschen – das

zeigt sich gerade in der jetzigen Wirt-

schaftskrise. Uns geht es auch um Chan-

cengleichheit, zum Beispiel um

die Bildung und Ausbildung, die

unsere Gesellschaft behinder-

ten und benachteiligten Kindern

und Jugendlichen bietet.

Der SoVD ist eine starke Ge-

meinschaft mit rund 560 000 Mitgliedern.

Bei uns können Sie sich engagieren und

mit anderen gemeinsam aktiv werden. Ei-

ner von über 3000 Ortsverbänden befin-

det sich bestimmt auch in Ihrer Nähe.

– 2 –

Die bundesweit über 560 000 Mitglieder des SoVD bilden eine starke Gemeinschaft.

Page 3: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inhalt

Auf Kosten der Versicherten

Inklusionslauf 2014

Rentenpaket

Behandlungsfehler

Bürokratie in der Pflege

Seite 4–8

Seite 14–25

Seite 10–12

Seite 38–42

Seite 26–30

Kritik an der Krankenkassen-Reform: SoVD

befürchtet steigende Beiträge und schlechtere

Leistungen.

Sonderseiten zur Premiere des Wettbewerbs

für Menschen mit und ohne Behinderung.

SoVD fordert Verbesserungen im Bereich der

Erwerbsminderungsrente.

Bei den Rechten von Patienten besteht weiter-

hin Verbesserungsbedarf.

Bleibt aufgrund der Dokumentation zu

wenig Zeit für den Patienten übrig?

– 3 –

Page 4: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 4 –

SoVD kritisiert Finanzreform der Krankenkassen

erheblichen Mehrbelastung für die gesetz-

lich Krankenversicherten entwickeln.

Solidarprinzip wird durch

die Reform infrage gestellt

Der Hintergrund: Durch den Wegfall der

„Kopfpauschale“ fehlen den Krankenkas-

sen künftig jährlich rund elf Milliarden

Euro. Und um dieses Defizit auszuglei-

chen, dürfen die Kassen zwar keine Kopf-

pauschale mehr erheben, dafür jedoch

einkommensabhängige Zusatzbeiträge.

Weil gleichzeitig der Arbeitgeberanteil

eingefroren bleibt, werden alle zusätzlich

Im Juni ist im Bundestag die Krankenkassen-Reform beschlossen wor-

den. Das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der

Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ ist im Vorfeld mas-

siv kritisiert worden und bleibt auch nach seiner Verabschiedung um-

stritten. Einer der Hauptkritikpunkte an der Finanzreform ist, dass durch

die weiterhin festgeschriebenen Arbeitgeberbeiträge das Solidarprin-

zip infrage gestellt wird. Vor dem Hintergrund der ständig steigenden

Gesundheitsausgaben befürchtet u. a. der Sozialverband Deutschland

(SoVD) höhere Beitragssätze für die gesetzlichen Krankenversicherten

bei gleichzeitig einschneidenden Einbußen in den Leistungskatalogen.

Auf Kosten der Versicherten

Mit der Kassenreform will die Große Ko-

alition die Finanzierung der gesetzlichen

Krankenversicherung (GKV) auf neue

Füße stellen. Dafür soll zunächst der all-

gemeine Beitragssatz von 15,5 Prozent

auf 14,6 Prozent sinken. Denn 0,9 Pro-

zent des bisherigen Satzes zahlten bislang

allein die Kassenmitglieder. Daneben wird

der Zusatzbeitrag, auch „Kopfpauschale“

genannt, künftig gestrichen.

Doch was auf den ersten Blick wie eine

deutliche Verbesserung vor allem für fi-

nanziell schwächer gestellte Menschen

aussieht, kann sich längerfristig zu einer

Page 5: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik– 5 –

Beitragssenkung durch Wegfall der Kopfpauschale – und später flächendeckende Zusatzbeiträge.

anfallenden Gesundheitskosten auf die

gesetzlich Krankenversicherten umgelegt.

Nach Einschätzung des SoVD ist bereits

ab 2015 mit flächendeckenden Zusatz-

beiträgen zu rechnen, die in Zukunft jedes

Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte an-

wachsen werden.

Nachhaltige Finanzierung

muss sichergestellt werden

So begrüßt SoVD-Präsident Adolf Bauer

zwar generell die Abschaffung der Kopf-

pauschale: „Dies ist eine gute Nachricht

und ein kleiner Fortschritt, insbesondere

für Rentnerinnen und Rentner und chro-

nisch kranke Menschen.“

Der SoVD-Präsident kritisiert jedoch

gleichzeitig mit Nachdruck, dass – da-

ran anknüpfend – eine nachhaltige Fi-

nanzierung keineswegs sichergestellt ist:

„In dieser Hinsicht herrscht Fehlanzeige.

Beitragssenkungen werden verspro-

chen. Doch es ist davon auszugehen,

dass die Arbeitnehmerkassenbeiträge

Karikatur: Thomas Plaßmann

Page 6: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 6 –

das Gesetz eine Attacke auf das Soli-

darprinzip.“

Einbußen im Bereich der

Leistungen zu befürchten

von derzeit 8,2 Prozent in den kommen-

den Jahren auf bis zu zehn Prozent im

Jahre 2021 steigen werden. Angesichts

ebenfalls steigender Pflegebeiträge und

einem sinkenden Rentenniveau bedeutet

Die einkommensunabhängige Kopfpauschale gehört der Vergangenheit an. Patienten müssen jedoch weiterhin mit einseitigen Belas-tungen rechnen. Ihr Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung könnte in den kommenden Jahren auf bis zu zehn Prozent steigen.

Foto: RioPatuca Images / fotolia

Page 7: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik– 7 –

Weitere Negativentwicklungen sind nach

Einschätzung des SoVD zu befürchten:

Weil die Krankenkassen versuchen wer-

den, die Erhebung von Zusatzbeiträgen

für ihre Mitglieder so lange wie möglich

hinauszuzögern, ist im Gegenzug mit er-

heblichen Einbußen im Leistungsbereich

zu rechnen.

Schon jetzt müssen zu vielen Leistungen

der gesetzlichen Krankenkassen privat

Zuzahlungen erfolgen. „Da die Kosten in

Zukunft noch stärker gedämpft werden

müssen, ist absehbar, dass die Reform

elementare Einbußen im Leistungskatalog

nach sich ziehen wird. Einsparungen sind

z. B. im Bereich der Zahnersatzleistungen

denkbar“, erklärt Bauer.

Defizit langfristig nicht

über den Fonds ausgleichbar

Auch die finanziellen Reserven aus dem

Gesundheitsfonds werden aus Sicht des

SoVD einseitige Mehrbelastungen auf

dem Rücken der gesetzlich Krankenver-

sicherten nicht lange aufhalten können.

Der Fonds ist die Sammelstelle für die

Krankenkassenbeiträge und Steuerzu-

schüsse. Über den Fonds soll künftig die

unterschiedliche Einkommenstruktur der

Kassenmitglieder vollständig ausgegli-

chen werden.

Rücklagen schmelzen –

Zusatzbeiträge folgen

Auch hier greift die Bundesregierung

ein. So sollen in diesem und im nächs-Die einkommensunabhängige Kopfpauschale gehört der Vergangenheit an. Patienten müssen jedoch weiterhin mit einseitigen Belas-tungen rechnen. Ihr Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung könnte in den kommenden Jahren auf bis zu zehn Prozent steigen.

Foto: RioPatuca Images / fotolia

Page 8: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 8 –

Die neuen Regelungen zur Finanzreform

der gesetzlichen Krankenkasse (GKV)

sind weiterhin umstritten. Auch der SoVD

übt erhebliche Kritik. Die wichtigsten

Änderungen im Überblick:

• Der Beitragssatz sinkt ab dem 1. Janu-

ar 2015 für alle Kassen von 15,5 auf

14,6 Prozent.

• Er sinkt deshalb, weil künftig der Son-

derbeitrag von 0,9 Prozent entfällt, der

allein von den GKV-Mitgliedern be-

zahlt wurde.

• Arbeitgeber und -nehmer zahlen je-

weils die Hälfte der Beiträge.

• Durch die Streichung des Zusatzbeitra-

ges von 0,9 Prozent fehlen künftig rund

elf Mrd. Euro in der GKV.

• Pauschale Zusatzbeiträge dürfen künf-

tig nicht mehr von den Kassen erhoben

werden; dafür jedoch einkommensab-

hängige Zusatzbeiträge.

• Einnahmendefizite können zulasten

der Leistungen gehen.

Hintergrundten Jahr Milliardenbeiträge zum Zweck

der Haushaltskonsolidierung aus dem

Gesundheitsfonds genutzt werden. Die

Rücklagen schmelzen damit zusammen.

Wenn die Rücklagen so schnell ver-

braucht werden, besteht die Gefahr, dass

die Zusatzbeitragssätze noch schneller

ansteigen werden. Schon lange macht

sich der SoVD für eine gerechte und

konsequent paritätische Finanzierung

der Gesundheitskosten stark.

Gerechte Finanzierung –

Überschüsse sinnvoll nutzen

Überschüsse der Krankenkassen und aus

dem Gesundheitsfonds sollten aus SoVD-

Sicht dazu genutzt werden, Leistungen

bedarfsgerecht zu bewilligen und mehr

Maßnahmen zur Rehabilitation und zur

Prävention anzubieten.

Deshalb hat sich der SoVD wiederholt

gegen eine Absenkung des allgemeinen

Beitragssatzes und für ein Nutzung der

verfügbaren Gelder im Interesse der Pa-

tientinnen und Patienten sowie der Versi-

cherten ausgesprochen.

Auf diese Weise könnte zum einen die

Versorgung der Versicherten verbessert

werden; zum anderen würde dazu bei-

getragen, zukünftige Gesundheitskosten

möglichst gering zu halten.

Page 9: SoVD-Magazin 07/08_2014

Aus dem Verband– 9 –

Bundesjugendkonferenz in Berlin

dem Motto „Eine Ausbildung für Alle –

eine Zukunft in Europa“ steht auch eine

von den Delegierten verabschiedete Reso-

lution. Darin fordern sie eine konsequen-

te Umsetzung der UN-Behindertenrechts-

konvention in ganz Europa.

Vom 16. bis zum 18. Mai fand in Berlin die Bundesjugendkonferenz

statt. Die Tagung stand unter dem Motto „Eine Ausbildung für Alle –

eine Zukunft in Europa“. Auf dem Programm stand neben der Wahl des

Bundesjugendvorstandes auch die Verabschiedung einer jugendpoliti-

schen Resolution.

Eine Ausbildung für alle

Während sich Bundesministerin Andrea

Nahles (SPD) über eine Videobotschaft an

die Delegierten wandte, begrüßte der Vi-

zepräsident des SoVD, Gerhard Renner,

die Anwesenden persönlich. In seinem

Grußwort ging Renner auf die aktuelle Si-

tuation in Europa ein.

Dabei bezeichnete

er die Mitglieder der

SoVD-Jugend als die

Zukunft dieses Landes

und Europas.

Bei den Wahlen wur-

de Sönke Franz in

seinem Amt als Bun-

desjugendvorsitzen-

der bestätigt, seine

Stellvertreter sind Ni-

cole Schulz und Se-

bastian Freese. Unter Viele sozialpolitische Anträge zur Bundesjugendkonferenz beschäftigten sich mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit.

Foto: Laurin Schmid

Page 10: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 10 –

SoVD begrüßt Verabschiedung des Gesetzes und fordert Korrekturen bei den Erwerbsminderungsrenten

63 Jahren ohne Abschläge in Rente ge-

hen. Davon profitieren die Geburten-

jahrgänge zwischen 1951 und 1963.

Lücken in der Erwerbsbiographie wer-

den künftig mit in die Beitragsjahre an-

Das Rentenpaket ist beschlos-

sen. Der Bundestag hat das

schwarz-rote Paket mit großer

Mehrheit beschlossen. Auch der

Bundesrat hat dem Gesetz zuge-

stimmt. Das Rentenpaket enthält

neben der verbesserten Rente für

ältere Mütter und der abschlags-

freien Rente ab 63 auch Verbes-

serungen für Erwerbsminde-

rungsrentner und mehr Geld für

Reha-Leistungen.

Rentenpaket hilft – weitere Reformen gefragt

„Dies ist ein guter Tag für Millionen Rent-

nerinnen und Rentner in Deutschland.

Nach jahrelangem Stillstand hat die

Bundesregierung ein klares Startsignal

für Verbesserungen in der Alterssiche-

rung gegeben“, erklärt dazu SoVD-Prä-

sident Adolf Bauer.

Einbußen im Bereich der

Leistungen zu befürchten

Das Rentenpaket in Kürze: Wer mindes-

tens 45 Jahre in die Rentenversicherung

eingezahlt hat, kann ab dem 1. Juli ab

Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann mit 63 in Rente gehen.

Page 11: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik– 11 –

SoVD begrüßt Verabschiedung des Gesetzes und fordert Korrekturen bei den Erwerbsminderungsrenten

Rentenpaket hilft – weitere Reformen gefragt

gerechnet. Davon ausgenommen sind

die letzten beiden Jahre vor Beginn der

Frührente.

Selbstständige, die in ihrem Erwerbs-

leben mindestens 18 Jahre lang Ren-

ten-Pflichtbeiträge entrichtet haben, und

sich anschließend mindestens 27 weite-

re Jahre freiwillig weiter versichert ha-

ben, können ab dem 1. Juli ebenfalls

frühzeitig in Rente gehen.

Foto: jd photodesign / fotoliaWer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann mit 63 in Rente gehen.

Page 12: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 12 –

„systemwidrige“ Abschläge bei den Er-

werbsminderungsrenten zurück. Anders

als bei einer selbstbestimmten Frühver-

rentung befänden sich Erwerbsminde-

rungsrentner in einer Zwangslage, be-

gründet Adolf Bauer die Lage. „Würden

die Abschläge auf die Erwerbsminde-

rungsrenten abgeschafft, könnten die

Betroffenen etwas aufatmen.“

Mütter, deren Kinder vor 1992 zur Welt

kamen, bekommen die Erziehungszeiten

in der Rente künftig mit einem zusätzli-

chen Punkt angerechnet. Frauen mit jün-

geren Kindern sind bei der Mütterrente

weiterhin besser gestellt. Sie erhalten für

die Kindererziehung Rentenpunkte für

drei Jahre Kindererziehung gutgeschrie-

ben.

Wer aus gesundheitlichen Gründen ver-

mindert oder gar nicht mehr arbeiten

kann, erhält künftig brutto monatlich 40

Euro mehr Rente. Um Frühverrentungen

wegen gesundheitlicher Einschränkun-

gen zu verhindern, sollen die bislang

gedeckelten Mittel für Rehaleistungen

nach Bedarf leicht erhöht werden.

Erwerbsminderungsrentner

haben hohes Armutsrisiko

Der SoVD-Präsident fordert die Bundes-

regierung zu weiteren Reformen, ins-

besondere zu weiteren Korrekturen bei

den Erwerbsminderungsrenten auf: „Die

Zahl der Menschen, die arbeiten wol-

len, es aber nicht mehr können, wächst.

Sie sind einem hohen Armutsrisiko aus-

gesetzt, das sie aus eigener Kraft nicht

begrenzen können“, macht Adolf Bau-

er deutlich. Das besondere Armutsrisi-

ko führt der SoVD dabei vor allem auf

Page 13: SoVD-Magazin 07/08_2014

Kommentar– 13 –

Adolf BauerSoVD-Präsident

Auch, weil Langzeitarbeitslose einer Studie

zufolge oft unter psychosozialen Schwie-

rigkeiten infolge ihrer Situation leiden. Hier

ist vor allem Unterstützung gefragt, nicht

(noch mehr) Sanktion!

Sanktionen werden dann verhängt, wenn

Hartz-IV-Bezieher gegen Auflagen versto-

ßen. Etwa, wenn sie Termine im Jobcenter

verpassen. Oder wenn angebotene Arbeit

verweigert wird. Leistungskürzungen sind

die Folge. Doch wenn schon heute ein Groß-

teil der Sanktionen offenbar rechtswidrig

ist, dann ist die Politik gefragt, zunächst

eine rechtskonforme Verwaltungspraxis

sicherzustellen. Anstatt die Strafmaßnah-

men immer weiter zu verstärken, gehören

die Hartz-Regelungen grundsätzlich auf

den Prüfstand. Dies gilt insbesondere vor

dem Hintergrund, dass die in der aktuel-

len Hartz-IV-Debatte genannten Zahlen

nur die Spitze des Eisbergs sein dürften.

Nicht jeder Betroffene ist imstande, einen

Widerspruch oder eine Klage zu führen.

Blickpunkt

Unterstützung statt Sanktionen

Seit Jahren verzeichnen die Sozialgerichte in Deutschland eine Klageflut

gegen Hartz-IV-Bescheide. Auch gegen Sanktionsentscheidungen der

Arbeitsagenturen wird geklagt – Tendenz steigend. Mehr als einem Drit-

tel aller Klagen und Widersprüche von Arbeitslosen wurde im vergan-

genen Jahr stattgegeben. Dies sollte zu denken geben!

Page 14: SoVD-Magazin 07/08_2014

– 14 –Inklusionslauf 2014

Startschuss zum Inklusionslauf 2014

Premieren in Berlin: Sportveranstaltung des SoVD für Menschen mit und ohne Behinderung

Page 15: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014– 15 –

XXX

Foto: XXXX / fotolia

Startschuss zum Inklusionslauf 2014

Premieren in Berlin: Sportveranstaltung des SoVD für Menschen mit und ohne Behinderung

Am 28. Juni fand in Berlin erstmals der Inklusionslauf statt. Austragungs-

ort war ein ehemaliger Flughafen. Insgesamt gingen über 300 Menschen

mit und ohne Behinderung an den Start. Ihr Einsatz und die Begeisterung

der Zuschauer sorgten für einen riesigen Erfolg. Foto: Wolfgang Borrs

Page 16: SoVD-Magazin 07/08_2014

– 16 –Inklusionslauf 2014

Ausgerechnet ein Flughafen...Vor über 60 Jahren erlangte der Flughafen Tempelhof für die Bewohner

West-Berlins eine besondere Bedeutung. Während der Blockade 1948 /49

landeten hier im Rahmen der Luftbrücke die Versorgungsflugzeuge. Der

Inklusionslauf 2014 fand somit also auf historischem Gelände statt.

Page 17: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014– 17 –

Ausgerechnet ein Flughafen...

Seit der Flughafen Tempelhof stillgelegt wurde,

dient er den Berlinern als Erholungsfläche. Auf

dem weiträumigen Gelände wird gegrillt, Fuß-

ball gespielt – und eben auch gelaufen. Für die

Teilnehmer des SoVD-Inklusionslaufs erwies sich

die asphaltierte Landebahn als ideal, bot diese

doch Läufern wie Rollstuhlfahrern einen gleicher-

maßen geeigneten Untergrund. Auch die Kulisse

selbst dürfte für alle Beteiligten ein Erlebnis gewe-

sen sein. Vor allem aber einte der Gedanke der

Inklusion die insgesamt rund 1000 Sporttreiben-

den und Zuschauer. Ihre Begeisterung machte die

Veranstaltung zu etwas ganz Besonderem.

Fotos: Wolfgang Borrs

Page 18: SoVD-Magazin 07/08_2014

– 18 –Inklusionslauf 2014

So sehen Sieger aus!Sie kamen zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im Rollstuhl. Sie liefen alleine

oder in Gruppen sowie mit Begleitperson oder mit Begleithund. Es ist un-

möglich, all die verschiedenen Formen der beim Inklusionslauf vertretenen

Behinderungen aufzuzählen. Und das Beste: Es ist auch völlig egal. Denn

an diesem Tag zählte nur

eines: ins Ziel kommen.

Und das haben alle ge-

schafft – so sehen wahre

Sieger aus!

Page 19: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014– 19 –

So sehen Sieger aus!Sie kamen zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im Rollstuhl. Sie liefen alleine

oder in Gruppen sowie mit Begleitperson oder mit Begleithund. Es ist un-

möglich, all die verschiedenen Formen der beim Inklusionslauf vertretenen

Behinderungen aufzuzählen. Und das Beste: Es ist auch völlig egal. Denn

an diesem Tag zählte nur

eines: ins Ziel kommen.

Und das haben alle ge-

schafft – so sehen wahre

Sieger aus!

Fotos: Wolfgang Borrs, Sascha Pfeiler

Page 20: SoVD-Magazin 07/08_2014

– 20 –Inklusionslauf 2014

Zeit für echte InklusionMit dem Inklusionslauf 2014 will der SoVD auch gesellschaftliche

Veränderungen anstoßen. Auf einer Podiumsdisskussion forder-

te daher unter anderem SoVD-Vizepräsident Gerhard Renner, den

Gedanken der Inklusion uneingeschränkt umzusetzen. Seine Rede

wurde simultan in Gebärdensprache übersetzt.

Mit dem Deutschen Blinden- und

Sehbehindertenverband und der Ak-

tion Mensch hatte der Inklusionslauf

wichtige Kooperationspartner und

Unterstützer. Mit der Sportveranstal-

tung haben alle beteiligten Organi-

sationen das umge-

setzt, was sie sich für

ganz Deutschland

erhoffen: Eine Struk-

tur, in der sich be-

hinderte Menschen

nicht mehr anpassen

müssen, sondern ihre

Teilhaberechte von

vornherein verwirk-

lichen können. Eine

Umsetzung der Inklu-

sion bedeutet Verän-

Page 21: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014– 21 –

Zeit für echte InklusionMit dem Inklusionslauf 2014 will der SoVD auch gesellschaftliche

Veränderungen anstoßen. Auf einer Podiumsdisskussion forder-

te daher unter anderem SoVD-Vizepräsident Gerhard Renner, den

Gedanken der Inklusion uneingeschränkt umzusetzen. Seine Rede

wurde simultan in Gebärdensprache übersetzt.

derung in unterschiedlichen

Bereichen:

Regelschulen müssen Vorausset-

zungen für eine Vielfalt im Klas-

senzimmer schaffen.

Am Arbeitsmarkt benötigen Men-

schen mit Behinderung endlich

gleiche Zugangschancen. Noch

immer sind sie überdurchschnitt-

lich oft arbeitslos.

Vor allem aber müssen bauliche

und kommunikative Barrieren ab-

gebaut werden.

Hier liegt eine der größten Leis-

tungen des SoVD-Inklusionslaufs.

Er hat es dank begeisterter Teil-

nehmer und Zuschauer geschafft,

die Barrieren in den Köpfen zu

überwinden.

Fotos: Wolfgang Borrs, Sascha Pfeiler

Page 22: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014 – 22 –

Eigentlich wollte ich schon längst

wieder Sport treiben. Aber irgend-

wie fehlten mir nach einem langen

Arbeitstag die Zeit und die Lust dazu.

Also wurde der gute Vorsatz immer

wieder aufgeschoben. Dann kam im

Februar unser Betriebsfest – inklusi-

ve Tombola. Doch statt der erhofften

Magnumflasche Sekt gewann ich ei-

nen Startplatz beim ersten SoVD-In-

klusionslauf. Super.

Nach diesem Wink des Schicksals

gab es kein Aufschieben mehr. Also

ging ich am Wochenende joggen im

Park und musste feststellen, dass mir

die Puste schon nach zwei Runden

ausging. Die nächsten Versuche wa-

ren ähnlich frustrierend, außerdem

war das Wetter schlecht und es wur-

de früh dunkel. Insgesamt also alles

Mein innerer SchweinehundWie viele andere Menschen sitzt auch Brigitte Grahl überwiegend am Schreib-

tisch. Sie arbeitet in der Redaktion der SoVD-Zeitung. Wie es zu ihrer Teilnahme

am Inklusionslauf kam, und vor allem wie sie sich darauf vorbereitetete, das

schildert sie in dem folgenden Text.

überzeugende Gründe, meine Lauf-

pläne wieder aufzugeben. Zumindest

flüsterte mir das mein innerer Schwei-

nehund (IS) ständig ins Ohr. Aber da

ich allen bereits erzählt hatte, dass

ich Ende Juni an einem Fünf-Kilome-

ter-Lauf teilnehmen würde, wäre ein

Rückzug überaus schmachvoll gewe-

sen.

Also meldete ich mich im Fitnessstu-

dio an und ging fortan zwei- bis drei-

mal pro Woche auf das Laufband. Im

April arbeitete ich daran, eine halbe

Stunde durchzulaufen, im Mai war

es mein Ziel, fünf Kilometer möglichst

schnell zu laufen. Als Richtwert hat-

ten Freunde mir 30 Minuten genannt.

Aber zehn Kilometer in der Stun-

de waren für mich nicht realistisch,

meine optimale Laufgeschwindigkeit

Page 23: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014– 23 –

Mein innerer SchweinehundWie viele andere Menschen sitzt auch Brigitte Grahl überwiegend am Schreib-

tisch. Sie arbeitet in der Redaktion der SoVD-Zeitung. Wie es zu ihrer Teilnahme

am Inklusionslauf kam, und vor allem wie sie sich darauf vorbereitetete, das

schildert sie in dem folgenden Text.

ohne Seitenstiche und Atemnot pen-

delte sich bei 9 km/h ein.

Anstrengend war das Training trotz-

dem. Zumal auf dem Laufband mein

„innerer Schweinehund“ (IS) und

mein „besseres Ich“ (BI) ständig mit-

einander stritten. Nach zehn Minuten

meldete sich der IS: „O Gott, ist das

anstrengend! Und noch nicht mal die

Hälfte vorbei!“ Nach 20 Minuten re-

agierte er lautstark: „Ich habe keine

Lust mehr!“ Da schaltete sich das BI

ein: „Jetzt hast du schon zwei Drittel

geschafft, der Rest ist ein Klacks da-

gegen!“ Nach 25 Minuten gab der

IS schließlich Ruhe und das BI feuerte

mich an: „Nur noch ein paar Minu-

ten, dann hast du es geschafft! Ich

bin stolz auf dich!“

Nach dem Training auf dem Lauf-

band stand vor dem Inklusionslauf

eigentlich noch ein Praxistest in der

freien Natur auf dem Programm,

aber irgendwie kam immer etwas

dazwischen. So war mein Start am

Renntag für mich eine zweifache Pre-

miere: mein erster Volkslauf und mein

erster Outdoor-Lauf. Noch einmal

trinken, ein letztes Mal auf die Toi-

lette, und dann reihte ich mich in die

Masse der Läufer ein. Die Teilnehmer

waren bunt gemischt: Blinde, Roll-

stuhlfahrer, Alte und Junge, Laufpro-

Page 24: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014 – 24 –

fis und -amateure. Es ging ja beim

Inklusionslauf in erster Linie nicht um

Rekorde, sondern darum, mitzuma-

chen und durchzuhalten. Trotzdem

meldete sich bei den meisten natür-

lich der Ehrgeiz, so gut wie möglich

abzuschneiden.

Nach dem Startschuss ging es über

das Rollfeld des ehemaligen Flugha-

fens Tempelhof. Ganz schön lang,

so eine Rollbahn. Ganz schön heiß,

das Wetter, ganz schön anstren-

gend, das Draußen-Laufen. Mein IS

äusserte nach zwei Kilometern den

Wunsch, sich in die Büsche zu schla-

gen und aufzugeben. Aber auf dem

Rollfeld gab es weit und breit keine

Büsche. Also übernahm mein BI die

Regie: „Den da vorne überholst du

jetzt mal“ und „Die sind viel älter und

halten auch durch“ oder „Da vor-

ne ist schon das Ziel zu sehen.“ Im

letzten Viertel musste ich dann doch

kurz walken, bevor ich zum Endspurt

ansetzen konnte. Ich war so erpicht

darauf, ins Ziel zu kommen, dass ich

doch glatt ein paar Meter zu früh

rauslief. Während ich mich schon

entspannte, machte mich jemand

darauf aufmerksam, dass ich noch

durchs „richtige“ Ziel musste. Mein

Chip am Schuh hätte mich sonst als

gestartet und verschollen gemeldet.

Also raffte ich mich noch einmal auf

und hechtete durchs Ziel. Dort bekam

ich dann meine Medaille umgehängt

– nach der Anstrengung eine schöne

Belohnung.

Eine freudige Überraschung war für

mich auch mein Laufergebnis: trotz

Page 25: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusionslauf 2014– 25 –

Walken und „Fehlziel“

hatte ich nur 32:38 Mi-

nuten gebraucht. Damit

hatte ich meine persön-

liche Bestzeit geschafft,

ebenso wie der Rollstuhl-

fahrer, der 10 Kilometer

mit einer Hand bewäl-

tigte, die Blinde, die mit

ihrem Begleithund lief,

das Paar, dass sein Baby

im Kinderwagen vor sich

her schob und all die an-

deren.

Möchte ich das Training

und den Inklusions-Lauf

missen? Nein, denn trotz

aller Anstrengung ist es

ein gutes Gefühl, sich

zu bewegen und etwas

zu schaffen. Möchte ich

das Ganze nächstes Jahr

wieder mitmachen? Ich

weiß es nicht. Aber man

soll niemals nie sagen.

Diese Woche gehe ich

jedenfalls wieder aufs

Laufband.

Filmbeitrag auf SoVD-TV

Inklusionslauf

Einen Filmbeitrag über den Inklusionslauf

finden Sie unter www.sovd-tv.de. Dieser

ist in leicht verständlicher Sprache verfasst

und Sie können sich den Film wahlweise mit

Untertiteln anschauen. Besuchen Sie hierfür

einfach die Internetseite www.sovd-tv.de.

Page 26: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 26 –

Meldung, wonach jeder dritte Pflegebe-

dürftige unterernährt sei, erregt natürlich

Aufsehen. Bei genauerer Betrachtung stellt

sich allerdings heraus, dass die Mehrheit

der Betroffenen sehr wohl ihr Essen erhal-

ten haben, es wurde nur nicht aufgeschrie-

ben. An diesem Punkt ist es also wichtig,

ausreichend zu dokumentieren. Damit

keine Missverständnisse aufkommen: Eine

Pflegedokumentation ist nicht dafür da,

falsche Zeitungsberichte zu widerlegen.

Sie dient in erster Linie dem Wohl des Pfle-

gebedürftigen und sichert somit ein gewis-

ses Maß an Qualität.

An einer Dokumentation

führt kein Weg vorbei

Wer selbst schon einmal im Krankenhaus

Das Statistische Bundesamt hat vor einem

Jahr festgestellt, dass im stationären Be-

reich, also in einem Krankenhaus oder

in einem Pflegeheim, 13 Prozent der Ar-

beitszeit einer Pflegeperson allein für die

Dokumentation aufgewendet werden.

Rechnet man das auf den Arbeitstag ei-

ner Vollzeitkraft um, dann ergibt das eine

volle Stunde allein für die Aktenführung –

Zeit, die dann für die Pflege am Menschen

fehlt. Viele Pflegekräfte geben sogar an,

sie seien noch länger mit der Dokumenta-

tion beschäftigt.

Warum werden Leistungen

überhaupt dokumentiert?

Die Pflege gerät häufig aufgrund vermeint-

licher Skandale in die Schlagzeilen. Eine

Pflegekräfte müssen Leistungen dokumentieren

Zu viel Bürokratie, zu wenig Zeit für Pflege?Pflegekräfte kümmern sich um Menschen, Verwaltungsangestellte füh-

ren Akten. So sollte es zumindest sein. Doch im Rahmen der Dokumen-

tation von dem, was zum Beispiel eine Krankenschwester getan hat,

wird immer mehr aufgeschrieben und immer weniger gepflegt. Die Po-

litik will daher einen Abbau von Bürokratie in der Pflege erreichen.

Page 27: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik– 27 –

der, sondern erhalten ihre Informationen

„nach Aktenlage“. Auf diese Weise sind

sie über die durchgeführten Maßnahmen

auf dem Laufenden und können ihrerseits

Entscheidungen treffen. Eine Dokumenta-

tion ist also für die medizinische und pfle-

gerische Versorgung unerlässlich.

Eine Dokumentation

dient auch der Sicherheit

war oder einen Angehörigen hat, der

stationär versorgt wurde, der kennt das

Problem: Man hat es nie allein mit einer

Person zu tun. Das ist aufgrund der Ar-

beitsteilung nicht möglich, denn neben

Pflege- und Betreuungskräften widmen

sich auch noch Ärzte unterschiedlicher

Fachrichtungen oder auch Therapeuten

dem Wohl des Patienten. Sie alle kommu-

nizieren nicht unbedingt direkt miteinan-

Akten führen, Rücksprache halten – vor allem die Dokumentation muss stimmen! Doch wer guckt eigentlich nach dem Patienten?

Foto: Miriam Dörr / fotolia

Page 28: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusion – 28 –

Behandlungsfehler, die dadurch ge-

schehen, dass eine der beteiligten Fach-

richtungen etwas „nicht wusste“, lassen

sich somit weitestgehend vermeiden.

Passiert dennoch etwas Unvorhergese-

henes, kann die Dokumentation Auf-

schluss über den Ablauf der Behandlung

geben. Sie schützt somit aus rechtlicher

Sicht die in der Pflege Beschäftigten so-

wie die jeweilige Einrichtung in Fragen

der Haftung bei vermeintlichen Behand-

lungsfehlern.

Gerade der letzte Aspekt hat in der Pra-

xis jedoch häufig zur Folge, dass sich

Anbieter von Pflegeleistungen durch eine

umfassende Dokumentation vor eventu-

ellen Ansprüchen schützen wollen. Bei

vielen Pflegekräften herrscht daher Unsi-

cherheit und es wird lieber zu viel aufge-

schrieben als zu wenig.

Dokumentiert werden sollte

effizient und fachgerecht

Diese Unsicherheit führt zu einem Recht-

fertigungsdruck nach dem Motto „was

nicht dokumentiert wurde, wurde auch

nicht geleistet“. In der Folge werden

dann auch Dinge notiert, die für die

Behandlung keine Rolle spielen. Dieses

Vorgehen wird durch einzelne Pflege-

dienstleitungen offensichtlich noch ge-

Eine effiziente und fachgerechte Doku-

mentation der Pflege

• dient der medizinischen und der pfle-

gerischen Versorgung,

• hilft, die Qualität der geleisteten Ver-

sorgung zu kontrollieren,

• gibt Informationen an den zu Pflegen-

Wer schreibt, der bleibt?Viele Pflegekräfte sind unsicher, was und vor allem wie viel sie im Rah-

men ihrer täglichen Arbeit dokumentieren müssen. Das Sozialgesetz-

buch (SGB) XI schreibt eine „praxistaugliche, den Pflegeprozess unter-

stützende und die Pflegequalität fördernde“ Pflegedokumentation vor.

Doch was bedeutet das konkret?

Müssen Pflegekräfte nur deshalb immer mehr aufschreiben, damit ihnen hinterher niemand vorwerfen kann, sie hätten eine bestimmte Leistung nicht erbracht?

Page 29: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusion– 29 –

fördert. Anweisungen, wonach in jeder

Schicht etwas in den Pflegebericht ge-

schrieben werden müsse, führen dann

zu Einträgen wie „Herr Meier schläft“.

Eine Dokumentation ist jedoch kein Ta-

gebuch.

Patientenbeauftragter

will Bürokratie abbauen

Eine Pflegedokumentation ist überaus

wichtig. Wie diese zu führen ist, soll-

te grundsätzlich bereits im Rahmen

der Ausbildung vermittelt werden. Zu-

sätzlich bieten sich für Mitarbeiter und

Führungskräfte natürlich entsprechende

Fortbildungen an. Dass es in der Praxis

akute Defizite gibt, hat inzwischen auch

die Politik erkannt.

Karl-Josef Laumann (CDU) ist beamte-

ter Staatssekretär im Bundesministerium

für Gesundheit sowie Bevollmächtig-

ter der Bundesregierung für Patienten

und Pflege. Er findet klare Worte und

bezeichnet die bürokratische Dokumen-

tation in der Pflege als einen Bereich,

in welchem „der Wahnsinn Triumphe

feiert“. Im Gespräch mit den Westfäli-

schen Nachrichten erklärte Karl-Josef

Laumann kürzlich, er habe sogar schon

erlebt, dass erfasst wurde, wie oft ein

Patient gelacht habe.

den sowie an Angehörige weiter, um

Transparenz und Sicherheit zu vermit-

teln,

• dient auch als Leistungsnachweis (wirt-

schaftliche Funktion),

• schützt in Fragen der Haftung – vor-

ausgesetzt sie ist lückenlos geführt.

Wer schreibt, der bleibt?Viele Pflegekräfte sind unsicher, was und vor allem wie viel sie im Rah-

men ihrer täglichen Arbeit dokumentieren müssen. Das Sozialgesetz-

buch (SGB) XI schreibt eine „praxistaugliche, den Pflegeprozess unter-

stützende und die Pflegequalität fördernde“ Pflegedokumentation vor.

Doch was bedeutet das konkret?

Müssen Pflegekräfte nur deshalb immer mehr aufschreiben, damit ihnen hinterher niemand vorwerfen kann, sie hätten eine bestimmte Leistung nicht erbracht?

Foto: Miriam Dörr / fotolia

Page 30: SoVD-Magazin 07/08_2014

Inklusion – 30 –

bindlich wäre. Die somit vorgegebenen

Routineabläufe müssten dadurch nicht

jeden Tag aufs Neue detailliert dokumen-

tiert werden. Auch aus haftungsrechtli-

cher Sicht wäre ein solches Vorgehen un-

problematisch.

Keine Angst vor einer

sinnvollen Dokumentation

Im ambulanten Bereich dagegen ist eine

Dokumentation auch weiterhin unum-

gänglich. Denn rechnet beispielsweise

ein Pflegedienst bestimmte Leistungen

ab, die er erbracht hat, so muss er diese

natürlich auch entsprechend dokumentie-

ren. Ähnlich verhält sich das im Bereich

der Behandlungspflege. Bei dieser dreht

sich alles darum, eine Krankheit zu hei-

len. Aus diesem Grund sollte jeder Fort-

oder Rückschritt regelmäßig festgehalten

werden.

Wer in der Pflege beschäftigt ist, möchte

Menschen helfen. Was die Dokumentation

angeht, sollten allein fachliche Erwägun-

gen eine Rolle spielen. Pflegekräfte sollten

sich nicht von der Angst leiten lassen, et-

was Falsches oder zu wenig aufzuschrei-

ben. Doch auch der Gesetzgeber kann

dabei helfen, bürokratische Vorgaben ab-

zubauen. Das würde bei allen Beteiligten

für mehr Sicherheit sorgen.

Die Pflegedokumentation

soll einfacher werden

Gegen eine derart unsinnige Dokumenta-

tion wendet sich ein Projekt zum Bürokra-

tieabbau in der Pflege. Es wurde bereits in

der Praxis getestet und soll den Dokumen-

tationsaufwand künftig reduzieren. Bun-

desgesundheitsminister Hermann Gröhe

(CDU) glaubt an den Erfolg: „Gute Pflege

braucht vor allem eins: Zeit. Wir müssen

die bürokratischen Anforderungen für die

Pflegekräfte deshalb auf das Maß redu-

zieren, das zur Qualitätssicherung wirk-

lich notwendig ist.“

Verbesserungen im Alltag

sind schon jetzt möglich

Während die Politik noch an der Umset-

zung des geplanten Bürokratieabbaus auf

Bundes- und Landesebene arbeitet, sind

Verbesserungen schon jetzt möglich. So

ist beispielsweise im stationären Bereich

eine Reduzierung der Dokumentation im

Bereich der Grundpflege denkbar.

Unter Grundpflege versteht man alltägli-

che Verrichtungen wie etwa Körperpfle-

ge oder Ernährung. Die Durchführung

derartiger Maßnahmen könnte von der

jeweiligen Einrichtung als ein Standard

definiert werden, der dann für alle Pfle-

ge- und Betreuungskräfte im Haus ver-

Page 31: SoVD-Magazin 07/08_2014

Karikatur– 31 –

Impressum

Seit September 2013 erscheint auf der SoVD-Website monatlich das SoVD-Magazin unter:

www.sovd.de. Das Online-Magazin bereitet einzelne Berichte und Schwerpunktthemen aus

der Mitgliederzeitung „Soziales im Blick“ für den Bildschirm des Computers oder mobile End-

geräte auf. Das SoVD-Magazin gibt es nicht in gedruckter Form; es stellt keinen Ersatz für die

SoVD-Zeitung dar. Herausgeber des SoVD-Magazins ist der Sozialverband Deutschland e.V.

(SoVD), Stralauer Straße 63, 10179 Berlin, Mail: [email protected]. Redaktion SoVD-Ma-

gazin: Veronica Sina (veo)/Abteilungsleiterin Redaktion (verantwortlich) und Joachim Baars

(jb), Stellvertretender Redaktionsleiter.

Mit spitzer Feder

Der Mindestlohn kommt

Page 32: SoVD-Magazin 07/08_2014

Jahrestag – 32 –

„Materialschlacht“ mit verheerenden und

unvorstellbaren Menschenverlusten be-

schrieben.

Am Kriegsende stand eine ganze Gene-

ration von Witwen, von vaterlos aufwach-

senden Kindern und von kriegsversehrten

Heimkehrern. Auch die Hungersnot infol-

ge des Kriegsgeschehens brachte Hun-

derttausende an Toten mit sich.

Das unermessliche Leid, das der Ausbruch

des Ersten Weltkrieges verursachte, war

der Anlass für die Gründung des Reichs-

bundes der Kriegsbeschädigten, heute

Sozialverband Deutschland (SoVD). Der

ehemalige Reichsbund setzte sich vor al-

Einen Krieg dieser Dimension hatte es zu-

vor noch nicht gegeben: Über 40 Staa-

ten waren weltweit direkt oder indirekt

am Kriegsgeschehen beteiligt. Unbekannt

waren bis dato nicht nur die globale Aus-

dehnung des Kampfes, sondern auch das

Ausmaß der Gewalteskalation und das

„industrialisierte“ Massentöten. Millio-

nenheere mit damals neuen, modernen

Waffen wie Panzern, schwerer Artille-

rie, Flugzeugen, U-Booten und Maschi-

nengewehren wurden dazu eingesetzt.

Auch den Einsatz von Giftgas hatte die

Welt noch nicht gesehen. So wurde der

Erste Weltkrieg von Zeitzeugen auch als

Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus

17 Millionen Tote und unermessliches Leid

In diesen Tagen jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100.

Mal. Der Krieg, der im Nahen Osten, in Afrika, auf den Weltmeeren und

in Europa geführt wurde, begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegser-

klärung Österreich-Ungarns an Serbien. Er endete am 11. November

1918 mit dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und den alliierten

Siegermächten Frankreich, Großbritannien und den USA. Der Erste Welt-

krieg kostete über 17 Millionen Menschen – Soldaten wie Zivilisten – das

Leben und brachte auch den Hinterbliebenen unermessliches Leid.

Page 33: SoVD-Magazin 07/08_2014

Jahrestag– 33 –

Foto: Dieter Pregizer /

fotolia

nach. Zum Jahrestag widmen sich

zahlreiche Ausstellungen dem ersten gro-

ßen Weltkrieg, u. a. die zentrale Ausstel-

lung des Deutschen Historischen Museums

„1914–1918“ in Berlin.

lem für die Versorgungsansprüche der

Opfer und Hinterbliebenen ein.

Noch heute wirkt der Erste Weltkrieg

als ein Krieg von historischer Tragwei-

te in den politischen Strukturen Europas

Page 34: SoVD-Magazin 07/08_2014

Jahrestag – 34 –

jeder einzelnen Toten, allen Verletzten und

schwer Traumatisierten. Wir schulden es

all denjenigen, die ihre Kinder, ihre Ehe-

männer und Ehefrauen, ihre Freunde und

ihr Hab und Gut verloren haben. Und

nicht zuletzt schulden wir es auch kom-

menden Generationen! Denn nur in dem

ständigen Bewusstmachen, wie schnell

eine Katastrophe solchen Ausmaßes auch

von uns Menschen selbst gemacht werden

kann, können wir verhindern, dass so et-

was jemals wieder geschieht!

Sie alle wissen, dass der SoVD, ehemals

Reichsbund der Kriegsbeschädigten und

Liebe Mitglieder des SoVD, liebe Leserin-

nen und Leser der SoVD-Zeitung, in die-

ser Ausgabe gedenken wir des Ausbruchs

des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren.

Die Konflikte rund um den Erdball zeigen

uns, dass wir nicht vergessen dürfen. Wir

dürfen nicht vergessen, in welcher Dimen-

sion dieser Krieg Europa und die Welt

erschüttert hat. Wir dürfen nicht verges-

sen, wie viele Menschen starben, schwer

verletzt wurden und Not litten. Es ist un-

sere Pflicht, uns immer wieder mit den

Ursachen und den Folgen dieses Krieges

zu befassen. Wir schulden es jedem und

Wir dürfen nicht vergessen!

Page 35: SoVD-Magazin 07/08_2014

Jahrestag– 35 –

Kriegsteilnehmer, in Folge des 1. Welt-

krieges gegründet wurde. Anlass für die

Gründung war u. a., Versorgungsansprü-

che für die Opfer und Hinterbliebenen

durchzusetzen. Neben dieser ganz prak-

tischen Aufgabe, stand und steht der

SoVD seit seiner Gründung jedoch auch

für den Einsatz für Frieden. Ich bitte Sie

daher, aus unserer leid- und schmerzvol-

len Geschichte zu lernen und sich auch

als Mitglied des SoVD ganz aktiv in ih-

rer Umgebung als Botschafterinnen und

Botschafter des Friedens und der Versöh-

nung einzusetzen.

Wir dürfen nicht vergessen!

Adolf BauerSoVD-Präsident

Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Page 36: SoVD-Magazin 07/08_2014

Service – 36 –

Weissen Liste können Pflegebedürftige und

Angehörige mithilfe von Fragen und Ant-

worten herausfinden, welchen Unterstüt-

zungsbedarf sie z. B. bei der Körperpflege

oder im Haushalt haben und welche dazu

passenden Leistungen von Pflegediensten

angeboten werden.

Über 80 Prozent aller Deutschen wollen

im Fall einer Pflegebedürftigkeit zu Hau-

se versorgt werden. Schon heute nehmen

rund 560 000 Pflegebedürftige die Hilfe

eines ambulanten Pflegedienstes in An-

spruch. „Wir wollen die Betroffenen in der

oftmals belastenden Situation dabei unter-

stützen, eine Auswahl zu treffen, die ihren

persönlichen Bedürfnissen entspricht “,

sagt Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied

der Bertelsmann Stiftung.

Die Weisse Liste ist ein gemeinsames

Projekt der Bertelsmann Stiftung und der

Dachverbände der größten Patienten- und

Verbraucherorganisationen. Unterstützt

wurde die Entwicklung des Pflegedienst-

vergleichs vom Bundesverbraucherminis-

terium. Das Portal zeigt als einziges in

Deutschland Nutzern nur solche Pflege-

dienste an, die ihren Wohnort tatsächlich

anfahren. Zudem lässt sich darin etwa

ermitteln, welche Dienste sich auf die Be-

treuung von Menschen mit Demenz spezi-

alisiert oder welche Intensivpflegedienste

aktuell freie Plätze haben.

Interaktiver Pflegeplaner

zeigt passende Leistungen

Im interaktiven Online-Pflegeplaner der

Online-Portal der Weissen Liste schafft Transparenz

Hilfe bei Wahl des Pflegedienstes

Pflegebedürftige und Angehörige können sich in einem unabhängigen

Internetportal über das Angebot und die Servicequalität von rund 13 000

Pflegediensten in Deutschland informieren. Unter www.weisse-liste.de

können Ratsuchende vor dem ersten Kontakt zu einem Dienst zudem

kalkulieren, welche Kosten auf sie persönlich zukommen.

Page 37: SoVD-Magazin 07/08_2014

Service– 37 –

ist es wichtig, dass die Betroffenen sich

über ihre Anforderungen bewusst wer-

den und sich auf Basis guter Informatio-

nen mit den Pflegediensten über die pas-

senden Hilfen austauschen können“, sagt

SoVD-Präsident Adolf Bauer. Dies sei

nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, da

die Pflegebedürftigen nach Abzug der

Kassenleistung alle Kosten für einen Dienst

selbst tragen müssen, so Bauer.

Die Weisse Liste unterstützt Ratsuchende

bei der Suche nach dem passenden Arzt,

Krankenhaus oder Pflegeheim. Der neue

Pflegedienstvergleich ist eine Erweiterung.

Leistungen frei wählen je

nach Unterstützungsbedarf

Viele Menschen wüssten gar nicht, dass

nicht Pflegekasse oder Pflegedienst die

Leistungen bestimmt, sondern sie selbst

frei wählen können, so Mohn. Die Weisse

Liste zeige dies mit ganz praktischen Inst-

rumenten wie einem Pflege-Wochenplan,

für den die Nutzer passende Leistungen

auswählen können.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) ist

Projektpartner der Weissen Liste. „Pflege-

dienste können in der Pflegesituation zu

Hause für deutliche Entlastung sorgen. Da

Das Portal zeigt unter anderem Pflegedienste an, die auf die Betreuung von Menschen mit Demenz spezialisiert sind.

Foto: Miriam Dörr / fotolia

Page 38: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 38 –

Bei der Klärung von Behandlungsschäden ist eine faire Chancenver-

teilung von großer Wichtigkeit. Das Patientenrechtegesetz, das im

vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, hat erstmalig die Rechte und

Pflichten der Patienten und Patientinnen im Behandlungsverhältnis in

einem Gesetz zusammengefasst. Der Behandlungsvertrag wurde ge-

setzlich verankert mit dem Ziel, die Rechte von Versicherten zu stär-

ken. Wenngleich das Patientenrechtegesetz allgemein als Schritt in

die richtige Richtung gesehen wird, ebbt jedoch die Diskussion nicht

ab, inwieweit durch das Gesetz in der Praxis tatsächlich eine Verbes-

serung der Rechte von Patientinnen und Patienten eingetreten ist.

Schwieriger Beweis von Behandlungsfehlern

Weiterhin erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Stärkung der Rechte von Patienten und Patientinnen

Foto: Poznyakov / fotolia

Page 39: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik– 39 –

Schwieriger Beweis von Behandlungsfehlern

Weiterhin erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Stärkung der Rechte von Patienten und Patientinnen

Page 40: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 40 –

selbst liegt. Dabei ist der Patient in der

Regel medizinischer Laie. Entsprechende

Forderungen des SoVD wurden bislang

nicht berücksichtigt. Auch wurden keine

wesentlichen Schritte eingeleitet, die ge-

richtlichen Verfahren bei Behandlungs-

fehlern zu beschleunigen. Unberücksich-

tigt blieb auch die Forderung nach einem

Entschädigungsfonds in Härtefällen.

Als Vertreter von Patienten und Patien-

tinnen sowie der gesetzlich krankenver-

sicherten Menschen hat der SoVD das

Gesetz im Grundsatz als positiv bewer-

tet. So wird dadurch mehr Transparenz

geschaffen. Auch die Verpflichtung des

Arztes, auf Fehler hinzuweisen, ist aus

Sicht des SoVD ein Fortschritt. Als posi-

tiv zu bewerten ist zudem die gesetzliche

Verpflichtung der Krankenkassen, ihre

Versicherten im Schadensfall zu unter-

stützen.

Der SoVD sieht jedoch weiterhin erheb-

lichen Verbesserungsbedarf in der aktu-

ell geltenden gesetzlichen Regelung. Die

Kritikpunkte hat der Verband frühzeitig

und wiederholt geäußert. Ein gutes Jahr

nach Inkrafttreten des Patientenrechtege-

setzes zeigt sich, dass sich die vom SoVD

vorgebrachten Schwachpunkte bestätigt

haben. Dies machen Erfahrungen von

Organsiationen deutlich, die sich intensiv

mit Patientenrechten befassen (siehe wei-

ter unten). Lücken zulasten von Patientin-

nen und Patienten werden insbesondere

bei der Klärung von Behandlungsschä-

den sichtbar. Ein wesentliches Problem

ist dabei, dass die Beweislast, dass mög-

licherweise ein Fehler passiert ist und

dadurch der Patient geschädigt wurde,

nach wie vor erst einmal beim Patienten

Hintergrund

Als „Behandlungsfehler“ wird die nicht sorg-

fältige Behandlung einer Ärztin oder eines

Arztes definiert. Er kann alle Bereiche ärztli-

cher Tätigkeit betreffen. Auch eine nicht den

anerkannten medizinischen Standards ent-

sprechende Behandlung gehört dazu. Ein Be-

handlungsfehler kann rein medizinisch sein,

sich aber auch auf eine fehlende oder un-

richtige, unverständliche oder unvollständige

Aufklärung über medizinische Eingriffe und

ihre Risiken sowie auf Dokumentationsmängel

beziehen. Auch Fehler nachgeordneter oder

zuarbeitender Personen werden darunter ge-

zählt.

Was ist ein Fehler in der Behandlung?

Page 41: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik– 41 –

___Welche Tatsachen müssen be-

wiesen werden?

Der Patient oder die Patientin hat zu be-

weisen, dass ein Fehler vorliegt, dass

dieser Fehler rechtswidrig und schuldhaft

war und dass es sich um einen groben

Fehler handelt.

___Inwiefern ist es aus Ihrer Sicht

kritisch, dass bei Behandlungs-

fehlern die Beweislast nach wie

vor auf Patientenseite liegt?

Es liegt in der Natur der Sache, dass im

Arzt-Patienten-Verhältnis die Sachwis-

sensherrschaft immer beim Arzt liegt.

Das Verhältnis ist davon geprägt, dass

der Patient oder die Patientin in erster Li-

nie Hilfesuchende(r), nicht jedoch gleich-

berechtigter Verhandlungspartner ist. Zu-

dem fehlt auf Patientenseite in aller Regel

medizinisches Detailwissen.

Gesundheitsexperte Klaus Kirschner im Interview

Schnell und lückenlos in Patientenakten einsehenKlaus Kirschner ist Mitglied im

Sozialpolitischen Ausschuss (SPA)

des SoVD-Bundesverbandes. Da-

rüber hinaus ist der anerkannte

Gesundheitsexperte Vorstands-

mitglied der Alexandra-Lang-Stif-

tung für Patientenrecht. Wir spra-

chen mit ihm über die aktuelle

Gesetzeslage.

Klaus Kirschner

Page 42: SoVD-Magazin 07/08_2014

Sozialpolitik – 42 –

Behandlung sediert oder narkotisiert, so

dass ihm die Details der Behandlung ver-

borgen blieben, sollte der Behandler die

Beweislast für die Fehlerfreiheit dieses Be-

handlungsabschnittes alleine tragen.

__Wie kann die Rechtslage außer-

dem verbessert werden?

Es sollte gesetzlich festgelegt werden,

dass neben der Einsichtnahme in die Pa-

tientenakte auch die Überlassung von Ko-

pien der Behandlungsunterlagen gegen

Kostenersatz ebenfalls unverzüglich und

vollständig erfolgen muss. Bislang gibt es

keinerlei Sanktionen, wenn ein Behandler

gegen die Pflicht verstößt, Einsicht in die

Patientenakte zu gewähren.

___Können diese Nachweise in je-

dem Fall erbracht werden?

Es gibt zahlreiche Konstellationen, in de-

nen der Patient schon allein aus den tat-

sächlichen Umständen heraus den Beweis

eines Fehlers und dessen Kausalität für eine

Schädigung nicht erbringen kann. Dies gilt

etwa, wenn der Patient in Narkose operiert

wurde oder als Schwerkranker die Behand-

lung im Einzelnen nicht erkennen kann.

___Welche Schwächen sind in der

Rechtsprechung zu beheben?

Der Gesetzgeber sollte im Rahmen einer

Gesetzesnovellierung zusätzliche Bewei-

serleichterungen auf Patientenseite schaf-

fen. War z. B. der Patient während der

Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, muss er diesen nachweisen.Foto: Alexander Raths / fotolia

Page 43: SoVD-Magazin 07/08_2014

Unterhaltung– 43 –

der ostdeutsche Schlagersänger Frank

Schöbel 1975 am „DDR-Strand“ dort das

Musikvideo für sein Lied „Eine Insel im

Golf von Cazones“. Na bitte.

Die fragliche Insel ist wenige Hundert

Meter breit, rund 20 Kilometer lang und

unbewohnt. Tatsächlich trägt sie nicht nur

den Namen „Cayo Ernesto Thälmann“, an

ihrem Strand wurde sogar

eine Büste des von

den Nazis ermor-

deten Kommunisten

aufgestellt.

Meldungen, nach de-

nen die Bundesrepub-

lik als Rechtsnachfol-

gerin der DDR nun im

Besitz einer Karibikins-

el sei, entbehren jedoch

jeder Grundlage. Die

damalige Umbenennung

war ein symbolischer Akt,

keinesfalls eine Besitzüber-

tragung. Immerhin drehte

Gibt‘s doch gar nicht, oder?

DDR-Insel in der KaribikIm Juni 1972 besucht Kubas Staatschef Fidel Castro Ostberlin. Wenige

Wochen später berichtet das Zentralorgan „Neues Deutschland“, Cast-

ro habe eine Insel im Süden Kubas nach dem Kommunistenführer Ernst

Thälmann benannt; der Strand trage den Namen „Playa RDA“ (DDR-

Strand). Besaß Erich Honecker somit eine eigene Insel in der Karibik?

Als Fidel Castro 1972 die DDR besuchte, soll er Honecker auf einer Karte die Schweinebucht gezeigt haben. Kurz darauf erhielt die „Ernst-Thälmann-Insel“ ihren Namen.

Fotos: Bundesarchiv, Bild 183-L0619-026 / CC-BY-SA; M.Rosenwirth / fotolia

Page 44: SoVD-Magazin 07/08_2014

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