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48 B~d.1 7~) $uli 1924.] J. T ill m a n s, Stand der Abwasserfrage. Vo r s i t z e n d e r: Ich bin fiberzeugt, dalg hier noch mancher Beltrag gelie fert werden, kSnnte, der die Ausffihrungen des Herrn Vortragenden unterstfitzen wfirde. Wenn Sic uns hier ffir die demnachst zu besehliel~ende Eingabe an das Reich und die L~nder noah einige Ausffihrungen angeben wollen, so will iah sie hier gerne entgegen- nehmen. Ich mSchte nur die Schlugs~itze, die die Grundlage ffir die Eingabe bilden,~ zur Debatte stellen. Diskussisn. Prof. P o pp-Frankfal~ a. M.: Ich stimme den Schlul~folgerungen des Harm Vortragenden- vail und ganz zu. Und als Vertreter des Verbandes selbst~ndiger 8ffentlicher Chemtkar kann ich nur sagen, daft die Kollegen aus unseren Kreisen auf dam Standpunkte yon Professor B e h re stehen und ein harmonisches Zusammenarbeiten mit den beamteten Cnemikern wfinschen und alIe Auswaehsa verurtellen. Wir verIangen ein kollegiales Verhalten nicht nut gegen, unsere Mitglieder, sondern auch gegen dm beamteten Kollegen und werden jeden, der un- kallegial vorgeht, auch in uuseren Reihen bekampfen. Vorsitzender: Ich m6chte noeh bemerken, daft die Ausffihrungen sich nur- gegen Fachgenossen richten, die sich nicht standesgem~ilg verhielten. Herr Dr. Seel', Jot nicht mehr unser Mitglied. Aus ]hrer Zustimmung zu den Schlugsatzen entnehme ]ch, daf wir diese zum Gegenstand einer Eingabe an das Reich und die L~nder- machen kSnnen. Ich danke nun noch Herrn Prof. Behre ffir das Referat, das er ~ uns in so grfindlicher Weise naeh eingehendem Studium der Verhaltnisse erstattete. :Nunmehr erteile ich tterrn Prof. Dr. T i 11 m a n s das Wort zu seinem Vortrageo, Uber den gegenwartigen Stand der Abwasserfrage. Van J. Tillmans. :Mitteilung aus dem Stadtisehen Universit~tsinstitut ftir Nahrungsmittal-- chemie in Frankfurt a. M. Der freundlichen Aufforderung unseres verehrten Herrn Vorsitzenden, heute vor Ihnen fiber den gegenw~rtigen Stand der Abwasserfrage zu spreehen, bin ich um so. lieber nachgekommen, als ich allen Fachgenossen empfehle~ m6chte, sich neben der- ~Nahrungsmittelkontrolle auah mlt diesen technisahen Fragen, die wirtschafflich wie gesundheitlich yon gleich grofer Bedeutung sind, zu befassen, wenn ihnen dazu Gelegen- heit geboten ist. Wir leben in tier Zeit des Abbaues und der Sparsamkeit. Die- :Nahrungsmittelkontrolle erfordert im allgemeinen nur Zusehtisse. Da kann es dem :Nahrungsmittelehemiker nur recht seth, wenn er gelegentlich durch Mitarbeit an der- artigen Fragen seiner BehSrde zeigen kann, dal~ er es aueh versteht, ihr Geld sparen zu helfen, was in diesen Fragen dureh richtige Ratschl~ge recht h~iufig mSglieh ist°. Das gilt um so mehr, als der Nahrungsmittelchemiker nach seiner ganzen Vorbildung und nach seinen Kenntnissen besonders geeignet ist, als Untersucher und Gutachter in derartigen Fragen tatig zu sein. Wenn ich Ihnen nun einen ~berblick fiber den derzeitigen Stand der Abwasser-- frage geben werde, so will ieh das in der Welse tun, daf ich zunaehst kurz die Abwasserreinigungsverfahren, insbesondere die neuen, sahildere, dann die Erfahrungem bet der Schlammbeseitigung behandele und endlich Richtlinien ffir die Untersuchung und Begutachtung yon Abwasser und Vorflutern erSrtere.

Über den gegenwärtigen Stand der Abwasserfrage

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Page 1: Über den gegenwärtigen Stand der Abwasserfrage

48 B~d.1 7~) $uli 1924.] J. T ill m a n s, Stand der Abwasserfrage.

Vo r s i t z e n d e r: Ich bin fiberzeugt, dalg hier noch mancher Beltrag gelie fert werden, kSnnte, der die Ausffihrungen des Herrn Vortragenden unterstfitzen wfirde. Wenn Sic uns hier ffir die demnachst zu besehliel~ende Eingabe an das Reich und die L~nder noah einige Ausffihrungen angeben wollen, so will iah sie hier gerne entgegen- nehmen. Ich mSchte nur die Schlugs~itze, die die Grundlage ffir die Eingabe bilden,~ zur Debatte stellen.

D i s k u s s i s n . Prof. P o pp-Frankfal~ a. M.: Ich stimme den Schlul~folgerungen des Harm Vortragenden-

vail und ganz zu. Und als Vertreter des Verbandes selbst~ndiger 8ffentlicher Chemtkar kann ich nur sagen, daft die Kollegen aus unseren Kreisen auf dam Standpunkte yon Professor B e h re stehen und ein harmonisches Zusammenarbeiten mit den beamteten Cnemikern wfinschen und alIe Auswaehsa verurtellen. Wir verIangen ein kollegiales Verhalten nicht nut gegen, unsere Mitglieder, sondern auch gegen dm beamteten Kollegen und werden jeden, der un- kallegial vorgeht, auch in uuseren Reihen bekampfen.

V o r s i t z e n d e r : Ich m6chte noeh bemerken, daft die Ausffihrungen sich nur- gegen Fachgenossen richten, die sich nicht standesgem~ilg verhielten. Herr Dr. Seel', Jot nicht mehr unser Mitglied. Aus ]hrer Zustimmung zu den Schlugsatzen entnehme ]ch, daf wir diese zum Gegenstand einer Eingabe an das Reich und die L~nder- machen kSnnen. Ich danke nun noch Herrn Prof. B e h r e ffir das Referat, das er ~ uns in so grfindlicher Weise naeh eingehendem Studium der Verhaltnisse erstattete.

:Nunmehr erteile ich t terrn Prof. Dr. T i 11 m a n s das Wort zu seinem Vortrageo,

Uber den gegenwartigen Stand der Abwasserfrage. Van

J. T i l lmans .

:Mi t te i lung aus dem S t a d t i s e h e n U n i v e r s i t ~ t s i n s t i t u t ftir N a h r u n g s m i t t a l - - chemie in F r a n k f u r t a. M.

Der freundlichen Aufforderung unseres verehrten Herrn Vorsitzenden, heute vor Ihnen fiber den gegenw~rtigen Stand der Abwasserfrage zu spreehen, bin ich um so. lieber nachgekommen, als ich allen Fachgenossen empfehle~ m6chte, sich neben der- ~Nahrungsmittelkontrolle auah mlt diesen technisahen Fragen, die wirtschafflich wie gesundheitlich yon gleich grofer Bedeutung sind, zu befassen, wenn ihnen dazu Gelegen- heit geboten ist. Wir leben in tier Zeit des Abbaues und der Sparsamkeit. Die- :Nahrungsmittelkontrolle erfordert im allgemeinen nur Zusehtisse. Da kann es dem :Nahrungsmittelehemiker nur recht seth, wenn er gelegentlich durch Mitarbeit an der- artigen Fragen seiner BehSrde zeigen kann, dal~ er es aueh versteht, ihr Geld sparen zu helfen, was in diesen Fragen dureh richtige Ratschl~ge recht h~iufig mSglieh ist°. Das gilt um so mehr, als der Nahrungsmittelchemiker nach seiner ganzen Vorbildung und nach seinen Kenntnissen besonders geeignet ist, als Untersucher und Gutachter in derartigen Fragen tatig zu sein.

Wenn ich Ihnen nun einen ~berblick fiber den derzeitigen Stand der Abwasser-- frage geben werde, so will ieh das in der Welse tun, daf ich zunaehst kurz die Abwasserreinigungsverfahren, insbesondere die neuen, sahildere, dann die Erfahrungem bet der Schlammbeseitigung behandele und endlich Richtlinien ffir die Untersuchung und Begutachtung yon Abwasser und Vorflutern erSrtere.

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~80 21. Hauptversammlung Deul~seher Nahrungsmittelehemiker. [ Zeitschr- f" Untersuchun~, d. Nahr , - ~1. Geml~mit te l ,

I. Die Verfahren der Abwasserreinigung.

Man unterseheidet die Verfahren der Abwasserreinigung bekanntlich raechanischen Verfahren und die bio]ogisehen Verfahren.

in die

1. Die m e c h a n i s c h e n V e r f a h r e n .

Die mechanischen VeHahren bezwecken nur, ungelSste Stoffe in mehr oder nven]ger grol~er Menge aus dem Abwasser zu beseitigen. Die grSberen suspendierten Stoffe enffernt man dutch Rechen, Gitter, Siebe und Sandffinge. Die bekanntesten Apparate dieser Art sind der Uhl fe lder ' sehe Fliigelrechen (1, 2) und die Rien'sche Scheibe (1, 2). Wenn auch die feinei'en suspendierten Stoffe, wie das meistens ver- langt wird, noch zu einem wesentliehen Teile mitbeseitigt werden sollen, so kann das nur in Absitzbecken gesehehen. Diese sind |anggestreckte Becken, in denen die Geschwindigkeit des Abwassers auf etwa 4--20 mm in der Sekunde verlangsamt wird. Dabei l~ifit das Abwasser auch feinere suspendierte Stoffe in Form yon Schlamm zu Boden fallen. Die ursprfinglieh gebauten Beeken waren die gewShnlichen Flaeh- becken (1, 2), welche aber heute bei Neubauten mehr und mehr verdr~mgt werden dureh die nach dem Trennverfahren eingerichteten Systeme. Bei diesen Bauten ist tier Schlammraum voltkommen yore Absitzraum getrennt. Das Absitzbeeken stell~ melst eine geschlitzte Rinne dar, welche in einem grSlileren Raum, dem darunter befindlichen Sehlammiaum, aufgeh~ngt ist. Die suspendierten Teilehen bewegen sieh dutch den oder die Sehlitze in den Schlammraum hinein. In den Kl~rraum kSnnen sie nieht zurfickgelangen. Ebensowenig kSnnen bei normalem Betriebe die bei der G~rung im Schlammraum hoehgetriebenen Fladen in den Absi~zraum gelangen, so dat3 der Klfirvorgang hierdurch nieht gestSrt werden kann, wie das bei Flaehbeeken h~ufig der Fall ist. Der wichtigste Vertreter des Trermsystems ist der Emscherbrunnen, der yore Baurat Dr. ~[ m h o f f- Essen erfunden und zuerst angewendet worden ist (1, 2). Ein iihnliehes System ist das des englischen Erfinders T r a v i s (1, 2). Das Emscher- system ist aueh vielfach abge~indert worden. Von diesen abge~nderten Trennsystemen hat wohl das O ms-Verfahren der Wiesbadener St~idtevereinigung (7) die meiste An- wendung in der Praxis gefunden. Bei diesem Verfahren ist der Absitzraum voll- kommen gesehlossen und'befindet sich ganz unter Wasser, was einen gfinstigen Erfolg auf Kl~reffekt und Schlammausfaulung haben soil. Zu erwiihnen sind hier aueh die- jenigen Systeme, bei denen Sehlammraum und Klfirraum nicht fiber, sondern neben- einander angeordnet werden. Der ttauptvertreter dieses Systems ist das :Neusffidter Becken (1).

Die Ausseheidung der suspendierten Stoffe naeh den Trennsystemen bietet gegenfiber den ~lteren Flachbeckenverfahren zwei wlehtlge Vorteile: :Einmat wird die Kl~rung dureh die im Schlamm vor sieh gehenden G~irungen erheblieh weniger gestSrt als bei den Flachbecken, wie ich schon oben erwahnte. Dann aber bieten auch die Emseher- und verwandten Systeme die beste MSglichkeit, der leidigen Schlammfrage I-Ierr zu werden. Ieh komme hierauf noeh zurfiek.

Die frfiher gebauten Faulbeeken (1) sind heute ganz allgemein verlassen. Man strebt heute stets dahin, alas Abwasser in nicht angefaultem, sondern mSglichst frischem Zustande den Flut~l~ufen zu fibergeben.

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48. Band.] Jnli 1924,] J. Ti 11 m a n s, Stand der Abwasserfrage. 81

2. Die b i o l o g i s c h e n V e r f a h r e n .

Bei dem meehanischen Verfahren bleiben die gelSsten Stoffe des Abwassers praktisch vSllig unverKndert. Ein so gereinigtes Abwasser geriit deshalb meistens bei ruhigem Stehen in stinkende F~iulnis, wenn es, wie z. B. die hiius]ichen Abw~tsser, f~ulnisfiihig ist. Der Zweck der biologischen Verfahren ist es deshalb, auch die gelSsten Stoffe so umzuwandeln und zu zersetzen, da$ eine F~ulnisfiihigkeit des Abwassers nicht mehr in Frage kommt. Die Voraussetzung ffir jedes biologische Verfahren ist meist die Befreiung des Abwassers yon den suspendierten Stoffen durch die mechanischen Verfahren. Es glbt eine ganze Reihe von verschiedenen biologlschen Verfahren.

a) Die L a n d b e r i e s e l u n g (1, 2). Bei den Verfahren der Landberieselung k5nnen wir (]as Rieselfeldverfahren yon der intermittierenden Sandfiltratlon unter- scheiden. Bei den Rieselfeldern wird das Abwasser dureh den Boden gerieselt. Bei den intermittierenden Sandfiltern wird es auf besonders pri~parierten Sandfl~ichen zur Verrieselung gebracht. Im letzteren Falle kann auf der gleichen Fl~iehe sehr viel mehr Abwasser behandelt werden aIs auf den Rieselfeldern; es muI~ aber auf land- wirtschaftliche Ausnutzung der Rieselfl~ichen verzichtet werden, die bei Rieselfeldern allgemein geschieht. Die Wirkung besteht in beiden Fallen darin, dat~ durch Absorptionsvorgiinge und dutch die Mikroorganismen des Bodens die gel6sten Sehmutz- stoffe, insbesondere das Eiwei$ und seine Abbauprodukte, so welt zersetzt und entfernt werden, dai~ das Abwasser nieht mehr fiiulnisfiihlg ist. Das Rieselfeldverfahren hat in Deutschland nur in verh~ittnism~i$ig wenig St~idten Anwendung gefunden. Die Grfinde dafrir liegen auf tier Hand. Es sind ungeheucre Fliichen erforderlieh, die nur in Frage kommen, wo biltlges Gelii.nde, insbesondere Heideboden oder sonstige unbebaute BodenflS.chen, in der :N~he der betreffenden St&dte in grot~er Ausdehnung billig zu haben ist. Das Verfahren der intermittierenden Sandfiltration hat in Deutschland in grSSerem Stile riberhaupt keine Anwendung gefunden, w~ihrend es in Amerika reeht verbreitet ist (8).

b) Das k f i n s t l i e h e b i o l o g i s e h e V e r f a h r e n ( 1 , 2). Die grSl~teBedeutung hat dagegen auch bei uns in Deutschland das krinstliche biologische Verfahren erlangt. Es besteht darin, da$ das durch mechanische Vorrichtungen gut vorgereinigte Ab- wasser in bestimmte grol~e KSrper aus Ziegelbrocken, Koksstricken, Kesselrostschlacke oder ii.hnlichem Material hineingebraeht wird, bezw. auf den betreffenden KSrpern verspritzt wird. Man unterscheidet danaeh Frill- und Tropfk6rper. Die FrillkSrper werden mit dem Abwasser beschickt. Man ]~iI~t das Abwasser einige Zeit darin stehen, zieht es dann ab, riberl~l~t den KSrper einige Zeit der Ruhe und beschickt ihn dann von neuem. Bei den Tropfk6rpern wird dutch Vorrichtungen tier ver- sehiedensten Art, wie Drehsprengern, Wandersprengern, Drisen usw. das Wasser in Tropfenform verspritzt und tiber die groSen KSrper geleitet. Der Betrieb der Tropf- kSrper ist im Gegensatz zu dem der FfillkSrper kontinuierlich, allerdings mit ebenfalls yon Zelt zu Zeit zwisehengeschalteten l~uhepausen. Die TropfkSrper haben heute die FfiUkSrper fast vSllig verdrangt, well sie sich als erheblieh praktiseher und wirt- schaftlicher erwiesen haben. Nach den Untersuehungen yon D u n b a r und seinen Schrilern beruht die Reinigung des Abwassers in biologlschen KSrpern in folgenden Vorgiingen (1): Die Broeken werden alsbald iiberzogen yon einer schleimigen Schicht, die aus Bakterlen und allen mSglichen sonstigen tierischen und pflanzlichen Organismen

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82 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelehemiker. [Zeitschr. f. Untersuchung [d, Nahr.- u, Genul~mittel.

besteht. Erst wenn diese schleimige Schicht riehtig ausgebildet ist, reinigt der KSrper das Abwasser ausreiehend. Ein biologischer K6rper mul~ sich also stets erst ein- arbeiten. Dutch diese schleimige Sehicht werden nun die Kolloide des Abwassers, insbesondere die EiweiBstoffe und ihre hoehmolekularen Spaltungsprodukte adsorbiert. Die dutch Adsorption aufgenommenen Stoffe we~den dann yon zahlreiehen Mikro- organismen zersetzt und umgewandelt, wobei der organische, gelSste Stickstoff grSt~ten- tells verschwindet und in Salpeters~ure und salpetrige S/iure iibergefiihrt wird. Diese in der Schleimschicht entstandenen Umsetzungserzeugnisse werden nun yon dem naehtropfenden Wasser, bei dem wiederum primer die Absorption vor sich geht, gelSst. So ist denn das aus dem TropfkSrper ablaufende Abwasser gewShnlich reich an Nltraten und Nitriten, frei von Kolloiden, und die organisehe Substanz des Roh- wassers ist dutch die Organismentiitigkeit so ver/indert worden~ da~ das Wasser bei ruhigem Stehen nicht mehr in F/iulnis ger/it. Aus TropfkSrpern werden aber ge- wShnlich gro~e Mengen suspendierter Stoffe mit fortgeschwemmt. Diese suspendlerten Stoffe sind zwar nicht mehr fiiulnisf/ihig, kSnnen aber unangenehme StSrungen in einem Vorfluter bewirken. Daher miissen die Abliiufe aus den biologlschen KSrpern nochmals nachgereinigt werden, was moist dutch ein gewShnliches kleines Flach- becken geschieht.

c) Das F i s e h t e i c h v e r f a h r e n (9, 10, 11, 1~). Als biologisches Verfahren ist auch das Fischteiehverfahren anzusehen. Es ist zuerst yon Prof. H o f e r in Mfinchen vor etwa 15 Jahren angewendet worden. Das Verfahren beruht darin, dat~ die zu entfernenden Abw~isser in Teiche eingeleitet werden, die mit grol~en Fischen, melst Karpfen, besetzt sind. Be ider Ableitung yon Abwasser in derartige Teiche bilden sieh alle mSglichen Organismen aus, die sich gegenseitig verzehren. Von den Bakterien leben die Flagellaten, Ciliaten, R~dertiere, Protozoen usw. Die griinen Algen vermSgen organisehe Substanz aufzunehmen, entfernen aber vor allem bei der Assimilation die gebildete Kohlens~iure und sorgen fiir Sauerstoffproduktion. Damit schaffen sie die giinstigsten Bedingungen fiir alle iibrigen luftbediirftigen Organismen. Von den Protozoon usw. leben die kleinen WasserflShe odor -krebse. Diese wiederum bilden die wichtigste l~ahrung fiir die kleinen Fische. Von diesen leben die grolilen Fische. Sie verzehren aueh die auf dem Flu~boden sieh entwiekelnden Wfirmer, Sehneeken, Egel, AsseIn, Insektenlarven usw., welche ihrerseits den zu Boden gefallenen Schlamm verzehren und nehmen z. T. auch die Abfallstoffe direkt auf. So setzen sich ietzten Endes die Schmutzstoffe der Abw~sser in niitzliches Fischfleisch urn.

Das Verfabren ist zuerst in einer Versucbsanlage in StraSburg ausprobiert worden. In den letzten gahren sind Anlagen in Bergedorf, Amberg und auf den Berliner RieseIfeldern gebaut worden.

d) Die A b w a s s e r r e i n i g u n g mi t a k t i v i e r t e m S c h l a m m (13, 14). Ein interessantes neues biologisches Abwasserreiuigungsverfahren ist die Behandlung mit aktiviertem Schlamm. Das Verfahren ist kurz vor dem Kriege in England erfunden worden. Es ist wiihrend des Weltkrieges vor allem in Amerika durchgebildet worden und in seiner praktischen Gestalt erst naeh dem Kriege in Deutschland aus der Literatur bekannt geworden. In England ist eine Reihe yon Anlagen errichtet, die aber als grSSere Versuehsanlagen anzusehen sind. Dagegeu ist das Verfahren in Amerika im vollkommenen GroSbetriebe in verschiedenen St~dten zur Durchfiihrung gelangt. Es besteht darin, da$ man dem zu reinigenden Abwasser sog. Floeken- schlamm yon der vorigen Behandlung des Abwasser in besonderen Liiftungsbecken

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is. B.~nd.1 J. Ti l lmans Stand der Abwasser~Yage. 83 Juli 1924.J

beimischt. Nun wird das Abwasser grfindlich belfiffet. Die Liiftung geschieht durch porSse Filterplatten, welche an der SoMe der Lfifmngsbecken angebracht sind. Das Mischungsverhiiltnis richtet sich nach der Abwasserbeseha~fenheit. Die zugesetzten Schlammengen betragen gewShnlich 15--25°/o der Abwassermenge. Die ~iui~ersten Grenzen sind 5 und 60°/o. Die verbrauchte Luftmenge schwankt im altgemeinen zwischen 6- -9 cbm auf 1 cbm Abwasser. Die Belfiftung dient zweierlei Zwecken, einmal das Abwasser mit dem aktivierten Schlamm in lgmgerer Beriihrung zu halten, dann auch fiir die Oxydationsbakterien die geeigneten Bedingungen herzustellen. Zweckm~l~ig ist eine Vorreinigung des Abwassers durch Feinrechen, um die grSberen Suspensa zu entfernen. Auch Absitzbecken sind schon zur Vorreinigung angewendet worden. Die Dauer der Beliiftung hiingt ab vonde r Zusammensetzung des Abwassers, insbesondere yon dem Kolloidgehalte. Bet der Belfiftung scheiden sich die Schwebe- stoffe und Kolloide in Floekenferm ab, daher der Name Flockensehlamm. Dann wird in Absitzbeeken gekliirt. Das sich absetzende Abwasser sotI sich welt besser kl~ren lassen als nicht beliifte~es Abwasser und sell fast ktar wie Trinkwasser sein. Es ist nicht mehr f~iulnisfiihig und soil nur noch etwa 5- -20 mg suspendierte Stoffe enthalten.

Die bet dieser Art der Abwasserreinigung vor sich gehenden Verge'rage sind etwa dieselben wie die Vorg~inge beim kiinstliehen biologischen Verfahren. Der erste Vorgang ist ein physikaliseher. Durch das Beliiften werden n~mlieh die feinen Sehwebestoffe und die Kolloide ausgefloekt, bilden eine schwammartige Oberfl~iche, die viel Luft enthiilt und die infolgedessen fi~hlg ist, die Kolloide des Abwassers zu adsorbieren. Durch die g]:eichzeitig in den Floeken vorhandenen Bakterien werden nun diese adsorbierten Stoffe abgebaut und in iihnlicher ~Veise ver~ndert wie beim biologisehen Verfahren. Wegen der Eigensehaften des beliifteten Schlammes, in hohem Ma~e auf andere Kolloide und ~eine Schwebestoffe einzuwirken, hat er den Namen , , a k t i v i e r t e r S c h l a m m " erhalten. Durch die Behandlung mit aktiviertem Sehlamm werden nicht nut 'die Schwebestoffe des Abwassers, sondern auch der Bakteriengehalt um 90--95°/o herabgesetzt.

Das Verfahren ]iefert die weitaus grS~ten Schlammengen yon alien bekannten Abwasserreinigungsverfahren. Der Sehlamm ist hoehwii.sserig. Seine Unterbringung uf~d Beseitigung scheint bisweilen Schwierigkeiten zu bereiten, indessen sollen diese keineswegs so erheblich sein als beim Frisehschlamm. Der Sehlamm sell auf Land ohne Geruehsbeliistigungen der Umgebung zu trocknen sein. Auch masehineIles Trocknen dutch Filterpressen oder Zentrifugen wird versucht.

Das Verfahren ist nach dem Urteil der amerikanischen Fachleute vor allem dann zu empfehlen, wenn es auf besonders gute Abwasserreinigung ankommt und wenn Betriebskraft ffir die Beliiftung usw. zu billigen Preisen zur Verffigung steht.

e) B e h a n d t u n g des A b w a s s e r s mi t C h l o r (15, 16). Seit einer Reihe von Jahren wird das Chlor fiir die Sterilisierung von Trinkwasser mit bestem Erfolg in der Praxis verwendet. Auch zu Desinfektionszwecken hat man sich yon jeher des Chlors bet der Sterilisierung yon Abwasser bedient, wenn es sich darum handelte, Krankheitskeime aus dem Abwasser zu entfernen. Neuerdings wird aber das Chlor noeh fiir einen anderen Zweck in der Abwasserreinigung benutzt, n~imtich als ein gewisser Ersatz ffir d~is kfinstliche blologische Verfahren. Anlagen dieser Art sind im rheinisch-westfiilischen Industriegebiet yon der Tri ton-Gesellschaft in Berlin und neuerdings aueh in Holland yon der B a m a g (Berlin-Anhahisehe Masehinenbau A. G.)

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84= 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker. [Zeitschr. f. l.Tntersuchun$ [d. Nahr,- u. Genul~mi~tel.

Berlin, erbaut worden. Zu diesem Zwecke wird in das meehanisch gekli~rte Abwasser eine bestlmmte Iffenge Chlorgas eingeleitet. Die ganze Apparamr ist ~ul~erst einfach. Sie besteht in einer oder mehreren Chlorbomben mit einigen Me~- und Dosierungs- apparaten. Die verwendeten Chlormengen sollen das Abwasser nieht sterilisieren, sondern nur einen Teil der Bakterien, welche die unangenehmsten Wirkungen entfalten und gleichzeitig die empfindlichsten sind, abtSten.

Wenn der Vorftuter ffir ein Abwasser ein klelner Flul~- oder Bachlauf ist, so wurde vor dem Krlege meist yon den A~ufsichtsbehSrden die Reinigung des Abwassers dureh biologisehe Verfahren vertangt. Andernfalls bilden sieh in dem betreffenden Bach. oder Flul~laufe grebe Schwierigkeiten durch das Faulen des etwa nur meehanisch gereinigten Abwassers aus. Bei der allgemeinen Armut, welche in Deutschland nach dem Kriege entstanden ist, ist es nun sehr schwierig, Stadten oder Fabriken in solchen Fallen immer das biologische Verfahren vorzuschreiben,, da diese Anlagen stets sehr viel kostspieIiger im Bau und Betrieb sind als die einfachen meehanischen Verfahren. Die Schwierigkeiten in den kleinen Vorflutern riihren aber nur yon der Fiiulnisfiihigkeit des Wassers her. Kann man nun durch kleine Chlorzus~itze die Ffiulnisfiihigkeit des Abwassers solange verzSgern, bis sich das mit dem Abwasser vermischte Wasser des Bachlaufes in elnem grSl~eren Vorfluter befindet, so kSnnen dadurch Schwierigkeiten in dem kleinen Vorfluter vermieden werden. In dem grol~en VoHluter ist aber die Verdiinnung so stark, dat~ Schwierigkeiten infolge der st~irkeren Verdfinnung des Abwassers nun nicht mehr aufzutreten vermSgen.

Bei der einfachen Art yon Apparatur und Betrieb, den geringen Chlormengen und dessen billigem Preis sind die Kosten des VeHahrens sehr gering.

Mit der Wirkung des Chlorzusatzes auf Abwasser in dieser Richtung habe ich reich in einer Reihe yon Versuehen beseh/iftigt (15). Frankfurter gekl/irtes Abwasser wurde mit wechselnden Mengen yon Chlor versetzt und zwar yon 3--2(J mg .pro Liter ansteigend. Die Versuche ergaben, dal~ dureh geringe ZusRtze yon Chlor zu f~ulnis- f/~higem Abwasser der Eintritt der F/iulnis mehrere Tage verzSgert werden kann. Das n~here Studium der Zersetzungsvorg~nge ergab, dal~ die Zersetzung der hochmolekularen stickstoffhaltigen K5rper des Abwassers im gechlorten Abwasser viel langsamer verl~uft. Hand in Hand damit trat die Schwefelwasserstoffbildung viel langsamer und in er- hebllch geringerem Umfange auf. Der Sauerstoff bleibt dem gechlorten Abwasser viel l~inger erhalten, und die ZerstSrung yon Nitraten ist ganz betriichtlich verzSgert.

We]ehe Menge von Chlor fiir die Kl[irung der Abw~sser zu verwenden ist, ist eine Frage, die sich nur yon Fall zu Fall beantworten l~il~t. Sie h[ingt in erster Linie yon der Beschaffenheit, insbesondere der Konzentration des betreffenden Abwassers ab. Bei normalen h~us]ichen Abw[issern wird man im allgemeinen mit Konzentra- tionen yon 5--10 mg Chlor auszukommen vermSgen. Im Einzelfalle mfissen prak. tische Untersuchungen entscheiden, wieviel Chlor angewendet werden muir, Um die F~iulnisffihigkeit genfigend lange hinauszuziehen. Bei der Chlorierung des Abwassers wird es slch meist um B/iche handeln, in denen sich schlimme Zusthnde sehon ent- wickelt haben. Das Pilzwachstum, die Fi~ulnis, die Verpestung der Umgebung usw., lassen sich mit diesem Verfahren sieher beheben. Allerdings ist es nicht mSglich, dem Vorfluter das normale biologische Leben durch die Chlorierung zurfiekzugeben.

Bei einer Kl~ranlage, we]che in dieser Weise mit einem Chlorzusatz yon 7 mg]l arbeitete, babe ich die Beobaehtung gemacht, da~ eine Streeke unterhalb des Einlaufes der Abwiisser in den Bach in der Luft deutlicher Chlorgerueh bemerkbar wurde.

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48. Band ] Juli 1924.] J. Ti l l m a n s, Stand der Abwasserfrage. 85

I L Schlammbehandlung.

:Naeh wie vor ist die Schlammfrage das Kernproblem der ganzen Abwasser- behandlung. Die wicht~gste Verwendungsart ist auch heute noeh die Verwendung zu Dfingezwecken. Die Trocknung des Sehlammes aus gewShnliehen Flaehbecken in Filterpressen ist tells unmSglich, tells zu kostspielig. Die yon mir ~n Gemeinschaft mit Herrn G r a f e n yon S c h w e r i n vor einer Reihe von Jahren ausgefiihrten Unter- suchungen, den Kl~rsehlamm auf elektro-osmotlschem Wege zu troeknen, haben zu praktisehen Verfahren nieht geffihrt. Die Schleudermaschine S c h i l l e r t e r Mer (2, 17) ist in einigen StRdten, u. a. in Frankfurt, angewendet worden. Der Apparat, der den Schlamm bis zur stichfiihlgen Beschaffenheit bringt und den stichfesten Schlamm automatisch ausschleudert, ist maschinell eine hervorragende Leistung. Er ist auch in den vergangenen Jahren immer welter verbessert worden. Ffir die Abwasser- schlammbehandlung entsteht aber bei Anwendung dieses Apparates ein grundsiitzlicher Nachteil. Von der in den Apparat einflie~enden Sehlammasse werden niimlich hSchstens 500/o ausgesehleudert. Die fibrigbleibenden Stoffe verlassen den Apparat unter dem Namen Abwasser, sind aber in Wirk|ichkeit ein reeht konzentrierter Schlamm. Dieser feine, stark angefaulte Schlamm wird nun meistens dadurch beseitigt, dal~ er in die Kl~trbecken zurfickgeleitet wird. DaM kann nleht nut eine schnellere Anfaulung des Abwassers bewirken, sondern es mut~ auch den Kl~ireffekt beeintr~chtigen, da sich die feinen Stoffe des Schlammes grSt~tenteils nieht wie(Ier absetzen. Ein weiterer bTaehteil der Apparate ist der hohe Kraftverbrauch.

Der Hauptfortschritt, der in der Schlammfrage erzielt worden ist, beruht m. E. in der Kliirung nach dem Trennverfahren, in Emscherbrunnen und verwandten Systemen. In don Emscherbrunnen fault der Sehlamm unter Wasser aus. Da die F/iulnisvorg/inge im Brunnen unter Wasser vor sieh gehen, so bel~stigen sic die Umgebung nieht oder jedenfalls in nicht ann~ihernd demselben Mal~e, wie das bei der Behandlung des aus Flachbeeken stammenden Frischschlammes auf Land der Fall ist. Der ausgefaulte Schlamm ist eine gleichm~ii~ige, tiefschwarze Masse, die nicht mehr faul stinkt, sondern einen leieht teer- oder petroleumsartigen Geruch auf- weist, der keineswegs unangenehm ist. Wfihrend der Wassergehalt frischen Schlammes zwisehen 90--97°/o schwankt, besitzt der ausgefaulte Schlamm einen Wassergehalt yon 75--80°/o. Es ist also eine sehr starke Konzentrierung des Sehlammes erfotgt. Hinzu kommt als weiterer Vorteil, dalil der ausgefaulte Sehlamm leicht an der Luft zu trocknen ist. Er hat die kolloide und sehleimige Beschaffenheit verloren, scheidet das Wasser leicht ab und trocknet an der Luft in kurzer Zeit aus, wobei Geruchs- bel~istigungen der Umgebung nicht auftreten. Die Tatsaehe, daiit im letzten Jahrzehnt der B a u d e r Emscherbrunnen und der verwandten Systeme in Deutschland sowohl wie im Auslande immer mehr zugenommen hat, ist haupts~chlieh auf diese gliiekliehe LSsung der Schlammfrage zuriickzufiihren. Bei der F~iulnis hat der Schlamm allerdings in seinem Diingewert etwas elngebii~t, was abet mlt Rfieks~eht auf die vielen anderen Vorteile unbedenklich in den Kauf genommen werden kann.

Bisweilen kommt es vor, daI~ bei besonders gearteten Abw~ssern der in einem Emscherbrunnen entstehende Schlamm nieht ausfaulen will. Der Schlamm wird nicht schwarz. Er bleibt braun oder gelb und stinkend. :Nach den Untersuchungen yon T h u m m und R e i c h l e beruht das gew6hnlich auf der zu sauren Beschaffenheit des Abwassers und Schlammes. Angaben, wie in solchen Fallen die Schlammfaulung in

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86 21. ttauptversammlung Deutscher Nahrungsmi~telchemiker. [zeitschr. f. Untersuchung /d, Nahr.- u. Genufmi t t e l .

richtige Bahnen geleitet werden kann, finden sich bei T h u m m und R e i e h l e (18) und S t r a i ] b u r g e r (19). "Ich habe in einem Falle, bei dem ein Schlamm einer kleinen biologisehen KIKranlage nicht ausfaulen wollte, das Ubel dadurch zu beheben vermocht, daS ieh in den Brunnen gut ausgefaulten Sehlamm einer anderen biologischen Kliiranlage hineinbringen lieS.

Was die friiher viel erSrterte F e t t g e w i n n u n g aus gew5hnlichem Ktfirschlamm angeht, so habe ich schon vor 12 Jahren den Standpunkt vertreten, daS die Fett- gewinnung aus gewShnlichem K1/irschlamm in der Praxis nicht rationell zu gestalten ist (2). Die weitere Entwickelung der Dinge hat mir in jeder Hinsicht reeht gegeben. Wenn eine MSgliehkeit gewesen w/ire, aus gewShnliehem Kl/irsehlamm Fett auf rationellem Wege zu gewinnen, so h~itte dleses in der Kriegszeit mit ihrer ungeheueren Fettnot und den hohen Preisen ffir Fette jeder Art m5glich sein m/issen. Wiihrend der Kriegszeit ist unter Mitwirkung des Reichsausschusses ffir 01e und Fette eine Versuchs- anlage in Elberfeld betrieben worden. Zu einer Fettgewinnung in groSem Stile ist es abet auch wfi~hrend des Krieges nirgendwo gekommen. Vet dem Kriege scheiterte die Rentabilit/~t an den niedrigen Preisen ffir derartlge Abfallfette. W/ibrend des Krieges seheiterte sie offenbar daran, dag bei der ungeheueren Fettnot der Kl/ir- schlamm viel firmer an Fett war als vor dem Kriege, womit natiirlich die Gewinnung der geringen Fettmengen noch teurer wurde. SelbstverstKndlich ist die Fettgewinnung sofort lohnend durehzuffihren und besonders in England durehgefiihrt worden, wenn der Abwasserschlamm besonders reich an Fett ist, wie bei dem Abwasser yon grol]en WollwKschereien und/ihnlichen Betrieben. Aueh empfiehlt es sich bei besonders fettreichen Abw/lssern, so den Abw/issern yon Sehlachth/iusern, Kfichenbetrieben usw., Kremer-Apparate (2, 22) in die Kan~le einzubauen und dadurch den sich absetzenden Schlamm in fettreichen und fettarmen Schlamm zu trennen. Der fettreiehe Sehlamm kann dann oft mit gutem Gewinn auf Fett verarbeitet werden. So ist in der Kriegs- zeit auch auf Dr~ingen des Reichsausschusses ffir Fette und 01e an vielen Stellen verfahren worden.

Auch die friiher 5frets angestellten Versuche, durch Ve rg a s u n g a u s dem Kl~r- sch]amm ein geeignetes Kraftgas zu gewinnen (2), haben meines Wissens zu praktischen Erfolgen nieht gef/ihrt. Dahingegen lassen sich brennbare Gase ohne irgendwelche Sonderkosten gewinnen, wenn der K1Krschlamm unter Wasser dem AusfaulungsprozeI~ unterworfen wird, wie das z. B. bei dem Emseherbrunnen der Fall ist. Diese Gase bestehen haupts/~chlich aus Sumpfgas neben Kohlens/iure, Stickstoff und Wasserstoff. Das Gas besitzt einen hohen Brennwert. Die teehnischen Anlagen brauchen nut darin zu bestehen, das Gas in geeigneter Weise aufzufangen und der Verbrauchsstelle zuzuleiten. Im rheinisch-westf/ilisehen Industriegebiet beabsichtigt man, das Gas aus den Emscherbrunnen direkt in die sti~dtische Gasversorgung einzuffihren (20, 21, 23). In Erfurt sell ferner das Gas der sog. ,,Erfurter Triehter" verwertet werden. Zu diesem Zweek ist eine AktiengeseUsehaft unter Beteiligung der Stadt ins Leben gerufen worden (24).

l I I . Wahl des geeigneten Re in igungsver fahrens fiir hi~usliche und gewerbl iehe Abw~sser.

Fiir die ~Vahl des geeigneten Reinigungsverfahrens hat man die Abw~sser in zwei Gruppen zu gliedern, namlich erstens h/iusliches Abwasser und gewerbliehes

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48. Band.~ Juli 1924.] J. T i l lmans , Stand der Abwasserfrage. 87

Abwasser, welches ebenso wie h~usliches Abwasser fiiulnisf~hig, ist und zweltens nicht f~uInisfiihiges gewerbliches Abwasser.

Ffir die Beantwortung der Frage, welches der gesehilderten A b w a s s e r - r e i n i g u n g s v e r f a h r e n f i i r d i e R e i n i g u n g e i n e s f g t u l n i s f i ~ h i g e n A b w a s s e r s auszuwi~hlen ist, gibt es keine allgemeinen, fiir alle F~lle passenden Regeln. Die Auswahl mu~ vielmehr in jedem Einzelfalle getroffen werden. Mal~gebend ist vor allen Dingen die Menge und Konzentration des Abwassers und die GrS~e des Ver- fluters. Groi]e, schne]l dahinstrSmende wasserreiche Fliisse, wie Rhein und Eibe, kSnnen, ohne dal~ irgendwelche Schwie6gkeiten auftreten, ein nut meehanisch grob vorgereinigtes Abwasser verdauen. So ist auch den St~dten KSIn und Dresden die Ableitung ihrer Kanalisationsabw~sser in den Rhein bezw. in die Elbe nach nut grober Vorreinigung dutch Absiebvorrichtungen gestattet worden. Bet mittleren Fliissen, z. B. dem Main, mtd~ das Abwasser mindestens in Absitzbecken auch noch von dem grSl~ten Tell der feineren suspensierten Stoffe befreit werden. Bet kleineren Vorflutern mul~ im allgemeinen eines der biologischen Reinigungsverfahren in Anwendung kommen, wenn sich nicht unterhalb tier Abwiissereinleitung grol]e Unzutr~glichkeiten im Vet- fluter einstellen sollen. Unter Umstgmden kann geprfift werden, wie welt die Chlorierung des Abwassers naeh nut mechanischer Vorreinigung ausreichend ist.

~ o c h vie l w e n i g e r l a s sen sich a l l g e m e i n e R e g e l n fiir die W a h l des R e i n i g u n g s v e r f a h r e n s bet d e n j e n i g e n g e w e r b l i c h e n Abwi~ssern au f - s t e l l e n , die n i c h t f ~ u l n i s f a h i g sind. Hier handelt es sich gewShnlich um die Beseitigung yon bestimmten sch~idlichen Stoffem We es ang~.ngig ist, sollten solche gewerblichen Abwiisser in st~itisehe Kanalisationen aufgenommen werden. Dabei darf abet nicht vergessen werden, dal~ manche Abwgtsser, wie z. B. die Abwiisser der Gasfabriken, die biologische Reinigung des Gesamtabwassers erheblich erschweren kSnnen.

Die Erfahrungen bet der Reinigung der ~vichtigsten gewerbliehen Abwiisser seien noch kurz erwiihnt.

Die K a l i a b w ~ s s e r enthalten grol~e 5![engen von~ Chlormagnesium und Chief- calcium, welehe die Fhl~li~ufe versalzen und verh~rten. Das bringt groi~e Nachteile ffir die Unterlieger bet der Verwendung des Wasser der Flfisse zu Trink- und gewerb- lichen Zwecken mit sich. Es sind zahlreiche Versuche unternommen und viele Patente erteilt worden, die mehr oder weniger darauf hinauslaufen, die Kaliabw~sser einzu- dampfen. Die beim Eindampfen gewonnenen Produkte sollen dann die Kosten des Eindampfens bezahlt machen. Es ist wenig wahrscheinlich, dat~ auf diesem Wege die Kaliabwasserfrage gelSst werden wird, und zwar deswegen, well bet den ungeheueren Mengen yon Chlormagnesium und Chlorcaleium, die tagtiiglich in Kaliwerken anfallen, der geniigende Absatz flit die zu erzeugenden Produkte wahrscheinlich gar nieht gegeben ist. Die aul~erordentlieh zahlreiehen Arbeiten yon Dun b at , Tj ad e n, dem Reichsgesundheitsamt, der Landesanstalt ftir Wasserhygiene, P r e c h t und anderen Sachverst~ndigen suchen also eine bestimmte Grenze zu linden, bis zu welcher die Versalzung und Verh~rtung der FluB1/i.ufe noch eben von den Unterliegern ertragen werden kann (25, 26). Dabei gehen naturgem~B die Ansichten der Sachverst/indigen der Kaliindustrie und der yon den Unterliegern mit der Untersuchung beauftragten Sachverst~ndigen stark auseinander. Bet der hohen Bedeutung, we]che die Kaliindustrie fiir Deutsehlands Wirtschaft besitzt, bet den gro$en gesundheitlichen und wirtschaft- lichen Interessen, welche auf der anderen Seite auf dem Spiele stehen, wird man Bach (20) recht geben mfissen, wenn er eine endgiiltige LSsung der Kaliabw/~sserfrage

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nur yon einem Bau eines bis zum Meer reichenden langen Kanales und damit die A bleimng der Kaliabwasser direkt ins Meet erwartet.

Die Z e l l s t o f f a b r i k e n bringen, wie schon erw~hnt wurde, aul~erordentlich grol~e Mengen organiseher gelSster Stoffe in die Flul~I~iufe, die sich insbesondere in der kalten Jahreszeit fast restlos in Pilzmassen verwandeln. Aueh fiber die Beseitigung der Zellstoffabw~sser ist aul~erordentlich viel gearbeitet worden. Es sind Patente genommen worden ffir die Herstellung von Gerbeextrakten, fiir die tterstellung yon Klebemitteln aus dem eingedampften Abwassern und anderes mehr (1). Am aussichtsreiehsten ist wohl die Vergiirung der in den Abw~ssern vorhandenen Kohlenhydrate durch Helen und die damit verbundenc Spiritusgewinnung. Im Auslande ist das Verfahren mit Erfolg durehgeffihrt worden. Bei uns stand der Durchffihrung dieses Verfahrens bisher die Spiritusgesetzgebung im Wege (27).

:Die Abwasser der Z u c k e r f a b r i k e n bringen ebenfalls viele organisehe Sub- stanzen in die Ftu$1i~ufe. Sie bewirken leicht sehr starkes Pilzwachstum. Zusatz von mit Alkali aufgeschlossener Braunkohle, das sog. Ituminverfahren nach H o y e r m a n n und W e l l e n s i e k (2) soll sich nach verschiedenen Beriehten gut bewahrt haben. Auch die Versuche fiber G~irung und Spiritusgewinnung erseheinen aussiehtsreich (30).

Die F ~ r b e r e i a b w ~ s s e r st6ren in einem Vorfluter dutch ihre Farben aul3er- ordentlich. In manehen chemischen Fabriken werden die Farbstoffe in saurer LSsung durch :Natriumhydrosulfid reduziert. Nach Neutralisation mit Kalk wird das aber immer noch stark gef~rbte Abwasser abgelassen. Eine v511ige Entfiirbung der Ab- w~sser ist bei vielen Farbstoffen dureh das Pre ibisch-Verfahren zu erreiehen (28). Bei diesem Ver~ahren wird das Abwasser dutch ein mehrstufiges Braunkohlenschlacke- filter fihriert. Das Wesen des Verfahrens besteht offenbar darin, da$ die Farbstoffe yon der Braunkohle adsorbiert und dann durch Mikroorganismen vernichtet werden. ]ch babe das Verfahren in einer grSSeren FKrberei BShmens im praktischen Grol~- betriebe gesehen. Das Rohwasser war fief blau gef~rbt. Der Ablauf aus dem drei- stufigen Filter war vollkommen wasserklar und ohne jede Farbe.

~ber die zweckmiii~igste Art der Beseitigung der Abwiisser von c h e m i s c h e n F a b r i k e n 1Kilt sich sehr wenig Allgemeines sagen, da es sieh bier um zu verschieden- artige Abw~sser handelt. Gewisse allgemeine Gesichtspunkte hat Bach in der unten angeffihrten Arbeit (29) auseinandergesetzt, auf die besonders verwlesen sei.

Saure Be ize re i abw~is se r kSnnen durch Kalk neutralisiert werden. Das hat abet den Nachteil, da$ grol~e Schlammassen, vor atlem bestehend aus Eisenhydrat und anderen Metallhydraten, entstehen und der Kalkverbrauch ein sehr betrfichtlicher ist. Deshalb sind diese Beizerei-Neutralisationsanlagen vielfach so eingerichtet worden, dai3 man in die Abw~tsser Eisenabf~lle hineinbringt. Diese stumpfen die vorhandene freie S~iure ab. Das so behandelte Abwasser behiilt natfirlich sehwachsaure Reaktion, herr[ihrend yon den Eisen- und anderen Metallsalzen, die ja infolge hydrolytischer Spaltung sehwaeh sauer reagieren. Ich habe auch in einer grot~en Fabrik eine Beizereianlage kennen geIernt, welche die S~uren in der Weise absmmpfte, dal~ das Abwasser dutch SteinzeugtSpfe geleitet wurde, die mit Marmor geffillt waren. Auf dem Marmor der ersten T6pfe setzte sich freilich eine st6rende Schicht yon Eisenoxyd und anderen Metalloxyden ab. Da die Anlage aber recht groB dimensioniert war, wurde doch die freie Sfiure vollkommen entfernt. Schwach saure Reaktion, yon den Metallsalzen herriihrend, blieb hier aber ebenfalls bestehen.

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Die Beseitigung des Abwassers der G a s f a b r i k e n bereitet aui~erordentlieho Schwierigkeiten. Die in dieser Riehtung vorgenemmenen vielen Versuche haben zu keiner LSsung der Frage gefiihrt. Die biologische Reinigung in Verdiinnung mit h~uslichem Abwasser ersehwert die Reinig~ng des haustichen Xbwassers. Das Ver- fahren von R a d c l i f f (2) ist sehr umstfindlich und kostspielig.

IV. Richtl inien fiir die Unte r suchung und Beurte i lung.

1. A b w a s s e r (3).

Fiir die Untersuchung der Abwiisser ist zuniichst die P r o b e n e n t n a h m e yon der grS~ten Bedeutung. Man hat bei der Abwasserentnahme stets daran zu denken, dab die suspendierten Stoffe das Bestreben haben, sich abzusetzen. Bei der Unter- suchung einer m e c h a n i s e h e n K l i i r a n l a g e , bei der das Abwasser meistens in etwa 3/4--1 Stunde durch die Becken hindurehflie~t, ist es wichtig, darauf zu achten, dab man korrespondierende Proben erh~ilt, mit anderen Worten, dai~ das ab]aufende Ab- wasser erst geschSpft wird, wenn die Welle, aus welcher das Rohwasser geschSpft wurde, am Ablauf angelangt ist. Das ist um so wichtiger, als das Abwasser im Laufe eines Tages stets groi~en Schwankungen unterliegt. Verfahrt man nieht so, so kSnnen die gefundenen Werte fiir die Beurteilung der Reinlgung des Abwassers oft vollkommen wertlos werden. Chlorbestimmungen kSnnen unter Umst~nden einen Anhalt bieten, ob es sich um korrespondierende Proben handelt. Ebenso mug im zulaufenden wie im ablaufenden Abwasser der mechanisehen Klaranlagen die Menge der gelSsten Stoffe etwa dieselbe sein, da die mechanisehe Kliirung ja nur die suspendierten Stoffe beseitigt, auf die gelSsten abet keinen Einflul~ hat.

Die Reinigungswirkung, welehe eine mechanische Klaranlage besitzt, drfickt man aus als sog. K I a r e f f e k t . Das ist die Differenz zwischem den Gehalt des ein- laufenden und ablaufenden Abwassers an suspendierten Stoffen, in Prozenten des Gehaltes des Einlaufwassers. :Noch wichtiger ist der organisehe Klareffekt; das ist die entsprechende Zahl ffir die verbrennbaren suspendierten Stoffe.

Bei vorzunehmenden ti~glichen Kontrollen durch angelernte Leute kann es sehr vorteilhaft sein, den Kl~ireffekt bezw. die Menge der im gereinigten Abwasser noch vorhandenen suspendierten Stoffe nach Schnelhnethoden dutch Messung in Volumen- einheiten zu bestimmen. Zu diesem Zweck sind verschiedene Apparate vorgeschlagen worden. Die wohl am meisten in Anwendung gekommenen Apparate sind die Absitz- gli~ser naeh S p i l l n e r l ) . Es sind dies lange graduierte RShren, in welche eine bestimmte Menge Abwasser eingeffillt wird. Nach ruhigem Stehen kann der Schlamm in ccm an der unteren Skala abgelesen werden.

Der Klareffekt einer meehanischen Kl~iranlage betr~gt durchweg 60- -70 °]o. Man kann sagen, dab nach dem heutigen Stande yon Wissensehaft und Teehnik eine bessere Abscheidung der suspendierten Stoffe in groSen Anlagen praktlseh nur in seltenen Fallen erreieht wird. Allerdings hat S c h u l z e - F o r s t e r e) an der Klaranlage in Hanau a. M. langere Zeit hindurch einen Klareffekt der suspendierten Stoffe ermittelt, der weir hSher war; er betrug im Mittel 86%. Diese Befunde scheinen aber eine Ausnahme zu sein und sich aus der Beschaffenheit des ][tanauer Abwassers

1) Zu beziehen yon der Firma Bender & Hobein in Essen. ~) Wasser and Gas, 1923, 3, 1150.

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90 21. HaupLversammlung Deuischer Nahrungsmittelchemiker. ]'Zeitschr. f. Untersuchung [d. Nahr.- u, Genul]mit~tel.

zu erkl/ixen. Bekanntlich gibt es in Hanau viele Metallwerke. Es ist deshalb anzu- nehmen, daf~ das Abwasser stets Metallsalze aufweist, die stark flockend auf Kolloide wirken und somit eine bessere Ausscheidung der feinen suspendierten Stoffe bewirken. Allerdings ist die Hanauer Antage auch" aul~ergewShnlich grol~ dimensioniert. Der bekannte Abwasserchemiker Dr. Bach , der seine Erfahrungen auf die Beobachtung zahlreicher K1/iranIagen im rheinisch-westf~lischem Industriegebiet stiitzt, gibt sogar an, da~ man einen K1/i, reffekt yon mehr als 60°/o technisch nicht errelchen kSnne (20).

Ffir die Beurteilung b i o l o g i s c h e r Kl~ t ran lagen gilt zun~ichst dasselbe, was bei der Beurteilung mechanischer Kl~iranlagen fiber die richtige Gewinnung der korrespondierenden Proben ausgeffihrt wurde. Bei der biologischen Kl/~rung hat man die BeurteUung in zwei Teile zu gliedern, n/~mlich die Beurteilung der Vorreinigung, die genau diesetbe ist wie die Beurteilung der mechanischen Reinigung, wie eben geschildert, und die Beurteilung der biologischen Reinigung. Um eine richtige Probe des aus dem biologischen KSrper ablaufenden Wassers zu erhalten, muI~ die Zeit bekannt sein, innerhalb welcher das Abwasser den TropfkSrper durchliiuft. Ffir die Untersuchung kommen auger den suspendierten Stoffen noch die organischen und mineralischen Stoffe, (lie Oxydierbarkeit und der Stickstoff in den verschiedenen Formen (organischer Stickstoff, Ammoniakstickstoff, Salpeter- und Salpetrige Si~ure); dann vor allem auch die Priifung auf Faulnisf/ihigkeit in Betracht. Eine Regel besagt, dal~ in den meisten F/i.llen das Abwasser dann fiiulnisunffihig ist, wenn die Oxydierbarkeit durch die biologische Reinigung um mindestens 40°/o herabgesetzt win'de. Ein biologisch gereinigtes Wasser soll stets Salpetersii.ure und Salpetrigc S~iure enthalten. Sind diese Stoffe nicht vorhanden, so ist die biologische Reinigung nicht einwandfrei. Der organische Stickstoff sowie der Ammoniakstickstoff mfissen in biologisch gereinigtem Abwasser betrKchtlich herabgesetzt sein.

Ffir die Priifung der F/iulnisfii, blgkeit werden haupts/ichlich zwei Verfahren angewendet. 1. Die gewShnliche Methode durch einfache Sinnesprfifung und 2. die Methylenblauprobe nacb S p i t t a und W e l d e r t . Bei dem ersten Verfahren wird das Abwasser in Flaschen gebracht, die bis zu etwa a/4 geffillt und dann verschlossen werden. Im allgemeinen tritt bei ungenfigender Reinigung F/iulnis erst nach 10 Tagen oder sp~iter auf. Deshalb wird nach Ablauf dieser Zeit das Abwasser mit der Sinnes- prfifung auf faulen Geruch gepriift. Das Verfahren ist recht zuverli~ssig, beansprucht aber sehr lange Zeit. Bei dem Verfahren yon S p i t t a und W e I d e r t (3) erh/ilt man sehr viel schneller Auskunft fiber die Fi~ulnisfiihigkei~. )/fan vermischt in gescblossenen Flasehen das Abwasser mit einer bestimmten MethylenblaulSsung, stellt in den Brutschrank yon 37 o und beobachtet die Entffirbung. [st der Farbstoff innerhalb 4 Stunden entfiirbt, so ist F~ulnisfiihigkeit vorhanden, die biologische Reinigung also nicht zufriedenstellend. In diesem Falle werdeu auch die iibrigen Untersuchungen auf Oxydierbarkeit, organischen Stickstoff, Ammoniakstickstoff, Salpeter- und Salpetrige S/i, ure die ungenfigende Reinigung erkennen lassen.

Bach hat in seiner Arbeit ,,Schwefel im Abwasser" interessante und bemerkens- werte Anregungen ffir den weiteren Ausbau der Abwasseranalyse gegeben (31). Bach weist auf die auffallende Tatsache hin, dab, trotzdem allgemein bekannt ist, dat~ der Gehalt an Schwefelverbindungen die eigentliche Ursaehe der stinkenden Fiiulnis der Abw/isser ist, es noch nicht einmal bekannt ist, welche Arten von Schwefelverbindungen eigentlich in den Abw/issern vorhanden sind. Das ist um so merkwfirdiger, als folge-

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richtig die technischen Ma~nahmen zur Abwasserreinigung, so weit es sich um die Bek~mpfung der Fiiulnisf~higkeit handelt, auf der Kenntnis des Schwefelzustandes der Abw~tsser fui~en. Die Schwefelverbindungen der Abwi~sser kSnnen mineralischer Herkunft sein, da die verbrauchten Trinkw~isser vielfach Sulfate enthalten. Daneben kommen aus den menschlichen Haushalten, insbesondere aus den Speise- und Ktichen- resten, viele organisehe schwefelhattige Stoffe in das Abwasser, die in erster Linie dem Eiweit~ entstammen. Endlich kSnnen aus gewerblichen Betrieben alle mSglichen anorganischen und organisc hen Sehwefelverbindungen in die Abw~sser gelangen. B a c h legt die Notwendigkeit der Erweiterung der Abw~sseranalyse dutch die Be- stimmung der Bindungsart des Schwefels dar und beschreibt auch einen Gang fiir die Bestimmung des Schwefels in Abwasser und Schlamm. Die Sehwefelverbindungen des Abwassers miissen in einem biologiseh gereinigten Abwasser, das nicht mehr fiiulnisfgthig ist, letzten Endes in Sulfate iibergefiihrt sein. Im Schlamm liegt sehr viel Schwefel in Form yon sehwarzem Eisensulfid vor.

2. F l u I ? l i iu fe.

Wird der Chemiker beauftragt, einen Flui~lauf zu untersuehen, um den Einflul~ eines Abwassers oder mehrere Abwiisserarten auf den Flul~ festzustellen, so stehen ihm hierfiir chemische und bioIogisehe Verfahren zur Verftigung. Bet den chemischen Untersuehungen kommt vor allem die Bestimmung der suspendierten Stoffe, der ge- 15sten Stoffe, des Stickstoffs in den verschiedenen Formen, der Oxydierbarkei~, des Chlors und unter Umstanden auch des Sehwefelsfiuregehaltes in Frage (3). Bet Ver- daeht auf saure oder alkalische gewerbliche Abwiisser kann die Bestimmung der Alkalitiit durch Titration mit Methylorange wertvolle Dienste leisten.

Sehr zweckmii~ig ist die sog. S e s t o n - U n t e r s u c h u n g y o n Ko lkwi t z . Bet dieser Methode werden 10--50 1 Flut~wasser durch ein Blechgefiil~, welches auf einer Seite mit elnem feinen Metallsieb iiberzogen ist, hir~durchfiltriert. Alle suspen- dierten Stoffe, die grSber sind als die Offnungen des Siebes, bleiben zurfick und werden mit Wasser in ein graduiertes RShrchen gegossen. ~ach einigem Stehen der Probe wird dann die Beschaffenheit des Sestons festgestellt und seine Menge in ccm an der Skala abgelesenl). Die Betrachtung des Sestons liefert schon wertvolle Anhaltspunkte. Hinter mechanischen Klfiranlagen bezw. nach dem Einflul~ von st~dtischen Abwiissern iiberhaupt sieht das Seston meist schwarz gefi~rbt aus und ist der Menge nach be- tr~chtlich vermehrt. Diese grobsinnliche Sestonbestimmung liefert nach melnen Erfahrungen viel eindeutigere Werte und bessere Anhaltspunkte als die Untersuehung der suspen- dierten Stoffe im Laboratorium. Alle diese Massen sind so hoeh wi~sserig, dal~ sich bet der quantitativen Bestimmung die Unterschiede dadureh leieht verwischen, dal~ die gewogenen Mengen in die Fehlergrenzen der Analyse fallen. In dieser Hinsicht liegen die Vel-h~itnisse hier iihn]ich wie bet der Schmutzbestimmung in der Milch. Auch bier haben sich die quantitativen Schmutzbestimmungsverfahren dutch Wiigung nicht bew~ihrt.

Sehr wichtlge Aufscblfisse liefert ferner die mikroskopische Untersuchung des Sestons (4, 5, 6). Hier ist vor allem auf das Pseudcplankton zu aehten. Hinter stiiddschen Kliiranlagen findet man im Seston meist aus den Fiikalien stammende, dureh Gallenfarbstoffe gelb gefi~rbte Muskelfasern. Wiihrend des Krieges habe ich

1) Zu beziehen yon der Firma Paul Al tmann in Berhn, Luisens(raf~e.

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bei Wupper-Untersuchungen hinter stfidtischen Kl~iranlagen stets ungeheuere Mengen yon feinen, wundervoll aufgehellten Partike]n der Getreidesehale (Querzellen, Schlaueh- zellen, Aleuronschicht, Haare) im Seston gefunden. Sie stammten natiirlich aus dem hochausgemahlenen Kriegsbrot und waren durch die Verdauung so sch6n aufgehellt, wie es im Laboratorium mi~ chemisehen Verfahren nicht gelingt. Sie lieferten also einen ausgezeichneten Indicator fiir fiikale Verschmutzung. Man finder ferner unterhalb der st~dtischen Kl~ranlagen oft Kartoffelparenchymzellen, gefiirbte und ungef~irbte Fasern sowie kleine Wfirmer, Protozoen und andere sehmutzliebende Organismen. Unterhalb des Einflusses yon gewerbliehen Betrieben, die viel gel6ste organische Stoffe dem Flui~ einverleiben, bilden sieh, insbesondere in der kalten Jahreszeit, groi~e Massen von Pilzen aus, die sieh an den Wasserpflanzen, an Ufermauern, auf alien Steinen, in das Wasser getauchten St6cken und anderen Gegenst~inden mehr als grauer, schleimiger Belag festsetzen. Oft waehsen diese Pilzmassen ein Stiick in das Wasser hinein und bilden dann mit dem Wasserstrom sich bewegende graue, eigen- artige Gebilde, die wie L~immersehw~inze aussehen. Die grSt~te Rolle spielt hier der Abwasserpilz Sphaerotilus natans; weniger hiiufig kommt der Abwasserpilz Leptomitus vor, haupts~ichlieh unterhalb yon Zuckerfabriken. Eine ungeheuere Entwickelung von Sphaerotilus bewirken die Abwiisser yon Cellulosefabriken.

Neben dem Seston kann man auch das P l a n k t o n entnehmen und nun eine genaue Untersuchung auf die vorhandenen pflanzlichen und tierischen Mikroorganismen vornehmen. K o l k w i t z und Mar s son haben bekanntlieh ein biologisches Flul~- untersuchungsverfahren begrfindet, welches auf den Zuflu~ yon Abw~issern aus den vorhandenen Organismen sehliel~t. Sie teilen die Organismen in Reinwasserbewohner, viel-, mittel- und wenig schmutzliebende Arten ein, wobei in den einzelnen Gruppen noeh Unterstufen unterschiedea werden. Die richtige &nweadung dieses Ver- fahrens ergiinzt in sehr wertvoller ~Veise die iibrlgen Untersuchungen, setzt aber eine groge Formenkenntnis und langjfihrige Erfahrung voraus (4, 5, 6).

Bei grSSeren Flui31~ufen erhalt man schon einen guten Anhalt fiber die Ver- schmutzung des Wassers dutch die Ermittelung der Siehttiefe. An einer langen Stange ist eine viereckige weil~e Porzellanplatte befestigt. Man taucht die Platte so fief ins Wasser, his man sie eben nieht mehr sieht. Die an dem Stabe abzulesende Tiefe in cm ist die Sichttiefe (32).

Von grol~er Bedeutung ist bei der Flui~untersuchung endlieh noeh die nKhere Untersnchung des mit der Dretsche veto Flu~boden entnommenen Seh l ammes . Dieser Apparat besteht in einem groSen Leinwandbeutel, an dessen 0ffnung ein sehwerer Eisenbfigel befestigt ist. Die Dretsehe ist an einem langen Striek aufgeh~ngt und wird soweit wie mSglich in den Flul~ hineingeworfen. Sie sinkt auf den Boden und ffillt sich beim Ziehen fiber den Ftul~boden mit dem dort lagernden Schlamm. Der hemufgeholte Schlamm kann chemisch auf seinen Gehalt an Wasser, verbrenn- baren und mineralisehen Stoffen untersueht werden, doch ist diese Untersuchung gegenfiber der grob sinnlichen Prfifung des Schlammes auf Aussehen, Bestandteile, die vorhandenen Organismen meist von geringer Bedeutung. Man schfittet den Schlamm auf ein Sieb, betraehtet den Schlamm zuniichst ungesiebt und siebt ihn dann durch Eintauchen des ~qiedbodens in das Wasser unter dauernder Bewegung solange ab, bis alle feinen Stoffe abgeschwemmt sind. In dem abgesiebten Schlamm sind nun leicht grob sinnlieh die vorhandenen Bestandteile und grSi~eren Organismen, welehe ihn be- wohnen, festzustellen.

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In den Flu$l/iufen kommen haupts{ichlich drei verschiedene Schlammarten vor. De r s t ad t i s c h e S c h l a m m ist gewShnlich dutch gebildetes Schwefeleisen tief

schwarz gefiirbt. :Nach dem Absieben erkennt man alle mSglichen stKdtisehen Ab- f~lle, wie Kartoffelstiickchen, Kohlenstiickehen, Kirschenkerne, Streiehholzschachteln, Speisereste, oft atles dureh Schwefeleisen sehwarz gefiirbt und manche andere Reste, vor allem abet, aus den Klosetten stammend, viele kleine Stiickchen bedruckten und unbedruckten Papiers. Diesen faulen Schlamm bewohnen nur wenige Organismen, vor allem Wiirmer und gewShnlich in groSen Mengen, die roten, augerordentlieh charakteristisch gebauten Larven der Zuekmiicke (Chironomus plumosus.)

P i l z s c h l a m m : Wie schon oben erwiihnt, setzen sich die gelSsten organischen Stoffe, vor allem der Cellulosefabriken, Zuekerfabriken usw., insbesondere im Winter, in groSe Pilzmassen um. Im Main kann man z. B. bei :Frankfurt im Winter nicht 1 ecru Wasser schSpfen, welches diese Pilze nicht enth~tlt. Sie leben eine Zeit lang, sterben dann ab und setzen sich an scharfen Kri'lmmungen des Flusses nun als grofe Sehlammassen zu Boden. Im frischen Pilzschlamm sind die Pilze unter dem Mikroskop ohne weiteres zu erkennen. Wenn er starker zersetzt ist, macht die mikro- skopisehe Erkennung der Pilze oft Schwierigkeiten. Er ist dann aueh vielfaeh stellen- weise sehwarz gefiirbt (Sehwefeleisen) und ist iiuSerlich daran kenntlieh, dal~ er aufer- ordentlich sehleimig ist und sich sehwer absieben 1/il~t. Rfiekstiinde irgendwelcher Art, wie Papier usw, sind in ibm natiirlich nicht zu linden. Dagegen sind die grSgeren Organismen, welche ihn bewohnen, dieselben wie beim st/idtisehen Sehlamm.

C h e m i s e h e r S e h l a m m : Endlich kommt es oft zur Absetzung yon chemischem Schlamm aus chemisehen Fabriken. Dieser ScMamm besteht oft aus Gips oder kohlen- saurem Kalk, der mit teerigen, 51igen oder ehemisch rieehenden KSrpern vermengt ist. Der Flu$boden ist bisweilen streckenweise mit chemisch riechenden Massen iiberzogen. Dieser Schlamm ist meistens abiotisch, well er alles Leben auf dem :Flugboden ge- tStet hat. Ist man im Zweifel, ob es sich bei einem sehwarzen Schlamm um chemisehen Sehlamm handelt, der seine sehwarze :F~rbung Teerbestandteilen verdankt oder um schwefeleisenhaltigen Schlamm, so gibt die einfaehe ~bergielilung einer Probe des Sehlammes mit Salzsaure (Sehwefelwasserstoffgeruch) elndeutige Auskunft.

Der reine FluSboden wird yon vielen Muscheln, Sehnecken, Flohkrebsen, Wasser- asseln und anderen Organismen mehr bewohnt. Aueh finden sieh auf dem Boden des Flusses stets abgestorbene Pflanzenteile, die ebenfalls oft mit Schwefeleisen iiber- zogen sind.

Ich bin damit am Ende meiner Ausfiihruhgen. Bei dem allgemeinen l~berbllck, den ieh gegeben habe, habe ich natiirlich keine technischen Einzelheiten zu schildern vermocht. :Ffir das n~ihere Studium der versehiedenen Fragen verweise ich auf die nachstehenden Biicher und Arbeiten, aus denen alle Einzelheiten zu entnehmen sind.

Biicher- und Literatu~verzeichnis .

1. P. W. Dunba r , Leitfaden filr die Abwasserreinigungsfrage. - - Mtinchen 1912, Verlag yon Oldenburg.

2. J. T i l l m a n s , Wasserreinigung und Abwasserbeseitigung. - - Halle a. S. 1912, Verlag yon Wilhelm Knapp.

3. J. T i l l m a n s , Die chemisehe Untersuehung yon Wasser und Abwasser. - - Halle a. S. 1915, Verlag yon Wilhelm Knapp. R. K o I k w i t z , Pflanzenphysiologie. - - Jena 1914, Vorlag yon Gustav Fischer.

: E y ffe l't, Einfachste Formen des Tier- und Pflanzenreiches. - - Braunschweig 1909, Ver- lag yon Benno Goeri/z.

Page 16: Über den gegenwärtigen Stand der Abwasserfrage

94 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmitiel:chemiker. fZeitsehr, f. Untersuehuna [d. Nahr.- u. Genul~mitteL

6. S e n f t , ~Iikroskopische Untersuchung des Wassers mit Bezug auf die im Wasser und Schmutzwasser vorkommenden Mikroorganismen und Verunreinigungen. - - Wien 1905.

7. Oms-Kl~lranlagen. Broschilre, zu beziehen yon ,St~tdtereinigung' Wiesbaden, Nikolai- stral~e 80.

8 C. H e n n e k i n g , Die Abw~isserreinigung mittels inie~mittielender Bodenfiltration in Nord- amerika, insbesondere im Staate Massachusetts. - - Miiteilg. a. d. Kg]. P~fifungsanstalt L Wasserversorgung und Abwi~sserbeseitigung 1909, 12, 1.

9. Die Versachsanlage ffir hbwasaerreinigung der Stadt Strafiburg i. E. - - Sti~dtezeitung 1912, 9, 535.

10. M e h r in g, Abwasserfischteiche. - - Mitteilung des Fischereivereins tier Provinz Branden- burg 1913/14, 5, 109.

11. K a m m a n n und K e i m , 0ber die Abwasserreinigung in Gewassern, insbesondere in Ver- sachsteichen auf der Klaranlage in Bergedorf bei Hamburg. - - Gesundheitsingenieur 1920, 43, 929.

12. H. E i c h m f i l l e r , Kremerklfiranlage und die Abwasserfischteiche der Stad~ Amberg. - - Technisches Gemeindeblatt 1921,~24, 95, 106.

13. H. G. E d d y , Lieht- and Schattenseiten der Abwasserreinigung mit aktiviertem Schlamm. - - Journ. of the Western Society of Engineers, Chicago, iibersetzt and mi~ einer Ein- leitung versehen yon Baurat Dr. I m h o f f , Gesandheitsingenieur 1922, 45, 13.

14. Weitere Ref~rate amerikanischer und englischer Arbeiten fiber das Abwasserreinigangs- verfahren mii~ aktiviertem Schlamm finden sich in den Banden 1921/22/23 des Gesund- heitsingenieur und yon ,Wasser und Abwasser"; z. B. Gesundheitsingenieur 1921, 44, 399 und 1922, 45, 565; Wasser und Abwasser 1922, 17, 166 und 1923, 18, 414, 296, 412.

15. J. T i l l m a n s , 0bet die Verwendung yon Chlorgas bei der Abwasserremigung. - - Gesund- heitsingenieur 1922, 45, 255.

1:6. B a c h , Desinfekt~ion des Abwassers mit Chlor. - - Wasser und Gas 1923, 13, 1110. 17. S c h a f e r , Die Reinigung der stiidtischen Abwasser und die Frankfurter Schiammtrock-

nangsanlage. - - Z~i~schr. d. Yereins Deut.-chef Ingenieure 1910, 2. 18. K. T h u m m und C. R e i c h l e , Feststellungen and Erfahrungen bei Emscherbrunnen und

verwandten Abwasserbeseitigungsverfahren. - - M~tteilungen aus der Landesanstalt fth" Wasserhygiene t914, 18, 48.

19. G. S t r a ~ b u r g e r , Die Emscherbrunnen in Erfurt. - - Gesundheitslngenieur 1915, 38, Nr. 20 u. 21 (Sonderabdruck).

20. Bach and F. F r i e s , Das Abwasserbeseitigungswesen nach dem Welbkriege. - - Zentral- blatt f. d. ges. Hygiene 5, Heft 1/2 (Sonderabdruck).

21. B a c h und S i e r p , Untersuchungen zur Frage der Sumpfgasbildung aus Abwasser and Kliirschlamm. - - Zentralbl. f. Bakteriologie 2. Abt, 1923, 60, 318.

22. F6t~f$inger ftir Entwasserungsanlagen, --- Gesundhei~ingenieur 1922, 45, 329. 23. T r a u t m a n n , Die Gasgewinnung aus Klarschlamm. ~ Zeitschr. d. Vereins Deutscher

Ingenieure 1920, 6~, 107. 24. G. S t r a l ~ b u r g e r , Kl~iranlage-Kraftwelke. - - Gesundheitsingeniear 1919, 42, 329. 25. Ke l p, Outachte'n des Reichsgesundheitsamtes fiber das duldbare Ma~-der Verunreinigung

des Wassers durch Kaliabwasser. - - Arbeiten aus dem Reichsgesundi~eitsamte 1919, 51, 239.

26. K. T h u m m , Die Kaliwerke und ihre Abwasser. ~ Berlin 1921, Verlag yon Julius ~ Springei'.

27. F i e k e r t, Die Papierindustrieabwasser. - - Gesundheitsingenieur 1920, 43, 539. 28,, M. S t r e l l ; Die Reinigung yon Fgrbereiabwitssern. ~ Das Wasser 1919, 15, 807, 319,

331, 399. 29. B a c h , Die Abwiisserbeseitigung in der chemischen ]ndustrie. - - Zeitschr. angew. Chem.

1921, 3~, 561. 30. A. K r a i s y , Die Abwasservergiirung durch Here in tier Zuckerfabrik Einbeck - - Zeitschr.

d. Vereins d. Deutsehen Zuckerindusirie 1920, 163. 31. Bach , Schwefel im Abwasser. - - Gesundheitslngenieur 1923, 46, 370. 32. F i c k e r t , Anweisung fiir die Flufiaufsiehtsbeamten zur Feststellung der Verschmutzung

in flieiienden Gew~tssern dutch Abwasser. - - Gesundheitsingenieur 1924, 47, 1]I.

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4~. Band. I Juli 1924 i 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker. 95

D i s k u s s i o n . Dr. Schwabe-Crefeld: Ich m(ichte an den Herrn Vortragenden die Frage richten, ob

er n.~there Auskunft geben kann fiber das Abwasser-Reinigungsverfahren G~trgrabe System ~Weston ~, alas den Stadtverwaltungen unter grofer Reklame angeboten wird. Es ist vor allem bestimmt zur Reinigung hauslicher Abw~isser, so z. B. yon Siedlungsbauten ohno Kanalanschlufi. Das System arbeitet mit re]arty k]einen Absetzgruben und ferner mit ether g~heimnisvollen ,G~irpatrone" und sell jahrela,~g ohne jede Aufsicht t~itig sein k~innen ohne En|leerung der Gruben. Ieh babe bisher zwei solcher Anlagen unter Kontrolle and muff gestehen, daft ich beF grofiem anfiinglichen Mifitrauen bisher gar nieht ungtinstige Resultate gesehen habe.

Prof. T il 1 m a n s: Das W e s t o n -Verfahren ist auch dem Frankfurter Tiefbauamte ange- boten worden. Ihm wird yon seinen Erfindern nachgeriihm~, dai~ durch eine G~rpatrone, deren Zusammensetzung geheimgehalten wird, nine Schlammverfliissigung eintr•te. Veto Hamburger Hygietdschen Institut ist eine Prfifung des Verfahtens vorgenommen worden. Es Wurde dort abgelehnt mit der Begriindung, daft das Verfahren vor dem gewShnlichen Faulverfahren keinerlei Vorziige habe. Neuerdings habe ich ein gfinstigeres Urteil yon H a a c k gelesen. Die Frage ist also mindesfens noch nicht geklart, and man wird ffir Empfehlung oder Anwendung des Verfahrens gut tun, sich mit einiger Skepsis zu wappnen.

Dr. Merkel-Niirnberg: Veto Standpunkt des praktisehen Chemikers mfichte ich zur Abwasserfrage etwas sagen. Mir ist in Ntirnberv die Abwasseruntersuchung fibertragen. Vor einigen Jahren wollte ich mir sin Fisehteichverfahren in einem unserer besuchtesten bayerischen Alpenkurorte ansehen. Als ieh hinkam, wards mir gesagt, daft es sehon'lange antler Betrieb gesetzt set, well es zu sehr gestunken hahn. Es hat hier an der riehtigen Kontrolle gefehlt. Diese auszuffihren, ist Sachs des Chemikers. Auch bet besfehenden Klaranlagen wird man bet ether Kontlolle oft finden, daft der Zweek nieht so ganz erffillt ist. Auf d,e Ausnutzung des Fettes miichte ich noeh etwas eingehen. In Ntirnberg haben wit vor Einlauf des Abwassers in den Voritater eine Absturzanlage; durch die starke Belfiftung, die dabei stattfindet, wird eine Ausscheidung yon Kalkseifen bewirkt and dabei nehmen diese die is Emulsion befindlichen SehmierSle arts dem Wasser heraus. Es scheidet sieh nine schwimmende Fettsehicht ab; diese wurde w-~hrend des Krieges verkauf~, und wir haben damit nicht nur die Betdebskosten der Klaranlage deeken kiinnen, sondern auch noeh einen ]Jberschuf erzielt. Jetzt stockt allerdings der Absatz infolge der Erhfhang der Frachien. Es sind aber auf diese Weise grofie teehnisch verwertbare Fettmengen gewonnen worden. Bezfiglich der Feststellung ether Ffikalienverun- reinigung in ]~'tufwasser mi/chte ich noch hinweisen, daft sie durch den Nachweis yon Getreide- sehalsn nicht mSglieh ist. Wit haben viel Abw'hsser vom sHtdischen Schlaehthof, end es fallen dabei grofie Mengen yon Getreidesohalen ab, die aus den Mfigen der gesehlachteten Tiers stammen. Wetter mSchte ieh darauf hinweisen, daft die Gewinnung yon Gas aus Emscher- brunnen nach den 5rtlichen Verh~iltnissen zu prfifen ist. Die Abwasser in den St~dten sind so versehieden, daft dieses VerFahren sieh nieht ohne weiteres yon einem Ott auf den anderen tibertragen lailt. Ich habe die Saehe yon ether anderen Seite angefangen and festgestellt, we]che Gasmengen aus dem fertigen Klatschlamm zu gewinnen stud. Es haben sich da ganz betrachtlictm Mengen ergeben. Jedenfalls kann ich zu den Ausfiihrungen yon Herrn Prof. T il I m an s nur bestatigen, daft der Chemiker, der sich mit den Fragen der Abwasserbehandlung befafit, sieh der Stadtgemeinde sehr angenehm bemerkbar machen und fllr sparen helfen kann.

Dr. Sprinkmeyer-Lfidenseheid: Ieh mSehte den Vortragenden um Au~kunft dariiber bitten, ob in Deutschland tihnlich win in England mafigebende Riebtlinien dariiber bestehen, welehe Beschaffenheit sin gereinigtes Abwasser aufweisen muff, bezw. in welehem Grade eine Verdfinnung des gereinigten Abwassers yon versehiodenem Versehmutzungsgrade mit dem Vorfluter erfolgen muff.

Prof. T i l l m a n s : Win ieh sehou sagte~ lassen sieh genaue Zablen nieht aufstellem Die Zulassigkeit der Einleitung eines Abwassers in einen Vorfluter muff stets von Fall za Fall gepriift werden. Eine englische Abwasserkommission hat versueht, bestimmte Normen aufzustellen, welche in meinem Bach verzeichnet sind. Diese Anforderungen sind aber ent- spreehend der Kleinheit der englisehen Fliisse ziemlich seharf. Wir verfiigen in Deutschland tiber viel grSfiere Flufit~iufe and brauehen in solchen Fallen nicht so scharf zu sein.

V o r s i t z e n d e r : Wir haben diesmal die Abwasserfrage auf unsere Tagesordnung gesetzt, und mit lebhaftestem Interesse haben wir alle die Ausfiihrungen yon Herrn T i l 1 m a n s angeh6rt. Ich spreehe ihm den herzlichsten Dank fiir seine Ausffihrungen aus.

Seit vielen Jahren haben wlr uns nieht mehr mit der Abwasserfrage beschfiftigt, wollen diesem Gegenstand aber in den n~chsten Jahren wieder gTS~ere Beachtung entgegenbringen. Wenn die Versammlung uns darin unterstfitzen will, wiirden wir Ihnen sehr dankbar sein. l~unmehr erteile ich Herrn Prof. K r u g das Wort.