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Vortrag Institut für Insolvenzrecht e.V. am 12.09.2013 Referent: Rechtsanwalt Ulrich Kerner Fachanwalt für Arbeitsrecht Arbeitsrecht in der Insolvenz - Update 2013

Vortrag Institut für Insolvenzrecht e.V. am 12.09 · Fachanwalt für Arbeitsrecht Arbeitsrecht in der Insolvenz - Update 2013. A. Einführung KERNER Rechtsanwälte - Fachanwälte

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Vortrag Institut für Insolvenzrecht e.V.

am 12.09.2013

Referent: Rechtsanwalt Ulrich Kerner

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitsrecht in der Insolvenz - Update 2013

A. Einführung

KERNER Rechtsanwälte - Fachanwälte für Arbeitsrecht - 12.09.2013 - Institut für Insolvenzrecht e.V.

Ausgangspunkt

Entscheidung im Insolvenzverfahren über

� Betriebsstilllegung

� „übertragende Sanierung“

� Insolvenzplanverfahren

A. Einführung

Beendigung von Arbeitsverhältnissen in der Insolvenz

➔ Grundlagen

➔ Interessenausgleich mit Namensliste

➔ Betriebsübergang

➔ Veräußererkündigung auf Erwerberkonzept

➔ Einbindung von Transfergesellschaften

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__________________________________________________________________________

B. Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

– Insolvenzverfahren beendet nicht das Arbeitsverhältnis (§ 108 Abs. 1 InsO)

– Weitergeltung der allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts, soweit sich nicht aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften etwas anderes ergibt.

– Geltung insbesondere der allgemeinen Regeln des Kündigungsschutzrechtes.

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I. Fortgeltung des allgemeinen Arbeitsrechts

B. Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

- § 113 - Kündigungsfristen

- § 120 - Kündigung von Betriebsvereinbarungen

- § 121 - Betriebsänderungen und Vermittlungsverfahren

- § 122 - Gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einerBetriebsänderung

- § 123 - Umfang des Sozialplans

- § 124 - Sozialplan vor Verfahrenseröffnung

- § 125 - Interessenausgleich und Kündigungsschutz

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II. Arbeitsrechtliche Sonderbestimmungen in der Insolvenzordnung

B. Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

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II. Arbeitsrechtliche Sonderbestimmungen in der Insolvenzordnung

- § 126 – Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz

- § 127 – Klage des Arbeitnehmers

- § 128 – Betriebsveräußerung

B. Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

III. Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in der Insolvenz

Arbeitgeberfunktion

a) im eröffneten Verfahren

– Übergang auf den Insolvenzverwalter mit Eröffnung desVerfahrens kraft Gesetzes gem. § 80 Abs. 1 InsO

– Übernahme mit allen damit zusammenhängendenRechten und Pflichten (gesetzlich, tarifvertraglich,betriebsverfassungsrechtlich, einzelvertraglich)

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B. Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

b) im vorläufigen Insolvenzverfahren

aa) „starker vorläufiger Verwalter“

- § 22 Abs. 1 S. 1 InsOAnordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots hat Übergang der Arbeitgeberfunktion zur Folge.

Beachte: arbeitsrechtliche Sonderregelungen der InsO sind aber im vorläufigen Insolvenzverfahren nicht anwendbar (beispielsweise verkürzte Kündigungsfristen gem. § 113 InsO)

BAG vom 20.01.2005 – 2 AZR 134/04 –

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bb) „schwacher vorläufiger Verwalter“

– § 22 Abs. 2 InsOArbeitgeberfunktion verbleibt beim Schuldner

aber: ggf. Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters insbesondere bei Kündigung erforderlich

BAG Urteil vom 10. 10. 2002 - 2 AZR 532/01:

Ein vom Insolvenzgericht nach § § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsOangeordneter Zustimmungsvorbehalt, wonach Verfügungen desSchuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mitZustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind,erfasst auch die Kündigung von Arbeitsverhältnissen.

B. Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

I. Anwendbarkeit allgemeiner kündigungsschutzrechtlicherRegelungen

– Kündigungsschutzgesetz

– Schriftformerfordernis nach § 623 BGB

– Beteiligungsrechte des Betriebsrates

– Kündigungsschutz besonders geschützter Personengruppen

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

II. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den

Insolvenzverwalter

§ 113 InsO - Kündigung eines Dienstverhältnisses

„Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner derDienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalterund vom anderen Teil

– ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden.

– die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. ...“

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

§ 113 InsO – Kündigung eines Dienstverhältnisses

� ermöglicht Kündigung, wenn ordentliche Kündigung ausgeschlossen

Beispiel: arbeitsvertraglich vereinbarter oder tariflicher Kündigungsschutz fürältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer – Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen in einem

Tarifvertrag (BAG Urteil vom 16.06.2005 - 6 AZR 476/04)

� Kündigung auch von befristeten Dienstverträgen, deren Kündigung während des Laufs der Befristung nicht vereinbart ist

� Höchstfrist: 3 Monate (§ 622 BGB = Höchstfrist 7 Monate)

� anwendbar auf alle Dienstverhältnisse i. S. d. § 611 BGB, d.h. auch aufOrgane juristischer Personen (GmbH-Geschäftsführer-AG-Vorstände)

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

� Nachkündigung im eröffneten Verfahren mit Frist des § 113 InsO möglichBAG Urteil vom 08.04.2003 - 2 AZR 15/02; BAG Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 255/02;zuletzt: BAG Urteil vom 22.4.2010 – 6 AZR 948/08 –

� Vorteil: Freihalten der Masse vor weiteren Belastungen – kurzfristige Beendigung

� zwingendes Recht - § 119 InsO

� aber: § 113 InsO begründet kein insolvenzbedingtes Sonderkündigungsrecht!

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

III. Form und Zugang der Kündigung

• § 623 BGB - gesetzliches Schriftformerfordernis „eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet“ nicht eingehalten bei Telefax,

Email, SMS

• Kündigung durch Bevollmächtigte – WICHTIG: Vollmacht beifügen

wegen § 174 BGB (Stichwort: Mitarbeiter des Insolvenzverwalters)

• Keine „Vollmacht“ für den Insolvenzverwalters selbst erforderlich

(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.02.2013 – 1 Sa 299/12)

• Zugang:

� Bedeutung:

- Lauf der Kündigungsfrist

- Lauf der Klagefrist

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisse

in der Insolvenz

IV. Grundzüge des Kündigungsrechts nach

§ 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

1) Soziale Rechtfertigung - § 1 KSchG

� Eine Kündigung ist unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigtist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht

● durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers oder

● durch Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers oder

● durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (sog. betriebsbedingte Kündigung),

bedingt ist.

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

2) Anwendbarkeit des KSchG

a) Erfüllung der Wartezeit gem. § 1 KSchG = Arbeitsverhältnis hat ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden.

b) Beschäftigung von in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern (ausschließlich Auszubildende) gem. § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG

Beachte:

nur anteilige Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten (§ 23 Abs. 1 S. 4 KSchG),

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

V. Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung

Hinweis: Darlegungs- und Beweislast beim Insolvenzverwalter

1. außer- oder innerbetriebliche Ursachen

a) außerbetriebliche Ursachen können sein:

● Absatzschwierigkeiten

● Auftragsmangel

● Umsatzrückgang

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

b) innerbetriebliche Ursachen können sein:

● Umstrukturierung aus Kostengründen

● Rationalisierung

● Umstellung oder Einschränkung der Produktion

● Verlagerung der Produktion ins Ausland

● Betriebs- bzw. Betriebsteilstilllegung

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

2. Unternehmerentscheidung

a) Dringende betriebliche Erfordernisse liegen vor, wenn die Durchführung oder eingeleitete Durchführung einer unternehmerischen Entscheidung einer Beschäftigungsmöglichkeit die Grundlage entzieht.

- Vorliegen ist vom Gericht voll nachprüfbar, jedoch keineZweckmäßigkeitskontrolle

- Umsetzung der Maßnahmen muss nachvollziehbaraufgezeigt werden können, es muss also einnachvollziehbares Konzept dargestellt werden können(BAG Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99, ZIP 1999, 1721)

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

b) Beteiligung des Insolvenzgerichts bei Betriebsstilllegungsentscheidung im vorläufigen Insolvenzverfahren

- § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO

BAG Urteil vom 27.10.2005 – 6 AZR 5/05:

Leitsatz:

„Die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Unternehmensstilllegung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter wegen der von ihm beabsichtigten Stilllegung“

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

c) Beteiligung gem. § 158 InsO bei Betriebsstilllegung im eröffneten Verfahren vor Berichtstermin� Zustimmung des Gläubigerausschusses

- § 158 Abs. 1 InsO� vor Beschlussfassung des Gläubigerausschusses oder wenn ein

solcher nicht bestellt ist = Unterrichtung des Schuldners - § 158 Abs. 2 InsO

LAG Hamm vom 16.01.2002 - 2 Sa 1133/01;LAG Hamm vom 07.07.2004 – 2 Sa 175/04

= Fehlen der Zustimmung oder Unterrichtung soll nach LAG Hamm keine Wirksamkeitsvoraussetzung für spätere Kündigung sein.

� keine Rechtsprechung Bundesarbeitsgericht

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

3. Ursächlichkeit für den Wegfall des Weiterbeschäftigungsbedürfnisses

➔ durch das dringende betriebliche Erfordernis muss der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers dauerhaft wegfallen

4. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (ultima-ratio-Prinzip)- § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG

� erforderliche Prüfung, ob Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers – ggf. nach zumutbarer Anlern-, Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme –

auf einem anderen freien Arbeitsplatz möglich (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG)

� kein Anspruch auf freien höherwertigen Arbeitsplatz („Beförderungsstelle“)

� keine Pflicht zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

5. Sozialauswahl - § 1 Abs. 3 KSchG -

a) § 1 Abs. 3 KSchG(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen

im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat;auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungenoder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

b) Feststellung der Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer

- soziale Auswahl ist betriebsbezogen

- „horizontale“ Vergleichbarkeit (Austauschbarkeit der Arbeitnehmer)

- keine „vertikale“ Vergleichbarkeit

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

c) Feststellung und Gewichtung der Sozialdaten

- 4 Grundkriterien

- Dauer der Betriebszugehörigkeit

- Lebensalter

- Unterhaltspflichten

- Schwerbehinderung

- Formulierung in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG stellt klar, dass die Sozialauswahl bereits dann ordnungsgemäß ist, wenn der Arbeitgeber die Wertungskriterien des Gesetzes ausreichend berücksichtigt hat. Arbeitgeber hat also einen Bewertungsspielraum.

- „Punkteschemata“

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

d) Überwindung der Sozialauswahl durch betriebliche Interessen - § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG

➔ keine Einbeziehung von Arbeitnehmern in die soziale Auswahl, deren Weiterbeschäftigung

● insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen

oder

● zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes (BAG Urteil vom 20.04.2005 – 2 AZR 201/04 ) –(nicht identisch mit Altersstruktur)

im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

6. Interessensausgleich mit Namensliste- § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO –

„Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt … ein Interessenausgleich

zustande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll

namentlich bezeichnet sind, so ist § 1 KSchG mit folgenden Maßgaben

anwendbar:

1. es wird vermutet, dass die Kündigung … durch dringende betriebliche

Erfordernisse…bedingt ist;

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

Interessensausgleich mit Namensliste- § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO –

2. die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur im Hinblick auf die

Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhalts-

pflichten und auch nur insoweit auf grobe Fehlerhaftigkeit nachge-

prüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine

ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.“

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

Interessensausgleich mit Namensliste- § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO –

− Ziel: Erleichterung von Personalanpassungsmaßnahmen in der

Insolvenz

− anwendbar bei Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG) im eröffneten Verfahren

− keine Anwendbarkeit im vorläufigen Verfahren – dazu

BAG Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 780/12

− keine Anwendbarkeit auf freiwilligen „Interessenausgleich“

BAG Urteil vom 20.06.2006 – 6 AZR 249/05

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

Interessensausgleich mit Namensliste- § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO –

Vermutungswirkung erfasst sämtliche Bestandteile der

Sozialauswahl, d.h. sie bezieht sich auf

− den auswahlrelevanten Personenkreis

− die Bildung von Altersgruppen

− die Gewichtung der sozialen Grunddaten

− die Konkretisierung der der Sozialauswahl entgegen-

stehenden betriebstechnischen, wirtschaftlichen oder

sonstigen berechtigten betrieblichen Bedürfnisse

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

Interessensausgleich mit Namensliste- § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO –

Grundlegend zuletzt zur gesamten Norm und insb. zur Zulässigkeit

der Altersgruppenbildung:

BAG Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 682/10

Orientierungssatz der Richter des BAG:

„Die soziale Rechtfertigung einer vom Insolvenzverwalter in Anwendung

einer Namensliste erklärten betriebsbedingten Kündigung ist nach dem

Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen in Frage zu stellen.“

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

Interessensausgleich mit Namensliste- § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO –

Erfordernis der festen Verbindung von Interessenausgleich und

Namensliste auf Grund Schrifterfordernis nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG – Einheitlichkeit der Urkunde

- BAG Urteil vom 22.01.2004 – 2 AZR 111/02 - BAG Urteil vom 06.07.2006 – 2 AZR 520/05

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

VI. Betriebsratsanhörung - § 102 BetrVG

„(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.“

§ 102 BetrVG gilt uneingeschränkt in der Insolvenz

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

VII. Sonderkündigungsschutz bestimmter Personengruppen

1) Mutterschutz - § 9 MutterschutzG

2) Elternzeit - § 18 BEGG

3) Schutz der schwerbehinderten Menschen - § 85 SGB IX

4) Ausbildungsverhältnisse - § 15 Abs. 1 BBiG

5) Pflegezeit - § 5 PflegezeitG

6) Betriebsverfassungsorgane - § 15 KSchG,

zuletzt ausdrücklich: BAG Urteil vom 17.11.2005 – 6 AZR 118/05 -

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

VIII. Verfahren bei Massenentlassungen

1. Melde- und Anzeigepflicht gem. §§ 17, 18 KSchG

2. Entlassungsbegriff und KündigungKündigungserklärung des Arbeitgebers ist das Ereignis, das als „Entlassung“ im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG gilt.„Junk-Entscheidung“ des EuGH vom 27.01.2005 Rs. C 188/03, BAG Urteil vom 23.03.2006 - 2 AZR 343/05

3. Auswirkungen auf die Praxis:- ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens über die

Massenentlassungsanzeige ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung

- Massenentlassungsanzeigeverfahren vor Ausspruch der Kündigungen abschließend durchführen

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

4. Bestandskräftiger Bescheid der Arbeitsverwaltung heilt Mängel der

Massenentlassungsanzeige nicht

BAG Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 780/10

Leitsätze:

„Wird einer Massenentlassungsanzeige entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchGkeine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt und sind auch dieVoraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt, kann dasArbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Arbeitgebers nichtaufgelöst werden. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung einenVerwaltungsakt nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG erlassen hat und dieserbestandskräftig geworden ist. Ein solcher Bescheid entfaltet weder gegenüberdem Arbeitnehmer noch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit materielleBestandskraft.“

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5. Betriebsratsbeteiligung

● schriftliche Unterrichtung gem. § 17 Abs. 2 KSchG durch den Insolvenzverwalter

BAG Urteil vom 20.09.2012 – 6 AZR 155/11

● Bedenke: Gibt Betriebsrat keine Stellungnahme ab, kann Insolvenzverwalter erst zwei Wochen nach Übergabe der Unterrichtung die Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten.

� schriftliche Unterrichtung sollte daher gegen Empfangsquittung erfolgen.

C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

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C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

in der Insolvenz

● § 125 Abs. 2 InsO

Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt die Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG

aber: BAG Urteil vom 20.09.2012 - 6 AZR 155/11-

Interessenausglich mit Namensliste ersetzt nicht die schriftliche Unterrichtung

Eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates (hier im Interessenausgleich), aus der deutlich wird, dass der Betriebsrat sich für ausreichend unterrichtet hält, kann nach BAG Schriftformverstoß heilen

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D. Betriebsübergang

Betriebsübergang gem. § 613 a BGB

„Über die sanierungshemmende Wirkung von § 613 a BGB

ist schon viel berichtet und ebensoviel geklagt worden“

Prof. Dr. Willemsen in: „Aufhebungsverträge bei

Betriebsübergang - ein Erfurter Roulette?“, NZA 2013, 242ff.

„Sanierunghindernis ersten Grades“

Dr. Patrick Mückl in: „Der Betriebsübergang nach § 613a BGB inder Insolvenz- jetzt erst recht ein Sanierungshindernis?“,

ZIP 2012,2373 ff.

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D. Betriebsübergang

Ausgangspunkt und zentrale Regelung für den Betriebsübergang ist§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB:

„Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderenInhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunktdes Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.“

Unwirksamkeit von Kündigungen wegen Betriebsübergang

§ 613 a Abs. 4 BGB:

„Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch denbisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangseines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zurKündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.“

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D. Betriebsübergang

I. Voraussetzungen des Betriebsüberganges

● ein Betrieb oder Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität

● Übergang auf einen anderen Inhaber

● durch Rechtsgeschäft

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D. Betriebsübergang

1. Betrieb oder Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität

Gesamtbetrachtung grds. anhand von 7 wesentlichen Einzelkriterien

(„7-Punkte-Katalog“); aber keine isolierte Betrachtung der Kriterien

(1) die Art des Unternehmens oder Betriebes

(2) der Übergang der Aktiva (materielle Betriebsmittel)

(3) die Übernahme und der Wert der immateriellen Aktiva

(4) die Übernahme der Arbeitnehmer (Hauptbelegschaft)

(5) die Übernahme der Kundschaft

(6) die Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach der Übernahme sowie

(7) die Dauer einer evtl. Unterbrechung der Geschäftstätigkeit

zuletzt BAG Urteil vom 18.10.2012 – 6 AZR 41/11; EuGH Urteil vom20.01.2011 - C-463/09

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D. Betriebsübergang

Feststellung des Betriebsüberganges durch verschiedene Entscheidungendes EuGH erschwert.

Katalog „aufgeweicht“ und nicht abschließend:

BAG Urteil vom 18.10.2012 – 6 AZR 41/11 (unter Hinweis

auf EuGH Urteil vom 20.01.2011 – C 463/09):

„Teilaspekte der Gesamtwürdigung sind u.a. … (Aufzählung Merkmalegemäß 7-Punktekatalog). Die Identität der Einheit kann sich auch ausanderen Merkmalen ergeben.“

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D. Betriebsübergang

2. Übergang auf neuen Inhaber

− Betriebsübergang setzt voraus, dass an die Stelle des bisherigen Betriebsinhabers ein anderer tritt, der den Betrieb im eigenen Namen fortführt

− Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers

− tatsächliche Betriebsfortführung durch den Erwerber (Übernahme der Organisations- und Leitungsmacht)

Abgrenzung der Betriebsfortführung zur Betriebsstilllegung

(wechselseitiger Ausschluss BAG Urteil vom 15.12.2011 – 8 AZR 692/10)

Stilllegung liegt bei ernsthaftem und endgültigen Entschluss vor, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft dauerhaft oder für einen unbestimmten dauerhaften Zeitraum zu unterbrechen(BAG Urteil vom 18.10.2012 – 6 AZR 41/11).

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D. Betriebsübergang

(Wieder-) Aufnahme der Produktion/Tätigkeit des Betriebes zeitlichkurz nach Stilllegung entfaltet nach Rechtsprechung BAGVermutungswirkung gegen ernsthafte Stilllegungsabsicht

● zeitliche Gestaltung: Wiederaufnahme der Tätigkeit erst nach einem erheblichen Unterbrechungszeitraum (vom BAG entschiedene Einzelfälle: 9 Monate Unterbrechung erheblich, dagegen 2 Monate unerheblich)

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D. Betriebsübergang

3. durch Rechtsgeschäft

� rechtsgeschäftlicher Übergang, welcher dem Erwerber die betriebliche Fortführungsmöglichkeit eröffnet

� rechtsgeschäftliche Verbindung nicht zwingend zwischen Betriebsveräußerer und -erwerber erforderlich, sondern auch über Dritte (Bsp. Verpächter)

� Fortführung des Betriebes durch Insolvenzverwalter erfolgt auf gesetzlicher Grundlage (§§ 80, 148, 159 InsO) – kein Betriebsübergang

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D. Betriebsübergang

II. Rechtsfolgen des Betriebsüberganges

● Übergang der Arbeitsverhältnisse (§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB)

● Transformation kollektivrechtlicher Regelungen sowie Veränderungssperre (§ 613 a Abs. 1 Satz 2-4 BGB)

● (Weiter-) Haftung des Veräußerers (§ 613 a Abs. 2 BGB)

● Kündigungsverbot wegen Betriebsübergang (§ 613 a Abs. 4 BGB)

● Kontinuität des Betriebsrates

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D. Betriebsübergang

1. Übergang der Arbeitsverhältnisse (§ 613 a Abs.1 S. 1 BGB)

� Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis

� Erfassung von Arbeitsverhältnissen, dagegen nicht Anstellungsverträge von Organmitgliedern (z.B. GmbH-Geschäftsführer) oder freie Mitarbeiter

� auch Anrechnung von früheren Betriebszugehörigkeiten, vor allem bei Berechnung der Kündigungsfrist (§ 622 BGB) und Wartezeit

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D. Betriebsübergang

2. Transformation kollektivrechtlicher Regelungen und Veränderungssperre

(§ 613 a Abs. 1 S. 2-4 BGB)

� Rechte und Pflichten, die beim Betriebsveräußerer durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt waren, werden Bestandteil des Arbeitsvertrages

� Unabänderbarkeit dieser Regelungen zu Ungunsten des Arbeitnehmers innerhalb Jahresfrist nach dem Betriebsübergang (Ausnahmen: Satz 3 und 4)

� Einzelvertraglich geregelte Rechte und Pflichten können dagegen stets (bei Vorliegen der entspr. Voraussetzungen) durch Änderungskündigung oder -vereinbarung abgeändert werden

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D. Betriebsübergang

3. Haftung Betriebserwerber / Betriebsveräußerer

Grundsatz (außerhalb Insolvenz):

� umfassende Haftung des Betriebserwerbers

� (Weiter-) Haftung des Betriebsveräußerers als Gesamtschuldnerneben dem Betriebserwerber wie folgt (§ 613 a Abs. 2 BGB):

− volle Haftung für Ansprüche, die vor Betriebsübergang entstandenund vor Betriebsübergang fällig geworden sind

− anteilige Haftung für Ansprüche, die vor dem Betriebsübergangentstanden sind, aber erst innerhalb Jahresfrist nachBetriebsübergang fällig werden (Bsp. Jahressonderzahlung)

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D. Betriebsübergang

Ausnahme: Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers bei Betriebsübergang in der Insolvenz

� keine Haftung des Betriebserwerbers nach § 613a BGB für Ansprüche, die vor Eröffnung des Verfahrens entstanden sind, wenn der Betriebsübergang nach Verfahrenseröffnung erfolgt

ständige Rspr. des BAG: grundlegend BAG Urteil vom 20.06.2002 -

8 AZR 459/01; zuletzt BAG Urteil vom 14.11.2012 - 5 AZR 778/11

Teleologische Reduktion des § 613 a BGB insoweit, dass dieVerteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens zwecksgleichmäßiger Befriedigung aller Gläubiger vorgehen

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D. Betriebsübergang

4. Kündigungsverbot und -recht (§ 613 a Abs. 4 BGB)

� Unwirksamkeit einer Kündigung durch den Betriebserwerber oder -veräußerer wegen des Betriebsüberganges (Satz 1)

� aber: Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen ist jederzeit möglich.

� Abgrenzung: Ist Betriebsübergang lediglich äußerer Anlass oder tragender Grund für die Kündigung

Trotz Betriebsübergang ist eine Kündigung also möglich und wirksam, wenn ein Grund vorliegt, der „aus sich heraus“ geeignet ist, die Kündigung zu rechtfertigen (BAG Urteil vom 20.09.2006 – 6 AZR 249/05).

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D. Betriebsübergang

III. „Veräußererkündigung auf Grund Erwerberkonzept“

1. tatsächlicher Ausgangspunkt:

� Entwicklung eines unternehmerischen Konzeptes vor dem Betriebsübergang durch Erwerber, bei dessen Umsetzung Arbeitsplätze entfallen werden (betriebsbedingte Kündigung)

� aber: (noch) keine Kündigungsmöglichkeit durch Erwerber selber mangels Betriebsübergang und Arbeitgebereigenschaft

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D. Betriebsübergang

2. Lösung des BAG zur Kündigung auf Erwerberkonzept:

Anerkennung einer „Veräußererkündigung auf Erwerberkonzept“

� in der Insolvenz, unabhängig davon, ob Veräußerer das Konzept ebenfalls umsetzen kann („selbsttragend“) oder nicht („vorgezogen“) , BAG Urteil vom 20.03.2003 - 8 AZR 97/02; Urteil vom 20.09.2006 - 6 AZR 249/05)

� offen gelassen für „vorgezogene“ Kündigung auf Erwerberkonzeptaußerhalb der Insolvenz (h.M. für Kündigungsmöglichkeit)

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D. Betriebsübergang

3. Voraussetzungen Kündigung auf Erwerberkonzept:

� verbindliches Konzept oder Sanierungssplan des Erwerbers

� greifbare Formen der Durchführung des Erwerberkonzeptes und des Betriebsüberganges

� somit sichere Prognose, dass Beschäftigungsmöglichkeit zum Ablauf der Kündigungsfrist entfallen wird

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D. Betriebsübergang

4. Rechtsfolgen:

� Kündigung durch Insolvenzverwalter mit den verkürzten

Fristen des § 113 InsO

� Zeitgewinn durch Kündigung vor Betriebsübergang

� Aber auch beachten : Übergang der Arbeitsverhältnisse im gekündigten Zustand auf den Betriebserwerber

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D. Betriebsübergang

IV. § 613 a BGB ist zwingendes Recht

Grundsatz:

Kein Umgehen der Rechtsfolgen des § 613 a BGB durchVereinbarungen möglich. Bei Vorliegen eines Betriebsübergangeskönnen dessen Rechtsfolgen also nicht vermieden werden.

� Praxistipps zur Risikominimierung:

● Unter Berücksichtigung der Kriterien des 7-Punkte KatalogesGestaltung möglichst derart, dass ein Betriebsübergang nichtvorliegt, Bsp.: Anzahl der übernommenen Arbeitnehmer,abweichendes Geschäftsfeld pp. (aber stets Wertungsfrage mitRestrisiko)

● Kündigung auf Erwerberkonzept

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D. Betriebsübergang

● Interessenausgleich mit Namensliste/Sozialplan

● Einbindung einer Transfergesellschaft/Abschluss von Aufhebungsverträgen

● Weiterhaftung des Veräußerers bei Betriebsübergang betrifft Außenverhältnis: Haftungsregelung zwischen Veräußerer und Erwerber im Innenverhältnis im Übernahmevertrag treffen

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D. Betriebsübergang

V. Unterrichtungspflicht (§ 613 a Abs. 5 BGB)

Unterrichtung durch Veräußerer und/oder Erwerber vor dem Betriebsübergang in Textform über

● den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

● den Grund für den Übergang,

● die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

● die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Kein Erlöschen der Verpflichtung bei/nach Betriebsübergang

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D. Betriebsübergang

VI. Widerspruchsmöglichkeit nach § 613 a Abs. 6 BGB

Möglichkeit des Arbeitnehmers innerhalb eines Monatsab Zugang der Unterrichtung schriftlich dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen.

Folge des Widerspruches:

● Arbeitsverhältnis besteht zunächst mit Veräußerer fort

● Dieser kann bei Gesamtbetriebsübergang idR betriebsbedingt kündigen, da häufig infolge des Betriebsüberganges die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfallen ist.

Erfolgt kein Widerspruch : Arbeitsverhältnis mit Erwerber.

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D. Betriebsübergang

VII. Rechtsfolge fehlerhafter Unterrichtung

kein Beginn der Widerspruchsfrist (§ 613 Abs. 6 BGB)

Die fehlerhafte (nicht vollständig) oder unterlassene Unterrichtung des Arbeitnehmers hat also zur Folge, dass dieser bis an die Grenze der Verwirkung dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen kann und damit, unter Umständen zeitlich weit nach dem Betriebsübergang, an den Veräußerer „zurückfällt“.

BAG Urteil vom 23.07.2009 - 8 AZR 538/08 (Siemens/BenQ; fristgerechter Widerspruch noch mehr als 13 Monate nach – fehlerhafter –Unterrichtung und mehr als 12 Monate nach Betriebsübergang möglich)

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D. Betriebsübergang

● Praxistipp:

� klare Regelungen zwischen Erwerber und Veräußerer treffen, wer welchen Arbeitnehmer worüber unterrichtet und abstimmen

� Unterrichtung nicht einfach der anderen Partei überlassen (größte Sorgfalt)

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

I. Ausgangssituation

Personalanpassungsmaßnahmen müssen in der Insolvenz im Regelfallzeitnah umgesetzt werden.

● Probleme der betriebsbedingte Kündigung

� Prozessrisiken

� Alters- und Leistungsstruktur

� „Kündigungsfristen als Masseverbindlichkeiten“

● Probleme bei Aufhebungsverträgen mit Abfindungslösung

� ggfs. sozialversicherungsrechtliche Nachteile beim Arbeitnehmer

● Einbindung einer Transfergesellschaft

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

II. Vorteile bei Einbindung einer Transfergesellschaft

1. Mögliche Vorteile für den Insolvenzverwalter

➔ Entlastung der Masse durch kurzfristiges Ausscheiden der Arbeitnehmer

➔ Ausschaltung rechtlicher Risiken im Hinblick auf Kündigungsschutzprozesse insbesondere bezüglich Sozialauswahl

➔ Zeitgewinn für Übernahmeverhandlungen

➔ Vermeidung § 613 a BGB

➔ Chance für Erwerber auf „Wunschmannschaft“

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

2. Mögliche Vorteile für den Arbeitnehmer

� Qualifizierung und Fortbildung

� Vermeidung der kurzfristig eintretenden Arbeitslosigkeit

� „Chance“ auf Arbeitsplatz bei Investor

� ggf. Verlängerung der Anspruchsdauer bei Arbeitslosengeldbezug

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

III. Voraussetzungen Transferkurzarbeitergeld

➔ Zusammenfassung in betriebsorganisatorisch eigenständiger Einheiten(beE), in denen Transferkurzarbeit nach § 111 SGB IIIdurchgeführt wird.

➔ Dauerhafter nicht vermeidbarer Arbeitsausfall(Personalanpassungsmaßnahmen aufgrund Betriebsänderung)

➔ Einzelheiten geregelt in § 111 SGB III

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

1. Einvernehmlichkeit des Wechsels

➔ kein „Zwang“ zum Überwechseln in Transfergesellschaft

➔ Anreiz zum Wechsel in Transfergesellschaft

wichtig: vollständige Aufklärung der Arbeitnehmer über Zweck, Inhalt und Rechtsfolgen

IV. Arbeitsrechtliche Aspekte

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

2. Aufhebung und Abschluss Arbeitsvertrag

� Aufhebungsvertrag zwischen Insolvenzverwalter und Arbeitnehmer● Schriftform (§ 623 BGB)

� Abschluss befristeter Arbeitsvertrag mit Transfergesellschaft

● maximal 12 Monate (= maximale Bezugsfrist Transferkurzarbeitergeld gem. § 111 Abs. 1 Satz. 2 SGB III)

● Schriftform (§ 14 Abs. 2 TzBfG)● Verpflichtung zur Teilnahme an Qualifizierungs- und

Fortbildungsmaßnahmen

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

3. „Dreiseitiger Vertrag“

4. Interessenausgleich – Sozialplan (§§ 111, 112, 112 a BetrVG)

5. Massenentlassungsanzeige (§ 17 KSchG)

6. Nichtanwendbarkeit § 613 a BGB

Wichtig aber:

Es darf kein zeitgleicher Abschluss oder eine verbindliche Inaussichtstellung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsübernehmer erfolgen.

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

V. Rechtsprechung des BAG

Umgehung § 613 a BGB durch Aufhebungsverträge mit Veräußerer undNeubegründung von Arbeitsverhältnissen mit dem Erwerber ?

Grundsätze (vgl. u.a. BAG Urteil vom 23.11.2006 – 8 AZR 349/06)

− Aufhebungsverträge im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang sind wirksam, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheidendes Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Dies gilt auch dann, wenn eine Transfergesellschaft zwischengeschaltet ist.

− Aufhebungsverträge sind unwirksam, wenn zugleich ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird.

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung eine

Transfergesellschaft

BAG Urteil vom 18.08.2005 - 8 AZR 523/04

„Zur Abgrenzung stellt der Senat seit dem angesprochenen Urteil vom 10.12.1998 … darauf ab, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags Arbeitnehmer und Betriebserwerber bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet hatten oder dem Arbeitnehmer ein solches verbindlich in Aussicht gestellt war. Fehle es daran, bestehe lediglich die mehr oder weniger begründete Erwartung des Arbeitnehmers, in ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber treten zu können. Der Vertragsschluss komme einem Risikogeschäft

gleich und diene nicht der Unterbrechung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses.“

Wurde die Abgrenzung „Risikogeschäft“ zu ernst genommen?

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

BAG Urteil vom 18.08.2011 – 8 AZR 312/10 (VorinstanzenArbG Hannover und LAG Niedersachsen)

„Lotterie-Urteil“

- Vorlage von zwei Arbeitsverträgen mit Erwerber(befristet/unbefristet) durch Insolvenzverwalter zwecksAbgabe eine Angebotes durch den AN

- Hinweis: kein Anspruch, dass Angebot angenommen wird

- Nach Betriebsübergang: Ermittlung der Arbeitnehmer im Los-verfahren – Annahme der Angebote von 352 AN von insg. 452 AN (193 befristet und 159 unbefristet)

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

Das BAG bezeichnet das Urteil selbst als „Lotterie-Urteil“ (vgl. BAG Urteil vom 25.10.2012 – 8 AZR 575/11)

„Im Zeitpunkt eines noch zu unterstellenden wirksamen Vertragsabschlusses, also am 29. Mai 2006 hatte der Kläger jedoch im Sinne der Rechtsprechung des Senats ein neues Arbeitsverhältnis mit der Beklagten „zumindest verbindlich in Aussicht gestellt“ bekommen, da man ihn ein vorformuliertes Vertragsangebot hat unterzeichnen lassen und am 29. Mai 2006 die Chance

von 352 zu 452 bestand, einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu bekommen. Das bedeutet mehr als „in Aussicht stellen“. Das Angebot

war vielmehr verbindlich, weil sich auch die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits an den Losentscheid gebunden hatte. Es sollte nur noch die Bedingung „Losglück“ eintreten, damit die Beklagte ihrerseits das Vertragsangebot des Klägers am 01.Juni 2006 gegenzeichnen musste.“

Ergebnis: Umgehung des § 613 a BGB

E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

BAG Urteil vom 25.10.2012 – 8 AZR 575/11

- Tarifvertrag mit Erwerber – Erhalt von ca. 1500 der bisher bestehenden 1600 Arbeitsplätze

- am 03.05.2008 Vorlage dreiseitiger Vertrag mit Transfergesellschaft Eintritt 01.06.2008 - 24:00 Uhr

- gleichzeitig Vorlage 4 vorformulierter Arbeitsverträge (unbefristet und 3 x unterschiedliche lange Befristungen) – Beginn Arbeitsverhältnis mit Erwerber 01.06.2008 – 00:30 Uhr – Unterzeichnung nur durch Arbeitnehmer – Hinweis von Insolvenzverwalter auf Risikogeschäft

- 30.05.2008 – Gegenzeichnung eines auf 20 Monate befristeten Arbeitsvertrages durch den Erwerber

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

BAG Urteil vom 25.10.2012 - 8 AZR 575/11

„Ein Betriebserwerber, der sich tarifvertraglich verpflichtet hat, die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer des Betriebsveräußerers zu übernehmen … und einem Arbeitnehmer vier Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Bestimmungen über die Dauer des Arbeitsverhältnisses vorlegt, erweckt zwangsläufig bei ihm den Eindruck, dass er zu denjenigen Arbeitnehmern gehört, welche vom Betriebserwerber übernommen werden sollen, und dass es nur noch in dessen Ermessen steht, zu welchen Bedingungen hinsichtlich der Dauer des neu zu begründenden Arbeitsverhältnisses diese Übernahme erfolgen soll.“

Konsequenz:− Aufhebungsvertrag war wegen Umgehung des § 613 a BGB nichtig− aufgrund dieses Umstandes konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht

wirksam ohne Vorliegen eines Sachgrundes gemäß § 14 Abs. 2 TzBfGbefristen (Anschlussverbot) die Befristung war unwirksam

E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

VI. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte bei Einbindungeiner Transfergesellschaft

1. Keine Anwendbarkeit von

● § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III – kein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Sperrzeit (Transfergesellschaft als wichtiger Grund – GA § 159 Ziffer 159.97)

● § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III – keine Minderung der Anspruchsdauer bei Arbeitslosengeldbezug

2. Aufschub des Eintritts der Arbeitslosigkeit um die Dauer der Transferkurzarbeit

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

3. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit

- Transferkurzarbeitergeld (§ 111 Abs. 10, 105, 149 SGB III)67 % (Arbeitnehmer mit mind. 1 Kind) bzw. 60 % (alle übrigen Arbeitnehmer) des Differenzbetrages aus dem bisher und dem tatsächlich erzielten Nettoentgelt (Nettoentgeltdifferenz) .

- Förderung Transfermaßnahme durch Zuschuss (50 % der erforderlichen und angemessenen Maßnahmenkosten, max. 2.500,00 € je gefördertem Arbeitnehmer)

Wichtig:Beratung von der Agentur für Arbeit im Vorfeld der Entscheidung über Einführung von Transfermaßnahmen ist Anspruchsvoraussetzung für Förderung (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB III)

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E. Rechtliche Aspekte bei Einbindung einer

Transfergesellschaft

VII. Finanzierungslasten für die Insolvenzmasse- ggf. auch Investor -

1. Zuschläge zum Transferkurzarbeitergeld

2. Remanenzkosten

● (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung (nicht Arbeitslosenversicherung)

● Entgeltzahlungen an Urlaubs- und Feiertagen

3. Verwaltungskosten der Transfergesellschaft

Faustformel: Ein Monat eingesparte Kündigungsfrist finanziert ca. zwei Monate Laufzeit in der Transfergesellschaft

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F. Aktuelle Rechtsprechung

I. Stellung Geschäftsführer in der Insolvenz

BAG Urteil vom 04.02.2013 – 10 AZB 78/12

„Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat an der organschaftlichenStellung des Klägers nichts geändert, die Organstellung des Organs einer juristischen Person bleibt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt (…). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes.“

hier zur Rechtswegzuständigkeit, wohl übertragbar auf andere Regelungen, da grds. gleicher Arbeitnehmerbegriff

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F. Aktuelle Rechtsprechung

II. Anfechtung Vergütungsansprüche: Ausschlussfristen vs. Verjährung

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen häufig so genannten (tarifvertraglichen oder vertraglichen) Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche geltend gemacht werden müssen, damit sie nicht verfallen.

1. Bisherige Rspr.: BAG Urteil vom 19.11.2003 – 10 AZR 110/03 Anspruch auf Rückgewähr von Vergütungsansprüchen nach Anfechtung unterliegt keinen tarifvertraglichen oder vertraglichen Ausschlussfristen. Anspruch auf Rückgewähr basiert auf gesetzlichem Schuldverhältnis.

2. Beschluss des Gemeinsamen Senats vom 27.09.2010 - GmS-OGB 1/09betraf Klärung des Rechtsweges nach Anfechtung von LohnzahlungenQualifizierung als Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis und Zuweisung des Rechtswegs an die Gerichte für Arbeitssachen.

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F. Aktuelle Rechtsprechung

3. LAG Niedersachsen – Urteil vom 22.03.2012 − 7 Sa 1052/11 (Revision eingelegt BAG - 6 AZR 451/12)

„Aus diesen Ausführungen (des Gemeinsamen Senates) folgt, dass es sich bei dem Anspruch auf Rückgewähr von Vergütung nach einer erfolgten Insolvenzanfechtung um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Für alle (beiderseitigen) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen) gilt die Ausschlussfrist des für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrags für das Maler- und Lackiererhandwerk …“

(genauso LAG Nürnberg Urteil vom 30.04.2012 - 7 Sa 557/11; aA LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 12.09.2012 – 4 Sa 1166/12; LAG Nürnberg Urteil vom 16.05.2012 - 2 Sa 566/11)

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F. Aktuelle Rechtsprechung

4. Ausblick: wohl kurzfristige Klärung durch BAG zu erwarten

BAG – 6 AZR 466/12 Termin am 24.10.2013 im Revisionsverfahren LAGNürnberg (Urteil vom 30.04.2012 - 7 Sa 557/11)

Terminvorschau:

„Mit Blick auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105) macht sie geltend, ein etwaiger Anspruch sei aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen. Der Beklagte ist der Ansicht, bei einer im Rahmen der Zwangsvollstreckung erlangten Befriedigung in der Krise handle es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs um eine inkongruente Deckung nach § 131 InsO. Sie begründe ein Anfechtungsrecht. Unter Rückgriff auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 2003 (- 10 AZR 110/03 - BAGE 108, 367) meint er, tarifliche Ausschlussfristen erfassten Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters nicht.“

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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