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Coluna de Luiz Ruffato no Neue Zürcher Zeitung (26/06/2014)

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Coluna de Luiz Ruffato no jornal alemão Neue Zürcher Zeitung de 26 de junho de 2014.

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Page 1: Coluna de Luiz Ruffato no Neue Zürcher Zeitung (26/06/2014)

Front 11.06.12 / Nr. 133 / Seite 1 / Teil 01

# NZZ AG

BÖRSEN UND MÄRKTE

Investoren wetten auf LockerungenInvestoren in den USA bringen sichzurzeit in Position, um von einer wei-teren quantitativen geldpolitischenLockerung zu profitieren.

Seite 21

Weltmeisterschaft 26.06.14 / Nr. 145 / Seite 27 / Teil 01

! NZZ AG

BRIEF AUS BRASILIEN

Unser Dilemmaim LandLuiz Ruffato " Ich habe die drei Partiendes brasilianischen Teams in drei ver-schiedenen Städten gesehen. Währenddes 3:1 gegen Kroatien war ich in SaoPaulo, das torlose Unentschieden gegenMexiko sah ich im äussersten Süden desLandes, in Porto Alegre. Dem 4:1 gegenKamerun wohnte ich in Juiz de Fora bei,im Südosten Brasiliens. Nach und nachkonnte ich feststellen, wie sich die Stim-mung in der Bevölkerung veränderte.Es erstaunt mich noch immer, dass dieStrassen, die Häuser und die Autosnicht von grüngelben Fahnen bedecktsind und dass sich die Menschen gröss-tenteils weigern, in kanariengelbenLeibchen herumzulaufen. Die Skrupel,die brasilianischen Spieler zu unterstüt-zen, sind jedoch am Abklingen.

Andre Sant’Anna, ein Schriftsteller,mit dem ich am Abend vor der Partiegegen Kamerun eine Diskussionsrundezu Fussball und Literatur bestritt, er-zählte, dass seine erste fussballerischeErinnerung zum Startspiel Brasiliens ander WM in Mexiko zurückreicht. Er, einKind voller Bewunderung für das un-vergessliche Team von 1970, sass damalsvor dem Fernseher, umgeben von links-radikalen Erwachsenen. Die Gruppetendierte dazu, die Tschechoslowakeizu unterstützen, aus Protest gegen dieMilitärdiktatur, die ihr repressives Ar-senal in jenem Jahr verschärft hatte undihre Gegner mittels Zensur, Tortur undMord zum Schweigen brachte.

Als Petras damals in der 11. Minutedas erste Tor erzielte, verstummten dieZuschauer. 13 Minuten später tratRivelino vor dem Strafraum einenFreistoss, traf am Goalie Viktor vorbeiin die rechte Ecke, und alle brachen inJubel aus. Verlegen und angespanntwarteten sie, bis Pele in der 14. Minuteder zweiten Halbzeit und Jairzinho (inder 16. und in der 36. Minute) dasResultat komplettierten. In diesemAugenblick war es unmöglich gewor-den, der brasilianischen Mannschaftdie Unterstützung zu verweigern.

Bis zum Ende der WM vergassen alledie Diktatur und liessen sich durch dieEreignisse in den mexikanischen Sta-dien berauschen. Vielleicht erleben wirnun eine neue Version desselben Dilem-mas. Ja, so zahlreich und komplex dieProbleme auch sind, die in Brasiliengrassieren, vielleicht sind wir angesichtsder Spiele zum Schluss gekommen, dasswir uns trotz allem momentweise glück-lich fühlen können... . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .

Der 53-jährige Luiz Ruffato lebt in Sao Paulo und giltals einer der wichtigsten brasilianischen Schriftsteller.Ruffato schreibt einmal wöchentlich Anmerkungen zurFussball-Weltmeisterschaft in seinem Land. – Überset-

zung: Patrick Straumann.