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Streikmanifest Frauencafe Wien

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Streik bedeutet Arbeitsniederlegung. In diesem Fall bedeutet der Streik eine enorme Arbeitsintensität. Seit über eine Woche wird organisiert, koordiniert, kommuniziert, geschrieben, gefilmt, fotografiert, gekocht, Medienarbeit betrieben und vieles mehr.

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Streik bedeutet Arbeitsniederlegung.In diesem Fall bedeutet der Streik eine enorme Arbeitsintensität. Seit über eine Wochewird organisiert, koordiniert, kommuniziert, geschrieben, gefilmt, fotografiert, gekocht,Medienarbeit betrieben und vieles mehr.

Die Besetzung der Akademie der Bildenden Künste Wien dauert nun schon seit einerWoche an. Dass diese Besetzung eine generelle Streiksituation in der österreichischenBildungslandschaft auslösen würde, war letzten Dienstag noch nicht abzusehen.Dass sich Proteste an anderen österreichischen Universitäten formiert haben, kommt abernicht von ungefähr. Es ist Teil und Ergebnis jahrelanger Arbeit von Studierenden,Lehrenden, Arbeiter_innen und vor allem von außerinstitutionellen und selbst-organisiertenPersonen und Gruppen.Sie machen nicht nur auf die Missstände an Universitäten, im gesamten Bildungsbereich,in der Gesellschaftsstruktur allgemein aufmerksam, sie analysieren diese, organisierenProteste, arbeiten Alternativen aus und leben diese.Dafür erkämpfen sie sich innerhalb dieser Gesellschaft permanent den Raum und die Zeit.Ohne die Arbeit dieser unzähligen Personen wären die Proteste hier und heute nichtmöglich.

Was hier passiert, ist mit der weltweiten Entwicklung sozialer Bewegungen verknüpft.In diesem Sinne wird hier und heute nicht nur die Verbesserung der Arbeitsbedingungenvon Studierenden, Lehrenden und weiterem Universitätspersonal gefordert, sondern dieVerbesserung aller Arbeitsbedingungen überall.

Ausdrücklich gemeint sind auch die Arbeitsbedingungen derjenigen, die vertraglich nichtdirekt der Universität zugehörig sind, sei es als Reinigungspersonal oderwissenschaftliches Personal. Die Proteste treten dafür ein, diese Arbeitsbedingungensichtbar zu machen. Sie treten dafür ein, all die unbezahlte und schlecht bezahlte Arbeitsichtbar zu machen, die tagtäglich zum Großteil von Frauen im Bildungsbereich, imErziehungs- und Pflegebereich, im Haushalt und anderswo geleistet wird.Die Gesellschaft profitiert von dem Wissen, das in unbezahlten, mit wenig symbolischemKapital ausgestatteten Bereichen zur Anwendung kommt.Damit einher geht die Vorstellung eines bestimmten Typs von Arbeitskräften – hochgradigbelastbar, zielfixiert und in der Lage, klar definierte Aufgaben schnell auszuführen, ohneZweifel, ohne die Arbeitsbedingungen in Frage zu stellen. Produziert werden sollHumankapital, produziert werden sollen Standortfaktoren für die nationale Wirtschaft.Unterstrichen wird all das durch die unzähligen schlecht bezahlten oder unbezahltenPraktika, die zur Stunde geleistet werden.

Mit der Forderung nach einer Verbesserung dieser Arbeitssituationen sind nicht 5 Centmehr pro Stunde, nicht 3 Euro mehr Kindergeld und auch nicht einfach nur mehr Geld fürdie Universitäten gemeint.Mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind grundsätzliche gesellschaftlicheVeränderungen gemeint.Es ist unübersehbar, dass die derzeitige gesellschaftliche Ordnung in erster Linie sozialeAusschlüsse und Benachteiligungen produziert.Ausschlüsse, die Haupt- und BerufsschülerInnen im Bildungssystem erfahren und die siesystematisch von universitärer Bildung fernhalten.Ausschlüsse, welche es erst durch die gezielte Dequalifizierung beispielsweise vonMigrant_innen ermöglichen, derzeit herrschende Dienstleistungsökonomien aufrecht zu

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erhalten.Ausschlüsse, deren Auswirkungen vor allem auf Kosten von Frauen gehen.

Diese Ausschlüsse werden befördert und umgesetzt über scheindemokratische,ökonomisierte, patriarchale Entscheidungs- und Ausleseprozesse, die in dieserGesellschaft herrschen. Dazu gehören auch die an den Universitäten angesiedeltenBurschenschaften und andere Damen- und Männerbünde.Grundsätzlich dafür verantwortlich ist jedoch die in Österreich hegemoniale patriarchale,sexistische, antisemitische, rassistische, nationalistische, homophobe, wertkonservativeund scheindemokratische Politik.

Nachdem der Großteil der österreichischen Medienlandschaft zunächst in gewohnterManier die Proteste verniedlicht bzw. skandalisiert hatte, tritt jetzt ein Staunen darüber inKraft, wie stark, nachhaltig und gehaltvoll diese offenbar sind.

Wir erkämpfen uns durch die Proteste einen Raum, der auch durch das historische undpolitische Wissen, das in der Universität angeeignet wurde, vorstellbar wird. Vor allemjedoch wird dieser Raum des Protests von jenen Erfahrungen getragen, die wir zwischenengen Studienplänen und schwierigen Arbeitsbedingungen machen und formulieren.

Was hier gelebt und gefordert wird, ist:

- eine Auflösung ausbeuterischer Machtstrukturen und deren Ausschlußmechanismen- die absolute Demokratisierung aller Institutionen- das Ende rassistischer und sexistischer Gesetzgebung, Arbeitsmarktpolitik undBildungspolitik- das Ende rassistischer und sexistischer Dienstleistungsökonomien- das Ende von Gratisarbeit und eine angemessene Bezahlung von Praktika- die Bezahlung bisher nicht als Arbeit anerkannter Dienstleistungen wie bspw. Hausarbeit,Kindererziehung und Krankenpflege, egal von wem sie geleistet wird- die Anerkennung nicht institutionell legitimierten Wissens

Wir fordern den freien Zugang zum Bildungssystem für alle!Wir fordern nicht nur einen Stop der Ökonomisierung der Bildung.Wir fordern einen Stop der Ausbeutung in allen Lebensbereichen.

Re*claim your educationRe*claim your bodyRe*claim time and spaceRe*claim your life