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Heike SJmmet Heike Simmet Auswirkungen neuer Informations. und Kom. munikationstechnologien auf Wettbewerbs. strategien des Einzelhandels 1. EinfiJ hrung 1.2. 1,1. Problemstellung Der EinzeJhandel in der BundesrepubtJk Deutsch- land hat in den letzten Jahrzehnten tiefgreffende struk-turelte Wandlungen durchlaufen. Ausgepr~gte Konzentrat[ons- und Kooperationsprozesse sowie eine wachsende Marktmacht der GroBbetdebe bestimmen als Ergebnis der ge~.nderten Umwelt- und Nachfragebedingungen seine Wettbewerbspo- sition. Insbesondere tier Lebensmitteleinzeihandel wurde von diesen Entwicklungen slark betroffen (vgl. z.B. Potucek 1987). In der heutigen Situation steht der Einzelhandel durch die dynamlsche EntwJcklung neuer Inforrna- tions= und Kommunikationstechnologien vor einer weiteren strategischen Herausforderung. Obwohl sich die neuen Lnformations- und Kommunikations- technologien in der Bundesrepublik Deutschland noch 0berwiegend in der ~nfehrungsphase ihres technologischen und rnarktbezocjenen Lebenszy- klus befinden und Akzeptanzprobleme im institutio- nellen und pdvaten Bereicb ihre Diffusion erschwe-- ren, sind starke Impulse auf den immer }ntensiveren Wettbewerb irn Einze~bandel bereits zu erkennen. Die [dentifikation und die Nutzbarrnachung der Inno- vationspotentiale derneuen lnformations- und Kom- m unikationslech nologien erweist sir daher als eine wettbewerbsstrategisch bedeutsarne Aufgabe des Einzelhandels-Marketing. Dr, Hefke Simmer, Wlss, e~schaftliche Assistentin. Lehrstahl fbr Marketing, Universit~t Dortmund, 4600 DorU'nur~d 50, Otfo- Hahn-St[aJ]e, Innovationspotentiale neuer |nformations. und Kommuni- kationstechnologien FOr das Einzelhandels-Marketing sind eine V~elzahl unterschiedlicher neuer Technologien, die seine In- formations- und Komrnunikationsprozesse beein- flussen, yon Bedeutung. Einen hohen Stellenwert besitzen die neuen Technologien der Inforrnations- erhebung, d.h. insbesondere das Scanningverfah- ten und die mobile Datenerfassung, die in Verbin- dung mit den Technotogien der elektronischen Infor- mationsverarbeitung den Aufbau leistungsfQhiger Warenwirtschaftssysteme erm~glichen. Darliber hinaus edangen die Technolegien der lnformations- 0bermittlung eine immergrSBere Bedeutung, da sie in besonderern MaBe in der Lage sind, die rnit den Marktpartnern Industne und Verbraucher erfolgen- den Austauschprozesse zu erleichtem. Diese neuen Informations- und Kommunikations- technologien steflen komplexe Innovationen dar, die fi]r den Elnzelhandel wesentliche Merkmale yon Schl0sseftechnologien erfQIlen. Das Innovationspo- tential der neuen lnformations- und Kommunika- tionstechnologien wircl abet nicht nur durch ihre technologische Innovationsdimension bestirnmt, sondem es umfasst neben e]ner Qsthetischen vor allem auch eine soziale Dimension. Erst aus deren Zue~mmenwirkenergJbt sich das Nutzungspotentiat fLir das Marketing (Meissner 1984, S. 10). Die ~sthe- tische und die soziale Dimension neuer Informa- tions- und Kommunikationstechnologien m0ssen sowohl bei der innerbetrieblichen Anwendung als auch bei d~Anwendung in den Interak'tionsprozes- sen der Marktpartner eine st~rkere BerScksichti- gung ats bisher Oblich finden. Insbesondere die Kaufentscheidungen yon Konsumenten werden 70 29. Jahrg~ng, Nr, 113, Sei[e 7~-76 (J.s ~t, kt, t990,~

Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien auf Wettbewerbsstrategien des Einzelhandels

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Heike SJmmet

Heike Simmet

Auswirkungen neuer Informations. und Kom. munikat ionstechnolog ien auf W e t t b e w e r b s .

strategien des Einzelhandels

1. EinfiJ hrung 1.2.

1,1. Problemste l lung

Der EinzeJhandel in der BundesrepubtJk Deutsch- land hat in den letzten Jahrzehnten tiefgreffende struk-turelte Wandlungen durchlaufen. Ausgepr~gte Konzentrat[ons- und Kooperationsprozesse sowie eine wachsende Marktmacht der GroBbetdebe bestimmen als Ergebnis der ge~.nderten Umwelt- und Nachfragebedingungen seine Wettbewerbspo- sition. Insbesondere tier Lebensmitteleinzeihandel wurde von diesen Entwicklungen slark betroffen (vgl. z.B. Potucek 1987).

In der heutigen Situation steht der Einzelhandel durch die dynamlsche EntwJcklung neuer Inforrna- tions= und Kommunikationstechnologien vor einer weiteren strategischen Herausforderung. Obwohl sich die neuen Lnformations- und Kommunikations- technologien in der Bundesrepublik Deutschland noch 0berwiegend in der ~nfehrungsphase ihres technologischen und rnarktbezocjenen Lebenszy- klus befinden und Akzeptanzprobleme im institutio- nellen und pdvaten Bereicb ihre Diffusion erschwe-- ren, sind starke Impulse auf den immer }ntensiveren Wettbewerb irn Einze~bandel bereits zu erkennen.

Die [dentifikation und die Nutzbarrnachung der Inno- vationspotentiale derneuen lnformations- und Kom- m unikationslech nologien erweist sir daher als eine wettbewerbsstrategisch bedeutsarne Aufgabe des Einzelhandels-Marketing.

Dr, Hefke Simmer, Wlss, e~schaftliche Assistentin. Lehrstahl fbr Marketing, Universit~t Dortmund, 4600 DorU'nur~d 50, Otfo- Hahn-St[aJ]e,

Innovat ionspotent ia le neuer |nformations. und Kommuni- kat ionstechnologien

FOr das Einzelhandels-Marketing sind eine V~elzahl unterschiedlicher neuer Technologien, die seine In- formations- und Komrnunikationsprozesse beein- flussen, yon Bedeutung. Einen hohen Stellenwert besitzen die neuen Technologien der Inforrnations- erhebung, d.h. insbesondere das Scanningverfah- ten und die mobile Datenerfassung, die in Verbin- dung mit den Technotogien der elektronischen Infor- mationsverarbeitung den Aufbau leistungsfQhiger Warenwirtschaftssysteme erm~glichen. Darliber hinaus edangen die Technolegien der lnformations- 0bermittlung eine immergrSBere Bedeutung, da sie in besonderern MaBe in der Lage sind, die rnit den Marktpartnern Industne und Verbraucher erfolgen- den Austauschprozesse zu erleichtem.

Diese neuen Informations- und Kommunikations- technologien steflen komplexe Innovationen dar, die fi]r den Elnzelhandel wesentliche Merkmale yon Schl0sseftechnologien erfQIlen. Das Innovationspo- tential der neuen lnformations- und Kommunika- tionstechnologien wircl abet nicht nur durch ihre technologische Innovationsdimension bestirnmt, sondem es umfasst neben e]ner Qsthetischen vor allem auch eine soziale Dimension. Erst aus deren Zue~mmenwirkenergJbt sich das Nutzungspotentiat fLir das Marketing (M eissner 1984, S. 10). Die ~sthe- tische und die soziale Dimension neuer Informa- tions- und Kommunikationstechnologien m0ssen sowohl bei der innerbetrieblichen Anwendung als auch bei d~Anwendung in den Interak'tionsprozes- sen der Marktpartner eine st~rkere BerScksichti- gung ats bisher Oblich finden. Insbesondere die Kaufentscheidungen yon Konsumenten werden

70 29. Jahrg~ng, Nr, 113, Sei[e 7~-76 (J.s ~ t , kt, t990,~

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Ei nzel handels- Marketi n g

durch komplexe Wirkungsabl&ufe determiniert, die sich nicht betiebig erfa~en und steuem lessen. Ebenso spie[en die Erwartungen und Verhattenswei- sen tier I-ieferanten und der eigenen Mitarbeiter sowie ihre Pr~iferenzen, Neues zu nutzen bei techno- Iogischen lnnovationen eine wichtige Rolte, Die Ber~cksichtigung der ~sthetischen und der sozialen Innovationsdlmension stellt deshalb gerade for die Nutzung neuer Informations- und Kornmunikations- technologien eine wesentliche Voraussetzung dar (vgL AI0b. 1).

Innovationen steJlen sich nicht ats statisches, son- dem als dynamisches Phi~nomen dar. Kennzeich- nend for die Dynamik der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien Im Einzelhandel sind i hre zu nehmenden Verkn0pfu ngsmbglich keiten, d.h. die Verschrnelzung yon Computer- und Kornmuni- kationstechnik im Sinne einer Cornpunication (vgl. z.EL Buzell 1988 und Witte 1984). Diese Entwicklung ermSglicht zugleich den Aufbau eines lnformations- und Kommunikationsmodells, des die innerbetrieb-

lichen Informations- und Kornmunikationskompo- nenten mit den entsprechenden absatz.- und be- schaffungsmarktbezogenen Inforrnations- und Kommunlkationskomponenten verbindet (Schulte/ Simrnet 1989).

2. Zielsetzungen der Nutzung neu- er informations, und Kommuni - kationstechnologien im Einzel- handel

Die ZJelsetzungen der Nutzung neuer Informations- und Komrnunikationstechnologien im Einzelhandel konzentrieren sich nach ernpirischen Erhebungen auf die Aussch6pfung der Rationalisierungspoten- tiale, die slch durch den Aufbau teistungsf~'thiger Warenwirtschaftssysteme im innerbetdeblichen In- forrnationswesen und bei der operativen Abwick- lung yon Einkaufs- und Verkaufsaktivit~ten ergeben. Vor allem Untemehmen, die sich bislang eher zu-

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Heike Simmer

n3ckhaltend bei der Anwen dung neuer I nformations- und Kommunikationstechnologien gezeigt haben, messen diesen kurzfristig reaJisierbaren Rationati- sierungswirkungen eine zentrale Bedeutung bei (Simmet 1990, S. 55f0.

Der Nutzen neuer Informations- und Kommunika- tionstechno[ogien ist jedoch nicht aflein nlit 6kono- rnlschen, d.h. monet#,r quant[fizierbaren Gr58en zu bewerten. Solange die potentielten Anwendungs- m6glichkeiten neuer Informations- und Kommuni- kationstechnorogien primer auf Z_ielset-zungen kurz- fdstig realisierbarer Flationa]isierungsvorteile basie- ren, kann ihr lnnovatJonspotential nicht veil ausge- schSpft werden. FOr da~, Marketing lm Einzelhandel kommt es vet allem darauf an, die langfdstig wirksa- men Erfolgskornponenten als erstrebenswerte zu- k0nftige Zust&nde in die Zielp]anung zu integrieren.

Diese Erfolgskomponenten lessen sich vor allem durch die Nutzung neuer tnformations- und Kommu- nikationstechnologien als strategische Waffe im Wettbewerb erschlleSen.

3. W e t t b e w e r b s s t r a t e g i e n auf der Grundlage neuer Informations- und K o m m u n i k a t i o n s t e c h n o l o - g ien

Die Situation des Einzelhandels in der Bundesmpu- blik Deutschland erf0rdert es mehr denn je, wichtige und dominierende F~h[gkeiten, d.h. "strategische Erfolgspositionen ~ (PL~mpin 1986) aufzubauen, die es errn~g}ichen, WettbewerbsSbedegenheit und dam[t langfristig Oberdurchschnitt~iche Ergebnisse zu erreichen. Neue Inforrnations- und Kommunika- tionstechnologien erweisen sich dabei immer star- ker als ein zentraler Bestirnmungsfaktor der Ertan- gung strategischer Wettbewerbsvorteile, nicht nut in der Industrie (vgi. z.B. Porter/Millar 1986 und Over- lack 1988) sondem auch irn E]nzethandeL Diese strategischen Wettbewerbsvodeite fassen sich nach Porter dutch Kostenf~hrerschaftsstrategien einer- seits und Differenzierungsstrategien andererseits erlangen (vgl. Porter 1983 und 1986). '

3.1. Unterst(~tzung von KostenfGh- re rschaf tss t ra teg ien

W~-~hrend im Zentrum der Bestrebungen yon Indu- stdeuntemehmen traditionscjem~,i3 dieTechnisierung

a]s Strategie zum Aufbau und zur Sicherung von Kostenvorspr~ngen gegen0ber den Wettbewerbem stand, lag des Schwergewicht der Rationalislerung im Einzelhande[ bislang auf dem Gebiet der Funk- tionseinengung, lnsbesondere die fehlende Ausdif- ferenzierung einer Basistechnologie lieP, technoto- g]sch induzierte Rationalisierungsstrategien in den Hintergrund treten (Engfer 1984, S. 109). Diese Ein- schr,~nkung tier Funktlonsaus0bung im Handel setz- te in tier Vergangenheit sowoP, l auf tier Beschaf- fungsseite als auch auf der Absatzseite an. Die Rationalisierungspotentiale, die aus der Nutzung neuer Infermations- und Kornmunikationstechnolo- glen resultieren, werden den Trend des Funktions- abbaus sowohl auf den Beschaffungs- als auch auf den Absatzrn~&rkten verst&rken. Dareber hinaus kann eine Substitution tradit[oneller Handelsfunktionen d urch neue I nformations- u nd Kern m unikatienstec h- nologien eine KostenfQhrerschaft begn3nden.

Die mit tier Vetschiebung der Machtpositionen im Distributionssystem einhergehende Marketingko- operation zwischen Herstellern und Handelsunter- nehmen hat dazu gefLihrt, de8 der Einzelhandel der Industrie informative, kornmunikative und distributi- ve Aufgaben Obertragen hat, die veto Herstetler irn Rah men seiner Vertriebsorganisation bzw. Verkaufs- stellenbetreuung abgewickelt werden. Durch die Nut;tung neuer Informations- und Kommunikations- technologien zeichnen sich neue Ansatzpunkte der Leistungs0bertragung auf die Hersteller bzw. Liefe- ranten im Rahmen des sogenannten "back-door- scanning" ab. Dieser Funktionsabbau kann dazu f0hren, dab die Warenelngangserhebung in den Aufgabenbereich der Lieferanten verlagert wird, um damit Kostenerspamisse vet allem im Personalbe- reich erzielen zu kSnnen,

Starke zwischenbetdebl iche Rational isier~ ngspoten- tiale ergeben sich zudem durch (:lie Nutzung inte- grierter Informations- und Kommunlkationssysteme zwischen Herstellem und Lieferanten auf der Basis der "Standardregelungen Einheitlicher Daten-Aus- Lauschsysteme" (SEDAS), die einen elektronischen Datenaustausch im Rechnungsverkehr, im Bestell- verkehr und in der Marktdatenkommunikation er- mSglichen. DTe Nutzung dieserintegrlerten Systeme bewirken jedoch keinen Funktionsabbau, sondem eine Substitution bestehender manueller Funktlons- abl~ufe dutch neue InformatJons- und Kornmunika- tionstechno[ogien.

Auch auf den Absatzrn~'kten des Einzelhandels zeichnen sich neue MSglichkeiten der Reduktion

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Einzelhandets-Marketing

von Bedien un g sleistungen un d darnit der LeJstu ngs- ebertragung auf die Konsurnenten, d.h. eine Substi- tution des Betdebsfaktors "Arbeit" dutch die Konsu- menten ab. Die positiven EffahnJngen mit Selbst- bodienungswaagen im Fdschwarenbereich waren der Ausl0ser fOr Ubedegungen, auch den Registrier- vorgang dutch die Konsumenten irn Rahmen einer erweiterten Selbstbedienung abwickeln zu lassen. Dieses "Self-Scanning" wird bereits erfolgreich ge- testet.

W~hrend die bislang erfoigte Einschr~,nkung yon Funktionsaus0bungen des Einzelhandels dutch Reduktion der BedienungsJeistungen in der Regel mit einem Leistungsverzicht der Konsumenten hin- sichtlich der angebotenen Beratungsleistungen ver- bunden war, kann die Nutzung neuet lnforrnations- und Komrnunikationstechnologten diese Form der Leistungsvedagerung zumindest teilweise kornpen- sieren. So ermOgiichen z. B. die audiovisuelIen Medien dutch ihre kornmunikativen Informationsleistungen einen Ausgleich der durch die Substitution yon Per~ sonal dutch Technik reduzierten Beratungsleistun- gen.

Rationalisierungsstrategien basieren dan3ber bin= aus auf der Erschliel3ung i nnerbetriebllcher Rationa- lisierungspotentiate. Diese Rationalisierung dutch Tech nisierungsstrategien erhatt insbesondere durch den Aufbau artikelgenauer Warenwirtschaftssyste- me und den hierrnit erzielbaren Rationalisierungsef- fekten neue Impulse, da hierdurch in besonderem MaSe die Effizienz der Funktionsabl~ufe der Unter- nehmen yon der 13eschaffung 0berdie Lagerhaltung und den Absatz kostensenkend beeinflul3t wird.

Die Erschliei3ung dieser innerbetnebfichen RatJona- lisierungspotentiate ist vor allem irn Hinblick auf die Entwickiungen zum Gemeinsamen Europ&ischen Binnenm arkt und den damit verb und enen Euro- Mar- ketingstrategien yon Bedeutung (Meissner 1990). Zu ben3cksichtigen ist dabei, dab der ~echnologische Standard im Einzelhandel der europ~ischen Nach- barl~nder, insbesondere in England und Frankreich, in bestimmten Bereichen h0her Jst. Die Anwendung tier neuen Inforrnations- und Kommunikationstech- nologien erweist sich daherzugleich als ein wichtiger Wettbewerbsfaktor in dem Euro=Handelsrnarketing (Simmet 1990).

Die Nutzung neuer Inforrnations- und Kommunika- tlonstechnologien stellt einen wesentlichen Bestand- tell der beobachtbaren Rationalisierungsstrategien im Ei nzel ban d el dar. Die Realisierungsm,Sglich keiten

dies~rweitestgehend kontrakttven Rationalisierungs- strategien miJssen dabei im Kontext mit den Reak- tionen der Unternehrnensurnwelt analysiert und bewertet werden, da sie latent anf~illig gegen Ver- weigerungen sowohl auf der Besohaffungs- als auch auf der Absatzrnarktseite sind. RationaJJsierungs- strategien zur UnterstC~lzung einer KostenfL~hrerschaft im Einzelhandel kSnnen somit nur dann erfolgreich umgeselLt werden werden, wenn sie zugleich einen Interessenauscjleich mit den Marktpartnern bewir- ken.

3,2. Untersti i tzung yon Differenzie- rungsstrategien

Elne Leistungsdifferenzierung erfolgt im Einze]han- del durch eine gez]elte Heterogenisierung oder Neu- schaffung des angebotenen Sortiments und tier damit verbundenen ServiceJeistungen. Hierdurch so]Ion 5rtliche, zeitliche und sachliche Pr~ferenzen fiJr das Unternehrnen gebildet und damit zugieich ein Abgrenzungskriterium zur Konkurrenz geschaffen werden. Derartige Pr&ferenzen k(3nnen im Einzel- handel zum einen Qber die sachlichen, i~rtIichen und zeittichen MbgllchkeJten der Transaktion yon Ware und Geld und zum anderen iJber die Kommunika- tionspolltik erzielt werden.

Einen (untergeordneten) Steflenwert nehmen in die- sem Zusammenhang die Ortlichen Pr~ferenzen tier Verbraucher ein. Aufgrund der begrenzten Mobilit&t der Verbraucher bei GL~tem des t~tg]ichen Bedarfs, also insbesondere bei Lebensmittern, konkurrieren auf der Einzelhandelsebene nur Verkaufsstetlen miteinander, die for den Verbraucher aufgrund ihrer r~,urnlichen Entfernung auch zeit]ich gesehen eine echte Alternative darstellen. Die Distribution ~ber das Bildschirrn~ext-System odor 5ber das Kabel- fernsehen bietet innovative 6rtliche und durch die Umgehung der LadenOffnungszeJten auch neue zeltliche Differenzierungsrn~glichkeiten, welche der Immobilit~t und dem Convenience-Bederfnis der Verbraucher beim Einkauf entsprechen.

Im Einzelhandel haben zudem Strategien, die auf eine Differenzierung durch sachliche Leistungsvor- teile gegeni~ber den Wettbewerbern in Form eine$ Trading-Up abstetlen, in den letzten Jahren zuneh- mend an Bedeutung gewonnen.

Die Nutzung neuer lnformations- und Kommunika- tionstechno]ogien kann die im Einzethandel bereits vorhandenen sachlichen Differenzierungen durch

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Heike Simmet

"Profil-Marketing" (Oehme 1983, S. 306-347) wirk- sam unterstL~tzen und zug[eich die MSglichkeiten der Schaffung yon Leistungsvorte]]en erweitern, urn damit den Ubergang vonl kosterlorlentierten zum qualitfitsorientierten Wettbewerb zu fSrdem.

Der Aufbau artikelgenauer bzw. integrierter Waren- wirtschaftssysterne ermSglicht as, die konstitutiven E[emente dieser Differenzierungsstrategie (Frische, Qualit~t und Vielfalt des Warenangebotes) durch die Durchddngung atler Funktionsabl~ufe der Distribu- tion mit artikelgenauen Waren- und Leistungsinfor- mationen positiv zu beeinflussen. So ist beispiels= weise gerade fl3r den Frischwarenbereich des Lebensmitteleinzelhandels, der sich ats eine we= sentliche Komponente einer Differenzierungsstrate- gie darstef~t, das Vorhandensein und die Nut-zung exakter und aktuelfer Warenwirtschaftsinformationen yon essentielter Bedeutung.

Potentiale der Schaffung yon Differenzierungen zur Begn3ndung einer LeistungsfOhrerscha~t ergeben sich zudem durch das Angebot an Sekund~.deistun- gen. Sekund&deistungen beziehen sich auf die Ubernahme zus~.tzlicher Handelsfunktionen und stehen damit in einem dichotomen Verh~ltnis zu den kontraktJven Rationallsierungsstr~tegien zur Begd3n- clung einer KostenfGhrerschaft.

Die M6glichkeit elner Profilierung dutch das zus&tz- tiche Angebot innovativer Distdbutionsleistungen I m Rahmen des Tele-Selllng wurde bereits als Instru- ment der Schaffung 5rtlicher und zeiUicher Pr,~feren- zen angesprochen. Dan3ber hinaus kann das Tele- Serling abet auch als sachliches Differenzierungsin- strument genutzt warden, wenn es dutch ZusatzJei- stungen, wie z.B. dutch eine anschlieBend en~ofgen - de Hauszusteilung, erg~nzt wird. Weiterhin kann das Akz_eptieren unterschiedticher Zahlungsarten, wie clas Banking-POS als Serviceleistung zur sachlichen Differenzierung genutzt werden.

In den Mittelpunkt des wissenschaftlichen und pra- xisorientierten Interesses sind zudem Differenzie- rungen durch Erwefferung der kommunikafionspoli- tischen L_eistungen am Point-of-Pumhase irn Sinne einer edebnisorientierten Ladengestaltung gen3ckt worden (vgl z.B. Bost 1987, Diller/Kusterer 1986, Weinberg 1986). Die in den Untersuchungen aufge- zeigten MSglichkeiten einer Differenzierung dutch eine erlebnlsorientierte Ladengestaltung warden dutch audiovisuelle Medien wirksam erg~nzt. So kann die Nutzung yon Bildplatten und Videorecor- dem in interaktiver Verbindung mit der Computer-

technologie eine Differenzierung (:lurch "Faszination dutch Technik" begrOnden und auf diesem Wage eine Leistungsf0hrerschaft unterstL~tzen.

DarOber hinaus kSnnen die dutch die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien freigesetzten Rationalisierungen im Personalbereioh anstatt fQr die aufgezeigten M~glichkeiten einer Kostenffihrerschaff, zur UnterstL;rtzung der persOnli- chen Kommunikation, d.h. for das persSntiche Ver- kaufs- und Beratungsgespr,~ch genutzt werden. Die z.B. durch das Scanning angenommene Beschleu- nigung des Kasslervorgangs fL~hrt in der Mehr-zahl der Unternehmer1 nicht zu airier Erh~hung der Kas- senproduktivit&t, sondem wird gezielt f0r pers6nli- che Gespr~che zwischen Kassenpersonal und Kunde genutzt. Analog wird das fi3r die frL~her notwendige Einzelpreisauszeichnung gebundene Personal nun verst~rkt fOr den pers~nlichen Verkauf eingesetzt (Simmet 1990, S. 140).

3.3. Kombination der wet tbewerbs . strategischen Ans~tze

Die Nutzung neuer Informations- und Kommunika- tionstechnologien bietet dam Einzelhande[ vielf~lti- ge Ansatzpunkte der UnterstOtzung einer Kosten- ffihrerschafts- wie auch einer Differenzierungstrate= gte, die sowohl auf dam Gesamtmarkt als auch in Nischenm~rkten angewendet warden. Die aufge- zeigten Wettbewerbsstrategien auf der Grundlage neuer Informations- und Kommunikationstechnolo- gien warden i m Einzelhandeljedoch offmals nicht als alternative, sondern als komplement~re Strategien arlgesehen (vgl. Abb. 2).

Dutch die AusschOpfung yon Ratlonallsierungspo- tentialen warden die betdebswirtschaftlichen Vor- aussetzungen gee, chaffen, urn neue Differenzierungs- strategien zu entwickeln und marktor[entiert umzu- setzen.

4. SchluBbetrachtung

Der Beitrag hat die MSglichkeiten aufgezeigt, neue lnformations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen, urn Wettbewerbsstrategien des Einzelhan- dets zu unterstgtzen. Zu ber~ckslchtlgen fst dabef jedoch, dab neue Technologien in unserer Gesell- schaft durch einen hohen Grad yon Ambivalenz bestimmt werden. In einer hochindustrialisierten

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Einzelhandels-Marketing

Abb. 2: Innovationspotential neuer Informations- und Kommunikationstechnologien

Volkswirtschaft kemmt dem Innovationspotential neuer Inforrnations- und Kommunikationstechnolo- gien einerselts eine SchtSsse[stellung fOr die Siche- rung der Wettbewerbsf&higkeit auf nationaler und intemationa[er Ebene zu (Meissner 1984, S. 13). Auf der anderen Seite wird dutch die zunehmende Auto- rnatisierung d er Bestell= und Einkaufsvorg~,nge sowie durch den wachsenden Medienkonsum die Gefahr einer "kulturellen Verarmung" und "sozialen Verein- samung" (Meffert 1988, S. 181)gesehen.

Ferden Einzelhandel hatd[e ambivalente Diskussion um die Anwendungschancen und -risiken neuer Infonmations- und Kommunikationstechnologien zur Folge, dab er sich - bedingt durch seine Mittlerfunk- tien zwischen Produktion und Konsum - in einem besonderen Spannungsfeld befindet. DiPS bedeutet zugteich, dal3 erbei der Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien seine gesarnt- wirtschaftl iche "Filter- und Lenkungsfunktion" (Oehme 1983, S. 67-72) und die damit verbundene gesellsch aflliche Verantwortung bewui3t ben3cksich- tigen muS.

Die Aufgabe des Marketing besteht deshalb darin, einen Ausgleich zwischen den wettbewerbsstrate= gisch erw0nschten betriebswirtschaftlichen Zielen tier Nutzung neuer Informations- und Kommunika- tionstechnologien im Einzelhandel urtd den gesell- schaftlichen Anforderungen und Becl0rfnissen nach diesen Technologien herbeizufehren.

Um dies zu erreichen, ist es erforderlich, dab in Zukunft verst~rkt lnformationen 0ber diese Anforde- rungen und Bedf3rfnisse bereitgestellt werden. E-ine zentrale Bedeutung kommt zudem der Kornrnunika- tion ~ber die neuen Technologien zu. Information und Kommunikation erwe]sen sich somit zugleich als Agenten des gesellschafflichen Wandels auf- grund der Nutzung neuer Informat]ons- und Kom- munikationstechnologien.

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