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Chronische Pankreatitis; Chronic pancreatitis;

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Page 1: Chronische Pankreatitis; Chronic pancreatitis;

Chirurg 2013 · 84:97–98DOI 10.1007/s00104-012-2352-4Online publiziert: 27. Januar 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C. BrunsChirurgische Klinik und Poliklinik, LMU München – Klinikum Großhadern, München

Chronische Pankreatitis

Für die Entstehung einer chronischen Pankreatitis (CP) gibt es unterschiedli-che Ursachen und Erklärungsmodelle. Alkoholabusus mit mehr als 80 g Alko-hol pro Tag über einen Zeitraum von bis zu 12 Jahren ist in 70–80% der Fälle die häufigste Ursache für die Entwicklung einer CP. Nikotinabusus wird zumindest als verstärkender Faktor bei bestehender CP angesehen, wenn nicht sogar als eigen-ständige Ursache dieser Erkrankung. We-sentlich seltener handelt es sich um die hereditäre Form der CP, bei der eine fa-miliäre Häufung mit Erkrankungsbeginn vor dem 20. Lebensjahr vorliegt. Geneti-sche Risikofaktoren wie Mutationen im kationischen Trypsinogen-Gen (PRSS1), im SPINK1-Gen, im CTRC-Gen und im CFTR-Gen werden heutzutage als Ursa-che für diese Form der CP gesehen. Sel-ten handelt es sich um eine Autoimmun-pankreatitis, die tropische Form der CP, die vorwiegend in Asien und Afrika vor-zufinden ist, eine posttraumatische Form nach Verletzungen des Pankreas, eine CP auf dem Boden eines Pankreas divisum oder die obstruktive Form der CP, bei der eine Verlegung mit Aufstauung des Pank-reasgangs durch benigne/maligne Struk-turen vorliegt. Ein 28-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer CP haben Pa-tienten mit primären Hyperparathyroidis-mus, bei denen es durch die intradukta-len Kalziumausfällungen zur Obstruktion bzw. durch Kalzium direkt zu einer Akti-vierung der Verdauungsenzyme kommt.

Folge der rezidivierenden Pankreatitis ist ein bindegewebiger Umbau des Bauch-speicheldrüsenparenchyms mit fort-schreitendem Verlust der exokrinen und endokrinen Funktion. Daneben kommt es zu charakteristischen Komplikationen wie z. B. Pseudozysten, Pankreasgangste-

nosen, Duodenalstenosen, Gefäßkompli-kationen, Kompression der Gallenwege, einer Mangelernährung sowie einem schwer beherrschbaren Schmerzsyn-drom. Das pathomorphologische Bild bei CP ist gekennzeichnet durch unregelmä-ßige Sklerosierung des Organs, sei es fo-kal, segmental oder diffus. Erweiterun-gen des Hauptgangs und der Nebenäste können sowohl zusammen als auch un-abhängig voneinander vorkommen. Die Ursache der Dilatation ist nicht immer klar, meistens jedoch durch Strikturen, Protein niederschläge oder Steine (Kalzi-fikationen) in den Gängen bedingt.

Leitsymptom der CP ist der gürtelför-mige, rezidivierende oder dauerhafte bis in den Rücken ausstrahlende Oberbauch-schmerz. Die Ursache der Schmerzen ist multifaktoriell. Zu den pankreatogenen Ursachen des Schmerzes zählen die ent-zündlichen Infiltrationen des Parenchyms und der Nervenscheiden, insbesondere sensibler Nerven. Eine Abflussbehinde-rung des Pankreassekretes durch Gang-stenosen oder Steine kann durch Druck-erhöhung ebenfalls zur Schmerzsympto-matik führen.

»  Eine manifeste Maldigestion tritt erst nach Verlust von 90% der Organfunktion auf

Ein weiteres Leitsymptom der CP ist die Pankreasinsuffizienz, die sich im exokri-nen Organanteil in Form einer Maldiges-tion mit Steatorrhö präsentieren kann. Eine klinisch manifeste Maldigestion als Folge der exokrinen Insuffizienz tritt aller-dings erst nach Verlust von 90% der exo-krinen Organfunktion zutage. Auch ohne symptomatische Steatorrhö kann eine

exokrine Pankreasinsuffizienz zu Man-gelernährung und Gewichtsverlust füh-ren. Eine endokrine Pankreasinsuffizienz mit Diabetes mellitus entsteht bei Patien-ten mit CP erst nach langjährigem Krank-heitsverlauf. Die CP-assoziierte, häufig in-sulinpflichtige Diabeteserkrankung unter-scheidet sich zudem wesentlich vom in-sulinabhängigen Typ-1- und -2-Diabetes, da die Glucagon-produzierenden α-Zell-en ebenfalls geschädigt werden und da-mit die Patienten unter klinisch relevan-ten Hypoglykämien leiden.

Die chronische Pankreatitis wird als Risikofaktor für die Entstehung eines Pankreaskarzinoms betrachtet. Dies wur-de im Rahmen der Untersuchungen der „International Pancreatitis Study Group“ bei 2015 Patienten mit CP über eine mitt-lere Nachbeobachtungszeit von 7,4 Jah-ren festgestellt: In dieser Kohorte wurden nach einem Krankheitsintervall von min-destens 2 Jahren 56 Pankreaskarzinome diagnostiziert. Die kumulative Inzidenz für die Entstehung eines Pankreaskarzi-noms betrug nach 20 Jahren ca. 4%. Um-gekehrt kann auch ein Pankreaskopfkarzi-nom in seltenen Fällen durch eine tumor-bedingte Gangobstruktion die Ursache einer Pankreatitis sein, sodass ein Vorlie-gen sowohl einer CP als auch eines Pank-reaskarzinoms doch eher häufiger auftritt.

In Bezug auf die Differenzialdiagnose einer entzündlich bedingten Raumforde-rung bei CP im Vergleich zu einem Pan-kreaskarzinom herrscht trotz Ausschöp-fung sämtlicher diagnostischer Mittel er-hebliche Unsicherheit. Zwar kann bildge-bend eine sehr hohe Treffsicherheit zwi-schen CP und Pankreaskarzinom erzielt werden, dies gilt jedoch nicht für den Sonderfall einer Raumforderung und so-mit eines möglichen Pankreaskarzinoms

Einführung zum Thema

97Der Chirurg 2 · 2013  | 

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auf dem Boden einer CP. Aufgrund der äußerst schlechten Prognose im Falle eines nicht operierten Karzinoms ist die Empfehlung nach wie vor gerechtfertigt, bei resektablem Befund stets eine Opera-tion durchzuführen, wenn ein Karzinom nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Die Therapie der CP beschränkt sich zunächst bei fehlenden kausalen Thera-pieansätzen neben Alkohol- und Niko-tinentzug auf die konservative Symptom-bekämpfung mittels Enzymsubstitution, anal getischer Therapie und optimierter Einstellung der endokrinen Insuffizienz.

Indikationen zur chirurgischen The-rapie der CP sind – neben dem oben er-wähnten unklaren Pseudotumor – the-rapierefraktäre Schmerzen und/oder lo-kale Komplikationen. Ziel der chirurgi-schen Therapie ist die Schmerzfreiheit sowie gute langfristige Lebensqualität bei gleichzeitigem größtmöglichem Erhalt der endo- und exokrinen Organfunktion.

Da endoskopische Verfahren prinzi-piell ebenfalls für diese Indikationen an-gewendet werden können, ist eine frühe interdisziplinäre Diskussion zur Festle-gung des für den einzelnen Patienten am besten geeignete Therapiekonzept zu for-dern. Hierbei sind vor allem die langfris-tigen Erfolgsaussichten einer endoskopi-schen Therapie abzuwägen. Die Ergebnis-se der letzten Jahre propagieren mehr und mehr die frühzeitige chirurgische Inter-vention, wodurch sich eine fortschreiten-de globale Pankreasinsuffizienz zumin-dest hinauszögern lässt.

Komplikationen der CP, die sich bei über 30–60% der Patienten im Verlauf der Erkrankung entwickeln, sind typischer-weise Stenosierung des Ductus hepato-choledochus, Duodenalstenose, Pankreas-pseudozysten oder Pankreasgangsteine mit vorgeschalteten Pankreasgangdilata-tionen. Pseudozysten, die zu Komplika-tionen wie Magenausgangstenose, Blu-tung, Schmerzen, Cholestase oder Ge-fäßstenosen geführt haben, sollten endo-skopisch oder chirurgisch behandelt wer-den. Die chirurgische Zystojejunostomie zur Pseudozystenbehandlung hat einen Trend zu höheren Erfolgsraten, ist aber mit einer etwas höheren Letalität behaftet als die endoskopische Pseudozystendrai-nage ins Duodenum oder in den Magen.

Pankreaspseudozysten, die eine bindege-webige Wand von mehr als 5 mm haben, eignen sich besonders für eine endoskopi-sche oder auch operative Drainage.

Bei distaler Gallengangsstenose mit Cholestase oder Ikterus führt die Stent-behandlung nur bei einem Drittel der Pa-tienten über 12 Monate zu nachhaltigem Erfolg, sodass darüber hinaus eine endo-skopische Behandlung nicht empfehlens-wert ist. Insbesondere bei kalzifizierender Pankreatitis und gleichzeitiger distaler Gallengangsstenose liefert die operative Versorgung eindeutig bessere Ergebnisse. Pankreasgangsteine und -stenosen, die durch Sekretstau Schmerzen sowie rezi-divierende Krankheitsschübe verursachen bzw. eine Pseudozyste oder Fistel unter-halten, können sowohl endoskopisch als auch operativ behandelt werden, wobei die endoskopische Therapie solitären Stei-nen und proximalen Stenosen vorbehal-ten ist, wohingegen bei distalen Stenosen sich eher operative Drainageverfahren als überlegen gezeigt haben.

Im Mittelpunkt der chirurgischen The-rapie steht neben der Entlastung des ge-stauten Pankreas- und Gallengangs die Resektion des fibrotischen und kalzifi-zierten Gewebes als Treiber der Erkran-kung. Die Entscheidung zwischen drai-nierenden und resezierenden Eingriffen muss individuell von den bildmorpholo-gischen und intraoperativen Veränderun-gen abhängig gemacht werden.

Drainierende Verfahren sind indiziert bei Gangdilationen ohne eine Auftrei-bung des Pankreaskopfes als vorgeschal-tete Ursache im Sinne einer lateralen Pan-kreatikojejunostomie nach Partington-Rochelle. Resezierende Verfahren sind bei der Kombination einer Parenchym-auftreibung mit Gangdilatation indiziert, da hier die Stenose und das erkrankte Ge-webe entfernt werden können. Das Spek-trum umfasst die partielle Pankreatoduo-denektomie nach Kausch-Whipple bzw. die pyloruserhaltende Variante nach Tra-verso-Longmire, die Pankreaslinksresek-tion sowie die totale Pankreatektomie, die insbesondere bei zusätzlich bestehendem Malignitätsverdacht nach onkologischen Kriterien ausgewählt werden müssen.

Da bei knapp 50% der Patienten ein entzündlicher Pankreaskopfpseudotumor als Treiber der Erkrankung mit konseku-

tivem Gangaufstau besteht, kommen pa-renchymschonende Resektionen wie die verschiedenen Modifikationen der duo-denumerhaltenden Pankreaskopfresek-tion (DEPKR nach Beger oder Berner-Va-riante) zum Einsatz. Auch eine klassische bzw. pyloruserhaltende partielle Pank-reatoduodenektomie ist möglich, kann jedoch bei entzündlicher Beteiligung der Pfortader und ausgeprägten venösen Kol-lateralkreisläufen schwieriger durchzu-führen sein.

Die Pankreassegmentresektion sowie die V-shaped-Exzision bleiben Sonder-indikationen wie der segmentalen Fibro-se bzw. der „small-duct disease“ vorbehal-ten.

Neben der Erfolgsrate sind natürlich in die Entscheidungsfindung auch die Kom-plikationen und insbesondere die Letalität der Therapieverfahren mit einzubeziehen. Die historisch mit einer hohen Morbidi-tät einhergehende Pankreaschirurgie hat sich in den letzten Jahrzehnten allerdings durch Optimierung der Operationstech-nik, des perioperativen Managements und der Bildung von High-Volume-Zentren deutlich verbessert.

Prof. Dr. Christiane Bruns

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. C. BrunsChirurgische Klinik und Poliklinik,  LMU München – Klinikum Großhadern,Marchioninistraße 15, 81377 Mü[email protected]

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