21
Zeitschrift fiir Untersuchung der Lebensmittel Heft 1. Januar 1932. 63. Band Das Reduktionsvermiigen pflanzlieher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C. I. Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. Yon J. Tillmans, P. Hirseh und W. Hirseh. Mitteilung aus dem Universit~ts-Institut fiir Nahrungsmittelchemie in Frankfurt a. M. Die Vitamine werden durch ihre physiologischen Wirkungen nachgewiesen. Bei jeder einzelnen Operation, die man zum Zwecke ihrer Reinigung vornimmt, mnl~ man den Verbleib des Vitamins durch den Tierversuch kontrollieren. Der biologische Vitaminversuch ist aber eine langwierige, umstandliche und auch gar nicht einfache Arbeit, die auszufiihren der Chemiker allein im allgemeinen nieht imstande sein wird. Eine Bestimmung der Vitaminmenge auf dem Wege des Tierversuches ist sehwierig und nur in grober Annaherung mSglich. Man mul~ zu diesem Zwecke durch Reihen- versuche mit verschiedenen Mengen des zu untersuchenden Praparates die Minimal- dosis ermitteln, die z. B. gerade noch Meerschweinchen dauernd vor Skorbut schtitzt. Ein einziger solcher Versuch dauert aber monatelang, jav. tIahn 1) fordert sogar far exakte wissenschaftliche Yersuche in manchen Fallen mehrj:~hrige Dauer. Beim Vitamin C kommt noch erschwerend dazu, dal~ es sear luftempfindlich ist und daher die davon vorhandene Menge in den Untersuchungsobjekten sich leicht wi~hrend der biologischen Versuche stark vermindern kann. Und wieviel andere Um- stande, die man nicht in der Hand hat, k0nnen den Verlauf eines biologischen Ver- suches beeinflussen! Es ware yon grol~em Wert, eine chemische Methode zum Nachweis und zur quantitativen Bestimmung des C-Vitamins zu besitzen. )~. B ezssonoff hat ein Reagens angegeben, das den Nachweis des C-Vitamins gestatte n soll. Es handelt sich um eine komplexe Phosphor-molybd~n-wolframsaure, die mit C-haltigen sauren LOsungen Blauviolettfhrbung geben soll. Naheres siehe bei R. BergS). Die Brauchbarkeit dieses Reagens wurde viel umstritten. Bezssonoff selbst sah sich sparer zu der Annahme gezwungen, dab nicht der Erganzungsstoff~ sondern ein polyphenolartiges Zersetzungsprodukt desselben die Farbreaktion verur- sache. Andere Autoren, so H. D. Kay und S. S. Zilvaa), erklarten das Bezsso- noff'sche Reagens far unbrauchbar. B. Glassmann und A. Posdeew 4) zeigten, dal3 Gerbstoffe bei gewbhnlicher Temperatur und Kohlenhydrate beim Erwhrmen durch Reduktionswirkung dieselbe Farbreaktion geben. *) Diese Zeitschrift 1930, 59, 4. 2) R. Berg, Die Vitamine. 2. Aufl. Leipzig 1927, Verlag S. Hirzel. 3) Biochem. Journ. 1923, 17, 872. ~) Diese Zeitschrift 1929, 57, 191. L. 32. 1

Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

Z e i t s c h r i f t fiir

Untersuchung der Lebensmittel Heft 1. J a n u a r 1 9 3 2 . 63. Band

Das Redukt ionsvermi igen pf lanzl ieher Lebensmit te l und seine B e z i e h u n g zum Vitamin C.

I. Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. Yon

J. Ti l lmans , P. Hirseh und W. Hirseh.

M i t t e i l u n g aus dem U n i v e r s i t ~ t s - I n s t i t u t f i ir N a h r u n g s m i t t e l c h e m i e in F r a n k f u r t a. M.

Die Vitamine werden durch ihre physiologischen Wirkungen nachgewiesen. Bei j ede r einzelnen Operation, die man zum Zwecke ihrer Reinigung vornimmt, mnl~ man den Verbleib des Vitamins durch den Tierversuch kontrollieren. Der biologische Vitaminversuch ist aber eine langwierige, umstandliche und auch gar nicht einfache Arbeit, die auszufiihren der Chemiker allein im allgemeinen nieht imstande sein wird. Eine Bestimmung der Vi taminmenge auf dem Wege des Tierversuches ist sehwierig und nur in grober Annaherung mSglich. Man mul~ zu diesem Zwecke durch Reihen- versuche mit verschiedenen Mengen des zu untersuchenden Praparates die Minimal- dosis ermitteln, die z. B. gerade noch Meerschweinchen dauernd vor Skorbut schtitzt. Ein einziger solcher Versuch dauert aber monatelang, j a v . t I a h n 1) fordert sogar far exakte wissenschaftliche Yersuche in manchen Fallen mehrj:~hrige Dauer.

Beim Vitamin C kommt noch erschwerend dazu, dal~ es sear luftempfindlich ist und daher die davon vorhandene Menge in den Untersuchungsobjekten sich leicht wi~hrend der biologischen Versuche stark vermindern kann. Und wieviel andere Um- s tande , die man nicht in der Hand hat, k0nnen den Verlauf eines biologischen Ver- suches beeinflussen! Es ware yon grol~em Wert , eine c h e m i s c h e Methode zum Nachweis und zu r quantitativen Bestimmung des C-Vitamins zu besitzen.

)~. B e z s s o n o f f hat ein Reagens angegeben, das den Nachweis des C-Vitamins gestatte n soll. Es handelt sich um eine komplexe Phosphor-molybd~n-wolframsaure, die mit C-haltigen sauren LOsungen Blauviolettfhrbung geben soll. Naheres siehe bei R. BergS) . Die Brauchbarkeit dieses Reagens wurde viel umstritten. B e z s s o n o f f selbst sah sich sparer zu der Annahme gezwungen, dab nicht der Erganzungsstoff~ sondern ein polyphenolartiges Zersetzungsprodukt desselben die Farbreaktion verur- sache. Andere Autoren, so H. D. K a y und S. S. Z i lvaa) , erklarten das B e z s s o - no f f ' s che Reagens far unbrauchbar. B. G l a s s m a n n und A. P o s d e e w 4) zeigten, dal3 Gerbstoffe bei gewbhnlicher Temperatur und Kohlenhydrate beim Erwhrmen durch Reduktionswirkung dieselbe Farbreaktion geben.

*) Diese Zeitschrift 1930, 59, 4. 2) R. Be rg , Die Vitamine. 2. Aufl. Leipzig 1927, Verlag S. Hirzel. 3) Biochem. Journ. 1923, 17, 872. ~) Diese Zeitschrift 1929, 57, 191.

L. 32. 1

Page 2: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

2 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und W. H i r s c h . [Zeitschr. f. Untersuchung " [ d c r L e b e n s m i t t e l .

Wir glauben nun, in einer anderen chemischen Reaktion eine brauchbare Methode zum Nachweis und znr Bestimmung des antiskorbutischen Vitamins zu besitzen. Wi r t i tr ieren mit einer eingestellten L~)sung des intensiv blauen 2 : 6 - D i c h l o r p h e n o l - i n d o p h e n o l ~ das yon C-haltigen L0sungen prompt zum Leukofarbstoff reduziert, also entfi~rbt wird. Die Titration ist zu Ende , wenn die blaue Farbe auch nach einigen Minnten nicht mehr verschwindet.

Das Verfahren ergab sich im Laufe yon Untersuchungen im hiesigen Institut tiber die Anwendung von Reduktions-Oxydations-Potentialen auf lebensmittelchemischem Gebiete, tiber welche der erste yon uns berichtet hatl) . W. M. C l a r k und Mit- arbeiter hatten festgestellt, dab Dibromphenol-indophenol und Dichlorphenol-indophenol durch verschiedene biologische Flt issigkeiten, wie z. B. durch Frnchtsafte, reduziert werden. J. T i l l m a n s ~ P. H i r s c h nnd E. R e i n s h a g e n ~) wandten das 2,6- Dichlorphenol-indophenol als Reduktions-Indicator znm Zwecke der Untersuchung yon Lebensmitteln an und erhielten bei frischem Citronensaft wohldefinierte Reduktionsbetriige.

Weitere Versuche wurden yon K. T r i l l h o s e 3) in unserem Institut ausgeftihrt. E r prtifte das Verhalten des reduzierenden Stoffes im Citronensaft gegen L0sungs- mittel und seine Besti~ndigkeit gegen Luftzutritt, Temperaturerh6hung und Alkaliein- wirkung und fand in allen diesen Punkten v011ige Obereinstimmung mit dem, was vom C-Vitamin bekannt ist. Weiterhin ftihrte T r i l l h o s e mit der in der nachfolgend beschriebenen Weise gegen Titantrichlorid eingestellten Farbstofflbsung Titrationen an verschiedenen Lebensmitteln aus und land im grol~en ganzen tJbereinstimmung mit den Angaben der Li teratur tiber deren durch Tierversuche festgestellten Gehalt an Vitamin C. Ausftihrliche Angab~n tiber die Titrationsergebnisse bei den verschiedenen pflanzlichen Lebensmitteln sollen in einer der folgenden Arbeiten der hiermit beginnen- den Reihe mitgeteilt werden.

Wir kamen so zu der Vermutung, d a b d e r d u r c h d e n I n d o p h e n o l f a r b - s t o f f t i t r i e r b a r e r e d u z i e r e n d e S t o f f d e s C i t r o n e n s a f t e s u n d d e r s o n s t i g e n p f l a n z l i c h e n L e b e n s m i t t e l i d e n t i s c h s e i m i t d e m a n t i s k o r - b u t i s c h e n V i t a m i n .

In vorliegender Arbeit stellten wir uns die Aufgabe, jenen reduzierenden K6rper aus dem Citronensaft zu isolieren, um dann die Frage seiner Identiti~t mit dem Vitamin C entscheiden zu k6nnen. Dabei diente uns die Titration mit 2~6-Dichlor- phenol-indophenol als Wegweiser. Ganz konnten wit die Reindarstellung noch nicht erreichen, es gelang insbesondere noch nicht, den reduzierenden Stoff zum Krystall i- sieren zu bringen; immerhin kamen wir zu einem weitgehend gereinigten Produkt. Mit diesem wurden Ftitterungsversuche an Meerschweinchen angestellt. Uber die Ergebnisse dieser Untersuchung hat der erste yon uns schon anf der Jahresversamm- lung des Vereins Deutscher Nahrungsmittelchemiker 1930 in Goslar kurz berichtet4). Hier Sollen nun die ausgeftihrten Versuche ausfiihrlicher beschrieben werden.

Wie wir nach Fertigstellung aller wesentlichen Teile der vorliegenden Arbeit fanden, hat auch S. S. Z i l v a 5) schon Citronensaft mit einem Indophenolfarbstoff titriert~ und zwar mit Phenol-indophenol. Entgegen unserer Auffassung ist Z i l v a

1) Diese Zeitschrift 1927, 54, 33. 2) Diese Zeitschrift 1928, 56, 272. a) K. T r i [ 1 h o s e, Inaugural-Dissertation Frankfurt a. M. 1930. a) Diese Zeitschrift 1930, 60, 34. 5) Biochem. Journ. 1927, 21, 689.

Page 3: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. ] Januar 1932.J Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 3

jedoch der AnsichL dal~ der die Reduktion des Farbstoffes bewirkende K0rper nicht mit dem Vitamin identisch sei. Mit der Auffassung Z i l v a ' s werden wir uns in der folgenden Mitteilung I I eingehend beschhftigen.

Was die Isoliernng des Vitamins C betrifft, so erheben bereits L. A. A g o p i a n ~) und N. B e z s s o n o f f den Ausprach, den Erg~nzungsstoff ehemisch rein gewonnen zu haben. A g o p i a n erhebt in einer Patentschrift yon 1925 ~) sogar den Anspruch, mit seinem Verfahren ,ohne nennenswerte Verluste das ganze Vitamin C za extrahieren, das in dem lebenden Gewebe und in dem Salt der Pflanzen vorhanden ist", Die Befunde yon A g o p i a n und B e z s s o n o f f sind freilich mit Skepsis aufgenommen worden. Beziiglich n~herer Angaben hierfiber kOnnen wir auf das Bueh yon R. B e r g verweisen. S. S. Z i l v a 3) hat sich in einer Reihe yon Arbeiten mit der Reinigung des Vitamins C aus dem Citronensaft befafit. ~Neuerdings haben ferner C. G. K i n g and Mitarbeiter antiskorbutisch aktive Konzentrate aus Citronensaft hergestellta).

A. D i e T i t r a t i o n d e s r e d u z i e r e n d e n S t o f f e s .

Die T i t r a t i o n m i t 2 , 6 - D i c h l o r p h e n o l - i n d o p h e n o l wird am besten in schwach saurer Lbsung ausgefahrt. In neutraler LSsung verli~uft die Reaktion zu lang- sam. Alkalische Reaktion ist auszuschlie]en, weil einerseits der redazierende K(~rper dann sehr empfindlich und andererseits tier Leukofarbstoff stark autoxydabel ist, sodal~ er an der Luft rasch ~ieder blau wird. In sti~rker saurem Gebiet ist der Farbstoff rosa (Umschlag bei p•---- 4 bis 5, iiber Violett). In schwach saurem Gebiet (Essig- si~ure + ~Natriumacetat) ist er noch rein blau. Von Shuren wird ttbrigens das Indo- phenol langsam zerstSrt. Zur Titration haben wir die L0sung im allgemeinen so vor- bereitet, daft sie saner gegen Laekmus war, daft der einfallende Tropfen aber noch blau blieb. Man kann jedoch auch mit der roten Form des Farbstoffs titrieren. Bei sauren Fliissigkeiten, wie z. B. bei Citronensaft, geschieht das Abstumpfen am bequemsten durch Zugabe yon Natriumacetat (fest oder in konc. L0sung). Citronensaft wird vor der Titration mit etwas Wasser verdannt. Zu neutralen Proben gibt man vor der Titration etwas verdiinnte Essigshure (1%) und unter Umsti~nden noch etwas Natrium- acetat.

Wir setzten der Farbstoffli)sung im allgemeinen Phosphatpuffergemisch yon PH = 7 nach S 0 r e n s e n zu, am sie besser haltbar zu machen. Die Gegenwart geringer Mengen organischer L6sungsmittel wie Methanol, J~thanol, Aceton stSrt die Titration nicht. Z u r E i n s t e l l u n g t ier F a r b s t o f f l S s u n g benutzten wir meistens Titantrichlorid. Das Arbeiten mit dem sehr luftempfindlichen Titantrichlorid ist allerdings etwas unbequem. Sphter fanden wir, dal~ man recht gut Ferrosalz zur Einstellung der Farbstofflbsung verwenden kann. Ferrosalz fitr sich allein reduziert den Farbstoff nieht vollsti~ndig. Durch Zusatz yon organischen Salzen wird jedoch das Reduktionsverm0gen so weir versti~rkt, da6 die Umsetzang quantitativ wird.

~) Engl. Patent 168903 (1921); Chem. Zentrbl. 1922, I, 157; Schweizer. Patent 103774: (1921); Chem. Zentrbl. 1925, I, 2383.

~) FranzSs. Patent 595 537. 3) Biochem. 3ourn. 1923, 17, 410; 1924~ 18, 182, 632, 638, 641; 1925, 19, 589; 1927, 21,

354, 689, 1121; 1928, 22, 779. ~) D. P. G r e t t i e and C. G. King, Journ. of biol. Chem. 1929, 84, 771. -- H. L. S ipp le

und C. G. King, Journ. Americ. Chem. Soc. 1930, 52, 420.

1"

Page 4: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

4 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und W. H i r s c h , [Zeitschr. f. Untersuchtmg [ der Lebensmittel.

Einstellung gegen Titantrichlorid: Zum Titrieren mit der sehr luftempfind- lichen Titantrichloridlbsung wird diese yon Kn e ch t und H i b b e r t stets unter Kohlen- si~ure gehalten. Wir zogen es s tag dessen vor, die Titanlbsung jedesmal frisch zu verdtinnen and einzustellen. Wir verdfinnten die ki~ufliche. 15%-ige salzsaure Titantri- chloridl0sung auf das Hundertfache und mehr. Die etwa 0,01-norm~le oder auch noch diinnere Titantrichloridlbsung wird geg'en 0,01 h~.-Ferrisatzl/)sung eingestellt [4~8221 g Ferriammoniumsulfat (Fe(NH4)(S0a) ~ �9 12 Hp0 ) in 0~02 N.-Schwefelshure zu 1 Li ter gelbst]. Wegen der Luftempfindlichkeit der Titanlbsung wird mbglichst rasch nacheinander einer- seits die Titanlbsung gegen die 0.01 :N'.-Ferrisalzl6sung, andererseits die FarbstofflTsung gegen die Titanltisung titriert~ z. B. in folgender Weise:

a) 5 ecru 0.01 N.-Ferri l0sung wurden mit 5 cem Schwefelsi~ure (1:3) und 5 ccm 10%-iger RhodankaliumlSsung versetzt und mit einer ungefiihr 0,01 N.-Titantrichlorid- 10sung auf Farblos titriert.

b) 20 ccm Farbstofflbsung wurden mit einigen Tropfen verdtinnter Essigsi~ure Yersetzt, da6 die Fa rbe nach Rot umschlug, dann mit soviel Natriumacetat, dab (lie Farbe wieder blau wurde und wi~hrend der Titration auch blau blieb. Sodann wurde mit der Titanl0sung auf Verschwinden der blauen Farbe t i t r ier t (Natriumacetatzusatz wegen des Salzsi~uregehaltes der Titanlbsung).

Einstellung gegen FerrosalzlTsung: Man bereitet sich durch Einwiigen yon M o h r ' s c h e m Salze eine 0,01 5~.-L6sung, die man mit Schwefels~ure schwach anshuert und unter Stickstoff setzt. Zur Einstellung entnimmt man eine bestimmte Menge dieser FeH-L6sung~ versetzt sie mit Natriumoxalat im (]'berschul3 und li~13t die Farb- stofflbsung znfliegen, his die blaue Farbe bestehen bleibt (rasch arbeiten~ bli~ut nach!). Herr Professor S c h e u n e r t ~ dem wir dieses Verfahren der Einstellung empfohlen hatten, stellte fest, dag es nur bei ged~mpftem Licht ausgefiihrt werden daft. Bei hellem Tageslicht oder gar bei direktem Sonnenlicht wird nhmlich der bereits reduzierte Farbstoff schnell wieder gebli~ut, wodurch Fehler entstehen.

Es stellte sich heraus, daI3 die j o d o m e t r i s c h e T i t r a t i o n bei geeigneter Ausftihrung bei frischem Citronensaft, wie auch..bei gereinigten Pr/~paraten, mit tier FarbstoiItitration gut fibereinstimmende Werte liefert. Uber die Werte der Jodtitration iu anderen F/~llen wird sp~ter..berichtet werden. Man arbeitet, wie folgt: Man macht kr~ftig schwefelsauer, gibt einen Uberschuii 0,01 N.-JodlSsung zu, verschliefit das Gefi~, mischt und l~13t kurze Zeit (2--3 Minuten) stehen. ~un titriert man alas fiberschfissige Jod mit 0,01 N.-ThiosulfatlTsung zurfick. Wesentlich dabei ist, dal3 man mineralsauer macht. In essigsaurer oder gar neu- traler LSsung wird zu viel Jod verbraucht (vergl. S. 13). Bei Gegenwart organischer LSsungsmittel ist dis jodometrische Titration nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Aceton und Methyl/~thylketon z.B. enff/h'ben langsam Jodstiirke. Durch Salzs~ure oder Schwefels~ure wird diese Entf/~rbung stark beschleunigt.

Als Mag far den erreichten Reinheitsgrad des reduzierenden Stoffes benutzten wir das , , s c h e i n b a r e A q u i v a l e n t g e w i c h t " . Darunter verstehen wir dasGewicht der Trockensubstanz in Grammen, das einem Reduktionsi~quivalent entspricht. Je niedriger das ,,scheinbare A-quivalentgewicht", desto reiner das Pr~parat. Die Trocken- substanzbestimmung erfolgte immer in gleicher Weise: Eindampfen auf dem Wasser- bade~ trocknen 1 Stunde bei 100~ erkalten lassen im Exsiccator.

B e i s p i el : Eine Probe titriert 10 ccm 0,001 X.-Farbstoff und hat die Trockensubstanz 10 rag.

1000 ccm 0,001 n ~ 1 ccm n ~ 1 mval entspricht dann 1000 mg; 1 val entspricht 1000 g. Die Probe hat also das scheinbare ~(quivalentgewicht 1000.

~) Bei der Trockensubstanzbestimmung in Pri~paraten, die den reduzierenden Stoff ent- hielten, trat meist ein charakteristischer angenehmer, an Brot erinnernder Geruch auf.

Page 5: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. B a n d . { Januar 1932.J Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 5

B. V e r s u c h e z u r I s o l i e r u n g des r e d u z i e r e n d e n S t o f f e s . 1. Zur Reinigung angewandte Operationen.

Sehr erschwerend bei unseren pri~parativen Yersuchen war die grot~e Luftempfind- lichkeit des reduzierenden KSrpers. Shmtliche prhparativen Operationen wurden unter msglichstem Ausschlu$ yon Luft ausgeftihrt, meist unter Stickstoff, tier durch zwei Wasch- ttaschen, eine mit alkaliseher Hyposulfitl(isung und eine mit Kaliumpermanganatl0sung, gegangen war, bisweilen unter Kohlenshure. Filtrieren wurde fast immer durch Zentri- fugieren ersetzt. Das Einengen tier L~sungen geschah stets im Vakuum unter Stickstoff, d.h. es wurde in die Capillare des C la i sen -Ko lbens Stickstoff start Luft eingeleitet.

Bei der Gewinnung des Citronensaftes vermieden wir jede Bertihrung mit Metall, well wir ftirchteten, dag mSglicherweise Spuren yon Metallen (besonders Eisen und Kupfer) eine 0xydation des reduzierenden K0rpers katalysieren kbnnten. (Beim u C ist der schi~digende Einflult des Kupfers bekannt.) Wir halbierten die Citronen mit einem Hornmesser und prei~ten sie mit der Hand auf einer Glaspresse aus.

Der reduzierende KOrper ist sehr empfindlich gegen alkalische Reaktion. In seinen wi~sserigen L0sungen verursacht auch kurz dauernde und schwache alkalische Reaktion erhebliche u an Reduktionsvermbgen. Schon die Alkaliti~t des Phenolphthalein- umschlages gentigt, um Yerluste hervorzurufen. Wir vermieden daher bei den Versuchen zur Reindarstetlung peinlichst in den wi~sserigen LSsuugen des reduzierenden KOrpers die alkalische Reaktion.

Der frisch ausgeprei~te Citronensaft wurde koliert und mit Schwefelsi~ure versetzt, um anch die gebundene Citronensi~ure in Freiheit zu setzen. Die Alkalitht des Citronen- saftes betri~gt nach K 0 n i g 3 ,9--6 ,2 . Mit 70 ccm N.-Schwefe lshure~ 35 ccm 2 _N.- Sehwefelsi~ure je Liter macht man also bestimint alle organischen Si~uren frei. Nun wurde zur Ausfi~llung der Citronensi~ure portionsweise Caleiumcarbonat zugegeben (auf 1 Liter Citronensaft etwa 65 g). War durch li~ngeres Stickstoffdurchleiten und Stehen tiber Nacht die Kohlenshure entwichen, dann reagierte der Saft gegen Lackmus nicht mehr sauer. Wir dekantierten sodann und schleuderten den Rtickstand ab. Der so gewonnene deeitrierte Saft wurde mit Phosphorsi~ure wieder ganz schwach angesauert (etwa 1 ccm 25%-iger Phosphorshure anf 1 1), wodurch die sonst beim Stehen neutrali- sierter Shfte auftretende Braunfi~rbung verhtitet wird. Es wurde sogar beobachtet, dal~ seho a eingetretene Branlff~rbung naeh dem .~nsi~uern wieder verschwand. S~mtliche weiteren Versuche wurden mit decitriertem Citronensaft ausgeftthrt.

a) Fiillungen mit anorgani~chen Salzen. B I ei e s s i g schli~gt aus neutralisierter LOsung den reduzierenden K6rper vollsthndig

nieder, bringt aber grol~e Yerluste durch seine alkalische Reaktion. A g o p i a n und B e z s s o n of f fahren zur Gewinnung yon u C a u s Weil~kohlsaft eine Bleifi~llung bei PH = 8~2 (bezw. sogar 8,5) aus. Fi~llt man mit B l e i a c e t a t in essigsaurer LSsung, so bleibt die Hauptmenge des reduzierenden K0rpers in LOsung, und zwar enthMt der Bleiniederschlag um so weniger davon, je mehr Essigsi~ure in der L0sung vorhanden ist. FMlt man langsam mit verdtinnter Bleilbsung, so wird weniger reduzierender Stoff mit niedergerissen als bei schnellem Fi~llen mit konzentrierterer LSsung. iNur die Bleifiillung in essigsaurer LOsung wandten wir bei unseren Arbeiten zur Entfernung yon Ballast- stoffen an. Das ttberschiissige Blei entfernten wir mit Schwefelwasserstoff. Die Blei- sulfidf'allung nimmt die braunen Zersetzungsprodukte, die auch bei vorsichtigem Arbeiten auftreten, zum grofien Tell mit aus der L()sung heraus, wirkt also aueh reinigend.

Page 6: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

6 J. T i l l m a n s , P. H i r s e h und W. H i r s c h , [Zeitschr. f. Untersuchung [ der Lebensmittel.

Um nicht d ie Zentrifuge und den ganzen Raum, in dem sie steht, in Mitleidenschaft zu ziehen, wurde der Schwefelwasserstoffniederschlag meist nicht abgeschleudert, sondern schnell durch ein Faltenfilter unter Gegenleiten yon Schwefelwasserstoff oder Kohlens/~ure abfiltriert. Durch die F~llung mit Bleiacetat in essigsaurer LSsung kommt viel Essigs/~ure in das Pr~parat. Um diese auf mSglichst schonende Weise wieder zu entfernen, extrahierten wir nach Verjagen des Schwefelwasserstoffs und Einengen die LOsung mit Ather.

Mit B a r i u m c h l o r i d liefien sich ebenfalls Ballaststoffe aus dem Citronensaft entfernen. Der Bariumniederschlag ist praktisch ffei yon reduzierendem Stoff, auch wenn er in schwaeh alkalischem Gebiet erzeugt wird. Alkalische Reaktion bringt auch hier wieder, wie zu erwarten, Yerluste. Fa l l t man mit Bariumchlorid unter Iqeutralisieren his zmn Phenolphthaleinumschlag, trennt den -Niederschlag ab und si~uert mit Essigsi~ure an, so fhllt mit Bleiacetat nichts mehr aus.

Eine in der L0sung des Pri~parates erzeugte A l u m i n i u m h y d r o x y d f i ~ l l u n g schlhgt den reduzierenden K0rper mit nieder~). Wi~hrend dieser Fi~llung trat eine auf- fallend gro6e Zersetzlichkeit des reduzierenden K6rpers auf, die diese Operation f~ir die Zwecke der Reindarstellung unbrauchbar machte.

b) Verwendung organischer L6sungsmittel. Zunachst hatte es den Anschein, als wi~re der reduzierende KOrper au6er in

Wasser nur in stark w a s s e r h a l t i g e m Methylalkohol~ J~thylalkohol und Aceton l~)s- lich. Spi~ter jedoch zeigte es sich, daii er auch bei Abwesenheit yon Wasser in diesen organischen LOsungsmitteln 1Oslich ist. Bringt man ni~mlich ein Prhparat~ das noch viel im organischen Medium unl0sliche Ballaststoffe, vor allem Zucker~ enthalt~ zur Trockne und behandelt mit einem der genannten L(~sungsmittel, dann schlieBt die zuriickbleibende zahe Schmiere den reduzierenden K0rper derart ein, dab er nicht herausgel0st wird. Auch wenn man den Saft nur weitgehend einengt und dann mit einem der genannten L0sungsmittel versetzt, so fhllt der reduzierende Stoff~ zusammen mit einer gro6en Menge yon Begleitsubstanz, zmn gr0Bten Teil aus. Hat man ihn jedoch erst einmal welt genug gereinigt, so lbst er sich glatt in absolutem Methyl- alkohol, Athylalkohol~ Aeeton und Pyridin, weniger leicht in Essigester.

a) E x t r a k t i o n .

Bei u den reduzierenden KSrper dureh die gebr~uchlichen organischen LOsungsmittel aus seiner wasserigen~ neutralen oder sauren L6sung auszuschiitteln. lieferte nur das M e t h y l i ~ t h y l k e t o n Bin positives Ergebnis. D i e mineralsauer ge- machte LOsung gab bei 10-maligem Ausschiitteln an das Methyl~thylketon 44~4% des reduzierenden Stoffes und 14% der Trockensubstanz ab. Salzzusatz verbesserte den Erfolg des Ausschiittelns nicht. Bei weiteren Yersuchen gingen wit zur Extraktion im Perforator tiber.

Auch diese Extraktionen konnten unter Stickstoff ausgefiihrt werden. Wir lieBen uns zu diesem Zweck Kochkolben mit angeschmolzenem, durch einen Glashahn verschlie6barem Einleitungsrohr herstellen. Die einzelnen Teile der verwandten Perforatoren sind ausschliel3- lich dureh Glassch]iff miteinander ~erbunden. Der Kochkolben, in dem sich das LSsungs- mittel befindet und in don die extrahierten Anteile zurficklaufen, wird w~hrend der Dauer der Extraktion auf einem elektrischen Wasserbade erhitzt (Kp. des Methyliithylketons 80~ Wasser und Methyl/~thylketon sind bis zum gewissen Grade mischbar, soda6 yore Methyl- /~thylketon dauerd Wasser gelSst und in den Kochkolben mitgeffihrt wird. Wesentlich ftir das Gelingen der Extraktion ist, da6 die zu extrahierende LSsung m i n e r a l s a u e r ist; Essigs/~ure gentigt nicht. Wir extrahierten gewOhnlich 4--6 Stunden lang. l~ach dieser Zeit enthielt der w~sserige Rfickstand im Etraktionsgef/~B nur noch geringe Mengen des redu-

~) K. T r i l l h o s e , Inaugural-Dissertation Frankfurt a.M. 1930.

Page 7: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. ] Januar 19.~2.~ Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 7

zierenden KOrpers. S~uren wurden mitextrahiert. Von Citronens~ure, Schwefels~ure und primi~rem Phosphat wird am meisten die Citronens~ure, am wenigsten die Phospors~ure mit- extrahiert. Bei einmaliger Extraktion ist der Reinigungserfolg nicht grog, weft ja das Keton mit dem reichlich aufgenommenen Wasser zugleich auch wasserlOsliche Stoffe, wie z. B. Zucker, in betr~chtlicher Menge mitftihrt. Um einen guten Reinigungserfolg zu erzielen , erwies es sich als n5tig, mehrere Male hintereinander zu extrahieren.

Schon T r i l l h o s e hat festgestellt, da$ man den reduzierenden Stoff aus saurem, im u eingedicktem Saft mit Alkohol oder Aceton ausziehen kann, w/s das bei neu- tralen S~tften nicht gelang. Dies sprach sehon daftir, dab der reduzierende KOrper eine S~ure ist, die in freier Form in Alkohol und Aceton 15slich ist, nicht dagegen, wenn sie als Salz ~orliegt. Daffir spricht auch das Verhalten des reduzierenden KOrpers bei der Extraktion mit Methyl~thylketon. So bekommt man ferner dutch Ausschfitteln der KetonlOsung mit wenig Wasser den reduzierenden KOrper nicht vollst/~ndig aus dem Keton heraus (z. 19. aus der Ketonschieht im Kolhen naeh der Extraktion). Sofort jedoch erreicht man dies, wenn man unter 51eutralisieren ausschtittelt.

fl) A u s f h l l u n g y o n B e g l e i t s t o f f e n .

Besonders zweckm~l~ig ist die Anwendung yon Methylalkohol~ Athylalkohol oder Aceton zur Abscheidung yon Ballaststoffen aus der wi~sserigen L0sung des reduzierenden Stoffes. Hierbei ist die Abscheidung der Ballaststoffe um so vollsti~ndiger, je welter man einengt. Aber wenn man andererseits den decitrierten Saft yon vornherein zu welt einengt~ fi~llt bei der Acetonbehandlung eine Schmiere oder gar eine whsserige Schicht aus, die viel reduzierenden Stoff einschliefit. Deshalb nimmt man das Einengen und Acetonf~llen nicht auf einmal, sondern stufenweise vor und schafft so allmhhlich die Zucker usw., auch das Wasser, heraus. Diese Art der Acetonbehandlung, die wir im Laufe dieser Arbei t nach eingehenden Studien fiber das Verhalten des reduzieren- den Stoffes fanden, ist in ganz i~hnlicher Weise schon yon B e z s s o n o f f u n d A g o p i a n zum Zwecke der Reindarstellung des C-Yitamins angegeben worden. Diejenigen Aceton- niederschli~ge, die viel reduz ierenden Stoff einschliefien, k6nnen zur u der Ausbeute umgefallt werden. Schon genagend welt gereinigte Pr~tparate wurden im Vaknum fast oder ganz zur Trockne eingedampft und mit Methanol oder Aceton auf- genommen, wobei wiederum Ballaststoffe ungel6st zuriickblieben. Aus acetonischen L(~sungen konnten oft durch Zugabe des gleichen u Ather weitere u reinigungen abgeschieden werden. Auch Essigester wurde bisweilen zum AusfMlen nicht reduzierender Substanz herangezogen.

y) F h l l u n g d e s r e d u z i e r e n d e n S t o f f e s a u s o r g a n i s c h e m M e d i u m .

Mit solchen Liisungsmitteln, in denen sich der reduzierende Stoff nicht 10st, kann man nattirlich auch den reduzierenden K0rper selbst ausfi~lIen~ z. B. mit Benzol oder Chloroform. Doch schied er sich so immer nur als schmieriger ~Siederschlag ab, d e r sich an der Glaswand festsetzte, oder abet, sobald ni~mlich die LOsung nicht entwhssert war, in Form einer Emulsion.

Man hat sich den reduzierenden K6rper als eine Si~ure vorzusteilen, die in freier Form in den obengenannten organischen L(isungsmitteln lbslich ist, in Form ihrer Salze dagegen nicht. Wir versuchten, den reduzierenden K0rper aus organischem Medium als Salz niederzuschlagen.

1. F M l u n g e n a u s m e t h a n o l i s c h e r L b s u u g : Die folgenden Yersuehe wurden mit einem Pr~parate ausgeftihrt, das schon die Reinigung durch Kalkbehand- lung, Extraktionen mit Methyli~thylketon und Bleifhllungen in essigsaurer LOsang mit anschliefiender Entbleiung und Essigsii.ureextraktion durchgemacht hatte. Es lag in eiaer methano|ischen I,(isung vor: die ungefi~hr 5 % Wasser enthielt und krhftig sauer

Page 8: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

[Zeitschr. f. Untersuchung 8 J. T i l l m a n s , P. H i r s ch und W. H i r s c h , t der LebensmitteL

reagierte. Aus dieser methanolischen LSsung liel~ sich der reduzierende Stoff durch methanolische Bleiacetatl0sung - - Bleiacetat ist in Methanol sehr leicht 10s l i eh - ausfallen. In re in whsseriger saurer Lbsung wird, wie bereits erwhhnt, der reduzierende KOrper durch Bleiacetat nicht ausgefhllt. Wurde der LOsung des Prhparates Wasser zugefiigt, so war je nach de r Grbl]e des Wasserzusatzes die Ausfallung weniger vollst~tndig. Wurde nach Zusatz yon methanolischer Bleiacetatlbsung mit alkoholischer Kalilauge neutralisiert, so blieb kein reduzierender Stoff mehr in Lbsung. Auch durch methano- lische Barytlbsung - - Bariumhydroxyd ist in Methanol leichter 10slich als in Wasser - - wurde der reduzierende Stoff aus der methanolischen LOsung niedergeschlagen~ jedoch nicht vollsthndig. Beim h*eutralisieren mit alkoholischer Kalilauge wurde ebenfalls Bin kleiner Tell des reduzierenden Stoffes niedergeschlagen, durch methanolische Kaliumacetatl0sung fast nichts. Durch methanolische L0sungen organischer Basen (Pyridin, Chinolin, Antipyrin, Coffein, Chinin, Brucin) wurde der reduzierende Kbrper nicht niedergeschlagen.

2. F i ~ l l u n g e n aus a c e t o n i s c h e r L 0 s u n g : Fiir diese Versuche verwandten wir die 5% Wasser enthaltende acetonische L0sung eines Prhparates~ dessen Vor- geschichte ~hnlich war wie die des unter 1. verwandten Prhparates. Nur war es durch eine ,'~therfi~llung noch etwas welter gereinigt. Die L0sung enthielt im Ver- hhltnis zum Reduktionswert noch viel freie Si~ure, woraus zu schlie~en ist, daft dem reduzierenden Stoff als Ballaststoff noch grOfiere Mengen irgendwelcher Shuren bei- gemengt waren.

Mit organischen Basen wurde auch hier kein brauchbares Ergebnis erzielt. Durch acetonische LSsung yon Ammoniak liel~ sich der reduzierende Stoff aus der acetonischen LOsung ausfhllen. Gab man die der freien Shure aquivalente Menge Ammoniak zu, so f i e l d e r reduzierende KOrper nur zum Tell aus. Die doppelte Menge Ammoniak fi~llte ihn aber fast vollst~ndig. Bemerkenswert ist i :da6 der Ammoniakiiberschul] in acetonischer LSsung dent reduzierenden K0rper nicht schadet, whhrend dieser in w~tsseriger Lbsung gegen alkalische Reaktion sehr empfindlich ist. Auch bei Baryttiberschul~ in organisehem Medium beobachtet man viel geringere Empfindlichkeit des reduzierenden KOrpers als in w~sseriger LOsung.

Auch dutch methanolische Barytlbsung konnte der reduzierende Stoff aus der acetonischen LOsung niedergeschlagen werden. Um zu verhindern, da$ dabei das in Aceton schwer lbsliche Bariumhydroxyd ausfi~llt, kann man die acetonische LSsung vor der Fhllung mit Methanol verdiinnen. Das gleiche lafit sich dadurch erreichen, dai] man den Wassergehalt der Acetonl0sung vor der Barytfhllung auf 10% herauf- setzt. HSher mit dem Wasserzusatz zu gehen, ist unzweckmht~ig, well bei 15~o scho~ merkliche Mengen des reduzierenden KOrpers in LOsung bleiben. Der Barytniederschlag wurde mit der hquivalenten Menge verdiinnter Schwefelshure zersetzt. Bei einem Ver- such, die Zerlegung der Barytfi~llung unter Fernhaltung yon Wasser mittels schwefel- shurehaltigem Aceton vorzunehmen, verlor das Prhparat schnell sein Reduktions- vermOgen. Der Versuch, dnrch fraktionierte Barytfhllung eine Abscheidung nicht reduzierender S~uren zu erzielen~ scheiterte, indem sich das Reduktionsverm(igen ziemlich gleichmal~ig auf alle Fraktionen verteilte.

2. G a n g der Rein igungo

Aus einer ganzen Reihe miihevoller Versuche: mit Hilfe der beschriebenen Operationen die Trennung des reduzierenden Kbrpers yon seinen Begleitstoffen zu

Page 9: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. | 9 Januar 1932.] Der reduzierende Stoff des Citronensaftes .

erreichen, ergab sich schliefilich der folgende Arbeitsgang, der an einem Beispiel beschrieben sei.

Wir gingen yon 300 Citronen aus, die 9,5 1 Salt lieferten. a) K a l k b e h a n d l u n g : Der Salt wurde mit 75ccm Schwefelshure (1:3) ver-

setzt, dann, wie beschrieben, mit Calciumcarbonat neutralisiert; es wurden 7950 ccm neutralisierter Salt gewonnen, der mit 4 ccm 25 % -iger Phosphors~ure ~vieder angesauert wurde.

b) A c e t o n f h l l u n g e n : Die Lbsung wurde auf 1/5 des Volumens eingeengt~ dann mit Phosph0rsaure saner gegen Methylorange gemacht, wozu sehr viel Phosphors~ure; n~mlich ungef~hr 8,3ecru 25%-ige Phosphors~ure auf 1 1 neutralisiertem Salt ver- braucht wurde. AU s einem Tropftrichter wurde unter st~ndigem Sehtitteln das Vier- fache des gebliebenen Volumens an Aceton zugeffigt. Beim Stehen aber .Yacht im Eisschrank schieden sich schSne Krystallnadeln aus. Das Aceton wurde unter Kohlen- 's~ure wieder abdestilliert, die L~sung im Vakuum weiter eingeengt und yon neuem mit Aceton gefallt. Auf diese Weise wurden nacheinander 4 Acetonfallungen (in anderen Fallen 5) vorgenommen. Vor der vierten Acetonfhllung war alas u tier w~sserigen LSsung auf 20 ccm eingeengt. Der Niederschlag der zweiten Acetonfhllung wurde fiber l~acht im Eisschrank krystallinisch. Bei tier dritten und vierten Fhllung schied sieh jedoch der Iqiederschlag als zhhflfissige, wasserige Schicht aus, die noch viel reduzierenden Stoff einschlog. Diese fliissigen ~Niederschlhge ~'urden zunachst mehrmals mit Aceton ausgewaschen und dann umgefhllt. Zu diesem Zwecke wurde tier Niederschlag durch Zugabe yon etwas Methanol, nStigenfa]ts unter Zuhilfenahme einer kleinen Menge Wasser. wieder in LOsung gebracht und yon neuem durcl! Aceton niedergeschlagen. Der gesamte Reduktionswert der LOsung gegen 2,6-Dichl0rphenol- indophenol betrug nach der ersten Acetonfhllung 33,8 ccm n, nach der vierten Fallung nur mehr 16.3 ccm n. Das scheinbare J~quivalentgewicht war nach der ersten Aceton- fallung ungefhhr 5000. nach der vierten F~llung 1000. Die erhaltene Acetonlt}sung .wurde unter Stickstoff im Eisschrank aufbewahrt und portionsweise weiterverarbeitet.

So wurde eine Probe yon 300 ccm mit einem Reduktionswert yon 3~75 ecm n, ~vie folgt, behandelt:

c~ B a r y t f h l l u n g : Der Wassergehalt tier Lt)sung wurde dutch Wasserzusatz auf etwa 10% erhbht. Dann wurde mit der zur ~Neutralisation erforderlichen Menge methanolischer BarytlSsung versetzt. Der abgeschleuderte Barytniederschlag wurde mit 2 N.-Schwefels~ure zersetzt, und zwar mit etwas mehr, als der angewandten Barytmenge entsprach.

d) B l e i f ~ l l u n g : Die mit der Schwefelshure erhaltene L/)sung wurde langsam mit 75 ccm 10%-iger BleiacetatlSsung versetzt und der Niederschlag entfernt. Die L/)sung wurde mit Schwefelwasserstoff entbleit, dann durch Vakuumdestillation vom Schwefel- wasserstoff wieder befreit und etwas eingeengt.

e) E s s i g s ~ u r e e x t r a k t i o n mit J~ther: Dauer 53/~ Stunden. f) A c e t o n b e h a n d l u n g : Die L/)sung wurde vollst~ndig eingedampft und mit

reinem Aceton aufgenommen, wobei ein ungel/)ster Rfickstand verblieb. Die so erhaltene Acetonlbsung hatte einen Reduktionswert yon 2~56 ccm n und enthielt noch 1~27 g Trockensubstanz. Das scheinbare J~quivalentgewicht war danach 498. Far Tierversuche muBte natiirlich noch das Aceton entfernt und das Prhparat in w~sserige L/)sung fiber- gef~hrt werden. Auf die n~mliehe Art erreichten wir bei weiteren Praparationen scheinbare -~quivalentgewichte yon 434~ 458~ 463, 522.

Page 10: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

10 J. T i l l m a n s , 13. H i r s c h und W. H i r s c h , [Zeitschr. f. Untersuehung t der Lebensmittel.

Die BarytfMlung mit ansehlie6ender Bleifi~llung hat den u dag man die Sehwefel- s~ure zum Zersetzen des Barytniederschlags nicht peinlieh genau abzumessen braucht, denn iiberschfissige SchwefelsSure wird bet der folgenden Bleif~illung mit niedergeschlagen.

Die grSl3ten u an reduzierendem Stoff wi~hrend des Reinigungsganges traten bet den AcetonfSllungen ein, bet den folgenden Behandlungen waren die Verluste m~Big.

Auch bet den bestcn Pr~@araten, die wir in H~nden hatten, gelang uns ein Krystallisieren des reduzierenden K6rpers nicht.

Anhang. 1. N e b e n p r o d u k t e : Im Laufe der Versuche, den reduzierenden Stofl aus dem

Citronensaft zu isolieren, schieden sich mehrfach sonstige, nicht reduzierende, krystallisierende organische Stoffe von unbekannter Natur ab. So wurde wiederholt beim Einengen stark essigsaurer Pr~parate die Ausscheidung farbloser Krystulle beobachtet, die sich weder in kaltem, noch in heigem Wasser wieder 15sten; sie 15sten sich beim Erw~rmen mit Alkohol oder Aceton. Sie 15sten sich ferner in Natronlauge und in konzentrierten S~uren. MSglicher- weise handelt es sich hier um ein Spaltprodukt.

Etwas eingehender beschi~t'tigten wir uns mit ether der zahlreichen Krystallabseheidungen, die bet den Acetonfs gewonnen wurden, und zwar griffen wir nur den krystallinischen Niederschlag der zweiten AcetonfMlung heraus. Dieser wurde mit 100 ccm Wasser kurz ausgeschtittelt, wobei die Hauptmenge des Niederschlags in LSsung' ging, ein Teil der schSnsten Krystalle jedoch ungelSst blieb, aNur diese Krystallfraktion wurde wetter untersuchtX). Naeh Abgieflen der LSsung wurden die Krystalle in wenig Wasser gelSst und durch Acetonzugabe unter Eisktihlung wieder in sch6nen Krystallnadeln ausgefitllt, mit Aceton ausgewaschen, an der Luft getrocknet. Bet nochmaligem Umkrystallisieren aus Wasser und Aceton blieb der Schmelzpunkt unver~ndert 161 o (unkorr.). Die farblose Substanz reagierte neutral, reduzierte nieht F e h l i n g ' s c h e LSsung, auch nicht nach dem Erhitzen mit verdtinnter Salzs~ure; sie gab auch nicht die Mol i s ch' sche Reaktion auf Kohlenhydrate. Im filtrierten, ultravioletten Licht zeigte die Substanz starke, hellblaue Fluorescenz. Das Molekulargewicht wurde kryo- skopisch zu etwa 160 gefunden. Die MikroelementaranaIyse ergab folgende Zahlen: 39,64% Kohlenstoff, 7,59% Wasserstoff und 52,77% Sauerstoff a|s Differenz. Naeh diesen Analysen- werten ergibt sich als wahrseheinliche empirische Formel CsH~05 (oder C5H~o05)mit dem Molekulargewicht 152 (bezw. 150).

Auch C. F u n k~) hat aus Citronensaft krystallisierte K6rper erhalten, die jedoch Stick- stoff enthielten. Einen yon diesen weist er der 13uringruppe zu, den zweiten der Pyrimidin- gruppe, einen dritten der Chol[ngruppe. Au6erdem land er einen stickstofffreien K~rper, den er den Terpenen zurechnet.

2. An dieser Stelle mSge auch das Yerhalten des Citronensaftes unter der U l t r a - 1 amp e Erw~hnung finden, wenn wir auch no ch nicht wissen, ob es mit unserem reduzierenden KSrper in Zusammenhang steht: Wit haben die ftir natfirlichen Citronensaft charakteristische Probe im Laufe dieser Arbeit h~ufiger ausgeftihrt. Bringt man einen Tropfen der zu priifen- den Flfissigkeit auf ein Stfick Filtrierpapier, l~l~t trocknen und setzt dem Licht der Analysen- quarzlampe aus, dann zeigt echter Citronensaft hellblaue Fluorescenz. Auch alter verdorhener Citronensaft, der nicht mehr reduziert, zeigt noch die Fluorescenz, kiinstlieher Citronensaft dagegen nicht. Dieses Verhalten kann neben anderen der beschriebenen Reaktionen zur Unterscheidung yon natfirliehem und kfinstlichem Citronensaft herangezogen werden. In diesem Zusammenhang set noch kurz darauf hingewiesen, dag inl nattirlichen Citronensaft ein Farbstoffindicator entbalten ist, der in sauerer LSsung farblos ist nnd beim Neutralisieren nach Gelb umschliigt.

C. U b e r das V e r h a l t e n des r e d u z i e r e n d e n S t o f f e s . Fiir die Frage der Identitiit yon reduzierendem Stoff und Vitamin C ist es von

Wichtigkeit, die Eigenschaften des reduzierenden Stoffes zu untersuchen und mit dem zu vergleichen, was yore C-Vitamin bekannt ist. Bis jetzt haben wir in Eigenschaften und im Verhalten des reduzierenden Stoffes nichts gefunden, was gegen diese Identitiit spriiche. Unsere Bemtihungen gehen dahin~ den reduzierenden Stoff rein darzustellen,.

x) Die genauen Bedingungen, yon denen die Abscheidung dieser Krystallfraktion ab- h~ngt, sind nicht erforscht. Bei einem sp~terem Versuch kamen diese Krystalle bei den Acetonf~tllungen nicht heraus.

"~) Biochem. Journ. 19I.~, 7, SI.

Page 11: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. ] J anua r 1932.J Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 11

um festzustellen, ob er auch dann noch Vitaminwirkung besitzt und um am reinen Stoff seine Natur und seine Eigenschaften zu studieren. Inzwischen mttssen wir uns mit dem begntigen, was wir an den den reduzierenden Stoff enthaltenden Misehungen fest- stellen k6nnen. AuBer dem, was in dem vorausgehenden prhparativen Abschnitt bereits an L6slichkeits- und chemischen Eigenschaften angefahrt und benutzt worden ist, soll im nachstehenden das zusammengestellt werden, was sonst yore Verhalten des redu- zierenden Stoffes bis jetzt zu sagen ist. Das ist zun~chst der Ausfa]l der Reakflionen, d ie wir mit dem gereinigten Pr~parat ausgefahrt haben; es folgen einige Angaben aber die Best~.ndigkeit des reduzierenden Stoffes gegen verschiedene Einflfisse; dann wird die auffallendste, zun~chst ttberhaupt definierende Eigenschaft unseres Stoffes, sein Reduktionsverm6gen, behandelt.

1. E i g e n s c h a f t e n des b e s t g e r e i n i g t e n P r ~ p a r a t e s . S~mtliche Reduktionsreaktionen des frischen Citronensaftes wurden in erh~htem

Ma~e erhalten. In 2 ccm Pr~parat mit dem Reduktionswert 7,5 ccm 0,001 n, also ungef'ahr 1 ccm

frischen Citronensaftes an Reduktionswert entsprechend, wurde die Chloraminzahl nach T i l l m a n s und H o l l a t z bestimmt. Chloraminverbrauch: 3,45 ccm 0,01 n.

Die M o l i s c h'sche Kohlenhydrat-Reaktion war stark positiv ; ebenso waren nattirlich die Reduktionsreaktionen der Zucker positiv.

Mit den Phenol- und Gerbstoffreagenzien, M i l l o n's Reagens, Ferrichlorid, Kalium- dichromat, Ammoniummolybdat, Calciumhydroxyd und einigen organischen Basen wurden keine Reaktionen erhalten. Hiernach ist es nicht sehr wahrseheinlich, dab unser redu- zierender Stoff mit dem yon B e z s s o n o f f u n d A g o p i a n isolierten K6rper identisch ist.

DaB das Pr~parat keinen Stoff yon Proteincharakter enthMt, geht schon aus der Herstellut~gsweise und den LSslichkeitsverhMtnissen hervor. Es gab auch nicht die FMlungsreaktionen der Eiwei~k6rper. Die INinhydrinreaktion auf Aminos~uren nnd die Schwefelbleireaktion auf abspaltbaren Schwefel waren negativ. Die Biuretreaktion konnte nicht ausgeftihrt werden, weil beim Versetzen mit bTatronlauge t iefbraune Fhrbung auftrat. :NTur die Xanthoproteinreaktion war positiv; diese kann j edoch auf irgendwelchen sonstigen aromatischen Komplexen beruhen.

Die gelbe Farbe beim Neutralisieren trat noch auf. In schwachsaurer L6sung gab Mercuronitrat eine jedoch nicht starke FMlung. Bleiacetat gab auch bei Zusatz ~'on Natriumacetat keine F~llung mehr. Erst bei vollst~ndigem Neutralisieren entstand ein Niederschlag. Die hellblaue Fluorescenz unter der Ultralampe zeigte sich im gereinigten Pr~parat unver~ndert wieder. Beim Erhitzen mit Salzshure fhrbte sich das Prhparat braun, nnd es t ra t ein sehr eigenartiger Geruch auf. Dabei entstand starke Trabung, und schliel~lieh sehieden sieh braune Flocken ab.

In 10 ecru Pr~.parat mit dem Reduktionswert yon 37,5 ccm 0,001 n und mit 19,6 mg Trockensubstanz wurden durch Mikro-Kjeldahlbestimmung 0,191 mg = 0,0136 Millimol Stickstoff gefunden. 0b der reduzierende Stoff selbst Stickstoff enthMt oder ob der gefundene Stickstoff auf Verunreinigung zuritekzufahren ist , laBt sich hieraus noch nicht entscheiden.

2. Hal tb l trke i t . Natur-Citronens~fte sind schleeht haltbar. Sis f~rben sich beim Lagern braun

und verlieren sehr bald ihr Reduktionsverm6gen. u schneller noch verderben neutralisierte oder gar alkalisch gemachte Shfte. In solchen zersetzten Saften ist tier

Page 12: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

12 J. T i l l m a n s P. H i r s c h und W. H i r s c h , [Zeitschr. f. Untersuchung ' [ der Lebensmittel.

Umschlag bei der Farbstofftitration nicht mehr gut zu erkennen, das Indophenol gibt dann beim Titrieren keine rein blaue Farbe, sondern eine schmutzig griinbraune. Ftir den Verlust des ReduktionsvermSgens ist der Luftsauerstoff verantwortlich zu machen.

In dem Goslarer Vortrag wurde bereits tiber yon Herrn T r i l l h o s e ausgeftihrte Versuche berichtet, nach denen sich der reduzierende Stoff gegentiber Luftsauerstoff, Erhitzen, saure und alkalische Reaktion ebenso verhi~lt, wie dies vom C-Vitamin bekannt ist. Hier sollen nut noch kurz einige ergi~nzende Angaben zugeftigt werdeu. Unter Stickstoff oder Kohlensi~ure kann man saure Pri~parate monatelang im Eisschrank auf- bewahren, ohne (lab das Reduktionsverm0gen verloren geht. Um das Wachsen yon Mikroorganismen zu verhindern, ist es zweckmiiBig, etwas Chloroform zuzusetzen oder auch mineralsauer zu machen. In Acetonl0sung hielt sich der reduzierende Stoff im allgemeinen etwas besser als in wi~sseriger L0sung.

Wir bewahrten z. B. einen decitrierten Salt in saurem Zustand bei Gegenwart yon etwas Chloroform 6 Monate lang unter Stickstoff im Eisschrank auf, wobei das ReduktionsvermSgen nur um etwa 20% abnahm.

Am 12. Juni 1929 wurden 2 Ampullen, mit je 1 ccm eines acetonischefi Pr~parates (= 36,1 ccm 0,001 n) und 2 ccm Wasser geftillt, unter Stickstoff gesetzt und zugeschmolzen. Die beiden Ampullen standen im Zimmer am Licht. Am 9. Dezember 1930 wurden sie geSffnet und titriert. Der Inhalt tier einen Ampulle titrierte 27 ccm, der tier anderen 34,2 ccm 0,001 n. Bei der einen Ampulle hat also der Reduktionswert im Laufe yon 1~ Jahren k~um abge- nommen.

Die als Ausgangsl6sung ffir viele Versuche benutzte, nach den vier Acetonf~llungen erhaltene acetonische LSsung aus dem auf S. 9 beschriebenen Versuch verlor im Laufe yon 5 Monaten nur 15~ ihres l:teduktionswertes.

Uber unsere ausffihrlichen, im Verfolg des hier Mitgeteilten durchgeftihrten Versuche fiber die Haltbarkeit yon Citronensaft unter verschiedenen Bedingungen werden wir bei passcnder Gelegenheit berichten.

Die acetonische Lbsung eines Prhparates hatte durch Luftzutritt den grSBten Tell ihres Reduktionsverm0gens verloren und sich stark braun gefi~rbt. 5 ccm der L6sung, die noch 10 - -12 ccm Farbstoffl6sung reduzierten, wurden bei Zimmertemperatur mit S c h w e f e 1 w a s s e r s t o ff behandelt. Die braune Farbe wurde dabei deutlich schwi~cher, verschwand jedoch nicht ganz. Es wurde im Vakuum stark eingeengt, um den Schwefel- wasserstoff zu vertreiben, dann titriert. Die Probe reduzierte jetzt uugefhhr 90 ccm Farbstoffl0sung. Das Reduktionsvermbgen war also auf beinahe das 8- bis 9-fache gestiegen. Schwefel war im Pr~tparat durch Extraktion und Erhitzen mit metallischem Kalium und Prtifung mit Bleiacetat und mit • nicht mehr nachweisbar. Die Anwendung yon Zinkstaub und Essigsi~ure, yon Zinnchlortir und yon Titanchlortir auf die wi~sserige Lbsung des gleichen Pri~parates brachte keine erkennbare Erh~)hung des Titrationswertes. In diesem Zussmmenhange ist es yon Interesse, dab es Ch. G. D a u b n e y und S. S. Z i l v a 1) nich t gelang~ mit Hilfe yon Reduktionsmitteln eine Reaktivierung des durch Luft unwirksam gemachten C-Faktors zu erzielen. Inl tibrigen wird die Frage der Reversibilitht der Oxydation unseres reduziere~Men Stoffes, die wit inzwischen ein- gehend untersucht haben, Gegenstand einer weiteren Mitteilung sein.

3. E i n w i r k u n g o x y d i e r e n d e r Mit te l au f C i tronensuf t und s o n s t i g e L ~ s u n g e n des r e d u z i e r e n d e n Stoffes .

Von dem EinfluB des Luftsauerstoffes war schon im vorigen Absehnitt die Rede. Wir haben nun das Verhalten des reduzierenden St0ffes gegen eine Reihe anderer Oxydationsmittel geprtift.

i) Biochem. Journ. 1926, 20, 519.

Page 13: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

68. Band. ] Januar 1932.] Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 18

Wie im ersten Abschnitt dieser u beschrieben ist, haben wir zur Titration des reduzierenden Stoffes den Farbstoff 2,6-Dichlorphenol-indophenol und Jod angewandt. Nattirlich wird der reduzierende Stoff aufier durch diese 0xydations- mittel auch durch sthrkere, wie z. B. durch Kaliumpermanganat, Chlor und Brom oxydiert. Deren Oxydationswirkung geht jedoch welter und erfa6t auch andere organische Stoffe mit.

Ein 0xydationsmittel, yon dem gerade die Menge reduziert wird, die dem mit Farbstoff festgestellten Titrationsbetrag hquivalent ist, ist F e r r i s a l z ~ wenn man folgende Bedingungen einh~lt:

Man gibt zu der Probe einen -~berschu6 ~on 0,01 N.-FerrilS:sung und 5 cem Schwefel- s~ure (1:3) und erhitzt 3--5 Minutcn im Stickstoffstrome auf dem Wasserbade. ~Nach dem Abkfihlen setzt man Rhodankalium zu und titriert das fiberschtissige dreiwertige Eisen mit 0,01 ~.-TitanchlorfirlSsung zurfick. Das fiberschfissige Ferrieisen oxydiert hierbei den redu- zierenden Stoff quantitativ. Desgleichen reduziert tiberschiissiger Citronensaft das Ferrisalz vollst~ndig. Sind jedoch Ferrisalz und reduzierender Stoff in ~tquivalenten Mengen zugegen, so ist die Umsetzung nieht quantitativ.

Zum Yerhalten yon Citronensaft gegentiber Jod (vergl. S. 4) ist noch folgendes nachzutragen: Die nach Zugabe yon Mineralshure yon frischem Citronensaft gebundene Jodmenge ist dem Farbstoffverbraueh i~quivalent. Stumpft man die Shure ab (z. B. mit Natriumacetat), so wird mehr Jod verbraucht. Diese Reaktion ist r e v e r s i b e l . Maeht man nhmlich wieder mineralsauer, so wird wieder Jod frei. ~Neutralisierter Citronensaft bindet Jod unter Auftreten roter Farbtbne~). Typisch far den stark reduzierenden Kbrper im Citronensaft ist nur der Jodverbraueh in mineralsaurer L0sung.

Eine sch(~ne Reaktion~ die offenbar dem rednzierenden Stoff zukommt, ist die folgende: Wir fanden, da6 frischer Citronensaft und alle P:rhparate, die den redu- zierenden K(~rper noeh unverhndert enthalten, mit P h o s p h o r m o l y b d i ~ n s h u r e ~) eine sch6ne blaue Farbreakt ion geben, und zwar sehon in natursaurer L0sung (Molyb- d~nsaure gibt die Farbreakt ion nicht), hllerdings wird die blaue Farbe bei Zugabe yon Alkal i viel intensiver3). Jedoch ist auch hierbei wiederum gerade die Farb- reaktion in s a u r e r L0sung die far den reduzierenden K6rper typische; denn in alkalischem Medium reagieren auch andere organisehe Stoffe mit Phosphormolybdhn- shure 4).

1) Ein ~hnliehes Verhalten zeigen Tannine. Wit ffihrten eine Vergleichsprobe mit Handelspr~paraten yon Tannin und Sumaehgerbstoff aus. In sti~rker saurer LSsung wurde ~-on diesen Jod nicht verbraucht, zum Unterschied gegenfiber dem reduzierenden Stoff im Citronensaft. In schwach essigsaurer LSsung wurde Jod verbraucht. Machte man dann wieder salzsauer, so wurde wieder Jod frei (r ev e r s ib 1 e 0xydations-Reduktions-Reaktion). In neutraler LSsung werden dureh Jod rote FarbtSne hervorgerufen. Dichlbrphenol-indo- phenol wurde yon den Tanninen night reduziert. Von vornhere![n schien es nicht unwahr- seheinlich, da6 unser reduzierender KSrper ein gerbstoffartiger Stoff sei. B e z s s o n o f f nimmt an, da6 das C-Vitamin den Charakter eines Polyoxyphenol~s babe.

~) Zur Verwendung kam meist eine 10%-ige LSsung reiner M e r c k ' s e h e r Phosphor- molybd~nsgure.

3) Die Reaktion gelingt nicht, wenn man erst Phosphorm01ybd~ns~ture und ~atron- lauge zusammen gibt und dann erst die zu prfifende LSsung zuftigt. Man mu6 vielmehr erst die zu priifende LSsung mit Phosphormolybd~ns~ure versetzen und dann erst alkalisch machen.

4) Die beiden schon oben benutT.ten Tanninpr~parate gaben in neutraler LSsung mit Phosphormolybd~nsgure braune bis braungriine FarbtSne. Gab man nun Ammoniak oder

Page 14: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

14 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und W. H i r s c h , [Zeitschr. f. Untersuchung * der Lebensmit tel .

Merkwtirdig ist das Verhalten des W a s s e r s t o f f s u p e r o x y d s gegentiber dem reduzierenden K6rper. Wasserstoffsuperoxyd oxydiert bei Zimmertemperatur weder in saurer, noch in alkalischer Lbsung sofort. u man frischen Citronensaft mit Wasserstoffsuperoxyd, so hat man den gewi~ seltenen Fall~ ein starkes 0xydations- mittel und ein recht starkes Reduktionsmittel nebeneinander nachweisen zu k6nnen [das Wasserstoffsuperoxyd mit Titansulfat~ den reduzierenden K6rper mit dem Farb- stoffl)]. Auch bei Gegenwart einer kleinen Menge Platinchlorid erfolgt weder in saurer, noch in alkalischer Li)sung sofortige Reaktion.

K a l i u m p e r m a n g a n a t wird sowohl in saurer als auch in neutraler und alkalischer L0sung momentan reduziert, und zwar weit fiber die dem reduzierenden Kbrper hquivalente Menge hinaus. Gibt man nur kleine Mengen hinzu, so wirkt das Per- manganat schon auf andere Stoffe, ehe die mit Farbstoff feststellbaren Reduktions- i~quivalente wegoxydiert sind. S . J . B . Conn e l und S. S. Z i l v a'~) haben das Reduk- tionsverm6gen yon Citronensaft gegeniiber Kaliumpermanganat und ammoniakalischer Silberl6sung mit der antiskorbutischen Wirksamkei t verglichen. Sie fanden hierbei keine Parallel i tat .

Nhheres tiber die Eiuwirkung yon C h 1 o r wird im folgenden Kapitel (S. 18) zu sagen sein.

Frischer Citronensaft reduziert ferner z. B. Quecksilberchlorid zu Chloriir, Goldchlorid- und Silbernitrat. Eine Reduktionsreaktion ist auch diejenige mit B e z s s o n o f f ' s Reagens.

4. Chemische K e n n z e i c h n u n g des reduz ierenden Stoffes.

Als hauptsi~chliche chemische Kennzeichen des reduzierenden KOrpers lassen sich bis jetzt die folgenden herausstellen:

Schon in der Bezeichnung ist ausgedrfickt, dai~ er gegen Oxydationsmittel, besonders auch gegen Luftsauerstoff, empfindlich ist. E r ist eine Shure, ungefhhr yon der Sti~rke der Essigsi~ure, 16st sich in Wasser, ~ethylalkohol . Athylalkohol und Aceton, nicht in Ji_the L Benzol, Chloroform. K. T r i 11 h o s e hat festgestell L dab der redu- zierende Stoff durch Pergamentpapier und dutch tierische Membran dialysiert. E r ist kein Lipoid, kein eiweil]artiger Stoff. E r scheint auch kein gerbstoffartiger Stoff zu sein~ wie dies ursprfinglich vermutet wurde~ denn wit konnten ;keine Phenolgruppen nachweisen. MOglicherweise enthi~lt das Molektil eine Kohlenhydratgruppe.

D. B i o l o g i s c h e V e r s u c h e .

A u s f t i h r u n g d e s M e e r s c h w e i n c h e n - V e r s u c h e s : Die Angaben in der Literatur fiber die geeignete GrSl]e der Meerschweinchen sind unterschiedlich.

Natronlauge hinzu, so trat eine intensiv blaue Farbe auf (sehr empfindliche Reaktion!). Vergl. ferner O. F o l i n und W. D e n i s in Journ. of Biol. Chem. 1912, 12.

Bei dieser Gelegenheit wurde die Beobachtung gemacht, dal~ sich Glykose und Fruc- tose mit Phosphormolyhd~nsi~ure unterscheiden lassen: Gibt man zur w~sserigen Zucker- 15sung wenig Phosphormolybdi~ns~ure, macht mit Natriumcarbonat alkalisch und l~l~t bei Zimmertemperatur stehen, so wird nach einiger Zeit die FructoselSsung blau; die Glykose- 15sung bleibt farblos (vergl. P inoflf 'sche Reaktion).

1) Auch der Leukofarbstoff wird demnach nicht momentan yore Wasserstoffsuperoxyd oxydiert.

~) Biochem. Journ. 1924, 18; 638 und 1927, 21, 689.

Page 15: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. ] Januar 19a2.1 Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 15

Z. B. benu tz tenHols t und F r h h l i c h 1) Tiere yon etwa 350 g, Cohen und M e n d e l 1) solche yon 110--250 g, Hess und U n g e r ~) solche yon 200--300 g. Im L i s t e r - I n s t i t u t in London wurden Tiere yon 350 g bevorzugtl). A. S c h e u n e r t 2) nimmt junge, waehsende Tiere, F.-V. v. H a h n a) bevorzugt Tiere yon 200 g, E. Remy +) nimmt solche yon 290--460 g, W. S a l e c k 5) solche yon 200--300 g, 0. S t i n e r ~) solche yon 300--400 g. Auch fiber eine passende C-freie Grundkost finden sich in der Literatur verschiedene Angaben: z.B. gaben H o l s t und F r 5 h l i c h Hafer, Kleie und t~glich 60 ccm einer im Autoklaven auf 1200 er= hitzten Milch. Hess und U n g e r gaben Hafer und Hen. F.-V. v. H a h n schlo6 sigh diesen letzteren an. A. S c h e u n e r t gab Hafer und i Stunde bei [ arm. auto klavierte Handelsmilch. E. Remy stellte die Basalnahrung dutch Miscben yon 40 g Hafer, 15 g Kleie, 1 g Koehsalz, ~owie 45 ccm sterilisierter Milch, die 1 Stunde fang bei 110-120 ~ erhitzt war, her. W. S a l e c k nahm abgewQgene Mengen yon grobgeschrotetem Hafer, abgelagertem Heu, Kochsalz and Wasser. 0. S t i n e r gab 1. gekochte Milch und Zwieback aus feinstem Weil~mehl oder 2. im Autoklaven sterilisiertes Heu, sterilisierte Karotten, Hafer und Wasser.

Wir benutzten Tiere yon 300 400 g, also schon krhftigere Tiere, die nicht allzu empfindlich waren. Als Grundkost gaben wir Hafer, Heu und Milch, die eine Stunde im Autoklaven auf ungefahr 1200 erhitz~ war. ltafer und Iteu konnten die Tiere nach Belieben fressen. Milch bekamen sie anf~nglich taglich 50 ccm, sphter~ als die Tiere grafter waren, 60 ccm.

Von Bedeutung ist auch die Art der Fatterung mit der auf C zu prafenden Substanz. Es ist zu fordern, da6 die Pr~parate q u a n t i t a t i v aufgenommen werden nnd da6 sie wegen der Luftempfindlichkeit des reduzierenden Khrpers (bezw. des C-Vitamins) n i c h t l a n g e an d e r L u f t h e r u m s t e h e n . Man denkt zunhchst an Zwangsfatterung, die diese Forderungen am sichersten erfallt. Die Zwangsfatterung sollte man jedoch, wie auch v. H a h n ausfahrt, wenn einigermafien mhglich, ver- meiden. Die Fatterung mu6 ja t~glich vorgenommen werden. Durch die thgliche Zwangsfatterung khnnen die Tiere leieht psychisch unganstig beeinflul~t werden. Aueh yon diesem wichtigen psychischen Moment abgesehen, khnnen durch das thgliche Ein- fahren einer Schlundsonde Reizungen und Entzfindungen verursacht werden, v. H a h n wendet bei flassigen Substanzen die Fatterung mit der Pipette an~ die allerdings nicht ganz einfach ist. Am besten ist es, wenn die Tiere das zu untersuchende Prhparat freiwillig mit ihrer Grundkost zusammen aufnehmen. Wir verfuhren so, daft wir den in Einzelk~figen gehaltenen Tieren morgens, bevor sie etwas zu trinken bekamen, das Prhparat (bezw. den Citronensaft) - - es ha ndelte sich um 2 ccm - - in nicht ganz neutralisiertem Zustande mit 5 ccm Milch vermischt in einer kleinen Reibschale vorsetzten. Diese kleine Flassigkeitsmenge wurde nach einiger Gewhhnnng yon den durstigen Tieren rasch~ in hhchstens 15---20 Minuten aufgenommen, meist jedoch viel schneller. Erst wenn sie diese 7 ccm vollst~ndig zu sich genommen hatten, bekamen sie ihre Hauptmenge Milch.

Wir aberzeugten nns davon, daft unter diesen Bedingungen Verluste an Reduk- tionsvermhgen durch Luftoxydation nicht zu befarchten waren. In den gleichen Ge- f~fien, in denen die Tiere ihre Milch bekamen~ nhmlich in kleinen Reibschalen~ wurden die zur Fatterung angewandten Mischungen an der Luft stehen lassen und nach ver- schiedenen Zeiten titriert. Hierbei wurden folgende Ergebnisse erhalten:

l) Nach C. F u n k : Die Vitamine. Mfinehen nnd Wiesbaden 1922. 2) A. S c h e u n e r t : Der u der deutschen Nahrungsmittel, Teil I. Berlin 1929. a) Diese Zeitschrift 1930, 59, 4. t) Diese Zeitschrift 1928, 55, 385. ~) Milchwirtschaftl. Forsch. 1928, 6, 464. 6) Mittlg. a. d. Geb. d. Lebensm.-Unters. und Hyg. (Schweizer. Ges.-Amt) 1926, 17, 152

und 1928, 19, 69.

Page 16: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

16 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und W. H i r s c h , [Zeltschr. f. Untersuchung [ der Lebensmittel.

M i s c h u n g I: 5 ccm Milch @ 2 ecru Citronensaft @ 0,5 ccm 2 n Na0H (2 ecru Citronensaft binden 0,55ecru

2 n Na0H).

M i s c h u n g II: 5 ccm M i l c h + 2 c c m P r ~ p a r a t - ~ - 0 , 4 ccm 0,1 n NaOH (2 ccm Pr/~parat binden 0,6 ccm

0,1 n Na0H).

Naeh Stdn.

0,0 1,5 1,0

Selbst bei viersttindigem verm6gen statt.

Die Tiere wurden thglich und das W~gen.

Nach Eintritt des Todes

Titration (ccm Farbl6sung) Nach Stdn. Titration (ccln Farbl6sung)

12,4 0,0 [

I

10,1 11,0 1,5 I, 9,5 10,5 4,0 ] 9,5

Stehen fand also keine groge Einbul3e an Reduktions-

gewogen. Sonntags unterblieb die Beigabe der Pr~parate

~urden die Tiere seziert. Wenn Skorbut eintrat, so gab er sich in dreierlei Weise zu erkennen: 1. dutch den Verlauf der Gewiehtskurve, 2. durch das klinische Krankheitsbild und 3. durch die yon einem medizinischen Sach- versthndigen ausgefiihrte Sektion. Im Interesse der Raumersparnis wollen wir davon absehen, die Gewichtskurven und die Sektionsberichte hier wiederzugeben.

1. D i e a n t i s k o r b u t i s c h e W i r k s a m k e i t d e s g e r e i n i g t e n P r K p a r a t e s . Die Anordmmg des ersten Tierversuches war folgende: 5 Tiere dienten als

Kontrollen und bekamen nut die Grundkost. - - 5 Tiere bekamen auger der Grund- kost 2 ccm eines verdiinnten Citronensaffes. Frisch. ausgepregter Citronensaft wurde nicht ganz neutralisiert und mit Wasser aufs doppelte Volumen verdiinnt. Die einem Tier pro Tag verabreichte Menge entspracb also 1 ccm Citronensaff. - - 5 Tiere bekamen auger der Grundkost 2 ccm einer 1,6sung des gereinigten Prhparates. Die L0sung war so verdtinnt, dag der Reduktionswert yon 2 ccm der L• dem yon 1 ccm Citronen- saft entspraeh.. Die S~ture des Prhparates wurde jeweils vor der Verfiitterung mit Natronlauge abgestumpft.

Das I/eduktionsverm6gen der zur Verfiitterung bestimmten Pr~parate hielt sich nicht gut infolge des t~glichen Offnens des Vorratsgefgol3es, obgleich die Entnahme yon L6sung stets unter Einleiten yon Stickstoff geschah. Der Reduktionswert der L6sungen gegen den Farbstoff nahm im Laufe der Ftitterungsversuche ab.

Ffir diesen und den im folgenden Abschnitt zu beschreibenden Tierversuch zusammen wurde das Pr/tparat viermal nacheinander neu hergestellt. Da die Gr5ge der Abnahme des Reduktionswertes fiir die Beurteilung des Versuches yon Bcdeutung ist, geben wir in folgender Zusammenstellung die Verminderungen an, die der Reduktionswert tier verfiitterten Pr/~parate im Laufe der Ffitterungsversuche erlitt. -- Es wird der Farbstoffverbrauch f~r 2 ccm L5sung :in ccm 0,001 n angegeben.

Tag Titrations- wert

19. I. 7,2 PrEparat I 124. II. 7,6 (0,01 n HC1) ] 6. II. 7,1

1 14. II. 6,7 [21. II. 7,8

Pr~parat II { 5. III. 5,8 (0,01 n HCI) �9 [ 11. III. 4,6

TitrationS- 'rag wert

] 14. II1. 8,3 1. ohne HC1 { 17. III. 8,2

| 29. III. 5,9 Pr~parat 1II[ 2. mit {131IV. 6,2

0,01 n HC1 IV. 3,4 122. IV. 7,5

Pr/iparat IV [ 9. V. 1,4

W~hrend des ersten Tierversuches, der vom 29. I. bis 15. III. dauerte, waren die Ab- nahmen an Reduktionswert (bis auf kurze Zeit) nicht allzu grol3. Im zweiten Tierversuch,

Page 17: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. I Januar 1932.1 Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. 17

der am 16. III. begann, wurde das Pr~parat vor dem Verftittern sowieso oxydiert, sodal~ wir die Abnahme an Reduktionswert hierbei ftir nicht sehr bedenklich hielten.

Bei den Kontrollt ieren zeigten sich nach ungefhhr ]4 Tagen die ersten Anzeichen yon Skorbut: Die Tiere wurden apathisch, fre$unlustig und bekamen ein struppiges Fell . Schliel~lich wurde nur noeh etwas Milch genommen, kein t teu und Hafer mehr. Das Gewicht nahm schnell ab. Der Tod erfolgte nach 2 1 - - 2 7 Tagen. Die Sektion zeigte bei allen 5 Tieren typische Skorbutsymptome.

Die Tiere, die das P r ~ p a r a t bekamen, wurden nicht skorbutkrank; sie ent- wicketten sich vielmehr gut. Drei yon diesen Pr~parat-Tieren wurden auch nach Be- endigung dieses ersten Tierversuches welter mit dem Pr~parat gefattert, im ganzen 3~/2 Monate fang, und sie erfreuten sich his zuletzt tier besten Gesundheit.

Die Citronensaft-Tiere bekamen selbstverst~ndlich auch keinen Skorbut. Im Durchschnitt entwickelten sich diese Tiere jedoch merkwtirdigerweise nicht so gut wie die Pr~parat-Tiere, sei es nun Zufall, oder wirkte vielleicht das viele I~atriumcitrat schhdlich. Eines yon den Citronensaft-Tieren starb an Pneumonie.

Dieser Tierversuch beweist, dal~ unser weitestgereinigtes Prhparat in der an- gewandten Menge geniigend Vitamin C enthMt, um Meerschweinchen vor Skorbut zu schtitzen. Die Menge an Vitamin kann auch im Verhi~ltnis zur Menge des reduzie- renden Stoffes nicht wesentlich abgenommen haben, da die Menge Pri~parat, die im Reduktionswert 1 ccm frischem Citronensaft entsprich L als ti~gliche Gabe ein Meer- schweinchen noch vollsti~ndig vor Skorbut schOtzte.

2. V e r ~ n d e r u n g d e r a n t i s k o r b u t i s e h e n W i r k s a m k e i t b e i 0 x y d a t i o n d e s r e d u z i e r e n d e n Kt~rpers d u r e h Chlor .

In einem zweiten Tierversnch wollten wir untersuchen, ob unser Pr~parat und frischer Citronensaft auch dann noch antiskorbutisch wirksam sind, wenn mit ibnen wei~er nichts geschieht, Ms dat] der reduzierende KSrper mit der ~quivalenten Menge eiues geeigneten Oxydationsmittels gerade aufoxydiert ist, ohne dal] sekundare Reaktionen wie z. B. eine weitergehende 0xydation durch tiberschassiges 0xydationsmittel stattfinden. Wi r suchteu far diesen Zweck nach einem 0xydationsmittel, das, in d e r d e m reduzie- renden KOrper ~quivalenten Menge angewandt, sich mit diesem leicht und vollstandig umgesetzt h~tte. Durch das 0xydationsmittel sollten ferner keine Bestandteile in die Lbsung gebracht werden, die ihrerseits eine Giftwirkung oder sonst einen Einflul] auf den Verlauf des Tierversuchs austiben konnten. Aus diesem Grunde wollten wir 2,6- Dichlorphenol-indophenol und Jod als Oxydationsmittel vermeiden. Wasserstoffsuperoxyd reagierte nicht. I~ach einer Reihe yon Vorversuchen entschlossen wir uns far C h l o r , yon dem wir annahmen, daI~ es die genannten Forderungen erfrtlle. Auch die Oxy- dation mittels Chlorwassers fiel nicht ganz nach Wunsch aus. Es gelang nicht, den reduzierenden K0rper bei Anwendnng der genau ~quivalenten Menge Chlorwasser quantitativ zu oxydieren.

Die Chlormenge, die yon Citronensaft momentan gebunden wird, sodag mit Jodzink- Sti~rke-L0sung kein freies Chlor mehr nachweisbar ist, ist etwas, aber nicht viel grSger als die dem Reduktionsverm0gen gegen Farbstoff entsprechende. Bei 10--15% Chlortiberschug tiber die mit Farbstoff titrierten Aquivalente war in Citronensaft bisweilen schon freies Chlor mit Jodzink-Sti~rke nachzuweisen. Bei frisch bereitetem, gereinigtem Prs tritt schon bei geringerem Chlortiberschug freies Chlor auf. Die s Menge Chlorwasser oxydiert weder im Citronensaft noch im Pri~parat den reduzierenden K0rper quantitativ. Besser wird das Ergebnis, wenn man die Oxydation in schwach alkalischem Gebiet vornimmt und sofort wieder ans~uert.

],. 32. 2

Page 18: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

]8 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und W. H i r s e h , [Zeitschr. f. Untersuchung [ der Lebensmittel.

V e r s u c h s b e i s p i e l e : 1. Ein Citronensaft reduziert je lccm 6,4ccm 0,001N.-Farb- stoffl~stmg. 1 ccm davon wird mit 6,4 ccm 0,001 N.-Chlorwasser versetzt. Es verbleibt ein ReduktionsvermSgen gegen Farbstoff yon 1,9 ccm 0,001 n. - - 2.2 ccm der LSsung eines Pr~pa- rates reduzieren 4,6 ccm 0,001 N.-Farbstoff. 2 ccm werden mit 4,6 ccm 0,001 N.-Chlorwasser versetzt. Es verbleibt ein ReduktionsvermSgen gegen Farbstoff yon 1,3 ccm 0,001 n. - - 3. 1 ccm eines Pr~parates (l~eduktionswert ~ 4,1 ccm 0,001 n) wird ganz schwach alkalisch gemacht, dazu kommen 4,2 ccm neutralisiertes 0,001 N.-Chlorwasser. Dann wird sogleich wieder schwach anges~uert. Verbleibendes ReduktionsvermSgen gegen Farbstoff: 0,3 ccm 0,001 n.

Auffallend ist es, daf w~hrend l~ngerer Zeit eine bestimmte Volummenge des Pr~parats immer mit der gleiehen Chlormenge, welehe die dem ursprfinglichen ReduktionsvermSgen des Pr~parats ~quivalente Menge um 7--10~o fibertraf, vollst~ndig oxydiert werden konnte, ohne dal~ freies Chlor auftrat, obwohl das ReduktionsvermSgen des Pr~parates gegenfiber Farbstoff w~hrenddessen erheblich abnahm. Man kann sich diese Tatsache nur so erkl~ren, daft auch die aus dem reduzierenden KSrper durch Umwandlung (Luftoxydation?) entstehende, den Farbstot~ nicht mehr reduzierende Substanz noch ebenso Chlor momentan verbraucht wie der reduzierende KSrper selbst. Eine ganz ~hn]iche Beobachten machten wir an frisch ausgeprel]tem Citronensaft. Im Durchschnitt konnten wir mit Chlorwasser dann den redu- zierenden KSrper gerade vollsts oxydieren, wenn wir eiaen Chlorfibersehug yon 15--20~o anwandten. Der Reduktionswert des Citronensaftes gegenfiber dem Farbstoff ist gewissen Schwankungen unterworfen. Bei besonders niedrigem Reduktionswert brauchten wir grS~eren prozentualen ChlorfiberschuB; bei besonders hohem Reduktionswert jedoch war auch 10~o Chlorfiberschu~ bisweilen schon zu viel, sodal~ freies Chlor auftrat. Dies deutet darauf hin, dab in Citronen mit besonders niedrigem Reduktionswert (vermuflich solche, die l~ngere Zeit gelagert haben) ein Tell des reduzierenden KSrpers in analoger Weise umgewandelt ist wie in dem l~ngere Zeit gelagerten Pr~parat.

Mit B r o m w as s e r wurden in bezug auf die geforderte, gerade vollst~ndige Oxydation weniger gi~nstige Resultate erzielt als mit Chlorwasser.

Wir arbeiteten so, daft wir t~glich unmittelbar vor der Fatterung die erforder- liche Menge Citronensaft und Prhparat mit Natronlauge vollsthndig neutralisierten und mit schwach alkalischem Chlorwasser oxydierten. Nach Zugabe des Chlorwassers wurde sofort wieder mit Salzs~ure ganz schwach anges~uert. Da sowohl der thglich frisch ausgepregte Citronensaft, als auch das Prhparat, als auch das Chlorwasser in ihrem Wirkungswert nicht konstant waren, praften wir thglich ~or dem Verfattern jeweils Proben des oxydierten Citronensaftes und des oxydierten Praparates, ob und wieviel Farbstoff noch reduziert wurde. War kein Reduktionsverm6gen mehr vor- handen~ so praften wir noch durch Zugabe yon Jodzink-Sthrke-LSsung zur schwefel- sauren L0sung, ob auch kein freies Chlor vorhanden war. Beim Citronensaft war es schwer, immer zu erreichen, daft Oberhaupt kein Reduktionsverm6gen gegen Farbstoff, aher auch kein fl'eies Chlor mehr vorhanden ~ar. Beim Pr~parat war dies etwas leichter zu erzielen. (~ber die erforderlichen Chlormengen siehe oben. Es mu6 hier noch bemerkt werden, dal~ sehr kleine t~eduktionsbetrhge gewbhnlich in den verfatterten Produkten n0ch vorhanden waren; in einer Tagesration meist 0 ,1 - -0 ,4 ccm 0,001 n. Gelegentlich kamen auch, vor allem beim oxydierten Citronensaft~ 0.7 bis 0~8 ccm 0~001 n vor.

Als Yersuchstiere dienten die gleichen Meerschweinchen, die im ersten Versuch mit unverhndertem Citronensaft und Pr~parat vollkommen gesund geb]ieben waren. Sie hatten jetzt ein Gewicht yon 4 0 0 - - 5 0 0 g. Die Grundkost war die gleiche wie im ersten Tierversuch. 5 Tiere bekamen als Beigabe 2 c c m m i t Chlor auf die be- schriebene Vv'eise oxydiertes Pr~parat. 5 Tiere bekamen als Beigabe 1 c c m m i t Chlor oxydierten Citronensaft. 0xydierter Citronensaft und oxydiertes Prhparat wurden wieder in wenig Milch gereicht. Die Tiere nahmen die oxydierten Produkte im Gegensatz zu den unveranderten nur ungern (der oxydierte Citronensaft hatte einen unangenehmen Geruch).

Die Tiere Iitten in der ersten Zeit des Yersuehes zum groBen Teil (nicht alle) an Durchfall. Ein Tier der Reihe mit oxydiertem Citronensaft mu$te deshalb sogar bald aus

Page 19: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. ] Janua r 193"2.J Der reduzierende Stoff des Citronensaftes. ] 9

dem Versuch herausgenommen werden. Die fibrigen Tiere erholten sich mehr oder weniger gut vom Durchfall. Freilich trat dieser auch sp~terhin im Laufe des Versuchs ab und zu wieder auf, besonders stark bei einigen Tieren kurz vor dem Tode. Die Durchf~lle schienen ~on den gechlorten Produkten verursacht zu sein. Wir probierten deshalb die Wirkung des mit Chlor oxydierten Pr~parates auf Tiere mit C-haltiger Kost aus. Zu diesem Zwecke gaben wit den 3 Tieren vom vorigen Versuch, die noch liingere Zeit mit dem Pr~parat weiter ge- fiittert wurden, 21 Tage lang au~er den 2 ccm reduzierendes Pri~parat ti~glich auch 2 ccm oxydiertes Pr~parat. Auch diese 3 Tiere nahmen das oxydierte Pr~parat nur sehr ungern, Durehfall trat jedoch bei keinem yon ihnen auf. Der Durchfall bei den fibrigen Tieren war miiglicherweise trotzdem durch das gechlorte Produkt bedingt, kam abet erst durch die ge- steigerte Empfindlichkeit infolge Vitaminmangels zum Ausbruch.

Die Tiere mit oxydiertem Prapara t und auch die mit oxydiertem Citronensaft wurden in gleicher Weise krank.

Das klinische Bild war in beiden Gruppen das n~mliche: Starke Gewichtsabnahme, Fre~unlust und im EDdstadium aufierordentliche Gier nach anderer Nahrung (Vitaminhunger) ; sie iallen fiber den Finger, der in den K~fig gehalten wird, gierig her, w~hrend sie Hafer und Heu kaum mehr anrfihren. Besonders charakteristisch sind starke Bewegungshemmungen. Versteifung tier hinteren Gliedmalien. Bei einem Tier oft typische ,Skorbutstellung": Es liegt auf der Seite und streckt die offenbar schmerzenden hinteren Gliedmai~en in die Luft. Zwei Tiere nahmen nur sehr langsam and verh~iltnism~l~ig wenig ab und zeigten auch die sonstigen genannten Symptome sehr schwach (hatten auch nie Durchfall). Ein weiteres Tier nahm ebenfalls lange Zeit nur sehr wenig ab, zeigte jedoch bald Bewegungshemmungen und wurde schlie~lich fast vSllig steif; es schrie beim Anfassen. lm letzten Stadium traten schwere Kr~tmpfe auf, manchmal verbunden mit Maulsperre.

Die Tiere, die oxydiertes Prapara t erhielten, starben am 32., 40., 45. und 47. Versuchstage; ein Tier wurde am 56. Versuchstage getStet. Die Sektion zeigte bei allem sehr starke skorbutSse Verimderungen, wenn auch zum Tei] anderer Art als bei den Kontrollen des ersten Tierversuchs.

Die Tiere, die oxydierten Citronensaft bekamen, starben am 3 5 , 35. und 44. Ver- suchstage. Ein Tier wurde am 67. Versuchstage getbtet. Die Tiere zeigten im wesentlichen die ni~mlichen Befunde wie die mit oxydiertem Pri~parat gefatterten. Ein Tier starb an einer Peritonitis~ zeigte jedoch auch Skorbutsymptome.

Dieser zweite Tierversuch zeigt also, dab das Pri~parat wie auch frischer Citronen- salt nicht mehr antiskorbutisch wirksam sind, wenn man in ihnen den reduzierenden KSrper mit Chlor aufoxydiert hat. Der weniger akute Verlauf des Skorbuts im Ver- gleich zu den Kontrollen des ersten Titrierversuchs kann sich zum Teil durch das hShere Alter der Tiere beim zweiten Versuch erkli~ren. Vielleicht trugen auch die sehr kleinen Mengen yon reduzierendem Stoff~ die oft noch in den Tagesrationen vor- handen waren, dazu bei, alas Leben der Tiere ]anger zu erhalten.

3 . S c h l u f l f o l g e r u n g e n a u s d e n T i e r v e r s u c h e n .

Das Ergebnis des e r s t e n T i e r v e r s u c h e s bildet fib" unsere Annahme~ daB das C-Vitamin mit unserem reduzierenden K6rper tibereinstimme, wenn auch noch keinen strengen Beweis~ so doch eine s tarke Sttitze. Wenn keine Beziehung zwischen Vitamin und reduzierendem Stoff besttinde, so ware es doch auBerordentlich merk- wiirdig, dab durch die verschiedenen Reinigungsoperationen, denen unser Pri~parat unterzogen worden ist, keine Abtrennung der antiskorbutischen Aktiviti~t vom Reduk- tionsverm6gen, nicht einmal eine Verminderung der physiologischen Wirksamkei t im VerhMtnis zum ReduktionsvermSgen, erzielt worden ist. Man maBte dann annehmen, dab das Vitamin eine mit dem reduzierenden Stoff in ihren L6slichkeitseigenschaften nahe. tibereinstimmende und diesem zi~h anhaftende Substanz ware. Dies warde zum mindesten eine nahe Verwandtschaft der beiden Stoffe wahrscheinlich machen.

2*

Page 20: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

20 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und W. H i r s c h , [Zeitschr. f. Untersuchung [ der Lebensmittel.

Beim z w e i t e n T i e r v e r s u c h wurde angestrebt, nur eben die mit Farbstoff titrierbaren Reduktionsi~quivalei~te aufzuoxydieren, ohne dal~ mit dem Citronensaft bezw. Pri~parat sonst irgend etwas geschi~he. Ware dies eindeutig erreicht worden und hi~tte sich dann herausgestellt~ dal~ mit der 0xydation die antiskorbutische Wirk- samkeit verloren ginge, so wi~re dies eine weitere starke Stiitze far die Annahme der Identiti~t gewesen, und es wi~re welter daraus gefolgt, dal] der reduzierende Stoff nur in der unveri~nderten, reduzierenden Form die Wirkung des Vitamins C besi~l~e. Dies war der Sinn des zweiten Tierversuches. Die antiskorbutische Wirksamkeit ist bei dem Versuch tatsi~chlich mit der Chloroxydation verschwunden oder wenigstens auf ungenfigende Mengen abgeschwi~cht worden. Dies scheint also wieder im Sinne unserer Annahme der Identiti~t zu liegen. Die Oxydation mit Chlor verlief aber nicht so glatt, wie es beabsichtigt war. Di e LOsung mul~te vorfibergehend alkalisiert werden. Wir mtissen deshalb mit den aus dem zweiten Tierversuch zu ziehenden Schlui~folge- rungen vorsichtig sein. Wir werden hierauf noch in den folgenden Mitteilungen zurfickkommen.

Zusammenfassung. Am Citronensaft war ein auffallendes Reduktionsverm6gen gegenfiber dem als

Reduktions- Oxydations-Indicator benutzten Farbstoff 2~6- Dichlorphenol-indophenol beobachtet worden. Ni~here Untersuchungen fiber dieses Reduktionsvermbgen batten zu der Annahme geftihrt, dal~ der Stoff im Citronensaft, dem dieses Reduktionsver- m(igen zuzuschreiben ist, das Vitamin C sei.

In vorliegender Arbeit wird fiber Versuche berichtet, den diese Reduktion bedingenden Stoff zu isolieren. Die nach den verschiedenen Operationen jeweils noch davon vorhandene Menge wird durcll Titration mittels 2,6-Dichlorphenol-indo- phenols festgestellt. Als Mal~ far d ie erzielte Reinigung des reduzierenden Stoffes dient das scheinbare Aquivalentgewicht. Es wurde ein Reinigungsverfahren far den reduzierenden Stoff ausgearbeitet, das, yore Citronensaft ausgehend, zu Konzentraten ftihrte, die ein scheinbares Aquivalentgewicht von ungefhhr 500 aufwiesen.

Die erhaltenen gereinigten Pri~parate zeigten folgende Eigenschaften : Aul~er den Reduktionsreaktionen waren Kohlenhydratreaktionen positiv, Phenol- und Gerbstoff- reaktionen, sowie auch Eiweil~reaktionen negativ. Stickstoff war noch in kleiner Menge vorhanden (Verunreinigung?). Das gereinigte Pri~parat zeigte wie frischer Citronen- salt unter der Analysenquarzlampe hellblaue Fluorescenz.

Das gereinigte Pri~parat schtitzte Meerschweinchen vor Skorbut in einer taglichen Gabe, die im Reduktionswert 1 ccm frischem Citronensaft und weniger entsprach.

Das Pri~parat und auch frischer Citronensaft verloren ihre antiskorbutische Wirk- samkeit, wenn der reduzierende K6rper mit Chlorwasser aufoxydiert worden war.

Si~mtliche erhaltenen Ergebnisse liegen im Sinne unserer Annahme, dal~ der reduzierende Stoff des Citronensaftes Tr~ger der antiskorbutischen Wirkung ist.

Nachschri]t bei der Korrektur. Wegen des Titels~ der keinen Zusammenhang mit dem hier behandelten Problem

vermuten li~l~t, stol~en wir erst jetzt, nach Niederschrift der obigen Untersuchungen, auf eine Arbeit ,Observations on the Function of Peroxydase Systems and the Chemistry of the Adrenal Cortex. Description of a new Carbohydrate Der iva te" von A. S z e n t - G y ( i r g y i im Biochemical Journal 1928, 22, 1387, die in engem Zusammen-

Page 21: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

ss. Band. 1 21 Januar 1982.] J. T i l l m a n s , P. H i r s c h u. F. S i e b e r t , Reduzierender Stoff usw.

hang mit unseren Untersuchungen zu stehen scheint. Der Autor hat zunachst aus der ~Nebennierenrinde ~on Ochsen und dann aus Orangen and Kohl einen stark redu- zierenden Stoff in krystallisierter Form gewonnen, der mit Glukuronshure isomer ist und yon ihm v'orlhufig als Hexuronshure bezeichnet wird. Die Frage der etwaigen (Yber- einstimmnng dieser Substanz mit dem Vitamin C wird yon S z e n t - G y b r g y i nicht aufgeworfen. Er ist vielmehr der Ansicht, dal~ dieser Stoff in den 0xydations- mechanismus des Peroxydase-Systems eingeschaltet ist. Wir sind damit besch~ftigt, zu prfifen: in welcher Beziehung sie mit unserem reduzierenden Stoff bezw. Vitamin C steht.

Das Redukt ionsvermi igen pf lanzl icher Lebensmit te l und seine B e z i e h u n g zum Vi tamin C.

II. Uber die Frage, ob der reduzierende Stoff des Citronensaftes als Stabilisator fiir das eigentliche Vitamin fungiert.

Von J. T i l l m a n s , P . H i r s c h und F. S ieber t~ ) .

M i t t e i l u n g aus dem U n i v e r s i t i ~ t s - I n s t i t u t ffir ~ N a h r u n g s m i t t e l c h e m i e in F r a n k f u r t am Main.

S. S. Z i l v a hat im Laufe seiner Forschungen tiber den antiskorbutischen Faktor des Citronensaftes auch das Reduktionsverm0gen des Citronensaftes beobachtet und dessen etwaige Beziehungen zum C-Vitamin in Erwi~gung gezogen. Zusammen mit S. J. B. C o n n el l 3) hat er festgestellt, dal~ das Reduktionsvermi)gen des Citronensaftes gegenfiber Kaliumpermangan~t und ammoniakalischer SilberlSsung keine Par~ileliti~t zur antiskor- butischen Wirksamkeit aufwies. In neueren Arbeiten hat sich Z i l v a auch mit dem Redukti(msverm0gen des Citronensaftes gegenfiber Phenol-indophenol beschhftigt3). Er kommt dabei zu Schlul~folgerungen, die der yon uns vertretenen Anschauung a) wider- sprechen. Z i l v a hat zwar ebenfalls festgestellt, daft die antiskorbutische Wirksamkeit und das Reduktionsverm0gen beim Lagern des Citronensaftes sich in Bezug auf Zersetzung gleich verhalten, soweit fiber den antiskorbutischen Faktor quantitative Angaben gemacht werden kSnnen. Er hat festgestellt, dal~ der reduzierende Stoff bei pH-Anderungen und bei Ltiftung in gleicher Weise zerst0rt wird wie der antiskorbutische Faktor. Seine weiteren u fahren ihn jedoch zu dem Schlufi, dai~ der reduzierende Stoff, wenn auch eng vergesellschaftet mit dem antiskorbutischen Faktor, nicht mit ihm identisch sei, da{~ er vielmehr die Rolle eines Stabilisators far das eigentliche Vitamin spiele.

Er beobachtete, da~ Reduktionsverm(~gen und antiskorbutische Wirksamkeit des Citronensaftes durch zerst6rende Einfltisse mit verschiedener Geschwindigkeit zerst(~rt wurden. Wenn allerdings das ReduktionsvermSgen beseitigt wurde, verschwand bald darauf auch stets die antiskorbutische Wirksamkeit. Insbesondere glaubt er, durch FMlen mit Bleiacetat bei verschiedenen Wasserstoffstufen, wenn auch nicht vollsti~ndig,

1) Aus der Dissertation yon F. S i e b e r t , Frankfurt ~. M. 1931. ~) Biochem. Journ. 1924, 18, 638. s) Biochem. Journ. 1927, 21, 689 und 1928, 2~ 779. ~) Vorstehende Mitteilung.