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Duell unter der Doppelsonne

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Nr. 116Duell unter der DoppelsonneIch, Atlan, erkenne die Wahrheit - und deshalb soll ich sterben ...von K. H. Scheer

Die Lage in der gesamten Galaxis ist gespannt. Thomas Cardifs Handlungsweise hat Atlan in seiner Notlagedazu verführt, tausend moderne Raumschiffe an die Akonen auszuliefern.Cardif, der Usurpator, hat die Milchstraße in Aufruhr gebracht. Kleinere Völker ducken sich vor dermilitärischen Macht der Solaren Flotte. Größere Völker rüsten mit allen zur Verfügung stehenden Kräften.Auf der Erde hat Cardif auf Grund des Sicherheitsgesetzes den Ausnahmezustand ausgerufen. DieserAusnahmezustand gibt ihm die Vollmacht, aufrührerisch gewordene Mitglieder der Solaren Regierungverhaften zu lassen. Noch gehorcht man ihm, jedoch zeichnet sich bereits im Hintergrund eine Offiziersrevoltein der Solaren Flotte ab.Reginald Bull, Solarmarschall Freyt, Geheimdienstchef Mercant, die Mutanten des Korps und all die vielenFreunde Rhodans bemühen sich, den unhaltbar werdenden Zustand irgendwie zu korrigieren. So haben sie sichentschlossen, ohne Cardifs Wissen, den noch immer kein Verdachtsmoment trifft, Atlan um eine Zusammenkunftzu bitten.Der arkonidische Imperator hat zugesagt. Treffpunkt ist der Planet Saos. Und damit bahnt sich etwas an, wasweder von Rhodans Freunden noch von Atlan vorerst übersehen werden kann: DAS DUELL UNTER DERDOPPELSONNE ...

Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Der Imperator hegt einen schwerwiegenden Verdacht.Thomas Cardif - Ein Monster in Menschengestalt.Reginald Bull und Allan D. Mercant - Sie verhandeln hinter dem Rücken des »Chefs«.Leutnant Brazo Alkher - Seine Space-Jet erhält einen Volltreffer.Gucky - Auch Mausbiber können weinen.Perry Rhodan - Der Gefangene der Antis.

1.

»Es wird warm. Euer Erhabenheit!«Ich blickte hinauf zur gelben Sonne des

Saos-Systems. Der unbedeutende Stern war soebenüber dem Horizont erschienen. Ja - es würde warmwerden.

Die Automatik meines Raumanzuges schob dieUltraviolettblenden über die Helmscheiben. Dienahen Trümmerhaufen wirkten durch dieVerwischung der harten Konturen plötzlich nichtmehr so trostlos. Hier und da glaube ich Bewegungenzu entdecken, aber das waren nur Sinnestäuschungen.

Auf Saos, dem zweiten Planeten der Katalogsonne,gab es kein Leben mehr, seitdem terranischeRaumschiffe und arkonidische Geschwader in seineLufthülle hineingeflogen waren.

Wir hatten einen Stützpunkt der Antis ausgehobenund dabei Erkenntnisse gewonnen, mit denen wirvorerst nichts beginnen konnten. Die inGefangenschaft geratenen Mitglieder desBaalol-Kultes konnten uns nicht aufklären, da sienicht wußten, wo der sagenhafte Planet Trakarat zufinden war.

Die wichtigsten Hinweise hatten wir von zwei

Galaktischen Händlern erhalten. Sie befanden sichzur Zeit auf der Erde, wo man versuchte, ihreAussagen zu überprüfen. Anscheinend hatten sie aberdie Wahrheit gesprochen. Trakarat warwahrscheinlich die Heimatwelt der Antis.

»Euer Erhabenheit sollten nicht zu lange draußenbleiben.«

Ich nickte zustimmend. Die Robotzentrale fürplanetarische Analytik hatte die Gefahren erkannt.Ich trug einen leichten Bordanzug, dessenKlimaanlage für höhere Belastungen nichtvorgesehen war.

»Ich komme in einigen Minuten. Liegen positiveOrtungsergebnisse vor?«

»Noch nicht, Euer Erhabenheit.« Meine Uhr zeigtedie zehnte Morgenstunde intergalaktischerStandardzeit an. Die Terraner waren unpünktlich.

Wieder verfiel ich ins Grübeln. Relativ harmloseDinge, entschuldbar durch tausenderleiMöglichkeiten, hatten nach der Erkrankung meinesFreundes Perry Rhodan plötzlich an Bedeutungverloren.

Schon eine Verspätung beunruhigte mich. WenigeMonate zuvor hätte ich mir über solche Kleinigkeitenkeine Gedanken gemacht. Jetzt geriet ich bereits inPanikstimmung, nur weil die vereinbarte Zeit um

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zehn Minuten überzogen worden war.Ich schüttelte unwillig den Kopf, wobei ich mit der

Schläft gegen den eingebauten Helmlautsprecherstieß.

Ein unbedeutender Faktor bei einer Anflugstreckevon dreiunddreißigtausend Lichtjahren, teilte mirmein Logiksektor mit.

Ich wurde ärgerlich auf mich selbst. Natürlichwaren fünfzehn Minuten ein unbedeutender Faktor.Selbst wenn die terranische Abordnung zehn Stundenzu spät eingetroffen wäre, hätte man darüber nicht zudiskutieren brauchen.

Die Katalogsonne 41-B-1847-Arqh tauchte dieGipfel der nahen Berge in düsterrote Farbtöne. Siewirkten wie mit Blut übergossen.

Blut! Ich begann zu frösteln, obwohl dieMeßzeiger der Klimaanlage eine Außentemperaturvon 21,67 Grad anzeigten. Saos war eine Wüstenweltmit nicht atembarer Atmosphäre. Der Planet gehörtezum Großen Imperium der Arkoniden. Damitunterstand er meiner Verfügungsgewalt.

Auf Arkon l, meiner Heimat, wußte man nicht,wohin ich mit dem schnellen Robotkreuzer geflogenwar. Mir ging es nur darum, mich mit den führendenMännern der Erde aussprechen zu können.

Die Nachrichten über RhodansGesundheitszustand waren besorgniserregend. Esstand fest, daß der mit seinem Körper verwachseneZellaktivator die sogenannte »explosiveZellspaltung« hervorrief.

Eine operative Entfernung des gefährlichenGerätes war nicht möglich. Ich konnte nichtbegreifen, warum Rhodans Aktivator eine solcheNebenwirkung erzeugte, besaß ich doch eingleichartiges Gerät, das mir seit zehntausend Jahrenirdischer Zeitrechnung Gesundheit und Jugendfrischeverliehen hatte.

Waren bei der Programmierung des ZellaktivatorsFehler begangen worden? Stimmten die individuellenJustierungsdaten nicht genau mit RhodansKörperschwingungen überein?

Um dies feststellen zu können, hatte ich ohneWissen des terranischen Abwehrdienstes denKunstplaneten Wanderer angeflogen. Ich hatteversuchen wollen, das Gemeinschaftslebewesen zubefragen. ER oder ES, wie die vergeistigteIntelligenz genannt wurde, war jedoch nicht zusprechen gewesen.

So hatte ich die lange Rückreise antreten müssen,ohne Rhodan Hilfe bringen zu können.

Es wurde heißer. Die Sonne stieg über denBergketten empor und überschüttete das zerklüfteteLand mit ihrem hellen Licht. Die Ruinen desAnti-Stützpunktes wirkten plötzlich noch öder. Hierhatten die Götzenpriester des Baalol-Kultes versucht,die Terraner auf eine falsche Fährte zu locken. Zwei

jungen Offizieren war es jedoch gelungen, dasbetrügerische Schauspiel zu durchschauen.

Saos war nicht identisch mit der Heimatwelt derAntis. Außerdem hatte ich mich nicht dazu hinreißenlassen, die Landemanöver der Terraner als eineernsthafte Gefährdung meiner Stellung als Imperatordes Sternenreiches anzusehen. Ich wußte jetzt erst,daß den Antis vorgeschwebt hatte, eine militärischeKonfrontation Arkons und Terras zu provozieren.

Diese Erkenntnisse erklärten aber noch immernicht die Frage, weshalb der Freund allmählich zueinem Ungeheuer wurde. Der Abwehrchef desSolaren Imperiums, Allan D. Mercant, hatte mirmitteilen lassen, die explosive Zellspaltung führte zueinem unkontrollierbaren Wachstum. Rhodan würdetäglich um etwa einen Zentimeter größer werden.

Ich rechnete nach. Seit unserem letztenZusammentreffen, das ohnehin nur fernbildlichstattgefunden hatte, waren einundfünfzig Tagevergangen. Zur Zeit schrieb man auf der Erde den 20.Oktober 2103.

Wie mochte er jetzt wohl aussehen, der drahtigeTerraner, der die Menschheit geeint und ihr denFrieden gebracht hatte. Einundfünfzig Tage - dasbedeutete ein Wachstum von ebenso vielenZentimetern in die Höhe und in die Breite! Perrymußte zu einem Koloß geworden sein.

Ich schirmte meine geblendeten Augen mit derHand ab und wandte mich zum Gehen.

Der weite Talkessel, in dem die zerstörteAntistation lag, war nicht reizvoll genug, um mich zueinem längeren Verweilen bewegen zu können.Zudem war es in meiner jetzigen Gemütsverfassungnicht gut, zu intensiv über unlösbare Problemenachzugrübeln.

Den einzigen Trumpf, den ich im Verlauf diesereigenartigen Geschehnisse gewonnen hatte, konnteich nicht ausspielen. Mir fehlte noch dieEndauswertung des Robotregenten auf Arkon.

Langsam stieg ich den steilen Hang hinunter,wobei ich aufpassen mußte, nicht zu Fall zu kommen.Saos besaß eine Schwerkraft von 1,3 Gravos. Es wareine unangenehme Welt. Sie war deshalb niemalsvon arkonidischen Kolonisten besiedelt worden.

Hundert Meter entfernt war mein Kreuzergelandet. Ich war das einzige lebende Wesen anBord, aber die Robotbesatzung war ebensozuverlässig wie eine arkonidische Mannschaft.Vielleicht noch zuverlässiger, gestand ich mir ein.

Der geistige und körperliche Zerfall unter denArkoniden des Reiches war nicht mehr zu leugnen.Ich spielte bereits mit Überlegungen, von denen dieMenschen noch nichts wußten. Wäre es nicht zuRhodans Erkrankung gekommen, hätte ichwahrscheinlich schon vor Wochen gewisseVerhandlungen eingeleitet.

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In meiner Stellung als absolutistischer Herrscherführte ich ein Schattendasein. Ich verfügte über eineriesige Flotte, Tausende von Kolonialwelten undeinige hundert Millionen Kampfmaschinen aller Art,aber ich hatte weder echte Freunde noch fähigeSoldaten, mit denen ich die Raumschiffe bemannenkonnte.

Im Sternenreich herrschten chaotische Zustände.Es war schwierig, allein mit der RobotflotteAufstände und Revolutionen zu bekämpfen, da ichdie Maßnahmen der steuernden Zentralstationniemals so genau kontrollieren konnte, wie eswünschenswert war. So kam es immer wieder zuHärten und Mißverständnissen, die den Groll derKolonisten noch mehr steigerten. Ich wußte seiteinigen Wochen, daß meine Stellung unhaltbargeworden war. Ich benötigte dringend die Terranerunter Rhodans Führung. Er konnte das aufschwachen Füßen stehende Imperium vielleicht nochretten, wenn er seine hervorragend ausgebildeten undin jeder Beziehung aktiveren Männer einsetzte. Hätteich solche Persönlichkeiten zur Verfügung gehabt,wäre es mir niemals eingefallen, an eine Übergabe zudenken. So aber hielt ich es im Interesse des Reichesfür die beste Lösung.

Crest, der vor vielen Jahren verstorbeneWissenschaftler, hatte schon immer behauptet, dieTerraner wären naturnotwendig die Erben desImperiums. Nun war es also soweit, besser gesagt -es hätte soweit sein können, wenn sich Perry nichtüber Nacht gewandelt hätte.

Ich kannte die Menschen seit Jahrtausenden. Ichhatte mit ihnen gelacht und gelitten, Sieg undNiederlage geteilt. Dabei war ich an ihrer Größe undihrem Wagemut selbst gewachsen.

Ich wußte aber auch, wie schnell die intelligentenBewohner des dritten Sol-Planeten verzweifeln undresignieren konnten. Solche Symptome trafenbesonders im Verlauf von schweren Krankheiten auf.

Rhodan, den ich immer für willensstark unddiszipliniert gehalten hatte, war von einem Extrem indas andere gefallen.

Ehe der Unfall mit dem Zellaktivator geschah, warer ein toleranter, klardenkender Mann gewesen. Nun,kurze Zeit nach dem Beginn der krankhaftenZellspaltung, galt er als Nörgler und Choleriker mitsehr unangenehmen Wesenszügen.

Er schikanierte seine alten Freunde, und mich hatteer bei jeder Gelegenheit beleidigt und provoziert.Seine politischen Maßnahmen, früher genial geplantund feinfühlig ausgeführt, waren zu plumpenDemonstrationen seiner militärischen Machtgeworden.

Das war nicht mehr der Perry Rhodan, dem ichvertrauensvoll das Schicksal desArkonidenimperiums in die Hände legen konnte.

Im Verlauf der letzten Geschehnisse hatte er sogarso massiv gedroht, daß ich mich schweren Herzenszu einem bedeutsamen Schritt entschlossen hatte. Ichwagte kaum daran zu denken, aber mein Versprechenwar nicht mehr rückgängig zu machen.

Ich wußte, daß ich der Menschheit indirekt in denRücken gefallen war. Ich hatte dem Volk der Akonentausend moderne Raumschiffe zugesagt, da ichkeinen anderen Weg gesehen hatte, Rhodan von einermilitärischen Intervention abzuhalten. Er hatte dieterranischen Stützpunkte auf Arkon räumen lassen.

Beamte und Soldaten waren durch Sonderbefehlezur Erde gerufen worden, was - strategischbetrachtet! - meinen mühevoll aufgebautenVerwaltungsapparat ins Wanken gebracht hatte.

Die Vertreter meines ehrwürdigen Volkes warennicht zuverlässig genug. Als Raumschiffsbesatzungkamen nur noch wenige Arkoniden in Frage. DieMenschen fehlten mir überall. So hatte ich aufAkonen zurückgegriffen, die als direkteNachkommen der Stammväter galten.

Die Akonen, die keinen Grund sahen, PerryRhodan und die Erde zu lieben, hatten sogareingewilligt, jedoch tausend Schiffe verlangt, da sieselbst fast keine mehr besaßen.

Ich hatte zugestimmt. Die Schiffe befanden sichnoch auf Arkon II, da die Hypnoschulung derakonischen Besatzungen noch nicht abgeschlossenwar. Ich hatte die Lieferung der entsprechendenSchulungsgeräte bewußt verzögert, da ich auf eineSinneswandlung Rhodans gehofft hatte. Nach denletzten Nachrichten zu urteilen, hatte sich seinZustand aber noch verschlechtert.

Das war die Situation an diesem 20. Oktober 2103.Reginald Bull, Rhodans engster Freund undStellvertreter, hatte um eine geheime Besprechunggebeten. Ich hatte sofort zugesagt und den PlanetenSaos als Treffpunkt vorgeschlagen. Nun wartete ichauf die Terraner.

Als ich das vordere Landebein meines Kreuzerserreicht hatte, meldete sich die Kontrollzentrale überHelmfunk.

»Ortung, Euer Erhabenheit. Transitionsschock,klare Echoimpulse. Ein lichtschneller Flugkörperfliegt in das System ein. Bremsmanöver beginnt.Energieechos kommen ein mit Lautstärke 17. Einterranischer Kreuzer, Euer Erhabenheit.«

Ich blieb stehen und blickte nach oben. Das warensie! Sie hatten sich nur um dreißig Minuten verspätet,was als kosmonautische Meisterleistung zu bewertenwar.

Ich konnte mich nicht darüber freuen. Die Terranerwaren nun einmal Könner. Hundert MillionenMänner von ihrem Schlage, und ich hätte daszerrüttete Imperium meiner Ahnen in einem Jahrwieder in der Hand gehabt.

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Innerlich resignierend, betrat ich dieBodenschleuse. Die Landung konnte vor einer halbenStunde nicht erfolgen.

Ich zog mich in meine Kajüte zurück, wo ichnochmals den Regenten anrief. Die Berechnungennäherten sich ihrem Ende. Die Resultate konnten biszur Ankunft der Menschen bei mir eingelaufen sein.

Ich begann zu warten. Zwei Probleme zeichnetensich ab:

Einmal mußte Rhodan geholfen werden, egal inwelcher Form. Außerdem hatte ich Reginald Bullverständlich zu machen, warum ich michhilfesuchend an die Akonen gewendet hatte. DieTerraner sollten wissen, wie leichtfertig es war, dasArkonidenimperium ständig herauszufordern.

Sie haben nicht gedroht, Narr! Es war nur derKranke, gab mein Logiksektor durch.

Ich kämpfte um meine Fassung. Der Unterredungsah ich mit gemischten Gefühlen entgegen.

2.

Der kleine Mann mit dem golden schimmerndenHaarkranz konnte kaum seine Bestürzung verbergen.Allan D. Mercant, Solarmarschall und Chef desAbwehrdienstes, zog an seinen Fingern, bis es in denGelenken knackte.

Wir befanden uns in der Kommandantenkajüte desLeichten Kreuzers ATLANTIS.

Reginald Bull verhielt sich schweigsam. Nachmeiner Eröffnung hatte er mit dem Befehlshaber desMutantenkorps, John Marshall, einen kurzen Blickgewechselt.

Professor Eric Manoli legte unschlüssig dieFilmkassette zur Seite. Er hatte mir in seinerEigenschaft als Arzt erklärt, wie es um Perry Rhodanstand.

Mercant räusperte sich. In seiner enganliegendenUniform wirkte er noch unscheinbarer als sonst. DerEindruck täuschte jedoch. Mercant war fraglos dergefährlichste Mann des Solaren Imperiums.

»Habe ich recht verstanden, Sir? Sie haben denAkonen tausend Raumschiffe zugesichert? Tausendmoderne Raumschiffe?«

Seine blauen Augen richteten sich auf mich.»Ich sah keine andere Möglichkeit. Perrys

Drohungen glichen einer indirekten Kriegserklärung.Im Imperium gibt es keinen Terraner mehr. Siekennen meine - Schwierigkeiten. Es geht nicht nurdarum, Rhodans Maßnahmen zu begegnen. Ich bindarüber hinaus gezwungen, die Zerwürfnisse imReich unter Kontrolle zu halten. Das geht nur miteiner schlagkräftigen Flotte.«

»Sie verfügen über zirka einhunderttausendRoboteinheiten, Sir.«

Ich winkte ab. Mercant wußte, daß dies kein

Argument war.»Roboteinheiten, Sie sagen es! Meine Gegner

haben mittlerweile gelernt, mit positronischgesteuerten Schiffen umzugehen. Ich benötigeorganische Elitebesatzungen.«

Bull trat vor. Sein breites Gesicht warausdruckslos.

»Reden wir nicht mehr darüber«, entschied er. Erschaute mich nachdenklich an.

»Atlan, sind Sie bereit, Ihr Bündnis mit denAkonen unter bestimmten Voraussetzungenaufzuheben?«

»Unter welchen?« John Marshall setzte sich. Erhatte darauf verzichtet, meinen Gedankeninhaltabtasten zu wollen. Es wäre ihm auch nicht gelungen,da ich nach der Landung des terranischen Kreuzersmeinen parapsychischen Monoschirm aufgebauthatte.

Bull schritt zu Manoli hinüber und ergriff dieFilmkassette.

»Wir haben Ihnen gezeigt, was aus Rhodangeworden ist. Niemand könnte es Ihnen verübeln,wenn Sie gedanklich den Begriff Ungeheuergebraucht hätten. Ich gestehe, daß ich mehr alseinmal damit spielte.«

»Unter welchen Voraussetzungen?« unterbrach ichihn. »Sie sind hart, Sir«, warf Marshall ein.»Keineswegs. Solange ich noch frage undVerhandlungen führe, ist Rom nicht verloren.«

Mercant lächelte. Jetzt dachte er wohl an meineVergangenheit. Außerdem mußte es seltsamanmuten, einen arkonidischen Imperator von einerantiken irdischen Stadt sprechen zu hören.

Ich nickte ihm zu. Eine Entspannung schien sichanzubahnen. Bully legte den Film zur Seite.

»Okay, spielen wir mit offenen Karten. Perry istdabei, alles zu ruinieren, was wir seit dem 19. Juni1971 aufgebaut haben. Sein Verhalten ist zwarpersönlich entschuldbar, aber nicht länger tragbar.Ratschläge seiner alten Freunde nimmt er nicht mehran. Sie werden sich nicht vorstellen können, welcheSchikanen wir seit einigen Wochen erduldet haben.Es begann mit der unverhofften Tätigkeit desZellaktivators, der sich jetzt förmlich in Perrys Brusteingebettet hat. Er ist reizbar, unduldsam und in jederBeziehung ungerecht.«

»Ein ganz anderer Rhodan als früher«, bestätigteManoli. Auch er hatte zu dem Astronautenteamgehört, das im Jahre 1971 erstmals in der Geschichteder Menschheit auf dem irdischen Mond gelandetwar. Dort hatten die vier Männer die Vertretermeines Volkes gefunden, und dort hatte allesbegonnen, was zur Bildung des Solaren Imperiumsgeführt hatte.

Ich versuchte, Bulls Andeutungen folgerichtigauszuwerten, aber dann wagte ich nicht an die

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Konsequenzen zu denken.Dagegen berichtete ich von meinem vergeblichen

Flug zum Kunstplaneten Wanderer, wo mir von demBiorobot Homunk über Funk erklärt worden war, ESsei nicht zu sprechen.

Mercant schaute mir lange in die Augen, bis ersagte: »Sir, wir hatten einen ähnlichen Schritterwartet. Vielen Dank, aber ich hätte Ihnen gleichsagen können, wie nutzlos ein solches Vorhaben ist.Unsere Logikauswertung besagt, daß ES nicht daraninteressiert sein kann, Rhodan zu helfen. DerZellaktivator, den er sich unter geheimnisvollenUmständen verschaffte, scheint eine Art Bestrafungzu sein. Welches Vergehen ihm angelastet wird,entzieht sich unserer Kenntnis.«

Ich wurde aufmerksam. Mercant hatte in einemeigentümlichen Tonfall gesprochen. Als ich ihnforschend musterte, wendete er sich ab. WelcheÜberlegungen stellte dieser kluge Mann an? Wasvermutete er? Wenn er aber einen bestimmtenVerdacht hegt, warum sprach er ihn dann nicht aus?

»Hören Sie auf zu unken, Mercant«, sagte Bullybarsch. »Weshalb sollte das Fiktivwesen Wert darauflegen, die wahrscheinlich interessanteste Gestalt inseinem Galaktischen Rätselspiel zu bestrafen? Washeißt überhaupt bestrafen! Wir haben wochenlangüberlegt. Die klügsten Köpfe der Menschheit habenRecherchen angestellt, und die modernstenRechenmaschinen sind eingeschaltet worden. DieSache kann nur ein technisches Versagen sein. Oder«- er drehte sich abrupt um und kam auf mich zu-»oder haben Sie an Ihrem eigenen Gerät jemalseinen ähnlichen Fehler festgestellt, Atlan?«

Es tat mir gut, wieder einmal mit meinem Namenangesprochen zu werden. Es klang besser als EuerErhabenheit. Es war erstaunlich, wie wohl ich michim Kreise dieser Männer fühlte. Sie warenPersönlichkeiten, jede für sich interessant undfaszinierend. Ich gehörte zu ihnen, ich fühlte es.

Ich betastete meine Brust. Unter dem dünnenMaterial der Uniform zeichnete sich eine Wölbungab. Es war mein eiförmiges Aktivierungsgerät, dasseit zehntausend Jahren irdischer Zeitrechnungniemals versagt hatte. »Nein, Bull.«

»Na also. Es ist und bleibt ein Unfall!« Er schlugmit der geballten Rechten in die linke Handfläche,zog den Kopf zwischen die Schultern ein undmarschierte in dieser trotzigen Haltung quer durchdie Kajüte.

»Denke an deine strapazierten Nerven«, warnteProfessor Manoli.

Bull winkte heftig ab. Seine rostroten Haarborstenstanden wirr von dem kantigen Schädel ab. Nie hatteich ihn so erregt gesehen.

Er kam wieder auf mich zu, legte mir beide Händeauf die Schultern und begann daran zu rütteln. Ich

blieb steif aufgerichtet stehen.»Atlan, ich habe um diese Unterredung gebeten,

weil wir Ihre Hilfe brauchen. Verstehen Sie? Wirbrauchen Ihre Hilfe!«

Etwas begann sich in mir zu regen, was ich nichterklären konnte. Die Menschen brauchten mich! Eswar ein wundersames Gefühl. »Sprechen Sie, Bully.«Er lachte auf, aber es klang mehr wie ein Weinen.

»Ich verschweige nichts mehr, Atlan. Perry ist zueinem Tyrannen geworden. Verschiedene Mitgliederder Solaren Regierung wurden unter fadenscheinigenBegründungen verhaftet. Er wendet dieNotstandsgesetzgebung sehr geschickt an. Offiziereund Mannschaften werden grundlos bestraft,nichtmenschliche Intelligenzen beleidigt undherausgefordert. Wir stehen vor einem Abgrund. DieFolge davon ist, daß es im Offizierskorps der Flottezu gären begonnen hat. Sogar einige Mutanten,unsere wichtigsten Leute, beginnen mißmutig zuwerden. Es zeichnet sich eine Revolte ab. Wenn dasSolare Imperium überhaupt noch zu retten ist, so nurdann, wenn Perry Rhodan sofort in Schutzhaftgenommen wird. Solarmarschall Freyt, Deringhouseund andere wichtige Männer lassen Ihnen durch michihre besten Empfehlungen ausrichten. Mercant,Marshall und Manoli sind persönlich hier. Atlan,alter Freund der Menschen - Sie müssen uns helfen!«

Bully stand vor einer Nervenkrise. Manoli winktemir warnend zu, und der Telepath hielt die Augenhalb geschlossen. Anscheinend sondierte er BullsBewußtseinsinhalt.

Ich war erschüttert. Hilfesuchend, über einenAusweg nachdenkend, sah ich zu Mercant hinüber.Er war der ruhende Pol im Kreise der Terraner.

Ein Plan konnte nur zusammen mit Mercant undMarshall geschmiedet werden. Sie hatten denGeheimdienst und das mächtige Mutantenkorpshinter sich.

»Wie stellen Sie sich eine Schutzhaft vor? Esdürfte Millionen Soldaten geben, die Rhodanblindlings ergeben sind. Seine menschliche Größe istvon diesen Männern nicht vergessen worden.Wahrscheinlich werden sie auch niemals genauerfassen, wie sehr sich der Administrator veränderthat. Oder haben Sie seinen Zustand allgemeinbekanntgegeben?«

»Wir haben uns gehütet«, sagte Mercant trocken.»Sir, uns geht es darum, Perry in Sicherheit zuwissen. Die galaktischen Mediziner und unsereSpezialisten arbeiten Tag und Nacht, um ein Mittelgegen die explosive Zellspaltung zu finden. Rhodanselbst ist der Meinung, nur bei Antis Hilfebekommen zu können. Er weiß, daß zwanzigZellaktivatoren mit individueller Automatschaltungin ihre Hände gefallen sind. Die Tatsache, daßmehrere Antis ein böses Ende durch Fehlleistungen

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eben dieser Geräte genommen haben, scheint er zuübersehen. Ihm geht es mir noch darum, den PlanetenTrakarat zu entdecken. Es ist sinnlos, ihm beweisenzu wollen, daß er auch dort keine Hilfe erwartenkann. Ich bin von der Ohnmacht der Baalolsüberzeugt. Sie wissen ebenfalls nicht, weshalb dieangeblich lebenserhaltenden Aktivatoren solcheverhängnisvolle Nebenwirkungen zeigen.«

Ich spielte meinen Trumpf aus, obwohl ich dieResultate der Berechnungen noch nicht besaß. DerRegent mußte sich aber in Kürze melden.

»Wahrscheinlich kann ich Ihnen in wenigenMinuten sagen, wo die rote Doppelsonne Aptut zufinden ist.«

Mercant fuhr zusammen. Bull sprang auf, undMarshall öffnete erstaunt die Augen. Ich erhobabwehrend die Hand.

»Gedulden Sie sich. Ich erwarte einHyperfunkgespräch. Wir sollten kein Mittel scheuen,mit dem Perry unter Umständen Hilfe gebrachtwerden kann. Eine Schutzhaft halte ich für verkehrt.Lassen Sie ihn gewähren, doch beobachten Sie jedenseiner Schritte. Zu einer Amtsenthebung ist immernoch Zeit. Sie können nicht eine Revolution in Kaufnehmen, nur weil einige führende Offiziere unruhiggeworden sind. Sie leben nicht mehr im Mittelalterder Erde.«

Bull setzte sich wieder hin. Mercant lehnte mitdem Rücken an der Einfassung eines Bildschirmes.

Nach einer Weile erkundigte sich Marshall mit derihm eigenen Ruhe:

»Weshalb meinen Sie, Sir, den Planeten Trakaratgefunden zu haben?«

Ich atmete innerlich auf. Mit der Frage wurde dasGespräch sachlicher. Es war auch höchste Zeitgeworden, den Überschwang der Gefühle zudämpfen.

Die vier Männer waren keine Usurpatoren ganz imGegenteil! Zuverlässigere Freunde hätte Rhodannicht finden können. Wenn sie schon mit demGedanken spielten, ihn in Schutzhaft nehmen zulassen, so mußte es um die Erde schlimm bestelltsein.

Mercant blickte mich herausfordernd an.»Weshalb, Sir?«»Ein terranisches Einsatzkommando konnte zwei

Springer verhaften. Sie waren hier in demAnti-Stützpunkt beschäftigt. Der GötzenpriesterKutlos verriet nichts mehr über die galaktischePosition des Planeten Trakarat, wohl aber sagten diebeiden Springer aus, sie hätten die Antis darübersprechen hören. So erhielten die terranischenSpezialisten einige Informationen. Trakarat soll eineselten schöne Welt mit zwei Ringen aus kosmischerMikromaterie sein. Dazu umläuft der Himmelskörpereine ebenso seltene, rote Doppelsonne, die insgesamt

sechzehn Planeten besitzt. Diese Daten haben Sie mirvor etwa fünfzig Tagen Terrazeit übermittelt. Ichversprach Ihnen, die Angaben nachzuprüfen.«

Mercant konnte sich genau erinnern. Jetzt erkannteich, daß er nicht nur deshalb gekommen war, um mitmir die Verhaftung Perry Rhodans zu besprechen. Esging noch um andere Dinge.

Ich lachte ärgerlich auf. Es hatte lange gedauert,bis ich den klugen Mann durchschaut hatte. Er, derHalbmutant mit geringen telepathischen Fähigkeiten,machte sogar den Versuch, meinen Monoschirm zudurchbrochen.

»Lassen Sie das, Mercant!« fuhr ich ihn erbost an.»Sie können es sich wohl nie abgewöhnen, anderenLeuten zu mißtrauen.«

»Es kommt nicht wieder vor. Bitte, was haben Sieermitteln können? Haben Sie den Namen desPlaneten in Ihren positronischen Speicherngefunden?«

»Nein, er ist sowohl den Regenten als auch denAkonen unbekannt.«

Bull stieß eine Verwünschung aus, um sich sofortdarauf zu entschuldigen.

Ich schritt an ihm vorüber zur Bildschirmgalerieund klopfte ihm dabei auf die Schulter.

»Schon gut, alter Freund, machen Sie IhremHerzen nur Luft. Als der Regent keine Anhaltspunktein seinem Gedächtnisspeicher finden konnte, wandteich mich an die Akonen. Sie wissen, daß RhodansAngriff zu einer Beseitigung des blauenEnergieschirms führte. Nachdem ich die Lieferungvon tausend Raumschiffen zugesagt hatte, erklärteman sich bereit, die akonischen Archive zu öffnen. Indiesen Aufzeichnungen waren sogar die Namen jenerMänner und Frauen festgehalten worden, die voretwa zwanzigtausend Jahren das heutigeArkonidenimperium gegründet hatten. Ich ging beiden Nachforschungen von der Annahme aus, dieAntis brauchten nicht unbedingt Nachkommenarkonidischer Auswanderer zu sein, sondern solche,die direkt von der gemeinsamen Heimatweltgekommen sein könnten. Diese Vermutung erwiessich als richtig.« Mercant atmete tief ein. »MeinKompliment! Daran hat niemand außer Ihnengedacht.«

Ich verneigte mich spöttisch. Es war erstaunlich,daß er es nicht getan hatte.

»Bei der exakten Geschichtsschreibung derAkonen konnte es möglich sein, den PlanetennamenTrakarat zu finden. Es gelang nicht, wohl aber stießman auf Daten über eine seltene rote Doppelsonne.Beide Sterne sind von fast gleicher Masse. Eineungewöhnliche Erscheinung, wie Sie zugebenwerden. Außerdem besitzt der Doppelstern sechzehnPlaneten! Das genügte mir. Ich habe die akonischenUnterlagen dem Robotregenten zur Berechnung

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eingereicht. Das Ergebnis muß - wie erwähnt - inwenigen Minuten einlaufen.«

Keiner sprach ein Wort. Nur Bulls schwereAtemzüge waren zu hören. Mercant ließ wieder seineFingergelenke knacken. Es war eine Angewohnheit,die ich früher nicht bemerkt hatte. Also war auchdieser Mann nervös.

»Wieso kommt es, daß man den Namen der rotenSonne kennt, nicht aber den des Planeten?«

»Dafür kann es viele Gründe geben«, sagte ich.»Im Verlauf der Jahrtausende wird man dieursprüngliche Bezeichnung geändert haben. Zujenem Zeitpunkt dürfte bereits keine Verbindungmehr zu den Akonen bestanden haben. Dagegenwissen wir aber nun, daß die Antis keineNachkommen meines Volkes sind. Sie stammendirekt von dem akonischen Urvolk ab. Ich bin davonüberzeugt, daß die Ballons ihre eigenartigenFähigkeiten erst viele tausend Jahre nach derAuswanderung erlangt haben. Von da an begann ihreAusbreitung über die Welten der bekanntenMilchstraße. Wir haben erfahren, wie gefährlichdiese Intelligenzen sind. Ihre paraphysischenAntifähigkeiten heben die Kräfte der terranischenMutanten auf, Mercant. Stellen Sie es sich nicht zueinfach vor, Trakarat anzugreifen.«

»Wir haben einige Spezialwaffen entwickelt, Sir«,sagte er gleichmütig. Ich horchte auf, und da lächelteer wieder.

»Ich werde mir erlauben, Ihnen einen Kombiladerzu überlassen. Die Waffe wurde erstmals vor einigenWochen eingesetzt. Wir haben nicht geschlafen, Sir!«

Das glaubte ich ihm bedingungslos. Die Terranerhatten noch niemals geschlafen, seitdem sie denersten Schritt in den Raum getan hatten. Sie warenein bewundernswertes Volk, und ich wußte, daß ichmehr mit den Menschen als mit den Arkonidensympathisierte.

Ungeduldig werdend, sah ich auf die Uhr. MeineZeit war knapp bemessen. Auf Arkon l, derKristallwelt des Reiches, wartete eine akonischeAbordnung. Mein Ausflug zum Planeten Saos hattebereits das Protokoll umgeworfen.

Bull folgte meinem Blick. Draußen begann eineMaschine zu summen. Die Zentrale des Kreuzers lagneben der Kommandantenkajüte. Auf einemBildschirm der Außenbordbeobachtung war meinRobotschiff zu sehen. Die höhersteigende Sonneüberschüttete die Trümmerberge mit gleißendemLicht. Die letzten Schatten verschwanden. DieKonturen der nur halb eingestürzten Tempelpyramidehoben sich scharf gegen die kahlen Bergwände ab.

Ich deutete auf den Bildschirm. »Sie haben ganzeArbeit geleistet. Wozu aber? Haben Sie etwa Hilfefür Rhodan finden können?«

»Vielleicht«, meinte Marshall. »Immerhin haben

wir einige Informationen über Trakarat erhalten.«»Schön, zugegeben. Wenn wir die galaktische

Position dieser Welt ermitteln können - wasversprechen Sie sich von einem Angriff?«

»Zwischen dem Solaren Imperium und dem Volkder Antis sind die diplomatischen Beziehungenabgebrochen worden, Sir. Das von uns gestellteUltimatum läuft in fünf Stunden ab.«

»Also Krieg?«»Jawohl, Sir. Ein scheußlicher Krieg, möchte ich

sagen. Diese Intelligenzen haben es bisherverstanden, ihre wirklichen Ziele zu verschleiern. DerBaalol-Kult ist eine getarnte Untergrundorganisation,deren Ziel es ist, politischen Einfluß auf allebekannten Völker der Galaxis zu gewinnen. Das istden Antis bereits auf vielen Welten gelungen. Es istan der Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen.«

»Damit ist noch immer nicht geklärt, was Sie sichvon der Entdeckung der Anti-Hauptwelt erhoffen.Vermuten Sie wirklich, man hätte dortMöglichkeiten, Rhodans explosive Zellspaltung zuheilen?«

»Er ist fest davon überzeugt, Sir«, erklärteMercant. »Versuchen wir es.«

Ich sah ihn zweifelnd an. Dieser Mann war zuklug, um einen Schlag ins Leere auch nur ernsthaft zuerwägen.

»Wir glauben an eine Verständigung mit denAntis«, sagte Bull rasch. »Atlan, Sie wissen doch,über welche Möglichkeiten diese Lebewesenverfügen. Unseren Telepathen gelingt es nicht, inRhodans Bewußtseinsinhalt vorzudringen. Vielleichtkönnen es die Antis. Einige Mediziner behaupten, dieunheilvolle Tätigkeit des Zellaktivators sei auf einenpsychischen Kurzschluß zurückzuführen, der einenicht meßbare Verschiebung von PerrysIndividualfrequenzen bewirkt haben könne. Siesollten wissen, wie gefährlich schon kleineUngenauigkeiten sind. Sie tragen selbst einenAktivator.«

Logisch, gab mein Extrahirn durch. Ich nicktesinnend.

»Das ist eine vernünftige Überlegung. Bully. Siemeinen, Rhodans Hirnfrequenzen könnten sich beidem paramechanischen Verhör verändert haben?«

»Jawohl, Sir«, bestätigte der Telepath. »Der Chefgeriet in die Gefangenschaft seines Sohnes. Wirhaben erfahren, in welcher Form Perry vernommenworden ist. Nach seiner Befreiung besorgte er sichden Aktivator, aber er schien nicht geahnt zu haben,daß er einen psychischen Schaden davongetragenhatte. Das ist die einzige Erklärung, die wir bishergefunden haben. Sie kann nicht widerlegt werden.Helfen Sie uns, Trakarat zu entdecken. Die Antiswerden uns sagen können, welche Geräte bei demVerhör angewendet wurden. Perry scheint

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mittlerweile auch erkannt haben, was mit ihmgeschah. Wir verstehen deshalb, warum er Trakaratfinden und - wenn es sein muß! - angreifen will.Grundsätzlich betrachtet, Sir, ist ein führenderStaatsmann durch ungesetzliche Gewaltanwendunggeschädigt worden. Da diese Schädigung nunmehrzum Untergang des Solaren Imperiums zu führendroht, wird Marschall Freyt die Kriegserklärungaussprechen. Wir sind zu Verhandlungen bereit,jedoch wünschen wir den vollen Einsatz derBaalol-Wissenschaftler. Rhodan ist die Erde,verstehen Sie bitte!«

Ja, ich hatte endgültig verstanden. Wenn Rhodanstarb, war die Existenz des Solaren Imperiums inFrage gestellt, für die Menschen Grund genug,ernsthafte Schritte einzuleiten.

Sekunden später rief die Zentrale meinesRobotkreuzers an. Der Funkraum der ATLANTISschaltete um in die Kajüte. Der Regent hatte sichgemeldet.

Ich ordnete eine direkte Übertragung an. Auf demSchirm erschien das Liniensymbol des Regenten.

Die Übertragung war kurz. Dem größtenRobotgehirn der Galaxis war es gleichgültig, fürwelche Zwecke eine bestimmte Auskunft benötigtwurde. Es erfüllte seine Aufgabe nach denRichtlinien der vorangegangenen Befehlserteilung.

»Regent spricht«, klang es aus den Lautsprechern.»Betrifft Programmierung IP-60-157, Umrechnungakonischer Daten auf Kosmonautikfaktor Terra undGroßes Imperium.

Auswertung: Die Doppelsonne Aptut, sechzehnPlaneten, ist 38439 Lichtjahre von Terra entfernt.Sprungkoordinaten werden als Aufzeichnunggesendet. Galaktische Position konnte mithundertprozentiger Sicherheit ermittelt werden. DerDoppelstern Nadelkissensektor, vierzehntergalaktischer Zentrumsarm, arkonidischeKatalogbezeichnung. Auf Grund der eingereichtenUnterlagen kann mit neunundneunzigprozentigerSicherheit angenommen werden, daß der PlanetTrakarat die sechste Welt des Aptut-Systems ist,Ende.«

Ich bestätigte den einwandfreien Empfang derGrobinformation mit einem Kodeimpuls aus meinemKommandogerät. Erst dann gab der Regent die Datendurch. Mit einem Hinweis auf den Nadelkissensektorund den vierzehnten galaktischen Zentrumsarm wäreuns nur wenig gedient gewesen. Wir hättenschätzungsweise dreihunderttausend Sonnenabzusuchen gehabt.

Wir warteten, bis das Robotschiff dieverschlüsselten Werte dechiffriert und sie im Klartextan die Bildaufzeichner des terranischen Kreuzersweitergeleitet hatte.

Es dauerte über eine Stunde, bis wir die

Plastikfolien mit den Koordinatengruppen in denHänden hielten.

Mercant schien innerlich zu fiebern. Reginald Bull,der einzige Kosmonaut unter den hohen Offizieren,forderte bereits die entsprechenden Mikrobänder ausdem Katalogspeicher an. Ich ahnte, daß er jetzt nichtmehr zu sprechen war.

Der Offizier der Wache half mir in meinenRaumanzug. Es gab nicht mehr viel zu sagen. Ichmußte zurück.

Als ich mich verabschiedete, bat Professor Manolimit erregter Stimme:

»Sir, bitte wahren Sie über diese Zusammenkunftstrengstes Stillschweigen. Perry weiß nichts davon.Er würde unsere Besprechung bei seinem derzeitigenGemütszustand als verräterische Kontaktaufnahmemit dem Feind auslegen.«

Mehr sagte der Mediziner nicht, aber ich erkanntesofort, wie tyrannisch Rhodan geworden war.

Minuten später schwebte ich aus der Polschleuseauf den Boden hinab. Marshall und drei Männer derKreuzerbesatzung begleiteten mich zu meinemSchiff.

Als ich in meiner Kajüte angekommen war,schaltete ich die Außenbeobachtung ein. JohnMarshall, der hochgewachsene Terraner mit demsympathischen Lächeln, winkte noch einmal. Erschien zu ahnen, daß ich nun mit brennenden Augenauf die Bildschirme sah.

Dann waren die vier Männer verschwunden. Ichwar wieder allein mit all meinen Sorgen und Nöten.

»Du bist ein armer Hund, Imperator!« hatteRhodan bei unserer letzten Zusammenkunft gesagt.Seitdem hatte ich ihn nicht mehr getroffen.Außerdem war mir, als hätte er nach seinenErlebnissen mit Thomas Cardif bewußt daraufverzichtet, mir gegenüberzutreten. UnsereTelekomgespräche waren unwesentlich, in letzterZeit sogar unfreundlich gewesen.

Daran mußte ich denken, als ich nun alleSelbstbeherrschung aufbieten mußte, um nicht inTrübsinn zu verfallen. Ja ich war ein mächtigerMann, aber ich war auch ein einsamer Mann. MeineFreunde würden in wenigen Minuten starten.

Zu Hause wartete die Abordnung der Akonen.Politische Wirrnisse zeichneten sich ab. Ich konntenur noch darauf hoffen, daß es den Terranern gelang,Rhodans Zustand wieder zu normalisieren. Für michwar es unvorstellbar, die Erde angreifen zu müssen.Niemand schießt gerne auf etwas, das ihm ans Herzgewachsen ist und woran er sich in stillen Stundenklammern kann. Und - ich hatte viele stille Stunden,in denen mich die Erinnerungen überfielen. Siewaren das einzig Schöne, was mir noch gebliebenwar.

Es dauerte lange, bis ich meine deprimierte

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Stimmung überwunden hatte. Schließlich betrat ichdie Zentrale des Kreuzers. Es war niemand außer mirda, denn Roboter waren für mich nicht »jemand« !

Bei der ersten Anrede mit dem Titel desImperators krampfte sich etwas in mir zusammen.Warum konnten sie nicht einfach »Atlan« odermeinetwegen auch »Sir« sagen? Das war bei denMenschen so selbstverständlich.

Ich brüllte die Maschinen an, aber sie zeigten nurihr stereotypisches Lächeln.

»Euer Erhabenheit bedürfen der Ruhe«, sagte einplastikverkleideter Medorobot, der speziell zurÜberwachung meiner Gesundheit konstruiert wordenwar.

Ich beschimpfte ihn mit terranischen Worten, dieich zur Zeit des Staufenkaisers Barbarossa zumersten Male gehört hatte. Mein fotografischesGedächtnis hatte mich die Worte nicht vergessenlassen.

Ich war mit dem Rotbart über die Alpen gezogenund hatte versucht, ihm seine Italienpolitikauszureden. Nach der Schlacht bei Tusculum hatteich ihm aus meinen geringen Vorräten arkonidischeAntibiotika gespritzt, doch der verheerenden Seuchehatte ich nicht Einhalt bieten können. Im Jahre 1177war es in Venedig zum Verständigungsfrieden mitAlexander II. gekommen. Damals hatte ich gedacht,mit Hilfe der beiden bedeutenden Männer einWeltreich gründen zu können, aber dazu waren dieMenschen noch nicht reif gewesen.

Jemand stieß mich an. Ich erwachte aus meinerVersunkenheit. Mein Extrahirn hätte mich beinaheübermannt. Es währte Sekunden, bis ich erkannte, woich mich befand. Die Zentrale eines arkonidischenRobotschiffes paßte schlecht zum Kaiser mit demroten Bart.

Der kommandierende Robot wich um einen Schrittzurück, als ich zornig auf ihn zutrat.

»Hyperkomsendung, Dringlichkeitsstufe eins, EuerErhabenheit«, sagte die Maschine.

Da erst vernahm ich das Schrillen der Rufanlage.Meine Erregung ebbte ab. Ich eilte zur Funkabteilunghinüber und schaltete auf Empfang. Der Regentmeldete sich sofort.

»Seine Administrative Exzellenz, Perry Rhodan,wünscht Euer Erhabenheit dringend zu sprechen.Welche Auskünfte soll ich erteilen?«

Das war eine kurze Frage, aber sie warinhaltsvoller, als es das Gehirn erfassen konnte.

Ich überlegte schnell. Dabei wuchs die Spannungin mir. Was wollte der Terraner? Bisher hatte er esvermieden, um meinen Rat zu bitten. Eigentlich wares nur Bulls Entschlußkraft zu verdanken gewesen,daß ich Perry überhaupt einmal an den Hyperkombekommen hatte.

»Achtung, Imperator an Regent: Bitte den

Administrator um Geduld. Richte aus, ich befändemich mit einem Robotkreuzer auf einemÜberwachungsflug. Ich melde mich wieder.«

»Verstanden, Euer Erhabenheit. Ich bleibe aufEmpfang.«

Das Liniensystem wechselte. Ein rotes Dreieckerschien. Auf die Maschine konnte ich michverlassen.

Ich rief Allan D. Mercant auf Normalwelle an. Erschien erstaunt zu sein. Die ATLANTIS warflugbereit.

»Fragen Sie nicht lange, Mercant. Rhodan möchtemich sprechen. Verschieben Sie Ihren Start undhören Sie mit, was er mir zu sagen hat.«

»Was - Perry?« schrie jemand, den ich nicht sehenkonnte, bis Bulls Gesicht auf meinem Bildschirmerkennbar wurde.

»Er hat angerufen?« fragte er hastig. »Nicht zufassen! Was ist los?«

»Das weiß ich noch nicht. Der Regent kann michangeblich nicht sofort erreichen. Rhodan wartet. Erbenutzt anscheinend die Terrania-Station. Bleiben Sieauf Empfang. Ich übermittle Ihnen dasHypergespräch mittels Normalwelle.«

»Er darf nicht erfahren, daß wir hier sind.«Ich nickte und trat von der Aufnahme zurück. Das

Zentralgehirn schaltete um. Die Besatzung derATLANTIS konnte mithören.

Ich erteilte dem Robotgehirn die Anweisung, dievon der Erde kommende Sendung aufzunehmen, siezu entzerren und nach nochmaliger Verstärkung anmeinen Kreuzer abzustrahlen. Eine bessereRelaisstation konnte es nicht geben. Der Robotarbeitete trotz der relativ geringen Entfernung zumArkonsystem mit zehn Millionen Kilowatt effektiverSendeleistung.

»Spruch ist nicht verschlüsselt«, erklärte derRegent, ehe er umschaltete.

Das war keine Mitteilung, die mich hätteberuhigen können. Perry Rhodan, den ich alsvorsichtig und weitblickend kannte, hatte noch nieohne Zerhackerschaltung und zusätzlichenRafferkode gearbeitet, auch dann nicht, wenn es sichum eine nichtssagende Nachricht gehandelt hatte.

Nun stand - wie ich glaubte - mehr auf dem Spiel,als ein freundschaftlicher Gruß übervierunddreißigtausend Lichtjahre hinweg.

Ich versuchte, mich zu sammeln und setzte mich inden Sessel vor den Hauptkontrollen.

Die Umrisse einer menschlichen Gestalt wurdenauf dem Bildschirm erkennbar. Ich wartete, bis derRegent die Klar- und Scharfzeichnung durchgeführthatte. Von da an erblickte ich einen Teil derterranischen Großfunkstation so deutlich, als hätteich in dem Raum gestanden.

Den Uniformierten kannte ich nicht. Er bat mich,

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einen »kleinen Moment« zu warten, da derAdministrator noch etwas zu tun hätte.

»Bitte sehr, Herr Major«, sagte ich. Ich drehte denKopf und beobachtete einen anderen Bildschirm.Darauf waren die Gesichter von Mercant und Bullyzu sehen. Sie nickten mir wortlos zu. Anscheinendkonnten sie einwandfrei mithören.

Die Sendung kostet Hunderttausende, gab meinLogiksektor durch.

Ich wurde ärgerlich. Es war klar, daß dererforderliche Energieaufwand nicht billig war.

Wenige Minuten später vernahm ich eigenartigeGeräusche. Es klang wie das Röcheln einesangeschossenen Tieres, oder - ja, das war es - wie dasSchnaufen übersättigter Ungeheuer, die ich aufmanchen Urwelten gejagt hatte.

Meine Augen begannen zu tränen, ein Zeichenhoher Erregung. Ich ahnte, daß ich nun mit keinerGeste zeigen durfte, wie erschüttert ich war. Ichzwang mir ein Lächeln ab, überprüfte es in einerspiegelnden Bildscheibe der Kommandoelementeund nahm mir dabei vor, dieses Lächeln nichtaufzugeben, egal, was kommen mochte.

Eine unförmige Gestalt tauchte imErfassungsbereich der Weitwinkeloptik auf. Nunschloß ich die Augen, um sie gleich daraufaufzureißen.

Ich erblickte ein Monstrum, eine kaum nochmenschlich zu nennende Gestalt von unglaublicherGröße. Ein aufgedunsenes Gesicht wurde erkennbar.An diesem Lebewesen war nichts mehr normal, bisauf die Augen.

Sie hatten sich nicht aufgebläht, sie waren auchnicht schwammig geworden wie das Gewebe desKörpers.

Es waren aber schreckliche Augen, nicht mehrjene, die ich kannte und die ich geliebt hatte. Siehatten ihr Graugrün und ihr ironisches Funkelnverloren. Jetzt waren sie gelblich und sie hatten denBlick eines Wolfes - hell, schnell umherhuschendund ohne eine Spur von Gefühl.

Der Mann mit diesen Augen hieß Perry Rhodan.Die Aufnahmemikrophone der terranischen Stationschienen hochempfindlich zu sein. Ich hörte dasPlumpsen des in den Sessel fallenden Körpers.Mächtige Hände, ebenfalls verformt und poröswirkend, wurden sichtbar.

Das also war mein Freund! Das war der Mann,dessen trockenen Humor ich genauso schätzengelernt hatte wie seine kämpferische Härte. Jetzterblickte ich in ihm nur noch ein der Auflösungzutreibendes Ungeheuer.

»Hallo«, klang es aus meinen Lautsprechern.»Atlan? Du bist es? Keine Imitation?«

»Keine, kleiner Barbar«, entgegnete ich zögernd.Sein Gesicht verzerrte sich, und dann schrie er

grundlos einige Schimpfworte.»... verbitte mir diese unverschämte Anrede. Hier

sollte klargestellt werden, wer der Mächtigere ist,Roboterfürst. Oder hast du sonst etwas aufzuweisen?Entblöße deine Brust! Hast du nicht gehört? Du sollstmir deinen Zellaktivator zeigen.«

Bei den letzten Worten gebärdete er sich wie einTobsüchtiger. Die Hände hatte er geballt. Bald sahich nur noch diese Fäuste, da er sie anscheinend inseiner sinnlosen Wut gegen die Außenaufnahmeoptikschlug.

Ich saß wie erstarrt. So hatte ich mir Rhodansgeistigen Verfall nun doch nicht vorgestellt, obwohlManoli gesagt hatte, ich müßte mich auf allerleivorbereiten.

Ich versuchte mir einzureden, eineRücksichtnahme sei unangebracht. Dieser Mannkonnte nur noch mit harten Worten und massivenDrohungen gebändigt werden.

Dann aber erkannte ich, wie falsch ein solchesVorgehen gewesen wäre. Sollte er mich beleidigen,sollte er rasen. Noch zeichnete sich eine Möglichkeitab, ihm Hilfe bringen zu können.

Ich zog den Magnetverschluß meiner Uniform aufund zerriß die Wäsche. Nun mußte er den auf meinernackten Brust hängenden Zellaktivator sehen können.

Er verstummte auch sofort. Die Fäusteverschwanden. Das entstellte Gesicht erschienwieder.

Wie gebannt fixierte er mein Gerät. Dieaufgeworfenen Lippen zuckten.

»Das ... das ist wirklich dein Aktivator?«»Ja, Freund, er ist es.«»Wieso arbeitet er bei dir einwandfrei? Warum

quillst du nicht auf?«Ich konnte nicht länger lächeln. Rhodan, eben

noch wie ein Wahnsinniger wirkend, legteschluchzend den Kopf auf die Arme. Für mich war esqualvoll, ihn in diesem Zustand erleben zu müssen.Ich entschloß mich daher, auf jedes Wortgeplänkel zuverzichten.

Vor wenigen Augenblicken noch hatte ich ihm inscharfer Form erklären wollen, er sei nicht derGrößte im Universum. Statt dessen begann ich nunschnell zu sprechen, um ihn nicht noch mehr zureizen.

»Du suchst den Planeten Trakarat, Freund? Ruhig,ich habe ihn gefunden.«

Nie in meinem Leben hatte ich einen solchenSchrei gehört, nie ein so verzweifeltes Hoffen in denAugen eines anderen Menschen bemerkt. Und - ichhatte viele leiden und sterben sehen!

Er hatte sich aufgerichtet. Den Mund weitgeöffnet, die unförmigen Hände vor dem Kinnverschlungen - so schien er in sein Hyperkomgeräthineinkriechen zu wollen.

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»Wo ... wo ist er zu finden?«»Der Regent wird die Daten sofort nach unserem

Gespräch durchgeben. Ich bin unterwegs, um dieAngaben der Akonen zu überprüfen. Nein, jetzt fassedich und höre mir zu! Das war kein Verrat, denn nurdie Akonen konnten wissen, wo die DoppelsonneAptut zu suchen ist.«

»Nebensächlich« schrie er. »Stimmen dieKoordinaten? Mir ist es gleichgültig, woher du siehast. Stimmen sie? Kerl - du sollst antworten!«

Jetzt raste er wieder, und ich wurde noch ruhiger.»Sie sind richtig. Der Regent wertet die

akonischen Unterlagen in zweifacher Richtung aus.Einmal für terranische Belange und zum anderen fürdie meinen.«

»Wie lange wird es dauern? Ich verlange aufGrund unseres Bündnisses, daß du mir mit allenverfügbaren Einheiten deiner Flotte beistehst. Wannkommen die Daten an? Ich starte sofort.«

»Du wartest meine Nachricht ab, oder du wirstallein angreifen!« entgegnete ich schärfer alsbeabsichtigt.

Er begann nicht erneut zu toben, aber dentückischen Blick würde ich nie vergessen können.Schließlich lächelte er sogar, und da schloß ich dieAugen. »Ich bin nicht sehr schön, wie?«

»Das ist augenblicklich uninteressant. Ichbenötigte etwa vierundzwanzig Stunden, um diearkonidische Flotte auf den Weg zu bringen.Schneller geht es mit dem besten Willen nicht. Bisdahin wirst du die Koordinaten über einen Treffpunkterhalten haben. Welchen Raumer wählst du alsFlaggschiff?«

»Die IRONDUKE. Ich verlange, daß du an Bordkommst. Ich möchte dich unter Kontrolle haben.«

Er lachte bösartig. Im Innersten aufgewühlt,schaltete ich ab, nachdem ich noch einige Malebeteuert hatte, die Daten seien tatsächlich genau.

Abschließend hatte er unverhohlen gedroht, mein»armseliges Staatsgebilde mitsamt seinem morbidenRobotfürsten« gnadenlos zu vernichten, falls ichBetrug im Sinne hätte.

Aufstöhnend verbarg ich mein Gesicht in denHänden. Der Medorobot war auch schon wieder da.Ich verscheuchte ihn mit einer herrischenHandbewegung. Dann sah ich zu dem anderenBildschirm hinüber.

»Ich bitte für ihn um Entschuldigung, Sir«, sagteMercant bedrückt. »Wahrscheinlich ahnen Sie jetzterst, was auf Terra geschieht. Sie sind noch sehrglimpflich behandelt worden.«

Ich winkte ab und schloß meine Uniform.»Vergessen Sie es, Mercant.«»Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?«Ich nickte nur. Mir fehlten in diesen Augenblicken

die Worte. Wie konnte sich ein Mensch derart

verändern?»Nachdem Sie Rhodan über Trakarat informiert

haben, ist es uns nicht mehr möglich, die Daten zuüberbringen. Er würde sofort mißtrauisch werden.Wir fliegen zurück und warten auf den offiziellenEingang der Unterlagen. Sind Sie einverstanden ?«

Ich nickte wieder. Bully schaltete sich ein.»Atlan, wollen Sie wirklich an Bord der

IRONDUKE kommen? Er wird Sie beleidigen.«»Und wenn schon. Niemand soll mir nachsagen

können, ich verließe einen Freund in der Not. Ichbitte nur darum, Offiziere und Mannschaften desSchlachtschiffes aufzuklären.« »Worüber?«

»Nun ja, wie soll man es ausdrücken? Teilen Sieden Männern mit, sie sollten sich nicht in eventuelleStreitigkeiten zwischen Rhodan und mir einmischen.Es wäre ihr Schaden. Ich weiß mir selbst zu helfen.Haben Sie sonst noch etwas zu sagen? Meine Zeitwird knapp.«

»Nein, das war alles. Vielen Dank einstweilen und- vergessen Sie nicht die Berechnungen über denTreffpunkt. Unsere Kriegserklärung an die Antiswird durch einen offenen, intergalaktischenFunkspruch erfolgen. Der verbrecherischeZehntausendjahresplan dieser Intelligenzenrechtfertigt bereits die Maßnahme.«

Zehn Minuten später vernahm ich das Donnern derterranischen Triebwerke. Die ATLANTIS, benanntnach dem von mir kolonisierten Inselkontinent derErde, durchbrach die Atmosphäre des Planeten Saosund verschwand im Raum.

Ich startete kurz darauf. Meine Bemühungen, nichtan Perry Rhodan zu denken, schlugen fehl. Ich sahimmer wieder sein entstelltes Gesicht vor mirauftauchen. Als die Robotautomatik in die Transitionging und der Auflösungsschmerz meinen Körperpeinigte, fiel mir ein, daß mir Mercant die neuartigeWaffe doch nicht gegeben hatte. Nun - das ließ sichnachholen.

3.

23. Oktober 2103 Terrazeit. Vor zwanzig Stundenwaren die ersten Einheiten der arkonidischenRobotflotte aus dem Hyperraum gekommen. Zur Zeitformierten sich die Geschwader im Treffpunktgebiet»Destination«, dessen Zentrum von einem blauenÜberriesen ohne Planetensystem symbolisiert wurde.

Der Stern stand am Rande des sogenanntenNadelkissensektors. Er war nur 418,253678Lichtjahre von der roten Doppelsonne Aptut entfernt.

Der Anflug ins Operationsgebiet war unterstrengster Geheimhaltung geschehen. Keinarkonidischer Beamter oder Offizier war über meinUnternehmen informiert worden.

Es war schwierig gewesen, den Robotregenten

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entsprechend zu programmieren. Niemand hatte mirhelfen können. So war ich gezwungen gewesen, Tagund Nacht in der Steuerzentrale zu verweilen, umdem Gehirn die entsprechenden Befehle in diepositronischen Speicher tippen zu können.

Infolge dieser Aufgabe hatte sich der Start meinerFlotte verzögert, was wieder erklärende Funksprüchezur Erde erforderlich gemacht hatte. Natürlich hatteRhodan getobt.

Die Solare Flotte war unter seinem Kommando inden Hyperraum gegangen, nachdem der Regent dieTreffpunktkoordinaten durchgegeben hatte. So war esgeschehen, daß meine Kreuzerverbände ersteintrafen, als sich die Terraner bereits formierthatten.

Ich hatte bis zum letzten Augenblick wartenmüssen. Rhodan schien sich nicht vorstellen zukönnen, mit welchen innenpolitischenSchwierigkeiten ich zu kämpfen hatte.

Naturgemäß waren die Massenstarts bemerktworden. Unangenehmen Fragen von argwöhnischenMitgliedern des Großen Rates war ich mit vagenAndeutungen über Flottenmanöver ausgewichen;Admirale hatte ich in barschem Befehlston und unterHinweis auf die Unfähigkeit von Offizieren undMannschaften abgewiesen.

Damit hatte ich mir neue Feinde geschaffen, aberich hatte es nicht wagen können, ein Wort über dasUnternehmen »Destination« verlauten zu lassen.

Die Götzenpriester des Baalol-Kultes hatten ihreSpione überall. Der Robotregent war zuverlässig,nicht aber die späten Nachkommen von jenenArkoniden, die das Riesengehirn erbaut hatten. Fürmich war es bedrückend.

Zwanzig Stunden nach dem Abflug der leichtenVerbände war ich mit den schweren Einheitengestartet. Zuvor hatte ich Reginald Bull in einemstreng geheimen Rafferfunkspruch ersuchen müssen,Rhodans Anrufe zu unterbinden. Er schien in seinerUngeduld nicht einsehen zu wollen, wir verräterischdie Anfragen waren.

Bull hatte es schließlich geschafft, Rhodan vortauben Mikrophonen sprechen zu lassen. So hatte ichungestört meine Vorbereitungen beenden können.

Für einen einzelnen Programmierer war es einProblem, im Zeitraum von knapp fünfzig Stundeneine Flotte von zehntausend Raumschiffen in Marschzu setzen. Mir standen keine Kommandanten zurVerfügung, die ich in einer Planungsbesprechunghätte informieren und einweisen können. Mir dientenviele Millionen Roboter. Sie konnten eigenständigdenken und richtige Entschlüsse fassen,vorausgesetzt, sie waren vorher entsprechendprogrammiert worden. Ohne die Sammel- undVerteilerschaltungen des Regenten wäre esunmöglich gewesen. Das Gehirn versorgte die

Robotbesatzungen von zehntausend Schiffengleichzeitig mit Anweisungen.

Ich hatte die neue TEPARO, einenfünfzehnhundert Meter durchmessendenSuperraumer, als Flottenflaggschiff gewählt. AnBord dieses Riesen war ich das einzige Lebewesen.Als ich eingestiegen war und ein Verband nach demanderen im blauen Himmel über Arkon IIIverschwunden war, hatte ich das Paradoxe meinerLage endgültig erkannt.

Zehntausend moderne, schlagkräftige Schiffe - undein Soldat! Es war purer Wahnsinn, zu hoffen, dieMänner meines ehrwürdigen Volkes könnten sichnoch einmal zu Großtaten im Maßstab ihrerVorfahren aufraffen.

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hatte ich mehrund mehr auf Robotbesatzungen zurückgreifenmüssen. All meine Hoffnungen waren durch dieansteigende Dekadenz der Arkoniden zunichtegemacht worden.

Die Naturgesetze waren unerbittlich. Die Akonen,von denen wir abstammten, waren gesund und aktivgeblieben. Wir, die Nachkommen ehemaligerAkonkolonisten, waren den Auswirkungen derUmweltanpassung unterlegen. Unter denWissenschaftlern raumfahrender Völker war es schonlange bekannt, daß interstellare Auswanderer imVerlauf der Jahrtausende all das verlieren mußten,was ihnen die Heimatwelt an technischem Wissenund moralischer Reife mitgegeben hatte.

Von bitteren Gefühlen bewegt, war ich mitdreitausend Schlachtschiffen undSuperschlachtschiffen in die erste Transitiongegangen.

Trotz der trüben Erfahrungen, die ich mitarkonidischen Hilfsvölkern gemacht hatte, waren dreibemannte Kreuzer dem Verband zugeteilt worden.Die Besatzungen bestanden aus Zalitern. Nach demersten Hypersprung über nur viertausend Lichtjahrehinweg war ich gezwungen gewesen, die dreiKommandanten wieder nach Hause zu schicken.

Sie hatten - wie üblich - fehlerhafte Manövergeflogen und die letzten Dezimalstellen derTransitionsberechnungen als »vernachlässigbar«abgesehen. Als Folge davon waren sie hundertLichtjahre entfernt aus dem übergeordnetenUniversum in den Einsteinraum zurückgekehrt.

Kapitän Felicete hatte mir über Hyperfunkmitgeteilt, ein Triebwerksreaktor sei unklar. Manwürde sich bemühen, dieHauptsynchronisations-Automatik derMediumkühlungs-Thermostaten wieder in Ordnungzu bringen ... Ich hatte zwei Stunden gewartet.Danach waren die Thermostaten ausgewechseltgewesen, aber die Kühler wurden noch immer zuheiß. Auf den Gedanken, die

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Feldkammer-Umlaufpumpen zu überprüfen, war mannicht gekommen. Dafür hatte man die Thermostatennochmals aus- und eingebaut.

Das war ein Beispiel für mangelhafte Ausbildungund geistige Trägheit. Mit solchen Leuten konntekein Angriff geflogen werden. Die drei Kreuzerhatten den Heimflug angetreten, als ich mit denRobotschiffen in die nächste Transition gegangenwar.

Terranische Ingenieure hätten den kleinen Fehlerzweifellos in wenigen Minuten entdeckt.

Vierundzwanzig Stunden nach dem Eintreffenmeiner leichten Verbände war ich schließlich mit denschweren Einheiten im Sammelsektor »Destination«erschienen.

Rhodan hatte achttausend Schiffe aufgeboten;darunter alle starken Raumer, über die er verfügte.

Ich begann um das Imperium zu bangen, als ichdiese Armada sah. Allmählich verstand ich, wasseine neuen Mondwerften leisteten. Die Masse derKriegsschiffe beunruhigte mich nicht. Noch war ichin der Lage, mit einer zwölffachen Übermacht insGefecht zu gehen.

Wenn ich aber an die Männer dachte, die auf denachttausend Einheiten ihren Dienst versahen, verlorich den Mut. Das waren die besten Soldaten derGalaxis, jeder für sich ein Könner, jeder spezialisiert,aber doch so allroundgeschult, daß man ihn notfallsin drei bis vier verschiedenartigen Positioneneinsetzen konnte.

Das waren Männer, die in schwierigen Situationennicht lange auf Befehle warteten. Sie wußten immer,was sie zu tun hatten. Wenn ich Perry Rhodan umnichts beneidete - mit solchen Kämpfern wäre ichauch glücklich gewesen.

Ich hatte den Rematerialisierungsschmerz nochnicht überwunden, als Rhodan schon angerufen hatte.Er hatte mich wegen der Verspätung in grober Formbeschimpft.

Ehe er noch hatte drohen können, war ich ihm insWort gefallen. So ging es nicht weiter.

Über dem Innenschott des Schleusenraumesleuchtete die grüne Kontrollampe auf. Ich wartetenoch einige Augenblicke, bis das Zischen der insVakuum einströmenden Luft verstummt war. Miteinem Knopfdruck öffnete ich die Panzertür.

Der terranische Zerstörer war vom Traktorstrahlder TEPARO eingefangen und in Hangar XXVIIgebracht worden. Rhodan hatte keine Sekundeversäumt.

Da der Zerstörer jetzt schon angekommen war,mußte er sofort nach meinem Eintauchmanöverseinen Schleusenhangar in der IRONDUKEverlassen haben.

Ich war wieder allein. Die Roboter derSchleusenwache hatte ich zurückgeschickt. Mein

Hyperkom-Kommandogerät würde mich von nun anmit den Relaisstationen verbinden.

Auf den breiten Gleitschienen des magnetischenPufferfeldes ruhte ein schlanker, silberglänzenderKörper mit scharfer Bugspitze. Es war einDreimann-Fahrzeug für den Einsatz in Nahgefechten.

Die darin eingebaute Impulskanone warrespektgebietend. Ich hatte es erlebt, wie gefährlichdiese kleinen Boote selbst für große Schiffe werdenkonnten.

Ich trat näher und bemühte mich, der vom Heckausströmenden Hitzewelle auszuweichen. Hinter dertransparenten Kanzel glitt ein schmales Luk zurSeite. Ich war nicht überrascht, als Reginald BullsGesicht in der Öffnung erschien.

»Willkommen im Aufmarschsektor Destination,Atlan. Sind Sie fertig?«

Ich preßte mich gegen die hochglanzpolierte Hülleund sprang nach vorn. Eine kräftige Hand zog michin die enge Schleuse.

»Ziemlich heiß, der Düsenkranz, wie? Hm - wirhaben ein verrücktes Bremsmanöver geflogen. HabenSie kein Gepäck?«

»Ich hatte noch nie welches dabei, wenn es darumging, mit Rhodan in einen Einsatz zu fliegen. Wer istder Pilot?«

»Leutnant Brazo Alkher, Sie kennen ihn!«Wie ich gehört hatte, sollte er zusammen mit

einem anderen jungen Offizier eine entscheidendeRolle bei der Beschaffung der Zellaktivatorengespielt haben.

Ich zwängte mich an Bull vorbei, der die Schleusewieder schloß. Weiter vorn, dicht hinter demUmformerraum mit dem Verschlußstück derEnergiekanone, erhob sich ein hochgewachsenerMann aus dem Pilotensitz.

Brazo Alkher hatte sich nicht verändert. Ersalutierte exakt und schien dabei Mühe zu haben, mirin die Augen sehen zu können. Als ich ihm nachterranischer Sitte die Hand bot, wurde er verlegen.

»Wie - wie geht es Ihnen, Sir?« sagte er hastig. Ichlachte ihn an.

»Den Umständen entsprechend. Brazo. Sie sollenmich also zur IRONDUKE bringen?«

»Jawohl, Sir, aber ich weigere mich wenn Siediesen Ausdruck gestatten! nochmals mit solchenWahnsinnswerten zu fliegen.«

Ich wurde aufmerksam. Bull deutete wortlos aufden rechts hinten stehenden Sessel desOrtungsfunkers. Es war eng in der kleinen Kabine.»Wie meinen Sie das? Haben Sie zu viel riskiert?«

»Riskieren müssen«, verbesserte Bully knurrig.»Perry ging es nicht schnell genug. Wir wurdenausgeschleust, als ich noch nicht das Innenschottgeschlossen hatte. Er schoß uns mit wenigstenshundert Gravos aus der Tube. Der

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Andruckneutralisator war noch nicht vollausgefahren. Es kamen etwa zwanzig Gravos durch,und ich stand ahnungslos vor dem Luk. Mein Rückendürfte nur noch aus geschwollenen undblutunterlaufenen Stellen bestehen. Okay, zerbrechenSie sich darüber nicht den Kopf.«

Ich ahnte, daß damit noch nicht alles gesagt war.Brazo Alkher, ein verläßlicher Offizier der SolarenFlotte, schien ungehalten zu sein.

Das war zwar noch nicht identisch mitmeuterischen Gedanken, aber wenn Männer vonseiner Art schon über den Sinn oder Unsinnverschiedener Befehle nachzudenken begannen,wurde die Lage kritisch. Es war höchste Zeitgeworden, Rhodan ernsthafte Vorhaltungen zumachen. Mir hatte er nichts zu befehlen, undaußerdem vertraute ich auf unser altesFreundschaftsverhältnis.

Ich beobachtete Brazos Schaltungen. Sein weichesJungengesicht veränderte sich. Die Augen blicktenwach und aufmerksam.

Beschleunigungsabsorber undReaktionskammerschirme begannen zu arbeiten.

»Klar zum Abschußmanöver, Sir.« Ich erhob denlinken Arm, führte das Mikrophon vor den Mund undgab die entsprechenden Anweisungen an dieHauptsteuerstation meines Flaggschiffes. Derstationäre Großrobot bestätigte.

Wir lauschten auf das Pfeifen der Turbopumpen.Draußen sank der Druck schnell ab. Sekunden späterleuchteten die grünen Lampen auf. Lautlos schwangder Tubendeckel in der äußeren Panzerwandungzurück. Ich erblickte einen Ausschnitt des Raumes.

Hier, so nahe des galaktischen Zentrums, standendie Sterne noch enger zusammen als imKugelsternhaufen M-13.

Es war ein Gewimmel von verschiedenfarbigenLeuchtpunkten, die sich schon in geringer Entfernungzu einer nicht mehr trennbaren Masse verdichteten.

»Kommandant an Seine Erhabenheit terranischesFlottenflaggschiff schließt mit hoher Fahrt auf.Anweisungen ...«

Bull preßte die Zähne zusammen, daß es hörbarknirschte. Ich sah stirnrunzelnd zu Brazo hinüber. Erschien sich zu bemühen, seine Nervosität nicht zuzeigen.

»Blödsinn«, sagte Bully grob. Seine Händeumklammerten die Sessellehnen. »Er kann es nichtlassen. Was denken Sie wohl, was ich anschließendzu hören bekomme? Atlan, dies ist nur ein guter Rat:Bleiben Sie hier und verzichten Sie darauf, an Bordder IRONDUKE zu gehen. Ich kenne Sie! Wirsollten uns also gegenseitig kein Theater vorspielen.Auch wenn Sie sich immer bemühen, tolerant undnachsichtig zu sein, werden Sie spätestens nach derfünften Beleidigung die Beherrschung verlieren.«

Er meinte es ernst, ich fühlte es! Mein Entschlußwar jedoch gefaßt. Ich mußte und wollte den Mannsehen, der sich im Zeitraum von wenigen Monaten zueinem Despoten entwickelt hatte. Warum ich daraufbestand, konnte ich nicht genau sagen. Es war wohlnur eine Gefühlssache.

»Vielen Dank. Ich fliege.«»Sie riskieren mehr als Sie denken« Bully

versuchte erneut, mich umzustimmen. »Wirvermuten, daß Sie Ihre Herrscherstellung in dieWaagschale werfen wollen. Vielleicht meinen Sieauch. Sie könnten Perry unter Druck setzen.Übersehen Sie dabei nicht die Tatsache, daß ermittlerweile weiß, wo der Antiplanet Trakarat zufinden ist. Sie hätten die galaktische Position nochnicht verraten sollen. Sie haben einen Trumpf ausden Händen gegeben.«

»Stimmt!« bestätigte ich gelassen. »Zu IhrenGunsten, alter Freund. Ich wollte Perry damitberuhigen und ablenken. Wahrscheinlich ist es mirauch gelungen.«

»Ein hoher Preis, Sir«, sagte Brazo leise. »Darf ichnun starten?«

Ich nickte ihm zu und lehnte mich im Sesselzurück. Der Andruckabsorber heulte auf.Augenblicke später gab der Robotkommandant denAbschußimpuls.

Das magnetische Feld riß die schlanke Maschineüber die Führungsschienen.

Es kamen nur geringfügige Belastungen durch. DieAutomatik ließ das Impulstriebwerk anspringen. DieMeßzeiger pendelten über die Skalen. Der Zerstörerglitt mit hoher Fahrtbeschleunigung in das Vakuumzwischen den Sternen hinaus.

Die Echozacken auf den Kontrollbildschirmen derMassenortung führten einen verrückten Tanz auf. Esstanden viele tausend Schiffe in unmittelbarer Nähe.Eine einwandfreie Auswertung war nicht mehr zuerhalten. Brazo flog nach den Peilimpulsen desFlaggschiffes. Drei Minuten später wurde derZerstörer von der Fernsteueranlage übernommen.Wir waren um ein Zehntelgrad nach vertikalrot ausdem Kurs gekommen.

Bull schimpfte, als unser Triebwerk zu tosenbegann. Die Maschine wurde von den scharfeingewinkelten Umlenkdüsen herumgerissen und mitsolcher Wucht von einem Traktorstrahl eingefangen,daß der Beschleunigungsabsorber die entstehendenBeharrungskräfte kaum noch aufnehmen konnte. Eswar verantwortungslos, was man mit uns machte.

Ich drückte rasch auf denSchnellverschluß-Schalter meines arkonidischenRaumanzuges und schaltete noch zusätzlich denIndividualschutzschirm ein.

So flogen wir mit unzulässig überhöhterGeschwindigkeit auf das Flaggschiff zu, dessen

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Reliefbild schnell deutlicher wurde. DieIRONDUKE, das größte und modernsteLinearschlachtschiff der Solaren Flotte, stand etwavier Millionen Kilometer von der TEPARO entfernt.

Das Bremsmanöver ähnelte dem ersten Alleinflugeines astronautischen Anfängers. Der Zerstörerwurde um seine kurze Achse gewirbelt, heftig mitdem Heck zur Seite geschleudert und ebenso hartwieder aufgefangen. Kurz vor dem Prallfeldschirmschlugen etwa fünfzehn Gravoeinheiten durch. DieAnschnallgurte schnitten schmerzhaft in unsere nachvorn ruckenden Körper ein. Die Elastizität desMaterials war geringfügig; aber bei solchenBelastungen wurde sie doch fühlbar. So geschah es,daß wir nach dem Abfangen heftig in die Lehnenzurückgeworfen wurden.

Bully schimpfte immer noch. Ich verhielt michruhig, nur verstand ich nicht, weshalb sich dieMännern an den Fernsteuerungsgeräten auf solcheDinge einließen.

Selbst wenn sie den Befehl erhalten hatten, unsschnellstens an Bord zu holen, wären solcheGewaltmanöver nicht nötig gewesen. Ich erfuhr erstspäter, daß Rhodan persönlich die Schaltungenbedient hatte. Er kannte kein Maß mehr.

Die wilde Fahrt endete in einem Schleusenraumdes Schlachtschiffes. Als ich das Boot verließ,schmerzten mir alle Glieder.

Die Freunde warteten schon. Oberst Jefe Claudrin,Kommandant der IRONDUKE, War aucherschienen. Seine mächtige Gestalt war nicht zuübersehen. Allan D. Mercant wirkte neben demEpsalgeborenen wie ein Kind.

Ich begrüßte sie rasch und ohne viele Worte zuverlieren. Sie waren informiert.

John Marshall winkte mir einfach zu. Gucky, dienichtirdische Intelligenz mit den verblüffendenparaphysischen Fähigkeiten, saß trübsinnig in einerEcke. Die großen Augen, nach denen man denMausbiber »Gucky« genannt hatte, glänzten matt.

Ich schritt zu ihm hinüber und ging in die Hocke.So konnte ich gut in sein spitzschnäuzigesMausegesicht sehen. »Wie geht es, Kleiner?« Er fuhrmir mit der zierlichen Hand über die Nase. Ein tieferSeufzer wurde hörbar.

»Frage nicht, schlecht«, piepste er. »Kannst du dirvorstellen, daß mich Perry nicht mehr mag?«

»Wie?«Gucky nickte lebhaft. Die Augen gewannen an

Glanz.»Wenn ich dir sage: Er mag mich nicht mehr!

Schon seit Wochen hat er mich nicht mehrgestreichelt. Dabei weiß er genau, wie gerne ich dashabe. Hier sind alle verrückt geworden. Kannst duetwas für uns tun?«

Ich faßte ihn unter den Schultern und nahm ihn auf

die Arme. Er war nur knapp einen Meter groß undsehr leicht. Der Kleine war verzweifelt.

»Wir werden es versuchen, Gucky - was hältst duvon der Sache?«

»Ich habe Angst«, bekannte er. »Nicht um mich,aber um Perry. Ich kann nicht in sein Bewußtseinvordringen. Er hat einen ungeheuer starkenMonoblock. Wenn er ihn wenigstens einmal öffnenwollte. Vielleicht könnten wir dann helfen. Die Ärztesagen, seine Individualfrequenzen hätten sichverschoben. Deshalb wirkt offenbar der Zellaktivatornicht programmgemäß. Kannst du Perry einreden, ersollte sich einmal entspannen und mich arbeitenlassen? Ich will ihm doch nichts von seinemGedankengut stehlen.«

Ich sah mich um. Die hohen Offiziere schwiegen.Gucky hatte schon alles gesagt, was in dieserHinsicht zu erwähnen war.

»Der Chef erwartet Sie. Sir«, klang Claudrinsdröhnende Stimme auf. Er trug wieder einen kleinenSchwerkrafterzeuger, der ihm dieGravitationsverhältnisse seiner Heimatwelt ersetzte.Jefe war ein Mann, der 2,1 Gravos als normal ansah.

Ich setzte Gucky auf den Boden und kraulte ihmdas seidige Nackenfell. Da lachte er endlich einmal.Wie schlimm mußte es bestellt sein, wenn der immermuntere Mausbiber so apathisch geworden war. Wasging in Rhodans Gehirn vor?

Ich legte meinen Raumanzug ab und ließ mir vonBrazo Alkher den kurzen Schulterumhang desImperators reichen. Die Terraner salutierten, als ichauf den Achslift zuging.

Mercant trat an meine Seite. Schnell raunte er mirzu:

»Sir, lassen Sie sich bitte nichts anmerken, wennSie ihn sehen. Rhodan ist erschreckend gewachsen.Er mißt augenblicklich 2,38 Meter, die Schulterbreiteist entsprechend. Proportional dazu ist dieGewichtszunahme minimal. Das durch die explosiveZellspaltung aufgetriebene Gewebe verliert anFestigkeit. Je mehr es sich ausdehnt, um so leichterwird es. Er ist darüber informiert, glaubt aber inseiner krankhaften Vorstellung, seine enorme Größewäre gleichbedeutend mit riesenhafter Körperstärke.Er versucht ständig zu beweisen, wie stark er ist. TunSie uns den Gefallen, beim grüßenden Händedruckschmerzverzerrten Gesichtes in die Knie zu gehen.Tatsächlich ist Rhodan schwächer denn je. Er wirdauf Ihre Reaktion lauern. Etwas anderes kann man zudieser Form einer argwöhnischen Beobachtung kaumnoch sagen.«

»Sie sind immer noch ein hervorragenderPsychologe, Mercant.«

»Mein Glück, daß ich es bin«, erwiderte der klugeMann bitter. »Sie kennen ja die Menschen nochbesser als ich. Was Rhodan auch sagt oder

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unternimmt: Stellen Sie sich in solchen Augenblickenimmer vor, Sie wären ein Psychotherapeut. So läßt essich am leichtesten ertragen.«

Ich nahm mir fest vor, Perrys Handlungen nichtmit den Augen eines Staatsmannes, sonder nur mitdenen des Freundes anzusehen. Als Imperator hätteich etwas unternehmen müssen, als Freund konnteich mich selbst betrügen und mir einreden, dies undjenes wäre nicht so gemeint gewesen.

Wir glitten im Antigravlift nach oben, als RhodansGebrüll aus den Lautsprechern der Rundrufanlagedrang.

Wir »verräterischen Schlafmützen« wurden zurBeeilung aufgefordert, was besonders für den»degenerierten Arkonidenhäuptling« gälte!

Diese Ausdrücke, mit denen er mich bedachte,wurden ja recht massiv! In dem Augenblick erkannteich erst richtig, wie schwer es mir fallen würde, einallesverstehender Freund zu sein.

4.

Er erwartete mich in der Kommandozentrale desSchlachtschiffes. Seine Haltung glich der einestyrannischen Herrschers, der über Leben und Todentscheidet. In den gelben Wolfsaugen konnte manalles lesen, nur keine menschliche Wärme.

Sie blickten scharf, lauernd und argwöhnisch. Wardas noch der große Mann der Erde?

Seine Gestalt war die eines Kolosses. Man hattefür Rhodan eine Spezialuniform aus hochelastischemKunststoffgewebe angefertigt. Obwohl das Materialbis zur Zerreißfestigkeit nachgeben konnte, spanntees sich schon wieder über den Schultern. Ein Riesevon 2,38 Metern wankte auf mich zu. Densportlichen Gang hatte der Kranke endgültigverloren.

Seine Hände waren zu wulstig verformten Prankengeworden. Er schien kein Gefühl mehr in ihnen zuhaben. Vor einigen Minuten hatte mir Mercantgesagt, daß Rhodan das Einschleusungsmanöverselbst gesteuert hätte.

Nun, nachdem ich diese Hände aus nächster Nähesehen konnte, wunderte ich mich nicht mehr über dielebensgefährdenden Schaltungen. Ich war sofortbereit, ihn deswegen zu entschuldigen. Er hatte esvielleicht nicht böse gemeint. Nur schien er in seinemStarrsinn nicht zugeben zu wollen, daß er fernerhinunfähig war, solche Dinge praktisch durchzuführen.Warum beschränkte er sich nicht auf dieBefehlsgebung? Warum nahm er sich nichtzusammen und legte alle Hoffnung in denbevorstehenden Einsatz, der ihm mit hoherWahrscheinlichkeit Hilfe bringen konnte?

Ich war mittlerweile zu der Auffassunggekommen, daß es sich die Antis auf Trakarat wohl

überlegen würden, entweder im atomaren Feuerhagelvernichtet zu werden oder alles zu tun, den von ihnengeschädigten Terraner zu retten.

Er tappte weiter auf mich zu. Die schrecklichenAugen riefen in mir Entsetzen hervor. Das entstellteGesicht wies kaum noch Spuren der vertrauten Zügeauf.

Als er vor mir stand, mußte ich den Kopf in denNacken legen. Seine Stimme hatte sich nichtverändert. Sie war vielleicht etwas heiserergeworden; aber sehr stark schienen diestimmgebenden Organe von der Zellspaltung nochnicht beeinflußt worden zu sein.

Ich lachte ihn an. Ich legte alles hinein, was ich fürihn je empfunden hatte.

»Ich darf dich darüber aufklären, daß an Bordmeines Flottenflaggschiffes Disziplin herrscht,Arkonide«, fuhr er mich an. »Wie bitte?«

»Hier herrscht Disziplin«, wiederholte er nochschärfer. In seinen Augen glomm schon wieder dasFunkeln eines irren Zornes auf. Er schien sehr schnelldie Fassung verlieren zu können. »Ich verstehe nichtganz, Freund.«

»Hier wird nicht gegrinst«, schrie er. Mir vergingdas Lachen. Hilflos sah ich mich um. Die Männer derZentralbesatzung standen in strammer Haltung vorihren Manöverstationen. Selbst der Kommandant,Bull und Mercant rührten sich nicht vom Fleck.

Ich war entsetzt. Rhodan mußte irrsinnig gewordensein. Gegen meinen Willen musterte ich ihn ironisch.Meine unterbewußten Reaktionen warfen meineguten Vorsätze schneller um, als ich es mirvorgestellt hatte.

»Das war kein Grinsen, sondern ein frohes Lachen.Oder kannst du dir nicht mehr vorstellen, daß ichmich freue, dich nach so langer Zeit zu sehen?«

Er wurde blaß. Fürchterlicher Zorn entstellte seinGesicht noch mehr. Trotzdem reagierte er anders alserwartet. Er schien in der Form seinerGefühlsäußerungen unberechenbar zu sein.

»Ach - froh, mich nach so langer Zeit zu sehen? Sozu sehen, wie?«

Er drehte sich um seine Achse und breitete dieArme aus. Dabei lachte er aufreizend.

Ich wurde um eine Erfahrung reicher. Dieser neuePerry Rhodan versuchte ständig, harmlos gemeinteWorte umzudeuten und ihnen einen anderen Sinn zugeben.

»Du hast falsch verstanden, Perry. Ich meinte dich,deine Persönlichkeit - ganz einfach den Freund. Dasandere werden wir heilen können.«

Er musterte mich argwöhnisch. Anscheinendkämpfte er um seine Beherrschung.

»Wollen wir es hoffen. Willkommen an Bord.«Er streckte die riesige Hand aus. Aufatmend wollte

ich die meine hineinlegen, doch da zuckte ich zurück.

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Nie hatte ich einen Menschen mit solcher Spannungblicken sehen. Er lauerte tatsächlich! Mercant hattesich völlig richtig ausgedrückt.

Mein Extrahirn erinnerte mich an die Worte desAbwehrchefs. Rhodan glaubte, über anormaleKörperkräfte zu verfügen.

»Auf gute Zusammenarbeit«, sagte ich und griffzu.

Ich erschrak, denn mir war, als hielte ich einenSchwamm umschlossen. Wenn ich noch festerzugefaßt hätte, wäre es wahrscheinlich zu einemUnfall gekommen.

Ich sah seinen verzerrten Mund. Er drückte mitaller Gewalt zu, aber ich spürte es kaum. Trotzdemstieß ich heftig die Luft aus den Lungen, spreizte dieBeine wie ein überanstrengter Ringkämpfer undschob die rechte Schulter nach vorn.

Schließlich kannte ich die alten Kraftspiele unterden Menschen und wußte, wie man sich dabeibenahm.

Ich verzog keine Miene, ging aber langsam in dieKnie. Da ließ er endlich los, und ich konnte meineHand zurückziehen.

Sein Gelächter widerte mich an. Sofort sagte ichmir, daß dies nun einmal eine Folgeerscheinung derKrankheit wäre und daß es mir nicht zustände, einGefühl des Ekels zu empfinden. Ich versuchte einLächeln, das er aber mißdeutete.

»Ich hätte dich zerquetschen können, Arkonide«,behauptete er selbstgefällig. »Du bist stark,zugegeben. Erinnerst du dich noch an unserenZweikampf in dem Venusmuseum? Ich habe ihnnicht vergessen, jede Einzelheit ist mir noch so gutim Gedächtnis, als wäre es gestern geschehen. Duhattest mich demütigen wollen.«

»Du wolltest mich töten, Freund. Du hattest einemoderne Waffe und ich eine sehr alte.«

»Feiger Schwätzer! Ich habe meinen Strahlerweggeworfen, als du mit dem Degen auf michzukamst. Ich habe ebenfalls einen ergriffen und fairmit dir gekämpft. Heute würdest du mich damit nichtmehr besiegen.«

Mein Extrahirn war identisch mit einemfotografischen Gedächtnis. Im Verlauf derErinnerungsimpulsgebung, die wie ein Rafferfilm vormeinem geistigen Auge ablief, wurde mein Gesichtausdruckslos.

Mercants Körper spannte sich plötzlich. Ichbemerkte es aus den Augenwinkeln. Als ich sprach,erkannte ich meine Stimme nicht mehr. Sie unterlagnun dem Einfluß meines Separatgehirns, das sich inmeine bewußten Handlungen eingeschaltet hatte.

»Oh, bist du sicher, dich genau erinnern zukönnen?«

»Solche Dinge vergesse ich nicht. Damalsschlossen wir Frieden. Ich entdeckte deine wahre

Herkunft. Oder willst du etwa behaupten, ich hättedoch auf dich geschossen, obwohl du keine moderneWaffe hattest?«

»Nein, du hast wirklich nicht geschossen. Ichverleitete dich mit Psychotricks, deinen Strahler nichtanzuwenden!«

»Genau das. Du zerschlugst mir mit dem Degendas Fußgelenk. Vergiß es, Arkonide, und denkedaran, daß du heute keine Chance mehr habenwürdest.«

Er drehte sich schwerfällig um und ging auf dieHauptkontrollen zu. Das war also der Empfanggewesen.

Mercant musterte mich eindringlich. Ich nickteihm zu und schaute mich nach Gucky um. DerMausbiber lag zusammengerollt in einem breitenAndrucksessel.

Hatte er nichts bemerkt? Mir war, als wäre inmeinem Schädel ein Feuer ausgebrochen. DasExtrahirn war bemüht, Rhodans Erklärungen Wortfür Wort zu sezieren. Es war ein für michunangenehmer Prozeß, den ich abzuwarten hatte.Anschließend meldete sich mein vor Jahrtausendenaktivierter Gehirnteil. In knapper Form wurde mirmitgeteilt:

Mehrere Widersprüche. Rhodan ist Sportsmann. Ermuß zwischen einem Degen und einem beidseitiggeschliffenen Wikinger-Langschwert unterscheidenkönnen! Außerdem warst du doch bewaffnet. Duhattest einen Impulsstrahler und einen Schocker.Mercant kam näher. »Ist Ihnen nicht gut, Sir?«erkundigte er sich. Sein Lächeln war etwas zuharmlos.

»Alles In Ordnung, vielen Dank«, wich ich aus.Weiter vorn begann Rhodan Befehle zu schreien.

»Einsatzbesprechung in fünf Minuten«, rief er mirzu. »Deine Robotflotte bildet den äußerenAbwehrring. Ich greife persönlich an. OberstClaudrin ...!« Der Epsalgeborene eilte nach vorn.»Nehmen Sie gefälligst Haltung an«, brüllte Rhodan.»Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben?«

Der Oberst stand stramm. Ich dagegen schwiegimmer noch.

Hatte Rhodan nicht ausdrücklich behauptet, erkönne sich an jede Einzelheit erinnern? Wieso hatteer dann von einem Degen, nicht aber von einem fastmeterlangen Schwert gesprochen?

Weshalb hatte er, der grundsätzlich logischDenkende, außerdem erwähnt, ich hätte ihm mit demDegen das Fußgelenk zerschlagen? Mit einemleichten Degen? Bei einem starken Knochenbau?Wie groß war die Aufschlagwucht einer so dünnenKlinge pro Quadratzentimeter Körperfläche? Konntesie bei einem mit aller Kraft geführten Hiebausreichen, ein Fußgelenk zu zertrümmern?

Ausgeschlossen! Gewebe und Sehnen können

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bestenfalls zerschnitten werden! gab mein Extrahirndurch.

Ich war damals hinter einem Wikingerboot inDeckung gegangen, nachdem mich Rhodan trotzmeines Deflektorschirmes mit einem Spezialgerätgeortet hatte. Auch er war unsichtbar gewesen, bis ersich dazu entschlossen hatte, seinen Schirmabzuschalten.

Wußte er das auch nicht mehr? Vielleicht hatte eres nur nicht sagen wollen. Maßgeblich war unserZweikampf gewesen. Er war unter so extremenUmständen erfolgt, daß seine Vorgeschichteeigentlich noch erwähnenswerter war als daseigentliche Schwertgefecht.

Es störte mich, daß Perry von »Degen« gesprochenhatte. Solche Fehler konnten einem Rhodan nichtunterlaufen, auch wenn er nun ein kranker Mann war.Ich beobachtete ihn und lauschte angestrengt aufseine Befehlsgebung. Wenn er sich nicht zu einemZornausbruch oder zu einer lächerlich wirkendenRüge hinreißen ließ, sprach er so klar und überlegt,wie ich es von ihm kannte. Er konnte nichtschwachsinnig sein! Die komplizierten Schaltungendes Linearschlachtschiffes beherrschte er grandios.

Ich schaltete mit einem Befehlsimpuls meinExtrahirn ab. Es war sinnlos, im Augenblick derEinsatzvorbereitungen über längst vergangene Dingenachzugrübeln.

Schließlich besaß Perry doch nicht ein solchesGedächtnis wie ich. Außerdem hätte er es in seinerhochgradigen Gereiztheit als Bevormundungauffassen können, wenn ich ihn auf seine Fehlerhingewiesen hätte.

Er befand sich in einem Stadium, in dem er keineBelehrungen mehr annahm. Ich verzichtete darauf,den Fall nochmals aufzurollen. Nur fragte ich mich,warum er unmittelbar nach unserem Wiedersehenden Kampf im Venusmuseum überhaupt erwähnthatte. Jetzt gab es wichtigere Dinge zu besprechen.

Zehn Minuten später erschien ich in derOffiziersmesse der IRONDUKE. DieKommandanten der terranischen Einheiten hörtenmit. Jeder Schiffsführer war darüber informiert,welchen Platz er in der Linie einzunehmen hatte.

Ich erteilte über mein Kommandogerät einigeAnweisungen an den Robotregenten, derdementsprechend die zehntausend Fernsteuerschiffeprogrammierte.

Zwei Stunden nach meinem Eintreffen auf derIRONDUKE nahm die terranische Flotte Fahrt auf.

Wir benötigten etwa fünfzehn Minutenrelativistischer Zeit, bis alle Einheiten die einfacheLichtgeschwindigkeit erreicht hatten. Sekundendanach erfolgte die massereichsteSimultan-Transition, die ich jemals erlebt hatte. DieStrukturtaster waren vorsorglich abgeschaltet

worden. Fast auf den Augenblick genau gingenachttausend terranische Raumschiffe in denübergeordneten Hyperraum. Der Plan sah vor,überraschend im System der roten DoppelsonneAptut zu erscheinen. Niemandem sollte eine Chancezum Entkommen geboten werden.

Die IRONDUKE ging im Schutze ihresKalupschen Absorberfeldes in den direktenLinearflug über. Mit millionenfacherLichtgeschwindigkeit rasten wir auf die guterkennbare Doppelsonne zu, die sich atemberaubendschnell aus dem Gewimmel der anderen Sterneherausschälte.

Es erfolgte weder ein Transitionsschock, nochmachten sich körperliche Beschwerden bemerkbar.Ich verzichtete darauf, Rhodan darüber zuinformieren, daß der Regent an der Entwicklungeines gleichartigen Triebwerkes arbeitete. Er besaßeinwandfreie Unterlagen akonischen Musters. Eskonnte nicht mehr lange dauern, bis ich ebenfallsüber die neuartigen Antriebsmaschinen verfügte.

Nach wenigen Minuten hatten wir die geringeEntfernung von vierhundertachtzehn Lichtjahrenüberwunden.

Obwohl die Kosmonauten des Schlachtschiffes vorBeginn des Fluges keine kompliziertenSprungberechnungen mit all ihren möglichenFehlerquellen angestellt hatten, sondern einfach nachoptischer Sicht auf das Ziel losgeflogen waren,kamen wir zusammen mit den »Sprungschiffen« imAptutsystem an.

Damit hatte sich die grenzenlose Überlegenheit desLineartriebwerks wieder einmal bewiesen. Dienormalen Raumer hätten noch lange nicht an Ort undStelle sein können, wenn die Kommandanten zuvornicht Gelegenheit erhalten hätten, dieTransitionsdaten zu ermitteln.

Ich wußte, wie schwer der Raum im Sektor derroten Doppelsonne erschüttert wurde. Diehypergravitatorischen Schockwellen mußten dieGravitationsfelder der äußeren Planeten starkbelasten.

*

Tatsächlich liefen wenig später die erstenMeldungen der astronomischen Stationen ein. Diedrei äußeren Planeten waren aus ihren Bahnengerissen worden. Es handelte sich jedoch umunbewohnte, eiserstarrte Himmelskörper. Wir hattendemnach keinen nennenswerten Schaden angerichtet.

Als ich Rhodan beobachtete, gewann ich dieÜberzeugung, daß er auch dann mitten in das Systemhingesprungen wäre, wenn die Außenringweltenbewohnt gewesen wären.

Meine freundschaftlichen Gefühle zu ihm

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erstarben mehr und mehr, so sehr ich mich auchdagegen wehrte. Kraft meines Verstandes redete ichmir laufend ein, daß ein Verzweifelter so handelnmüsse.

Bei solchen Überlegungen schaltete sich abersofort mein unbestechlicher Logiksektor ein. Er gabmir zu verstehen, daß ein so vornehmer Charakterwie Perry Rhodan niemals Millionen oder garMilliarden Lebewesen in den sicheren Tod schickenwürde, nur um sich einen geringen Zeitgewinn zuverschaffen!

Als das Getöse der in das Einstein-Universumeintauchenden Flotte vorüber war, flogen wirsternförmig auf jenen Planeten zu, den unsereMassetaster bald ausgemacht hatten.

Das Zeichen für die Anwesenheit intelligenterWesen war ein Raumschiff. Es stand zwischen demsechsten und siebenten Planeten. Anscheinend war esvon der Hyperschockwelle schwer beschädigtworden, da seine Triebwerke nicht mehr arbeiteten.

Ich hatte nie an den Berechnungen des Regentengezweifelt, aber die Terraner schienen nicht rechtdaran geglaubt zu haben.

Als die Energieortung so heftig ansprach, daß dasSirenengeheul in allen Abteilungen desSchlachtschiffes hörbar wurde, wußte ich, daß wirgewonnen hatten. Diese Lautstärke konnte nur eineUrsache haben.

Tatsächlich tauchte der sechste Planet bald auf denSchirmen der Relieferfassung auf. Die Welt war ineinen Energieschirm von wahrscheinlich hoherIntensität gehüllt. Da nirgends fliegendeKraftstationen geortet werden konnten, war esausgeschlossen, daß wir eine akonischeNiederlassung vor uns hatten.

Demnach konnte es sich nur um Antis handele.Kein anderes Volk der Galaxis war in der Lage, ohneriesenhafte Maschinenanlagen einen so großenEnergieschirm aufzubauen.

Rhodans Befehle überstürzten sich. Ich paßtescharf auf, aber er beging keinen Fehler. Er planterasch und präzise, niemals erfolgte ein Widerspruch.Über seinen barschen Ton hörte ich hinweg,desgleichen über die Beleidigungen, die er selbsthohen Offizieren zuschrie.

Jefe Claudrin war am Ende seiner Beherrschungangekommen. Bully schritt ein. Er versuchte, Rhodanvon dem Kommandanten der IRONDUKEabzulenken.

Major Hunts Krefenbac, der Erste Offizier, sahmich hilfeflehend an. Mercant hatte mir erzählt,dieser Offizier wäre von Rhodan schon schwergedemütigt worden.

Ich ging nach vorn. Perry war aus seinemSpezialsitz aufgestanden. Man hatte für ihn einenverstellbaren Sessel gebaut.

Als er mich erblickte, drehte er sich schwerfälligum. Seine Augen schienen zu glühen. Sie wirkten indem Augenblick nichtmenschlich. »Ist er das? Ist dasTrakarat?« schrie er. Als ich nicht sofort antwortete,tappte er nach vorn und umklammerte meineSchultern.

»Du sollst antworten, Kerl«, rief er noch lauter undwütender. »Ob das Trakarat ist?«

Ich schob meine Arme zwischen den seinenhindurch und breitete sie einfach auseinander. SeineHände glitten von meinen Schultern. Ich hatte michnicht anstrengen müssen.

»Langsam, kleiner Barbar! Du kannst mich Atlanoder Freund nennen, nicht aber Kerl.«

Es wurde plötzlich still in der Zentrale. Nur dasTosen der mit voller Bremsbeschleunigung laufendenTriebwerke war zu hören. Die Männer hielten denAtem an. Soeben war es zu der ersten Kraftprobegekommen. Rhodan schaute mich starr an. Zu meinerÜberraschung sagte er kein Wort. Nur sein Gesichtzuckte. Ich fuhr fort:

»Du solltest begreifen, daß man einenVerbündeten anders behandelt. Wenn du schon aufmeine Freundschaft verzichten willst, so fordere ichdie gebotene diplomatische Höflichkeit. Sollte sievom Ersten Administrator des Solaren Imperiumsnicht gewährt werden, sehe ich mich veranlaßt,meine Flotte zurückzuziehen.«

»Lächerlicher Schwätzer!« Das kam eiskalt ausseinem Mund. Es traf mich schlimmer, als wenn erwieder geschrien hätte. Diese überraschendeSelbstbeherrschung deutete nicht auf eine krankhaftePersönlichkeitsveränderung hin. Er hatte beleidigenwollen!

»Es würde dir gut zu Gesicht stehen, deinenWortschatz zu korrigieren.«

Er lachte plötzlich. Ich sah in tückische Augen.Seine Erklärung war auch nicht sehr schön:

»Es steht dir frei, das System zu verlassen. Ichhabe Trakarat gefunden. Du hast deine Schuldigkeitgetan, Arkonide.«

Ich wurde weder ausfallend, noch verriet ich, wiesehr er mich getroffen hatte. Dagegen begann ich miteinem psychologischen Feldzug gegen Perry Rhodan.Mein Logiksektor hatte es mir schon vor dem Abfluggeraten.

In dem Augenblick wurden die beiden Ringe dessechsten Planeten erkannt. Sie erschienen auf denBildschirmen der elektronischen Fernoptik. Siearbeiteten mit einem dreißigtausendfachenVergrößerungsfaktor.

Er sah hinüber. Triumph zeichnete sein Gesicht.»Du kannst gehen«, wiederholte er. »Vielen Dank,

ich bleibe«, sagte ich mit einer verbindlichenKopfneigung. »Ich habe bestimmte Informationenerhalten. Demnach ist es leicht möglich, daß sich

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dein mißratener Sohn auf der Hauptwelt der Antisaufhält. Du mußtest ihn ja bei deinen Unternehmengegen die Antis auf Okul laufenlassen, nicht wahr?Es würde mich interessieren, wie sich Thomas Cardifwährend der vergangenen Monate entwickelt hat. Ichwerde ihn diesmal finden, Freund.«

Seine Reaktion war erschreckend. Er drang sinnlosschreiend auf mich ein und forderte dienahestehenden Offiziere auf, mich niederzuschießen.

Ich legte die Hand flach gegen seine Brust undstieß ihn zurück. Dabei hatte ich nur die Masse seinesKörpers zu bewegen. Einen ernsthaften Widerstandkonnte er nicht leisten.

»Verhaften, sofort verhaften!« brüllte er.Niemand rührte sich, bis Allan D. Mercant vortrat.»Sir, ich erinnere an die politische Immunität des

Imperators. Es steht uns nicht zu. Seine Erhabenheitzu verhaften.«

Rhodans Schreie verstummten. Plötzlich sah ermich wieder aus klaren Augen an. Er überlegte. Ichdagegen wußte, daß ihn die Erwähnung des NamensThomas Cardif getroffen hatte.

»Du wirst Cardif nicht fassen«, sagte erüberraschend ruhig. »Das ist meine Sache.«

»Wie du willst«, gab ich nach. »Er muß jedochfestgenommen und von den Mutanten verhörtwerden. Mir ist bekannt, daß er nicht nur dasRauschmittel Liquitiv erzeugte. Wahrscheinlich ist erauch für deine Krankheit verantwortlich zu machen.Wer leitete damals das Psychoverhör, als du in dieGefangenschaft der Antis gerietest? War es Cardif?«

»Meine Sache«, wehrte er erneut ab. »Kümmeredich um deine Angelegenheiten.«

Er zwängte sich an mir vorbei und schritt zurOrtungszentrale hinüber. Mercant atmete hörbar auf.»Sir, Sie sollten ihn nicht so reizen.«

»Meinen Sie? Mir scheint, als hätte er sich aufeinmal recht ordentlich benommen. Glauben Sienicht auch, Herr Solarmarschall, Sie ließen ihmzuviel durchgehen?«

Mercant sah mich sinnend an. Dann drehte er sichabrupt um.

»Das wäre zu überlegen«, meinte Bullynachdenklich. »Bisher haben wir immer nurzurückgesteckt.«

Es gelang mir nicht mehr, meire Untersuchungenfortzuführen. Die ersten Schlachtschiffe meinerRobotflotte fielen in das System der Doppelsonneein.

Als die terranischen Einheiten bereits zumStillstand kamen und den Ringplaneteneinzuschließen begannen, stießen meine eigenenSchiffe in den interstellaren Raum vor, wo sie, diebefohlenen Blockadepositionen einnahmen.

Dabei wurde von einem Schlachtschiff derZUKU-Klasse ein unbekanntes Raumschiff

angegriffen und manövrierunfähig geschossen.Wie sich später herausstellte, handelte es sich um

einen Frachter der Springer.Ich verzichtete darauf, Rhodan zu informieren. In

mir keimte ein Verdacht auf, den ich nicht mehrabschütteln konnte.

Ich wartete noch zwei Stunden, bis die Einkreisungdes Planeten Trakarat beendet war.

Auf Trakarat selbst rührte sich nichts. DerEnergieschirm umspannte fugenlos diese große undschöne Welt.

Die beiden Ringe bestanden aus kosmischerMikromaterie, die von den Planeten eingefangenworden war. Sie umkreisten Trakarat entgegen demUhrzeigersinn. Die Hauptwelt der Antis war nochprächtiger als der solare Saturn.

Die in rascher Folge bekannt werdendenFernanalysen über Dichte, Masse, atmosphärischeZusammensetzung, Rotationsgeschwindigkeit undwas der Dinge noch mehr waren, interessierten michnur am Rande.

Perry Rhodan war zur Hauptfigur geworden, eineseltsame Tatsache während einer Situation, dieeigentlich alles Denken und Planen für sich hätte inAnspruch nehmen müssen.

Als ich mich für einige Minuten zurückziehenwollte, brach in der Funkzentrale ein heftiger Streitaus, Ich rannte hinüber. Rhodan hatte dendiensthabenden Offizier aus dem Sessel gezerrt. Alsich eintrat, schrie er wie ein Wahnsinniger auf ihn einund bedrohte ihn dabei mit der tödlich wirkendenStrahlwaffe.

Der Funkchef hatte es gewagt, ohneausdrücklichen Befehl den Planeten anzurufen unddie Antis zur Übergabe aufzufordern. Bull undMercant mußten energisch einschreiten, andernfallsder Rasende wohl doch noch geschossen hätte.

Die Stimmung unter den Männern der Besatzungwar gespannt. Selbst disziplinierte Soldaten konntenein solches Verhalten nicht lange geduldighinnehmen. Außerdem kannte ich die Terraner undihren Stolz! Einmal würde Rhodan an den Falschengeraten, und dann war die Katastrophe da.

Als er sich etwas beruhigt hatte, schrie er demblassen Offizier ins Gesicht:

»Niemand nimmt Verbindung auf, ist das klar?«»Jawohl, Sir.«»So richten Sie sich danach. Anweisung an alle

Kommandanten - Wortlaut: Es wird unter Anordnungder Todesstrafe untersagt, ohne besonderen Befehldie Antiwelt anzurufen, oder von ihr kommendeFunksprüche aufzunehmen. Nur die Flottenwelle darfeingeschaltet bleiben. Alle Nachrichten sind überKanal achtunddreißig, Rafferkode Destinationabzustrahlen. Los, sofort den Spruch absetzen.«

Bull schaute mich fassungslos an. Mercant

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räusperte sich, und ich begann schon wieder zuüberlegen.

Rhodan drehte sich um und ging auf dieVerbindungstür zu. Als er mich sah, blieb er stehen.Irrer Zorn entstellte seine Züge. Oder war da nochetwas, was ich augenblicklich nicht zu deuten wußte?

Mein Gesicht mußte wie eine Maske wirken.»Was gibt es hier zu glotzen?« sagte er kehlig.

»Aus dem Wege, Arkonide.«»Du solltest nicht gar zu weit gehen«, entgegnete

ich gedehnt. »Oder fürchtest du, dein Sohn könntesich melden? Bist du der Meinung, du könntestwieder weich werden?«

»Aus dem Wege!«Er griff zur Waffe. Da trat ich um einige Schritte

zurück. Schwer atmend, anscheinend nach Luftringend, tappte er an mir vorbei. Dabei traf mich einBlick, der sofort meinen Logiksektor rebellischmachte. Nun hatte ich mich auch noch mit denImpulsen des aktivierten Gehirnteilsauseinanderzusetzen.

Angst! Angst wovor? gaben meine Extrasinnedurch.

Ich ahnte es! Der Entschluß, jedeKontaktaufnahme zu verbieten, war eineKurzschlußhandlung gewesen! Warum wollte erunter allen Umständen vermeiden, daß andereMenschen mit den Antis Kontakt aufnahmen?

Wollte er einem eventuellen Erpressungsversuchaus dem Weg gehen? Befürchtete er vielleicht, demFlehen seines mißratenen Sohnes nicht widerstehenzu können?

Allmählich glaubte ich selbst daran, derverschwundene Thomas Cardif könnte auf dieserWelt weilen. Ja - warum eigentlich nicht? Wo hätteer einen besseren Unterschlupf finden können?

Ich hatte Trakarat nur durch das Spiel des Zufallsentdeckt. Die Antis hatten es wahrscheinlich fürunmöglich gehalten, ihren Heimatplaneten ausfindigmachen zu können. Es war bekannt, welcheAblenkungsmanöver sie eingeleitet hatten, um diewirkliche Position von Trakarat zu verschleiern.

Nun ging ich doch nicht in meine Kabine. Seitdemich nicht mehr als Freund dachte und handelte, warmein Gefühlsleben klarer geworden. Ich bemerktenun Dinge, die Rhodans Männer nicht sehen konnten.

Die Geschichte mit dem Degen fiel mir wieder ein.Ich faßte einen bestimmten Entschluß.

Es dauerte noch eine Stunde, bis sich Rhodanvollends beruhigt hatte. Während dieser Zeit hatte ichalles getan, um ihn von meiner Loyalität zuüberzeugen. So hatte ich die Befehle an denRegenten lautstark ausgesprochen. Er hatte sie gehörtund fast gnädig genickt. Die Einschließung desPlaneten war beendet.

Rhodan bereitete die Feuereröffnung vor.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihn dort, wo ich ihnhaben wollte. Er wirkte jetzt ausgeglichen. Ichschlenderte näher und gab Claudrin einen Wink. DerKommandant verstand.

Eine Entschuldigung murmelnd, verließ er seinenSitz. Ich nahm Platz. Rhodans mächtiger Körper warzum Greifen nahe. Er sah mich ungewiß an.

»Wir sollten bald angreifen«, begann ichübergangslos. »Ich bin der Meinung, daß deinZellverfall besser zu stoppen ist, wenn wirschnellstens etwas dagegen tun. Ich halte meineSchiffe vorerst zurück. Einverstanden?«

»Einverstanden«, sagte er überraschend ruhig undmit normaler Lautstärke.

»Was hast du im Detail geplant, Perry?«»Schutzschirme beseitigen, Spezialwaffen

einsetzen und Landungskommandos auf den Bodenbringen. Ich muß die Burschen lebend fangen,darunter möglichst einige Wissenschaftler.«

»Du solltest ein Ultimatum stellen. Entwedersofortige Hilfe für dich oder totale Vernichtung. Istdie Kriegserklärung ausgesprochen worden?«

»Natürlich. Ich werde mir deinen Vorschlagüberlegen. Tote Antis nützen nicht viel.«

Ich hatte genug geredet. Eine einwandfreiePlanung war das ohnehin nicht gewesen.Wahrscheinlich hatte er einige Dinge im Sinn, die ermir verheimlichen wollte.

So hatte mir Mercant zugeflüstert, Rhodan würdewohl beabsichtigen, persönlich an demLandemanöver teilzunehmen.

Das wäre noch verständlich gewesen. Da war abernoch etwas, was mich hellhörig machte.

Bis zu meiner Ankunft auf der IRONDUKE war esverboten gewesen, den Namen Thomas Cardifauszusprechen. Ich hatte ihn dann gleich mehrereMale erwähnt und damit ein Tabu gebrochen. Daranmußte ich denken. Ich gab Perry noch einigeSekunden Zeit zur Sammlung, ehe ich zu singenbegann:

Das Wasser ist naß, daß Wasser ist naß. Wieköstlich schluckt und schlürft sich das. Das Wasserist kühl, kühl ist das Naß. Ich schwimme in einemganzen Faß, denn heute ist das Wasser naß ...

Ich wartete gespannt auf seine Reaktion. Sie kamso, wie ich es nicht erwartet hatte.

Überhaupt nicht erbost oder wütend sah er michan. Jetzt lachte er sogar mit echtem Humor.

»Großer Jupiter, wer hat den Blödsinn gedichtet?«Ich grinste ihn an wie ein Lausejunge. »Die Worte

fielen mir gerade ein. Sie sollen einmal von einemarkonidischen Raumfahrer gereimt worden sein, alser halb verdurstet in einer Wüste lag. Er wurdegerettet, und da sang er das Liedchen anderen Leutenvor. Seitdem macht es in der arkonidischen Flotte dieRunde. Das ist aber lange her, Freund.«

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Er lachte abermals, um dann aufzustehen.»Befehlserteilung in dreißig Minuten«, befahl er

scharf. »Ich erwarte die Herren Offiziere auf dieSekunde pünktlich in meiner Kajüte.« Er wanktedavon. Jefe Claudrin schrie »Achtung«. Die Männersprangen auf und nahmen Haltung an. Er, der Herrüber das Solare Imperium, achtete neuerdings aufsolche Kleinigkeiten.

Die Schotts der Sicherheitsschleusen schwangenvor ihm auf. Roboter präsentierten die Strahlwaffen.Als er verschwunden war, stand ich ebenfalls auf.

»Bully, würden Sie so freundlich sein, für einenAugenblick in meine Kabine zu kommen? Ichmöchte Sie unter vier Augen sprechen.«

Reginald Bull schaute mich interessiert an.»Wichtig?«

»Vielleicht. Ich gehe schon vor. Folgen Sie mirbitte unauffällig.«

Wieder glitten die Stahltore zur Seite. Die Robotersalutierten auch vor mir.

Als ich den breiten Rundgang vor der Zentraleerreicht hatte, löste sich meine innere Verkrampfung.Niemand war zu sehen, so konnte ich meine Maskefallenlassen.

Aufstöhnend lehnte ich mich mit dem Rückengegen die Wandrundung. Mein Herz schlug hart undschmerzhaft. Ich war entsetzt, war mir doch endlichklargeworden, was geschehen War!

Dieser lächerliche, so unsinnig klingendeKnüttelvers war nur zwei Lebewesen in der Galaxisbekannt: Perry und mir!

Als ich die Worte zusammengereimt hatte, warenRhodan und ich Gegner gewesen, aber kein Dritterhatte uns sehen können.

Verlassen hatten wir auf der Wüstenwelt»Hellgate« auf Hilfe gewartet, und jeder hatte denanderen mit der Waffe in der Hand bedroht. DasWasser war knapp geworden. Wir waren in unserenRaumanzügen beinahe verdurstet.

Da hatte ich aus rein psychologischen Gründendiesen »Wasservers« ersonnen, um Rhodan, derebenfalls am Ende seiner Kräfte angekommen war,aus seiner Deckung zu locken.

Niemals hatte er den Psychoreim vergessen, derihn bald zum Irrsinn getrieben hatte. Wir hatten nurnoch an Wasser gedacht. Später hatten wir uns überden Zweikampf auf Hellgate ausgesprochen. Er warzwischen uns zum unauslöschlichen Symbolgeworden, denn mit ihm hatte unsere Freundschaftbegonnen.

Nun aber wußte er nichts mehr davon! Er hattemich in voller geistiger Klarheit und in selten ruhigerGemütsverfassung lachend gefragt, wer »denBlödsinn gedichtet« hätte! Er hatte danach gefragtIch bezwang meine Erregung und überprüfte michselbst. Hatte ich logisch gedacht? Keine Denkfehler

begangen? Mußte er den Vers noch kennen; jetzt, daihn die Krankheit überfallen hatte? War er auchwirklich vollkommen klar denkend gewesen, als ersich danach erkundigt hatte? Er war klar! schaltetesich mein Logiksektor ein. Erinnere dich an denDegen, den er mit einem schweren, zweischneidigenWikingerschwert verwechselte. Ist das auch Zufall?

Zwei Männer des Lecksicherungsdienstes nähertensich. Als sie mich sahen, grüßten sie in deraltvertrauten Art, die ich so schätzte und liebte.

Die Terraner waren niemals unterwürfig gewesen,obwohl sie wußten, daß ich der Imperator war! Siehatten Respekt gezeigt, aber niemals widerlicheKriecherei, wie ich sie auf den Arkonwelten täglicherdulden mußte.

»Lauft euch nur nicht die Füße wund, Jungs«,sagte ich. »Hier gibt es auch Rollbänder.«

Einer von ihnen blinzelte mir verschmitzt zu.»Sir, wir sind heruntergesprungen, als wir Sie

sahen. Wir haben nämlich den Befehl erhalten, dieBänder nicht zu benutzen.«

Ich lachte befreit auf. Als ich ging, nahmen sieHaltung an. Ich wußte, daß sie meine Freunde waren,und das tat gut.

Ein Stockwerk tiefer lag meine Kabine. Bull mußtein wenigen Augenblicken erscheinen.

*

»... und Sie haben den Abtransport desbewußtlosen Cardifs nur auf dem Bildschirm desU-Bootes verfolgen können?«

Er nickte. Sein Gesicht war blaß und gespannt.»Sie hatten keine Gelegenheit, Vater und Sohn

gleichzeitig zu sehen?«»Atlan, worauf wollen Sie hinaus?« Ich winkte ab.»Wer ist zuerst in den Verhörraum eingedrungen?

Waren Sie es?«»Nein, Major Rengall, der Geheimdienstoffizier

des Unterwasserkommandos.«»Und er fand Rhodan in besinnungslosem

Zustand?«»Ja, natürlich. Die Funkverbindung war schon

vorher abgebrochen. Die Antis waren mit demSpringerschiff gestartet.

Es war alles klar.«»Ist Major Rengall hier?«»Nein.«»Was geschah anschließend?«»Das Kommando brachte Rhodan in das U-Boot,

wo ich wartete. Wir tauchten auf, und dieIRONDUKE landete. Vorher flog derUnterseestützpunkt der Antis in die Luft. Atlan, wennSie mir jetzt nicht sagen, was Sie mit diesen Fragenbezwecken, dann ...«

Er unterbrach sich. Verständnislos sah er mir nach.

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Schon in der Tür stehend, bat ich ihn: »Bully,erwarten Sie mich in der Zentrale.«

»Wohin wollen Sie?«»Perry einige Fragen stellen.«»Sie sind verrückt. Er wird Sie erschießen.«»Er wird mich ebensowenig erschießen, wie er

mich damals im Venusmuseum mit einem Degenerschlagen hat. Gehen Sie, alter Freund, undüberlassen Sie die Sache mir.«

Er ging nicht. Achselzuckend verließ ich dieKabine. Ich eilte auf den Lift zu, sprang in dasAntigravfeld und stieß mich ab. In derRingwulstetage stieg ich aus. Hier lagen dieUnterkünfte der Schiffsoffiziere. Auch RhodansKajüte war hier eingerichtet worden. Es sollte einprächtiger Raum sein, hatte man mir gesagt.

Dieser Luxus paßte nicht zu einem Perry Rhodan,auch dann nicht, wenn er sich krank fühlte. Er warnie ein Mann gewesen, der auf Äußerlichkeiten Wertgelegt hatte.

Es paßte überhaupt nichts mehr zu dem PerryRhodan, den ich kannte und schätzte.

Vor dem Panzerschott waren zwei Kampfroboteraufmarschiert. Sie hatten ihre Körperschutzschirmeeingeschaltet, und die Mündungen der Energiewaffenflimmerten rötlich. Die Strahler waren geladen undentsichert.

Zögernd blieb ich stehen. In dem Augenblickwurde die Zelle der IRONDUKE heftig erschüttert.Ich verlor den Halt und stürzte zu Boden. In derStellung wartete ich, bis die Breitseite in eingleichmäßiges Donnern überging.

Das Schlachtschiff hatte das Feuer eröffnet.Wahrscheinlich würden jetzt achttausend terranischeRaumer aus allen Rohren schießen. Rhodan mußteden Feuerbefehl gegeben haben, als ich meineKabine verlassen hatte.

Die Salventaktabsorber nahmen dieErschütterungen auf. Trotzdem kamen noch einigeSchubstöße nach Feuerlee durch.

Vorsichtig ging ich auf die Robots zu, die ihreWaffen sofort in Anschlag brachten. Sie sprachenkein Wort. Es war auch nicht notwendig. Laut riefich ihnen zu:

»Imperator Gonozal VIII., Herrscher über Arkonund das arkonidische Sternenreich bittet um einekurze Unterredung mit Perry Rhodan. Meldet michan!«

»Warten Sie.«Der Robot schien einen drahtlosen Anruf

abzustrahlen. Gleich darauf erschien RhodansGesicht auf dem Kontrollbildschirm an derAußenwandung. »Was willst du?«

»Ich glaube ein Mittel gefunden zu haben,sämtliche Antis besinnungslos machen zu können.Die Waffe ist an Bord meines Flaggschiffes

TEPARO. Es dürfte von Vorteil sein, die Baalols aufdiese Weise in unsere Gewalt zu bringen. Ich ... nunöffne endlich die Tür! Soll ich mir die Lungen ausdem Hals schreien? Seit wann kann ich dich nichtmehr sprechen?« Er zögerte.

»Tritt ein. Ich habe drei Minuten Zeit!« DieKampfmaschinen machten Platz. Vor mir öffnetensich die Schotte. Ich besaß keinerlei Beweise, mit derich meine Behauptung hätte rechtfertigen können.Wenn sich mein Verdacht nicht bestätigte, würde derFreund endgültig zum offenen Feind werden.

5.

Einen solchen Prunk hatte ich nicht erwartet.Rhodan saß in einem luxuriösen Pneumosessel. DieUniform hatte er über der Brust geöffnet. Ichbemerkte den mit seinem Gewebe verwachsenenZellaktivator.

Mühevoll richtete er sich auf. Dann stand er vormir wie ein Berg aus Schaumstoff.

Ich zögerte nicht mehr lange. Seine gelben Augendrückten Mißtrauen aus. Anscheinend bereute er esbereits, mich eingelassen zu haben. Noch aberbeherrschte er sich, noch schauspielerte er weiter. Erwußte nicht, wie weit meine Überlegungen gediehenwaren.

Draußen feuerten die Kanonen der IRONDUKE.Es war eine unwirkliche Situation. »Nun?«

Ich sah ihn zwingend an. Meine Hand schwebteüber dem Griff der Waffe.

»Deine Hypnoschulung weist einige Fehler auf,mein Junge«, sagte ich fast herzlich. »Man hat esanscheinend versäumt, die unwesentlicherscheinenden Details aus RhodansErinnerungszentrum in das deine zu übertragen. Ichverstehe nun recht gut, warum du es bishervermieden hast, mir gegenüberzutreten. Setze dichhin, Bürschlein. Ich bin einige Jahrtausende älter alsdu, und außerdem ist dein Vater mein bester Freund.Setz dich hin!«

Er starrte mich an. Noch fehlte mir der letzteBeweis, obwohl ich - vom logischen Standpunkt her -vollkommen sicher war.

Ich bemerkte seine aufflackernde Angst. Plötzlichwar er nicht mehr der großmächtige Herrscher, derhohe Offiziere dazu zwang, überspitzteEhrenbezeigungen zu erweisen.

Sein Mund war weit geöffnet. Noch sagte er keinWort.

»Du sollst dich setzen, Thomas Cardif! Du hastentscheidende Fehler begangen, die nur ich bemerkenkonnte. Der Vers ist das wichtigste Erinnerungsgliedzwischen deinem Vater und mir. Wir haben auchnicht mit leichten Degen gekämpft, sondern mitbreiten und schweren Wikingerschwertern. Dazu

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kommen noch einige Dinge, die du nicht wissenkannst. Ich möchte von dir hören, wie es dir gelungenist, die Menschheit zu übertölpeln. Ich möchte fernererfahren, wo Perry Rhodan zu finden ist. Cardif - tuees nicht!«

Plötzlich brüllte er wieder, aber es waren keineSchrei des Zornes. Ich wußte, wie hilflos er in diesenAugenblicken war.

Seine Hand glitt zur Waffe. Er war zu langsam.Erst wollte ich ebenfalls ziehen, dann sprang ichdoch nach vorn.

Er versuchte, sich zu wehren, er, derwahrscheinlich ernsthaft angenommen hatte, seineKörpergröße wäre gleichbedeutend mit der Krafteines Riesen.

Schon nach meinem ersten Hieb taumelte er mitglasigem Blick. Ich drehte ihn mit einem Hebelgriffauf den Rücken, riß die Impulswaffe aus der offenenHalfter und versetzte ihm dann den zweiten Schlag,der aber schon mehr als Ohrfeige gedacht war.

Er schrie fürchterlich. In seinen Augen stand nurnoch Angst. Da wußte ich endgültig, daß ich nichtPerry Rhodan, sondern seinen verräterischen Sohnvor mir hatte. Thomas Cardif hatte die gesamteGalaxis betrogen, und niemand hatte es bemerkt!

Ich ohrfeigte ihn weiter, und er begann um Gnadezu flehen.

Da geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.Das Schott glitt auf. Ich erblickte einen derKampfroboter und eine plumpe Waffenmündung.

»Halt, nicht schießen«, schrie ich, doch es warschon zu spät. Einem Menschen hätte ich noch eineErklärung zurufen können, nicht aber einerspezialisierten Kampfmaschine, die weiter nichts zutun hatte, als ihren Herrn zu bewachen.

Ich sah direkt in den blendenden Blitz, der mir inMagenhöhe in den Körper fuhr.

Ein greller Schmerz durchzuckte mich. Haltlos,noch im Sturz verkrampfend, fiel ich zu Boden.

Ich konnte einwandfrei denken, sehen und hören.Sehen jedoch nur so weit, wie es der Blickwinkelmeiner aufgerissenen Augen erlaubte.

Der falsche Rhodan hatte sich sofort gefaßt. Erspielte den grundlos Überfallenen und Erschöpften.

Als die ersten Soldaten in die Kajüte kamen,Reginald Bull vorneweg, war ich nicht mehr fähig,ein erklärendes Wort zu sagen.

Cardif tobte. Wahrscheinlich hätte er mich auf derStelle erschossen, wenn er nicht gegen seine Protestemit sanfter Gewalt von zwei medizinischen Roboternangehoben und aus der Kajüte gebracht worden wäre.

Ich hörte nur noch seine Schreie, als er nicht mehrzu sehen war. Innerlich atmete ich auf. Ich war voneiner Schockwaffe gelähmt worden.Erfahrungsgemäß würde dieser Zustand etwa zweiStunden lang anhalten. Was aber konnte in dem

Zeitraum geschehen?Jemand drehte mich herum, so daß ich auf den

Rücken zu liegen kam. Bulls Gesicht erschien inmeinem Blickfeld. Dicht neben ihm wurde Allan D.Mercant erkennbar.

»Geschockt, sinnlos zu fragen«, sagte Mercant mitder ihm eigenen Beherrschung. »Atlan, ich weiß, daßSie mich hören können. Uns bleibt jetzt keine andereWahl, als Sie vor Rhodans Zorn zu schützen, bis Siewieder sprechen können. Anschließend wird sichalles klären.«

»Was war los? Reißen Sie sich zusammen was warlos?« fragte Bully fast weinerlich. »Atlan, sagen Siemir doch, was hier geschehen ist! Sie haben ihnniedergeschlagen. Sein Gesicht ist verschwollen,noch mehr als sonst.«

Ich verzweifelte beinahe, aber ich konnte beimbesten Willen keine Auskünfte geben.

»Lassen Sie das«, meinte Mercant kühl. »Das istein Fall für die Abwehr. Bringen Sie ihn in dieZentrale. Dort haben wir ihn gut unter Beobachtung.Sorgen Sie dafür, daß Rhodan nicht eher aus demLazarett entlassen wird, bis wir Atlans Erklärungengehört haben. Mehr können wir augenblicklich nichttun.«

Wie weise war dieser kleine Mann! Er schien zuahnen, oder gar schon zu wissen, was sich zwischenmir und dem falschen Rhodan abgespielt hatte.

Zwei Roboter hoben mich auf. Im Laufschrittwurde ich zur Zentrale getragen, wo sie mich aufeinem abseits stehenden Kontursessel niederlegten.

Ich mußte abwarten. Mir blieb keine andere Wahl.Seit meinem Unfall waren eine Stunde und

sechsundvierzig Minuten vergangen.Die Intensität des Waffenstrahlers konnte ich nur

schätzen, die verstrichene Zeit war mir genaubekannt. Man hatte mich so gebettet, daß ich dieBorduhr über den Hauptkontrollen sehen konnte.

Die Geschütze der IRONDUKE feuerten nochimmer. Vor einer Viertelstunde war eine bedeutsameMeldung bekanntgeworden. Die auf Trakaratlebenden Antis hatten den planetenumspannendenSchutzschirm zurückgezogen.

Anscheinend waren sie trotz ihrer unheimlichenPsi-Kräfte nicht mehr fähig gewesen, dieenergetische Struktur des Feldes durch geistigeMentalaufladung zu verstärken.

Mittlerweile hatten wir auch erfahren, daß es aufTrakarat nur eine Stadt gab. Sonst war nirgends eineAnsiedlung zu entdecken gewesen. Über dieser Stadtlag nun ein so hochverdichteter Energieschirm, daßer mit Strahlwaffen kaum noch zu durchbrochen war.

Achttausend Raumschiffe griffen gruppenweisean, und trotzdem hielt das etwa zehn Kilometerdurchmessende Glockenfeld. Es war unvorstellbar!

Die erhöhte Psi-Tätigkeit der Antis hatte sich zu

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meinem Nachteil bemerkbar gemacht.Kurz nach meiner Erstarrung waren Gucky und

John Marshall erschienen. Die besten Telepathen desMutantenkorps hatten versucht, meinenBewußtseinsinhalt zu erfassen.

Ich hatte sofort meinen Monoblock aufgehobenund mein Gehirn soweit geöffnet, wie es möglichwar. Schon hatte ich geglaubt, meine Erkenntnisseüber Thomas Cardif auf telepathischer Ebeneübermitteln zu können, als die Umstellung desAntischirmes erfolgt war.

Die parapsychische Überlagerung derMutantenfähigkeit war sofort spürbar geworden. Ichselbst war kein Telepath, wonach ich nicht hattebehilflich sein können. Gucky und Marshall warenaußerstande gewesen, meine Gedankenaufzunehmen. Ich hörte aus ihren Gesprächen, daßsie zwar einzelne Impulse wahrnehmen konnten, aberdas reichte nicht für eine einwandfreie Übermittlungaus.

So schwebte ich durch die hektische und vonSelbsterhaltungstrieb gesteigerte Aktivität dersogenannten Baalol-Priester in noch größerer Gefahr.

Gucky saß neben mir auf dem Lager. Er wischtemir gelegentlich über die Stirn, wobei er mir sotraurig in meine gelähmten Augen sah, daß ich fastverzweifelte.

Unermüdlich wiederholte er seine Frage, was nuneigentlich geschehen sei. Bully und Mercant konntensich nicht um mich kümmern. Rhodans Stellvertreterhatte den Befehl über die terranische Flotteübernommen.

Vor drei Minuten hatte Bull angeordnet, denunbezwingbaren Abwehrschirm der Antisgleichzeitig mit energetischen und konventionellenWaffen zu beschießen.

Einige Superschlachtschiffe der Solaren Flottewaren mit altertümlichen Raketenwerfern bestücktworden. Wir waren darüber informiert, daß einmental aufgeladenes Feld der Baalols fürStrahlwaffen undurchdringbar wurde.

Die Strukturveränderung zeigte jedoch beachtlicheNachteile, sobald man auf die Idee kam, ein derart»verhärtetes« Feld mit antimagnetischen Flugkörpernvon hoher Aufschlagwucht anzugreifen.

Die Antis hatten in dieser Hinsicht ebenfallsErfahrungen gesammelt. So verstanden sie es,mentale Beeinflussung und Normalzustand in soraschen Intervallen zu ändern, daß praktisch keineMöglichkeit bestand, den richtigenTreffer-Augenblick für eine der beiden Waffen zuerfassen.

Bull hatte sich trotzdem zu einem kombiniertenBeschuß entschlossen. Die positronischenRechengehirne liefen. Es sollte festgestellt werden,wie schnell die Wechselschaltungen erfolgten. Wir

kamen auf eine Tausendstelsekunde!Während einer solchen Stabilisierungsperiode

mußten zahlreiche Strahlschüsse gleichzeitigeinschlagen, oder aber etliche Fernraketen. Dasbedeutete eine Synchronisierung ersten Ranges. Siewar kaum durchführbar. Dennoch liefen dieBerechnungen weiter.

Ich verfolgte Bullys Maßnahmen mit großerAufmerksamkeit. So verstrich eine Minute nach deranderen. Dabei versuchte ich, nicht an ThomasCardif zu denken, über dessen falsches Spiel ichnichts aussagen konnte.

Ich rechnete fieberhaft. Wenn der Schockschußnicht zu stark gewesen war, konnte ich nach etwazwei Stunden die Gewalt über meinen Körperzurückgewinnen. Die damit verbundenen Schmerzenkannte ich. Ich sah sie als einen vernachlässigbarenFaktor an.

Viel wichtiger war die Frage, ob es Cardif vorhernoch gelingen würde, zu mir vorzudringen. Nur darinlag die Gefahr, was er natürlich ebenfallsherausgefunden hatte.

Zwar hatte Mercant befohlen, ihn bis zu meinerNormalisierung in der Bordklinik festzuhalten, wasaber keine Garantie für meine Sicherheit war. Zudiesen Überlegungen warf sich für mich noch dasProblem auf, wie es dem Verbrecher gelungen war,die Menschheit so nachhaltig zu täuschen. Schulddaran waren zweifellos Rhodans engste Mitarbeiter,die wahrscheinlich überhaupt nicht die Möglichkeiterwogen hatten, der falsche Mann hätte die Machtergriffen. Dabei hatte es so viele Anhaltspunktegegeben, Cardif zu mißtrauen. Mehr wäre gar nichtnötig gewesen ! Wenn man erst einmal argwöhnischgeworden wäre, hätte es bis zur Entlarvung desBetrügers nicht mehr lange dauern können.

Für Cardif kam es zu diesem Zeitpunkt darauf an,mich aus dem Wege zu räumen. Als meineÜberlegungen so weit gediehen waren, trat das ein,was ich befürchtet hatte.

Die aufgleitenden Schotte konnte ich nicht sehen.Wohl aber hörte ich den plötzlich entstehendenTumult, aus dem Cardifs Organ deutlich hervorstach.

»Ich ordne das Standrecht an und lasse Sie vor einBordgericht stellen!« hörte ich ihn schreien. »GebenSie den Weg frei, Mr. Mercant, Sie sind ab sofortIhres Kommandos enthoben.«

Ich konnte nur einen kleinen Teil der Zentraleübersehen. Jetzt war ich verloren! Wenn Cardifgeschickt handelte, mußte es ihm gelingen, bis zumeinem Lager vorzudringen, und - ich konnte michnicht bewegen!

Bully versuchte, ihn zurückzuhalten. Es mißlang.Die Disziplin an Bord terranischer Raumschiffe ließOffiziere und Mannschaften nicht auf den Gedankenkommen, den Oberbefehlshaber mit offener Gewalt

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zu behindern. Das wäre gleichbedeutend mitMeuterei gewesen, und darauf stand die Todesstrafe.Die IRONDUKE befand sich im Einsatz. IhreBesatzung unterstand damit dem Kriegsrecht.

Mercant hatte ohnehin nur versuchen können,Cardif zu überlisten.

Du hättest ihn schocken sollen. Narr! gab meinExtrahirn obendrein noch bekannt.

Die Stimmen kamen immer näher. Die kolossaleGestalt erschien in meinem Blickfeld.

Ich bemühte mich verzweifelt, die Herrschaft übermeinen Körper zurückzugewinnen. Die gelähmtenNerven reagierten jedoch nicht.

»Sir, bedenken Sie, wen Sie in Atlan zurespektieren haben«, sagte Mercant erregt. »Sieverursachen mit absoluter Sicherheit einen Krieg mitdem arkonidischen Imperium! Der Robotregent wirdsofort die Macht übernehmen, sobald der Imperatornicht mehr handlungsfähig sein sollte. Sir - so hörenSie doch auf mich ...«

Cardif stieß den schmächtigen Mann zur Seite.Dann stand er dicht vor mir. Sein Gesicht war vonHaß und Furcht noch mehr verzerrt.

Ehe Mercant erneut eingreifen konnte, handelteder Verräter bereits.

Seine Rechte erfaßte die Waffe und zerrte sieerstaunlich schnell aus dem Halfter. Ich hörte denAufschrei der Anwesenden - doch dann geschahetwas, woran ich nicht mehr geglaubt hatte.

Wenigstens einer wagte es, dem AdministratorWiderstand zu leisten. Es war Gucky!

Der Mausbiber saß immer noch auf dem Randmeines Lagers, als der schon feuerbereite Strahler ausCardifs Hand gerissen und gegen die stählerne Deckegeschleudert wurde.

»Das erlaube ich nicht«, sagte der Mausbiberfeindselig. »Ich werde dich zerschmettern, wenn dudas noch einmal versuchst.«

Cardif wich taumelnd zurück. Seine Augen warenweit aufgerissen. Zwei andere Mutanten des Korpsstellten sich vor mich. Es waren Iwan Goratschin undder Telekinet Tama Yokida.

»Sie werden doch wohl noch zehn Minuten wartenkönnen, Sir, oder?« fragte der mittelgroße Japaner inaller Ruhe.

»Offene Meuterei«, rief Cardif außer sich.»Claudrin, erschießen Sie diese Männer. Geben Siemir meine Waffe nein, reichen Sie mir die Ihre.«

In dem Augenblick verlieh mir die Verzweiflungungeahnte Kräfte. Die Starre begann von mir zuweichen. Ich stieß einen krächzenden Laut aus, derCardif sofort aufmerksam werden ließ.

Er handelte schnell! Ehe die Terraner die Lageerfaßten, verschwand er aus der Zentrale. Dabeiverstand er es geschickt, seinen Rückzug mit allerleiDrohungen zu tarnen.

Oberst Claudrin ließ sogar einen Stoßseufzerhören, als der angebliche Administrator nicht mehrzu sehen war.

»Glück gehabt«, sagte Goratschins linker Kopf.Der rechte lachte. Gucky fuhr mir mit der zartenPfote über die Stirn.

Ich konnte mich noch nicht bewegen. Die Laute,die meinem Mund entflohen, mußten unverständlichsein. Man mühte sich um mich, aber die Zeitverstrich, ohne, daß man etwas gegen Cardifunternahm.

Erst zehn Minuten später fühlte ich die qualvollenSchmerzen. Mein Nervensystem erwachte. Ich schrie,bis es mir endlich gelang, einige Worte zuformulieren. Jedermann in der Zentrale hörte sie. Ichwar laut genug.

»Verhaften - schnell, es ist Thomas Cardif,verhaften! Mercant - er ist nicht Rhodan, schnell ...«

Der Abwehrchef fuhr zusammen, als hätte ihn einGeschoß gestreift.

»Atlan, sind Sie sicher?« brüllte mir Bully ins Ohr.Er war leichenblaß.

»Ja, es ist Cardif. Abfangen - Beweisehundertprozentig, verhaften ...«

Da erwachten sie endlich aus ihrer Verwirrung.Plötzlich schien ihnen einzufallen wie anomal sichdieser angebliche Rhodan benommen hatte, wie sehrsie sich in ihrer Verblendung und Verehrung für denechten Rhodan von seinem Sohn hatten täuschenlassen.

Nie hatte ich Männer so laufen sehen. Ich konntejetzt schon meine Hände bewegen, wenig später dieArme und Beine. Die Schmerzen wurden fastunerträglich. Flüssiges Blei, das mit Millionen feinerNadeln gespickt war, schien durch meine Adern zurinnen.

Ich versuchte nicht, meinen Zustand durchheldenhaftes Benehmen zu verheimlichen. Wenn ichschrie, gelang es mir immer, einige erklärende Wortehervorzustoßen.

Wieder dauerte es Minuten, bis ich mich aufrichtenkonnte. In dem Augenblick kam jene Meldung durch,die ich befürchtet hatte. Die Schleusenzentrale riefan.

Ein Captain teilte mit, der Chef sei mit einerSpace-Jet gestartet, um Verhandlungen mit den Antisauf Trakarat einzuleiten. Rhodan habe soeben denHangartubus verlassen. Er wäre allein!

Bully tobte, und ich wurde endlich innerlich ruhig.Jetzt hatten wir den letzten Beweis. Ich hatte es nichtmehr nötig, die noch Zweifelnden überzeugen zumüssen.

Auf wankenden Beinen stand ich vor dem Lager.Mercant war es, der die Sachlage zuerst in vollerKonsequenz überschaute.

»Ruhe!« schrie er, und nochmals: »Ruhe!«

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Ich grinste ihn ironisch an. »Ihr Helden«, lallte ichmit noch schwerer Zunge. »Euer Verstand istoffenbar eingefroren.«

»Ihre Befehle, Sir!« sagte Mercant beherrscht.»Haben Sie eine Idee?«

»Natürlich. Sofort eine Space-Jet startklar machen.Pilot ist Leutnant Brazo Alkher. Ich kenne ihn.Gucky, willst du mit mir fliegen? DeineParafähigkeiten werden auf Trakarat fast nutzlossein, aber es dürfte dir wahrscheinlich gelingen,Cardifs Aktivator anzupeilen. Hast du das lauteGelächter gehört, als er aus der Zentrale ging?«

»Ja, was war es?«»Ein diabolisches Lachen. Es erklang im

Unterbewußtsein. Es kam aus dem Aktivator. DasFiktivwesen von Wanderer hat schon immer gewußt,daß dieser Rhodan ein Betrüger war! Versteht ihrnun, warum es zu der Zellwucherung kam? Cardifhat als Perry Rhodan einen lebenserhaltendenAktivator verlangt, wie ich ebenfalls einen besitze.ES hat wieder einmal gespielt. Das Gerät wurde vonIHM auf Rhodans Individualschwingungenabgestimmt, die jedoch geringfügige Unterschiede zuCardifs Werten aufweisen. Das hat der Schurke zuspät erkannt. Gucky, gehst du mit?«

»Sie wollen doch nicht auf Trakarat landen?«fragte Mercant bestürzt.

»Ich gehe. Wahrscheinlich wird Cardif seineFreunde angerufen haben. Setzen Sie den Beschußfort. Wenn ich das Zeichen gebe, drohen Sie mit derVernichtung dieser Welt durch einen Atombrand.Verlangen Sie außerdem die sofortige Freilassungvon Perry Rhodan, der dort unten gefangengehaltenwerden dürfte. Es spricht alles dafür. Es gab nachAnsicht der Baalols keinen geeigneterenAufenthaltsort als Trakarat. Sie werden ihrenkostbarsten Gefangenen nicht anderswountergebracht haben. Nein, zum Teufel, jetzt fragenSie mir doch nicht die Seele aus dem Leib! HandelnSie endlich. Sie haben lange genug geschlafen.«

Das reichte. In wenigen Minuten hatten wir klareAbsprachen getroffen. Kodesignale wurdenvereinbart. Ich verzichtete nach wie vor darauf, voneinem Einsatzkommando begleitet zu werden. DieMutanten konnten ohnehin nichts unternehmen. IhreFähigkeiten mußten nahe der Antistadt vollkommenaufgehoben werden. Es war überhaupt erstaunlich,daß es dem Mausbiber gelungen war, Cardif dieWaffe zu entreißen. Gucky hatte sich wahrscheinlichüberanstrengen müssen.

Die Space-Jet des Flüchtlings wurde geortet.Niemand schoß auf ihn. Das Bordgehirn strahlte denvorgeschriebenen Losungsimpuls ab. Außerdemwaren die Kommandanten der anderen Raumschiffenoch nicht unterrichtet worden. Es wurde höchsteZeit, die Verfolgung aufzunehmen.

Die von mir verlangten Ausrüstungsgegenständewurden in eine zweite Flugscheibe gebracht. Alkher,Gucky und ich legten arkonidische Kampfanzüge an.

Mercant gab mir endlich jene Waffe, die er schonbei unserer Besprechung auf Saos erwähnt hatte. Eswar ein sogenannter Kombilader, dessen Funktioneinleuchtend war.

Das war die Waffe, mit der man die parapsychischbegabten Götzenpriester besiegen konnte, auch dann,wenn sie einen normalen Körperschutzschirm durchihre mentalen Kräfte so verstärkten, daß er kaumnoch von einer Schiffskanone zerstört werdenkonnte.

Ich sah den Kombilader zum ersten Male.Cardif tauchte in die Atmosphäre des Planeten ein,

als wir endlich in der Schleuse ankamen.Eigentlich hätte er längst gelandet sein müssen.

Warum hatte er sich so lange im Raum aufgehalten?Der richtige Gedanke kam mir fast zu spät! Cardif

hatte erst die Landeerlaubnis einholen müssen. Fürmich war es ein Vorteil. Sein großer Vorsprung wardadurch auf ein Minimum zusammengeschrumpft.

Der Schleusenabschuß traf mich hart. Ich brauchtenoch einige Zeit zur Erholung. Die injiziertenMedikamente mußten aber bald zu wirken beginnen.

6.

Leutnant Brazo Alkher war ein Meister seinesFaches. Entspannt und doch konzentriert wirkend,saß er hinter der modernen Knüppelschaltung derDüsenquerschnittsverstellung. Space-Jets warenfünfunddreißig Meter durchmessendeDiskusflugkörper mit Polzentralen.

Wir drangen vom Pol her in die Atmosphäre ein,um den äquatorialen Staubringen entgehen zukönnen. Die Terraner hatten bereits einenJägerverband verloren, als dessen Führerversehentlich mit hoher Fahrt die relativ dichteMaterie durchstoßen hatte. Die entstehendeReibungshitze hatte von den Maschinen nicht mehrabsorbiert werden können.

Gucky saß hinter uns im Sessel desOrtungsfunkers. Er lauschte angestrengt auf dieunverkennbaren Impulse des Zellaktivators. Er hattemir mitgeteilt, die Ausstrahlungen würden ständiglauter werden.

Es hatte den Anschein, als steuere das Gerät ineine Zustandsform hinein, die von niemandkontrolliert oder berechnet werden konnte.

Draußen begann es zu pfeifen. Die erstenGasmoleküle wurden von dem Prallfeld erfaßt undgewaltsam abgestoßen. Brazo schien unsereSpace-Jet in einen Kometen verwandeln zu wollen.Ich vertraute jedoch auf sein Können. Er wußte, waser den Abwehrfeldern zumuten konnte.

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Schließlich bekamen wir wieder einen klarenOrtungskontakt. Cardifs Maschine erschien über demFunkhorizont.

»Abschwenken auf äquatoriale Ringbahn«, rief ichAlkher zu. Er nickte nur. Ich hatte es unterlassen, ihnnochmals auf die gefährlichen Materiewolkenaufmerksam zu machen.

Er berechnete seinen Kurs auch richtig. Nur dünneAusläufer kamen noch mit unserem Prallfeld inBerührung. Noch steiler stürzten wir auf dieOberfläche zu. Cardifs Schiff verschwand schonwieder hinter der Planetenrundung.

In achtzig Kilometern Höhe angekommen, fingAlkher unsere Jet auf. Weit voraus mußte dieHauptstadt der Antis liegen. Wir empfingen dieersten Energieechos, die vom Schutzschirm über derAnsiedlung verursacht wurden.

Ich gab dem Piloten ein Zeichen. Gleichzeitigbeugte ich mich nach links und drückte auf denSammelschaltknopf seines Einsatzanzuges. Derdurchsichtige Energieschirm legte sich über seinenKörper.

Gucky folgte meinem Beispiel. Er sagte kein Wort.Wir hatten abgesprochen, er solle sich nur dannmelden, wenn seine Parapeilung einen falschen Kursauswiese. Anscheinend war das nicht der Fall.

Es war auch nicht zu erwarten, daß Cardif einenanderen Ort als die Stadt aufsuchen würde. Sie hattebisher noch keinen Namen erhalten. So nannte ich siebei mir Antipolis.

Wir flogen noch mit vierzigfacherSchallgeschwindigkeit. Ich bemerkte, daß Brazoimmer wieder zur Düsenumlenkung greifen mußte,um die Jet in der Flugbahn halten zu können. UnsereFahrt lag etwas höher als die Fluchtgeschwindigkeitvon Trakarat. Ohne Antriebskorrekturen wären wirfraglos in den Raum getragen worden. Noch konnteuns die Gravitation nicht festhalten.

Umloht von einer weißglühenden Aureolehocherhitzter Gasmassen, rasten wir über weiteSteppen und Wälder hinweg. Trakarat war eineschöne Welt mit blauem Himmel, angenehmerAtmosphäre und reichem Wasserhaushalt. Hier ließes sich schon leben.

Es war nur verwunderlich, daß die Baalols daraufverzichtet hatten, den Planeten vollkommen zubesiedeln. Offenbar lag es aber in ihrer Mentalität,eine Kolonisierung in gewohntem Sinne nichtvorzunehmen. Unsere Logiker waren mittlerweile zuder Auffassung gelangt, Trakarat diene lediglich alsAusbildungszentrale für die vielen Kultpriester, dieman auf allen Welten der Galaxis antreffen konnte.Hier schien das Koordinierungssystem zu liegen, vondem aus die Geschehnisse geplant und gesteuertwurden.

Am Horizont zeichnete sich ein Flimmern ab. Wir

flogen der roten Doppelsonne entgegen, die ebenüber Antipolis aufgegangen war.

Es war ein seltenes Gestirn. Ich hatte noch nieeinen Doppelstern von solcher Harmonie gesehen.Die Sonnen standen sehr eng beieinander; kaumdurch einige Lichtwochen getrennt. So geschah es,daß sie von ihren sechzehn Planeten auf nur wenigexzentrischen Bahnen umlaufen wurden.

Das Sterngefunkel des nahenMilchstraßenzentrums verblaßte, je tiefer wir in dieLufthülle eintauchten und je heller das Tageslichtwurde. Jetzt hatte uns wieder einmal eine fremdeWelt eingefangen, nur lauerten hier Gefahren überGefahren.

Das Triebwerk heulte für wenige Sekunden mitvoller Schubleistung auf. Brazo arbeitete mit 2500Megapond. Der Andruckabsorber nahm dieBeharrungskräfte gut auf.

Als wir im Sturzflug tiefer glitten - Gucky hatteein dahingehendes Zeichen gegeben - waren wir nurnoch zweifach überschallschnell. Vielleicht war esetwas mehr oder weniger, da sich noch niemand dieMühe gemacht hatte, die Atmosphäre von Trakaratauf ihre Schalleitgeschwindigkeit zu untersuchen.Uns genügte es zu wissen, daß man sie gut einatmenkonnte.

Entgegen meiner Absprache mit Bully meldetesich plötzlich die Funkstation der IRONDUKE. BullsGesicht erschien auf unserem Bildschirm.

»Vorsicht«, sagte er so ruhig, als hätte ich ihmgegenübergesessen. »Eine schwere Kampfrakete hatden Schirm durchschlagen. Sie ist in der Stadtexplodiert.«

»Welche Energieentwicklung hatte derSprengkopf?« fragte ich besorgt zurück. »Nur fünfzigTonnen. Die Hitzewelle mußte jedoch beachtlichsein. Das Glockenfeld schwankt. Wir kommen jetztmit den Strahlkanonen durch. Paßt auf. Bei denKontaktpunkten kocht das Gelände. Die Antismelden sich aber immer noch nicht. Anweisungen?Wie wäre es mit einem massierten Einsatz allerLandetruppen? Die Stadt ist sturmreif geschossen.«

»Abwarten, noch nicht. Einen Augenblick, bitte!«Ich drehte mich zu Gucky um. Er lag mit

geschlossenen Augen in seinem Sitz. »Wo steht dieMaschine?«

»Klare Echos, sehr stark. Sie gleitet ab. Er setzt zurLandung an.«

Bully hatte die Worte gehört. Ich sagte rasch:»Wir folgen ihm. Schießen Sie weiter, aber

nehmen Sie nur noch chemische Explosivladungenoder Vibrationsköpfe. Lassen die Antis nach?«

»Ganz erheblich. Der Schirm könnte jetzt vollendszerstört werden.«

»Reißen Sie ihn nur auf. Nehmen Sie einigeRandprojektoren unter Feuer. Ich brauche einen

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Konturriß. Ich fliege aus nördlicher Richtung an,Ende.«

Brazo ließ die Jet im Gleitflug nach unten stoßen.Antipolis war noch fünfzig Kilometer entfernt. Ichwunderte mich über die mangelhafte Bodenabwehr.

Die Stadt war von vier Kanonenforts umgebengewesen, die wir inzwischen zerstört hatten. DieForts hatten aber kein einziges Raumschiffvernichten können.

Weshalb hatten es die Baalols unterlassen, denPlaneten zu einer Festung auszubauen?Wahrscheinlich hatten sie niemals mit einemmassierten Angriff gerechnet. Die große Energiehüllehätte tausend und mehr Raumschiffen standhaltenkönnen, nicht aber achttausend terranischenEinheiten, deren Kommandanten geschickt genuggewesen waren, gleichzeitig zu feuern. ImFormationsflug waren sie nicht zu schlagen, diekleinen Barbaren von Terra.

Je näher wir kamen, um so deutlicher bemerktenwir die aus dem Raum niederzuckendenLeuchtfinger. Es war ein filigranhaftes Gespinst vonultrablauen, grünlichen und rosa Linien, die alle denTod in sich trugen.

Die terranischen Gunneroffiziere schossenunglaublich genau. Es kam nur sehr selten vor, daßein Strahlschuß die hochgewölbte Energiekuppelverfehlte, um dicht neben ihr in den Boden zuschlagen.

Dort, an den nicht mehr geschützten Punkten,entstanden dann glutflüssige Krater, die jedoch nichtradioaktiv strahlten.

Ich überlegte. Natürlich wäre es närrisch gewesen,anzunehmen, man würde uns mit offenen Armenempfangen. Sicherlich dachte auch niemand daran,dem arkonidischen Imperator den Schutzschirm zuöffnen, nur weil er es sich in den Kopf gesetzt hatte,einen flüchtigen Verbrecher zu fangen. Ich hattemich also einmal mit dem Glutmeer außerhalb desEnergieschirmes auseinanderzusetzen und zumanderen mit der Feldglocke selbst. Wenn sie nichtaufgerissen wurde, war ein Eindringen unmöglich.

Wahrscheinlich würde man Cardif einlassen,obwohl mir meine Logik sagte, daß dieGötzenpriester über den Besucher nicht sehr entzücktsein konnten. Als Cardif noch fähig war, RhodansRolle zu spielen, war er für die Baalols wertvollgewesen. Jetzt war er für sie nur noch gefährlicherBallast und Zeuge ihrer Untaten, immervorausgesetzt, die Antis hatten bereits erfahren, daßwir Cardifs Betrug durchschaut hatten.

Probleme über Probleme zeichneten sich ab.Gucky war als Teleporter nutzlos geworden. Ermußte sich schon anstrengen, um die übergeordnetenParaimpulse des Zellaktivators noch erfassen zukönnen.

In unmittelbarer Nähe so vieler Antis wurde er zudem, als was er sonst nur äußerlich erschien: zueinem kleinen, liebenswerten Geschöpf mitschwachem Knochenbau und geringenKörperkräften. Ohne seine parapsychischenFähigkeiten war er - kämpferisch gesehen wenigerwert als ein terranischer Schuljunge.

Ich feilte noch an der Vollendung meinesOperationsplanes, als etwas geschah, woran ich nurmit einem Gefühl dumpfen Unbehagens gedachthatte. Die Antis waren doch nicht so unklug gewesen,wie man angenommen hatte. »Vorsicht ...!« schrieAlkher. Zugleich riß er den Impulsknüppel nachhinten und drückte den im Kopfende eingebautenNotschalter mit dem Daumen in die Fassung. DasTriebwerk heulte auf, aber es war zu spät.

Ich bemerkte gleichzeitig zwei Dinge. Auf demBildschirm der Bodenbeobachtung zeichneten sichdrei kleine Metallkörper ab. Aus ihnen fuhren diefeurigen Energiebahnen zu uns empor.

Innerhalb der dichten Lufthülle waren sie nur halblichtschnell, weshalb ich das Aufblitzen einenSekundenbruchteil vor ihrer Ankunft sehen konnte.Ehe mein Gehirn jedoch den optischen Eindruckverarbeitet hatte, schlug es schon in unserenSchutzschirm ein.

Zwei andere Entladungen zuckten wirkungslos anuns vorbei, aber der dritte Schuß der fahrbarenAbwehrbatterie traf uns voll.

Die Jet wurde aus dem Steigkurs gerissen und sogewaltsam um ihre Achse gewirbelt, daß dieAutomatik des Absorbers kaum nachkam. HeftigeStöße preßten unsere Körper in die Anschnallgurte.Zugleich begann es unter meinen Füßen zu bersten.

Nach einer Explosion, die das molekülverdichteteStahlblech des Bodens weißglühend aufwölbte, fieldas Triebwerk aus. Die Jet stürzte ab.

Von dem dichten Qualm verspürten wir nichts. DieSchutzschirme der Kampfanzüge wirkten wiehermetisch abschließende Hüllen von Raumanzügen.Trotzdem durften wir nicht in der Maschine bleiben.

Brazo war verletzt worden. Eine Gaszunge aushocherhitztem Reaktorplasma hatte ihn getroffen, denIndividualschirm teilweise durchschlagen und starkeVerbrennungen verursacht. Ich sah Alkhersschmerzverzogenes Gesicht, aber kein Laut kam überseine Lippen.

Draußen heulten die verdrängten Luftmassen. Beidem Treffer waren wir noch etwa zehn Kilometerhoch gewesen.

Ohne ein Wort zu verlieren, hieb ich mit der Faustauf den Sprengschalter der Kanzelablösung. DieVorrichtung funktionierte noch. Mit einem dumpfenKnall wurde die Druckkabine aus den Halterungengerissen, von der stürzenden Maschine abgetrenntund in weitem Bogen davongeschleudert.

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Zu der Zeit waren wir noch dreitausend Meterhoch. Die Notstrombank lief automatisch an, um deneingebauten Antigravitationsprojektor mit Energie zuversorgen. Das heißt - sie hätte automatischanspringen sollen!

Als nichts geschah, hatten wir verstanden. Ersttausend Meter über dem Boden sprengte Brazo dasKabinendach ab, und die zusätzlich vorhandenenSchleudersitze erhielten den Zündkontakt. Wiederflogen wir aus dem Wrack heraus, doch diesmalminderte kein Andruckabsorber den heftigenBeschleunigungsstoß.

Ich wurde in dem Sitz zusammengestaucht, daß dieLuft aus meinen Lungen gedrückt wurde. Nochwährend des Fluges sah ich mich um. Gucky undAlkher waren gut aus der Kanzel gekommen. Weitentfernt schlug die Jet auf. Sie verging in einerAtomexplosion, deren Druckwelle die nun deutlicherkennbaren Abwehrgeschütze über das Geländeschleuderte. Ich löste die Anschnallgurte, schaltetedas Flugaggregat des Kampfanzuges ein und überließmich der Automatik.

Das entstehende Antigravfeld hob den Fall auf.Nur der Sessel stürzte weiter, wo er dann meinenBlicken entschwand.

Gucky und Brazo waren dicht hinter mir. DieAbsorber neutralisierten die planetarischeSchwerkraft, die in Äquatornähe etwa 1,08 Gravosbetrug.

Ich gab Handzeichen. Wahrscheinlich hätte es beieiner Funksprechverbindung doch nur Störungengegeben. Der infolge des pausenlosen Beschussesmehr und mehr zusammenbrechende Energieschirmüber Antipolis war nicht mehr weit entfernt. Wirglitten zum Boden hinab. In einem dichten Forstberührten meine Füße das Gelände. Brazo und derMausbiber folgten.

Ich schritt zu dem jungen Offizier hinüber.Nachdem er sein Körperfeld abgeschaltet hatte,untersuchte ich seine Verletzungen. Brazos rechteHüfte sah nicht gut aus. Die Verbrennungen warenschwerer als angenommen. Er stöhnte vor Schmerz.

Gucky bemühte sich vergeblich, die Hirnimpulsevon eventuell näher kommenden Intelligenzen zuempfangen.

»Die Antis überlagern alles«, beklagte er sich. »Ichkann dir nicht mehr viel nützen, Atlan. Was soll ichkleiner Bursche ohne meine Psigaben nochausrichten? Ich bin doch ein kleiner Bursche, oder?«

»Aber ein lieber, kleiner Bursche. Versuche, denAktivator ausfindig zu machen.«

»Habe ich schon. Cardif geht auf die Stadt zu.Seine Maschine muß ganz in der Nähe stehen.«

Ich öffnete Brazos Verbandskasten. Er hingunterhalb des Kombitornisters. Unter denMedikamenten wählte ich ein schmerzlinderndes

Mittel aus. Die Automatspritze zischte auf, als ichihren Inhalt unter hohem Druck in BrazosArmgewebe sprühte.

»In Ordnung, Junge, nach drei Minuten spüren Sienichts mehr, aber Sie werden stark benommen sein.Bleiben Sie hier und warten Sie.«

»Unsinn, Sir.«»Nichts da, ich kann es nicht verantworten, Sie in

dem Zustand mitzunehmen. Sie warten hier, bis Hilfekommt.« Seine braunen Augen flehten. »Sir, mirwird ja schon besser. Ich spüre nichts mehr. Ich kanndoch wenigstens als Rückendeckung fungieren.«

»Sie bleiben! Das ist ein Befehl, Leutnant.«Gucky landete wieder. Er hatte sich in die Luft

erhoben und Umschau gehalten.Hastig kam er auf seinen kurzen Beinen näher.»Ich habe Cardifs Maschine geortet. Sie steht etwa

zwei Kilometer westlich von uns in einerBodensenke. Ein Fluß windet sich hindurch.«

Wortlos schaltete ich Brazos Flugaggregat ein. Erwar so benommen, daß er sich kaum noch orientierenkonnte. Wenige Minuten später hatten wir nacheinem schnellen Tiefflug die Space-Jet erreicht. Siewar unbeschädigt, nur Thomas Cardif war nicht mehrdarin.

Aufatmend bettete ich Alkher in einenherabklappbaren Kontursessel.

»Sie haben Startverbot, ist das klar? Fliegen Sienur nicht los. Sie unterschätzen dasBetäubungsmittel. Ihre Reaktionsfähigkeit ist auf einMinimum herabgesetzt.«

»Jetzt merke ich es auch, Sir«, lallte er mitschwerer Zunge. Ich strich ihm über die Wange. Ermußte schleunigst in ärztliche Behandlung kommen.

Augenblicke später rief ich mit den starkenFunkgeräten des Kleinraumschiffes die Flotte an. DieIRONDUKE meldete sich sofort. Bull war amApparat.

»Na endlich«, rief er aufatmend. »Wir haben denAbsturz beobachtet. Wo sind Sie?«

»In Cardifs Maschine. Er wird schon in der Stadtsein. Wir haben ihn nicht mehr rechtzeitig fassenkönnen. Ich stoße mit Gucky vor.«

»Sind Sie verrückt?« rief er aufgebracht. »Manwird Sie jagen wie einen Hasen. Es genügt, daß dieBurschen eine Geisel haben.«

»Wieso? Wissen Sie jetzt bestimmt, daß Rhodanhier ist?«

»Ich habe vor fünf Minuten Antwort auf meinUltimatum bekommen. Die Antis ersuchen um einenWaffenstillstand. Sie wollen überlegen. Ja, Perry istin der Stadt. Unverletzt?«

Die letzten Worte rief er freudestrahlend aus. Auchmir wurde warm ums Herz. Nun war alles gut.»Weiter, Bull.«

»Nun ja, sie werden allerlei für Perrys Freilassung

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fordern. Über Cardifs Betrugsmanöver hat man keinWörtchen verlauten lassen. Was schlagen Sie vor?«

»Setzen Sie sofort eine Raumlandedivision ab.Stadt einschließen. Brazo braucht Hilfe. Sorgen Siedafür.«

»Okay, was noch?«»Wie sieht die Energieglocke aus?«»An sieben Stellen aufgerissen. Nordabschnitt liegt

frei. Die Antis können den Schirm nicht wiederaufbauen, wenn die Projektoren nicht mehrfunktionieren. Beeilen Sie sich also. Ich befürchte,man hat etwas im Sinn, was wir noch nichtdurchschauen können.«

»Landen Sie Ihre Männer. Ich vermute, daß mansich erst mit Cardif in Verbindung setzen will.Womöglich erhofft man sich von ihm nutzbringendeAuskünfte. Benachrichtigen Sie mich sofort, wennunvorhergesehene Dinge geschehen. Noch etwas:Informieren Sie augenblicklich sämtlicheBesatzungsmitglieder der Flotte! Unter Umständenbeginnt Cardif nochmals Theater zu spielen. Wenn ermit Unterstützung der Antis die hiesigen Senderaktiviert, kommen seine Funksprüche überall durch.Er könnte auf die Idee kommen. Sie, mich und dengesamten Führungsstab zu verleumden. Wenn dieSoldaten glauben, wir hätten eine Revolte angezettelt,möchte ich nicht in ihre Hände fallen. Passen Sie auf,Bully! Unterschätzen Sie Cardif nicht, desgleichennicht die Antis. Der Waffenstillstand ist nichtumsonst erbeten worden. Wenn ich das vereinbarteZeichen gebe, eröffnen Sie das Wirkungsfeuer aufdie südliche Halbkugel des Restschirmes. Aber nichtnach Norden abschweifen. Dort dringe ich nämlichmit Gucky ein. Alles klar?«

Er ließ ein Knurren hören, und ich schaltete ab.Brazo war noch wach.

»Alkher, glauben Sie, mir als Relaisstation füreingehende Funksprüche dienen zu können? Ichbefürchte, mit dem Armbandgerät nicht mehrdurchzukommen.«

»Okay, Sir, Sie können sich auf mich verlassen.«Er richtete sich auf. Sein schmales Gesicht wirkte

jetzt hart.Das waren Männer! Ich wünschte mir wieder

einmal, einige Millionen von ihnen unter meinemKommando zu haben.

Darüber nachzugrübeln, fehlte mir aber jetzt dieZeit. Gucky und ich machten uns fertig.

Die neuen Kombilader hatten wir mit derabgestürzten Jet verloren. Also waren wir doch aufNormalwaffen angewiesen, besser gesagt: Guckymußte sich mit der seinen helfen.

Ich hatte keinen Impulsstrahler im Gürtelhalfter.Vor dem Start hatte mir Mercant eineHandfeuerwaffe überreicht, die vor dem Aufkommender Energiestrahler als letzte Neukonstruktion

terranischer Ingenieure gegolten hatte.Es handelte sich um eine russische Automatpistole

vom Kaliber 7,63 Millimeter. Die Topeff verschoßkleine Raketengeschosse, die eine Aufschlagswuchtvon 836 Meterkilogramm entwickelten. DasDoppelmagazin faßte achtzehn panzerbrechendeProjektile.

Es konnte beliebig auf Sprengkopfzündung oderNormalschuß geschaltet werden.

7.

Vor drei Minuten hatten die IRONDUKE sowiedie beiden Superschlachtschiffe BARBAROSSA undDRUSUS das Wirkungsfeuer eröffnet. Es handeltesich um das präziseste Punktschießen, das ich jeerlebt hatte. Selbst zu jener Zeit, als ich Admiral undVerbandschef der arkonidischen Einsatzflottegewesen war, hatte ich eine so genaueFeuerzentralisierung für unmöglich gehalten.

Die Superriesen griffen die südliche Hälfte desGlockenschirmes nur mit thermisch wirksamenImpulsgeschützen an. Die IRONDUKE verwendeteUltraschallkanonen, deren zellerschütterndehochfrequente Schwingungen schon hier und da dasAntifeld durchdrangen und unter den Baalols einenZustand tiefer Besinnungslosigkeit hervorriefen.

Noch vor dem Feuerüberfall aus den Tiefen desWeltraums hatten mich neue Nachrichten erreicht.

Der Chef der auf Trakarat heimischenGötzenpriester besaß anscheinend keinen Namen. Ernannte sich der »Hohe Baalol«. Er hatte versucht, dieführenden Männer der terranischen Flottehinzuhalten. Wahrscheinlich wurde tatsächlich etwasgeplant, was uns im Endeffekt Schaden bringenkonnte. Rhodan schien wirklich auf der Hauptwelt zusein, was mich keineswegs überraschte. Die Antishatten in dieser Hinsicht so logisch gehandelt, daß sieleicht zu durchschauen gewesen waren.

Jetzt herrschte wieder offener Kriegszustand. Einezwangsläufige Folge des konzentrierten Beschussesmußte die unverhohlene Drohung sein, Perry Rhodanzu schädigen. Es wurde Zeit zum Eingreifen!

Ich schwebte mit Gucky fünfhundert Meter hochüber dem äußeren Nordring. Die im Bodeneingebauten Schirmprojektoren waren so nachhaltigzerstört worden, daß an eine rasche Instandsetzungnicht zu denken war. Trotzdem standen noch großeTeile des Energieschirmes.

Tiefer hatten wir nicht gehen können, da dasGelände an den Ausfallstellen noch in heller Rotglutstrahlte. Hier und da waren blasenwerfende Krater zusehen, aus denen giftige Dämpfe und gefährlicheHitzewellen nach oben stiegen.

Ein Sturm war aufgekommen. Wir konnten uns nurmit Mühe in der Luft halten. Bis kurz vor Bullys

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Angriff hatte in der Stadt Ruhe geherrscht. Wirhatten viele Intelligenzwesen beobachtet, die nachKörperform und Aussehen gut Arkoniden oderMenschen hätten sein können.

Als der erste Treffer eingeschlagen war, konntenwir Anzeichen beginnender Panik feststellen.

Jetzt, wenige Minuten später, rannten viele tausendAntis in vollster Kopflosigkeit durch die breitenStraßen der großzügig angelegten Stadt. Viele dertypischen Pyramidenbauten waren in sichzusammengefallen. Dort, wo die erste Kampfraketeexplodiert war, loderte noch immer ein Flächenbrand.

Unter solchen Verhältnissen war es nichtverwunderlich, daß der paramechanische Einfluß derAntis nachließ. Viele von ihnen hattenwahrscheinlich mehr zu tun, als reglos auf demgleichen Fleck zu stehen, um ihre Geistesgaben mitdenen anderer Baalols zu vereinen. Auf andere Artwar eine so starke Paraaufladung desGlockenschirmes nicht möglich.

Ich wartete noch einige Zeit, bis ich Gucky anrief.Er konnte mich trotz der Erkennungsoptik kaumsehen, da ich den Deflektorschirm desEinsatzanzuges eingeschaltet hatte. Für normaleAugen mußten wir unsichtbar sein. Ich nahm nichtan, daß die Fähigkeiten der Baalol-Priester auch reinmechanische Einflüsse überlagern konnten.Tatsächlich schienen wir nicht beobachtet zu werden.

Wie es um die sicherlich vorhandenenOrtungsgeräte stand, konnte ich augenblicklich nichtfeststellen. Man schien uns aber nicht ausgemacht zuhaben, denn sonst hätten wir nicht mehr gelebt. Einenbesseren Beweis konnte es kaum geben.

Rasch durchflogen wir den breiten Konturspalt imSchirm. Rechts und links von uns schlugensonnenhelle Entladungsblitze aus dem Feld hervor.

Wir landeten auf der abgeflachten Spitze einesBauwerks. Unter uns herrschte das Chaos. Antisschrien aufeinander ein, andere versuchten, mitflachen Fahrzeugen die Stadt zu verlassen.

»Streit«, rief mir Gucky zu. »Das konnte gar nichtbesser kommen.«

Er hatte recht. Ernste Meinungsverschiedenheitenwaren deutlich erkennbar. Gelegentlich bemerkte ichsogar Gruppen, die sich zu bekämpfen schienen.

Auch die Antis waren Lebewesen mit einemSelbsterhaltungstrieb. Es wäre sonderbar gewesen,wenn sie sich nicht gegen das aus dem Raumniederbrechende Schicksal aufgelehnt hätten.

Die führende Oberschicht saß wahrscheinlich seitStunden in relativ sicheren Tiefbunkern. Das warenDinge, die ich am Rande bemerkte. Wirklich wichtigwar nur Thomas Cardif.

Gucky hatte ihn bisher gut verfolgen können.Wenn auch seine Psigaben erloschen waren, sokonnte er doch die energetisch artfremden Impulse

des Zellaktivators aufnehmen. Er sagte, er spüre siewie ein fernes Singen, das ab und zu von einemlauten Gelächter übertönt würde.

Ich ahnte, daß das letzte Stadium angebrochenwar. Cardif würde jetzt schon verzweifelt sein, zumaldie Antis nun sicher wußten, daß seine Rolle alsPerry Rhodan ausgespielt war.

Wieviel war er ihnen noch wert? Was würden siezu seinen Gunsten riskieren?

Nichts mehr! sagte mein Logiksektor. Sie werdenvielleicht noch einen Versuch mit ihm machen.Schlägt das Experiment fehl, lassen sie ihn fallen.

Der Auffassung war ich auch. Was würde manaber durch Cardif zu erreichen versuchen? Zur Zeitgeschah noch nichts. Gucky konnte seinen Wegverfolgen. Er weilte im Zentrum der Stadt.

Wir flogen weiter. Der Kleine hatte meine Handergriffen und dirigierte so meinen Kurs. Dieschwerkraftaufhebenden Antigravaggregatearbeiteten gut. Nur wenn Druckwellen durchkamen,gerieten wir in Schwierigkeiten.

Wir glitten über brennende Gebäude hinweg. Überuns dröhnte es ununterbrochen. Weit südlich, immernoch neun bis zehn Kilometer entfernt, schlugen diemächtigen Energieschüsse der Superschlachtschiffeein. Die Ultraschwingungen der anderen Geschützewaren sogar für uns zu spüren.

Der Mausbiber sprach nicht viel. Über einemweiten Platz, der ringsumher von prächtigenGebäuden und Parkanlagen umgeben war, hielt er an.Wir landeten diesmal auf dem Runddach einesaußergewöhnlich großen Kuppelbauwerks.

»Er ist genau unter uns«, schrie mir Gucky zu.»Wahrscheinlich wird er von den Antis empfangen,aber das kann ich nicht genau sagen. Ich spüre nurdie Strahlungen des Gerätes.«

Das genügte mir vollauf! Ich spähte nach unten.Auf dem großen Platz war kaum jemand zu sehen.Anscheinend waren die Antis endgültig in Deckunggegangen. Von Bull kamen keine neuen Nachrichtendurch. Vertraute man im Führungskreis derGötzenpriester noch immer auf den wankendenEnergieschirm? Erhoffte man sich ein Wunder durchPerry Rhodan - oder durch Thomas Cardif? Ichwurde unruhig. »Wir können ihn jetzt fassen«, riefmir Gucky ungeduldig zu.

Ich konnte ihn nur umrißhaft sehen. DieDeflektorschirme waren hervorragend.

»Nein, das ist jetzt von zweitrangiger Bedeutung.Wir greifen erst dann an, wenn er bei Rhodan ist.«

»Wird man ihn zu Perry bringen?«»Mit größter Wahrscheinlichkeit.«»Was hast du vor?« Ich erklärte es mit wenigen

Worten. Es kam jetzt nur noch darauf an, unentdecktzu bleiben und Cardifs Fährte zu verfolgen. Untenfuhren mehrere Wagen mit Uniformierten über den

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Platz. Soldaten hatten sie also auch, die Herren desgefährlichen Baalol-Kultes! Vielleicht waren es aberauch Polizisten. So genau konnte ich es nichtunterscheiden.

Viel wesentlicher war eine andere Entdeckung!Die Bewaffneten trugen keine Körperschutzschirme!Das verblüffte mich. Sofort begann ich zu überlegen.

Die Lösung, die ich fand, war einfach undeinleuchtend. Trakarat war die Heimatwelt der Antis.Hier waren sie weder Gefahren noch sonstigenBelästigungen ausgesetzt gewesen, bis wir aus demHyperraum gekommen waren.

Demnach hatte man anscheinend darauf verzichtet,die ständigen Einwohner mit Individualprojektorenauszurüsten. Es wäre nicht nur überflüssig, sondernauch kostspielig gewesen.

Die wichtigsten Männer konnten aber trotzdemüber solche Geräte verfügen. Es galt nach wie vor,wachsam zu sein. Wir überprüften die Aggregate derunförmigen Kampfanzüge. Sie besaßen unterterranischen Gravitationsverhältnissen ein Gewichtvon etwas über hundert Kilogramm. Die eingebautenSchwerkraftabsorber mußten so geschaltet werden,daß wir einigermaßen beweglich blieben. Wenn dieGeräte ausfielen, waren wir hilflos.

»Okay«, schrie mir Gucky zu. Das Donnern dereinschlagenden Energieschüsse war noch lautergeworden. Man konnte sich kaum noch verständigen.Über der Südkuppel ging ein atomares Unwetternieder. Dort hätte ich nicht weilen mögen.

Dunkle Massen tauchten in den nach Südenführenden Straßen auf. Es waren Flüchtlinge, die sichim anderen Teil der Stadt in Sicherheit zu bringenversuchten.

Schnelle Wagen mit Bewaffneten fuhren nachNorden. Das bewies erneut, daß die Antis logischdenken konnten.

Der einseitige Beschuß ließ gewisse Rückschlüssezu. Anscheinend rechnete man mit einerLandungsoperation aus Norden.

Ich rief Brazo Alkher an. Er meldete sich sofort.Ich konnte ihn wegen der starken Störungen kaumverstehen.

»Brazo, Nachricht an Flottenflaggschiff. Manöverkann beginnen. Beschuß fortsetzen.«

»Verstanden.«Ich schaltete ab. Es war alles getan worden, was

getan werden könnte. Gucky und mich schienen dieAntis nicht geortet zu haben. Offenbar kamen sienicht auf die Idee, zwei Fremde könnten es gewagthaben, ohne jeden militärischen Schutz einzudringen.

»Cardif setzt sich in Bewegung«, rief Gucky. Eswurde Zeit!

Vorsichtig schwebten wir über die Dachrundunghinweg, umflogen einige hochragendeAntennenmasten und glitten dann zum Gelände

hinunter.Gucky hatte meinen linken Fuß umklammert. Ich

suchte nach einem Eingang. Das Mauerwerk warteilweise geborsten. Es war leicht, inErdgeschoßhöhe eine breite Öffnung zu finden. Wirgelangten in eine prunkvoll ausgestattete Halle, vonder aus etliche Antigravschächte nach oben führten.

Das Dröhnen der Energietreffer milderte sich. DenOhren tat es wohl.

Ich ging hinter einer Sechskantsäule ausfluoreszierendem Material in Deckung und zog denKleinen näher.

»Fliege vornweg«, sagte ich leise. »Da drüben sindLeute, vorsichtig also! Kannst du den Aktivatororten?«

»Viel besser als vorher. Cardif geht nach unten.«»Wie - hinab in die Kellerräume? Gibt es hier

welche?«»Er geht nach unten, glaube mir.« Die Situation

wurde noch problematischer. Wenn es in demGebäude Bunker gab, war ein unbemerktesEindringen kaum noch möglich. AuchDeflektorschirme hatten ihre Leistungsgrenzen. Nochwaren wir unsichtbar, aber wie lange noch?

Gucky flog los. Wir gelangten an einenAntigravschacht, in den wir uns hineinwagten.Während wir in die Tiefe schwebten, begegneten wirnur einem Anti, der aus einem Seitenschachthervorgekommen war. Er wollte ebenfalls nachunten.

Eine Schleusenhalle wurde sichtbar. Wir hieltenuns hinter dem uniformierten Mann. Er war miteinem Energiestrahler bewaffnet, trug jedoch keinIndividualfeld.

Gucky zupfte mich am Arm. Wir warteten, bis sichdie Panzerpforten öffneten und schlüpften zusammenmit dem Unbekannten hindurch. Dahinter erblicktenwir ein unheimliches Bild. Tausende von Antis, allein wallende Gewänder gekleidet, hocktendichtgedrängt auf den Boden, den Blick auf dieWände gerichtet.

Nebenan war eine zweite Halle. Wieder bemerktenwir eine reglose Masse Gelbgekleideter. Mir wurdeklar, daß es sich bei ihnen um die »Psi-Armee« derBaalols handelte. Sie hatten die Aufgabe, denSchutzschirm durch ihre mentalen Naturkräfte zuverstärken.

Noch waren sie standhaft. Ich schritt vorsichtig ausund blickte aus nächster Nähe in das Gesicht einessolchen Mannes. Es war angespannt, um dieMundwinkel verzerrt und schweißüberströmt.

Ich wußte genug! Die Unheimlichen waren amEnde ihrer paramechanischen Leistungsfähigkeitangekommen. Es war auch keinem Lebewesenzumutbar, stundenlang einen Kernwaffenbeschuß ausvielen tausend Rohren abzuwehren. Einmal mußte

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die Grenze erreicht sein.Gucky winkte. Ich sah nur eine schattenhafte

Bewegung. Lautlos zog ich mich von derschweigenden Armee zurück.

»Schnell, Cardif geht tiefer. Ich habe Schmerzen.«»Schmerzen? Wieso?«»Die Aktivatorschwingungen werden zu stark.

Dann ertönt immer wieder dieses Gelächter. So hatES von Wanderer gelacht. Es tut weh.«

Der Uniformierte war schon am Ende der Halleangelangt. Wir sprangen ihm nach. Wieder kam eineSchleuse in Sicht, die wir gut durchschreitenkonnten. Die Tore öffneten und schlossen sich nurlangsam. Wir hatten genügend Zeit.

Der zweite Liftschacht enthielt einen mechanischbewegten Aufzugskorb. Wir schienen uns derUntergrundzentrale zu nähern. Jedes bekannte Volkder Milchstraße verzichtet darauf, an besondersgefährdeten Punkten komplizierte und störanfälligeApparaturen einzubauen. Wenn die Kraftstationenausfielen, waren Antigravschächte nutzlos. Einen anSeilen hängenden, oder in Zahngestängen laufendenKorb kannte man immer noch mit kleinenNotstromaggregaten speisen. Elektromotorenbeanspruchten nur einen Bruchteil jenerEnergiemengen, die ein Antigrav benötigte.

Die Gittertüren glitten auf. Der Bewaffnete waranscheinend ein Offizier. Er war in Eile.

Ich kam noch gut hinein, aber Gucky stieß denAnti an. Damit war das Versteckspiel beendet. Ichhandelte sofort.

Der Anti zuckte zusammen. Erschreckt sah er sichum, doch da legte sich bereits mein Arm von hintenum seine Kehle. Ich riß den hochgewachsenenKörper zurück. Die Hände des Antis fuhrenhilfesuchend nach oben.

Die Mündung meiner Pistole bohrte sich in seinenRücken. Vorher hatte ich meinenIndividualschutzschirm abgeschaltet. Ich verwendetedie altarkonidische und damit akonische Sprache, dieauf Trakarat nach wie vor in Gebrauch war.

»Was haltet Ihr vom Sterben?«, sagte ich ihm insOhr. Der Aufzug glitt schon nach unten.

Seine Abwehrbewegungen erloschen. Er hatteverstanden! Anscheinend hatte er auch schnell erfaßt,daß ein Unsichtbarer nicht unbedingt ein Gespenstsein mußte. Wahrscheinlich kannte er diearkonidischen Deflektorschirme.

Ich lockerte meinen Griff. Er schnappte hastignach Luft. »Ihr werdet Euch vernünftig verhalten.

Ich bin nicht an Euch interessiert.«Ich ließ ihm noch mehr Luft, und er richtete sich

etwas auf. Gucky zog ihm den Strahler aus demGürtel. Es gefiel mir nicht. Ein waffenloser Offizierkonnte in der derzeitigen Situation auffallen.

»Was wollt ihr?« erkundigte er sich erstaunlich

gefaßt. Er schaute sich nicht einmal um.»Ein Terraner namens Thomas Cardif ist hier. Ich

möchte ihn finden. Das ist alles. Ihr geht vor undöffnet die Türen.«

»Ich weiß nicht, wo er zu suchen ist.«»Das ist auch nicht nötig. Denkt an meine Waffe.

Ich werde nicht zögern!«»Natürlich nicht!« sagte er, ohne den Versuch zu

unternehmen, seine Lage zu verbessern. Er konntedenken! Zwei Unsichtbare waren ihm in jedem Fallüberlegen; auch dann, wenn sie wenig später entdecktwerden sollten.

Der Aufzug hielt. Ich preßte dem Anti nochmalsdie Mündung in den Rücken.

»Diese Waffe arbeitet geräuschlos«, log ich.»Zudem solltet Ihr daran denken, daß über Trakaratachtzehntausend Raumschiffe schweben. Seht Ihrein, wie gut es ist, wenn Ihr etwas zur Klärung derallgemeinen Lage beitragt? Den Hohen Baalolbraucht Ihr nachträglich nicht mehr umGenehmigung zu bitten.«

Diesmal hatte ich ihm doch die Fassung geraubt.Rasch sah er sich um. Er wirkte verstört.Anscheinend dachte er jetzt an die Gesamtsituation.

Er schritt voran. Wir kamen in eine technifizierteSchaltzentrale. Etwa fünfzig Uniformierte warenanwesend. Gucky hatte meinen Gürtel ergriffen. Solief er hinter mir her.

»Nach rechts«, flüsterte er. »Die Peilung ist gut.«Ich gab die Anweisung an den Anti weiter. Er

zögerte nur kurz, dann ging er auf den Torbogen zu.Jemand rief ihn an. Er wich mit belanglosen

Worten aus. Ich faßte seinen rechten Arm und zogihn so nach unten, daß die leere Waffentasche vonseiner Hand verdeckt wurde. Ungefährdetdurchschritten wir den Schaltraum. Gucky stöhntehier und da. Cardif mußte sich in unmittelbarer Nähebefinden.

Ein gewölbter Gang öffnete sich. Irgendwobrummten Maschinen. Weiter vorn begann einegeschwungene Treppe. An ihrem obersten Absatzentdeckte ich eine Wachstation mit zweiUniformierten.

»Könnt Ihr die Sperre durchschreiten? Antwortet!«»Nein.«Ich probierte es trotzdem. Ein Offizier trat aus der

Wachstube. Er rief unseren Führer an. Wir bliebenstehen.

»Cardif ist nahe. Es sind Leute bei ihm. Jetzt spüreich es«, flüsterte Gucky.

Ich griff in den Kombigürtel und entnahm ihm eineDruckpatrone mit rasch wirkendem Betäubungsgas.Die Lage wurde gefährlich. Nun kam auch der zweiteAnti aus dem Wachraum. Unser Führer stand wieerstarrt in dem Gang. Meine Waffe mußte er deutlichfühlen.

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»Wohin des Weges?« rief der andere Offizierschärfer. Er hatte offenbar Verdacht geschöpft.

Da drückte ich auf den Ventilöffner und warf dieKapsel nach vorn. Drei Sekunden danach stieß ichden Anti von mir und schaltete meinenIndividualschirm ein. Das Gas wirkte sehr schnell.

Zwei weite Sprünge brachten mich zu Gucky. Ichriß ihn am Arm mit nach vorn. Unser unfreiwilligerHelfer kam nicht mehr zu einer Erklärung.Zusammen mit den beiden Soldaten sank er zuBoden.

Wir rannten die Treppe hinunter. Weitere Wachentauchten nicht auf. Dann vernahmen wir plötzlichStimmen. Cardifs heiseres Organ war deutlich zuunterscheiden. Er schrie etwas, was ich nichtverstehen konnte.

Nach der letzten Windung erblickten wir einenrunden Kuppelsaal. Mehrere gelbgekleidete Antisstanden vor Cardifs monströsem Körper. Siebetrachteten ihn mitleidlos.

»... werde ich davon überzeugen können«, sagteder Verbrecher soeben. Er umklammerte mit beidenHänden seinen Hals. Wahrscheinlich litt er unterAtemnot.

Ich zog mich mit Gucky in die Ecke unter denStufen zurück. Noch galt es abzuwarten.

»Ihr habt versagt«, entgegnete ein alter,hochgewachsener Anti. Er trug eine violette Robe mitunverständlichen Farbsymbolen.

»Wir halten es für ausgeschlossen, daß Euer Vaternochmals auf Euer Ansinnen eingeht. WelcheMöglichkeiten stehen Euch noch offen, dieBesatzungen der terranischen Raumschiffe zubeeinflussen?«

»Ihr habt mir nicht die Sendestation zur Verfügunggestellt«, beschwerte sich Cardif. »Ich hätte sie nochüberreden können.«

»Ihr denkt falsch. Wir haben einen offenenRundspruch an alle Kommandanten und Besatzungenaufgefangen. Es ist hinreichend bekannt, daß Ihrnicht Perry Rhodan seid. Macht einen anderenVorschlag. Wir haben keine Zeit zu verlieren. DasFeld bricht zusammen.«

Ich zählte fünf Antis, die wahrscheinlich zurFührungsschicht dieser Welt gehörten.

Drei andere waren uniformiert und bewaffnet. Ichversuchte, die Lage nüchtern zu überdenken.

Die fünf einflußreichen Personen trugenIndividualprojektoren, die sie zur Zeit nichteingeschaltet hatten. Die Soldaten oder Polizisten -ich hatte noch immer nicht herausgefunden, wie sienun einzustufen waren - hatten ihre Geräte aktiviert.Da sie sich augenblicklich nicht bedroht fühlten,waren die Körperschirme nicht mental aufgeladen.Somit konnten sie von meinen Geschossen auch nichtdurchschlagen werden. Guckys Thermostrahler war

eine kleine Spezialausführung. Mit den üblichenWaffen konnte er wegen deren Schwere und Größenicht umgehen. Ich hielt es für ausgeschlossen, daßes ihm gelingen könnte, mit dem Nadler dieleistungsfähigen Schutzfelder zu durchdringen.

Wenn es also hart auf hart gehen sollte, mußte ichdie Antis dazu verführen, parapsychischeStrukturveränderungen vorzunehmen. Dann warensie für meine nichtmagnetischen Projektileverwundbar.

Noch aber war es nicht soweit, obwohl ich auf denAlarm wartete. Die drei Besinnungslosen mußtenbald gefunden werden. Es gab keine andereMöglichkeit.

Cardif begann weinerlich zu betteln. Ich bemerkte,daß er immer wieder um einen Schritt rückwärtstaumelte. Dabei riß er seine Augen so angstvoll auf,als hätte er etwas Fürchterliches erblickt.

Gucky raunte mir zu, in diesen Augenblickenbrande immer das mit den Normalsinnen unhörbareGelächter auf. ES schien die Geschehnisse alsinteressierter Zuschauer zu verfolgen.

»Das Ultimatum läuft in zwanzig MinutenStandardzeit ab«, sagte ein anderer Kultpriester.

»Ich werde mit ihm sprechen«, rief Cardifverzweifelt. »Führt mich zu ihm. Ich bringe ihn vorden nächsten Telekom. Die terranischen Offizierewerden sich seinen Befehlen unterwerfen. Es geht umsein Leben, denkt daran.«

»Um das unsere auch«, bemerkte der Hohe Baalolkühl. Ich nahm an, daß es sich bei dem alten Mannum den Chef der hiesigen Regierung handelte.

»Wir können Vereinbarungen treffen. Ich werdeRhodan davon überzeugen, wie sinnlos es ist,Trakarat zu vernichten. Wir können ihn nochmalstäuschen.«

»Wie?«Cardif sagte endlich jene Worte, die er sich

anscheinend schon während seiner Fluchtzurechtgelegt hatte. Er dachte nur an sein Leben undnur an seine Gesundheit.

»Ihr müßt versuchen, den Aktivator aus meinerBrust zu entfernen. Heftet Rhodan ein anderes Gerätan; eins von den zwanzig gestohlenen. Es wird gleichmeinem zu reagieren beginnen, denn alle Aktivatorensind parageschaltet. Ich werde nach der Beseitigungmeines Apparates wieder normal werden. Rhodandagegen dürfte Spuren einer Verformung oder sonstetwas zeigen. Es geht nur darum, noch etwas Zeit zugewinnen. Ich muß wieder gesunden, und er mußverfängliche Dinge tun. In dem Fall wird es mirleicht gelingen, erneut Perry Rhodan zu verkörpern.Wer würde ihm seine Identität noch glauben, wenn erplötzlich in irgendeiner Form anomal, ich abernormal wäre?«

Der Plan war einfach und daher genial. Ich

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erschauerte über die abgrundtiefe Verderbtheit diesesMannes, der niemals »mein Vater« sondern immernur »Perry Rhodan« sagte.

Cardifs Vorhaben konnte jetzt schon als geglücktgelten, wenn sich drei Voraussetzungen erfüllten.

Einmal mußte es den Baalols gelingen, denAktivator aus seinem Körper zu entfernen. Dannhatte Rhodan verfänglich zu reagieren. An den drittenPunkt, nämlich an mich, dachte Cardif noch nicht.Das mußte sich aber ändern, sobald man dieBesinnungslosen fand.

Als ich mit meinen Überlegungen so weitgekommen war, erfolgte endlich der Alarm. Aufmich wirkte er wie eine Erlösung. Es war qualvollgewesen, von Sekunde zu Sekunde darauf zu warten.

Wir verhielten uns ruhig. Die führenden Antisforderten erregt Aufklärung. Einer der dreiUniformierten rannte die Treppe hinauf, als von obenschon Rufe erklangen.

Darauf kehrte der Offizier zurück. Er schien dieLage erfaßt zu haben.

»Schaltet Eure Schirme ein«, rief er. »Jemand istunbemerkt eingedrungen.«

Ich bemerkte die Handbewegungen derGötzenpriester. Plötzlich waren sie alle geschützt,aber ich wußte immer noch nicht, wo Rhodan zufinden war. Auf der Treppe tauchten zwei Männerauf. Sie trugen ein verfänglich aussehendes Gerätzwischen sich.

»Deflektorortung«, sagte Gucky. »Sie ahnenetwas! Was jetzt?«

Cardif gab die Antwort auf die Frage. Ich sah ihndavonwanken und weiter hinten eine Tür aufreißen.Die fünf Antis folgten ihm. Die Soldaten standen mitgezogenen Waffen an den Wänden.

Cardif war nicht mehr zu sehen. Ich vernahm einenheftigen Wortwechsel, aber es schien ihm dennoch zugelingen, sich zu behaupten. »Hinfliegen, schnell«Gucky verstand. Ich aktivierte die Flugaggregate undglitt dicht über dem Boden hinweg auf die Tür zu.

Unbeschadet kamen wir an. Es geschah, als dieMänner das Ortungsgerät niederstellten. Die Treppewar von anderen Soldaten abgeriegelt worden.

Ich zögerte nicht mehr länger. Sollten Sie unserkennen!

Gucky stand sprungbereit, als ich die Tür aufzog.Mit zwei Sätzen waren wir hindurch, und da klangenwie erwartet die Warnrufe auf.

Ich schob die Tür mit dem Fuß zu, sah mich umund riß auch schon die Waffe hoch.

Im Hintergrund des Raumes stand ein hagerer,hochgewachsener Mann mit grauen Augen undeinem ironischen Lächeln auf den Lippen. Cardiftaumelte auf ihn zu.

Als ich meine Pistole erhob, wollte Cardif soebenschießen. Ich hörte den entsetzten Ruf der Baalols,

die anscheinend nicht geahnt hatten, was derVerbrecher im Sinn hatte.

Ich schoß um den Bruchteil einer Sekunde früher.Die Automatik erzeugte einen hellklingendenMündungsschlag und dazu lange Flammenzungen,die von dem Abgassystem in Schußrichtungumgeleitet und abgestrahlt wurden.

In dem feurigen Lohen, das deutlich erkennbar ausmeinem Deflektorschirm hervorbrach, sah ichCardifs Titanenkörper fallen. Sein Schrei wurde vomnachhallenden Pfeifen der Gasentspannung übertönt.

Sein rechter Arm war in Höhe des Schultergelenksgetroffen worden. Stöhnend wälzte er sich auf demBoden; den Mund verzerrt, die Augen weitaufgerissen.

Vier der Baalols waren bis zur Wandzurückgewichen. Nur jener in der violetten Robestand hoch aufgerichtet mitten im Zimmer.Ausdruckslos sah er sich um.

Draußen erklangen Rufe. Man wagte es aber nicht,einzutreten oder durch die Tür zu schießen. Cardifschrie immer noch. Die Verletzung mußteschmerzhaft sein. »Wer ist da?«

Als ich seine Stimme hörte, begann ichunwillkürlich zu schlucken. Perry gab sich so ruhigund gelassen, wie er es in anderenGefahrenmomenten schon immer getan hatte. Nursein Gesicht hatte sich etwas gespannt.

Gucky rief. Ich schaute zur Seite. Einer der vierPriester hatte eine kleine Waffe aus dem Umhanggezogen. Ich schoß, ohne zu zögern. Er hatte seinenIndividualschirm aufgeladen. Ehe er noch verstandenhatte, welche feuerspeienden Mikrokörper sein Felddurchschlugen, war er bereits tot. Haltlos fiel er zuBoden.

Kein Muskel regte sich im Gesicht des altenMannes. Wie unbeteiligt schaute er zu demErschossenen hinüber.

»Ihr verwechselt einen offenen Krieg mit einemSpiel, Hoher Baalol«, sagte ich laut. »Ich möchteEuch dringend raten, die draußen wartenden Männeranzuweisen, ihre Waffen einzustecken. Euer Spiel istverloren. Terranische Truppen landen. ZehntausendRobotschlachtschiffe schwenken soeben in ihreAngriffspositionen ein. Befehlshaber ist der Regentvon Arkon. Ich kann nicht für eine absoluteEinhaltung der von mir gegebenen Befehlegarantieren. Wenn Ihr Euch nicht schnell entscheidet,wird diese Welt vernichtet werden. Ihr solltetbemerkt haben, daß bisher ausschließlich EuerEnergieschirm beschossen wurde.«

Der Alte zögerte. Dann schritt er gravitätisch anmir vorbei und öffnete die Tür. Ich wich mit einigenSprüngen zu Rhodan zurück, der mittlerweile CardifsStrahlwaffe aufgehoben hatte. »Danke«, sagte ereinfach.

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Der alte Mann hatte in wenigen AugenblickenOrdnung geschaffen. Er kam zurück, aber die Türblieb geöffnet. Draußen hatte man sogar ein tragbaresImpulsgeschütz aufgestellt.

Um Cardif kümmerte sich niemand. Er schlepptesich quer durch den Raum, bis er an einer Wand Haltfand. Daran richtete er sich zu sitzender Stellung auf.Ich schaltete mein Deflektorfeld ab. Es war sinnlosgeworden, unsichtbar zu bleiben.

Gucky war bei Perry. Der Kleine weinte. Ich hattenie geglaubt, daß Mausbiber weinen könnten.

Der Hohe Baalol schien einen Entschluß gefaßt zuhaben.

»Ich nehme an, in Euch Seine Erhabenheit,Gonozal VIII. zu sehen«, begann er. Der Tote undder Verletzte schienen ihn nicht zu interessieren. »Soist es.«

»Führe du die Verhandlungen«, flüsterte Perry,ohne die Lippen zu bewegen. Er scheute sich, zuseinem wimmernden Sohn hinüberzublicken.

Der Anti lächelte verbindlich. Er schien keineNerven zu besitzen.

»Darf ich Euer Erhabenheit darauf aufmerksammachen, daß ein Vernichtungsangriff Eurer Flotteauch Euer Leben gefährden würde?«

»Darüber war ich mir klar, als ich in diesen Baueindrang«, entgegnete ich kühl. Meine Waffebedrohte ihn. Er blickte ausdruckslos auf die seltsamgeformte Mündung.

»Ihr schätzt Eure Gesundheit nicht hoch ein, EuerErhabenheit.«

»Meine Befehle sind nicht mehr rückgängig zumachen, wenn ich hier länger als zwei StundenStandardzeit festgehalten werde. Ihr solltet über diegefühllose Logik des Robotregenten informiert sein.«

»Habt Ihr mir besondere Vorschläge zuunterbreiten?«

»Nur wenige und kurze. Der Baalol-Kult wird imHerrschaftsbereich des Großen Imperiums ab sofortverboten. Zuwiderhandlungen werden mit dem Todebestraft. Thomas Cardif ist der terranischenGerichtsbarkeit auszuliefern. Der Administrator undich sind auf freien Fuß zu setzen.«

»Und Eure Gegenleistungen, Euer Erhabenheit?«»Abzug der vereinten Flotte. Die entstandenen

Schäden fallen Eurer Staatskasse zur Last. Ihr habtEuch in dreißig Minuten zu entscheiden.«

Ein Offizier trat ein, mit allen Anzeichen derPanik. Als er dem Alten etwas zuflüsterte, wußte ich,daß die Raumlandedivision angriff. Ehe der Antietwas erwidern konnte, fügte ich meinen Wortennoch hinzu :

»Ihr solltet es unterlassen, Cardifs Vorschläge übereine Entfernung des Aktivators zu befolgen. Derterranische Flottenstab ist bereits über Funk von mirinformiert worden.«

Cardif rief mir häßliche Schimpfworte zu. Ichbeachtete ihn nicht. Der Hohe Baalol überlegte.Schließlich ersuchte er um eine Bedenkzeit von zehnMinuten.

»Einverstanden. Zieht Eure Soldaten zurück.«Als er gehen wollte, geschah etwas, womit

niemand gerechnet hatte. Cardif begann plötzlichwieder zu toben, aber so wild hatte er sich vorhernoch nie gebärdet.

In unseren Gehirnen klang ein dröhnendesGelächter auf. Es steigerte sich so, daß ich glaubte,mein Schädel müsse zerbersten.

Auch die Antis vernahmen es, obwohl es mit demnormalen Gehörsinn nicht wahrgenommen werdenkonnte.

Cardif fuhr vom Boden auf. Dann stürzte er niederund wälzte sich unter gräßlichen Schreien auf dengeschliffenen Steinplatten!

»Nein, nicht das!« hörte ich Perry sagen. CardifsSpezialuniform begann über der Brust zu zerreißen.Er schrie noch lauter. Seine nackte Brust wurdeerkennbar. Daraus löste sich ein eiförmiger Körper.

Hell leuchtend schwankte er für einigeAugenblicke durch die Luft, um dann langsam aufPerry Rhodan zuzugleiten. Er umklammerte meinenArm. Ich war fasziniert.

Das parapsychische Gelächter erstarb. Dafürwurden einige Worte vernehmbar.

»Cardif hätte nicht den Fehler begehen sollen, dasGerät auf die Individualimpulse seines Vatersabstimmen zu lassen.«

Anschließend brandete wieder das Gelächter auf.Der Aktivator schlug gegen Rhodans Brust, wo er

deutlich sichtbar haften blieb. Perrys Gesichtverzerrte sich für einen Moment, dann sah er sichruhig um.

Cardifs Schreie brachen abrupt ab. Als ich zu ihmtrat, war er bereits tot. Langsam steckte ich meineWaffe weg. Niemand sprach ein Wort. Der HoheBaalol war erblaßt.

»Eine fürchterliche Strafe«, sagte ich leise. »Ichverzichte auf die Auslieferungsforderung.«

»Eure Verbündeten sind mächtig«, meinte derAlte. »Ich bin mit Euren Bedingungen einverstanden,jedoch wünsche ich, den Kult auf jenen Weltenerhalten zu dürfen, die nicht zu EuremInteressengebiet gehören.«

»Das Verbot gilt auch für das Solare Imperium«,fiel Perry erstmals in die Verhandlungen ein.

Der Anti nickte. Es gab nicht mehr viel zu sagen.Erst dann fand ich Zeit, Rhodan zu begrüßen. Er

dankte mit wenigen Worten, deren Herzlichkeit michmehr bewegte, als er es mit einer wohlgesetzten Redehätte erreichen können. Gucky betastete ihn von obenbis unten. »Gut«, meinte der Kleine zufrieden,»diesmal bist du es. Wie haben sie dich auf Okul

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gefangen?«Sein Gesicht verschloß sich. Er vermied es, den

Toten anzuschauen.»Ich benahm mich wie ein Narr. Die Felsplattform

glitt in die Tiefe. Damit war ich schon verloren. MeinGedächtnisinhalt wurde an Cardif übermittelt. Damitkonnte er meine Rolle spielen. Während seinerVerbannung war er physisch reifer geworden. Erglich mir aufs Haar. Zusammen mit meinem Wissenkonnte er das große Spiel wagen.«

»Er wußte nicht alles«, warf ich ein, »erinnerst dudich an unseren Zweikampf auf Hellgate?« Erlächelte.

»Natürlich! Ich dachte sogar daran, als man mir indem Unterseestützpunkt die Hypnohaube über denSchädel stülpte. Es gelang mir bei der Übertragung,einige Dinge zu verschleiern. Cardif wurde zwar überdas Gefecht an sich informiert, nicht aber überunwesentlich erscheinende Dinge, die für andereLeute enorm wichtig waren.«

Ich verstand! Das war für Perry Rhodan typischgewesen. Noch im Moment höchster Gefahr hatte ergeplant und sogar gehandelt.

»Du dachtest an unseren Wasservers?«»Genau! Desgleichen verwischte ich einige Details

aus unserer Begegnung im Venusmuseum. Ich dachtean Degen, nicht an Schwerter. Wirklich wichtigeDaten, die Cardif für seine Rolle wissen mußte,konnte ich nicht undeutlich abgeben. Da griffen dieAntis sofort ein. Ich mußte mich also sehr vorsichtigauf lächerliche Kleinigkeiten beschränken. Ich wähltedabei Dinge aus, die nur uns betrafen.«

»Hattest du damit gerechnet, daß ich Cardif danachfragen würde?«

»Ja, ungefähr. Sein Charakter war extrem negativ.Ich ahnte, daß es ihm gelingen würde, Bully, Mercantund alle anderen Freunde zu übertölpeln. Ich glaubtejedoch, in deinem Falle würde es ihm nicht gelingen.Außerdem nahm ich an, daß du infolgeirgendwelcher Ereignisse argwöhnisch werdenkönntest.«

»So war es!«»Ich dachte es mir. Du hast ihn nach Einzelheiten

gefragt?«»Eigentlich verriet er sich von selbst. Er kam

überflüssigerweise auf das Museum zu sprechen.Jetzt ist mir klar, daß es eine Panikhandlung war. Erhatte es monatelang vermieden, mir direkt zubegegnen. Als wir uns aber gegenüberstanden, spürteer die mit mir auftauchende Gefahr. Promptversuchte er, mich mit einem Erlebnis aus derAnfangszeit unserer Bekanntschaft von seinerIdentität zu überzeugen. Er sprach von Degen.Anschließend sang ich ihm den Wasservers vor. Erkannte ihn nicht. Das sagte mir genug. In Verbindungmit seinem sonstigen Verhalten ergab sich für mich

eine fugenlose Beweiskette.«Wir unterhielten uns eine Viertelstunde über

Rhodans Gefangenschaft. Er war von Okul aus sofortnach Trakarat gebracht worden, wo man ihn rechthuman behandelt hatte.

Über seine seelischen Zwiespälte sprach er nicht.Ich konnte mir jedoch vorstellen, wie sehr diesergroße Mann gelitten hatte.

»Wie sieht es im Solaren System aus?«»Es wird höchste Zeit, daß du kommst. Cardif hat

viel Unheil angerichtet.«»Das dachte ich mir. Wir werden allerlei

gutzumachen haben.«Der Hohe Baalol trat ein. Hinter ihm folgten einige

Männer der terranischen Raumlandedivision. Dannkam Bully. Als er Rhodan sah, schlug er die Händevors Gesicht.

Eine Stunde später starteten wir mit einerSpace-Jet. Rhodan erlebte einen Empfang, wie ichihn mir nicht vorgestellt hatte. Die Begeisterung derMänner kannte keine Grenzen mehr.

Ich schickte die Robotflotte nach Hause. Nachdemsich die Gemüter etwas beruhigt hatten, beendeteRhodan die Verhandlungen mit den Baalols.

Die Stadt Antipolis war im Südabschnitt starkverwüstet worden. Trakarat war der Planet gewesen,auf dem die Vorfahren der heutigen Antiszwanzigtausend Jahre zuvor gelandet waren.

Nachdem deren Nachkommen ihreumweltbedingten Fähigkeiten erkannt hatten, war aufeine Besiedlung verzichtet worden. Man schmiedeteeinen Plan auf lange Sicht. Es war einZehntausendjahresplan gewesen! Die auf allengalaktischen Zivilisationswelten erbauten Tempel desKultes lockten die Massen an. Parakunststückeverwirrter primitive Wesen.

Die Handlungsmacht der Baalols war beachtlichgeworden. Jetzt hatten sie ins hohe Spiel dergalaktischen Politik eingegriffen, die mit Cardifeinen Höhepunkt erreichen sollte.

Dieser Teil des Planes war fehlgeschlagen. Nachmeiner Auffassung waren die Götzenpriesterungefährlich geworden. Wir kannten ihre Ziele undihre Methoden. Wir hatten Spezialwaffen zu ihrerBekämpfung entwickelt, was auch die Führer dieseseigenartigen Volkes wußten.

Rhodan teilte uns mit, auf Trakarat würdenhundertfünfzigtausend Intelligenzen wohnen. DerPlanet diente als Schulungsort. Nach der erfolgtenReifeprüfung wurden die jungen Antis zu ihrenEinsatzpunkten geschickt. Ehen durften nur aufTrakarat und nur zwischen Baalols geschlossenwerden.

Wenn man über einen Gegner so viel weiß, ist ernicht länger gefährlich.

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*

Wir hatten Thomas Cardif mitgenommen und seineLeiche nach einer kurzen Andacht desBordgeistlichen dem Raum zwischen den Sternenübergeben. Für mich war es bedrückend gewesen.Rhodan hatte als Flottenchef und Staatsmannsalutiert, was er als Vater gedacht hatte, konnte ichnur ahnen. Wir sprachen nicht darüber.Er brachte mich mit der IRONDUKE zumArkonsystem zurück, wo jetzt erst die Verbände derRobotflotte landeten.Als wir uns verabschiedeten, wußten wir, daß Cardifsunheilvolles Erbe nicht leicht zu bewältigen war.Er reichte mir die Hand, und ich schaute auf dasBrustteil seiner einfachen Uniform, unter der nun der

lebenserhaltende Zellaktivator hing. Er war immerfür ihn bestimmt gewesen, und nun hatte er ihnerhalten.»Ich werde dich eines Tages rufen müssen«, sagte ichbedrückt. »Achte deshalb auf dein Gerät. Die Galaxiswird dich noch brauchen. Das Arkonidenimperiumbenötigt Hilfe.«Er sah mich ernst an, dann verstand er. »Bestimmedu den Zeitpunkt, Imperator. Wenn du dir nicht mehrzu helfen weißt, sind wir da.«Als die IRONDUKE in den Himmel dröhnte, war ichwieder allein. Rhodan hatte viel zu tun, ich hatte nurzu warten.

E N D E

Die unheilvolle Epoche des Thomas Cardif hat ihr Ende gefunden, und Perry Rhodan ist wieder heimgekehrt!Seine Aufgabe, all das wieder ins rechte Lot zu bringen, was sein verstorbener Sohn in der Milchstraße inUnordnung gebracht hat, ist nicht leicht - besonders nicht, wenn man bedenkt, daß eine ganze Raumflottegestohlen werden muß, um den galaktischen Frieden zu sichern!

DIE GESTOHLENE RAUMFLOTTE

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