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PRESTEL MÜNCHEN · BERLIN · LONDON · NEW YORK

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© Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf,

und Prestel Verlag, München · Berlin · London ·

New York, 2003

2., grundlegend überarbeitete Auflage 2010

© für die abgebildeten Werke und

Fotonachweis siehe S. 160

© für die Texte bei den Autorinnen und Autoren

Herausgeber

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Redaktion

Susanne Meyer-Büser

Texte

Marion Ackermann, Julia Hagenberg, Claudia

Hornemann, Anette Kruszynski, Maria Müller

Bildtexte

Volkmar Essers, Stefanie Jansen, Stefanie Kreuzer,

Doris Krystof, Valeria Liebermann, Susanne Meyer-

Büser, Pia Müller-Tamm, Robert Rademacher, Lisa

Marei Schmidt, Moritz Wesseler, Angela Wenzel,

Armin Zweite

Publishing

Gabriele Lauser

Umschlag: Roy Lichtenstein, Big Painting No. 6,

1965 (Detail) © VG Bild-Kunst, Bonn, 2010

S. 2: Treppe zur Robert-Rademacher-Galerie

S. 30/31: Fassade K20 Grabbeplatz

S. 152/153: Kuppel K21 Ständehaus

Für den Fall, dass einzelne namentlich nicht ange-

führte Inhaber/innen von Urheberrechten Rechts-

ansprüche haben, ersuchen wir um Korrespondenz

mit der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Prestel Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Königinstraße 9

80539 München

Tel. +49 (0)89 24 29 08-300

Fax +49 (0)89 24 29 08-335

www.prestel.de

Lektorat: Sabine Gottswinter, München

Umschlag und Gestaltung: SOFAROBOTNIK,

München und Augsburg

Herstellung und Satz: Miriam Horwath

Art Direction: Cilly Klotz

Lithografie: Reproline mediateam, München

Druck und Bindung: PBtisk, s.r.o., Pribram

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100

Das FSC-zertifizierte Papier für dieses Buch

Lumi Silk liefert Papier Union.

Printed in the Czech Republic

ISBN 978-3-941773-02-8

(im Museum)

ISBN 978-3-7913-5078-3

(im Buchhandel)

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Inhalt

Vorwort 7

Die Sammlungen 10

Eine Kunstsammlung,

drei Adressen, drei singuläre Bauwerke 19

Bilderschätze heben: Das Bildungs programm

der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 28

Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts 32

Die Gesellschaft der Freunde 154

Veranstaltungen und Sponsoring 156

Service 157

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Vorwort

In der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen verdichten sich Kunstwerke von aller-höchster Qualität. Die Sammlung, deren Grundstock mit dem Erwerb von 88 Arbeiten von Paul Klee im Jahr 1960 gelegt wurde, ist vergleichsweise jung. So spät man im bevölkerungsreichsten Bundesland auch begann, eine Landeskunstsammlung für Gegenwartskunst aufzubauen, so entschieden und konsequent tat man dies. Im Ergebnis ist eine exzeptionelle Sammlung zusammengetragen worden, die auch als ›heimliche Nationalgalerie‹ tituliert wird.

Eine knappe Einführung in diese spannende Geschichte des Hauses gibt der vor-liegende, jetzt in der 2. Auflage erschienene Museumsführer. Er liefert zudem eine erste Orientierung für den Besuch der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düs-seldorf. Nach einem in die Sammlungsgeschichte des Hauses einleitenden Kurztext schließt sich ein Einblick in die architektonischen Besonderheiten der drei Häu-ser – K20 Grabbeplatz, K21 Ständehaus und Schmela Haus – an. Außerdem wird das Verständnis von Bildung als Gründungsauftrag des Museums skizziert. Darüber hinaus gibt der Text zu Veranstaltungen und Festen ebenso einen Einblick in die Museumsarbeit wie die Worte von Robert Rademacher als Vorsitzendem der Gesell-schaft der Freunde der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.

Stellvertretend für den sinnlichen Einblick in die Sammlung wurden einige Künst-ler und deren Hauptwerke ausgewählt, die im Werkteil in alphabetischer Ordnung vorgestellt werden. So gewinnt man erste Eindrücke von den Arbeiten von Eija-Liisa Ahtila, Joseph Beuys, Georges Braque, Georg Baselitz, André Derain, Jean Dubuffet, Wassily Kandinsky, Ellsworth Kelly, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Roy Lichten-stein, René Magritte, Pablo Picasso, Jackson Pollock, Gregor Schneider, Thomas Schütte, Jeff Wall, Andy Warhol, Franz West und einigen anderen mehr.

In dieser exemplarischen Auswahl wird es bereits deutlich: Dieser Band kann und will nicht die beiden umfangreichen Bestandskataloge Einblicke von 2000 und Sammlung: Kunst der Gegenwart in K21, erschienen 2005, ersetzen. Im handliche-ren Format ergänzt er vielmehr übersichtlich diese Publikationen.

Der Sammlungsbestand umfasst Spitzenwerke des 20. Jahrhunderts sowie auch bereits einige Ergänzungen aus dem letzten Jahrzehnt. Das älteste Werk in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist von 1904, das wunderschöne Gemälde von Henri Matisse Le goûter (Le golfe de Saint-Tropez); 2010 entstand das jüngste Werk, das das Jahr seiner Fertigstellung sogar im Titel trägt: eine über 21 m lange skulptu-rale Installation für K21 Ständehaus von Monika Sosnowska, Ohne Titel, 2010.

Die international hochgeschätzte Sammlung ist durch die brillanten Ankaufsent-scheidungen der ersten beiden Direktoren, Werner Schmalenbach und Armin Zweite, geprägt worden. Während Schmalenbach sich in den 28 Jahren seiner Amtszeit auf herausragende Einzelwerke der europäischen sowie amerikanischen Kunst konzen-trierte und ausschließlich Malerei sammelte, wobei Kubismus und Surrealismus durchaus umfassend vertreten sind, erweiterte Zweite die Sammlung um bedeutende Konvolute der Kunst nach 1945, bei denen Skulptur, Installation und neue Medien nun eine wichtige Rolle spielen. Außerdem kam es während seiner 17 Jahre währen-den Amtszeit 2005 zum Erwerb der Sammlung Heinz und Simone Ackermans durch das Land Nordrhein-Westfalen.

Ein bemerkenswerter Aspekt der Geschichte der Kunstsammlung ist auch deren Bezug zum Standort, der Stadt Düsseldorf, und zu ihrem Träger, dem Land Nord-

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8 Vorwort

rhein-Westfalen. Während bis Ende der 1980er Jahre eine Verbindung zu Düsseldorf und seinen Künstlern im Rahmen der als international definierten Museumskonzep-tion nahezu ein Ausschlusskriterium darstellte – Ausnahmen bildeten nur Konrad Klapheck, Günther Uecker und Bruno Goller –, sind in den letzten zwei Jahrzehnten viele Werke Düsseldorfer Künstler, vorrangig von Bildhauern und Fotografen von internationaler Strahlkraft, in die Sammlung eingezogen.

Das Besondere, Einzigartige der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist das durchgehend hohe Niveau, das ihr – trotz der Unterschiedlichkeit der Positionen innerhalb der gut 100 Jahre umfassenden Spanne der hier repräsentierten Kunstge-schichte – eine Homogenität verleiht, die keine Schwankungen in der Qualität ver-zeiht. Genuine Partner kommen hier zusammen und treffen aufeinander, sei es aus dem Bereich der klassischen europäischen und amerikanischen Moderne, der Post-moderne oder der Gegenwart. Dank der von Anfang an konsequent eingenommenen strengen Haltung tritt die Kunstsammlung bis heute mit einem musealen Selbstbe-wusstsein auf, das neue Werke erst nach längerer, sorgfältigster Prüfung der Qualität in die Sammlung aufnimmt und in diesem Falle eine dauerhafte Sicherung anstrebt. Aufbauend auf den bisherigen Sammlungsstrukturen sollen auch künftige Erwerbun-gen mit derselben Konsequenz betrieben werden.

Auch im Ausstellungsprogramm vermittelt sich eine vergleichbare Haltung: Das Gewachsene, der hohe Qualitätsanspruch dieses Hauses, soll bewahrt werden. Gleichzeitig sind wir verpflichtet, die Leichtigkeit und das Risiko zuzulassen, deren es bedarf, um sich auf die sich ständig verändernde Kunst einzulassen. Für die Pra-xis bedeutet dies, sich also nicht zurückzuziehen auf das Abgesegnete der Kunst-geschichte, sondern offen zu bleiben für die sich permanent wandelnde Kunst.

Extrem unterschiedliche, markante Gebäude mit jeweils eigener historischer Auf-ladung bilden die drei Standorte der Kunstsammlung: das Museum am Grabbeplatz, das Ständehaus und das Schmela Haus, der von dem niederländischen Architekten Aldo van Eyck entworfene Galeriebau in der Mutter-Ey-Straße. Die beiden großen Häuser liegen etwa 1,5 km voneinander entfernt. Der dritte Standort, das erst 2009 hinzugekommene Schmela Haus, befindet sich in unmittelbarer Nähe zu K20 Grab-beplatz und somit auch in direkter Nachbarschaft zur Düsseldorfer Kunsthalle und zum Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen.

Der bereits Mitte der 1970er Jahre konzipierte, aber erst 1986 eröffnete Muse-umsbau des K20 Grabbeplatz mit seiner geschwungenen Fassade aus schwarzem poliertem Granit ist nun um etwa 2 000 m² neue Ausstellungsfläche erweitert wor-den: An den Bestandsbau – den Sammlungsbereich, die Robert-Rademacher-Galerie und die hohe, schmale Halle – gliedern sich zwei neue Ausstellungssäle. Jedes die-ser Gebäudeteile weist architektonische Eigenheiten auf: So findet man Stein- und Parkettboden sowie Kunst- und Tageslicht vor. Die Deckenhöhen und Raumlängen variieren und geben den Räumlichkeiten ihr spezifisches Aussehen, welches sich wiederum unmittelbar auf jegliche Sammlungspräsentationen sowie Ausstellungs-situationen überträgt.

Das historische Gebäude des Ständehauses, das im 19. Jahrhundert bereits den Provinziallandtag beherbergte, wurde zum Museum umgebaut und 2002 als K21 Ständehaus für die Kunst eröffnet. Die markanten architektonischen Elemente des Innenraumes sind die monumentale Kuppel, die große Piazza, die drei durch das historische Treppenhaus verbundenen Geschosse mit relativ kleinen, intimen Räu-men, die wie die gläserne Kuppel dem Besucher den Blick nach außen erlauben.

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Vorwort 9

Hinzu kommen die langen, durch Arkaden begrenzten und klösterlich wirkenden Flure sowie das aus einem etwa 1000 m² umfassenden Raum bestehende Unter-geschoss.

Der dritte Standort der Kunstsammlung stellt eine sehr willkommene Ergänzung zu den beiden großen Häusern dar: das Schmela Haus. Das schmale, turmartige Wohn- und Ausstellungshaus war ab 1971 für einige Jahrzehnte der Standort der Schmela-Galerie. Es steht wie wenige andere Gebäude der Stadt für eine sehr mutige und gleichermaßen inspirierende Auseinandersetzung mit der Kunst. Was sich von außen dem Besucher sofort zeigt und unmittelbar auf das Innen überträgt: Mit die-sem Haus verfügt die Kunstsammlung buchstäblich über ein Schaufenster zur Straße.

Allein durch diese spezifischen architektonischen Eigenheiten der drei Häuser ergeben sich für die Wechselausstellungen und Sammlungspräsentationen unter-schiedliche Bedingungen. Mit dieser Vielfalt von weitläufig großzügigen Sälen bis hin zu intimeren, kabinettartigen Räumlichkeiten zu arbeiten und auch mit der Kunst direkt auf die Architektur zu reagieren, ist eine der großen Herausforderungen und Möglichkeiten der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. In Konsequenz weiter gedacht, bewirkt eine bewusste und aufmerksame Reflexion über die Kunst und ihr Verhältnis zur der sie umgebenden Architektur einen freieren Umgang mit der vor-handenen Gebäudesituation und der Präsentation der Sammlung. Wurde die Samm-lung bisher in zwei Teilen inhaltlich und räumlich voneinander getrennt gezeigt, steht im Dienst der Kunst so die in Gänze begriffene Sammlung im Vordergrund. Diese Einheit der Sammlung mit ihren drei Häusern versinnbildlicht auch das Logo der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, das sich in Schwarz-Weiß puristisch und klar, dabei zugleich dynamisch zeigt.

Nachdem die Pläne bereits 1996 gefasst wurden, konnte die Erweiterung und Renovierung der Kunstsammlung am Grabbeplatz endlich im Sommer 2010 abge-schlossen und das Haus mit viel Freude den Bürgern und Bürgerinnen übergeben werden. Sarah Morris hat eine der Sichtachsen im Außenraum großzügig belegt und eine der begrenzenden Wände des Paul-Klee-Platzes mit einem großflächigen Wand-bild auf Fliesen verschalt. Die Gestaltung des Lokals im Sammlungsbereich wurde dem niederländischen Künstler Joep van Lieshout anvertraut. Olafur Eliasson hat eine ortsspezifische Arbeit für das ehemalige Blumenfenster und den Lichtschacht entwickelt.

2010 wurde in K21 Ständehaus ebenfalls ein den Blick auf die Architektur sensi-bilisierendes Projekt initiiert: Die in zweijährigem Rhythmus stattfindenden Lichthof-projekte zeigen schon beim ersten Betreten des Gebäudes, dass dies ein Haus der Kunst ist. Die erste Künstlerin, die diesen Auftrag eindrücklich umgesetzt hat, ist Monika Sosnowska.

Meinen herzlichen Dank möchte ich Susanne Meyer-Büser für die redaktionelle Betreuung dieses Bandes aussprechen – ebenso den Autoren und allen Beteiligten, die an der Wiederauflage des Museumsführers mitgewirkt haben. Außerdem danke ich dem Prestel-Verlag, dass er sich für eine 2. Auflage entschieden hat.

Marion Ackermann

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Die Sammlungen

Vor nahezu 50 Jahren wurde in Düsseldorf ein Museum gegründet, das heute eine einzigartige Auswahl an Werken des 20. und 21. Jahrhunderts besitzt. Gemälde von Pablo Picasso, Wassily Kandinsky oder von Jackson Pollock gehören, wie die Installa-tionen von Joseph Beuys und Nam June Paik, zu den absoluten Höhepunkten. Neben diesen Arbeiten, die heute zu Ikonen der Kunst geworden sind, stehen viele weitere herausragende Beispiele aus der Klassischen Moderne, der amerikanischen Kunst nach 1945 sowie bedeutende Rauminstallationen, Fotografien und Film- und Video-arbeiten von zeitgenössischen Künstlern. Die hohe Qualität der Bestände hat Kritiker dazu verleitet, die Kunstsammlung als die ›heimliche Nationalgalerie‹ der Republik zu bezeichnen. Unabhängig davon, ob man in diese Huldigung einstimmen möchte, ist es dem Museum während seiner kurzen Geschichte gelungen, seinen Rang inner-halb der großen bundesdeutschen Sammlungen in Berlin, Bremen, Frankfurt, Ham-burg, München, Stuttgart und auch im internationalen Vergleich mit den großen Museen in Paris, London oder New York zu behaupten.

Die Kunstsammlung wurde aus dem absoluten Nichts heraus, ohne auf eine be-reits bestehende Sammlung aufzubauen, ins Leben gerufen. Das erklärte Ziel war es, sich mit allen Kräften der zeitgenössischen Kunst zu widmen. Die Museumsgrün-dung selbst ging auf eine politische Entscheidung zurück. Nach dem Zivilisations-bruch des Dritten Reiches und dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Deutsch-land politisch und administrativ neu geordnet. Die demokratisch gewählten Entscheidungsträger bekannten sich zu Toleranz und Offenheit. Auch in dem erstma-lig geschaffenen Verwaltungsbezirk Nordrhein-Westfalen verpflichtete man sich die-sen Werten und nahm die Aufgabe der Pflege der kulturellen Angelegenheiten aus-drücklich in die landeseigene Verfassung auf. Als Nordrhein-Westfalen 1960 sein zehnjähriges Bestehen feierte, war das Land noch ohne eine staatliche Sammlung für zeitgenössische Kunst. Doch ergab sich gerade zu diesem Zeitpunkt die Möglich-keit, mit Arbeiten von Paul Klee einen hochrangigen Grundstock in der Absicht zu erwerben, ein neues Museum zu gründen. Als Standort wählte man die Landeshaupt-stadt Düsseldorf. Die mittelgroße Stadt galt als ›Schreibtisch des Ruhrgebietes‹ und war das Verwaltungszentrum am Rand des Industriegebietes, das durch Kohleabbau und Stahlverhüttung lange Zeit wirtschaftlich tonangebend war.

Die Entscheidung für Paul Klee erfolgte aufgrund der Verbundenheit des Künstlers mit dem Rheinland: In den 1920er Jahren hatten sich private Sammler um Kontakt zu Klee bemüht, der als Lehrer am Bauhaus, der Hochschule für Gestaltung in Des-sau, wirkte. Es gelang, den Künstler zu überzeugen, 1931 eine Professorenstelle an der Düsseldorfer Kunstakademie anzunehmen. Als eine Art Willkommensgruß organi-sierte man eine große Ausstellung mit seinen Werken. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten war Klee gezwungen, sein Lehramt aufzugeben. Um sein Leben und seine Existenz zu sichern, emigrierte der Künstler Ende 1933 in die Schweiz, wo er 1940 starb. Mit dem Ankauf der Werke von Paul Klee beabsichtigten die politisch Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen, den schmerzlichen Verlust dieser international bedeutenden Persönlichkeit kulturpolitisch wiedergutzumachen. Wie aus den Gründungsdokumenten der Kunstsammlung hervorgeht, wollte man sich bewusst zu den »geistig-künstlerischen Werten, welche die demokratische Welt heute mit dem Wesen und Werk Paul Klees verbindet«, bekennen. Es handelte sich um eine posthume Ehrung für einen der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

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Die Sammlungen 11

Die Einsetzung der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, des neuen Mittel-punkts des kulturellen Lebens im Land, datiert auf einen Kabinettsbeschluss vom August 1961. Im Jahr darauf wurde der erste Direktor der Institution, Werner Schma-lenbach, berufen. Er war sich nicht nur der kulturpolitischen Aufgabe, für die das neue Museum einzutreten hatte, bewusst, sondern erfüllte auch dessen außenpoli-tischen Auftrag. Denn unter der Ägide des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland und mit dem Engagement des nordrhein-westfälischen Ministerpräsi-denten Heinz Kühn wurde die Kunstsammlung genutzt, um international deutlich zu machen, dass Deutschland die Zeit des Nationalsozialismus überwunden hatte und sich bemühte, seine tradierte Kultur wiederzugewinnen. Die Tourneen durch die Metropolen der Welt machten die Kunstwerke, die einst als »entartet« verfemt wor-den waren, zu Botschaftern eines re-zivilisierten Landes. Symbolhaft führte eine der ersten Reisen die Klee-Sammlung 1966 nach Tel Aviv in Israel, um die vorsichtige Annäherung an die Menschen zu unterstützen, die Opfer des Nazi-Terrors gewesen waren.

Zunächst wurde die neu gegründete Institution im Schloss Jägerhof untergebracht, einem nahe der Innenstadt gelegenen Anwesen. Das um 1750 in der Zeit des Rokoko errichtete Gebäude befindet sich am östlichen Rand des Hofgartens, einer nach eng-lischem Vorbild gestalteten Parkanlage im Herzen der Stadt. Die vorübergehende Unterbringung endete im März 1986, als der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Kunstsammlung in ihrem neu errichteten Gebäude am Grabbeplatz unweit der mondänen Königsallee eröffnete. Hinter der kühn geschwungenen, dun-kelglänzenden Fassade präsentierten sich die Werke der Klassischen Moderne und der Kunst nach 1945 sowie die Arbeiten von Paul Klee. Gemäß den Prinzipien des

Paul Klee, heroische Rosen, 1938. 139 (J 19)

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12 Die Sammlungen

damaligen Direktors setzte sich der Bestand aus Gemälden westlicher internationaler Kunst zusammen, die den höchsten qualitativen Anforderungen entsprachen.

Das Spektrum der Bestände der Kunstsammlung wird geprägt durch Vielstimmig-keit und Gegensätze. Es umfasst sinnlich-malerische und expressive künstlerische Haltungen, die bis in Grenzbereiche des Psychischen und Obsessiven vordringen, aber auch intellektuell kontrollierte und literarisch oder konzeptionell bestimmte Kunstformen. Bei aller bewussten Konzentration auf die individuelle Höchstleistung im Einzelwerk kamen im Laufe der Jahre auch kleinere und mittlere Werkensembles zusammen, die einigen herausragenden Künstlern eine breitere Repräsentanz in der Sammlung gewähren.

Ein Überblick über die Bestände muss bei den Arbeiten von Paul Klee beginnen. In seinem Schaffen reflektierte der Künstler sensibel und mit scharfem analytischem Blick die Ereignisse seiner Zeit und erschuf einen künstlerischen Kosmos, in dem sich Tragikomik, Leichtigkeit, Ernst, Ironie, Spiel und Kalkül vereinen. Die 88 Werke des Ankaufs von 1960 gehörten ursprünglich zu einer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegründeten Privatsammlung im amerikanischen Pittsburgh. Für die dem Land Nordrhein-Westfalen angebotenen Gemälde, Zeichnungen und farbi-gen Arbeiten auf Papier wurden sechs Millionen D-Mark gefordert; eine Summe, die damals zwar hoch erschien, heute jedoch als lächerlich gering betrachtet werden muss, denn die Auswahl umfasste hervorragende Stücke wie Der L = Platz im Bau (1923), schwarzer Fürst (1927), Gezeichneter (1935) und heroische Rosen (1938). Weitere wichtige Gemälde, wie zum Beispiel Kamel (in rhythm. Baumlandschaft) (1920), eines der ersten Werke, die Klee in Öl ausführte, wurden in den folgenden Jahren dazugewonnen. Durch den Erwerb von Rote u. weisse Kuppeln (1914) oder Erinnerung an einen Garten (1914) lässt sich die wichtige Werkphase repräsentieren, in der der Künstler im Zusammenhang mit seiner Reise nach Tunesien zur farbigen Gestaltung fand. Weitere bedeutende Ergänzungen bestanden in Zeichnungen wie scharfes Wort (1940), die in der reduzierten, linearen und spröden Formensprache der letzten Schaffensjahre entstanden. Die heute fast hundert Werke umfassende Klee-Sammlung vermittelt einen einzigartigen Einblick in die nahezu unerschöpf-liche Kreativität des Künstlers.

Wassily Kandinsky, Komposition X, 1939

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Die Sammlungen 13

Zu den Werkgruppen von einzelnen Künstlern gehören zwölf Arbeiten von Pablo Picas so, die fast alle wichtigen Schaffensphasen umfassen. Jedes Stück bildet auf seine Weise einen Höhepunkt in der Sammlung und belegt die Vielfalt des erfin-dungsreichen Künstlers, der für seine stilistische Experimentierfreude und uner-schöpfliche gestalterische Fabulierkunst bekannt war: sei es das kubistische Bildnis Portrait de Fernande (1909), das steile Hochformat Fenêtre ouverte (1919) in sehr freiem, den Kubismus paraphrasierendem Stil, die monumentale Darstellung von zwei Akten in Deux femmes nues assises (1920), das von einer heiter-melancho-lischen Atmos phäre bestimmte Gemälde Femme au miroir (Femme accroupie) (1937) oder die hoheitsvolle Jacqueline in Grand profil (1963), ein unumstrittenes Meisterwerk aus der letzten Schaffensphase. Eine besondere Erwähnung verdient Pierre Bonnards wandfüllendes Gemälde La terrasse de Vernon (1928). In Fortfüh-rung der Errungenschaften des Fauvismus werden die Gesetzmäßigkeiten und die Wirkung von Farbe auf der Leinwand ergründet. Das Werk verrät ein modernes Ver-ständnis von Malerei. Das Medium wird durch die Dominanz der verschiedenen Nuancen von Grün und Blau zu einer eigenständigen Größe. Zu den thematischen Schwerpunkten im Bestand gehört im Bereich der französischen Malerei die kubis-tische Kunst mit Werken u.a. von Pablo Picasso, Fernand Léger, Juan Gris und Georges Braque. Das Gemälde Nature morte, harpe et violon (1911) von Braque gilt als ein herausragendes Beispiel der analytischen Phase dieser Stilrichtung und war eine der ersten Erwerbungen für die junge Institution im Jahr 1962.

Die expressionistische Malerei ist ebenfalls mit einer Reihe von Spitzenwerken in der Kunstsammlung vertreten. Der Schwerpunkt liegt auch hier auf dem Einzelstück, sodass die Bewegung in besonders herausragenden Beispielen präsent ist. Das Gemälde Die Nacht (1918/19) stellt im Schaffen von Max Beckmann ein Schlüssel-werk dar. Es zeigt den Überfall auf eine Familie als Sinnbild der militärischen und politischen Zeitereignisse am Ende des Ersten Weltkrieges. Für Beckmann bedeutete das Bild künstlerisch vor allem den Abschluss eines stilistischen Wandels. Unter Beibehaltung der Gegenständlichkeit bemühte sich der Künstler um einen neuen Stil, den er in hellen Farben, klar konturierten Formen sowie einer neuen Auffassung des Bildraumes sah. Von Kurt Schwitters besitzt die Kunstsammlung sieben Arbei-ten, darunter eine kleine Gruppe von Collagen. Schwitters erdachte MERZ. Diese visuell äußerst reizvolle, gegenstandslose Bildsprache setzt sich aus Farbe sowie weggeworfenen Materialien wie Fahrkarten oder Verpackungen zusammen. Die MERZ-Zeichnungen wie Mz 150 Oskar. (1920) entstanden kurz nach dem Ersten Weltkrieg, aber auch während der letzten Schaffensphase in England. Zum unbestrit-tenen Stolz der Kunstsammlung zählen auch vier Werke von Ernst Ludwig Kirchner. Beispiellos ist das Gemälde Zwei Frauen auf der Straße (1914), das einzige Halbfi-gurenbildnis aus der Reihe von Kirchners Friedrichstraßenbildern. Die momenthafte Szene mit zwei Huren erfährt ihre Dramatik durch die kurzen und dicht gesetzten Pinselstriche, mit denen Kirchner die hektische Atmosphäre der Großstadt einfängt. Erwähnt werden müssen auch die Hauptwerke von Wassily Kandinsky: die unersetzli-che Komposition IV (1911), die als ein Meilenstein auf dem Weg zur ungegenständ-lichen Malerei gilt, und ebenso seine Komposition X von 1939, die Nachklänge der vom Bauhaus geprägten Formensprache aufweist. Weitere wichtige Stücke aus dieser von Strenge und Ordnung bestimmten stilistischen Phase der 1930er Jahre sind vier abstrakte Kompositionen von Piet Mondrian, dessen überraschend farbenfrohes New York City I (unfinished) von 1941 einen lebendigen Eindruck hinterlässt.

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14 Die Sammlungen

Ein wichtiger Fokus der Kunstsammlung liegt auf der Pittura Metafisica mit Gemäl-den von Giorgio de Chirico und auf den Arbeiten des Surrealismus. Eines der sechs Gemälde von Max Ernst ist das Wandbild Au premier mot limpide (1923), das der Künstler während seines Aufenthaltes im Haus des Dichters Paul Éluard und seiner Frau Gala in dem kleinen Ort Eaubonne bei Paris als Dekoration einer Wand im Schlafzimmer schuf. In den 1990er Jahren gelang es, sieben Skulpturen von Max Ernst zu erwerben, die das Collage-Prinzip des Künstlers kreativ und humorvoll vor Augen führen. Der besondere Reiz der Plastiken liegt in der Lebendigkeit des fragilen Materials: Es handelt sich um die Originale in Gips, die als Vorlagen für die Verviel-fältigungen in Bronze dienten. Weitere Höhepunkte des Bestandes der surrealis-tischen Malerei sind fünf Werke von René Magritte, vier Arbeiten von Joan Miró sowie zwei Stücke von Salvador Dalí. Dieser führte Le cabinet anthropomorphique von 1936 im Stil der Alten Meister und auf einer empfindlichen Holztafel aus. Eine Plastik von Alexander Calder, ein Stabile-Mobile von 1937, flankiert die Auswahl. Die eigenwillige Formensprache ist sowohl Joan Mirós abstrakt-surrealistischen Werken wie auch den strengen Gestaltungsprinzipien von Piet Mondrian verpflichtet.

Die Kunstsammlung verfügt über eine ausgewählte Anzahl von Arbeiten auf Papier. Dazu gehören neben den Werken von Paul Klee und Kurt Schwitters u.a. die Arbeiten von Julius Bissier. Unter dem Eindruck ostasiatischer Philosophie und Kunst hatte der Künstler eine meditative Grundhaltung gewonnen und seine Bildsprache zu bio-tischen Zeichen und Symbolen verdichtet. Noch zu Lebzeiten von Bissier erwarb die Kunstsammlung drei Arbeiten. Der Wunsch des Künstlers, sein Werk möge nicht verstreut werden, führte zu der Entscheidung, dem Museum den Hauptteil seines Nachlasses zu vermachen. Der Bestand der Kunstsammlung umfasst daher alle Bereiche des Schaffens: die frühen Ölgemälde, die schwarz-weißen Tuschen aus den Jahren 1934 bis 1964, die farbigen Miniaturen wie 8. Oct. 58 Ascona (1958), die Aquarelle aus den 1950er Jahren und die größeren Formate der letzten Lebensjahre. Dazu kommen Holzschnitte und Monotypien. Von Gerhard Altenbourg besitzt die Kunstsammlung eine Gruppe von 46 Lithografien. Es handelt sich nahezu um das gesamte frühe lithografische Œuvre aus den Jahren 1948 bis 1950 des aus Thürin-gen stammenden Künstlers. Seine eigenwillige, fragile und imaginäre Bildsprache steht unter dem nachhaltigen Eindruck der schockierenden Kriegserlebnisse und zieht Bilanz eines zerrütteten Menschenbildes. Aufgrund der aus den Tiefen des Unbewussten drängenden Ausdrucksweise ist Altenbourgs Schaffen den Vorstel-lungswelten Paul Klees verwandt.

Einen weiteren herausragenden Akzent in der Kunstsammlung bildet mit etwa 40 Werken die amerikanische Kunst nach 1945. Das monumentale Number 32 von Jackson Pollock aus dem Jahr 1950 ist eines der wenigen wandfüllenden Drip Paint-ings des Künstlers und gehört zu den Höhepunkten der abstrakten expressionisti-schen Malerei. Zu den vier Werken von Robert Rauschenberg zählt das 1957 ent-standene Wager, eines der größten und komplexesten Combine Paintings. Die Reihe der amerikanischen Kunst setzt sich mit Beispielen von Ellsworth Kelly, Robert Mor-ris, Sol LeWitt, Mark Rothko, Frank Stella, Andy Warhol und anderen fort. Ein wichti-ges Einzelstück ist die unbetitelte Arbeit von Cy Twombly aus dem Jahr 1959. Das Werk zeichnet sich durch die für den Künstler charakteristische skripturale Gestik aus, die das negiert, was bildnerische bzw. malerische Systeme traditionell aus-macht. Auch die Wandzeichnung Scribbles: (KF), Wall Drawing # 1227 (2007) von Sol LeWitt zählt zu den hervorstechenden Werken der Kunstsammlung. Der Künstler

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hat sie dem Museum testamentarisch zugedacht. In Zusammenhang mit der tempo-rären Installation, die Richard Serra 1992 in der Kunstsammlung eingerichtet hatte, wurde das in Wachskreide ausgeführte monumentale Blatt The New York Times Manufactures Censorship (1989) erworben.

Inside-out von Robert Rauschenberg gehörte bis 1990 zu den wenigen dreidimen-sionalen Stücken in der Kunstsammlung. Heute ergänzen wichtige skulpturale Arbei-ten vor allem aus der Konzeptkunst und der Minimal Art den Bestand. Dazu zählt die Bodenskulptur Roaring Forties 48 (1988) von Carl Andre sowie zwei in ihrer For-mensprache kompromisslos strenge Werke von Donald Judd. Weitere raumgreifende Arbeiten stammen von John Chamberlain, Sol LeWitt, Richard Serra, Tony Smith und von Barnett Newman. Dessen Skulptur Zim Zum II (1969/1985) soll der Betrachter beim Durchschreiten physisch erfahren. Die körperliche Wahrnehmung – von Raum-kontraktion und Raumausweitung – regt letztlich zur Selbstreflexion an. Sie ist ein wichtiges Merkmal, das auch für Arbeiten von anderen Künstlern, die zur gleichen Zeit wie Newman tätig waren, charakteristisch ist.

Der Zweite Weltkrieg stellte auch für die künstlerischen Bewegungen eine ein-schneidende Zäsur dar. Nur zögerlich wurden in Europa nach 1945 gestalterische Traditionen aufgegriffen. Viele Positionen spiegeln die existenziellen Umbrüche unmittelbar wider. Dazu gehören die figurativ bestimmten Werke von Francis Bacon und Alberto Giacometti, die mit eindrucksvollen Gemälden in der Kunstsammlung vertreten sind. Etwa zur gleichen Zeit formierten sich Bewegungen, die sich der Ungegenständlichkeit und der ausdrucksstarken Geste verschrieben und mit neuen kunstfernen Techniken experimentierten. Die Gruppe von Werken von Jean Dubuffet oder Antoni Tàpies belegt den Umgang mit ungewohnten Malmitteln wie Sand oder Mörtel. Daneben sind die farbgewaltigen Eruptionen von Emil Schumacher zu nen-nen, bei denen der Künstler die Farben so dick auftrug, dass sie wie Erdschollen aufzubrechen scheinen. Seine Haltung belegt, dass vom Rheinland und auch von Düsseldorf in den 1950er Jahren wichtige Impulse ausgingen. In der Kunstsamm-lung belegen dies Beispiele von Künstlern aus der Gruppe ZERO. Eine spirituelle

Max Ernst, Deux assistants , 1967 Max Ernst, Un ami empressé, 1944

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Qualität prägt die Arbeiten von Yves Klein. So erinnert Monogold MG 11 (1961) an die byzantinische und mittelalterliche Goldgrundmalerei: Das Bild ist in Blattgold auf Holz ausgeführt. Die Assemblage Choral (1962) von Arman hingegen zeigt, wie Zerstörung und Vernichtung als konstruktives Prinzip in der künstlerischen Praxis begriffen werden können. Die europäische Malerei der nachfolgenden Jahrzehnte fin-det in der Kunstsammlung ihren Niederschlag in Werken von Georg Baselitz, Gott-hard Graubner und Markus Lüpertz. Gewaltig wirkt die fast 5 m breite Leinwand von Per Kirkeby, die der Künstler mit unendlich vielen Farbschichten bearbeitete. Der ausgebildete Geologe lässt bewusst Assoziationen an Sedimentgestein zu, sodass trotz des ungegenständ lichen Sujets der Eindruck von Landschaftsformationen und prähistorischen Ablagerungen entsteht. Eine weitere bedeutende Rolle nehmen die Arbeiten von Gerhard Richter ein. Zwölf Gemälde geben einen Einblick in sein viel-seitiges Schaffen, in dem Wahrnehmungsprozesse durch die Verunklärung des Bild-gegenstandes hinterfragt werden. Das gilt auch bei einem scheinbar harmlosen Motiv wie den Wolken (1978), das der Künstler ursprünglich zur Ausstattung eines Trep-penhauses in einem Verwaltungsgebäude schuf. Die Skulptur 7 Stehende Scheiben (2002) erweitert die Gruppe um eine wichtige plastische Arbeit. Sie umkreist – eben-so wie der aus vier Bildern bestehende Zyklus Silikat (2003) – das Thema der Wahr-nehmung und der Erkenntnis.

Die Bedeutung, die die künstlerische Fotografie in den letzten Jahrzehnten gewon-nen hat, bezeugen die Werke der Impulsgeber Bernd und Hilla Becher, von denen die Kunstsammlung sechs Typologien und drei Einzelwerke erworben hat. Die seit den 1960er Jahren entstandenen Arbeiten des Künstlerpaares zeigen Industrie-bauten wie Hochöfen oder Wassertürme als »anonyme Skulpturen«, wobei sie die subjektive Einflussnahme auf den Abbildungsprozess vermeiden. Von einer ganz anderen Herangehensweise bestimmt als die Arbeiten der Bechers und ihrer inzwi-schen international anerkannten Schule von Fotografen sind die Werke von Katharina Sieverding. Der mit transzendentalen Bezügen aufgeladene Stauffenberg-Block

Christian Boltanski, El Caso,1988

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I-XVI/1969 (1969) thematisiert vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit die Verantwortung des Individuums gegenüber der Gesellschaft. Ein besonderer Höhepunkt in der Sammlung ist das inzwischen zu einer Inkunabel avancierte Morning Cleaning, Mies van der Rohe Foundation, Barcelona (1999) des kanadi-schen Fotografen Jeff Wall. Der monumentale Leuchtkasten zeigt, wie während der morgendlichen Reinigung die klare Struktur der inzwischen als klassisch zu bezeich-nenden Architektur in Unordnung gebracht wird. Wall spielt die künstlerische Ord-nung gegen eine alltäg liche Ordnung aus. Seine für die Postmoderne charakteristi-schen Arbeiten sind von einem hochkomplexen Geflecht aus historischen Bezügen gekennzeichnet.

Die Sammlung aus dem Bereich der neuen Medien, also von Video- und Filmarbei-ten, ist im Aufbau. Zu den etwa 90 Positionen des Bestandes gehören Produktionen von Bruce Nauman und Marina Abramovic sowie installative Arbeiten. Besonders das Werk von Nam June Paik gilt es hervorzuheben. Sein TV-Garden (1974–1977/2002), eine raumfüllende Ansammlung aus Grünpflanzen und Monitoren, bietet dem Betrachter eine Symbiose aus Technik und Natur. Einen erzählerischen Charakter haben häufig die Werke von Eija-Liisa Ahtila: Talo – The House (2002) thematisiert Aspekte einer psychisch-sozialen Krankheit. In dem ebenfalls narrativen Werk Tide Table (2003) von William Kentridge hält eine Einzelbildfilmkamera in einem szeni-schen Ablauf die Veränderungen an einer Kohlezeichnung fest. Die sich ergebende Geschichte kann als ein resümierender Lebensfilm verstanden werden.

Die Grenzen zwischen den traditionellen Gattungen wie Malerei, Skulptur oder Zeichnung haben aus ganz unterschiedlichen Intentionen heraus die Künstler immer wieder herausgefordert. Die Collagetechnik der Kubisten oder von Kurt Schwitters sind in diesem Zusammenhang genauso zu nennen wie die Arbeitsweise von Marcel Duchamp oder Max Ernst. Ein bedeutender Vertreter, der aus den spezifischen Eigenschaften des verwendeten Materials heraus seine Inhalte kreierte, war Joseph Beuys. 1992 gelang es, Palazzo Regale (1985) zu erwerben. Diese große Installation stellt das individuelle Vermächtnis des Künstlers dar und ist zugleich biographische Summe. Heute gehören der Kunstsammlung etwa 80 Installationen, Vitrinen, Zeich-nungen und Collagen aus den Jahren 1944 bis 1985. Das Environment fat up to this level I (1972) ist von geradezu minimalistischer Klarheit und steht für einen zentra-len Aspekt in Beuys’ umfassendem künstlerischen Konzept. Die Anordnung zeigt drei aufrecht stehende Zinkplatten mit einer in den Raum ausgreifenden Eisenstange. Die Offenheit regt zur gedanklichen Vollendung der Skulptur an, fordert das Vorstel-lungsvermögen des Einzelnen und stellt die Frage nach Definition und Position des Individuums. Die materiellen Komponenten der Arbeit sind, dem theoretischen Ansatz des Künstlers folgend, als Energieträger zu begreifen.

Mit dem Erwerb des Raumes Section Publicité du Musée d'Art Moderne, Départe-ment des Aigles (1972) von Marcel Broodthaers im Jahr 1999 erweiterte die Kunst-sammlung das Spektrum der eigenen Bestände um einen wesentlichen inhaltlichen Aspekt: Die Installation von Broodthaers thematisiert die Präsentation von Kunst und ihren Repräsentationscharakter. Als ein weiteres Beispiel dieses Gesichtspunktes und als Auseinandersetzung mit den klassischen Avantgarden kann das konsequent abstrakte Œuvre von Imi Knoebel genannt werden. Der monumentale Genter Raum (1979/80), eine Arbeit aus 449 lackierten Holzteilen, zeigt die Beschäftigung mit dem Suprematismus von Kasimir Malewitsch und vergegenwärtigt die Übertragung der Malerei in die räumliche Dimension. Der Künstler lotet die Existenz dieses Medi-

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ums zwischen objekthafter Präsenz und Entmaterialisierung, zwischen greifbarer Wirklichkeit und abstrakter Bildsprache aus.

Bei den installativen Arbeiten stellt sich die Frage, wie diese Werke dem Publikum adäquat präsentiert werden können. Die Kunstsammlung am Grabbeplatz verfügt kaum über entsprechende Räume für diese Kunstformen. Es muss daher als glückli-che Fügung bezeichnet werden, dass das Land Nordrhein-Westfalen der Kunstsamm-lung einen zweiten Standort anbot, der seit dem Frühjahr 2002 zur Verfügung steht. Das im späten 19. Jahrhundert im Stil der Neu-Renaissance errichtete Ständehaus liegt in einem idyllischen Park am südlichen Rand des Stadtzentrums. Bis zum Auszug diente es den politischen Vertretungen der Region, den sogenannten Stän-den, als Versammlungsort; zuletzt kam dort das Parlament des Landes Nordrhein-West falen zusammen. Den Erfordernissen eines Museums angepasst, bietet sich in der Verknüpfung von alten architektonischen Elementen mit modernen Details eine abwechslungsreiche Struktur. Die parataktische Anordnung von kleinen Räu-men – zumeist ohne Verbindung untereinander – kommt den dreidimensionalen künstlerischen Werken entgegen. Viele von ihnen kamen zunächst als Leihgabe der Sammler Heinz und Simone Ackermans in den Bestand; 2004 wurde das Konvolut für die Kunstsammlung erworben. Zu den wichtigsten Installationen gehören El Caso (1988) von Christian Boltanski, My Grandfather’s Shed (1998) von Ilya Kabakov, die Werke von Thomas Schütte sowie Plaza (1996) von Juan Muñoz, eine Anordnung von 27 Figuren, die miteinander zu kommunizieren und gleichzeitig den Betrachter auf große Distanz zu halten scheinen. Auch Das Deutschlandgerät (1990/2002) von Reinhard Mucha, das der Künstler als deutschen Beitrag auf der 44. venezianischen Biennale vorstellte, ist Teil der Kunstsammlung. Bei der räumlichen Arbeit Two Fami-lies (2002) von Thomas Hirschhorn handelt es sich um das Display eines Doppelhau-ses in Puppenstubenformat. Es paraphrasiert die unfreiwillige Nachbarschaft gegen-sätzlicher Positionen. Gewaltverherrlichende Fotografien an den Wänden, umgekippte Möbel und die Überreste von beängstigenden Übergriffen geben in diesem kleinen Maßstab beredtes Zeugnis von den Folgen von Intoleranz und Aggression.

Veränderte Kunstformen erfordern eine angemessene Vermittlung ihrer Inhalte. Eine besondere Herausforderung liegt vor, wenn der Betrachter unmittelbar in ein Werk einbezogen ist, wenn also das Publikum Bestandteil einer künstlerischen Ins-tallation wird oder wenn es zur Vollendung eines Werks eine Aufgabe zugewiesen bekommt. Um die aktive Teilhabe an der künstlerischen Arbeit zu stärken, nutzt die Kunstsammlung seit 2009 ihren dritten Standort. Für Aktionen, Symposien, Gesprächsrunden und experimentelle raumbezogene Manifestationen steht in unmit-telbarer Nachbarschaft des Gebäudes am Grabbeplatz das 1971 errichtete Gebäude der ehemaligen Galerie Schmela zur Verfügung.

Ist die Gründung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen auf politische Ent-scheidungen zurückzuführen, so beruht die Qualität der Sammlung auf dem voraus-schauenden Kalkül der Direktoren. In aller Unabhängigkeit und mit größtem Sach-verstand ist eine Institution für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts entstanden, die den genuinen Aufgaben des Museums – Sammeln, Forschen, Bewahren und Ver-mitteln – gerecht wird.

Anette Kruszynski

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Eine Kunstsammlung, drei Adressen, drei singuläre Bauwerke

Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen verfügt heute über drei Gebäude, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Im Herzen der Altstadt liegt der als Museum entwor-fene und 1986 eröffnete, streng wirkende Bau mit seiner dunklen, das Umfeld spie-gelnden Fassade. In den Jahren 2008 bis 2010 wurde er durch einen nach Norden orientierten Anbau maßgeblich erweitert. Eineinhalb Kilometer südlich – idyllisch im Park am Kaiserteich – findet sich der historische Bau des ehemaligen nordrhein-westfälischen Landtags, der 2002 in einer äußerlich behutsamen Neuinterpretation als Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst eröffnet wurde. Und seit 2009 rundet das nur wenige Schritte vom Grabbeplatz entfernte, architektonisch prägnante Gebäude der ehemaligen Galerie Schmela dieses Ensemble ab. Der erweiterten Kunstsammlung stehen nun mehr als 10 000 m² Ausstellungsfläche zur Verfügung, wobei die Räume für die Kunst an den verschiedenen Standorten kaum weniger unterschiedlich ausfallen als die Häuser selbst. Es gibt intime Räume für Malerei und Zeichnungen, lichtdurchflutete Hallen für Skulpturen und Installationen, große Säle, in die Ausstellungen präzise eingepasst werden können, es gibt Tageslicht- und Kunstlichtsäle, und es gibt Depoträume, Werkstätten, Büros sowie repräsentative Ver-sammlungsorte für die Diskussion im kleinen Kreis und Empfänge im großen Stil.

K20 Grabbeplatz: Ein Haus für die Bilder des 20. Jahrhunderts

Nach der Gründung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen fand die langsam wachsende Sammlung 1965 zunächst Unterkunft im Schloss Jägerhof, einem um 1750 von dem Aachener Baumeister Johann Joseph Couven (1701–1763) am Rande des Düsseldorfer Hofgartens im Stil des Rokoko erbauten komfortablen Wohnhaus. Das dort zur Verfügung stehende Raumangebot allerdings war bald ausgeschöpft,

K20 Grabbeplatz

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20 Eine Kunstsammlung, drei Adressen, drei singuläre Bauwerke

sodass die Landesregierung bereits Anfang der 1970er Jahre entschied, ein ange-messenes Haus für ihre Kunstsammlung zu finanzieren. 1975 wurde ein offener Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Darüber hinaus lud man vier international tätige Architekten ein: den Bauhaus-Künstler Marcel Breuer, den Engländer James Stirling, den Japaner Kenzo Tange sowie das Kopenhagener Büro Dissing + Weitling.

Die Bauaufgabe war komplex: Die Stadt hatte dem Land das Grundstück der im Krieg schwer zerstörten und dann abgerissenen Landes- und Stadtbibliothek geschenkt. Dieses grenzt nördlich an den bereits Anfang des 19. Jahrhunderts ange-legten Grabbe platz, »eines der wertvollsten Grundstücke im inneren Stadtbereich und damit ein Standort, der der öffentlichen Wirksamkeit des Museums zugute-kommt« (Ausschreibungsunterlagen 1975). Unter Berücksichtigung des Baube-stands – barocke Andreaskirche, Städtische Kunsthalle und Gerichtsgebäude – sollte dieser zentrale, städtebaulich so wichtige Platz neu gefasst werden. Ebenso galt es, die Anbindung zu den engen Gassen der Altstadt, zur Heinrich-Heine-Allee mit ihren repräsentativen Bauten sowie zum angrenzenden Hofgarten neu zu definieren. Über einen Platz auf der Rückseite des Gebäudes wollte man zudem die Anbindung nach Norden, zur Kunstakademie, Tonhalle und zum städtischen Kunstmuseum im Ehren-hof verbessern.

Mit großer Mehrheit entschied sich die fachmännisch besetzte Jury bereits im Herbst 1975 für den Entwurf des Büros Dissing + Weitling. Hans Dissing (1926–1998) und Otto Weitling (*1930) hatten viele Jahre mit Arne Jacobsen, einem der bedeutendsten Architekten der Moderne, gearbeitet. Eine moderne Formensprache, der Wechsel von rechtwinkligen Formen und sanften Rundungen, sorgfältig ausge-wählte und verarbeitete Materialien, ein ausgewogenes Zusammenspiel von Natur-steinen, Metall und Glas sowie der erklärte Wille, auch das kleinste Detail präzise zu gestalten, prägen die von ihnen und ihrem Büro entworfenen Bauten. Der Grundstein für diesen ersten von Dissing + Weitling entworfenen Museumsbau wurde aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation des Landes erst 1981 gelegt, am 14. März 1986 schließlich wurde das Haus feierlich eröffnet.

Eine anthrazitfarbene Fassade aus glatt poliertem Bornholmer Granit verleiht dem Gebäude sein unverwechselbares Gesicht: In einer eleganten Welle von der Neu-brückstraße zur Heinrich-Heine-Allee verlaufend, begrenzt sie den Platz und schließt

Simulation des Paul-Klee-Platzes mit dem Erweite-rungsbau

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mit einem kühnen Schwung an die höhere Traufe der historischen Fassade des ehe-maligen Reichsbank-Gebäudes an, die das Museumsgebäude nach Osten abschließt. Der glatt polierte Stein wirkt zunächst schwarz, verliert aber seine Strenge und Undurchdringlichkeit durch die Reflexion der Umgebung und das lebhafte Wechsel-spiel des Lichts. Weiß gefasste Fensterbänder mit einer starken Betonung der Senk-rechte öffnen die Ausstellungshalle, das Restaurant, Büroräume und ein Café zum Platz. Im Bereich des Restaurants und der Direktionsräume springen sie erkerartig vor, während sich aus der Fensterreihe der Halle eine trommelartige Ausbuchtung vorwölbt. In ähnlicher Weise sind auch die westliche und die östliche Fassade geglie-dert, wobei dort, zur Heinrich-Heine-Allee hin, die Position des Auditoriums durch einen Einschub in die Fassade markiert ist. Auf der Rückseite des Gebäudes, links der Passage, schließt der kompakte Baukörper des Erweiterungsflügels an. Am Ende des Paul-Klee-Platzes stößt er dann unvermittelt an den bereits im Mai 2009 eröff-neten Bürgersaal der Stadt Düsseldorf. An dieser Schnittstelle erlaubt ein schmales, hochrechteckiges Fenster einen Blick ins Innere. In die ebenfalls mit anthrazitfarbe-nem Granit verkleidete Fassade ist ein langgestreckter, mit silberfarbenem, eloxier-tem Aluminium beschichteter Baukörper eingeschoben. Dahinter verbirgt sich die Anlieferung, deren Tor an der schmalen Nordseite so bemessen ist, dass selbst grö-ßere Transporter hineinfahren können.

Das Museum betritt man nicht von seiner Schauseite am Grabbeplatz, sondern durch eine runde Drehtür in dem Durchgang, der das Gebäude wie ein Tunnel durch-stößt. Das niedrige, immer etwas beengt und dunkel wirkende Foyer wurde im Rah-men der Erweiterungsmaßnahme nachhaltig verändert: Heute betritt man einen erkennbar entkernten, gut ausgeleuchteten und weiten Raum, der zum Verweilen einlädt. Rechts öffnet sich der Museumsshop. Im hinteren Bereich, unterhalb des breiten, Tageslicht einlassenden Lichthofs, sind – gegliedert durch weiß lackierte Quader – Kassenbereich, Garderoben und Toilettenanlagen angeordnet. Der ›Altbau‹ erschließt sich über die parallel zur linken Längswand verlaufenden Treppen, die frei

Treppe zur Robert-Rademacher-Galerie

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vor der Wand stehen: Die erste führt zum Auditorium, der Bibliothek und den Büro- räumen in der ersten Etage, die zweite direkt nach oben, die dritte zur Robert-Rade-macher-Galerie und dann weiter in die zweite Etage. Dort beginnt der Rundgang, damals wie heute. Den Besucher, der vom Platz kommend die dunklere Eingangs-zone passiert hat, empfängt hier strahlendes Licht, eine geschickte Lichtführung, die die Sphäre der Kunst dem Alltag entrückt. Über einen Lichthof, der das Gebäude vom Dach bis zum Boden durchdringt, fällt über ein breites Fenster Tageslicht in den Eingangssaal. Die Eigenheit dieser Verbindung zwischen Innen- und Außenraum setzt ein speziell für diesen Ort entwickeltes Werk des dänischen Künstlers Olafur Eliasson in Szene.

Die Suite der Ausstellungsräume, deren Großzügigkeit und Offenheit eine akzentu-ierende, spannungsreiche Hängung der Werke von Matisse und Picasso, Paul Klee und Kandinsky, Miró und Max Ernst bisher nicht erlaubte, ist einem – von den Berli-ner Architekten Kuehn Malvezzi entwickelten – engeren Parcours von Räumen ge -wichen, die mit wenigen Ausnahmen auf dem von der Lichtdecke vorgegebenen Modul von 6 m Breite basieren. Die dem Rundgang angegliederten ehemaligen Zeichnungskabinette nehmen heute den Schauraum der Abteilung Bildung auf, deren Arbeit nun unmittelbar mit der Sammlung verzahnt ist. Das Café mit seinem geschwungenen Grundriss und dem großen Fenster zur Stadt wurde von Joep van Lieshout neu eingerichtet und gestaltet.

Die gründliche Sanierung der klima- und sicherheitstechnischen Anlagen bleibt verborgen. Der dunkle Steinboden im Erdgeschoss und der gekälkte Holzboden in den oberen Etagen sind ebenso erhalten wie die geschwungenen, an Wolkenstores erinnernden Lichtdecken. Deren prägnante Gestaltung, die maßgeblich die so unter-schiedlich proportionierten Ausstellungssäle vereinheitlicht, basiert auf einem höchst komplexen System: »Unter den tonnenförmig konkav gewölbten Decken, die erfah-rungsgemäß gute Lichtverteiler sind, hängen konvex gewölbte, transparente Reflexi-onsschalen aus einem speziell entwickelten Kunststoffmaterial. Über ihnen sind schmale Dächer angebracht, auf denen wieder Überdächer sitzen, die den Lichtein-fall mithilfe steuerbarer Lamellen und mit Querschotten regulieren« (Manfred Sack, 1986). Vollkommen gleichmäßig wird das Licht auf die Wände und auf die Kunstwer-ke gelenkt. Das Haus, in den 1970er Jahren für die ›Bilder des 20. Jahrhunderts‹ geplant, ist ein reines Tageslichtmuseum, wobei das Licht aus unterschiedlichen Höhen in die Räume fällt. In den intimeren Sälen im zweiten Stock, wo die kleineren Bildformate der Kubisten, Expressionisten und Surrealisten gezeigt werden, sind es 4,30 m. In der Robert-Rademacher-Galerie, die man über eine kühn geschwungene Treppe erreicht, sind es 6 m, in der im Erdgeschoss gelegenen Grabbe-Halle sogar 14 m. Mit ihren Abmessungen von 12 m Breite und annähernd 50 m Länge mutet sie an wie ein Kirchenschiff, durch dessen breites Fenster sich ein weiter Blick auf den Grabbeplatz öffnet. Hier endete bislang der Rundgang.

Nun aber wartet der Anbau. In der Klee-Halle (22,10 « 48,55 m), die mit einer schlichten Lichtdecke abschließt, werden die großen Wechselausstellungen gezeigt. Die darüberliegende Konrad-Henkel-Galerie (18,64 « 48,55 m) erreicht man über ein schmales Treppenhaus hinter der rückwärtigen Wandschale. Dieser Saal mit deutlich niedrigerer Deckenhöhe – 4,57 statt 6,50 m – wird über schräg gestellte Sheds mit Tageslicht beleuchtet, dem Kunstlicht zugeschaltet werden kann. An seiner Südseite öffnet er sich mit einem breiten Durchgang zum Bestandsbau, dort, wo die Wendel-treppe in die Robert-Rademacher-Galerie hinabführt.

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Im März 2006 wurden, nach langjähriger, von Armin Zweite immer wieder angestoße-ner Diskussion, der Anbau und die Sanierung des Museums vom Land bewilligt. Beauftragt wurde wiederum das Büro Dissing + Weitling, das bereits seit Beginn der 1990er Jahre in die Konzeption der Erweiterung involviert war. Die Schnittstellen zwischen dem 1986 eröffneten Gebäude und seiner Erweiterung sind zwar erkenn-bar, werden aber kaum als störend empfunden. Wenn auch die Konstruktion der Lichtdecken und die Wandhöhen zwischen Alt- und Neubau variieren, so sind viele Materialien, z. B. die Bodenbeläge, dem Bestand angepasst. Wesentliche Verbesse-rungen werden sich im Alltag bewähren: Anlieferung, Depots und Ausstellungssäle sind durch ausreichend bemessene Aufzüge und Gänge miteinander verbunden, die Werkräume und Büros der Abteilung Bildung neu gegliedert, die Bibliothek wenigs-tens minimal erweitert. Eine Ausweitung bis zur Ratinger Straße, die eine angemes-sene und zukunftsorientierte Vergrößerung der Depots und des Verwaltungsbereichs erlaubt hätte, ließ sich nicht realisieren. Mit der Erweiterung der Ausstellungsfläche von bisher 3 200 m² auf ca. 5 000 m² aber ist viel gewonnen. Gewonnen ist zweifel-los auch ein architektonisch gefasster, neu gestalteter Paul-Klee-Platz, der zudem durch die Installation eines farbigen Wandbildes der amerikanischen Künstlerin Sarah Morris ein unverwechselbares Gesicht erhält. Und auch der Grabbeplatz spielt nach zwei Jahren Bauzeit mit seiner klaren Wegeführung, dem Wasserbecken, den zum Sitzen einladenden Stufen und Bänken, mit Bepflanzung und Beleuchtung wie-der die zentrale Rolle im Stadtgefüge, die ihm durch die Planung des Büros Dissing + Weitling seit 1986 zugewiesen war.

K21 Ständehaus: Ein Haus mit zwei Gesichtern

Etwa eineinhalb Kilometer südlich des Grabbeplatzes, eingebettet in einen nach eng-lischen Vorstellungen angelegten Park unmittelbar am sogenannten Kaiserteich, liegt das Ständehaus. Der Name deutet auf die Geschichte dieses solitären Baus: 1876 bis 1880 nach den Plänen des Berliner Dombaumeisters Julius C. Raschdorff (1823 – 1914) errichtet, diente er als Parlaments- und Verwaltungsgebäude der regio-nalen Verwaltung der preußischen Rheinprovinz. Auf einer Fläche von ca. 46 « 54 m erhebt sich ein monumentales Gebäude, in dem sich »Elemente der italienischen Hochrenaissance und des frühen Manierismus mit Zutaten französischer Provenienz, die auch das späte Mittelalter und den frühen Barock zu Rate zogen« (Andreas

Das Ständehaus im Zustand bis 1943

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

K 20 / K 21. KunstsammlungenNordrhein-Westfalen

Paperback, Broschur, 160 Seiten, 12,0x22,0125 farbige AbbildungenISBN: 978-3-7913-5078-3

Prestel

Erscheinungstermin: August 2010

Vor nahezu 50 Jahren wurde in Düsseldorf das K20/K21 gegründet, das heute eine einzigartigeAuswahl an Werken des 20. und 21. Jahrhunderts besitzt. Gemälde von Pablo Picasso, WassilyKandinsky oder von Jackson Pollock gehören, wie die Installationen von Joseph Beuys undNam June Paik, zu den absoluten Höhepunkten. Neben diesen Arbeiten, die heute zu Ikonender Kunst geworden sind, stehen viele weitere herausragende Beispiele aus der KlassischenModerne, der amerikanischen Kunst nach 1945 sowie bedeutende Rauminstallationen,Fotografien und Film- und Videoarbeiten von zeitgenössischen Künstlern.