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Klausur Nr. 1 Strafrecht SS 2009 Friedrich Toepel

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Klausur Nr. 1 StrafrechtSS 2009

Friedrich Toepel

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• Aufgabe 1

• Aufbau:

• Tatnächster zuerst : A hat mehr getan als B, daher mit ihm beginnen

• A. Strafbarkeit des A• I. §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I, (25 II)

StGB durch Eindringen in den S-Markt

• 1.) Vorprüfung: Tat nicht durch Wegnahme von Geld vollendet, Raubversuch strafbar

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• A stellte sich vor, Geld selbst zu nehmen, aber Aushändigung des Tresorschlüssels durch Angestellte

• 2.) Tatentschluss, Vorsatz bezüglich:

• a) qualifizierte Nötigungskomponente:

• - Schläge gegen D und X,

• - Einsperren von D und X in den Vorraum der Toilette

• - Bedrohen der X mit dem Tod

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• b) Wegnahme oder Weggabe/Vermögensverfügung (Erpressung)?

• Wegnahme setzt Gewahrsamsbruch voraus. Ausgeschlossen durch Einverständnis?

• A stellte sich vor, Geld selbst zu nehmen, aber Aushändigung des Tresorschlüssels durch Angestellte

• aa) Rspr.: äußerliche Weggabe des Gegenstands der Tat, (nicht nur des Mittels Tresorschlüssel), daher:

• hier Einverständnis –, Wegnahme +

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• bb) h. L.: Einverständnis nur wenn Vermögensverfügung

) Vermögensverfügung erfordert (Rest-)Freiwilligkeit

• hier vielleicht noch +,

• aber auch: unmittelbares Bewirken einer Vermögensminderung?

• -, Eröffnung des Zuganges zum Vermögen nur den fremdschädigenden Zugriff des Täters ermöglicht

• also auch hier: Einverständnis –, Wegnahme +

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) für Vermögensverfügung genügt Mitwirkung des Genötigten, die nach seiner Vorstellung für die Herbeiführung des Schadens unerlässlich

• Danach hier: A konnte Tresor ohne Schlüssel nicht öffnen, auch nach Vorstellung der genötigten Angestellten, Preisgabe des Schlüsselverstecks = bereits Vermögensverfügung, auch wenn nicht unmittelbar zum Verlust des Geldes führend, daher hier:

• Einverständnis +, Wegnahme – • (Streitentscheidung gegenüber aa

und bb insoweit erforderlich)

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• c) Wer Wegnahme bejaht, weiterprüfen: • funktionaler Zusammenhang zwischen

Nötigungs- und Wegnahmekomponente +• d) Tatentschluss bezüglich Qualifizierung:

§ 250 II Nr. 1 StGB, geladene Schreckschusspistole

• aa) GrS (BGHSt 48, 197, 201 ff.):• Waffe stets, wenn verletzungsgeeignet und

bei entsprechender Anwendung auch konkret gefährlich;

• entscheidend: bei Nahschuss erhebliche Verletzungen möglich

• Hier: +

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• bb) Lit. (Tröndle/Fischer, § 250 Rdnr. 5a) dagegen:

• gefährliche Werkzeug = geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen

• Eher – (aber bedenklich)

• d) Absicht rw Zueignung: +• 3.) Unm. Ansetzen, § 22 StGB:

Unproblematisch• 4. Rw, Sch + • 5. Rücktritt, § 24 II StGB: • a) fehlgeschlagener Versuch?• -

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• b) aber: Freiwilligkeit?

• Autonomes oder heteronomes Motiv?

• Angst vor Polizei

• aa) psychologischer Maßstab:

• Angst beseitigt Autonomie

• bb) normativer Maßstab:

• z. B. Maßstäbe der Verbrechervernunft:

• Gefahr des Auftauchens der Polizei lässt es vernünftig erscheinen, abzubrechen),

• also Strafbarkeit +

• Wer oben Wegnahme verneint:

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• II. §§ 253, 255, 250 II Nr. 1, 22, 23 I, (25 II) StGB durch Eindringen in den S-Markt

• 1.) Vorprüfung: Tat nicht durch Wegnahme von Geld vollendet, Versuch räub. Erpressung strafbar

• 2.) Tatentschluss, Vorsatz bezüglich:

• a) qualifizierte Nötigungskomponente:

• unproblemat. +

• (Schläge gegen D und X, Einsperren in Vorraum der Toilette, Bedrohen der X mit dem Tod)

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• b) Vermögensverfügung?

• + nur wenn Wegnahme verneint

• Dreieckserpressung: Angestellten befanden sich in ausreichendem faktischen Näheverhältnis zum S-Markt (bzw. den dahinter stehenden geschädigten natürlichen Personen):

• Obhutsverhältnis, um als schutzbereite Dritte zu gelten +

• oder normative Ansicht Kindhäusers: Befugnis, Nothilfe für Geschädigten zu leisten +

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• c) Nachteil:

• Verlust des Geldes +

• d) Tatentschluss bezüglich Qualifizierung: § 250 II Nr. 1 StGB, geladene Schreckschusspistole + (s. o. I 2 d)

• e) Bereicherungsabsicht +

• 3.) Unm. Ansetzen, § 22 StGB: Unproblemat.

• 4.) Rw, Sch +

• 5.) Rücktritt, § 24 II StGB: - (mangelnde Freiwilligkeit, s. o. I 5)

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• III. § 239a I 2. Var. StGB durch Befragen von D und X nach dem Tresorschlüssel

• obj. Tb.: sich Bemächtigen:

• verselbständigte Bemächtigungslage, die zu späterer Erpressung ausgenutzt werden könnte, erforderlich

• = hier –

• Befragen von D und X nicht schon nach hinreichend (nach Rspr.) veselbständigter Ermächtigungslage,

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• daher insoweit Strafbarkeit –

• IV. § 239a I 2. Var. StGB durch Bedrohen der X mit dem Tod

• 1. obj. Tb.: sich Bemächtigen

• hinreichend (nach Rspr.) verselbständigte Bemächtigungslage (stabile Zwischenlage)?

• Zweipersonenverhältnis, daher besonders streng?

• = Einsperren in Toilettenraum,

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• (obwohl Bemächtigungsopfer und genötigter Dritter identisch)

• 2. subj. Tb.: Vorsatz und Erpressungsabsicht +

• RW, Sch +, Strafbarkeit +

• V. § 239b I StGB durch Bedrohen mit dem Tod: +

• tritt hinter § 239a I StGB zurück

• neben Erpressung kein anderes Nötigungsziel

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• VI. Verschiedene Körperverletzungen gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 3, 4, 5 StGB gegenüber D, V und X:

• 1. in allen Fällen gemeinsames Wirken von A und B:

• § 224 I Nr. 4 StGB

• 2. in keinem Fall: § 224 I Nr. 3 StGB

• Hinterlist

• = planmäßiges Verbergen der Verletzungsabsicht

• Hier -

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• 3. Glasscheibensplitter, die V getroffen hatten:

• kein gefährliches Werkzeug iSd § 224 I Nr. 2 StGB

• Scheibe keine bewegliche Sache• Verstoß gegen Art. 103 II GG,• Gegenteil vertretbar • 4. Schläge gegen Kopf des

D: lebensgefährliche Behandlung gem. § 224 I Nr. 5 StGB?

• h. L.:konkrete Lebensgefährdung?• -, keine hinreichenden Indizien

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• VII. §§ 239, 240, 241 StGB gegenüber den Angestellten durch das Einsperren bzw. Bedrohen:

• +, diese Delikte treten aber zurück hinter §§ 249, 255, 239a StGB.

• VIII. § 123 I StGB durch Eindringen in den S-Markt:

• unproblemat. +, • Antragsdelikt, § 123 II StGB• IX. § 303 I StGB durch Einschlagen

der Scheibe: unproblemat. +• Antragsdelikt, § 303c StGB

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• X. §§ 249 I, 250 I Nr. 1 a (13 I) StGB durch Mitnehmen der Bierdosen

• Problem im obj. Tatbestand: Finalzusammenhang zwischen Nötigungsmitteln und Wegnahme?

• Nur D zum Zeitpunkt der Wegnahme der Bierdosen noch in der Toilette eingesperrt

• Hinreichend für den Finalzusammenhang?

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• 1. Rspr.:

• fortdauernde Zwangslage,

• reicht Wegnahmeentschluss in zeitlich und räumlich engem Zusammenhang zur Schaffung der Zwangslage, um von Fortdauer der Gewaltanwendung auszugehen, die der Täter zur Wegnahme ausnutzt (BGHSt 48, 370 f.),

• danach Strafbarkeit hier +

• 2. Lit.:

• Gewalt kann nicht durch Unterlassen verwirklicht werden

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• Unterlassen entspreche jedenfalls hier nicht einem aktiven Tun iSd § 13 StGB,

• danach Strafbarkeit –

• XI. §§ 242 I, 244 I Nr. 1 a StGB durch Mitnehmen der Bierdosen

• Folgt man der Lit. ( Ansicht X ):

• +

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• XII. Ergebnis, Strafbarkeit des A:

• §§ 239a I 2. Alt., 253. 255/249, 250 II Nr. 1, 22, 23 I; 223, 224 I Nr. 4, 5; 123; 303; 249, 250 II Nr. 1 a/242, 244 I Nr. 1 a; 52 StGB

• (§ 239a I und §§ 255, 250 II Nr. 1 StGB hier in Idealkonkurrenz, weil 255 in Qualifikation § 250 II Nr. 1 verwirklicht)

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• XII. Ergebnis, Strafbarkeit des A:

• §§ 239a I 2. Alt., 253. 255/249, 250 II Nr. 1, 22, 23 I; 223, 224 I Nr. 4, 5; 123; 303; 249, 250 II Nr. 1 a/242, 244 I Nr. 1 a; 52 StGB

• (§ 239a I und §§ 255, 250 II Nr. 1 StGB hier in Idealkonkurrenz, weil 255 in Qualifikation § 250 II Nr. 1 verwirklicht)

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• B. Strafbarkeit des B

• Selbe Tatbestände wie A:

• §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I, (25 II) StGB durch Eindringen in den S-Markt usw.

• Besonderheit:

• Zurechnung im Wege der Mittäterschaft an, soweit B nicht selbst gehandelt hat, § 25 II StGB:

• Grundsätzlich unproblematisch:

• 1. subj. Theorie = Täterwillen +

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• 2. Tatherrschaftslehren

• funktionelle Tatherrschaft +

• Problem die Strafbarkeit nur bei § 239a I 2. Alt. StGB:

• Bedrohung der X mit dem Tode. B wusste nur vom Einsperren der X, nicht von der anschließenden besonderen Bedrohung.

• Ist diese Bedrohung in Mittäterschaft dem B im Rahmen der Erpressungsabsicht zurechenbar, § 25 II StGB?

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• 1. Subjektive Theorie:

• Täterwille oder Exzess?

• Irrtum über den Kausalverlauf

• Kommt darauf an, ob wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf

• Kriterium für die Wesentlichkeit: Geschehen nach der Lebenserfahrung vorhersehbar?

• +

• Gefährlichkeit und Schwere der Bedrohung nicht wesentlich vom bisherigen Geschehensablauf abweichend

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• 1. Subjektive Theorie:

• Gemeinsamer Tatplan für ein derartiges Geschehen offen

• 2. Tatherrschaftslehre:

• Versuch, daher subj.:

• Wille zur Tatherrschaft oder Exzess?

• Auch hier kommt es auf Wesentlichkeit der Abweichung vom Kausalverlauf an

• Bei beiden Lehren abw. Ergebnis vertretbar.

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• Aufgabe 2:• I. Grundsatz = persönliche Vernehmung

von Zeugen, § 250 StPO.• Ausnahmen:• 1. § 247a StPO, audiovisuelle

Zeugenvernehmung:• a) dringende Gefahr schwerwiegenden

Nachteils für das Wohl des Zeugen • = hohe Wahrscheinlichkeit eines

schwerwiegenden Gesundheitsnachteils der V?

• hier nicht abschließend zu beurteilen;• b) alternativ: §§ 247a, 250 II StPO?

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• Hier -• 2. § 255a StPO, Vorführung einer Bild-

Ton-Aufzeichnung:• a) § 255a I StPO:• unter den Voraussetzungen einer

Verlesung gem. §§ 251 ff. StPO? vorliegend nicht gegeben

• b) § 255a II StPO:• hier - (nur Zeugen unter 16 Jahren)• II. Grundsatz = Anwesenheit des

Angeklagten, § 230 StPO. • Ausnahme:

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• Dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für die Gesundheit, § 247 S. 2 a. E. StPO?

• Kann nicht abschließend beurteilt werden.

• III. Grundsatz: Fragerecht des Angeklagten § 240 II StPO.

• Recht auf konfrontative Befragung, Art. 6 III d EMRK

• Ausnahmen nur sehr eng gezogen vom EGMR zugelassen