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Ein Ort wird entzaubert „Mein Kampf“ Editionsprojekt demaskiert Hitlers Hetzschriſt Zweiter Weltkrieg Alltag unter deutscher Besatzung Dunkles Kapitel Der Holocaust im Schulbuch weltweit Sprache Vom Umgang mit NS-Diktion Obersalzberg. Leibniz-Journal 3/2012 Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft G 49121

Leibniz-Journal 3/2012

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Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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Ein Ort wird entzaubert

„Mein Kampf“Editionsprojekt demaskiertHitlers Hetzschri�

Zweiter WeltkriegAlltag unter deutscher Besatzung

Dunkles KapitelDer Holocaust im Schulbuchweltweit

SpracheVom Umgang mit NS-Diktion

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42 Das Gespenst von Genf wird greifbarAm Mittwoch hat das CERN die Entdeckung eines neuen Teilchens bekannt gegeben. Auf das Higgs-Boson wollen sich die Forscher aber noch nicht endgültig festlegen.

> Gewitter durchlöchern Ozonschicht > Künstliche Qualle ahmt Herzschlag nach

> Schwarzes Loch zerreißt Stern und bildet Materiescheibe aus

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201219.10.

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Ein übler Gesellekurz vor dem Aus

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Von Afrika zum Amazonas

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42 Das Gespenst von Genf wird greifbarAm Mittwoch hat das CERN die Entdeckung eines neuen Teilchens bekannt gegeben. Auf das Higgs-Boson wollen sich die Forscher aber noch nicht endgültig festlegen.

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42 Das Gespenst von Genf wird greifbarAm Mittwoch hat das CERN die Entdeckung eines neuen Teilchens bekannt gegeben. Auf das Higgs-Boson wollen sich die Forscher aber noch nicht endgültig festlegen.

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im Januar 2013 wird sich Deutschland an den Tag er-innern, als vor dann 80 Jah-ren die Regierungsmacht an die Nazis überging oder präziser: als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Und im November 2013 wird es 75 Jahre her sein, dass in Deutschland Synagogen in Brand gesetzt, Geschäfte

jüdischer Kaufleute geplündert, Juden verschleppt und erschlagen wurden. Nur noch wenige haben eigene Erinnerungen an den Tag, als die Nazis die Macht, die man ihnen gab, ergriffen haben – Kindheitserinnerungen allen-falls. Und so wird das Jahr 2013 das wohl letzte sein, in dem Zeitzeugen einen her-ausgehobenen Jahrestag der Nazi-Tyran-nei aktiv mitgestalten können. Umso wichtiger werden die Aufgaben für die wissenschaftliche Forschung. Ein Schlüsseldokument der Nazi-Zeit, Hitlers „Mein Kampf“, liegt bisher nicht in einer kritisch kommentierten Fassung vor. Im Münchner Institut für Zeitgeschichte ar-beitet man daran. Unser Schwerpunkt aus Anlass des 80. Jahrestags der „Macht-ergreifung“ führt Sie vom Obersalzberg bis in die von der Wehrmacht besetzten Regionen: Bei spiele zeitgeschichtlicher Forschung in der Leibniz-Gemeinschaft. | Seiten 10 - 25

Mit einem Wechsel zur aktuellen Zeit-geschichte widmet sich Hanspeter Mattes mit skeptischem Blick der Arabellion und Europas Einfluss auf die politische Entwicklung im arabisch-nordafrika-nischen Raum. | Seite 8

Und dann noch etwas gänzlich Zeit-loses: Grippe und der Kampf gegen die Influenza-Viren am Hamburger Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie. | Seiten 26 - 28

Bleiben Sie neugierig!

Christian Walther

Liebe Leserin, lieber Leser,

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InhaltKURZ & FORSCH 4

PERSPEKTIVEN

Hanspeter Mattes: europa und der „Arabische Frühling” ........8

Karl Ulrich Mayer: Chancengleichheit bei Leibniz ...............9

TITELTHEMA NATIONALSOZIALISMUS

Obersalzberg: besuch im Dokumentationszentrum ............. 10

Hitlers „Mein Kampf“: Streit um kommentierte edition ....... 16

berlin: nS-Wohnungspolitik und Mobilisierung ................... 18

nS-Sprache: Von „Machtergreifung“ und „Reichskristallnacht“. 20

Quellensuche: europas Alltag unter der Wehrmacht ............ 22

Dunkles Kapitel: Der Holocaust im Schulbuch weltweit ........ 24

SPEKTRUM

Grippeforschung: Der Infl uenza auf der Spur .................... 26

Gründungshilfe: Manager beraten Forscher ...................... 29

LEIBNIZ LIFE

Parlamentarischer Abend zur euro-Krise .......................... 31

brief aus brüssel ...................................................... 32

Verlosungen ........................................................... 33

MUSEEN

Aktuelle Sonderausstellungen ...................................... 34

Unbekanntes Kasachstan ............................................ 35

LEIBNIZ LEKTÜRE 36

LEIBNIZ LEUTE 37

IMPRESSUM 38

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Schule und IslamPasst der Islam in deutsche Lehrplä-ne? Und wie kann Wissen über die Re-ligion angemessen vermittelt werden? In einigen Bundes-ländern gehört der islamische Religions-unterricht bereits zur schulischen Pra-xis, in anderen wird die Einführung des Fachs kontrovers dis-kutiert. Einen Beitrag zur Debatte legen nun Experten des Ge-org-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung (GEI) in Braun-schweig vor. In ihrer Publikation „Integra-tionsmedium Schul-buch. Anforderun-gen an islamischen Religionsunterricht und seine Bildungs-materialien“ zeigen sie Möglichkeiten für einen zeitgemäßen islamischen Religi-onsunterrichts auf. Darüber hinaus un-tersuchen sie, welche Rolle Schulbücher dabei einnehmen können. Mit dem Buch möchte das Autorenteam die Dis-kussion um die Rolle des Islam im Bereich der schulischen Bil-dung intensivieren und um neue Aspek-te bereichern.

Frauen holen nur langsam aufNur wenige Frauen schaffen es an die Spitze. Zu diesem Ergebnis kommt das DIW Berlin – Deutsches Institut für Wirtschaftsfor-schung in einer Stu-die. Die obersten Chefetagen sind dem-nach noch immer eine Männerdomäne. Nur drei Prozent der Vorstände der 200 größten Unterneh-men Deutschlands sind weiblich, so das ernüchternde

Neandertaler waren meist Rechtshänder. Das fand ein Team des Senckenberg For-schungsinstituts in Frankfurt am Main bei Untersuchungen an Zähnen der Spezies heraus. Die Steinzeitmenschen nutzten ihre Zähne als eine Art dritte Hand. Das führte zu charakteristischen Kratzspuren auf ihren Zähnen, die wiederum auf ihre überwie-gende Rechtshändigkeit schlie-ßen lassen. Diese legt außer-dem eine Dominanz der linken Gehirnhälfte nahe und damit die Fähigkeit zur Sprache. Es ist also wahrscheinlich, dass Nean-dertaler sich durch Sprache un-tereinander verständigen konn-

ten. Dem modernen Menschen sind sie in dieser Hinsicht nicht unähnlich: Das Sprachzentrum der Menschen liegt heute meistens in der linken Gehirn-hälfte. Ganz wie die Neandertaler nut-zen daher etwa 90 Prozent der mo-dernen Menschen

ihre rechte Hand zum Essen, Schneiden oder Schreiben.

PLoS ONE 7(8): e43949. doi:10.1371/journal.pone.0043949

DOI = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet

Rechter Oberarm-knochen des unter-

suchten Neandertalers.

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Neandertaler waren meist Rechtshänder. Das fand ein Team des Senckenberg For-schungsinstituts in Frankfurt am Main bei Untersuchungen an Zähnen der Spezies heraus. Die Steinzeitmenschen nutzten ihre Zähne als eine Art dritte Hand. Das führte zu charakteristischen Kratzspuren auf ihren Zähnen, die wiederum auf ihre überwie-gende Rechtshändigkeit schlie-ßen lassen. Diese legt außer-dem eine Dominanz der linken Gehirnhälfte nahe und damit

ten. Dem modernen Menschen sind sie in dieser Hinsicht nicht unähnlich: Das Sprachzentrum der Menschen liegt heute meistens in der linken Gehirn-hälfte. Ganz wie die Neandertaler nut-zen daher etwa 90 Prozent der mo-dernen Menschen

ihre rechte Hand zum Essen, Schneiden oder

Rechter Oberarm-knochen des unter-

suchten Neandertalers.Steinzeit-Rechtshänder

Sanduhr rieselt auch für Pfl anzenDas für die Tierwelt bekannte Sanduhr-Prinzip ist auch für das Pflanzenreich gültig. Das konnten Marcel Quint vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle und Ivo Große von der Martin-Lu-ther-Universität Hal-le-Wittenberg erst-mals nachweisen. Wirbeltiere wie Fi-sche, Frösche oder Menschen durchlau-fen in ihrer Entwick-lung von der befruch-

teten Eizelle bis zur Geburt drei Phasen: In den frühen und späten Stadien unter-scheiden sich selbst nah verwandte Arten äußerlich eindeutig. In der mittleren Pha-se der Embryogenese erreichen sie hinge-gen einen Zustand maximaler morpho-logischer Ähnlich-keit: sie sind kaum voneinander zu un-terscheiden. Im Bild des Sanduhr-Prinzips steht diese Phase für die Verengung in der Mitte der Sanduhr. Am Beispiel einer Modellpflanze, der „Ackerschmalwand“, gelang Quint und Große nun der Nach-weis, dass auch die Embryogenese von Pflanzen nach diesem Muster verläuft. Da-mit schafften sie es auf die Titelseite des renommierten Maga-zins „Nature“.Nature 490, 98–101 (04 October 2012). DOI:10.1038/nature11394

Klimagewinnler, Klimaverlierer

Der Klimawandel bringt viele Verlierer, aber auch einige Ge-winner hervor. Zu diesem Schluss kommen das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und die Senckenberg Gesell-schaft für Naturforschung (SGN) in Frankfurt am Main. Durch den massiven Ausstoß des Treibhaus-gases Kohlendioxid sinkt der pH-Wert der Ozeane, die Meere ver-sauern. Ein Leidtragender dieser Entwicklung ist die Koralle. Um ihr Skelett auszubilden, muss sie unter den neuen Bedingun-gen mehr Energie aufwenden. Durch den Temperaturanstieg des Wassers gerät zudem ihre lebenswichtige Symbiose mit be-stimmen Algen aus dem Gleich-

gewicht. Das werde langfristig zu großflächigen Schäden an den Korallenriffen der Welt führen, so Forscher des PIK. Dass die Ko-rallen sich den veränderten Be-dingungen anpassen können, sei zweifelhaft. Verschlimmert wird der Trend durch einen Klimage-winnler: Der Bohrschwamm ist schon jetzt an der Abtragung von Korallenriffen, der sogenannten Bioerosion, beteiligt. Forscher des SGN erwarten, dass die Ero-sion durch Schwämme bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 25 Prozent steigt.Nature Climate Change.DOI: 10.1038/NCLIMATE1674PLoS ONE 7(9): e45124. doi:10.1371/journal.pone.0045124

Probe-nahme am

größten Korallenriff

der Erde

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Früher WohnenLeibniz ARCHÄOLOGiSCH

Ergebnis der Unter-suchung. Und auch die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern schließt sich nur langsam. Studienleiterin Elke Holst fordert des-halb eine Öffnung der Unternehmens-kultur auf allen Lei-tungsebenen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Vereinbar-keit von Beruf und Familie. Ohne pas-sende Modelle wer-de es schwer, Frauen für Führungspositi-onen zu gewinnen. Holst warnt sogar vor einer Rückent-wicklung: Der Anteil der Männer in Spit-zenpositionen drohe erneut zu steigen. Ein Phänomen, das in anderen Ländern zunehmend auftritt.

Getreideriese RusslandBereits 2020 könnte Russland der größ-te Weizenexporteur der Welt sein. Das prognostiziert das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuro-pa (IAMO) in Halle. Im vergangenen Jahr-zehnt hat sich der einstige Nettoimpor-teur zum weltweit viertgrößten Expor-teur des Getreides gewandelt. Beson-ders für einige Staa-ten Nordafrikas und Zentralasiens wie den Libanon oder Aserbaidschan kann diese Entwicklung von Bedeutung sein. Sie hängen stark von Weizen-Importen aus Russland ab. In einem Policy Brief kommt das Hallenser Leibniz-Institut zu dem Ergebnis, dass russische Exporteure die neue Schlüssel-position in einigen Ländern nutzen, um Marktmacht auszu-üben, also höhere

Woher der Dunst kommt, ist eine Frage, die viele Kinder ihren El-tern stellen – auf die es bislang jedoch keine klare Antwort gab. Forschern des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (IfT) in Leipzig ist es zu verdanken, dass das Fischen im Trüben ein Ende hat. In einer Studie mit der Universität Peking haben sie den Feinstaub in der Luft der chine-sischen Hauptstadt untersucht: an Tagen mit guter und an Tagen mit schlechter Sicht. Sie fanden heraus, dass an klaren Tagen der

Anteil schwarzer Kohlenstoffe, die Licht absorbieren, beson-ders hoch ist. An verhangenen Tagen dominieren Schwefelsäu-reverbindungen, die mehr Licht streuen und so zur Bildung von Dunst beitragen. Die chinesische Hauptstadt erwies sich dabei als ideales Untersuchungsobjekt. Peking hat große Probleme mit Luftverschmutzung. Selbst auf Satellitenaufnahmen aus dem Weltraum ist die Dunstglocke über der Megacity deutlich zu er-kennen.

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Preise für Weizen durchzusetzen. So habe insbesondere die Mongolei durch-weg mehr für russi-schen Weizen zahlen müssen als andere Abnehmerländer, sodie Forscher des IAMO.IAMO Policy Brief 6

Zukunfts-materialienMaterialen mit unge-wöhnlichen Eigen-schaf ten hat das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werk- stoffforschung (IFW) in Dresden erarbeitet. Zum einen entwickel-ten Forscher des IFW neuartige Nanodräh-te, die ohne metalli-sche Katalysatoren gebildet werden. Die Einkristalle wachsen ganz von selbst und frei von Verunrei-nigungen. Mithilfe von erwärmtem Ger-manium gelang es den Forschern, die Drähte direkt auf ei-nem Mikrochip zu züchten. Ebenfalls am IFW wurden erstmals druckbare Magnetfeldsensorenentwickelt. Die elek-tronischen Bautei-le dienen als elek-trische Schalter. Ge -nutzt werden sie etwa beim Lesen ma-gnetisch gespeicher-ter Informationen, wie sie auf Festplat-ten in Computern vorliegen. Die For-scher des IFW leisten damit einen wichti-gen Beitrag für das Forschungsfeld. Die Palette druckbarer elektronischer Bau-teile wächst mit ih-rer Erfindung um ein weiteres Element.Advanced Materials, Vol. 24, Issue 33, 2012. DOI: 10.1002/adma.201201190 Phys. Rev. Lett. 109, 085502 (2012). DOI: 10.1103/PhysRev-Lett.109.085502

bereits vor 35.000 Jahren trennten Menschen Arbeits- von Wohn-bereichen. Auf dem Fundplatz breitenbach in Sachsen-Anhalt entdeckten Mitarbeiter des Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution, einer einrichtung des Römisch-Germanischen zentralmuseums in Mainz, eine elfenbeinwerkstatt früher Menschen. Unter berücksichtigung vorheriger Funde konn-ten die Forscher belegen, dass die Raumplanung des Menschen schon immer strikten Regeln folgte. Damit unterscheidet sich der moderne Mensch in seinem Wohnverhalten grundlegend vom vor etwa 40.000 Jahren ausgestorbenen neandertaler. im Prozess der Menschwerdung ist die entwicklung des Siedlungsverhaltens ein zentrales element. Die gezielte Umsetzung von Raumnutzungskon-zepten stellt deshalb einen Quantensprung in der entwicklung des Menschen dar.

Den Dunst durchschautDicke Luft: Smog im Pekinger Verkehr

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Wie die Gefahren durch den Kli-mawandel wahrgenommen wer-den, kann von Ort zu Ort diffe-rieren, auch wenn die Risikolage nahezu identisch ist. Das haben Forscher des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Struk-turplanung (IRS) am Beispiel der Städte Lübeck und Rostock be-obachtet. In einer Studie fanden sie heraus, dass Rostocker und Lübecker trotz räumlicher Nähe zu einer gänzlich verschiedenen Einschätzung der Bedrohungs-lage kommen. In Lübeck werden die Gefahren des Klimawandels gesehen, aber als bewältigbar

Sturmflut in Bremerhaven: Mögliche Folge des Klimawandels

Sturmflut oder Palmenstrand?

dargestellt – auch weil man Er-fahrungen mit Hochwasser und Sturmfluten hat. In Rostock spie-len Klimathemen eine geringe Rolle. Probleme wie Arbeitslosig-keit und Abwanderung werden als bedrohlicher wahrgenommen. Mit der globalen Erwärmung wer-den sogar Hoffnungen verbunden, etwa den Tourismus und damit die Wirtschaft voranzutreiben. Die Ursachen der differierenden Wahrnehmung sehen die For-scher des IRS in sozialen und kul-turellen Unterschieden.Zeitschrift für Zukunftsfor-schung, Vol. 1 (2012)

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New born starForscher vom Leib-niz-Institut für Astro-physik Potsdam (AIP) haben nachgewiesen, dass Schwarze Lö-cher die Entwick-lung ihrer Mutter-Galaxien maßgeblich beeinflussen. Der Durchbruch gelang ihnen mit Hilfe der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer. Mit ihnen beobachte-ten die Wissenschaft-ler die Geburt so-genannter Quasare, extrem energierei-cher und deshalb hell leuchtender Regio-nen in der Umgebung Schwarzer Löcher im Zentrum aktiver Galaxien. „Wir haben geschafft, die Wech-selwirkung zwischen dem Schwarzen Loch im Zentrum und der Muttergalaxie im entscheidenden Au-genblick – der Geburt eines Quasars – zu beobachten“, sagt Ta-nya Urrutia, Wissen-schaftlerin am AIP. „Quasare spielen die entscheidende Rolle in der Galaxienent-wicklung.“ Insgesamt untersuchten die For - scher 13 Quasare in einer Entfernung von etwa sechs Milliar-den Lichtjahren. Bis-herige Versuche, ihre Entstehungsphase zu beobachten, waren daran gescheitert, dass ihr Licht durch Staub verdunkelt und gerötet wird. The Astrophysical Journal 757 125. DOI:10.1088/0004-637X/757/2/125

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim (IDS) · Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen (IWM) Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik, Freiburg (KIS) · Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO) · Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim (ZEW) · FIZ Karlsruhe — Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur (FIZ KA) · GESIS — Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS) · Deutsches Museum, München (DM) · Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie, Freising (DFA) · Germanisches

Nationalmuseum, Nürnberg (GNM) · ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. (ifo) · Institut für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ) · DIW Berlin — Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) · Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik, Berlin (FBH) · Fachinforma-tionszentrum Chemie, Berlin (FCH) · Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie, Berlin (FMP) · Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfi scherei, Berlin (IGB) Leibniz-Institut für Kristallzüchtung, Berlin (IKZ) · Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Berlin (IZW) · Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeits-pektroskopie, Berlin (MBI) · Museum für Naturkunde — Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) · Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik, Berlin (PDI) · Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) · Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ)· Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik Leibniz-Institut im Forschungsverbund Berlin e. V. (WIAS) · Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) · Leibniz-Institut für Agrartechnik, Potsdam-Bornim (ATB) · Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpfl anzenbau, Großbeeren & Erfurt (IGZ) · Innovations for High Performance Microelectronics/Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik, Frankfurt (Oder) (IHP) · Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner (IRS) · Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) · Deutsches Institut für Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke (DIfE) · Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts-forschung, Müncheberg (ZALF) · Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven (DSM) · Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH, Bremen (ZMT) · BIPS — Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung (BIPS) · Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg (BNI) · Heinrich-Pette-Institut — Leibniz-Institut für Experimen-telle Virologie, Hamburg (HPI) · GIGA German Institute of Global and Area Studies. Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Hamburg (GIGA) · Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung — Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Marburg (HI) · Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt am Main (SGN)Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main (DIPF) · Hessische Stiftung Friedens- und Konfl iktforschung (HSFK) · Leibniz-Institut für Nutztierbiologie, Dummerstorf (FBN) · Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock, Kühlungsborn (IAP) · Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Tech-nologie, Greifswald (INP) · Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde an der Universität Rostock (IOW) · Leibniz-Institut für Katalyse e. V. an der Universität Rostock (LIKAT) · Akademie für Raumforschung und Landesplanung — Leibniz-Forum für Raumwissenschaften, Hannover (ARL) · Deutsches Primatenzentrum — Leibniz-Institut für Primatenforschung, Göttingen (DPZ) · Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Braunschweig (GEI) · Technische Informationsbibliothek, Hannover (TIB) · Leibniz-Institut DSMZ — Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, Braunschweig (DSMZ) · Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) Deutsches Bergbau-Museum, Bochum (DBM) · Deutsches Diabetes-Zentrum — Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (DDZ) · Deutsches Institut für Er-wachsenenbildung — Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen, Bonn (DIE) · Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Dortmund (ILS) · Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forsc-hung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gGmbH (IUF) · Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen (RWI) · Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften — ISAS — e. V., Dortmund und Berlin (ISAS) · Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig — Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere, Bonn (ZFMK) · Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) · Deutsche Zentralbibliothek für Medizin, Köln (ZB MED) · Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) · Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz (RGZM) · Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation, Trier (ZPID) · Leibniz-Institut für Neue Materialien, Saarbrücken (INM) · Schloss Dagstuhl — Leibniz-Zentrum für Informatik GmbH (LZI) · Leibniz-Institut für Länder-kunde, Leipzig (IfL) · Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, Leipzig (IfT) · Leibniz-Institut für Oberfl ächenmodifi zierung, Leipzig (IOM) · Leibniz-Institut für Polymerforschung, Dresden (IPF) Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden (IÖR) · Leibniz-Institut für Festkörper-und Werkstoffforschung, Dresden (IFW) · Leibniz-Institut für Pfl anzenbiochemie, Halle (IPB)Leibniz-Institut für Pfl anzengenetik und Kulturpfl anzenforschung, Gatersleben (IPK) · Institut für Wirtschaftsforschung, Halle (IWH) · Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg (LIN) · Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa, Halle (IAMO) · Forschungszentrum Borstel — Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften, Borstel (FZB) · Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) · Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) · Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften — Leibniz Informationszentrum Wirtschaft, Kiel (ZBW) · Leibniz-Institut für Altersforschung — Fritz-Lipmann-Institut, Jena (FLI)Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie — Hans-Knöll-Institut, Jena (HKI)

www.leibniz-gemeinschaft.de

Eiweiß gegen PfundeEine eiweißreiche Er-nährung kann dabei helfen, Übergewicht vorzubeugen oder es zu verringern. Wa-rum das so ist und was im Stoffwechsel passiert, hat ein Wis-senschaftlerteam des Deutschen Instituts für Ernährungsfor-schung um Su sanne Klaus untersucht. Wie das Team nun am Mausmodell zeigt, führt eine hohe Auf-nahme von Eiweiß oder Eiweißbaustei-nen zu einer erhöh-ten Wasseraufnah-me. Diese ist mit einer geringeren Nah- rungsaufnahme ver- bunden und trägt so dazu bei, Über-gewicht vor zubeu- gen. Zudem wirkt eine eiweißreiche Kost der Fettneu-bildung in der Leber entgegen.Amino Acids 2012. DOI 10.1007/s00726-012-1363-2

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Zeugen der Jurazeit: Fossile Schildkröten in China

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„Scout b1-100“ heißt der unbemannte Helikopter, den das Leibniz-institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei für

Umweltmessungen nutzt. Auf bis zu 60 Stunden-kilometer beschleunigt er beim Transport von infrarotkameras und anderem Messgerät.

Das Leibniz-institut für Atmosphärenphysik in Kühlungsborn nutzt sogenannte „fallende Kugeln“, um Winde und Luftdichten zu bestimmen. Mit kleinen Rake-ten werden sie in eine Höhe von 90 bis 120 Kilometern geschossen. Die Flugbahn

der nun wortwörtlich „fallenden Kugel“ wird im Anschluss mit einem hochgenauen bahnverfolgungsradar vom boden aus vermessen.

Das Forschungsschiff „elisabeth Mann borgese“ sticht für das Leibniz-institut für Ostseeforschung Warnemünde in See.

An Bord hat sie 97 Quadratmeter Laborfläche. namensgeberin des Schiffs ist die jüngste Toch-ter des Schriftstellers Thomas Mann, die sich zu Lebzeiten als Meeresschützerin einen namen machte.

Von einem Helikopter transportiert wird ACTOS (Airborne Cloud Turbulence Observation System), eine raketenartige Messplattform des Leibniz-instituts für Troposphärenforschung in Leipzig. Mit Hilfe des Hubschraubers wird sie in Wol-

ken eingetaucht, um in weiterführenden Untersuchungen deren Geheimnisse zu lüften.

ins Guinnessbuch der Rekorde schafft es das Leibniz-institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (iFW) Dresden: mit

dem kleinsten menschgemachten Düsenantrieb der Welt. 600 nanometer misst er und ist damit 50 Mal kleiner als der Durchmesser eines Haa-res. Die Vision seiner Erfinder: Medikamente gezielt in den menschlichen Körper zu bringen.

einen Forschungstraktor nutzt das Leibniz-institut für Agrartechnik Potsdam-bornim. Der Traktor ist mit einem Pendelsensor bestückt. er misst während der Fahrt über Felder die Dichte des Pflanzenbestandes und ermöglicht unmittelbar

die bedarfsangepasste Dosierung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.

Mit einer sogenannten „Scherwellen-Schubkarre“ forscht das Leibniz-institut für Angewandte Geophysik in Hannover

(LiAG). Sie erzeugt nicht nur ein tiefes, langsam heller werdendes brummen, sondern auch seismische Wellen im Untergrund. ihr echo aus der erde liefert Messergebnisse bis in einen Kilometer Tiefe.

Mit zwei Testbussen forscht das iDeA, ein zentrum des Deutschen instituts für internationale Pädagogische Forschung und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, zu Lern- und entwicklungsprozessen von Kindern. einer davon verfügt

über zwei schallisolierte Kabinen, in denen etwa Verhaltensexperimente durchgeführt werden. der andere über ein eeG-Labor zur Gehirnstrommessung.

ListeLeibniz forscht zu Wasser, zu Lande und in der Luft.Unter anderem mit diesen Forschungsfahrzeugen:

Fossile Massenware

Eine spektakuläre Fundstelle von etwa 1.800 fossilen Schild-kröten aus der Jurazeit haben die Paläontologen Oliver Wings (Museum für Naturkunde Ber-lin) und Walter Joyce (Univer-sität Tübingen) zusammen mit chinesischen Kollegen in der Provinz Xinjiang im Nordwest-en Chinas entdeckt. Die Schild-kröten hatten sich vermutlich während einer Dürreperiode an einem verbliebenen Wasserloch gesammelt und auf die Rückkehr des Regens gewartet. Der Regen kam allerdings zu spät: Viele Schildkröten waren bereits ver-endet, ihre Kadaver zerfielen. Durch einen Schlammstrom wurden die Schildkröten dann mitgerissen und nach kurzem Transport in chaotischer Weise abgelagert. Die hohe Anzahl der Tiere ermöglicht es den Wissen-schaftlern, nun erstmals statis-tisch gesicherte Erkenntnisse zu asiatischen Schildkröten aus dem Erdmittelalter zu erhalten.Naturwissenschaften, 2012. DOI: 10.1007/s00114-012-0974-5

Hanspeter Mattes ist stellvertretender

Direktor des GIGA Instituts für Nahost-

Studien (IMES) am GIGA - Leibniz-Institut für Globale

und Regio nale Studien in Hamburg.

Der Volkswirt und promovierte Polito-loge ist Experte für

die Maghrebstaaten mit dem Schwerpunkt

Libyen. Thematisch befasst er sich u.a.

mit der Entwicklung politischer Institu-

tionen sowie Trans-formationsprozessen.

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Das Internationale Institut für Strategische Studien in London stellte in seinem im März veröffentlichten Jahresbericht 2011 richtig fest, dass der „Arabische Frühling“ in allen betroffenen Staaten primär eine interne Auseinandersetzung sei. Diese Auseinan-dersetzungen hatten jedoch zwangsläufig auch außenpolitische Auswirkungen. Vor allem die blutigen Auseinandersetzungen in Libyen, Jemen und Syrien riefen sowohl den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Verabschiedung mehrerer Resolutionen) als auch die USA, die EU, aber auch Russ-land und China auf den Plan. Sie zwangen sie zu einer Positionierung gegenüber den Protestbewegungen.

Für die EU und damit auch Deutschland bedeuteten die Umbruchprozesse in der unmittelbaren Nachbarschaft eine innen-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Herausforderung, auf die es zu reagieren galt. Dies betraf die Waffenproliferation in Nordafrika als Folge der geplünderten Waf-fendepots Gaddafis, aber auch die steigen-de illegale Migration. Sie wurden von den fehlenden oder ineffizienten Kontrollen der Sicherheitsorgane begünstigt, die sich in einem Auflösungs- oder Neugründungs-prozess befinden. Die sich verschärfenden Wirtschaftsprobleme, eine Konsequenz des drastisch einbrechenden Tourismus und der zurückgehenden Auslandsinvestitio-nen, sorgen für ein anhaltendes Migrations-problem. Die europäischen Staaten wollen deswegen mit diversen Maßnahmen die

negativen Rückwirkungen auf Europa ein-dämmen, indem sie einen Beitrag zur Etab-lierung einer neuen Ordnung und zur Wie-derbelebung der Wirtschaft vor Ort leisten.

Der Demokratisierungsdiskurs in den Staa-ten des „Arabischen Frühlings“ wurde auf europäischer Seite prinzipiell begrüßt und von der deutschen Bundesregierung be-reits seit 2011 mit ausgewählten Transfor-mationspartnerschaften (Tunesien, Ägyp-ten) unterstützt. Die EU stellte im Rahmen ihres Ansatzes „mehr für mehr“, also mehr Hilfe bei zunehmender Demokratisierung, ebenfalls Gelder bereit. Abgesehen davon, dass die bereitgestellten Millionenbeträge zu gering sind, um Substantielles bewir-ken zu können, wirken zwei Faktoren einer von außen unterstützten demokratischen Transformation entgegen: Zum einen das hohe Misstrauen gegen westliches finan-zielles Engagement. Dieses zeigte sich ex-emplarisch im ägyptischen Vorgehen ge-gen US-amerikanische Stiftungen und die Konrad-Adenauer-Stiftung, während die Milliardenhilfen islamischer Stiftungen un-behelligt blieben. Zum anderen ist das seit Ende 2011 feststellbare Erstarken islamis-tischer Gruppen problematisch. Die Wahl-siege islamistischer Parteien in Tunesien, Marokko und Ägypten im Spätherbst 2011 und die immer stärker zum Ausdruck kom-mende Intoleranz einiger islamistischer Gruppen vor allem gegenüber Frauen, Kunstschaffenden und Sufis sowie generell Andersdenkenden, denen die Verbreitung unislamischer Werte oder im Falle der Sufis Götzenanbetung vorgeworfen wird, schü-ren seither bei vielen religiös-liberal und säkular eingestellten zivilgesellschaftlichen Gruppen die Befürchtung, dass ein Kon-flikt um die zukünftige Staats- und Gesell-schaftsordnung mit Islamisten bevorsteht. Die Islamisten nutzen die neuen Hand-lungsspielräume seit 2011 gezielt, um sich als Alternative zu „westlichen“ Konzepten aufzubauen; dazu nutzen sie die religiö-sen Gefühle der Mehrheitsbevölkerung ge-schickt aus. Die Möglichkeiten europäischer Staaten, in diese Auseinandersetzungen um die innenpolitische Umgestaltung in Nord-afrika und Nahost einzugreifen, sind gering.

hanspeter mattes

europa und der "Arabische Frühling"

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Karl Ulrich Mayer ist Präsident der Leibniz-Gemeinschaft

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Perspektiven der Chancengleichheit

von Frauen und Männern in der Leibniz-Gemeinschaft

Realistisch undehrgeizig

Im Mittelpunkt der Debatten um Chancen-gleichheit in der Wissenschaft stehen aktuell vor allem die wissenschaftlichen Leitungs-positionen. Das hat seinen guten Grund. Denn während die Zahlen im Bereich der Doktoranden und Postdoktoranden – in den Leibniz-Einrichtungen im Jahr 2011 mit 49% bzw. 43% Frauenanteil – auf eine weitgehend chancengleiche Situation schließen lassen, sieht es im Bereich der W2- und W3-Stellen noch anders aus. Doch muss man auch hier die Entwicklungstendenzen betrachten: Neueste Zahlen für das gesamte deutsche Wissenschaftssystem zeigen uns, dass sich seit 1992 der Anteil der habilitierten Frauen verdoppelt und ihr Anteil an den Professuren sogar verdreifacht hat.

Obgleich die technik- und naturwissen-schaftsorientierten außeruniversitären For - schungseinrichtungen hier von einem beson-ders niedrigen Niveau gestartet sind, kann insbesondere die Leibniz-Gemeinschaft be-reits auf maßgebliche Erfolge verweisen. Sowohl beim Frauenanteil am wissenschaft-lichen Personal insgesamt als auch beim Frauenanteil am wissenschaftlichen Personal in Führungspositionen nimmt sie Spitzen-plätze ein. Niemand im außeruniversitären Bereich hat im Zeitraum seit 2006 mehr Frau-en auf W3-Stellen berufen als die Leibniz-Gemeinschaft mit 18 von insgesamt 69 Beru-fungen (26%). Allein im Jahr 2011 konnte im W2-Bereich der Frauenanteil auf 15 % und im W3-Bereich auf 10 % gesteigert werden.

Die verstärkte Förderung von Frauen in wis-senschaftlichen Karriereverläufen ist eines der Ziele des Paktes für Forschung und Inno-vation. Dies haben Bund und Länder auf Ini-tiative des BMBF am 7. November 2011 zum Anlass genommen, die Forschungsorganisa-tionen durch einen Beschluss der Gemein-samen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) zu verpflichten, „flexible Zielquoten im Sinne des Kaskadenmodells der ‚Forschungsorientierten Gleichstellungs-standards‘ der DFG“ festzulegen und diese im jährlichen Monitoring-Bericht ab 2013 zu veröffentlichen. Freilich gab es schon vorher Selbstverpflichtungen der Forschungsorga-nisationen. Allerdings bietet der GWK-Be-schluss nun einen neuen Grad an Verbindlich-keit, an dem wir uns messen lassen müssen.

Der Grundidee des Kaskadenmodells nach soll sich der Frauenanteil einer höheren Qua-lifikationsstufe am Frauenanteil der darun-terliegenden Qualifikationsstufe orientieren. Dies ist sinnvoll und überzeugend. Denn so wird nachprüfbar, inwieweit das heran-wachsende Potential junger Wissenschaftler beiderlei Geschlechts optimal ausgeschöpft wird. Die entsprechenden Zielquoten, die die Leibniz-Einrichtungen nun aufzustellen auf-gefordert sind, sollen dabei ehrgeizig, gleich-zeitig aber auch realistisch sein. Deshalb hat die Leibniz-Gemeinschaft in einer Handrei-chung vom September 2012 empfohlen, diese Quoten unter Einbeziehung der zu erwarten-den Personalfluktuation zu formulieren. So wird sichergestellt, dass unsere Ziele in der Chancengleichheit mit dem Prinzip der Bes-tenauslese und der Priorität des Exzellenz-maßstabes harmonieren. Im Bereich der W2- und W3-Stellen in der Leibniz-Gemeinschaft könnte somit bis 2017 eine Steigerung von derzeit 11% auf dann bis zu 15% erfolgen. Wir beobachten gespannt die Entwicklung in unseren Einrichtungen und den Fortgang der wissenschaftspolitischen Debatte.

Man darf in diesem Zusammenhang frei-lich nicht aus dem Auge verlieren, dass die Anstrengungen um Chancengleichheit im-mer auch im Kontext der Personalstruktur und der Gestaltung der wissenschaftlichen Werdegänge gesehen werden müssen. Die Aufstellung verbindlicher Quoten wird dann wenig bringen, wenn nicht gleichzeitig die Anzahl mittlerer Führungspositionen erhöht wird und innerhalb unserer Institute „tenure track“-Verfahren zu Dauerpositionen führen können.

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„Wallfahrt“ zum Berghof (vermutlich 1934): Der Personenkult um Hitler zog Tausende auch

auf den Obersalzberg.

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Seit Jahrzehnten zieht der Obersalzberg Touristen an. Seit Jahren wird hier versucht, Bayern, Berge und politische Bildung unter einen Hut zu bringen.

Das gelingt weit besser als erwartet — deshalb soll das vom Institut für Zeitgeschichte

geführte Dokumentationszentrum auf dem Obersalzberg erweitert werden.

Ein Ort wird entzaubertObersalzberg.

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Zunächst war der Obersalzberg vor allem eines: schön. Jahr-hundertelang leben Bauern in dem Ort, bis im 19. Jahrhun-dert Städter ländlichen Frieden suchen. Der Industrielle Carl von Linde siedelt sich in der oberbayerischen Idylle an, die Pianistin Clara Schumann und andere folgen ihm. Immer mehr Bauern vermieten Zimmer oder verkaufen ihre Häuser. Dann aber, 1923, kommt ein Mann, der von nun an häufiger kom-men wird: „Herr Wolf“ nennt er sich, ein Gast unter vielen, noch. Wer er wirklich ist, wird später klar, als er 1925 zurückkehrt, nach der Haft in Landsberg, um den zweiten Teil seines Buches „Mein Kampf“ zu schreiben: ein Drahtzieher des Putschversu-ches von 1923, Adolf Hitler.

Fast 90 Jahre später, ein sonni-ger Tag im Oktober. Eineinhalb Stunden hat sich eine Besucher-gruppe in der „Dokumentation Obersalzberg“ umgesehen und gemerkt: Der Obersalzberg ist nicht zum Lachen. Aber am Ende machen sie es doch. Die Gruppe steht vor einem Schacht. Es ist dunkel und riecht muffig. „Da geht’s zum unteren Bun-ker“, sagt der junge Mann, der die Besucher führt. „Ist das sein Bunker?“ fragt einer. „Vielleicht ist er noch drin“, sagt ein ande-rer, „eingemauert.“ Die Gruppe kichert, verlegen, doch befreit. Alle wissen, wer „er“ ist und bei all der Anspannung tut ein Lachen gut, erst recht, wenn es um Adolf Hitler geht. Die Grup-pe hat sich Bilder von Konzen-trationslagern, von Vertreibung

und Krieg angesehen. Damit unterscheidet sie sich von den meisten Touristen am Berg, denn die sitzen einige Dutzend Höhenmeter weiter oben und genießen mit einem Weißbier auf der Terrasse des Kehlstein-hauses die letzten Sonnenstun-den des Jahres.

Der Obersalzberg ist zweiter Regierungssitz

Der Obersalzberg – jenes über 100 Hektar umfassende Berg-gelände im Berchtesgadener Land, mit Bushaltestellen und Souvenirläden, Gasthäusern und Luxushotel zieht seit Jahr-zehnten Besucher an. Längst ist der Ort legendär, Gerüchte gibt es zuhauf und über jedem

1923 kommt ein

Mann, der von

nun an häufiger

kommen wird:

„Herr Wolf“

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Fleck Gras scheint die Frage zu schweben: „Hat er hier seinen Fuß hingesetzt?“ „Er“ ist immer Adolf Hitler, der selten beim Namen genannt wird, als sei ohnehin klar, um wen es geht. Es ist eine Orts- und Personen-Mystifizierung, die die Nazis in Gang gesetzt haben und die bei allen Brechungen bis heute nachwirkt. Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte (IfZ) spricht von „schrägen Ge-stalten“, die hier auf Hitlers Spu-ren wandeln wollen. Im „schrof-fen Gegensatz“ dazu stehe die Aufklärungsarbeit der vom IfZ betriebenen Dokumentation Obersalzberg. Sie zeigt wie der Ort wurde, was er ist. Und was aus dem folgte, was hier ge-schah.

1933 kauft Adolf Hitler das Haus Wachenfeld. Mit dem „Führer“ kommen seine Ge-

folgsleute, kleine in Form von HJ-Gruppen, die die Dorfbewoh-ner „Wallfahrer“ nennen, große wie Martin Bormann, Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP, der sich 1935 selbst ein Haus kauft. Um seine Vision eines „Führer-sperrgebietes“ umzusetzen, mit Kindergarten, Gewächshaus und Kaserne, werden Ortsbe-wohnern ihre Häuser abge-kauft, teils zu lächerlichen Prei-sen und unter Bedrohung. Am Ende entsteht ein Gelände, auf dem bis zu 6.000 Menschen le-ben und arbeiten.

Angriffsbefehl im Alpenidyll

Widersprüchlicher könnte die Entwicklung nicht sein: Einer-seits wird das Gelände abge-schottet, Zäune gegen Besucher errichtet, Wachen aufgestellt

– andererseits nimmt die Be-deutung als Propagandaort zu, wo Adolf Hitler Ruhe hat und Ideen entwickelt. In dieser Zeit entstehen Bilder, die den Obersalzberg zum Synonym für den Ort, „wo der Führer Ferien macht“, werden lassen: Adolf Hitler spielt mit Kindern, Adolf Hitler geht spazieren, Adolf Hit-ler blickt ins Tal. Damals nicht zu sehen, heute selten gezeigt und trotzdem wichtig: Adolf Hitler schläft bei seinen Mono-logen ein, Adolf Hitler braucht eine Lesebrille, Adolf Hitler be-ratschlagt das Parteienverbot und plant den Angriff auf Eu-ropas Osten. Im August 1939 informiert er auf dem Berghof die Spitzen der Wehrmacht über den bevorstehenden An-griff auf Polen, der den Zweiten Weltkrieg auslöst. Im Dezember 1940 erteilt er hier den Befehl, den Angriffs- und Vernichtungs-

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Im Berg: Teile der alten Bunker-

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integriert.

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krieg gegen die Sowjetunion vorzubereiten, der am 22. Juni 1941 unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ beginnt. Der Obersalzberg ist zweiter Regierungssitz: insge-samt vier der zwölf Machtjahre verbringt der Diktator hier.

Es ist diese Bedeutung des Or-tes, die bedingt, was mit dem Obersalzberg im April 1945 geschieht. Mehrere Tausend Tonnen Bomben lassen die Bri-ten auf das Gelände hageln. Von den meisten Häusern bleiben Ruinen, Ausnahmen sind das Kehlstein-Haus, ein Geschenk der NSDAP zu Adolf Hitlers 50. Geburtstag, und Reste vom Ho-tel Platterhof.

Auf den Ruinen beginnt der Umbau. Ein Golfplatz und Ski-lifte werden gebaut, fortan verbringen amerikanische Sol-daten dort im „Armed Forces Recreation Center“ freie Tage. Auch der Hitler-Tourismus geht weiter, unter neuen Vorzeichen. Neugierige besichtigen die Ru-inen, Bildbände sind am Bahn-hof Berchtesgaden zu haben. Mehrere Jahrzehnte besteht das Durcheinander von GIs und Hit-ler-Pilgern.

1996 aber verlassen die Ame-rikaner ihr Erholungsheim auf dem Obersalzberg. Der Frei-staat Bayern, Geländeeigen-tümer, steht damit vor vielen

Fragen: Wie verhindern, dass Hitler-Pilger sich den Berg zu eigen machen? Wie die Anlage nutzen? Das Ergebnis der hoch-kontrovers geführten Debatte: Einerseits soll ein Hotel entste-hen. Andererseits ein Lernort unter Leitung des Münchner In-stituts für Zeitgeschichte.

Dieser Widerspruch – große Bedeutung bei nur wenigen sichtbaren Spuren – war von Anfang an Vorzeichen der Aus-stellung. „Geplant war die Ver-bindung von Ortsgeschichte und Zeitgeschichte mit dem Ziel der Entmystifizierung“, fasst es der heutige Dokumentations-Leiter Axel Drecoll zusammen. Unterm Dach des Zentrums, das auf den Ruinen des ehemaligen Gästehauses „Hoher Göll“ er-richtet wurde, hat deshalb die Ortsgeschichte Platz. Die Zeit vor Adolf Hitler wird durch Fo-tos illustriert, seine „Übernah-me“ durch Verkaufsunterlagen von Häusern. Im mittleren Teil im Erdgeschoss geht es um das Regime: Wie der Einzelne in die „Volksgemeinschaft“ eingebun-den wurde, zeigen „Kraft durch Freude“-Plakate, der Volksemp-fänger steht symbolhaft für das System aus Propaganda und Belohnung, Karten von Konzen-trationslagern zeigen die Di-mensionen des Schreckens. Im Keller ist der Zweite Weltkrieg dargestellt, im Bunker finden Wechselausstellungen statt.

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Die Dokumentation Obersalzberg dient als Lern- und Erinnerungsort. Die Besucher haben die Möglichkeit, sich mit der Geschichte des Obersalzbergs und der Geschichte des National-sozialismus auseinanderzusetzen. Die Dokumentation wird vom Institut für Zeitgeschichte München — Berlin konzipiert und betreut. Sie dient der historischen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.

Dokumentation ObersalzbergSalzbergstr. 41 83471 berchtesgadenTel.: 08652 / 947960 Fax: 08652 / 947969 e-Mail: [email protected]

Das Besucherzentrum

ÖffnungszeitenMontag bis Sonntag9:00 Uhr - 17:00 Uhrletzter einlass 16:00 Uhr

www.obersalzberg.de

Der britische Außenminister Neville Chamberlain im Vorfeld des Münchner Abkommens auf dem Obersalzberg (15.9.1938).

Regierungsgeschäfte auf dem Berghof: Hitler und Hermann Göring 1933. Später werden hier die Überfälle auf Europas Osten geplant.

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1999 eröffnet die Ausstellung, und seitdem strömen die Besu-cher. 160.000 im Jahr statt der erwarteten 30.000. „Man konn-te sich nicht vorstellen, dass zu einem Ort, an dem man kaum noch etwas sieht, so viele Men-schen kommen, die sich wirk-lich für die Vergangenheit inte-ressieren“, erklärt Axel Drecoll die ursprüngliche Planung.

in den Kontext einordnen

Vor allem Schüler, Studenten sowie ausländische Touristen kommen. Im Kopf haben sie das Bild von Adolf Hitler, wie er sich über die Brüstung beugt, und sie stellen Fragen nach seinem Frühstück. Die Aufgabe der-Museumsmitarbeiter ist eine Gratwanderung: „Die Menschen erwarten sich einen Blick durch das Schlüsselloch. Den geben wir aber nicht, sondern versu-chen, das in den Kontext einzu-ordnen“, erklärt Nina Riess, lei-tende Museumspädagogin der Dokumentation Obersalzberg.

Die Neugier sieht Leiter Drecoll nicht als Problem. Skeptisch be-trachtet er ein Phänomen, das er „Historisierung des Natio-nalsozialismus“ nennt. Natür-lich sei das noch immer keine Epoche wie jede andere, aber der Umgang damit werde nor-maler, so der Historiker. „Die Leute denken eher als früher: Och, guck ich mal wo Hitler so gewohnt hat.“ Drecoll sieht das als Herausforderung. „Man soll-te die Geschichte des Obersalz-bergs nicht erzählen, ohne die Folgen des Befehls Barbarossa, des Vernichtungskriegs im Os-ten, zu erzählen. Es gibt kaum einen NS-Themenbereich, der nicht mit dem Obersalzberg in Verbindung steht“, sagt er. Weil die Zeitzeugen weniger werden und die Bedeutung von Orten zunimmt, sei es wichtig, diese einzuordnen.

„Die Nazis wollten Hitler als Fa-milienmenschen inszenieren. Heute kommt er nur als Schre-ckensszenario vor. Ihn auch mal privat zu sehen, fasziniert die Leute. Damit geht man genau

Die Konservierung historischer Spuren erfolgt über vielfältige Wege. Dabei wird stets um eine „authentische Vergangenheit“ gerungen. Dinge, Orte oder bil-der vermitteln eine vermeint-liche historische Authentizität. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese authentische erinnerung und Überlieferung eine Fiktion, aber eine mit hoher gesellschaft-licher Wirkungskraft. Geschichte erfährt eine lebensnahe, massen-wirksame, ökonomische sowie politische nutzung und nutzbar-machung. Daraus erwächst für die zukunft die Frage nach dem

Umgang mit der Vergangenheit. Was soll erhalten bleiben, was nicht? Was ist authentisch, echt oder original — und wer trifft die entscheidung darüber?

im zuge der strategischen Schwerpunktbildung hat die Leibniz-Gemeinschaft in den vergangenen Monaten neun Leibniz-Forschungsverbünde ein gerichtet — einen davon zum Thema „Historische Authentizi-tät“. 17 Leibniz-einrichtungen aus drei Sektionen sowie drei externe Partner kooperieren dabei.

„Hauptanliegen des Leibniz- Forschungsverbundes „Historische Authentizität“ ist es, die Pro zesse und Kräfte des erinnerns und des Vergessens auszuloten“, sagt Martin Sabrow, Direktor des zent-rums für zeithistorische Forschung Potsdam und Sprecher des For-schungsverbundes. Sabrow selbst befasst sich in diesem zusammen-hang mit der bedeutung histori-scher Authentizität am beispiel des begräbnisortes Friedrichs ii. von Preußen. Die Aura des Authen-tischen, die nach der Überliefe-rung wohl zuerst napoleon 1806 am Sarg des Preußenkönigs ge-

Der authentische Ort als Forschungsgege nstand

„Es gibt

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Wir verlosen fünf Exemplare des Bandes „Die tödliche Utopie“ der Dokumentation Obersalzberg.

(▶ Seite 33)

dem auf den Leim, was die Na-tionalsozialisten intendiert hat-ten, nämlich zu fragen: Wo ist er Gassi gegangen, wo hat er mit den Kindern gespielt?“

Diesem Reflex wollen die Mu-seumsmacher entgegenwirken. In den kommenden Jahren wird das Dokumentationszentrum umgebaut. Noch steht kein of-fizieller Zeitplan, aber klar ist: umfangreicher soll es werden und moderner, etwa durch die Nutzung neuer Medien. Ziel ist es, das Leben der Bevölkerung enger mit der Weltgeschich-te zu verknüpfen. Bei einem „Tag der Offenen Tür“ haben Anwohner Erinnerungsstücke und Fotoalben mitgebracht. Sie sollen künftig in die Ausstel-lung eingebunden werden und die Bedeutung des Ortes für das NS-Regime unterstreichen. Und dass das Dokumentations-zentrum Zukunft hat, zeigt ein Eintrag ins Gästebuch: „Bin ge-spannt auf die Dokumentation. Bin zwar erst 12, aber Hitler in-teressiert mich schon!“

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Kein Blick durch das Schlüsselloch: Die Ausstellung soll den Obersalzberg „entzaubern“.

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spürt haben wollte, wanderte im Laufe der Jahre auf die Potsdamer Garnisonkirche und schließlich die Stadt selbst über, um 1933 beim „Tag von Potsdam“ (bild rechts) zum politischen instrument in der Hand Hitlers zu werden. erst nach einem wechselvollen Verle-gungsschicksal wurden Friedrichs Gebeine mit ihrer bestattung auf der Terrasse von Schloss Sanssouci 1991 zu einem postpolitischen er-innerungsort, dessen bedeutung nicht mehr wie einst in der von ihm tradierten botschaft besteht, sondern in seiner als authentisch verstandenen Materialiät.

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Neuer Streit um „Mein Kampf“. Bisher hat Bayern den Nach-druck des Buches in Deutschland weitgehend verhindern können. Ende 2015 aber laufen die beim bayerischen Finanzministerium liegenden Urheberrechte an dem Werk aus, das im Ausland und im Internet ohnehin frei zugänglich ist — unkommen-tiert. Das hat jetzt erneut eine heftige Kontroverse ausgelöst; nun soll geprüft werden, ob man künftig strafrechtlich gegen einen Nachdruck vorgehen

Leibniz-Historiker bereiten historisch-kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ vor.

Hetzschrift?Was tun mit der

könnte. Das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) bereitet unterdessen eine kommentierte Edition der Hetzschrift vor. Warum dies ein „notwendiges Projekt“ ist, erläutert IfZ- Direktor Andreas Wirsching.

70 Jahre nach Hitlers Tod erlö-schen die Urheberrechte und jeder darf das Buch drucken und verbreiten – andere Hitler-Texte sind dagegen längst auf dem Markt. Hat „Mein Kampf“ diese Sonderstellung verdient?Andreas Wirsching: Ja und nein. Nein, weil wir in der Tat schon heute über eine Fülle bereits ver-öffentlichter Quellen verfügen, die uns Einblick in Hitlers Gedan-kenwelt geben. Hierzu gehört vor allem die in den 90er Jahren vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebene, mehrbändige und kommentierte Edition „Hit-ler. Reden, Schriften, Anordnun-gen 1925-1933“. Vieles von dem, was man in „Mein Kampf“ lesen kann, ist hier schon ausgebrei-tet. Trotzdem hat das Buch eine Sonderstellung inne. Es ist die wichtigste autobiographische Quelle Adolf Hitlers und als sol-che übt sie eben bis heute eine hohe symbolische Wirkung aus. Auch wenn das ihrem inhaltli-chen Stellenwert nicht immer in vollem Umfang entspricht.

In den USA ist es selbstver-ständlich, das Buch kaufen und lesen zu dürfen. Im Rest der Welt ist es ähnlich – sind die Deutschen besonders anfällig für Hitler-Texte?Der Besitz des Buches ist in Deutschland ja nicht verboten – es sind viele Exemplare im Anti-quariatshandel in Umlauf, auch in den Universitätsbibliotheken ist es zugänglich. Insofern bin ich dafür, die Diskussion zu ent-

dramatisieren. Andererseits ist der Gegenstand in Deutschland historisch ganz anders codiert und viel prekärer als „im Rest der Welt“. Man darf auch nicht un-terschätzen, dass es hierzulande eine – offenkundig wachsende – Neonazi-Szene gibt. Vorsicht und Sensibilität im Umgang mit „Mein Kampf“ sind also geboten.

Sie wollen 2015 eine historisch-kritische Edition von „Mein Kampf“ herausbringen – was können wir daraus heute noch lernen?„Mein Kampf“ ist eine erstrangige Quelle für die Wissenschaft. Eine intensive und akribische For-schungsarbeit wird noch man-ches Unbekannte herausarbeiten können: Woher Hitler genau seine Auffassungen bezog und – be-sonders wichtig – wieweit er das vorhandene völkisch-rassistische Denken quasi parasitär abschöpf-te oder gedanklich eine originä-re und zugleich verbrecherische Synthese schuf, die dann auch für die NS-Herrschaft leitend wurde.

Und woher stammt die braune Brühe?Hitler war ein Vielleser und be-diente sich aus dem breiten völki-schen, sozialdarwinistischen und rassistischen Spektrum, das sich in Österreich und Deutschland seit dem späten 19. Jahrhundert ausgebreitet hatte. Insofern stand er in einer klar erkennbaren Tra-dition. Entscheidend für die na-tionalsozialistische Ideologie ist die in Deutschland weit verbrei-tete Auffassung, die Geschichte sei ein immerwährender, gleich-sam naturgesetzlicher Kampf der Völker und Rassen – das vulgari-sierte sozialdarwinistische Prin-zip des „Kampfes ums Dasein“. Durch den verlorenen Weltkrieg ist diese Ideologie noch einmal radikalisiert worden, und Hitler

Werbeplakat für Hitlers „Mein Kampf“

aus dem Jahr 1938. Die Auflage sollte sich bis Kriegsende bis auf

etwa 11 Millionen erhöhen.

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Leibniz-Historiker bereiten historisch-kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ vor.

schwamm auf dieser Welle. Be-sonders interessant ist die Frage, in welchem Maße er diese vorge-fundenen Traditionen umformte und zu einem neuen Gedanken-gebäude gestaltete – oder ob er im Mainstream der völkischen Bewegung blieb. Ich persönlich neige zu der ersteren Auffassung.

Und was ist dabei historisch-kritisch? Neben der Erforschung der Quel-len, aus denen Hitler schöpfte, geht es auch darum, Unwahrhei-ten und Widersprüche zu demas-kieren und kenntlich zu machen. Ich bin ziemlich sicher, dass die Vorlage einer kritischen Ausgabe die Aura, die das Buch umgibt, zerschlagen und es damit auch entmystifizieren wird.

War „Mein Kampf“ das Dreh-buch für die Machtergreifung?Nicht im konkreten Sinne, aber insofern, als Hitler hier seine Le-galitätstaktik zur Eroberung der Macht im demokratischen Raum entwickelte. Diese Taktik beruhte wesentlich auf dem Prinzip der Führerpartei, des „politischen Soldaten“ und der unentwegten Propaganda inklusive kalkulierter Gewaltanwendung. Mindestens ebenso wichtig ist allerdings die Frage, inwieweit „Mein Kampf“ als „Drehbuch“ für die NS-Herr-schaft ab dem 30. Januar 1933 ge-dient hat. Es sind im Grunde zwei Kernziele, die Hitler formuliert: Krieg zur Eroberung von „Le-bensraum“ in Osteuropa und die „Entfernung“ der Juden. Bei allem Opportunismus, den Hitler später immer wieder an den Tag legte: In diesen beiden Zielen ist er sich treu geblieben.

Konnte, wer „Mein Kampf“ gelesen hatte, wissen oder zumindest ahnen, was auf Deutschland zukommt?

Wer genau hinsah, konnte wis-sen, dass Hitler nichts anderes als eine Gewaltherrschaft anstrebte. Und es gab durchaus Politiker und Publizisten, die dies auch taten und die NS-Bewegung ent-sprechend kritisierten, womit sie übrigens ein beträchtliches Risi-ko eingingen. Nach der „Macht-ergreifung“ gingen viele dieser Menschen ins Exil. Wer blieb, lief Gefahr, verfolgt, inhaftiert oder sogar ermordet zu werden. Klar ist: Wenn die Zeitgenossen gera-de im bürgerlich-konservativen Spektrum Hitlers ideologische Ziele klar erkannt und ihn in der Weimarer Republik mit entspre-chender Entschlossenheit be-kämpft hätten, wäre ihm der Weg zur Macht möglicherweise ver-baut geblieben. Hitlers Geschichte ist, wie zutreffend gesagt worden ist, auch die Geschichte seiner Un-terschätzung.

Wussten die Deutschen im Januar 1933, was Hitler wollte?Man kann davon ausgehen, dass die Deutschen 1933 nicht damit rechneten, von Hitler in Weltkrieg und Holocaust geführt zu werden. Dass er rassistisch und sozialdar-winistisch orientiert war und Gewalt, Mord und Bürgerkrieg für legitime Mittel der Politik hielt, konnte allerdings jeder in Deutschland erkennen, der hin-sehen wollte. Hitler war, das darf man nicht vergessen, schon 1932 ein reichsweit bekannter Politi-ker, der Mord öffentlich rechtfer-tigte. Es gab auch viele, die Hitler durchschauten. Aber ein größerer Teil gerade auch unter den politi-schen Eliten akzeptierte 1932/33 Gewalt als Mittel der Politik zu-mindest dann, wenn sie gegen die „richtigen“ Gegner, also vor allem gegen Kommunisten, linke Sozi-aldemokraten und zum Teil auch Gewerkschafter ausgeübt wurde. Kein Programmpunkt Hitlers hat

1933 mehr Zustimmung erhalten als sein Ziel, den „Marxismus zu vernichten“.

Viele meinen ja, das Buch sei viel verkauft, aber kaum gele-sen worden. Andere sagen, es sei mit dem Aufstieg der Nazis zum auch viel gelesenen Best-seller geworden. Was stimmt?„Mein Kampf“ wurde in der Tat vor 1933 schon viel verkauft und vor allem nach 1930 in der rech-ten und völkischen Presse auch mehr oder minder intensiv disku-tiert. Eine eingehendere Diskus-sion der Inhalte scheint sich aber im Wesentlichen auf dieses Spek-trum beschränkt zu haben. Auch ein Buch wie Theodor Heuss‘ „Hit-lers Weg“ aus dem Jahre 1932, in dem sich der spätere Bundesprä-sident mit „Mein Kampf“ ausein-andersetzt, hat wenig öffentliche Resonanz gefunden.

In „Mein Kampf“ stehen Passa-gen des ungeschminkten Antise-mitismus neben ungezählten Belanglosigkeiten. Wie beurtei-len Sie die Qualität des Buches als politische Kampfschrift?In dieser Hinsicht halte ich es für unterschätzt. Die Auffassung, es sei gleichsam unleserlich oder ungenießbar, ist von Hitlers frü-hen Gegnern aus der völkischen Bewegung schon früh in die Welt gesetzt worden. Bei kundiger Lektüre wird man aber feststel-len, dass Hitlers eigentümliche, ideologisch und verbrecherisch pervertierte Rationalität in dem Buch relativ klar präsentiert wird. Wer für deren rassistische, anti-semitische und sozialdarwinis-tische Folgerungen anfällig war, wird sich durch das Buch auch als Kampfschrift angesprochen ge-fühlt haben.

fragen: david schelp, christian walther

Andreas Wirsching ist seit April 2011 Direktor des Instituts für Zeitgeschichte. Seitdem ist er auch Professor für Neuere und Neueste Geschich-te an der Ludwig- Maximilians Univer-sität München. Neben der Geschichte der Weimarer Republik und anderen Themenfeldern zählen auch Faschismus und Nationalsozialis-mus in der Zeit von 1918 bis 1945 zu Wirschings Forschungs-schwerpunkten.

„Eine kritische

Ausgabe wird

die Aura, die das

Buch umgibt,

zerschlagen und

es damit auch

entmystifizieren.“

18 3/2012

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„Im Dritten Reich war ja nicht alles schlecht, schließlich hat Hitler die Autobahn gebaut.“ Bestenfalls ein hilfl oses und zudem wissenschaftlich unhalt-bares Argument auf eine der drängenden Fragen der deut-schen Geschichte: Warum hat ein großer Teil der deutschen Bevölkerung den Nationalsozi-alismus so lange aktiv unter-stützt oder zumindest billigend in Kauf genommen? Eine Frage, auf die es viele Antworten gibt. „Grundsätzlich war das NS-System nur funktionstüchtig, wenn es gelang, die deutsche Bevölkerung mit unterschied-lichsten Instrumenten zum Einsatz für die politischen Ziele des Regimes zu bewegen“, sagt Thomas Schaarschmidt, der am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam zu nationalsozialistischen Mobili-sierungsprozessen forscht.

Besonderes Gewicht hatte dabei die Reichshauptstadt Berlin, eine Metropole von 4,3 Mio. Einwoh-nern mit einer auch damals schon heterogenen Bevölkerung. Das „rote“ Berlin war alles andere als eine „Hauptstadt der Bewegung“,

Vom

Leibniz-institute erforschen, wie sich die nationalsozialisten den

Rückhalt der bevölkerung sicherten — etwa in der Wohungspolitik.

„roten Berlin“zur braunen Metropole

wie die Nationalsozialisten Mün-chen titulierten, sondern politisch schwieriges Terrain. Nicht ohne Grund schickte Hitler 1926 sei-nen begabtesten Propagandisten und Demagogen Joseph Goebbels als Gauleiter nach Berlin. Berlin war nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch von zentraler Bedeutung für die nationalsozi-alistische Politik. Im Großraum Berlin waren während des Krie-ges etwa 40 Prozent der deut-schen Rüstungsindustrie konzen-triert. „Ein ,Dolchstoß´ der Heimat in den Rücken der kämpfenden Front stellte für die NS-Führung eine ernstzunehmende Gefahr dar“, erläutert Schaarschmidt.

Die Versuche, sich die Sympa thien der Berliner Bevölkerung zu si-chern, begannen bereits früh und setzten im Alltag der Menschen an. Dabei spielte den Natio nal-sozialisten die Krise Deutsch-lands zum Ende der Weimarer Republik in die Hände. Neben groß angelegten Arbeitsbeschaf-fungsmaßnahmen gelang es den Nationalsozialisten auch über die Wohnungspolitik, für viele Men-schen subjektive Verbesserungen ihres Alltagslebens zu erreichen.

Der Stadthistoriker Christoph Bernhardt vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner ist der Meinung, dass die Wohnungspoli-tik zwischen 1933 und 1937 sehr wichtig für die Machtabsicherung der Nationalsozialisten und kei-neswegs ein völliger Fehlschlag war, wie die Forschung bisher überwiegend angenommen habe.

Systematische Kriminalisierung

1933 befand sich die gerühm-te soziale Wohnungspolitik der Weimarer Zeit bereits länger in einer Finanz- und Legitimations-krise. „Über die Jahre gewachsene Erwartungen prallten auf einen rapiden Kaufkraftverlust in ei-ner zunehmenden Armutsgesell-schaft, so dass zeitweise in Berlin viele öffentlich geförderte Neu-bauten leer standen“, beschreibt Bernhardt die Ausgangssituation. „Nachdem sie an die Macht gelangt waren, behielten die Nationalso-zialisten die bestehenden Struk-turen weitgehend bei, tauschten aber das Führungspersonal – zum Teil mit systematischer Kriminali-

Wohnungsnot: Die Siedlung am Grazer Damm in

Berlin-Schönebergwar mit rund 2.000 „Volkswohnungen“

das einzige größere Wohnungsbauprojekt,

das in Berlin nach 1937 fertig gestellt

wurde.

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sierung – aus.“ Besonders die Per-son Adalbert Pfeils als Berliner Stadtrat für Wohnungsbau sei von der Forschung bisher weitgehend unbeachtet geblieben, obwohl er gegenüber der ungleich besser er-forschten Generalbauinspektion Albert Speers eine durchaus ei-genständige Rolle gespielt habe. Durch zahlreiche Bauprojekte, Wohnungsbaufördermaßnahmen und Reichsbürgschaften sowie die Beibehaltung von Kündi-gungsschutz, Mietpreisbindungen und die Teilung großer Wohnun-gen in mehrere Kleinwohnungen sorgten die Nationalsozialisten für eine gewisse Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. Aber: Wohnraum wurde auch schon in dieser frühen Phase durch Ver-treibung von Juden und politi-schen Gegnern frei.

Nach einer vorübergehenden Stabilisierung spitzte sich die Krise der Wohnungsversorgung bereits in den letzten Vorkriegs-jahren erneut zu. Großprojekte wie der Westwall, die Autobah-nen und die Kriegsvorbereitun-gen banden einen Großteil der Baukapazitäten. Dadurch konnte auch der durch die großflächigen Abrisse im Zuge der Speer’schen Weltstadt-Germania-Pläne verlo-ren gegangene Wohnraum nicht ersetzt werden. Nach 1937 wur-de in Berlin nur noch ein einziges größeres Wohnungsbauprojekt verwirklicht: die Siedlung am Grazer Damm in Schöneberg – der Bedarf an Wohnraum war so nicht einmal mehr annähernd zu decken. Da half es auch we-nig, dass Berlin offensichtlich ein Vorreiter bei der anti-jüdischen Wohnungspolitik war, mit der jü-dische Mieter zunehmend terro-risiert und systematisch aus ihren Wohnungen vertrieben wurden, um auf diese Weise ein Ventil für den steigenden Druck auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen. Zum endgültigen Scheitern der NS-Wohnungspolitik führte letztlich der Krieg – schon früh sprachen öffentliche Institutionen unver-hohlen wieder von „Wohnungs-not“. Erst führte der Baustopp für nicht kriegswichtige Bauten zum völligen Stillstand im Wohnungs-bau, dann zerstörten die Bom-benangriffe allein in den Monaten

November und Dezember 1944 über 68.000 Gebäude, wodurch etwa 250.000 Berliner obdachlos wurden.

zunächst keinklares Konzept

Die zunehmenden Widrigkei-ten des Krieges, von denen der Verlust von Wohnraum nur eine Facette war, zwangen die Natio-nalsozialisten, die Mobilisierung der Zivilbevölkerung voranzutrei-ben. Obwohl die NS-Führung seit Kriegsbeginn eine umfassende gesellschaftliche Mobilisierung propagierte, so Thomas Schaar-schmidt, „fehlte es zunächst an einem klaren Konzept, wie die umfassende gesellschaftliche Mo-bilisierung funktionieren sollte.“ Einerseits sollte die Bevölkerung von der Notwendigkeit, das zivile Leben auf die Bedürfnisse des to-talen Krieges umzustellen, über-zeugt werden. Andererseits führ-te die Angst, die „Volksgenossen“ zu überfordern, dazu, dass ent-sprechende Vorstöße kaum kon-sequent umgesetzt wurden. Als notwendig erachtete Maßnahmen wie der generelle Arbeitseinsatz von Frauen oder die „Auskäm-mung“ von Behörden und Betrie-ben wurden erst dann durchge-setzt, als die bedrängte Lage keine Alternative ließ.

Die Männer an der Front, die Frauen und die Jugend an der „Heimatfront“ in der kriegswich-tigen Produktion beziehungs-weise im Luftschutz oder in der vormilitärischen Erziehung – die Propagierung des „totalen Krie-ges“ beschwor die Einheit der

„kämpfenden Volksgemeinschaft“. Die angestrebte gesellschaftliche Kohäsion sollte jeden Wider-spruch im Keim ersticken und die Leistungsbereitschaft trotz der wachsenden Kriegsbelastun-gen aufrechterhalten. Durchaus mit Erfolg, wie Thomas Schaar-schmidt konstatieren muss: „Es spricht viel für eine erfolgrei-che Mobilisierung der Berliner Großstadtgesellschaft, denn ihre Funktionstüchtigkeit und Leis-tungsfähigkeit blieben trotz der Ausweitung des Luftkriegs und der sich abzeichnenden Niederla-ge bis in die letzten Kriegsmonate erhalten.“

Somit liegt eine Erklärung für die weitgehende Akzeptanz des NS-Regimes darin, dass das poli-tische Handeln der Nationalsozi-alisten auch während des Krieges noch lange auf die Belastungen des Volkes und auf gesellschaftli-che Bedürfnisse Rücksicht nahm – aus Kalkül für ihre verbrecheri-schen Pläne. So waren die gelob-ten Autobahnen zunächst eher für Panzer gedacht und nicht für die Menschen.

christOph herBOrt-vOn lOeper

„roten Berlin“zur braunen Metropole

Stadt und Gesellschaft im nationalsozialismus betrachtet der in Kürze im Siedler-Verlag erscheinende Sammelband „berlin 1933–1945“. Herausgegeben von den Historikern Michael Wildt und Christoph Kreutzmül-ler von der berliner Humboldt-Universität will der band Lücken in der Forschung zur berliner Stadtgeschichte schließen. Un-ter anderem mit den folgenden beiträgen von Autoren aus der Leibniz-Gemeinschaft:

Rüdiger Hachtmann (zentrum für zeithistorische Forschung, zzF): „Arbeiter und Arbeiterorga-nisationen in berlin 1930–1945“ (mit Christoph Kreutzmüller), „berlin. Die Wissenschaftsmetro-pole des Dritten Reiches“; Christoph Bernhardt (Leibniz-institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung): „Wohnungspolitik und bau-wirtschaft in berlin 1930–1950“; Thomas Schaar-schmidt (zzF): „Die Mobilisierung der berliner Großstadtbevölkerung im Krieg“.

Neuer Sammelband „Berlin 1933-1945“

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sequent umgesetzt wurden. Als notwendig erachtete Maßnahmen wie der generelle Arbeitseinsatz

setzt, als die bedrängte Lage keine

Die Männer an der Front, die Frauen und die Jugend an der

weise im Luftschutz oder in der vormilitärischen Erziehung – die

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Panzer gedacht und nicht für die Menschen.

christOph herBOrt-vOn lOeper

Von der Forschung bislang weitgehend unbeachtet geblie-ben ist die durchaus einflussreiche Rolle Adalbert Pfeils als Berliner Stadtrat für Wohnungsbau. Außer seiner NSDAP-Kartei-karte ist nicht einmal ein Foto überliefert.

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buch eines Philologen“. Er nutzte 1934 in seinem Tagebuch den Ausdruck Machtübernahme ohne jede distanzierende Markierung, wie Kämper zitiert: „‘Weihestun-de‘ der Studentenschaft zum Jahrestage der Machtübernahme Hitlers vom 30.1.33“. Erst in der LTI setzt Klemperer die Macht-übernahme in Anführungszei-chen. So oder so: Man weiß, was gemeint ist.

Das gilt auch für den Begriff der Reichspogromnacht. Er soll die

Nein, sie haben die Macht nicht ergriffen, die Nazis sind nicht durch einen Griff an die Schalthebel der Regierungsge-walt gelangt. Sie wurde ihnen übergeben. Keine Revolution, kein Putsch, kein Sturm aufs Winterpalais – es war einfach nur eine Ernennungsurkunde, unterzeichnet vom Reichspräsi-denten Hindenburg, die Hitler zum Reichskanzler machte. Ganz unspektakulär war die Weimarer Republik Geschichte.

Dennoch hat sich der Begriff Machtergreifung gehalten. Viel-leicht, weil Hitler ja auch zuge-griffen hat, als ihm die Macht an-getragen wurde. Vielleicht, weil es so tatkräftig klingt, vielleicht auch, weil es die, die dabei zuge-sehen haben, moralisch entlastet.

Heidrun Kämper vom Institut für Deutsche Sprache weist darauf hin, dass die Nazis den Begriff Machtergreifung schon 1923 verwendet haben, bald nach Gründung der SAP/NSDAP, und zwar im Kontext des Münchner Putschversuchs. Mit großer Si-cherheit könne angenommen werden, dass Machtergreifung um 1933 beginnt, in den allge-meinen Gebrauch überzugehen. Das drücke sich auch darin aus, dass das Wort 1934 erstmals im gleichgeschalteten ‚Duden‘ aufgenommen ist. Kämper: „Die Bezeichnung drückt aus, was all-gemeine Befindlichkeit war. Denn Machtergreifung ist semantisch einwertig, es bezeichnet eine ein-zige, und außerdem eine ausge-sprochen entschieden handelnde Instanz. Dieser Ausdruck passt zu dem Narrativ: Hitler ist über die Deutschen gekommen und hat rücksichtslos die Herrschaft

Von „Machtergreifung“ Über die Schwierigkeit,

die nazizeit auf angemessene begriffe zu bringen.

an sich gerissen: die Macht er-griffen.“ Doch das entsprach auch der Selbstdarstellung der Nazis: „Die nazistischen Handlungsträ-ger haben sich vorzugsweise als entschlossene und rücksichtslose Tatmenschen konzipiert.“

„Machtergreifung“ oder besser anders?

Die Sprachforscherin verweist andererseits darauf, dass selbst in antifaschistischen Milieus der Begriff nicht verpönt war. So habe die Vereinigung der Ver-folgten des Naziregimes (VVN) 1947 von den „Verfolgten des Na-ziregimes, (...) die vom Tage der Machtergreifung des Nazismus an (...) niemals aufgehört haben zu kämpfen“ geschrieben.

Machtübernahme, Machtübertra-gung, Machtübergabe nennt die Mannheimer Professorin als gängigste Varianten zur Machter-greifung. Doch Kämper weist da-rauf hin, dass der Begriff Macht-übernahme von Hitler bevorzugt wurde: „In seinem sogenannten ‚Politischen Testament‘ etwa, das er kurz vor seinem Selbstmord verfasste, gebraucht er diesen Ausdruck ausschließlich.“ Victor Klemperer, als jüdischer Pro-fessor von der TH Dresden ent-lassen, und nach ‘45 Autor eines Standardwerks zur Sprache des Dritten Reiches: „LTI – Notiz-

Reichsbauernführer

Reichsforstmeister

Reichsjugendführung

Reichskommióar für die Rückgliederung des Saarlandes

Reichssippenamt

Reichskommióariat für die Festigung des deutschen Volkstums

Reichsstudentenführer

Reichsamtsleiter Reichsautozug

Der Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz

Reichskommióar für Preisbildung

Reichsbräuteschule

Reichswasserleicheinnerer Reichsparteitag

Machtergreifung

und „Reichskris tallnacht“

3/2012 21

L e i b n i z | n AT i O n A L S O z i A L i S M U S

politisch-historisch und damit auch moralisch korrekte Alterna-tive zur Reichskristallnacht sein, ein Ausdruck, der die von den Nazis organisierten Überfälle auf Juden und ihre Synagogen, Woh-nungen und Geschäfte rings um den 9. November 1938 bezeich-net. Das Wort Reichskristallnacht gilt vielen als Nazisprech, zu-mindest aber als verharmlosend. „Bis heute ist das Wissen über die Herkunft nicht gesichert“, sagt Heidrun Kämper. Besonders häufig werden zwei Erklärungen

Von „Machtergreifung“

bemüht: Die eine geht von einer Bezeichnung der Nationalsozia-listen aus, einem Euphemismus. Die andere von einer Schöpfung aus dem Berliner Volksmund. „Dann wäre der Ausdruck eine Metonymie zur Bezeichnung der Wirkung, indem man das Bild der Splitter von zerschlagenen Fens-terscheiben, Spiegeln etc. für das Ganze nimmt.“

Wortschöpfung der berliner KodderschnauzeBeide Versionen haben ihr Für und Wider: „Gegen die erste Ver-sion spricht, dass die Nationalso-zialisten ihre geplanten Überfälle und restriktiven Maßnahmen systematisch mit Aktion be-zeichneten, was auch im Fall des 9. November 1938 belegbar ist“, analysiert Kämper. So sprachen die Nazis im November 1938 von einer Vergeltungsaktion für das Attentat des 17-jährigen Herschel Grynszpan auf den Le-gationssekretär Ernst Eduard vom Rath in Paris. Der Begriff Reichskristallnacht hingegen wird langsam rehabilitiert – nicht, weil er die Ereignisse adäquat auf den Begriff bringt, sondern weil sich herumspricht, dass er nicht Jargon der Nazis ist, sondern der Berliner Kodderschnauze entstammt – eine Ironisierung der allgegenwärtigen offiziellen

Reichs-Wortbildungen, die vom Reichsjägermeister (Göring) bis zur Reichsbräuteschule reichten. Der Mutterwitz ergänzte die Liste hinter vorgehaltener Hand etwa um den Reichsheini (SS-Reichs-führer Heinrich Himmler) und die Reichswasserleiche Kristina Söderbaum, die sich in dem an-tisemitischen Hetzfilm Jud Süß ertränkt. In diese Reihe gehört auch, wie Tilman Krause in der WELT schrieb, der von ZDF-Mo-deratorin Katrin Müller-Hohen-stein gebrauchte „innere Reichs-parteitag“.

Gleichwohl nimmt der Ge-brauch von Reichskristallnacht in Deutschland ab, während Reichspogromnacht zulegt – so der Befund von Kämper bei einer Abfrage von COSMAS, einem am Institut für Deutsche Sprache ent-wickelten Recherchesystem. Bei der in Fragen der political cor-rectness vielleicht besonders sen-siblen „tageszeitung“ zeigt sich in den Gedenkjahren 1988, 1998 und 2008, dass der Gebrauch von (Reichs)Pogromnacht signifikant ansteigt, während die Reichskris-tallnacht in der taz deutlich ab-nimmt. Allerdings kommt Käm-pers Untersuchung der „ZEIT“ für die Jahre 1995 bis 2011 zu einem anderen Resultat: „Hier ist Reichs-kristallnacht am häufigsten be-legt, es folgen Reichspogromnacht und Pogromnacht, Kristallnacht und Novemberpogrom.“ Auch wer sich um historische und morali-sche Korrektheit bei Ereignissen der NS-Herrschaft bemüht, muss also nicht den Ausdruck Reichs-kristallnacht vermeiden. Doch Kämper schränkt ein: „Distanz wird in Form von Anführungszei-chen markiert.“ christian walther

ReichsjägermeisterReichsjugendführung

Reichsprotektor

Reichskommióar für die Rückgliederung des Saarlandes

Reichssippenamt

Reichsbeauftragter für künstlerische Formgestaltung

Reichskommióariat für die Festigung des deutschen Volkstums

ReichsfilmdramaturgReichsamtsleiter Reichsautozug

Der Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz

Reichskommióar für Preisbildung

Reichsbräuteschule

Reichswasserleiche

Reichsheini

ReichskristallnachtMachtergreifung

Reichsarbeitsminister

und „Reichskris tallnacht“

Heidrun Kämper ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Lexik des Instituts für Deutsche Sprache und apl. Professorin an der Universität Mannheim.

„Die nazistischen

Handlungs träger

haben sich

vorzugsweise als

entschlossene

und

rücksichts lose

Tatmenschen

konzipiert.“

Foto

: IDS

22 3/2012

Amsterdam, September 1942. Es ist halb eins in der Nacht, als die Polizisten der Nationalso-zialistischen Partei der Nieder-lande vor Mirjam Levies Tür stehen. Um die 500 Menschen holen sie nun jeden Abend aus ihren Häusern und verschleppen sie in das Durchgangslager Wes-terbork. Dort internieren die deutschen Besatzer die Juden Hollands. Ein Zwischenstopp. In den meisten Fällen folgt ihm die Deportation in die Vernich-tungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibór.

Auch Levie und ihre Familie ste-hen auf den Listen, doch sie ha-ben Glück. Levie gefällt den Poli-zisten, „sie (…) machten mir ein bisschen den Hof“, schreibt sie in einem Brief. Widerwillig, aber zuvorkommend bewirtet sie die Eindringlinge mit Wein. „Ich wollte, dass sie uns wohlgesinnt blieben, denn sie erzählten, sie hätten immer Dienst in unserem Viertel.“ Und tatsächlich entge-hen Levie und ihre Familie dem Abtransport. Zunächst.Wie die Familie Levie sehen sich zu dieser Zeit Millionen Menschen

Während des zweiten Weltkriegs besetzte die Wehrmacht weite Teile europas. Was bedeutete das für die zivilbevölkerung?

unter Besatzung

in Europa mit den Besatzern aus Deutschland und ihren Handlan-gern konfrontiert. Doch während die Forschungsarbeiten über den Krieg, die Shoah, die Täter und den Widerstand inzwischen gan-ze Bibliotheken füllen, ist über das Leben der Zivilbevölkerun-gen in den besetzten Ländern weit weniger bekannt.

Frage nach dem ganz normalen Alltag

„In vielen Ländern dominierte nach dem Krieg der Impuls, zu-nächst die mit der Besatzung zu-sammenhängenden Verbrechen aufzuklären“, sagt Peter Haslinger vom Herder-Institut für histori-sche Ostmitteleuropaforschung (HI), einem Leibniz-Institut in Marburg. „Die Frage nach dem ganz normalen Alltag der Men-schen in diesen Gebieten wurde deshalb oft spät gestellt.“ Eine Forschungslücke, die Haslin-ger und seine Kollegin Tatjana Tönsmeyer von der Bergischen Universität Wuppertal mit dem internationalen Editionsprojekt „World War II – Everyday Life Un-

der German Occupation“ schlie-ßen möchten. Wie beeinflusste die Besatzung das Leben der Be-setzten? In welchem Verhältnis standen sie zu den Deutschen? Welchen Einschränkungen waren sie ausgesetzt? Welche Freiräume blieben?

Seit Mai sind rund 30 Forscher aus 15 Ländern in Europa unter-wegs. Sie durchstöbern National-archive, aber auch kleine lokale Sammlungen und private Nach-lässe. „Dabei suchen wir nicht die Quellen der Täter“, sagt Tatjana Tönsmeyer. „Wir suchen die Quel-len der Menschen, die unter den lokalen Besatzungsregimen der Wehrmacht leben mussten. Ihr Schicksal ist häufig nur durch Er-zählungen innerhalb ihrer Famili-en bekannt.“

Tagebücher gehören dazu, Briefe wie die von Mirjam Levie, aber auch Prozessakten, Verneh-mungsprotokolle und Plakate, mit denen die Besatzer ihre Verord-nungen bekannt machten. „Wir werten sogar Kochbücher aus“, berichtet Tönsmeyer. Sie liefern Einblicke in gravierende Versor- Fo

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Leben

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gungsengpässe und die Überle-bensstrategien der Menschen. Die Auswertung der Quellen soll schließlich Auskunft darüber geben, mit welchen Mangelerfah-rungen in verschiedenen Teilen Europas gekämpft wurde, wel-chen Formen von Herrschaft und Gewalt die Menschen ausgesetzt waren und welche Rolle Zwangs-arbeit, Ausbeutung, Vertreibung, Verfolgung und Massenmord in den besetzten Regionen spielten. „Besonders wichtig ist es uns, Gemeinsamkeiten und Unter-schiede aufzudecken“, sagt Peter Haslinger. „Gibt es den einen eu-ropäischen Besatzungsalltag, eine einheitliche Besatzungsstrategie? Woraus resultieren eventuelle Unter schiede?“

Selbst nS-Anhänger halfen manchmal

Nicht zwangsläufig müssen die Trennlinien dabei zwischen Län-dern verlaufen. Unterschiede zwischen ländlichen und urbanen Gebieten innerhalb eines Landes sind denkbar. Ähnlichkeiten von Stadt zu Stadt und von Land zu Land in verschiedenen Staaten. Auch Bevölkerungsgruppen ha-ben die Besatzung verschieden erlebt. Besonders natürlich die Juden. „Wir verstehen sie in unse-

rem Projekt allerdings explizit als Teil der Zivilbevölkerungen Euro-pas und hoffen, dass wir sie ein Stück weit in ihre jeweiligen Her-kunftsgesellschaften reintegrie-ren können“ sagt Tönsmeyer. Jüdi-sche Menschen seien zwar einer spezifischen Verfolgung ausge-setzt gewesen, dennoch überleb-ten einige in Verstecken: weil es Menschen gab, die ihnen halfen. Im Fall von Mirjam Levie waren es mit den Polizisten sogar An-hänger des Nationalsozialismus, die sie für eine Weile schützten. „Es hat sich schon früher gezeigt, dass Kategorien aus Schwarz und Weiß mit Blick auf den Alltag im Zweiten Weltkrieg nur bedingt greifen. Für viele Menschen chan-gierte das Leben in den Zonen da-zwischen“, erklärt Tönsmeyer. Im Frühjahr 2013 rechnen sie und Haslinger mit ersten Rückläufen ihrer Quellensuche. Am Ende des Projekts sollen die Ergebnisse in zunächst acht englischsprachigen Editionsbänden veröffentlicht werden. In einem Onlineportal werden sie zudem der Öffentlich-keit zugänglich gemacht, auch in der jeweiligen Originalsprache.

Das Projekt soll die wissenschaft-liche Debatte zu einem für viele Länder weitgehend unerforsch-ten Thema beleben, aber auch jenseits der Forschung Impulse setzen. „Wir möchten Aufmerk-samkeit für ein Kapitel gesamteu-ropäischer Geschichte schaffen“, sagt Tönsmeyer. „Europa war im Norden, im Süden, im Osten und im Westen besetzt. Es ist an der Zeit, dass ein grenzübergreifen-der Austausch über die Erfah-rungen, die in den verschiedenen Ländern gemacht wurden, statt-findet.“

Geschichten wie die von Mirjam Levie könnten dann häufiger er-zählt werden. Manchmal nehmen sie einen unerwarteten Ausgang. Zwar konnte auch ihr Charme Le-vie irgendwann nicht vor der De-portation bewahren: Erst brachte man sie nach Westerbork, von dort nach Bergen-Belsen. Doch mit einem der wenigen Gefange-nenaustauschzüge, die das Kon-zentrationslager Bergen-Belsen verließen, konnte sie im Juni 1944 nach Palästina ausreisen. Mirjam Levie überlebte.

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„Die Minenprobe“ schrieb ein unbe kannter Wehrmachtssoldat auf die Rück seite der links abgebildeten Aufnahme. Sie zeigt eine Ukraine-rin, die auf Befehl der Besatzer durch eine Furt waten muss: als menschliches Minensuchgerät.

Wenngleich die Leib-niz-Gemeinschaft als Wissenschaftsorganisa-tion noch jung ist, ge-hen die Ursprünge vie-ler Leibniz-Institute auf Vorläuferinstitutionen oder wissenschaftliche Traditionen zurück, die durchaus bis in die Jah-

re 1933 bis 1945 und darüber hinaus reichen. Damit stellt sich auch für sie die Frage nach der Rolle der Wissenschaft in der Diktatur.Das Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) und die dortige Technische Universität haben im Jahr 2002 ihr gemein-sames Zentrum für Biomaterialien nach dem jüdischen Wissenschaftler Max Bergmann benannt.Bergmann war Chemiker und wurde 1920 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Le-derforschung, das sich bis 1945 an dem Ort befand, wo heute das IPF steht. Max Berg-mann fokussierte das Institut vorrangig auf die allgemeinen theoretischen Grundlagen der Gerberei und machte es führend in der Chemie der Aminosäuren, Peptide und Ei-weißstoffe. Das 1933 erlassene „Gesetz zur Wiederher-stellung des Berufsbeamtentums“ hatte für Bergmann als Jude die umgehende „Pensio-nierung“ zur Folge, die einem Berufsverbot gleichkam. Er emigrierte und trat in das New Yorker Rockefeller Institut ein, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1944 weiterforschte. Als Pionier der Proteinbiochemie baute er die führende Rolle der amerikanischen Eiweiß-forschung aus. Zu seinen Schülern zählten u. a. die Chemie-Nobelpreisträger von 1972, William H. Stein und Stanford Moore.Das Max-Bergmann-Zentrum steht heute in der Tradition Bergmanns mit der Überzeu-gung, dass die Erforschung von grundlegen-den Zusammenhängen die beste Vorausset-zung für die Lösung von Problemen in der industriellen und medizinischen Praxis ist. www.mbc-dresden.de

re 1933 bis 1945 und darüber hinaus reichen.

Bergmanns ErbeWarum das Zentrum für Biomaterialien in Dresden an den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Lederforschung erinnert.

24 3/2012

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Wie wird der Holocaust im

Unterricht behandelt? Dazu untersuchen die

Schulbuchforscher Lehrpläne aus 195

Ländern.

Der 30. Januar 1933 hatte ka-tastrophale Folgen für Europa und weite Teile der übrigen Welt. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begann nicht nur die Diktatur Adolf Hitlers. Vor allem folgte ihr der Völkermord an den Juden Europas: der Holocaust. Das dunkelste Kapitel deut-scher und europäischer Ge-schichte wird heute weltweit in Schulbüchern erzählt. Der Holocaust ist als Thema ein fester Bestandteil des Schul-unterrichts. In den meisten Ländern. Nicht aber in allen.

Welche Länder den Holocaust tatsächlich im Klassenzimmer thematisieren, welche Begriff-lichkeiten dabei benutzt werden und wie genau sich die Schulen dem Thema nähern, erforschen derzeit Wissenschaftler des Georg-Eckert-Instituts für inter-

Dunkles Kapitel

nationale Schulbuchforschung (GEI). Eine Untersuchung im Auftrag der UNESCO: Für das Braunschweiger Leibniz-Institut sprach zum einen seine um-fassende Expertise in der For-schung zu Schulbüchern und Curricula in den Fächern Ge-schichte, Geografie und Sozial-kunde. Zum anderen überzeugte seine Erfahrung in der bildungs-politischen Beratung und seine internationale Vernetzung. Dazu gehören Kooperationen wie die Gemeinsamen Deutsch-Polni-schen, Deutsch-Israelischen und Deutsch-Tschechischen Schul-buchkommissionen.

In den kommenden 18 Mona-ten wird das GEI die Lehrpläne von 195 Ländern untersuchen. So soll eine Art „Weltkarte“ ent-stehen, die illustriert, wo und in welcher Weise in der Schule eine Auseinandersetzung mit

dem Holocaust stattfindet. „In der ersten Phase werden wir erarbeiten, in welchen Ländern überhaupt eine Vermittlung im Lehrplan vorgesehen ist“, er-läutert Peter Carrier, der das Projekt am GEI federführend betreut. Er und seine Kollegen rechnen damit, dass der Holo-caust in einigen Ländern gar nicht oder unter anderen Vorzei-chen als in der westlichen Welt thematisiert wird, im Iran etwa oder in den arabischen Ländern. Insbesondere in diesen Staa-ten sei auch der Zugang zu den zu analysierenden Daten und Lehrmaterialien nicht immer einfach gewesen. Auch die vielen verschiedenen Sprachen in der Untersuchungsgruppe stellen eine Herausforderung dar. Die Forscher müssen außerdem be-rücksichtigen, dass in manchen Ländern andere Begriffe für den Holocaust verwendet werden.

Schulbuchforscher untersuchen den weltweiten Umgang

mit dem Holocaust im Unterricht. im Schulbuch

Der 30. Januar 1933 hatte ka-

mit dem Holocaust im Unterricht.

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Für 20 Länder fertigen die Forscher Detailanalysen der Schulbücher an.

Dunkles Kapitel Weltweites netzwerk hilft

In der zweiten Phase des Pro-jekts werden dann 20 Länder herausgegriffen. „Dort werden wir mit unseren Untersuchun-gen in die Tiefe gehen und uns genauer ansehen, wie das The-ma Holocaust in den jeweiligen Schulbüchern vermittelt wird“, erklärt Carrier. Eckhardt Fuchs, der stellvertretender Direktor am GEI ist und das Holocaust-Projekt leitet, fügt an: „Bei dieser Arbeit wird uns unsere interna-tionale Vernetzung sehr helfen.“ Das GEI kann zudem von den Synergieeffekten eines anderen aktuellen Forschungsprojekts profitieren: von „Curricula Work Station“, einem von der Deut-schen Forschungsgemeinschaft geförderten Vorhaben. In den kommenden Jahren soll in sei-nem Rahmen eine Online-Daten-bank der weltweiten Lehrpläne erstellt werden. „Dadurch haben wir bereits den Zugang zu Daten und wichtigen Ansprechpart-nern“, sagt Fuchs.

Für das GEI ist es das erste Pro-jekt, das sich dezidiert mit dem Holocaust beschäftigt. Seit das Institut 1975 in seiner heutigen Form gegründet wurde, haben sich seine Wissenschaftler je-doch immer wieder an Trans-ferprojekten und Publikationen beteiligt, die sich mit der Ver-mittlung der Themen National-sozialismus und Genozid be-fassen. So etwa Verena Radkau, zuständig für die Publikationen des Instituts. Seit 1995 arbeitet sie am GEI und hat an den Schrif-ten zu verschiedenen großen Konferenzen mitgewirkt, unter

anderem zu den Themen „Ge-nozide und staatliche Gewalt-verbrechen im 20. Jahrhundert“ und „Schlüsselbilder des Nati-onalsozialismus“. Ein wichtiges Dokument für den Unterricht ist auch ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Schulbuchverlag Cor-nelsen von 2005: eine CD über die NS-Zeit, auf der neben den Opfern auch Täter und Mitläufer zu Wort kommen.

Für Völkerverständigung,gegen Stereotype

Projekte wie diese und auch die Schulbuchkommissionen treffen im Kern, was dem GEI-Namens-patron Georg Eckert als Wis-senschaftler und als Mensch am Herzen lag. Eckardt Fuchs, der derzeit mit einem Kollegen an einer Monografie zur Geschichte des GEI arbeitet, hat sich intensiv mit Eckert und seinem Lebens-werk beschäftigt: „Sein Hauptge-danke nach dem Ende von Nati-onalsozialismus und Krieg: Die Revision von Schulbüchern und speziell die Vermeidung der Dar-stellung von Stereotypen kann zur Völkerverständigung und zu einer Erziehung zum Frieden beitragen.“ Dafür habe Eckert sich leidenschaftlich eingesetzt und schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Zusam-menarbeit mit Menschen aus anderen Ländern gesucht. 2012 wäre der engagierte Pädagoge, Ethnologe und Historiker 100 Jahre alt geworden. Bereits 1951 hatte er das Vorgänger-Institut des GEI gegründet. Eckert war zudem Präsident der deutschen UNESCO-Kommission und en-gagierte sich in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Oktober be-

schäftigte sich eine Konferenz am GEI mit seinem vielfältigen Schaffen.

Mittlerweile stehen Schulen und andere Bildungseinrichtungen bei der Vermittlung des Themas Nationalsozialismus und Holo-caust vor anderen Herausfor-derungen als noch in den 70er bis 90er Jahren. Zum einen sei es weit über 60 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit immer schwie-riger, Zeitzeugen zu finden, die Schülern von ihren Erfahrungen berichten können, erläu-tert Verena Radkau. Zum anderen hätten die Lehrer es heute mit heterogeneren Klassen zu tun als früher: „Schüler aus vielen verschie-denen Herkunftsländern und verschiedenen Glaubens sind im Klassenzimmer versam-melt. Zum Beispiel Jugendliche aus bosnischen Familien – sie haben ihre eigenen, schreckli-chen Erfahrungen mit dem Be-griff Völkermord gemacht.“

Es gibt also noch viel zu tun für das Georg-Eckert- Institut.

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denen Herkunftsländern und verschiedenen Glaubens sind im Klassenzimmer versam-melt. Zum Beispiel Jugendliche aus bosnischen Familien – sie haben ihre eigenen, schreckli-chen Erfahrungen mit dem Be-

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griff Völkermord gemacht.“

Es gibt also noch viel zu tun für das Georg-Eckert-

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Jedes Jahr erkranken weltweit mehr als 100 Millionen Men-schen an Grippe. Wissenschaft-ler des Hamburger Heinrich-Pette-Instituts, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) forschen an den extrem wandlungsfähigen Infl uenza-Viren.

Die Grippe hat in diesen Tagen wieder Hochsaison. Jedes Jahr erkranken in den Wintermona-ten auf der nördlichen Halbku-gel Millionen Menschen an der Influenza, allein in Deutschland sterben mehr als 10.000 an den Folgen. Betroffen sind vor allem geschwächte, alte und chronisch kranke Menschen. Experten raten deshalb vor allem diesen Gruppen, sich jedes Jahr gegen die Erreger der hochanste-ckenden Infektionskrankheit, den Influenza-Viren, impfen zu lassen. Jedes Jahr deshalb, weil die Viren – einfach ausgedrückt – wahre Verwandlungskünstler sind, sodass das Immunsystem kaum Chancen hat, das Virus auszuschalten.

Bekannt sind inzwischen zahl-reiche Influenza-Subtypen, die sich anhand der beiden Prote-ine HA (Hämagglutinin) und NA (Neuraminidase) einordnen lassen. Zu ihnen gehören auch die Erreger der Echten Grippe (bekannt als Schweinegrippe, H1N1) und der Vogelgrippe (H5N1). „Die hohe Variabilität der Influenza-Viren macht sie unberechenbar und gefährlich“, erklärt Gülsah Gabriel vom Heinrich-Pette-Institut, Leib-niz-Institut für Experimentelle Virologie. Die Virologin leitet am HPI die Nachwuchsgruppe „Influenza Pathogenese“, die von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft im Emmy-Noe-ther-Programm gefördert wird. Gründe für die Verwandlungs-fähigkeit gibt es mehrere: Eine Ursache liegt in dem segmen-tierten Virus-RNA-Genom, das aus acht Genabschnitten be-steht. Ein weiterer Grund sind Doppelinfektionen: Wird eine Zelle mit zwei unterschiedli-chen Influenza-Subtypen infi-ziert, können sich die Genome durchmischen – die Folge sind wieder neue Virussubtypen. Und auch Mutationen beim Ver-

mehren des Virusgenoms erhö-hen die Veränderlichkeit. „Diese verschiedenen Vorgänge erklä-ren die hohe Variabilität der In-fluenzaviren“, sagt Gabriel.

Wandelbarer Gegner

In den Sicherheitslaboren am HPI hat die Grippe ganzjährig Saison. „Wir können zwar die nächste Influenza-Epidemie nicht voraussagen, aber durch stetiges Forschen erweitern wir unser Wissen. So können wir beim nächsten Ausbruch hoffentlich schnell und passend reagieren, um die Bevölkerung vor schwer wiegenden Infektio-nen zu schützen“, so Gabriel. Für die Forscher bedeutet das vor allem, den Erreger bis ins letzte Detail kennen zu lernen: Wel-che Influenzaviren zirkulieren aktuell, welche davon sind ge-fährlich, welche weniger? Wie vermehren sich Influenzaviren und weshalb machen sie über-haupt krank? Bei Influenzaviren aus dem Tierreich stellt sich die Frage, wie sie es schaffen, den Wirt zu wechseln. Welche Bar-rieren müssen dabei durchbro-

Leibniz-Virusforscher im Kampf gegen die Infl uenza.

Grippe-Saison12 Monate

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Plaque-Abdrücke von Influenza-

Viren

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Dresden, wo Kunst und Wissenschaft seit Jahrhunderten eng verbunden sind, bietet heute mit einer Exzellenz-Universität, zehn Hochschulen, drei Max-Planck-Instituten, fünf

Leibniz-Instituten, dreizehn Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft, dem Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf und einem Zen-trum der Deutschen Forschungsgemein schaft

ideale Voraussetzungen für wissenschaftliche Spitzen leistungen. In diesem Umfeld wird die Mitarbeit an der Umsetzung neuer Ideen selbst zur faszinierenden Idee.

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chen werden? Wie könnte die Virusinfektion gehemmt wer-den? Und da sich zirkulierende Influenzaviren ständig verän-dern, muss immer wieder aufs Neue geklärt werden, ob die zurzeit vorhandenen Antiviralia und Impfstoffe überhaupt noch wirksam sind.

Virale Grenzgänger

Unzählige Fragen, auf die die HPI-Forscher Antworten su-chen, die sie zu einem Puzzle zusammenfügen. Ein solches Puzzlestück haben Gülsah Ga-briel und ihr Team kürzlich auf dem hochaktuellen Gebiet der Wirtsadaption von Influenzavi-ren entdeckt. Im Fall der Vogel-grippe ist es den Influenzaviren gelungen, den Wirt zu wech-seln: Mensch statt Vogel. Die Viren haben die natürliche Ar-tengrenze überschritten. Damit ihnen das gelingt und sie sich vermehren können, müssen sie

zwei Barrieren überwinden: die Zellwand und die Kernmemb-ran im Zellinnern des Wirtes. Erst im Zellkern vermehren sich die Influenza-A-Viren – und zwar mit Hilfe eines Enzyms, der Polymerase. Wie die Viren die Zellwand durchdringen, ist weitgehend bekannt und wird seit vielen Jahren intensiv er-forscht. Den HPI-Forschern ist es gelungen, zu beschreiben, wie sich die Grippeviren an die zweite innere Barriere an-passen, um vom Vogel in den Menschen zu gelangen. „Dabei haben wir wichtige Erkenntnis-se gewonnen und hoffen nun, therapeutische Ansätze zu ent-wickeln“, sagt Gabriel, die für ihre Forschungsergebnisse mit dem Robert-Koch-Förderpreis ausgezeichnet worden ist. Ließe sich die Polymerase hemmen, würden sich vermutlich aggres-sive Influenza-Viren nicht mehr vermehren können. Die Hem-mung (Inhibition) der Vermeh-rung wäre somit ein wichtiger

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Gülsah Gabriel (rechts) mit ihrer Nachwuchsgruppe

„Influenza Pathogenese“

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Ansatz für zukünftige Thera-pien gegen Influenzaviren. Ein weiterer Vorteil sei, dass dieser Ansatz gegen eine Breite von In-fluenzaviren wirksam wäre und nicht selektiv gegen bestimmte Subtypen, da die Polymerase zu den konservierten Bestandtei-len des Virus-Erregers gehört, sich also nicht stark von Subtyp zu Subtyp unterscheidet.

Kalt und trocken

Warum die Grippewelle Deutsch-land immer in den Herbst- und Wintermonaten erreicht, ist nicht endgültig geklärt. Eine Studie des Virologen Peter Pa-lese in den USA zeigt, dass Kälte und trockene Bedingungen die Übertragung von Influenzavi-ren über die Luft begünstigen. „Das ist die erste und eine der wichtigsten Studien, die klar nachweist, dass das Wetter die Verbreitung von Influenzaviren beeinflusst“, sagt Gabriel. Die Rede sei zwar oft von einem geschwächten Immunsystem als Grund, aber bisher konnten Wissenschaftler bei Influenza-Erkrankten keine allzu großen Veränderungen am Immunsys-tem beobachten – was deut-lich für den Einfluss der Witte-rungsbedingungen spricht.

Gülsah Gabriels Herz schlägt für die Forschung, gleichzei-tig ist es ihr auch sehr wichtig,

dass die Allgemeinheit von ih-ren Erkenntnissen profitiert: „Wir Wissenschaftler haben die Aufgabe, unser Wissen in die Öffentlichkeit zu transferieren. Nur so kann sie einen wichti-gen Beitrag dazu leisten, unser wichtigstes Gut, die Gesundheit, aufrechtzuerhalten.“ Deshalb fin det die Virologin, dass die Ar-beiten der Grippeforscher Ron Fouchier in den Niederlanden und Yoshihiro Kawaoka in USA und Japan, welche Anfang des Jahres stark diskutiert wurden, besonders wichtig sind. Die Wissenschaftler um Fouchier hatten in einem Tierversuch an Frettchen ein H5 Influenzavirus entstehen lassen, das sich über Tröpfcheninfektion überträgt.

In der Presse war die Rede vom tödlichen Supervirus, Gül-sah Gabriel hingegen ist da-

Influenza-Viren unter dem Elektronenmikroskop

Gülsah Gabriel

Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für

Experimentelle Virologie

„Wir wollen die

Grippe besser

verstehen, um sie

bekämpfen

zu können.“

nicht nur in Hamburg forschen Leibniz-Wissenschaftler an der Infl uenza. Stephanie Bert-ram untersucht am DeutschenPrimatenzentrum — Leibniz-institutfür Primatenforschung in GöttingenGrundlagen der Virus-Wirtszell-inter -aktion. Konkret geht es darum, die durch die hohe Veränderlichkeit der Viren entstehenden Resisten-zen gegen Grippe medikamente zu verhindern. bertram hat gemein-sam mit anderen Forschern herausgefunden, dass nicht nur Virus-Moleküle für die infektion wichtig sind. Auch körpereigene Moleküle, die

so genannten Typ ii Transmembran Serinproteasen, sind für die „erfolg-reiche“ infektion erforderlich. Diese molekularen Maschinen aktivieren ein wichtiges Virusprotein — erst dadurch wird das Virus infektiös. Richten sich Medikamente nun gegen diese körpereigenen, aber für den Menschen entbehrlichen Moleküle, besteht nicht die Gefahr, dass die Viren resistent werden.Für ihre Forschungsarbeit zeichnete

das Helmholtz-zentrum für infektionsforschung Stephanie bertram mit dem Jürgen-Wehland-Preis 2012 aus.

Körpereigene Moleküle

von überzeugt, dass derartige Versuche der Virusforschung entscheidende Impulse geben können. Ließe sich beispiels-weise klären, welche und wie viele Mutationen zu einem hoch-ansteckenden H5N1-Virus führen, könnten präventiv Maß-nahmen ergriffen werden, um mögliche Gefahren zu unterbin-den. Auch für die Entwicklung von Impfstoffen könnten die Forschungsergebnisse nützlich sein. Die Studien von Fouchier und Kawaoka tragen auf jeden Fall dazu bei, Gülsah Gabriels Hauptanliegen in der Grippe-forschung voranzutreiben: „Nur wenn wir unser Wissen über Infektionskrankheiten stetig erweitern, können wir Ansatz-punkte für die Entwicklung künftiger Medikamente und Impfstoffe schaffen.“

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Ingo Barkow (li.) hat Oliver Urlaub zur Hilfe gerufen, um erfolgreich eine Ausgründung auf den Weg zu bringen.

Ingo Barkow Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)

„Sein

Fachwissen war

unbezahlbar.“

…Oliver Urlaub: einen Wirtschaftsfachmann und Manager, der ihm im Rahmen der „Externen Management-unterstützung“ der Leibniz- Gemeinschaft half, eine Firma zu gründen.

braucht

Der Weg von der ersten Idee zu einem marktfähigen Produkt ist oft steinig, an seinem Rand lau-ern zahlreiche Probleme, die er-kannt und gelöst werden müssen. Trotzdem wagte Ingo Barkow den Versuch. Im Januar machte sich der Wirtschaftsinformati-ker vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische For-schung (DIPF) mit seinem Kolle-gen Heiko Rölke selbständig: Er gründete die TBA21 Assessment

Systeme GmbH. Schon vorher waren die Gründer am DIPF an der Entwicklung von Software für Tests wie PISA oder Studien wie das Nationale Bildungspanel beteiligt. Seither waren immer mehr Unternehmen an ihrer Arbeit interessiert. Die Idee von der eigenen Firma nahm Form an.

Doch nicht jeder Wissenschaft-ler hat das nötige Fachwissen im wirtschaftlichen Bereich. Der an-gehende Firmengründer Barkow brauchte Hilfe: einen Manager. Den fand er im Rahmen der „Ex-ternen Managementunterstüt-zung“ der Leibniz-Gemeinschaft. Das Projekt unterstützt Forscher in Leibniz-Instituten beim Wag-nis Privatwirtschaft. Bis zum Projektende im Februar 2013 wird die externe Management-beratung dazu mit 1,8 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung un-terstützt. 20 Unternehmens-gründungen werden dann auf den Weg gebracht sein.

Jeder Gründer ist anders

Aber nicht jedes Unternehmen und jeder Gründer steht vor den gleichen Startschwierigkeiten. So benötigt das eine Unternehmen mehr Hilfestellung beim Mar-keting, das andere im Bereich der Finanzierung. Von Fall zu Fall suchen die Mitarbeiter des Referats „Leibniz Transfer“ den passenden Manager. Ingo Bar-kow brauchte vor allem Unter-stützung in der Organisation des Geschäftsbetriebes, im Marke-ting, im Vertrieb. Vorstellungsge-spräche wurden geführt. Schließ-lich fiel die Entscheidung auf den Manager Oliver Urlaub. Der hatte

BarkowUrlaub,...

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Kein Quark*, aber ebenso elementar:Wissenschaft braucht Management.

zwmZentrum für

Wissenschaftsmanagement e.V.Center for Science & Research Management

Speyer

Neues Weiterbildungsprogramm 2013 www.zwm-speyer.de/weiterbildung

* Quarks sind eine Klasse von Elementarteilchen innerhalb des Standardmodells der Teilchenphysik. Protonen und Neutronen sind aus jeweils drei Quarks aufgebaut und werden durch die starke Wechselwirkung zusammengehalten.

Erfahrungen im IT-Bereich, selbst bereits ein Unternehmen aufgebaut und andere Gründer beraten. Doch auch der richtige Manager allein reicht nicht, um eine Gründung zum Erfolg zu führen. „Ausgründungen sind immer ein aufwendiger Prozess und ziehen eine umfassende Unterstützungsphase von allen Seiten nach sich“, sagt Johanna Siegmund von Leibniz-Transfer. Sie betreut das Projekt von Be-ginn an und weiß, dass eine Unternehmensgründung den langen Atem aller Beteiligten fordert.

Barkow hatte Glück. Auch der Vorstand des DIPF stand hinter der Gründungsidee. Trotzdem gab es auch Probleme und Ver-zögerungen, etwa wenn externe Gremien mit einbezogen wer-den mussten. „Einige Auftrag-geber konnten wir dadurch erst später beliefern als geplant“, erinnert sich Oliver Urlaub an die Startphase. Glücklicherwei-se hätten sich Ingo Barkow und

Heiko Rölke als flexible und ef-fektive Gründer erwiesen – das habe einiges aufgefangen. Um-gekehrt hält Barkow große Stü-cke auf Urlaub: „Sein Fachwis-sen war unbezahlbar, er weiß genau wie man Forschungser-gebnisse in ein gutes Produkt umwandelt.“

Wachstum als Herausforderung

Das Unternehmen profitiert momentan von der guten Auf-tragslage am Markt. Bei vielen Forschungsinstituten und Un-ternehmen sind die Dienste der jungen Firma gefragt. Schon bald müssen neue Mitarbeiter eingestellt werden. In der Er-weiterung des Teams von TBA 21 sieht Oliver Urlaub eine der Herausforderungen, die Etab-lierung am Markt sei das andere große Ziel.

Einigen anderen Unternehmen aus dem Existenzgründer-Pro-

jekt ist das bereits geglückt, sie können sich am Markt be-haupten. Die Qpoint Composite GmbH aus Dresden etwa, eine Ausgründung aus dem Leibniz-Institut für Polymerforschung, hat sich mit beheizbaren Werk-zeugen und weiteren Produkten einen Namen gemacht und ist Partner von großen Konzernen aus der Luftfahrt- und Automo-tivindustrie.

Ingo Barkow und Oliver Urlaub arbeiten auch über das Ende des Projekts der „Externe Ma-nagementunterstützung“ hin-aus miteinander. Sie sind Ge-schäftspartner geworden. Und Freunde.

Der Wissenschaftler und der Manager, sie haben viel vonein-ander gelernt. Ingo Barkow gibt Forschern mit Gründungsideen vor allem einen Rat mit auf den Weg: „Durchhalten!“

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www.leibniz-transfer.de

Geballte Wirtschaftskompetenz auf dem Podium: Moderatorin Ursula Weidenfeld, Ferdinand Fichtner (DIW), Henning Klodt (IfW), Jutta Günther (IWH), Christoph M.

Schmidt (RWI) und Hans-Werner Sinn (ifo), v. links.

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Wegweisend„Wege aus der europäischen Schuldenkrise“ aufzuzeigen war das Anliegen des Par-lamentarischen Abends der Leibniz-Gemeinschaft am 25. September. Mitten in der poli-tischen Debatte versammelte sich die in der Leibniz-Gemein-schaft gebündelte Wirtschafts-forschungs-Kompetenz in der Leibniz-Geschäftsstelle.

Nach einem Grußwort von Dr. Bernhard Heitzer, Staatssekre-tär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, und einleitenden Lösungsmög-lichkeiten für die Krise aus der Sicht von Prof. Dr. Wolfgang

Parlamentarischer Abend zur Wirtschaftsforschung

Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschafts-forschung in Mannheim (ZEW) schloss sich eine von der Wirt-schaftsjournalistin Dr. Ursula Weidenfeld moderierte Podi-umsdiskussion an. Es diskutier-ten • Dr. Jutta Günther (Vorstand

Institut für Wirtschaftsfor-schung Halle, IWH),

• Prof. Dr. Henning Klodt (Leiter Zentrum Wirtschafts-politik, Institut für Weltwirt-schaft Kiel, IfW),

• Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (Präsident Rhei-nisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen, RWI),

• Prof. Dr. Hans-Werner Sinn (Präsident ifo Institut – Leib-niz-Institut für Wirtschafts-forschung an der Universität München) sowie

• Dr. Ferdinand Fichtner (Lei-ter Abteilung Konjunkturpo-litik, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin).

Debatte im O-TonEin Mitschnitt der Diskussion, den der Berliner Fernsehsender Alex TV ausgestrahlt hat, ist weiterhin online abrufbar unter:

http://www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/mediathek

T(ee)V-Studio: Eine Teeküche wurde kurzerhand zum Fernseh-studio des Berliner Senders Alex TV umfunktioniert.

Schätzt die forschungsbasierte Politikberatung der Leibniz- Institute: Staatssekretär Dr. Bernhard Heitzer

Flankierende Maßnahme. Die vergangene Ausgabe des Leibniz-Journals ergänzte den Abend publizistisch und dekorativ.

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32 3/2012

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Erst im Jahre 1971 wurde der Comic als sogenannte „Neunte Kunst“ in den Kanon der bil-denden Künste eingeordnet. Die Geschichte des belgischen Comics beginnt jedoch sehr viel früher. Bereits 1929 be-schreibt George Rémi (alias Hergé) die Abenteuer von Tim und Struppi, die zu den meist-verkauften Comics der Welt gehören. Insgesamt gibt es in Belgien über 650 Comic-Autoren, darunter die Erfi nder von Spi-rou, Blake und Mortimer, Lucky Luke und Largo Winch. Das belgische Comic-Zentrum in Brüs-sel — ein Meisterwerk des Jugendstils — hat daher auch alles ver sammelt, was mit Comic zu tun hat. Nun mag manch einer den Comic als Kinderkram abtun. Tatsächlich jedoch ver-steht sich der frankophone belgische Comic als hochpolitisch. Hergé beispielsweise hat sich sehr stark mit dem Thema Nationalsozialismus und Faschismus auseinandergesetzt. Andere belgische Comic-Autoren bringen in ihren Wer-ken ihre Ablehnung der Gesellschaft zum Aus-druck, üben Sozialkritik und entwerfen Utopien für eine bessere Gesellschaft. Es verwundert demnach nicht, dass sich Wissenschaftler in Belgien mit dem Comic als Forschungsgegen-stand näher befassen und zu diesem Zweck die Forschergruppe ACME gegründet haben. Das Akronym soll an das gleichnamige Modell der Warner Bros. eines fi ktiven Unternehmens als „A Company that Makes Everything“ erinnern.

Es ist gleichzeitig ein kleiner Fingerzeig auf den durchaus beabsichtigten interdisziplinä-ren Ansatz der Gruppe, die sich aus Forschern unterschiedli-cher Fachrichtungen zusam-mensetzt und den Comic unter soziologischen, ästhetischen, historischen, ökonomischen und kognitiven Gesichtspunk-ten betrachtet. Daneben gibt

es einzelne Wissenschaftler, die sich mit der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit der Tim und Struppi-Abenteuer auseinandersetzen. Bei „Tim und Struppi im Kongo“ geht es um die Bündelung von Sonnenstrahlen mit Hilfe einer Lupe, während es im Band „Die sieben Kristall-kugeln“ um das wissenschaftliche Phänomen des Kugelblitzes geht. Auch wenn sich einige Darstellungen als wissenschaftlich unmöglich erweisen: Comics erzählen Geschichten, die oft in der realen Welt verankert sind, und kön-nen somit durchaus zur Wissensvermittlung beitragen.

Der belgische ComicForschungsgegenstand und publikumswirksame Wissensvermittlung

Claudia Labisch leitet das brüssel-büro der Leibniz-Gemeinschaft.

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1587 ist die Jahreszahl der

Erst erwähnung vonSammlungs objekten der

Geologisch-Mineralogischen Sammlun-gen Dresden. Damit ist die im Museum für Mineralogie und Geologie der Sen-

ckenberg Naturhistorischen Sammlun-gen Dresden angesiedelte Einrichtung

eine der ältesten geowissenschaftlichen Institutionen der Welt. Die Samm-

lungen beinhalten zahlreiche Typen (Erstbeschreibungen) und Originale (erforschte Stücke) an Fossilien und

Mineralien und Gesteinen.www.senckenberg.de/root/

index.php?page_id=5263

100.000 Milliarden Watt —

mit dieser Leistung übertrifft der Titan Saphir-Laser am Max-born-

institut für nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (Mbi) in

berlin die Leistung aller Kraftwer-ke der Welt bei Weitem. Aller-

dings tut er das nur für etwa 20 Femtosekunden — also millionstel

von milliardstel Sekunden. Aber so kann das Mbi auch weiterhin seine

Strom rechnungen bezahlen.

8.957Jungtiere des europäischen Störs

(Acipenser sturio) haben Forscher des Leibniz-instituts für Gewässer-ökologie und Binnenfi scherei (IGB)

seit 2008 im elbesystem ausgesetzt. in Kooperation mit der Gesellschaft

zur Rettung des Störs, dem bun-desamt für naturschutz und dem

nationalen französischen Umwelt- und Agrarforschungsinstitut iRSTeA

soll der akut vom Aussterben bedrohte Fisch wieder in der elbe

heimisch werden.

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Die Menschen leben länger, sie bekommen weniger Kinder, zugleich wird un-sere Gesellschaft vielfälti-ger. Welche Konsequenzen hat das für die Zukunft Deutschlands? Ab Februar geht die Leibniz-Gemein-schaft dieser Frage nach. Mit der Wanderausstellung „Zukunft leben: Die demo-grafische Chance“ leitet sie das Wissenschaftsjahr 2013 ein, das sich mit dem demografischen Wandel befasst. Neun allgemein-verständliche Ausstel-lungsabteilungen fragen

Die Menschen leben länger, sie bekommen weniger

Zukunft leben: Ausstellung zum demogra fischen Wandel

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Verbund-WachstumDie Leibniz-Gemeinschaft hat vier neue Leibniz-Forschungsverbünde eingerichtet: „Ge sundes Altern“, „Krisen einer globalisier-ten Welt“, „Science 2.0“ und „Interdisziplinä-re Wirkstoffforschung und Biotechnologie“. Damit erhöht sich die Zahl der Leibniz-For-schungsverbünde auf neun. Das Präsidium folgte im Oktober einem entsprechenden An-trag der beteiligten Institute.

VerlosungAls eine „Fundgrube für alle, die einen präzisen Überblick zur Rolle des Obersalzbergs“ im nationalsozialismus erhal-ten möchten, empfi ehlt die Frankfurter Allgemeine zei-tung den band „Die tödliche Utopie“ der Dokumentation

Obersalzberg. er enthält eine Vielzahl an Tex-ten, bildern und Daten zum Dritten Reich sowie 19 historische Karten. Wir verlosen fünf exem-plare des buches unter dem Stichwort „Tödliche Utopie“.

Und auch auf Kinder und Junggebliebene warten die-ses Mal Preise: Wir verlosen das Umweltbuch des Jahres

„Wolken, Wind & Wet-ter“ von Stefan Rahmstorf (vgl. S. 37). Drei Mal in buchform und drei Mal als Hörbuch auf CD. Das

Stichwort: „Umweltbuch“.

bitte senden Sie bis zum 15. Januar 2013 eine e-Mail mit namen, Adresse sowie dem entspre-chenden Stichwort an: [email protected]

Die Gewinner der Verlosung von Hans-Werner Sinns „Die Target-Falle“:– Christoph berger aus berlin– Matthias Hördt aus Mannheim– Michael von Ketteler aus berlin– Jaroslav Hrdy aus Pardubice, Tschechische Republik– Kerstin Sommer aus eichwalde

Als eine „Fundgrube für alle, die einen präzisen Überblick zur Rolle des Obersalzbergs“ im nationalsozialismus erhal-ten möchten, empfi ehlt die Frankfurter Allgemeine zei-tung den band „Die tödliche Utopie“ der Dokumentation

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Utopie“. Und auch auf Kinder und Junggebliebene warten die-ses Mal Preise: Wir verlosen das Umweltbuch des Jahres

„Wolken, Wind & Wet-ter“ von Stefan Rahmstorf (vgl. S. 37). Drei Mal in buchform und drei Mal als Hörbuch auf CD. Das

Stichwort: „Umweltbuch“.

Der Jahresbericht 2011/2012 der Leibniz-Gemeinschaft liegt nun auch in englischer Übersetzung

vor. Er kann als PDF-Dokumente über die Leibniz-Website (www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/publikationen/ jahresbericht) abgerufen oder in gedruckter Form in der Geschäftsstelle an-gefordert werden. Seinen ersten Einsatz hatte der englische Jahresbericht bei der USA-Reise des Leibniz-Präsidenten im September.Das Positionspapier „Zukunft durch Forschung“ ist eben-

falls als PDF online verfügbar: www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/dokumente

auf 300 Quadratme-tern, wie wir morgen leben, lernen, arbei-ten, altern, Kinder kriegen, wohnen und Geld verdie-nen werden – und von was wir heute träumen. Kuratiert wird die Aus stellung von Petra Lutz und Thomas Spring. Die Aus-stellungsgestaltung übernimmt Atelier Brückner aus Stuttgart.

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Zukunft leben: Ausstellung zum demogra fischen Wandel

Leibniz-Website leibniz-gemeinschaft.de/medien/publikationen/ jahresbericht)oder in gedruckter Form in der Geschäftsstelle an-gefordert werden. Seinen ersten Einsatz hatte der englische Jahresbericht bei der USA-Reise des Leibniz-Präsidenten im September.Das Positionspapier „Zukunft durch Forschung“ ist eben-

Lese-Stoff

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Bürgerrecht und Krise — Die Constitutio Antoniniana 212 n. Chr. und ihre innenpolitischen Folgennoch bis zum 1.1.2013Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM), Mainz

Im Jahr 212 n. Chr. änderte der römische Kaiser Caracallas die gängige Praxis, nur besonders verdienstvolle Männer in den Stand des Bürgers zu versetzen. Künftig sollte allen freigeborenen Einwohnern des Römischen Reiches das Bürgerrecht pauschal übertragen werden. In Zusammen-arbeit mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und dem Archäologischen Landesmuseum Baden-Württem-berg dokumentiert das RGZM die Vorgeschichte der soge-nannten „Constitution Antoniniana“ und legt ihre langfris-tigen Auswirkungen dar.

Licht und Farbenoch bis zum 6.1.2013Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt a. M.Ausgesendet, gefiltert, geknickt, überlagert und gestreut werden Licht und Farbe derzeit in Frank-

furt am Main. „Farben sind das Lächeln der Natur“, schrieb der englische Schriftsteller Leigh Hunt im 19. Jahrhundert. Aber warum können wir Farben sehen? Wie entstehen sie und wie nehmen wir sie wahr? Anhand einer Vielzahl spannender Exponate und Experimente können Besucher von „Licht und Farbe“ dem nachgehen. An fünf Stationen können sie Miniblitze leuchten lassen oder im „Wasser-röhrenexperiment“ herausfinden, warum das Wasser des Meeres blau ist.

Tagträume Nachtgedankennoch bis zum 3.2.2013Germanisches National-museum, Nürnberg Was verbindet Salvador Dali, Han-nah Höch, Man Ray und Francis-co de Goya? Im Germanischen

Nationalmuseum werden ihre Werke ab 25. Oktober ge-meinsam mit denen anderer Künstler in einer Sonderaus-stellung zu Phantasie und Phantastik hängen. Die rätsel-haften, übernatürlichen Motive der Bilder aus mehreren Jahrhunderten zeugen von der beflügelten Vorstellungs-kraft der Künstler, ihren Ängsten und inneren Widersprü-chen im Kontext ihrer Epoche. Repräsentativ wurden 110 graphische Blätter und Photographien für die Ausstellung ausgewählt.

in den Leibniz-Forschungsmuseen

schrumpfendes HOLZ, wachsendes EISENnoch bis zum 20. Januar 2013Deutsches Schiffahrtsmuseum BremerhavenArchäologisches Holz und Eisen gehören zu den am schwierigsten

zu konservierenden Materialien: Während sie im Boden mitunter Jahrtausende überdauert haben, beginnen sie häufig sofort nach der Bergung zu zerfallen. Die Ausstel-lung, die einer Kooperation der Archäologischen Staats-sammlung München und des Römisch-Germanischen Zentralmuseums entspringt, stellt die Problematik sowie verschiedene Lösungsansätze erstmalig umfassend vor. Gezeigt werden neben gut konservierten Objekten auch Stücke, die weniger unter dem Zahn der Zeit als unter mangelhafter Lagerung gelitten haben.

Glanzlichter 2012noch bis zum 6. Januar 2012Zoologisches Forschungs-museum Alexander Koenig (ZFMK), BonnDie Augen des Drachen leuchten in Violett, durchdringend funkeln

sie dem Betrachter entgegen. „Drachenkopf“ ist der Titel des Bildes, mit dem der Naturfotograf Ewald Neffe den internationalen und größten deutschen Naturfotowettbe-werb „Glanzlichter 2012“ gewonnen hat. 1.099 Fotografen reichten insgesamt 16.334 Bilder ein. Sie zeigen verwun-schene Landschaften, Liebespaare aus der Tierwelt, die Berge der Welt sowie Pflanzen und Pilze. Die 87 Siegermo-tive aus den verschiedenen Kategorien können noch bis zum 6. Januar 2013 im Bonner ZFMK bewundert werden.

Federfl ug — 150 Jahre Urvogel-Fundnoch bis zum 31.12.2012Museum für Naturkunde, BerlinDem wohl berühmtesten Fossil der Welt, dem Archaeopteryx,

widmet sich das Museum für Naturkunde mit der Ausstel-lung „Federflug – 150 Jahre Urvogel-Fund“, die erstmals 2011 zu sehen war. Im Jahr 1861 wurde eine 146 Millio-nen Jahre alte fossile Feder des Urvogels entdeckt, die nun auch in der Ausstellung gezeigt wird. Der Fund war eine wissenschaftliche Sensation, diente der Archaeopteryx doch auch Darwin als Beweis der in seiner Evolutionsthe-orie beschriebenen Übergangsformen, dem sogenannten „missing link“ zwischen Vogel und Reptil.

Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen fi nden Sie online:http://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/forschungsmuseen/leibniz-museen-aktuell/

Aktuelle Sonderausstellungen

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wie „der Unabhängige“. Dennoch ist mittlerweile auch der Fort-schritt ein Dauergast im Zelt: So sind die meisten Jurten inzwi-schen mit Fernseher, Spülmaschi-ne und Mikrowelle ausgestattet.Weitere Höhepunkte der Ausstel-lung sind zwei aufwendige Groß-installationen. Ein 2.000 Jahre altes Hügelgrab – oder genauer „Kurangrab“ – und ein vier Jahr-tausende alter Streitwagen wur-den in Originalgröße detailgetreu nachgebaut. Ergänzt durch multi-mediale Präsentationen zeichnet das Deutsche Bergbau-Museum das facettenreiche Bild einer zen-tralasiatischen Kultur.Die Idee zur Ausstellung ist bei einem Forschungsprojekt des DBM zur frühzeitlichen Rohstoff-gewinnung im Osten Kasachs-tans entstanden. Deutsche und kasachische Forscher konnten dabei nachweisen, dass dort schon vor über 5.000 Jahren Kupfer und Zinn aus natürlichen Lagerstätten gewonnen wurden. Auch dieses Kapitel kasachischer Geschichte ist bis 30. Juni in Bochum zu sehen.

stefanie schreckenBach

Weite Steppen, karge Natur – so ist Kasachstan, das neuntgrößte Land der Erde. Achtmal so groß wie Deutsch-land, aber weniger als ein Viertel der Bevölkerung: 17,5 Millionen Menschen leben hier. Doch obwohl ein kleiner Teil des Riesenlandes zu Europa gehört, wissen hierzulande wohl die Wenigsten Näheres über die seit 1991 unabhängige Republik. Nur selten schafft es Kasachstan in die bundes-deutschen Schlagzeilen.

Licht in das zentralasiatische Dunkel bringt das Deutsche Bergbau-Museum (DBM) in Bochum. Ab 26. Januar zeigt es die Sonderausstellung „Unbe-kanntes Kasachstan – Archäolo-gie im Herzen Asiens“ in seinem 2009 eingeweihten Erweite-rungsbau „Schwarzer Diamant“. Auf 850 Quadratmetern ge-währt sie Einblick in die wech-selvolle Geschichte des Landes: Landschaft, Menschen und Kul-tur Kasachstans in den letzten 6.000 Jahren. Weit mehr als eine montan archäologische Präsenta-tion für Spezialisten.Schon in der Bronzezeit lebten Menschen in Bergbaugemein-schaften auf heute kasachi-schem Gebiet. Zu Beginn des

wie „der Unabhängige“. Dennoch ist mittlerweile auch der Fort-schritt ein Dauergast im Zelt: So sind die meisten Jurten inzwi-schen mit Fernseher, Spülmaschi-ne und Mikrowelle ausgestattet.Weitere Höhepunkte der Ausstel-lung sind zwei aufwendige Groß-installationen. Ein 2.000 Jahre altes Hügelgrab – oder genauer „Kurangrab“ – und ein vier Jahr-tausende alter Streitwagen wur-den in Originalgröße detailgetreu nachgebaut. Ergänzt durch multi-mediale Präsentationen zeichnet das Deutsche Bergbau-Museum das facettenreiche Bild einer zen-tralasiatischen Kultur.Die Idee zur Ausstellung ist bei einem Forschungsprojekt des DBM zur frühzeitlichen Rohstoff-gewinnung im Osten Kasachs-tans entstanden. Deutsche und kasachische Forscher konnten dabei nachweisen, dass dort schon vor über 5.000 Jahren Kupfer und Zinn aus natürlichen Lagerstätten gewonnen wurden. Auch dieses Kapitel kasachischer Geschichte ist bis 30. Juni in Bochum zu sehen.

Achtmal so groß wie Deutsch-

Viertel der Bevölkerung: 17,5 Millionen Menschen leben hier.

über die seit 1991 unabhängige

es Kasachstan in die bundes-

Licht in das zentralasiatische Dunkel bringt das Deutsche Bergbau-Museum (DBM) in Bochum. Ab 26. Januar zeigt es die Sonderausstellung „Unbe-kanntes Kasachstan – Archäolo-gie im Herzen Asiens“ in seinem 2009 eingeweihten Erweite-rungsbau „Schwarzer Diamant“. Auf 850 Quadratmetern ge-währt sie Einblick in die wech-selvolle Geschichte des Landes: Landschaft, Menschen und Kul-tur Kasachstans in den letzten 6.000 Jahren. Weit mehr als eine montan archäologische Präsenta-

Schon in der Bronzezeit lebten Menschen in Bergbaugemein-

13. Jahrhunderts wurde es Teil des mongolischen Reiches unter Herrscher Dschingis Khan, bevor 1450 das „Kasachenreich“ ent-stand. Ab Mitte des 18. Jahrhun-derts regierte der Zar die Kasa-chen. Vor seiner Unabhängigkeit stand Kasachstan zunächst unter russischer Fremdherrschaft und war schließlich 56 Jahre Sowjet-republik. Die Ausstellung zeigt die Lebens-weisen der Kasachen, die sich heute zwischen Moderne und Tradition, zwischen westlicher Kultur und Nomadentum bewe-gen. Rund 1.000 Originalstücke wurden eigens dafür ins Ruhrge-biet eingeflogen. Darunter eine Jurte, durch die die Besucher den Rundgang beginnen. Noch immer leben die Nomaden Kasachstans in diesen traditionellen Wohn-zelten. Seit Jahrhunderten ziehen die Stämme von Weidegrund zu Weidegrund durch endlose Ebe-nen. Heute findet sich die Jurte auch auf dem kasachischen Wap-pen wieder. Vielen Menschen bie-tet sie noch immer ein Dach über dem Kopf, aber auch ein Stück Freiheit und Selbstbestimmung: „Kasache“, das bedeutet so viel

Jurteund Mikrowelle

„Unbekanntes Kasachstan“: Das Deutsche bergbau-Museum

zeigt ein Land zwischen Tradition und Moderne

in den Leibniz-Forschungsmuseen

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UnbekanntesKasachstan -Archäologie im Herzen Asiens

Sonderausstellungab 26. Januar 2013

Deutsches bergbau-MuseumAm bergbaumuseum 2844791 bochum

Öffnungszeiten:Dienstag bis Freitag8:30 - 17:00 UhrSamstag, Sonntag und an Feiertagen10:00 - 17:00 Uhr

www.bergbaumuseum.de

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Ob Personalrekrutierung über Xing und LinkedIn oder Marketing auf Facebook, Twitter und Youtube: Kaum ein Unterneh-men kommt heute an Web 2.0 und Social Media vorbei. Diese Ansicht teilen auch Andrea Back, Norbert Gronau und Klaus Tochtermann, Direktor der Deutschen Zen-tralbibliothek für Wirtschaftwissenschaf-ten – Leibniz-Informationszentrum Wirt-schaft. In ihrem Buch „Web 2.0 und Social Media in der Unternehmenspraxis“ liefern die Beiträge verschiedener Autorinnen und Autoren einen umfassenden Überblick über die Grundprinzipien im Umgang mit dem Web 2.0. Am Beispiel großer Unter-nehmen wie Siemens oder KPMG wird illu

Hans-Werner Sinn ist einer der be-kanntesten wirtschaftswissenschaftlichen Köpfe in Deutschland. In „Die Target-Falle“ dokumentiert der Präsident des Münchner ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirt-schaftsforschung, wie sich in der Europäi-schen Union, unbemerkt von Bürgern und Finanzexperten, Schulden von gewaltigem Ausmaß angesammelt haben. Die sogenannten „Targets“ sind dabei nichts anderes als Überziehungskredite, vereinen jedoch zwei gefährliche Eigen-schaften: Zum einen sind sie unbegrenzt, zum anderen bleibt ihre Tilgung, anders als etwa in den USA, bislang unkontrolliert. Sinn weist auf die Risiken dieser Kredite

striert, in welcher Weise Anwendungen wie Crowdsourcing und Mikroblogging in der internen und externen Unternehmens-kommunikation genutzt werden können. Auch Wege zur Einführung neuer Techno-logien und zur Schulung von Mitarbeitern werden aufgezeigt. Im Ergebnis liefern die drei Herausgeber ein umfassendes Nach-schlagewerk, das theoretische Grundlagen und ihre praktische Umsetzung auf ver-ständliche Weise zusammenführt. Die nun erschienene dritte Auflage des Buches wur-de vollständig überarbeitet und ist damit auf dem neuesten Stand dieses sich rasant wandelnden Sektors.

stefanie schreckenBach

hin, insbesondere für Deutschland. Als Be-fürworter der Europäischen Union und der gemeinsamen Währung beschränkt er sich nicht auf die Kritik am aktuellen System, sondern stellt auch Ansätze zur Verbesse-rung der Funktionsfähigkeit des Eurorau-mes vor. Mit vielfältigem und aktuellem Material unterfüttert er seine Feststellun-gen und zeigt so den akuten Handlungsbe-darf auf. Sinns Buch liefert Denkanstöße: Nicht nur Entscheider in Politik und Wirtschaft, son-dern auch Bürger regt es an, ein ins Wan-ken geratenes Europa kritisch zu hinter-fragen.

nOra haase

Astrid Faber: Das Museum

für Naturkunde für Junge Le-

ser; 80 Seiten, Nicolai Verlag,

Berlin 2012; 12,95 Euro, ISBN

978-3-89479-671-6

Andrea Back, Norbert Gronau,

Klaus Tochtermann (Hrsg.):

Web 2.0 und Social Media in der

Unternehmenspraxis:

476 Seiten, Oldenbourg Wissen-

schaftsverlag, 2012;

49,80 Euro,

ISBN 978-3-486-59832-2

Hans-Werner Sinn:

Die Target-Falle — Gefahren

für unser Geld und unsere

Kinder; 300 Seiten, Hanser

Verlag, München 2012;

19,90 Euro,

ISBN 978-3-446-43353-3

Astrid Faber: Das Museum

Keine App, keinen Audioguide, sondern schlicht und ergreifend das gute alte Buch hat Astrid Faber als Medium für ihren Füh-rer durch das Berliner Museum für Na-turkunde für junge Leser gewählt. Das ist ausdrücklich als Lob zu verstehen, denn wie der Museumsbesuch selbst, ist auch das Bücherlesen sogar im digitalen Zeit-alter eine bewahrenswerte Kulturtechnik. An die Struktur der Ausstellung angelehnt, führt die Leiterin der Museumspädagogik

ihre Leser durch das Forschungsmuseum. Ergänzt wird dies durch kurze Info-Kästen, die Begriffe aus Erdgeschichte, Evolution, Biologie und Museumsarbeit erläutern. Ein Interview mit einer Dinosaurierforscherin stellt die Wissenschaft als Beruf vor. Reich bebildert und illustriert eignet sich das Buch zum Selber- und Vorlesen für Eltern, Kinder und Jugendliche – vor, während oder nach einem Besuch im Museum.

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Seit Oktober ist Dr. Manuela B. Urban administrative Ge-schäftsführerin des Forschungs-verbundes Berlin. Sie tritt da-mit die Nachfolge von Dr. Falk Fabich an. Zuletzt leitete Urban seit 2000 als Direkti-onsbevollmächtigte am Max- Planck-Institut für molekulare Genetik die administrativen und wissenschaftlichen Servicebereiche. Die

gebürtige Berlinerin studierte Biologie in Tübingen und pro-movierte 1992 am Max-Planck-

Institut für Biochemie in Martinsried bei Mün-chen. Es folgten Sta-tionen am Institut für Arzneimittel des Bundesgesundheits-amtes in Berlin und

im Präsidialbereich der Humboldt-

Universität zu Berlin.

Umweltbuch des JahresDas Buch „Wolken, Wind & Wetter. Alles, was man über Wetter und Klima wissen muss“ von Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist mit dem Titel Umweltbuch des Jahres 2012 ausgezeichnet worden. Der Preis wird von der Deutschen Umweltstiftung in Zusammenarbeit mit der Redaktion des Jahrbuchs Ökologie verliehen. „Stefan Rahmstorf hat ein wunderbares, ein gehalt-volles, geistreiches und zugleich spannendes Buch geschrieben. Es ist für Kinder und Jugendliche gedacht, aber es ist höchst an-spruchsvoll“, heißt es in der Begründung der Preisverleihung. „Wolken, Wind & Wetter“ erschien 2011 in der Deutschen Verlags-Anstalt und ist auch als Hörbuch bei „der Hörverlag“ erhältlich. ▶ Verlosung auf S. 33

Prof. Dr. Hans- Georg Joost vom Deutschen Institut für Ernäh-rungsforschung ist neuer Sprecher des Fachkollegiums „Me-dizin 4“ der Deut-schen Forschungs-gemeinschaft. Seine Amtszeit läuft zu-nächst von 2012 bis 2015. Zudemwurde Joost zum stell -vertretenden Spre-cher des Gesamtfach-kollegiums Medizin gewählt.

Prof. Dr. Florian Schmiedek vom Deutschen Insti-tut für Internatio-nale Pädagogische Forschung hat den Wissenschaftspreis der Wilhelm-Wundt-Gesellschaft erhalten. Damit wurde sein Beitrag zur psycholo-gischen Grundlagen-forschung gewürdigt.

Einen Antrag auf ei-nen Starting Grant des European Research Council über rund

LeibnizLeute

Der Kleinplanet 278513 trägt ab sofort den Namen „Schwope“, dies teilte die Internationale Ast-ronomische Union (IAU) im Sep-tember mit. Namenspatron ist Dr. Axel Schwope vom Leibniz-Institut für Astrophysik Pots-dam (AIP). Entdeckt wurde der Himmelskörper 2008 von Bernd Thinius an dessen privater Stern-warte in Potsdam-Bornim. Mit der Entdeckung verbindet sich das Recht, der IAU einen Namen vorzuschlagen. In Anerkennung der Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Wissenschaftler fiel Thinius‘ Wahl auf Axel Schwope.Schwope ermöglichte dem spä-teren Entdecker die Benutzung des hauseigenen 70 Zentimeter-Teleskops.

1,3 Millionen Euro hat Prof. Eugénia da Conceição-Heldt bewilligt bekom-men. Den Projekt-antrag „Delegationof Power to Interna-tional Organizations and Institutional Empowerment over

Time“ hat die Poli-tikwissenschaftlerinwährend ihres For-schungsaufenthaltsam Wissen schafts-zentrum Ber lin für So-zialforschung (WZB)als Heisenberg-Fel-low von April 2011 bis Februar 2012 ent-wickelt.

Die Deutsche Gesell-schaft für Geowissen-schaften vergibt die Abraham-Gottlob-Werner-Medaille an Dr. Rüdiger Schulz

vom Leibniz-Institut für Angewandte Geo-physik in Hannover. Sie würdigt damit seinen herausragen-den Beitrag zur För-derung der Tiefen-geothermie.

Mit der Untersuchung „Trainier-barkeit der Fahrkompetenz älte-rer Kraftfahrer im Realverkehr: Eine kontrollgruppenbasierte Evaluationsstudie“ hat ein Team um Dr. Sebastian Poschadel vom Leibniz-Institut für Arbeits-forschung an der TU Dortmund (IfADo) den ersten Platz des Ver-kehrssicherheitspreises des Bun-desverkehrsministers gewonnen. Die Forscher zeigten, dass die Fahrkompetenz von über 70-jäh-rigen Autofahrern durch ein Fahrtraining längerfristig erhöht werden kann. Durch das Training erreichten diese ein Niveau, das dem von Fahrern mittleren Alters entspricht.Kurzfassung der Studie: http://bit.ly/IfADo-Fahrtraining

verbundes Berlin. Sie tritt da-mit die Nachfolge von Dr.

Zuletzt leitete Urban seit 2000 als Direkti-onsbevollmächtigte am Max- Planck-Institut für molekulare Genetik die administrativen und wissenschaftlichen Servicebereiche. Die

Institut für Biochemie in Martinsried bei Mün-chen. Es folgten Sta-tionen am Institut für Arzneimittel des Bundesgesundheits-amtes in Berlin und

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IMPRESSUM

Herausgeber:Der Präsident der Leibniz-GemeinschaftProf. Dr. Karl Ulrich Mayer

Chausseestraße 111, 10115 BerlinTelefon: 030 / 20 60 49-0Telefax: 030 / 20 60 49-55www.leibniz-gemeinschaft.de

Redaktion:Christian Walther (Chefredakteur)Christoph Herbort-von Loeper (C.v.D.)David SchelpNora Haase, Stefanie Schreckenbach (Praktikantinnen)[email protected]

Anzeigen:Axel Rückemann, [email protected]: 030 / 20 60 49-46

Layout:Stephen Ruebsam, unicom-berlin.de

Druck:PRINTEC OFFSET - medienhaus, Kassel

Nachdruck mit Quellenangabe gestattet,Beleg erbeten.Auflage: 20.000Ausgabe 3/2012: Dezember www.leibniz-gemeinschaft.de/journal

Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich.Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet und ist für 3 Euro im Zeitschriftenhandel an Flughäfen und Bahnhöfen erhältlich. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos abonniert werden. ISSN: 2192-7847

Leibniz twittert: twitter.com/#!/LeibnizWGL Leibniz ist auf Facebook:

facebook.com/LeibnizGemeinschaft

Der Leiter des Museums für Natur-kunde – Leibniz-Institut für Evo-lutions- und Bio-diversitätsforschung Berlin, Prof. Dr. Johannes Vogel

und Prof. ManfredSchwerin vom Leib-niz-Institut für Nutz-tierbiologie Dummer-storf sind Mitglieder des „BioÖkonomie-Rates“ der Bundesre-gierung.

Thorsten Meyer ist seit September stell-vertretender Direktor des ZBW – Leibniz-In-formationszentrums Wirtschaft. Er leitet

in dieser Funktion den Bibliotheksbe-reich und ist auch für die interne Geschäfts- und Personalpoli-tik der weltgrößten Spezialbibliothek für Wirtschaftswissen-schaften verantwort-lich.

Der Präsident des Zentrums für Euro-päische Wirtschafts-forschung, Prof. Dr. Wolfgang Franz, hat den Gustav-Stolper-Preis des Vereins für Socialpolitik erhalten. Mit dem Preis werden Volkswirte geehrt, deren Arbeit die öf-fentliche Diskussion zu ökonomischen Fragen maßgeblich beeinflusst.

Die Astrophysikerin Dr. Cecilia Scanna-pieco vom Leibniz-Institut für Astrophy-sik Potsdam (AIP) ist von der Astronomi-schen Gesellschaft mit dem Ludwig-Biermann-Förder-preis ausgezeichnet worden. Scannapi-ecos theoretischen Arbeiten und Model-lierungen der Gas-physik sind interna-tional viel beachtet und haben wichtige Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung von Spi-ralgalaxien liefern können.

René Schneller vom FIZ Karlsru-he – Leibniz-Institut für Informa-tionsinfrastruktur ist Träger des Leibniz-Auszubildenden-Preises 2012. René Schneller schloss sei-ne Fachinformatikerausbildung in der Fachrichtung Anwendungs-entwicklung auf Grund sehr guter Leistungen bereits innerhalb von zweieinhalb Jahren ab. Bei Prä-sentation und Fachgespräch im Rahmen seiner Abschlussprüfung vor der IHK Karlsruhe errang er 100 von 100 möglichen Punk-ten, die Gesamtprüfung legte er mit 89 von 100 Punkten als Jahr-gangsbester ab.

Für Ihre Forschung zum Zusam-menhang von Meeresströmun-gen vor Westgrönland und Kli-maschwankungen während des Holozäns hat Kerstin Perner vom Leibniz-Institut für Ostsee-forschung Warnemünde (IOW) den Bernd Rendel-Preis der Deut-schen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten. Der Preis ehrt junge Forscherinnen und For-scher, die bereits vor ihrer Pro-motion wichtige und originelle Beiträge zur geowissenschaftli-chen Grundlagenforschung ge-

leistet haben. Perner konnte aus der Analyse von fossilem Material aus Sedimentkernen nachweisen, dass in den letzten 2.500 Jahren der Einfluss von kalten und salz-armen Wassermassen aus dem polaren arktischen Raum vor Westgrönland zunahm. Wahr-scheinlich lässt sich dies auf eine großräumige sukzessive Verän-derung der nordatlantischen at-mosphärischen Zirkulation wäh-rend des Holozäns zurückführen.

Dr. Leonid Ionov, Gruppenleiter am Institut für Physikalische Che-mie und Physik der Polymere des Leibniz-Instituts für Polymerfor-schung Dresden (IPF), ist mit dem Preis der Georg-Manecke-Stiftung bei der Gesellschaft Deutscher Chemiker ausgezeichnet worden. Ionov arbeitet auf einem breiten Themenfeld von der Polymerche-mie über die Nanophysik bis hin zur Entwicklung von biokompa-tiblen Materialien. Unter anderem entwickelt er am IPF mit sechs Doktoranden weiche Mikrooriga-mi, selbst-faltende Polymerfoli-en für die Zell-Verkapselung, die zum Beispiel für den gezielten Transport von Medikamenten im menschlichen Körper eingesetzt werden könnten. Der Georg-Manecke-Preis soll promovierte, aber in der Regel noch nicht habi-litierte Naturwissenschaftler un-terstützen, die eine weitere wis-senschaftliche Laufbahn in der Grundlagenforschung oder ange-wandten Forschung anstreben.

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