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1 links 4.06 Editorial // Früher gab es noch die «Ostschweizer AZ». Heute gibt es im nördlichen Kantonsteil nur noch Eintopf von der Zeitung über Radio bis zum Fernsehen, alles aus dem gleichen, rechtsbürgerlichen Haus namens TagblattMedien, eine Tochter der NZZ. Ein solches Medienmonopol ist ungesund und macht abhängig. Gerade wegen dieser Monopolisierung schuf die SP St.Gallen vor zehn Jahren die Zeitschrift «links». Damit wurde ein Medium geschaffen, in dem Themen aufgegriffen werden, die so oft tot ge- schwiegen werden. Im «links» werden die linken Positionen klar dargelegt, bürgerliche Verfilzungen ausgeleuchtet und Missstände aufgezeigt, es wird Klartext geschrieben. Und dies wird geschätzt, nicht nur von den Linken, auch die Bürgerlichen beachten unsere Zeitschrift. «links» ist kritisch und unbequem, ja auch in den eigenen Reihen sorgt es manchmal für rote Köpfe. Damit das so ist und bleiben kann, arbeitet die Redaktion unabhängig von der Parteileitung und der Fraktion. Das braucht Vertrauen. Ich habe dieses Vertrauen, weil die Qualität garantiert wird, indem kluge, linke Leute in der Redaktion sitzen. Pointiert zu schreiben braucht oft ein starkes Rück- grat. Chapeau, Redaktion, ihr habt eure Aufgabe bis heute hervorragend gemacht! Claudia Friedl, Parteipräsidentin Fortsetzung Seite Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch ‹links› bewegt seit zehn Jahren Vor zehn Jahren ist die erste Ausgabe von «links» erschienen. Der Anspruch hat sich nicht geändert: Kritisch und unbequem sein und Themen aufgreifen, die totge- schwiegen werden. U nser «links» wird von der SP des Kantons St.Gal- len herausgegeben, ist aber unabhängig von Par- teiführung und Fraktion und erlaubt sich gelegentlich, auch die eigenen Positionen kritisch zu hinterfragen. Dass «links» beachtet wird und etwas bewegt, zeigen die zahlreichen Reaktionen in- und ausserhalb der Partei. Besonders gut wird es im Kantonsrat gelesen, und es fand Eingang in so manches Votum aus der Re- gierungsbank. Gegen das Schweigen // In der ersten Ausga- be vom . September schrieb der damalige SP- Kantonalpräsident Walter Fuchs, «links» schreibe aus prononciert linker Sicht gegen «dieses Schweigen» an. Gemeint war die Grabesstille nach der Einstellung der «Ostschweizer AZ», der einzigen linken Tageszeitung in der Ostschweiz. Seither nimmt der «Obermerker» im «links» regelmässig den Medieneintopf unter die Lupe. Ein Blick in die bisher erschienenen Ausgaben zeigt, dass es einige Dauerbrenner gibt, wie etwa die bürger- liche Finanz- und Steuerpolitik. So schrieb Kantons- rätin Jutta Osterwalder in Nr. /: «Der Grosse Rat schafft Steuerschlupflöcher für die Reichen». Das ist leider immer noch aktuell. Auch die Verbilligung der Krankenkassenprämien oder die Privatisierung öf- fentlicher Aufgaben waren wiederkehrende Themen. Wichtig war zudem die Förderung des Geschichtsbe- wusstseins. Dies bewies die «links«-Sonderausgabe vom Juni , die ganz der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs gewidmet war. «links» hat im allgemeinen Schonklima der St.Galler Politik oft Staub aufgewirbelt. Zwei Beispie- le sind die Bildung der Spitalverwaltungsräte und die Privatisierungsversuche bei der Kantonalbank. Hohe Wellen schlug die Kritik an der undurchsichtigen Be- setzung der Spital-VR mit Vertrauten aus dem bürger- lichen (CVP)-Filz. Das Gesundheitsdepartement sah sich zu einer parteipolitischen Umfrage genötigt. Die Vollprivatisierung der Kantonalbank, ein Lieblings- projekt des Finanzchefs Peter Schönenberger, konnte bis heute nicht durchgedrückt werden – nicht zuletzt «links» wird zum Teil aus dem «Fonds für Öffentlichkeits- arbeit» der SP St.Gallen finanziert. Langsam geht der Fonds zur Neige. Unterstützen Sie «links» mit einer gross- zügigen Spende auf das Fonds-Konto 90-189597-2. Damit weiterhin ans Licht kommt, was andere verschweigen! Danke für Ihre Unterstützung! e ‹link ··· 10 Jahre ‹link ··· 10 Jahre ‹li Bild «links»

Links St.Gallen 2006 Ausgabe 4

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen

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E d i t o r i a l // Früher gab es noch die «Ostschweizer AZ». Heute gibt es im nördlichen Kantonsteil nur noch Eintopf von der Zeitung über Radio bis zum Fernsehen, alles aus dem gleichen, rechtsbürgerlichen Haus namens TagblattMedien, eine Tochter der NZZ. Ein solches Medienmonopol ist ungesund und macht abhängig. Gerade wegen dieser Monopolisierung schuf die SP St.Gallen vor zehn Jahren die Zeitschrift «links». Damit wurde ein Medium geschaffen, in dem Themen aufgegriffen werden, die so oft tot ge-schwiegen werden. Im «links» werden die linken Positionen klar dargelegt, bürgerliche Verfilzungen ausgeleuchtet und Missstände aufgezeigt, es wird Klartext geschrieben. Und dies wird geschätzt, nicht nur von den Linken, auch die Bürgerlichen beachten unsere Zeitschrift. «links» ist kritisch und unbequem, ja auch in den eigenen Reihen sorgt es manchmal für rote Köpfe. Damit das so ist und bleiben kann, arbeitet die Redaktion unabhängig von der Parteileitung und der Fraktion. Das braucht Vertrauen. Ich habe dieses Vertrauen, weil die Qualität garantiert wird, indem kluge, linke Leute in der Redaktion sitzen. Pointiert zu schreiben braucht oft ein starkes Rück-grat. Chapeau, Redaktion, ihr habt eure Aufgabe bis heute hervorragend gemacht! Claudia Friedl, Parteipräsidentin Fortsetzung Seite

Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

‹links› bewegt seit zehn JahrenVor zehn Jahren ist die erste Ausgabe von «links» erschienen. Der Anspruch hat sich nicht geändert: Kritisch und unbequem sein und Themen aufgreifen, die totge-schwiegen werden.

Unser «links» wird von der SP des Kantons St.Gal-len herausgegeben, ist aber unabhängig von Par-

teiführung und Fraktion und erlaubt sich gelegentlich, auch die eigenen Positionen kritisch zu hinterfragen. Dass «links» beachtet wird und etwas bewegt, zeigen die zahlreichen Reaktionen in- und ausserhalb der Partei. Besonders gut wird es im Kantonsrat gelesen, und es fand Eingang in so manches Votum aus der Re-gierungsbank.

G e g e n d a s S c h w e i g e n // In der ersten Ausga-be vom . September schrieb der damalige SP-Kantonalpräsident Walter Fuchs, «links» schreibe aus prononciert linker Sicht gegen «dieses Schweigen» an. Gemeint war die Grabesstille nach der Einstellung der «Ostschweizer AZ», der einzigen linken Tageszeitung in der Ostschweiz. Seither nimmt der «Obermerker» im

«links» regelmässig den Medieneintopf unter die Lupe. Ein Blick in die bisher erschienenen Ausgaben zeigt, dass es einige Dauerbrenner gibt, wie etwa die bürger-liche Finanz- und Steuerpolitik. So schrieb Kantons-rätin Jutta Osterwalder in Nr. /: «Der Grosse Rat schafft Steuerschlupflöcher für die Reichen». Das ist leider immer noch aktuell. Auch die Verbilligung der Krankenkassenprämien oder die Privatisierung öf-fentlicher Aufgaben waren wiederkehrende Themen. Wichtig war zudem die Förderung des Geschichtsbe-wusstseins. Dies bewies die «links«-Sonderausgabe vom Juni , die ganz der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs gewidmet war. «links» hat im allgemeinen Schonklima der St.Galler Politik oft Staub aufgewirbelt. Zwei Beispie-le sind die Bildung der Spitalverwaltungsräte und die Privatisierungsversuche bei der Kantonalbank. Hohe Wellen schlug die Kritik an der undurchsichtigen Be-setzung der Spital-VR mit Vertrauten aus dem bürger-lichen (CVP)-Filz. Das Gesundheitsdepartement sah sich zu einer parteipolitischen Umfrage genötigt. Die Vollprivatisierung der Kantonalbank, ein Lieblings-projekt des Finanzchefs Peter Schönenberger, konnte bis heute nicht durchgedrückt werden – nicht zuletzt

«links» wird zum Teil aus dem «Fonds für Öffentlichkeits-arbeit» der SP St.Gallen finanziert. Langsam geht der Fonds zur Neige. Unterstützen Sie «links» mit einer gross-zügigen Spende auf das Fonds-Konto 90-189597-2. Damit weiterhin ans Licht kommt, was andere verschweigen!

D a n k e f ü r I h r e U n t e r s t ü t z u n g !

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Fortsetzung von Seite Fortsetzung von Seite

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dank der Aufklärung durch «links», das vor einem Ver-scherbeln der KB-Aktien gewarnt hatte. Die Kritik am verfehlten Börsengang war ebenfalls nur in diesem Blatt zu lesen. Die Tagespresse rapportierte dagegen wie immer brav aus der Pfalz. Mit dieser kritischen Haltung hat «links» zum politischen Fortschritt beige-tragen – etwa dass das Gesundheitsdepartement end-lich wieder in kompetente Hände kam. «links» darf sich im Übrigen zahlreiche Enthüllungen gutschreiben, die sonst im bürgerlich-medialen Komplex verschwiegen worden wären: etwa die rechtskatholischen Verbin-dungen eines CVP-Kandidaten für den Regierungsrat oder die sektiererische Vergangenheit eines SVP-Part-eisekretärs. Auch über einen SVP-Regierungsratskan-didaten wusste «links» Dinge zu berichten, die nicht alle gerne lasen. Weitere Highlights in Stichworten: die teure staatliche Neurosenpfl ege («St.Gallen kann es»), der Missbrauch mit Sponsoren in der Schule, die

Pfründen der FDP und CVP in der kantonalen Verwal-tung oder der Rentenskandal bei der kantonalen Pen-sionskasse. Da «links» die Verantwortlichen nament-lich zu nennen pfl egt, zog es sich oft magistralen Zorn zu. Inzwischen gilt es aber als ehrenhaft, im «links» erwähnt zu werden. Und ist dies längere Zeit nicht mehr der Fall, so bekommen gewisse Regierungsräte schon Sorgenfalten... «links» bewegt und sorgt(e) auch in den eige-nen Reihen ab und zu für rote Köpfe. Das ist gut so und soll auch weiterhin so bleiben. Das Redaktionsteam ist einem kritischen Journalismus verpfl ichtet. Zwei Per-sonen sollen speziell erwähnt werden, ohne die eine professionelle Herausgabe nicht möglich wäre. Damit «links» weiterhin kritisch und unabhängig schreiben kann, brauchen wir längerfristig eine neue Finanz-basis, denn nur ein Teil unserer Kosten wird über die Partei fi nanziert. Bitte benützen Sie darum den Ein-zahlungsschein in der Mitte dieser Nummer. (bg)

Gratulationen fürs ‹links›

H a n s F ä s s l e r , L e h r e r u n d K a b a r e t t i s t :«‹links› ist unaufgeregt, gradlinig, sachlich, schwarz-weiss. Es ist praktisch kolumnenfrei. Es ist altmo-disch, trendfern, antizyklisch, politisch, handlich und nützlich. Es ist weder schräg noch schrill, weder ur-ban noch mediterran, sondern auch am Morgen noch zu lesen. Es hat einen Standpunkt. Es nimmt Partei. Es weiss, wo es herkommt. Es weiss, wo es hingehört. Es denkt nach. Es macht Vorschläge. Es hat Freunde und Feinde. Dass es das noch gibt!»

H e i d i H a n s e l m a n n , R e g i e r u n g s r ä t i n :«Ob links oder rechts, fast alle im Kantonsrat lesen ‹links›. Das ist einzigartig, zeugt von hoher Qualität und verdient Anerkennung. Die Artikel haben Niveau und die Sprachkompetenz beeindruckt mich, obwohl der angeschlagene Ton nicht immer meiner Musik ent-spricht. ‹links› provoziert und nimmt kein Blatt vor den Mund. Das brüskiert manchmal. ‹links› ist aber eben kein Boulevardblatt, sondern das kritische Sprachrohr der SP. Wenn es ‹links› nicht gäbe, müsste es erfunden werden. Herzlichen Dank für das Engagement.»

H i l d e F ä s s l e r , N a t i o n a l r ä t i n :«Wie kommt es, dass eine SP-Kantonalpräsidentin und ihr Vorgänger zu einem Gespräch ins Rektorat der Uni St.Gallen eingeladen werden? Wegen eines enthüllen-den Artikels im ‹links› zum Thema HSG als Elite-Busi-ness-School! Dass ‹links› aber auch mit Genossinnen und Genossen kritisch umgeht, wie im Artikel über das rote Werdenberg, und einige auch mal ärgert, z.B. mit dem Artikel über den Rheintaler Regierungsrats-

kandidaten, macht das Politmagazin nur glaubwürdi-ger. Vielen Dank für Jahre gekonnten Recherchier-Journalismus!»

K a t h r i n H i l b e r, R e g i e r u n g s r ä t i n :«Während den Kantonsratssessionen wird ‹links› auch auf der Regierungsbank gelesen und diskutiert. Für ei-nige Regierungsmitglieder ist es zu einem Gradmesser ihres politischen Profi ls geworden, ob ihre Arbeit im ‹links› gewürdigt wird oder nicht! Zugegeben, ich habe mich auch schon geärgert, wenn Themen verzerrt dar-gestellt oder Vorwürfe zu hart auf Personen statt auf die Sache fokussiert wurden. Dennoch bin ich froh, dass es ‹links› gibt und so eine lebendige Kommuni-kationsplattform existiert, die nicht abhängig ist vom Goodwill der bürgerlichen Medien. Meinen Dank an das Redaktionsteam verbinde ich mit der Hoffnung, dass ‹links› weiterhin Impulse setzt und den politi-schen Diskurs belebt.»

P a u l R e c h s t e i n e r, N a t i o n a l r a t :«Der Zusammenbruch der ‹Ostschweizer AZ› mit ihrer einst grossen Geschichte war für die St.Galler Linke ein schwerer Schlag. Seither ist zum Glück vieles passiert: die Gründung von ‹Saiten›, die tragende Rolle von Ost-schweizerInnen bei der WoZ – und bei der SP die Pu-blikation von ‹links›, einem lebendigen linken Blatt ohne den üblichen Mief von Parteiorganen. Der Kanton St.Gallen ist politisch im Umbruch. Die Linke wird stärker – sie muss stärker werden. ‹links› leistet dafür unverzichtbare Beiträge».

P e t e r S c h ö n e n b e r g e r, R e g i e r u n g s r a t :«Anfänglich ärgerte man sich, wenn man im ‹links› (meist durch einen anonymen Schrei-berling) kritisiert wurde, später liess es einen kalt und heute ist man echt enttäuscht, wenn man darin nicht mehr vorkommt. Denn Letzteres lässt befürchten, man betreibe keine bürgerliche Politik mehr oder – noch schlimmer – man sei aus dem Regierungsamt bereits zurück getreten, ohne es zu merken. Deshalb wünsche ich mir von Her-zen noch mindestens zehn weitere Jahre ‹links›!»

dass es ‹links› gibt und so eine lebendige Kommuni-kationsplattform existiert, die nicht abhängig ist vom Goodwill der bürgerlichen Medien. Meinen Dank an das Redaktionsteam verbinde ich mit der Hoffnung, dass ‹links› weiterhin Impulse setzt und den politi-

P a u l R e c h s t e i n e r, N a t i o n a l r a t :«Der Zusammenbruch der ‹Ostschweizer AZ› mit ihrer einst grossen Geschichte war für die St.Galler Linke ein schwerer Schlag. Seither ist zum Glück vieles passiert: die Gründung von ‹Saiten›, die tragende Rolle von Ost-schweizerInnen bei der WoZ – und bei der SP die Pu-blikation von ‹links›, einem lebendigen linken Blatt ohne den üblichen Mief von Parteiorganen. Der Kanton St.Gallen ist politisch im Umbruch. Die Linke wird stärker – sie muss stärker werden. ‹links› leistet dafür unverzichtbare Beiträge».

P e t e r S c h ö n e n b e r g e r, R e g i e r u n g s r a t :«Anfänglich ärgerte man sich, wenn man im ‹links› (meist durch einen anonymen Schrei-berling) kritisiert wurde, später liess es einen kalt und heute ist man echt enttäuscht, wenn man darin nicht mehr vorkommt. Denn Letzteres lässt befürchten, man betreibe keine bürgerliche Politik mehr oder – noch schlimmer – man sei aus dem Regierungsamt bereits zurück getreten, ohne es zu merken. Deshalb wünsche ich mir von Her-zen noch mindestens zehn weitere Jahre ‹links›!»

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K o l u m n i s m u sLeo N. Hart kennt doch heute kein Schwein mehr. Allen-falls erinnern sich noch ein paar ältere Muttersauen und Eber an den Mann, der 1982 für Leserinnen und Leser der «Ostschweizer AZ» ein Begriff war, als er wöchent-lich in seiner Kolumne «Das Wort zum Freitag» das Zeit-geschehen kommentierte und karikierte. In der ersten «links»-Nummer verkündete Leo N. Hart unter dem Kolumnentitel «Lesen und Glauben» grossspurig, er habe mit der Redaktion des SP-Organs einen «Zehnjahres-vertrag für eine regelmässige satirische Kolumne» abge-schlossen. Daraus wurde bekanntermassen nichts, und «links»-LeserInnen der ersten Stunde werden sich noch an die grenzenlose Enttäuschung erinnern, die sich damals in linken Kreisen breitmachte. Erstmals ist es nun «links» gelungen, den ländlich und zurückgezogen wohnenden Autor aufzuspüren und mit ihm ein Gespräch zu führen. Auf die Frage, war-um er die damals angekündigte Kolumne nicht wei-

S i l v a n L ü c h i n g e r, s t v. C h e f r e d a k t o r « S t . G a l l e r T a g b l a t t » :«‹links› ist ein Parteiblatt – und Parteiblätter wollen parteiisch sein. Das erlaubt eine süffi gere Schreibe, als wenn umständlich differenziert und argumen-tiert werden müsste. Wer politisiert – oder als anders-wo Schreibender selber zur Zielscheibe wird –, muss das aushalten. Gut täte dem ‹links› allerdings, wenn im ‹Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen› ab und zu etwas Selbstironie aufblitzen würde. So wie das ‹s› in ‹links› seit zehn Jahren verkehrt in der Welt steht, als wollte es abschliessend sagen: ‹Zugegeben, es gibt auch eine andere Sicht der Dinge.›»

tergeführt habe, kommt die Antwort wie aus der Kalaschnikow geschossen: «Früher träumten die Intellek-tuellen vom Kommunismus. Heute gibt es keine Intel-lektuellen mehr, und wer einen zusammenhängenden Text von 3’000 Zeichen schreiben kann, träumt vom Ko-lumnismus.» Dies habe er 1992 bereits kommen sehen, so der sympathische Paläo-Sozialist, und die Entwicklung habe ihm Recht gegeben. «Heute hält sich jede Zeitung ein Dutzend solcher wirbelloser Schreiberlinge», kommt der Politaktivist aus dem späten 20. Jahrhundert in Fahrt. Es gebe sie in den Geschmacksvarianten «Zynismus pur», «Zeitgeistschleim», «Brutalbanal», «Lifestyle-Tussi», «Pseudoprofund» und «Coop-Zeitung». Als wir uns von ihm verabschieden, ruft uns der rüstige Fünfziger noch nach: «In 10 Jahren besteht die durchschnittlich Mittellandszeitung aus 1 Chefredaktor (Millionär, SVP-nahe), 20 Kolumneuren und 1 Redaktio-nisten!» Letzterer dürfe pro Woche einen so genannten «Artikel» schreiben. (H.F.)

S u s a n B o o s , R e d a k t o r i n « W o c h e n Z e i t u n g » ,e h e m a l i g e A Z - R e d a k t o r i n :«Vor zehn Jahren habe ich ‹links› nicht gemocht. Es wurde gepfl anzt auf den Trümmern der ‹Ostschweizer AZ›. Dieser kleinen, frischen Zeitung, wo man die Sei-ten noch selbst zusammenkleben musste. Ich habs ge-liebt und hab gelernt, was Journalismus kann: einem die Welt erschliessen. Dann starb die AZ. Oder genau-er: Man liess sie sterben. Das war derb und riss eine Lücke, die einer direkten Demokratie nicht bekommt. In dieser Lücke nistete sich das zarte Blättchen ‹links› ein, beanspruchte seinen Raum, tut es bis heute – und schreibt, was sonst nirgends zu lesen ist. Respekt und Merci!»

K a s p a r S u r b e r, « S a i t e n » - M i t a r b e i t e r :«Am ‹links› gefällt mir nicht, dass immer die Bürgerli-chen schuld sind. Also nicht, dass sie nicht schuld sind – sie sind ja entgegen ihrem ständigen Geschrei nach ‹echt bürgerlichen› Regierungen tatsächlich seit Jahr und Tag in der Mehrheit. Aber warum muss man dann noch empört schreiben, dass nur die FDP in der Migros Unterschriften sammeln darf? Da lese ich nicht weiter. Da fahre ich lieber hinunter an den See. In Rorschach gibt es ein örtliches SP-Blatt, das heisst ‹Perspektiven›. Perspektiven sind noch immer der Antrieb linker Poli-tik: Dass man sich nicht nur mit dem aufhält, was ist. Sondern sich auch vorstellt, wie es sein könnte.»

A l e x a L i n d n e r M a r g a d a n t , e x - S P - K a n t o n a l p r ä s i d e n t i n :»Die ‹Ostschweizer AZ›, früher Volksstimme, existiert nicht mehr. Seither sind wir auf ‹links› angewiesen, um die notwendigen regionalen Parteimitteilungen zu lesen. Inhaltlich, mit Artikeln, Kommentaren und Mel-dungen, erfüllt ‹links› diesen Anspruch ausgezeichnet. Äusserlich kommt es mir zu prätentiös daher; im Pa-pier zeitungsmässiger, in der Gestaltung einfacher, ge-fi ele es mir noch besser. Eine linke Tageszeitung aller-dings kann ‹links› so oder so nicht ersetzen. Wird sie immer ein Traum bleiben?

Merci!»

K a s p a r S u r b e r, « S a i t e n » - M i t a r b e i t e r :«Am ‹links› gefällt mir nicht, dass immer die Bürgerli-chen schuld sind. Also nicht, dass sie nicht schuld sind – sie sind ja entgegen ihrem ständigen Geschrei nach ‹echt bürgerlichen› Regierungen tatsächlich seit Jahr und Tag in der Mehrheit. Aber warum muss man dann noch empört schreiben, dass nur die FDP in der Migros Unterschriften sammeln darf? Da lese ich nicht weiter. Da fahre ich lieber hinunter an den See. In Rorschach gibt es ein örtliches SP-Blatt, das heisst ‹Perspektiven›. Perspektiven sind noch immer der Antrieb linker Poli-tik: Dass man sich nicht nur mit dem aufhält, was ist. Sondern sich auch vorstellt, wie es sein könnte.»

A l e x a L i n d n e r M a r g a d a n t , e x - S P - K a n t o n a l p r ä s i d e n t i n :»Die ‹Ostschweizer AZ›, früher Volksstimme, existiert nicht mehr. Seither sind wir auf ‹links› angewiesen, um die notwendigen regionalen Parteimitteilungen zu lesen. Inhaltlich, mit Artikeln, Kommentaren und Mel-dungen, erfüllt ‹links› diesen Anspruch ausgezeichnet. Äusserlich kommt es mir zu prätentiös daher; im Pa-pier zeitungsmässiger, in der Gestaltung einfacher, ge-fi ele es mir noch besser. Eine linke Tageszeitung aller-dings kann ‹links› so oder so nicht ersetzen. Wird sie immer ein Traum bleiben?

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Hanspeter Spörri:‹Neue Räume sind möglich›

Der Konzentrationsprozess der Medien und die Bildung von Mono-polen gefährden den Meinungsplu-ralismus und damit die Demokra-tie. «links» sprach mit dem Medien-profi und ex-«Bund»-Chefredaktor Hanspeter Spörri über aktuelle Entwicklungen der Medienszene.

links: Die Medienkonzentration schreitet voran. In St.Gallen haben wir seit Jahren ein regionales Medien-monopol. Wie ist es in Bern?Spörri: Es gibt dort als Tagszeitungen die «Berner Zei-

tung» und den «Bund», aber beide sind inzwi-schen unter dem gleichen Dach der Espace Media Groupe. Diesen Konzent-rationsprozess kann man überall beobachten. Der Rückgang der Werbeein-nahmen setzt die Tages-zeitungen unter Spar-druck.

Aber immerhin gibt es auf dem Platz Bern noch zwei ver-schiedene Zeitungen. Wie kam es zu deinem Abgang?Wir haben grosse Anstrengungen unternommen, um beim «Bund» wieder in die schwarzen Zahlen zu kom-men, und wir haben das nun auch nahezu geschafft. Über die Art weiterer Reorganisationen waren wir uns dann aber nicht mehr einig. Ich glaube schon, dass es in der Bundeshauptstadt Platz für zwei Tageszeitungen gibt. Sie müssen aber ein eigenes Profil haben. Und ich hoffe, mein Nachfolger wird wieder etwas mehr Spiel-raum haben.

Welche Prozesse löst die Medienkonzentration aus?Wenn es eine redaktionelle Konkurrenz gibt, so wirkt dies befruchtend und spornt zu besonderen Leistun-

gen an. Fällt diese Konkurrenz aber weg, so wird es schwieriger, die eigene Trägheit zu überwinden. In Bern gibt es immerhin noch eine publizistische Kon-kurrenz, auch wenn beide Blätter aus dem gleichen Verlag stammen. Das Publikum kann zwischen unter-schiedlichen Stilen, gegensätzlichen publizistischen Haltungen wählen.

Kann es eine gute Monopolzeitung geben?Eine gute Monopolzeitung zu machen ist noch viel schwieriger als eine gute Konkurrenzzeitung. Ist es nicht so, dass die Zeitungen früher eigenwilliger und mutiger waren und es auch in Kauf nahmen, dass sich jemand über einen Artikel ärgerte? Heute will man es möglichst allen recht machen, und deshalb macht man es häufig niemandem mehr recht. Monopolzeitungen dienen deshalb häufig als Sündenbock, wenn es poli-tisch nicht so läuft, wie man es gerne hätte. Man kann an ihnen jede Frustration abreagieren.

Gibt es keine Alternative zu Monopolzeitungen?Eine Folge des Konzentrationsprozesses ist, dass er ein gesellschaftliches Unbehagen auslöst, eine breite Un-zufriedenheit. Dies kann neue, kreative Entwicklun-gen in Gang setzen. Das St.Galler Kulturmagazin «Sai-ten» ist ein solches Beispiel. Es ist landesweit bekannt und sucht seinesgleichen.

Zurück zur Tageszeitung. Gibt es noch den klassischen Chefredaktor?Heute werden Chefredaktoren mit immer mehr ökono-mischen und kommerziellen Forderungen der Verlage konfrontiert. Es wird von ihnen erwartet, dass sie Ver-lagsentscheide umsetzen. Die Sensibilität für publizis-tische Belange gerät dabei zunehmend in den Hinter-grund.

Was heisst publizistische Sensibilität?Zeitungen sind für die Demokratie lebenswichtig, denn sie befördern den gesellschaftlichen Dialog und die Diskussion über Zeitfragen. Das hat etwas mit dem Geist der Aufklärung zu tun. Wenn Verlage und man-che Chefredaktoren heute nur noch von Kunden statt von Lesern sprechen, so steht dies im Widerspruch zu dieser Tradition. Mit teilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern diskutiert man, riskiert, dass sie anderer Mei-nung sind. Kunden hingegen sagt man, was sie gerne hören, man will ihnen einfach etwas verkaufen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Die Publizistik ver- liert so aber langfristig an Gewicht und Glaubwürdig-keit.

Und was ist mit den neuen Medien, Internet zum Bei-spiel?Das Internet bietet meiner Ansicht nach neue Mög-lichkeiten für die Meinungsvielfalt, die noch nicht ausgelotet sind. Man kann kostengünstig neue Infor-mationskanäle aufbauen. Bei der jüngeren Generation ändern sich momentan Mediennutzung und Lesever-halten. Die Folgen sind noch nicht zu überblicken. Je benutzerfreundlicher die Technologie aber wird, je mehr Leute sie täglich und ganz selbstverständlich nutzen, desto mehr Chancen bieten sich hier für pu-blizistische Räume und für die öffentliche Diskussion.

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Hanspeter Spörri

H a n s p e t e r S p ö r r iGeboren 1953, stammt aus Teufen AR und war zuletzt Chefredaktor des Berner «Bund», zu dem er vor zehn Jahren als Auslandredaktor stiess. Zuvor arbeite-te er als Redaktor beim St.Galler Tagblatt, ab 1984 bei Radio Aktuell, wo er eine Art «Bürgerfunk» erprobte, und ab 1989 als Auslandredaktor bei der «Appen-zeller Zeitung». Jetzt ist er offen für Neues.

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Aktenzeichen Toggenburg ungelöst

Auch nach der Abreise der Arzt-familie Michel ist der Fall Toggen-burg noch längst nicht gelöst. Zu viel wurde verschwiegen. Wann kommt endlich die volle Aufklärung über die rassistischen Attacken?

Die Arztfamilie Michel ist Ende Juli nach Südafrika ausgereist. Vor ihr liegt eine ungewisse Zukunft,

auch wirtschaftlich. Die Familie wurde im vergange-nen Jahr während Monaten rassistisch attackiert und letztlich aus dem Toggenburg vertrieben. Auch der Ruf des Arztes ist lädiert, seit die «Weltwoche» Anfang Februar die These in die Welt setzte, Auslöser für die rassistischen Drohbriefe seiner ehemaligen Patientin sei eine «aus dem Ruder» gelaufene Therapie gewesen. Dafür gibt es bis heute keine handfesten Belege. Das Wochenblatt behauptete zudem, der Kriminalfall sei aufgeklärt. Die bislang bekannten Fakten sprechen ei-ne ganz andere Sprache: Bis heute ist unklar, ob hinter dem Farbanschlag auf Michels Haus, den unaufgeklär-ten Pneustechereien und den gegen die Arztfamilie und Patienten von Michel gerichteten Drohbriefe ei-

ne angeblich psychisch schwer angeschlagene Einzeltäterin oder mehrere Täter stecken.

U n t e r d e m D e c k e l // Als im Dezember des vergangenen Jahres eine -jährige Frau verhaftet wurde, schien der Fall zwar gelöst. Heute aber ist klar: Polizeisprecher Hans Eg-genberger und Staatsanwalt Thomas Weltert informierten die Öffentlichkeit an jener Pres-sekonferenz nur sehr selektiv. So verschwiegen sie beispielsweise, dass die Frau bereits vor dem Therapieantritt bei Jörg Michel Drohbriefe ver-schickt hatte. Monate später erschütterten ver-schiedene Berichte im «St.Galler Tagblatt» die These von der psychisch angeschlagenen Ein-zeltäterin. Anfang Juli referierte das Blatt aus dem Schlussbericht der Polizei zu diesem Fall Ergebnisse. Demnach schliessen die Ermittler Trittbrettfahrer aus. Dumm nur, dass ihre eige-nen Ermittlungsergebnisse solche eindeutigen Schlüsse nicht zulassen. Die Polizei könnte ge-nauso gut behaupten, mehrere Täter seien am Werk gewesen. Eindeutig nachweisen kann sie der Frau nur einige wenige Drohbriefe. In eini-gen Fällen legte sie ein Geständnis ab. Längst ist aber nicht bei allen Drohbriefen die Urhe-berschaft geklärt.

Ausserdem verschwiegen die Untersuchungs-behörden, dass auf Briefkuverts nicht nur DNA-Spu-ren der Frau gefunden wurden – auch Spuren von zwei männlichen Personen isolierte das Rechtsmedizini-sche Institut St.Gallen. Fragen wirft zudem auch die Tatsache auf, weshalb die Polizei nur Kuverts, nicht aber die Briefe selbst auf DNA-Spuren hat untersuchen lassen. Staatsanwalt Thomas Weltert äusserte sich gegenüber dem «St.Galler Tagblatt» vor wenigen Wochen so: Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen. Vieles sei noch abzuklären und auch wei- tere Ermittlungen seien «nicht ausgeschlossen». Und schliesslich wird auch das psychiatrische Gutachten, das jetzt offenbar vorliegt, eine Rolle in der Beurtei-lung des Falles spielen. Spätestens eine allfällige Ge-richtsverhandlung wird mehr Licht in diesen verwor-renen, auch von politischen Interessen begleiteten Fall bringen können.

Z w i e s p ä l t i g e R o l l e // Die Untersuchungsbehör-den – die Regionalpolizei kann man davon weitgehend ausnehmen – spielen in diesem Fall eine zwiespälti-ge Rolle. Zunächst wurden die anonymen rassisti-schen Drohungen und Nötigungen in St.Gallen nicht wirklich ernst genommen – ganz gegen den von der St.Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter ansons-ten propagierten Nulltoleranz-Kurs gegen drohende Zeitgenossen. Man denke nur an den jüngsten Auswei-sungsfall der beiden türkischen Männer. Solche Ent-schlossenheit hätte man sich auch im Fall Unterwas-ser von den Behörden gewünscht. Dort aber erhöhten die Behörden erst gut drei Monate, nachdem der Arzt Anzeige gegen Unbekannt erstattet hatte, den Ermitt-lungsdruck. Nun schaltete sich die Kripo ein. Das hatte of-fensichtlich opportunistische Gründe: Weil die bös-artigen rassistischen Attacken mittlerweile an die Öf-fentlichkeit drangen, fürchtete man deren politische Brisanz. Eine Rassismusdebatte schien nicht oppor-tun. Dabei waren die politischen Behörden im Kan-ton und vor Ort im Bild darüber, dass im Toggenburg schon früher Rassisten ihr Unwesen getrieben hatten. So war die Gemeindebehörde von Alt St.Johann mas-siven Drohungen ausgesetzt gewesen, als der Kanton in der Gemeinde ein Asylzentrum einrichtete. Un-ter anderem, so erinnert sich Gemeindepräsident Alois Ebneter, war unter den Drohbriefen auch einer, der ankündigte, man werde das Asylzentrum in Flammen aufgehen lassen. Das alles wurde unter dem Deckel gehalten, als die Arztfamilie aufs Übelste rassistisch attackiert wurde. Eine differenzierte Debatte über rassistische Tendenzen – nicht nur im Toggenburg – wollten Be-hörden und bürgerliche PolitikerInnen nicht. Da-her schmetterten sie auch einen parlamentarischen Vorstoss der SP im Kantonsrat ab, der genau das ver-langt hatte. Eine Rassismusdebatte in einem Fall, der schweizweit für Aufsehen sorgte, passte nicht in eine Schweiz, die gerade davor stand, ihr Asylgesetz ein weiteres Mal zu verschärfen und damit die Rechte von Flüchtlingen massiv zu beschneiden. Aber auch das Schweigen der bürgerlichen Politiker wird nichts dar-an ändern, dass das Kapitel «Rassismusfall Unterwas-ser» noch nicht fertig geschrieben ist. (sp)

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Leo Blattners Biografi e widerspie-gelt auf geradezu klassische Wei-

se die sozialistische Bewegung in der Schweiz im . Jahrhundert. Sein Wer-degang repräsentiert die Geschichte einer Generation von Linken, die heu-te von der Bühne abtritt. im Aargau geboren, wuchs Leo in einer vierzehn-köpfi gen Familie auf. Der Vater war Zimmermann. Während des Kriegs ge-riet die Familie in Not. Eltern und Kin-der schliefen in einem Zimmer. Leos Traum, Lehrer zu werden, scheiterte an der Armut, stattdessen musste er sich als Handlanger verdingen. Schliesslich konnte er doch eine Lehre als Sanitär-Spengler beginnen. trat er mit Jahren in die Sozialistische Jugend ein und wurde dort wie viele politisiert. Sein «Ersatzvater» wurde Fritz Baumann (–), Sozialist und Oberrichter. Leo nahm an den ersten Kundgebungen gegen Hitler teil, als der Diktator an die Macht kam. Er erinnerte sich, wie sie in ei-ner Menschenkette über den Rhein «Hitler verrecke!» riefen und an-lässlich eines Fussballmatchs gegen Deutschland in Zürich den Fröntlern die Hakenkreuzfähnlein entrissen. Als Antimilitarist widerstrebte Leo das Ex-erzieren in der Armee zutiefst. Als Flugzeugspengler gesucht wurden, er-griff er die Chance und kam so in die Ostschweiz nach Altenrhein. Im Zim-mer, wo er wohnte, fror im Winter das Wasser im Krug ein. Im Flugzeugwerk gab es viele Na-zianhänger, wie Leo bald feststellte. Zwar hiess es, man arbeite für die Schweizer-armee, doch er zweifelte dies später an: In den Werkhallen seien in Lizenz Messer-schmitt-Maschinen hergestellt worden. In der Freizeit – bezahlte Ferien gabs damals kaum – schloss er sich den Naturfreunden an und verbrachte die Wochenenden im

Leo Blattner † –ein aufrechter Sozialist

Mit 92 Jahren starb in Rorschach Leo Blattner. Sein Leben war vom Antifaschismus und einer tiefen sozialistischen Überzeugung geprägt.

Kaien-Haus. Als er der Rorschacher SP beitreten woll-te, aber noch in Staad wohnte, wurde er nicht aufge-nommen. «Damals hatten alle Angst vor den Nazis. Keiner wollte sich mehr in der SP engagieren», erinnert er sich. Weil sich später in Rorschach niemand fand, wurde Leo im Alter von Jahren Rorschacher Par-teipräsident. Damit begann seine politische Karriere: Er wurde in den Gemeinderat gewählt, schrieb für die «Volksstimme» jeweils den Ratsbericht, rutschte als Ersatz in den Kantonsrat und wurde auch VPOD-Prä-sident. Diese Ämter versah er mit Ausdauer: Im Kan-tonsrat blieb Leo Jahre, und als Gewerkschaftsprä-sident amtete er Jahre lang. Eine späte Genugtuung war seine Wahl in den Schulrat. Dort kam er in der pä-dagogischen Kommission seinem Lehrertraum nahe. Bis ins hohe Alter blieb Leo Blattner ein über-zeugter Sozialist und Gewerkschafter. Bei den Eskapa-den des Gewerkschaftsbunds in den er-Jahren war er einer der Gegner des Apparats um Toni Falk. Rück-blickend meinte er, dass die sozialen Verbesserungen

in der Schweiz dank der Lin-ken erreicht wurden: «Die Schwarzen sind erst heute erwacht.» Leo reute es keine Stunde, in der er sich enga-giert hat, obwohl er deswe-gen viel einstecken musste. erzählte er Margrit Er-matinger-Leu ausführlich aus seinem Leben. Dank diesen Aufzeichnungen wis-sen wir heute, wie mutig Leo stets war. Er war ein Mensch mit einem aufrechten Gang, einer, den man nicht ver-gisst. Leo Blattner starb am . Mai . Ralph Hug Bi

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), Sozialist und Oberrichter. Leo nahm an den ersten Kundgebungen gegen Hitler

an die Macht kam. Er erinnerte sich, wie sie in ei-ner Menschenkette über den Rhein «Hitler verrecke!» riefen und an-lässlich eines Fussballmatchs gegen Deutschland in Zürich den Fröntlern die Hakenkreuzfähnlein entrissen. Als Antimilitarist widerstrebte Leo das Ex-

Flugzeugspengler gesucht wurden, er-griff er die Chance und kam so in die Ostschweiz nach Altenrhein. Im Zim-mer, wo er wohnte, fror im Winter das

Im Flugzeugwerk gab es viele Na-zianhänger, wie Leo bald feststellte. Zwar hiess es, man arbeite für die Schweizer-armee, doch er zweifelte dies später an: In den Werkhallen seien in Lizenz Messer-schmitt-Maschinen hergestellt worden. In der Freizeit – bezahlte Ferien gabs damals kaum – schloss er sich den Naturfreunden an und verbrachte die Wochenenden im

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Aus dem Fotoalbumvon Leo Blattner:Ausfl üge, Kurse und Kundgebungen der Sozialistischen Jugend prägtensein Leben. Untenrechts: SAJ-Jugend-tag 1935 vor demVolkshaus in St.Gallen.

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Am 24. September entscheidet sich, ob die Stadt St.Gallen weiterhin bürgerlich-rückständig bleibt oder ob mit Peter Dörflinger ein Repräsentant des modern-urbanen Denkens in die Stadtregierung einzieht.

Der jetzige Stadtrat von St.Gallen hatte auf Grund seiner Überalterung von Beginn weg den Ma-

kel einer Übergangsregierung. Gerüchte und Mut-massungen über vorzeitige Rücktritte und amtsmüde Stadträte heizten schon in der ersten Hälfte der Legis-latur die Spekulationen an. Als kurz nach der Ankün-digung von Hubert Schlegel (FDP), er werde zurücktre-ten, auch CVP-Stadtpräsident Franz Hagmann seinen vorzeitigen Rücktritt bekannt gab, wurde es für kurze Zeit richtig spannend. Auf das Stadtpräsidium hat es die FDP schon seit Langem abgesehen. Nach Jahren in SP-Hand und zwei Jahren Übergangsregierung durch die CVP sind die Freisinnigen entschlossen, dieses Amt bei den nächsten Wahlen wieder an sich zu reissen. Doch die grössten Chancen auf das Stadtpräsidium wurden allseits SP-Stadträtin Elisabeth Beéry zugestanden. Die FDP, die lange vor den anderen Parteien über den Rücktritt ihres Stadtrats Hubert Schlegel informiert war, nutzte die Zeit, um die Angstgegnerin Beéry in einer beispiellosen Kampagne bei der Wählerschaft in Misskredit zu bringen und Projekte aus ihrem De-partement zu blockieren, um sie für die nächsten Wah-len zu schwächen. Nachdem schliesslich bekannt wur-

de, dass die SP-Vertreterin für die Ersatzwahlen nicht zur Verfügung steht, ging fast hörbar ein Aufatmen durch die bürgerlichen Reihen.

« B ü r g e r l i c h » a l s Q u a l i t ä t s z e i c h e n ? // Jetzt trumpfte die FDP mit ihrem Kandidaten, Ortsbürger-Präsident Thomas Scheitlin als Anwärter für das Stadt-präsidium auf. Prompt überschlugen sich die Medien mit Lobpreisungen und Vorschusslorbeeren für den freisinnigen Kandidaten. Noch bevor der Wahlkampf richtig begonnen hatte, wurde dieser bereits als Sieger hochgejubelt. Dass sich die SP erdreistete, mit Stadt-parlamentarier Peter Dörflinger einen Gegenkandida-ten aufzustellen, wurde fast schon mit Befremden zur Kenntnis genommen. Die SVP, der es schon immer an valablen Köpfen mangelte, hatte es versäumt, rechtzei-tig einen Kandidaten aufzubauen. Sie setzt ihre Hoff-nungen auf den unbekannten Heinrich Seger, der end-lich einen Sitz für die SVP im Stadtrat holen soll. CVP und FDP sehen sich einmal mehr vereint im gemeinsamen Machtanspruch. Die CVP verzichte-te auf die Kandidatur für das Stadtpräsidium und un-terstützt Thomas Scheitlin – im Gegenzug für den Ver-zicht unterstützt die FDP die CVP-Stadtratskandidatur von Nino Cozzio. Mit diesem Päckli wittert man «ei-ne Riesenchance, die Sache schon im ersten Wahlgang für sich zu entscheiden». Hauptsache bürgerlich! Nach den mit Spannung erwarteten öffentlichen Auftritten der Kandidaten machte sich aber Ernüchterung breit. Von Spannung keine Spur. Mit Ausnahme von Peter Dörflinger gaben sich die Kandidaten, als seien sie be-reits gewählt. Von fortschrittlichen Ideen oder Visio-nen ist im bürgerlichen Lager wenig zu spüren. Inhalt-liche Aussagen beschränken sich – sofern vorhanden – auf veraltete Konzepte zur Förderung des Individu-alverkehrs und auf unverbindliche populistische Ver-sprechungen. Scheitlin, der die Wirtschaft geeint im Rücken wähnt, gibt sich staatsmännisch und betont oft und gerne sein Netzwerk. Zusammen mit dem eher kon-tur- und konzeptlosen Nino Cozzio verschanzt er sich hinter dem Etikett «bürgerlich», das den Bürgern als besonderes Prädikat verkauft wird. FDP und CVP spre-chen von einer Richtungswahl, die St.Gallen vorwärts bringen und eine linksgrüne Mehrheit verhindern soll. Nur: eine solche hat in St.Gallen nie existiert und käme auch mit zwei linken Sitzen im Stadtrat nicht zustan-de. St.Gallen als bürgerliche Hochburg wird bereits in den nationalen Medien als Relikt aus vergangenen Zeiten behandelt und als Sonderfall belächelt, der mit seiner konservativen Ausrichtung den Anschluss an die modernen Städte verpasst hat. Immer mehr Exe-kutiven der Schweizer Städte sind linksgrün dominiert und agieren erfolgreicher denn je. Ungeachtet dessen spukt in den Köpfen der St.Galler Bürgerlichen im-mer noch das linke Schreckgespenst herum, zusam-men mit der Überzeugung, dass es reiche, den Bürgern veraltete Konzepte und eine aufs reine Bewahren und Verwalten ausgerichtete Politik zu verkaufen – Haupt-sache bürgerlich. Was St.Gallen jetzt braucht, sind dynamische, aufgeschlossene und urban denkende Persönlichkei-ten wie Peter Dörflinger, die moderne Konzepte ver-treten. Solche Konzepte sind – entgegen allen Behaup-tungen – im bürgerlichen Lager nicht auszumachen.

St.Gallen wählt: Rückschritt oder Fortschritt?

Von Ariana Krizko, SP-Parteisekretärin,St.Gallen

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Steuerfetischismus ohne Ende?

In den kommenden Monaten stehen wichtige Auseinandersetzungen an: Wollen wir alle freien Mittel des Kantons in den Schlund des Molochs Steuerwettbewerb stopfen? Oder investieren wir intelligent in die übrigen Standortfaktoren?

Die Revision des st.gallischen Steuergesetzes, über die am . September abgestimmt wird,

bringt den wirtschaftlich Schwächeren und den Fa-milien Brosamen, den gewinnstarken Unternehmen und den Reichen dafür fette Steuersparbrocken. Zur Kompensation der jährlich wiederkehrenden Ertrags-ausfälle werden alle Goldmillionen eingesetzt. Da dies bei weitem nicht ausreicht – es fehlen immer noch fast Mio. Franken jährlich! – soll gleich der nächste Topf angezapft werden: Mit der Umsetzung des Neuen Fi-nanzausgleichs (NFA) zwischen Bund und Kanton fliessen ungebundene Gelder in den Kanton St.Gallen. Die Höhe hängt noch von den Entscheiden der eidge-nössischen Räte ab. Alle freien Mittel sollen also für die Steuerattraktivität für Unternehmen und Reiche investiert werden und so wirkungslos verpuffen.

D e f i z i t e b e h e b e n // Wer heute umzieht, schaut in den allerwenigsten Fällen auf den Steuerfuss. Viel wichtiger ist die Frage, ob am neuen Ort die je nach Lebenssituation spezifischen Bedürfnisse abge-deckt werden. Zieht ein Unternehmen in den Kanton St.Gallen, ist die Steuerbelastung nur ein Faktor unter vielen anderen. Viel wichtiger sind die Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur, Bildungsangebote, Nähe zur Forschung, kulturelle Angebote oder eine optima-le Gesundheitsversorgung. Insgesamt kann der Kan-ton als attraktiver Standort gelten! Die Untersuchung über die wettbewerbsstarken Standorte im Bereich Hochtechnologie setzt das Rheintal unter ‘ Regio-nen Europas auf Platz . Im Jahr zogen Unter-nehmen in den Kanton St.Gallen. Damit belegt er Platz hinter den Kantonen Zug und Schwyz. Wer heute nach Uhr mit dem öffentlichen Verkehr aus dem Oberland nach St.Gallen fahren möchte, sieht alt aus: Mit viel Glück und Umsteigen schafft man das, ohne auf der Strecke zu übernachten. Hier besteht Handlungsbedarf. Der Bildungsstandort und die Forschung verlangen konsequente Investitio-nen. Kultur schafft eine für Menschen anregende und attraktive Umgebung. Dies sind nur drei Beispiele ei-ner breiten Palette von notwendigen Massnahmen zur Stärkung des Standorts St.Gallen für alle Menschen und die Unternehmen. Die fast kindliche Fixierung der bürgerlichen Fraktionen SVP, FDP und Teilen der CVP auf den Faktor Steuern entzieht allen dringend notwendigen und wichtigen Projekten für eine breit abgestützte Standortattraktivität den finanziellen Bo-den und verunmöglicht sie.

D r o h e n d e r A b b a u // Die Unternehmen ziehen sich aus der Finanzierung des Kantons immer mehr zurück. Dies belegen die Zahlen des kantonalen Haus-halts, aber auch jüngste Zahlen aus der Stadt St.Gallen. Mit der nächsten wirtschaftlichen Schwächeperiode, die so sicher wie das Amen in der Kirche kommt, wer-den der Kantons- und die Gemeindehaushalte unter einen unglaublichen Sparzwang kommen. Die Leis-

tungen des Staates sind nicht mehr gegen-finanziert und müssen entweder zusätzlich finanziert oder abgebaut werden. Die Erfah-rungen der letzten Jahre zeigen, wer bluten muss, es sind die Schwächsten, und es wird auch der Mittelstand sein: Reduktion von So-zialleistungen, Druck auf die Prämienverbil-ligung, mehr Gebühren, höhere Kosten für kulturelle Angebote, Kostenbeteiligungen und so weiter. Die wirtschaftlich und sozial Schwächs-ten hatten schon immer Unterstützung nötig und werden weiterhin dringend darauf ange-wiesen sein. Der Mittelstand ist erstmals in dieser schwierigen Lage: War er vor wenigen Jahren noch ein sicherer Wert, hat er heute die Unterstützung der Mitteparteien verlo-ren. Die kommenden Monate werden von den harten Auseinandersetzungen geprägt sein: Behalten die Steuerfetischisten die Über-hand oder setzt sich eine Strategie der breiten Standortpflege durch? Der SP bieten sich im Wahljahr Möglichkeiten, hier die Dinge wieder ins rechte Licht zu stellen.

Von SP-Kantonsrat Peter Hartmann, Flawil

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Lieber den öffentlichen Verkehr ausbauen als die Steuern für Reiche senken.

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Karin Keller-Sutter allein zu Haus

«St.Galler Regierung lässt ihre Justizdirektorin im Regen stehen» titelte der «Tages-Anzeiger» vor Kurzem. Mittlerweile ist sie tropfnass. Denn im Kanton St.Gallen kippt das bürgerliche Lager beim Asylgesetz um wie Dominosteine.

renz zum Kampagnenstart dabei, durfte in die «Are-na» und tritt an verschiedenen Podien auf.

D a s c h r i s t l i c h e G e w i s s e n // Mitten im Som-merloch wurde Keller-Sutter auf dem falschen Fuss erwischt. Die Mehrheit der St.Galler Regierungsrät-Innen setzt sich öffentlich für zwei Nein ein. Dass sich die beiden Sozialdemokratinnen Kathrin Hilber und Heidi Hanselmann gegen die Gesetze stellen, ist selbstverständlich. Später trat CVP-Regierungsrat Pe-ter Schönenberger dem bürgerlichen Komitee von Ex-Swisscom Verwaltungsratspräsident Markus Rauh bei. Danach folgte ihm FDP-Erziehungschef Hans-Ulrich Stöckling. Das war ein Schlag ins Gesicht seiner Par-teikollegin. Prompt kam dann aber der Rüffel von Par-teipräsident Marc Mächler, der Stöckling an den Kar-ren fuhr. Stöckling tritt nun nicht öffentlich auf. Ob er das ohne das präsidiale Eingreifen getan hätte, ist ungewiss. Erstaunen lösen aber die klaren Worte von Schönenberger aus. Er macht keinen Hehl daraus, dass er von der offi ziellen Haltung seiner Partei in die-ser Frage enttäuscht ist. In einem Interview gab er zu Protokoll, «dass die Revisionsvorlage weder unseren christlichen noch den von der CVP in ihren jüngsten Verlautbarungen ebenfalls angesprochenen sozialli-beralen Wertvorstellungen gerecht wird». Die beiden Regierungsräte sind nicht die ein-zigen aus dem bürgerlichen Lager, die sich gegen die Parolen ihrer Partei stellen. Die kantonal-st.gallische CVP ist beinahe gekippt. Der Parteirat hat nur gerade mit zu Stimmen die Ja-Parole beschlossen. Neben der Regierung ist auch der St.Galler Stadtrat mehrheit-lich gegen die beiden Gesetze. Franz Hagmann und Barbara Eberhard, beide CVP, sind dem Komitee von Markus Rauh beigetreten, Elisabeth Béery dem «Ost-schweizer Komitee für Menschenrechte». Verschiede-ne kantonale und kommunale PolitikerInnen der CVP und der FDP erklären öffentlich, dass das sie beide Ge-setze ablehnen. Demgegenüber gibt es etliche FDPlerInnen, die den Slogan «Wir Liberalen» nicht im Asylbereich gelten lassen und Keller-Sutter die Stange halten. Am hart-näckigsten poltert Helga Klee, Kantonsrätin aus Bern-eck. Sie ist sich nicht zu schade, mit üblem Populismus gegen die Gesetze zu polemisieren: «Wer täglich auf den Bahnhöfen die dunklen Asylbewerber sieht, deren Ziel es ist, unsere Kinder und Jugendlichen süchtig zu machen, der erwartet endlich griffi ge Massnahmen.» Die Meinungsumfragen im Vorfeld der Abstim-mung vom . September verheissen nichts Gutes. Die auf Repression ausgerichtete und von Misstrauen ge-prägte Politik der bürgerlichen Parteien hat gewirkt. Eine Mehrheit der Bevölkerung glaubt den Argumen-ten der Blochers und Keller-Sutters. Es bleibt nun die Hoffnung, dass das Bröckeln der bürgerlichen Reihen

anhält. Ob es gelingt, die Abstimmung zu gewinnen, wird der . September zeigen. Jedenfalls werden

CVP und FDP die Quittung für ihr Nachäffen der SVP-Politik spätestens in einem Jahr bei den Na-

tionalratswahlen erhalten. Die wirklich libera-len FDP- und die sozial denkenden CVP-Wähle-rInnen werden sich in Zukunft daran erinnern, welche Parteien für welche Werte eingetreten sind.

Die St.Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter (FDP) war schon immer eine Hardlinerin in Asyl-

fragen. Im Wahlkampf vor zweieinhalb Jahren forder-te sie geschlossene Zentren für «renitente» Asylbe-werberInnen. Diese Idee musste sie klammheimlich begraben. Das Thema ist zu Recht vom Tisch. Heute eifert Keller-Sutter fl eissig Blocher nach. «links» deckte schon vor zwei Jahren auf, wie stark Bundesrat Blocher auf die Dienste der St.Galler Justizchefi n zählen kann. Am . September gelangen die menschenver-achtenden Vorlagen zum Asyl- und Ausländergesetz zur Abstimmung. Die drei grossen bürgerlichen Par-teien schlossen sich zusammen und boxten Gesetzes-texte durch, die nicht mit der Menschenrechtskonven-tion konform sind. Blocher hält sich im Abstim-mungskampf keines-wegs zurück, wie er das vorher vom Bundesrat immer verlangte. Mit viel Elan stürzte sich auch Keller-Sutter in den Abstimmungs-kampf. Sie war an der Pressekonfe-

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Von Peter Olibet,SP-Parteisekretär,St.Gallen

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Wie unsere Erziehungsbürokratie denkt

Im Bericht «Perspektiven der Volksschule» gibt der Regierungsrat Auskunft über den Stand wichtiger Reformvorhaben. Der Bericht enthüllt gleichzeitig das träge Tempo unserer Erziehungsbürokratie.

Der Bericht gibt Einblick in die Denkweise unse-res Erziehungsdepartements (ED): Man sucht

krampfhaft nach einem Weg zwischen unvereinbaren Positionen. Man klammert sich ans Althergebrachte und gibt dabei dem Druck aus dem Lager der Konser-

vativen (CVP) und Neokonservativen (SVP) nach. Auf der andern Seite will man die Forderungen der Wirt-schaft nach einer Modernisierung der Schulen berück-sichtigen. Die Folgen sind unerfreulich: Reformen und Neuerungen werden nur halbherzig vorangetrieben. Verwirklicht wird nur, was der Wirtschaft direkt nützt. Pädagogische Anliegen blieben auf der Strecke.

Z u v i e l e K o n z e s s i o n e n n a c h r e c h t s // Stich-wort Tagesstrukturen (Blockzeiten, Mittagstisch): Dass sich die Schule dem Wandel in Wirtschaft und Gesell-schaft anpassen muss, sieht auch die Regierung. Be-sonders wichtig sind Tagesstrukturen. Im Bericht wer-den Blockzeiten und Mittagstische sogar als «Schritte in der Richtung einer vormittags und nachmittags ge-

gliederten Tagesstruktur im Sinne einer Tagesschule» gesehen. Das sind ganz neue Töne. Doch die Wirklich-keit sieht anders aus. In Schulversuchen werden bloss Modelle getestet, die von der Note «gerade noch knapp akzeptabel» bis zu «völlig ungenügend» reichen. Die pädagogischen Möglichkeiten, die ausgebaute Tages-strukturen bieten, haben in solchen Modellen keinen Platz. Das ist eine Konzession an CVP und SVP, die in den lokalen Schulbehörden und im Kantonsrat domi-nieren. Der politische Wille, als richtig erkannte Lö-sungen auch gegen Widerstände durchzusetzen, fehlt gänzlich. Stichwort Pisa-Studie: «Der enge Zusammen-hang zwischen sozialer Herkunft und Leistung ist be-sorgniserregend», steht im Bericht bei der Würdigung der St.Galler PISA-Resultate, verbunden mit der Ein-sicht, dass besonders bei der Förderung der schwächs-ten Schülergruppe Handlungsbedarf bestehe. Dabei bleibt es. Seiten weiter hinten gibt es einen Abschnitt über die «Förderung von Kindern mit Schulschwierig-keiten». Dort heisst es: «Studien zeigen auf, dass Schü-lerinnen und Schüler mit Schulschwierigkeiten bessere Lernfortschritte machen, wenn sie in Regelklassen un-terrichtet und zusätzlich gefördert werden.» Und was ist die Konsequenz aus dieser Einsicht? «Kleinklassen (und natürlich Separation auf der Oberstufe) haben nach wie vor ihren Stellenwert.» Kommentar überflüs-sig. Nach dem gleichen Muster wird der Unterricht von Kindern mit Migrationshintergrund in ihrer Mutter-

sprache abgehandelt: Die po-sitiven Auswirkungen werden gewürdigt, die Kinder werden «zum Besuch des Unterrichts ermuntert». Zu mehr reicht es nicht.

A l l e s b l e i b t , w i e e s i s t // Nach der Veröffentlichung des Berichts wurde in der Öffent-lichkeit praktisch nur über ei-nen bestimmten Teil disku-tiert: über die Prognosen zur Entwicklung der SchülerIn-nenzahlen – Klassen weni-ger in den nächsten zehn Jah- ren. Das tönt spektakulär und liefert Stoff für Schlagzeilen. Doch als Planungsgrundlage für die Entwicklung der Volks-schule geben diese Zahlen we-

nig her, denn sie zeigen nicht, wo es zur Schliessung von Klassen oder gar Schulen kommen wird. Wir wis-sen nicht, wo wie viele Lehrkräfte in diesen zehn Jah-ren pensioniert werden, wo es zu viele und wo es zu we-nige LehrerInnen haben wird. Um die Arbeit an den verschiedenen kantona-len Projekten zu koordinieren, wurde im ED eine Koor-dinationsstelle geschaffen. Die Stelle wurde nicht aus-geschrieben, sie wurde intern besetzt. Das überrascht, nachdem auch das Rektorat der Pädagogischen Hoch-schule intern vergeben wurde, niemanden. Vielleicht kann es das ED richten, dass auch der Nachfolger von Regierungsrat Stöckling intern gefunden wird. Dann könnte ja alles bleiben, wie es ist. Auch eine Perspekti-ve für unsere Volksschule! Hansueli Baumgartner

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Spanienkämpfer Walter Wagner: ‹Ich würde es wieder tun›

Mit dem St.Galler Walter Wagner ist einer der letzten Zeitzeugen des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) gestorben.

Walter Wagner war Jahre alt, als er am . Juni im bernischen Bätterkinden starb. Er war einer jener

gut achthundert SchweizerInnen, die / in Spani-en auf der republikanischen Seite gegen Franco kämpf-ten. Über seine Erfahrungen in diesem für die Linke bedeutsamen Krieg hat er an einer Veranstaltung der SP St.Gallen im Jahr referiert. Damals bekannte er

dem Publikum: «Ich würde es wieder tun.» Dies obwohl ihm sein antifaschistisches Engagement viele Nachtei-le eingetragen hat. Er wurde vom Divisionsgericht we-gen fremdem Militärdienst zu vier Monaten Gefängnis verurteilt und durfte ein Jahr lang nicht mehr wählen, was ihn besonders empörte. Über zwanzig Jahre lang wurde er vom Staatsschutz verfolgt und fichiert. Die Spanienkämpfer galten generell als Kommunisten im Dienste Moskaus. Noch heute sind sie nicht voll reha-bilitiert.

A n d e r U n i f ü r R e v o l u t i o n ä r e // Wagner war in ärmlichen Verhältnissen in Flawil aufgewachsen. Sein Vater, ein Textilfärber, gehörte zu den Gründern der SP Flawil. Als er nach St.Gallen zog, trat er der Kommunistischen Partei bei. Er bewunderte die Dy-namik der Sowjetunion und wollte den Sozialismus verwirklichen. Aktive wie ihn konnte die kleine KP in der Ostschweiz brauchen. Eine grosse Chance bot sich ihm, als er eine Ausbildung an der Leninschule in Mos-kau absolvieren konnte. Das war nur wenigen Schwei-zern vergönnt. – studierte er an dieser «Uni für Revolutionäre». Dabei lernte er aber auch die Kehrseite des stalinistischen Regimes kennen. Hier kamen ihm die ersten Zweifel an dieser Art Kommunismus. zog er dann in den Spanienkrieg. Für über-zeugte Antifaschisten wie ihn war die Teilnahme Pflicht. Es galt zu verhindern, dass nach Mussolini und Hitler in einem weiteren Land der Faschismus siegte. Im Hauptquartier der Internationalen Brigaden in Al-bacete war Wagner der erste Chef des Schweizer Kader-service. Bei den kommunistischen Führern galt er aber wegen seiner Eigenständigkeit bald als unzuverlässig. Darauf ging an die Front und machte die fürchterlichen Schlachten bei Teruel und am Ebro mit, wo Tausende im Geschosshagel der Francotruppen und ihrer deut-schen und italienischen Helfershelfer umkamen. Nur mit viel Glück entrann er dieser Hölle.

S o z i a l i s t g e b l i e b e n // Nach dem Spanienkrieg hatte er sich innerlich vom Stalinismus verabschie-det. Zu viel hatte er vom schmutzigen Krieg Stalins ge-gen die Anarchisten in Madrid und Barcelona gehört, als dass er einer moskauhörigen Partei noch hätte ver-trauen können. trat er der SP bei, blieb dort aber ein Linksaussen. Ohne dass er dies angestrebt hätte, wurde er auf einer linken Liste in den Gemeinderat der Stadt St.Gallen gewählt, wo er eine Amtsdauer lang Mitglied war. Bei der Brauerei Schützengarten fand er seine erste dauerhafte Stelle im Leben, er schrubbte Bierfässer sauber. Als ihm ein Posten als VHTL-Se-kretär in Luzern angeboten wurde, sagte er zu und zog in die Innerschweiz. Auch dort war er vier Jahre lang im Kantonsrat. Bis weit ins hohe Alter besuchte Wagner die Ver-sammlungen der SP Bätterkinden. Allerdings inte-ressierten ihn mehr die welt- als die lokalpolitischen Themen. Über seine Erfahrungen im Spanienkrieg re-ferierte er mehrmals öffentlich, letztmals in Zü-rich. Bis ans Lebensende blieb er ein überzeugter So-zialist: «Auch der Untergang des real existierenden Sozialismus kann meine Hoffnung auf einen mensch-lichen, demokratischen Sozialismus nicht zerstören», bekräftigte er stets. Über sein Leben wird nächstes Jahr ein Buch erscheinen. Ralph Hug

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Walter Wagner als Brigadist im Sommer 1938 am Ebro.

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Die Schande vom Toggenburg

SP-Nationalrat Paul Rechsteiner sprach an der Asyl-Kundgebung vom 1. Sep-tember in St. Gallen über Blocher, die «Schande vom Toggenburg» und das Gift des Fremdenhasses. Im Folgenden ein Auszug aus der Rede.

Wir erleben in der Schweiz nun seit Jahrzehnten fremdenfeindliche Wellen. Anfangs der er Jah-

re richtete sich der Ausländerhass gegen die Italiener, in der Ära Schwarzenbach. In den er Jahren ging es gegen die Tamilen, dann gegen die Menschen aus Ex-Jugoslawien. Und jetzt in erster Linie gegen Farbige, Schwarze. Die Sündenböcke haben gewechselt, das Gift der Fremdenfeindlichkeit ist geblieben. Und doch hat sich etwas geändert, etwas Ent-scheidendes verändert. Ist es vorstellbar, dass ein Hetzer wie Schwarzenbach zum Bundesrat gewählt worden wäre? Was unterscheidet Blocher von Schwar-zenbach? Blocher war die wichtigste Stütze des Ras-sistenregimes von Südafrika, des Apartheidregimes in der Schweiz. Es gibt heute niemanden in der Schweiz, der seine ganze politische Karriere so wie Blocher auf der Ausländerfeindlichkeit aufgebaut hat, den Frem-denhass ausgebeutet und Minderheiten systematisch verhöhnt hat. Und genau dieser Mann, der bis heute vor Lügen und Verleumdungen nicht zurückschreckt, trägt als Justizminister die Hauptverantwortung für die neuen Gesetze.

B l o c h e r s H e l f e r s h e l f e r // Aber was wäre Blocher für sich allein? Null und nichts. Er brauchte Gehilfen, Helfershelfer in der Politik und den Medien, um in den Bundesrat zu kommen, und er brauchte bürgerliche Helfer, Anpasser und Mitläufer im Bundesrat und Par-lament, auch bei der Mehrheit der Ostschweizer Par-lamentarier, um diese neuen Gesetze durchzusetzen. Die FDP und die Mehrheit der CVP haben sich mit die-sen Blocher-Gesetzen eine schwere Verantwortung aufgeladen. FDP-Präsident Pelli, der sich so gerne auf seine Liberalität beruft und trotzdem Blocher gestützt hat, redet sich damit heraus, dass die Ausländer- und Asylfrage ein Randthema sei. Herr Pelli, die Grund-rechte sind kein «Randthema»! Das Gift des Fremdenhasses hat auch die Ost-schweiz, den Kanton St.Gallen erreicht. Denken wir an den Einbürgerungsskandal von Rheineck. Denken wir an den Rassismus im Toggenburg. Wie der Arzt von Unterwasser mit seiner Frau, einer Krankenschwester aus Zimbabwe, attackiert, verleumdet, verhöhnt wird,

in einer widerwärtigen Kampagne von SVP und «Welt-woche», bis sie die Schweiz in diesem Sommer verlas-sen haben. Und die Behörden, angefangen bei Frau Kellers Departement bis hin zum SVP-nahen Untersu-chungsrichter und dem Staatsanwalt haben zu diesen infamen Vorgängen nichts Brauchbares zu sagen. Die Schande vom Toggenburg ist auch eine Schande der St.Galler Behörden.

L e b e n d i g e r W i d e r s t a n d // Aber es gibt im Kan-ton St.Gallen auch das Gegenstück, einen lebendigen Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassis-mus. Nicht nur im Solidaritätsnetz, sondern einen le-bendigen Widerstand in den Kirchen, von mutigen Medienschaffenden und auch bei anständigen Bürger-lichen. – Paul Grüninger war ein St.Galler. Es ist die-ser Widerstand, es sind diese Bewegungen, die Spiel-räume öffnen. Die Paragraphen aus Bern entscheiden zum Glück nicht alles. Die Schweiz war einst ein armes Land, ein Auswanderungsland. Seit es der Schweiz wirtschaft-lich besser geht, ist sie ein Einwanderungsland. Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Erfolgsmodell Schweiz ist zu einem schönen Teil den Migrantinnen und Migranten erster, zweiter und dritter Generation zu verdanken, die die Schweiz mit zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Man muss es laut sagen: Die Schweiz hat – im positiven Sinne – in den letzten Jahrzehnten eine gewaltige Integrationsleistung voll-bracht. Nicht zu ihrem Schaden. Aber: Man kann eine Gesellschaft nicht inte-grieren, wenn man die Immigration für politische Zwecke instrumentalisiert und die Ängste der Men-schen schürt. Ist es ein Zufall, dass genau die Partei-en, die diese Abschreckungsgesetze verantworten, gleichzeitig den Abbau bei der AHV betreiben, die He-raufsetzung des Rentenalters fordern, die Senkung der Renten, den Abbau bei der Arbeitslosenversicherung, und dadurch die Nöte und Ängste derjenigen, die auf das soziale Netz angewiesen sind, noch verstärken? Zwischen dem politischen Geschäft mit der Fremden-feindlichkeit und der Politik des Sozialabbauer besteht ein Zusammenhang. Wenn wir die Blocher-Gesetze bekämpfen, egal wie die Umfragen lauten, dann kämpfen wir auch da-rum, in welcher Schweiz wir leben. Die Schweiz ist in den letzten Jahren farbiger geworden. Die Menschen lassen sich nicht mehr vorschreiben, mit wem sie leben und wen sie heiraten wollen. Die Realität ist stärker als der Beton in den Köpfen. Wie auch immer das Resultat am . September ausfällt: Der Widerstand gegen eine solche Politik zählt – und er lohnt sich.

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Von SP-National-rat Paul Rechsteiner,St.Gallen

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Die SP war massgeblich daran beteiligt, dass die kantonale Spitalpolitik mittlerweile nicht mehr

von Wirren geprägt ist. Die Spitalschliessungen sind vom Tisch. Schon und sollten im Rahmen von Sparmassnahmen verschiedene Spitäler geschlossen werden. Diese Vorhaben stiessen damals auf breite Ablehnung. Im Zuge der Spitalreform Quadriga wur-de die Politik entmachtet und die neugeschaffe-nen Verwaltungsräte bekamen fast uneingeschränkte Kompetenzen. Wieder unter Spar- und neu auch un-ter Konkurrenzdruck suchten die Spitalregionen nach Einsparungsmöglichkeiten. Kurz nach der Abwahl von Anton Grüninger und dem Einzug von Heidi Hansel-mann präsentierten die Verwaltungsräte ihre Strate-gien: Schliessung von Altstätten, Wattwil und Flawil!

Spitalpolitik läuft ohne Initiative besser

N e u e r K u r s m i t H e i d i H a n s e l m a n n // Die SP hat sich klar gegen diese Schliessungen ausgespro-chen und forderte eine Neuausrichtung der Spital-strategie. Regierungsrätin Heidi Hanselmann schaff-te innert kürzester Zeit das Unmögliche. Sie konnte das Ruder herumreissen und stampfte Quadriga II aus dem Boden. Die einzelnen Verwaltungsräte wurden zu Recht wieder abgeschafft. Ein neuer Verwaltungsrat unter der Führung der Gesundheitschefin übernahm das Steuer. Die Politik war somit wieder im Boot. Die Schliessungen waren vom Tisch. Die einzelnen Spitä-ler bekamen zum Teil neue Aufgaben, und andere Be-reich, so zum Beispiel die Geburtshilfe, wurden kon-zentriert. Die SP steht klar hinter dieser Neuausrichtung und hat die Spitalpolitik stark mitgeprägt. Auch Stör-manöver, wie der Gang in die Verwahrung von CVP-Regierungsrat Peter Schönenberger, konnten das Boot nicht mehr vom eingeschlagenen Weg abbringen. Die Initiative «Für unsere Regionalspitäler» – ein Resultat der Wirren vor zwei Jahren – ist mittlerweile überholt. Eine Rückkehr zum Stand vor den Spitalreformen wä-re fatal. Daher verdient diese Initiative am 24. Septem-ber an der Urne ein klares Nein. (sp)

Die Spitalinitiative, die am 24. Sep-tember zur Abstimmung kommt, ist ein Relikt aus früheren Zeiten und läuft quer zur neuen Spitalpolitik.

R u h i g m a l a b w e i c h e nBin eigentlich schon immer selber ein sehr linientreues jahrzehntelanges SP-Mitglied, aber nicht aus Prinzip, sondern weil ich die SP-Meinung halt meistens gut finde. Trotzdem plädiere ich natürlich sehr dafür, dass man ruhig auch mal von der Parteimeinung abwei-chen darf. Sonst haben wir ja den berühmten Hitler-Effekt, den wohl niemand ernstlich will. Die Beispiele im Artikel «Repression als Heilmittel», in dem kritisiert wird, dass Partei-exponentInnen es tatsächlich wagen, sich gegen die Parteimeinung zu stellen, sind mei-nes Erachtens gerade Paradebesipiele fürVorlagen, bei denen man getrost geteilter Mei-nung sein kann, ohne das sozialdemokratische Gesicht zu verlieren. Auch wenn ich in diesen Fragen eher Olibets Meinung bin. Viel schlim-mer finde ich höchste SP-WürdenträgerInnen, die Nationalrätinnen und MieterInnenver-bandspräsidentinnen sind und als Vermieterin selber ihre MieterInnen total ausnehmen...

Renato Werndli, Präsident SP Altstätten

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Zum Artikel «Repression als Heilmittel – auch für die SP?», links, 3.06

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Die St.Galler Regierung und der Wirtschaftsver-band Economiesuisse sind für einmal vereint und

schiessen mit schwerem Geschütz gegen die AHV-Initi-ative. «Der Schweizer Zinsbonus und die Stabilität des Schweizer Frankens stehen auf dem Spiel. Der Schwei-zer Wirtschaftsstandort und der Finanzplatz würden geschwächt», schreibt Economiesuisse in einem In-formationsblatt vom . August. Und die St.Galler Re-gierung behauptet in einer Medienmitteilung vom 16. August: «Wird die Kosa-Initiative angenommen, ent-gehen dem Kanton St.Gallen künftig jedes Jahr Ein-nahmen von Millionen Franken. Ein Ertragsausfall von Millionen Franken hätte Ausgabenkürzungen, also Leistungsabbau, zur Folge oder eine Erhöhung des Staatssteuerfusses; denkbar wäre auch eine Kom-bination beider Massnahmen.»

B r e i t e U n t e r s t ü t z u n g // Was ist das für eine In-itiative, die die beiden Gremien zu solch gewagten, wenn nicht gar falschen Aussagen bewegt? Es ist ei-

Handeln statt jammern: Ja zur AHV-Initiative!

Die Kosa-Initiative zur Sicherungunserer AHV mit Nationalbank-Gewinnen ist einleuchtend und verdient am 24. September unser Ja.

ne Initiative, die laut Umfragen beim Volk auf breite Unterstützung zählen kann, denn sie ist absolut ein-leuchtend. Sie verlangt, dass künftig der Reingewinn der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in den AHV-Fonds fliesst, wobei eine Milliarde des Gewinns den Kantonen gehören soll. Seit erzielte die SNB einen durchschnittlichen Reingewinn von , Mrd. Franken jährlich. Dass dies auch künftig so sein wird, bestätigt der Halbjahresgewinn von , der mit , Mrd. Fran-ken ausgewiesen wird. Bei einem Vermögen von über Mrd. Franken ist ein Gewinn von bis Mrd. Fran-ken auch bei einer schwierigen Wirtschaftslage rea-listisch. Nach Abzug der Rückstellungen und der Kan-tonsmilliarde kann die AHV mit bis Mrd. Franken jährlich rechnen. Bis in die späten er-Jahre schüttete die SNB keinen Franken aus, sondern legte die gesamten Ge-winne als Reserven an. Die Kantone kamen nie auf die Idee, einen Anteil an diesen Gewinnen zu fordern. Die SNB-Reserven wurden dadurch unsinnig hoch, wie ein Gutachten von Prof. Thomas von Ungern-Sternberg von deutlich machte. wurden erstmals mage-re Mio. Franken ausgeschüttet, davon Mio. Fran-ken an die Kantone. Erst ab wurden grössere Sum-men ausbezahlt mit dem Verteilschlüssel / Kantone, / Bund. Der Betrag wurde auf ’ Mio. Franken angehoben. Wie viel ausgeschüttet wird, wird übrigens völlig undemokratisch in einer Abmachung zwischen dem Direktorium der SNB und dem Chef des EFD fest-gelegt! wurde der Betrag auf , Mrd. Franken hinauf gesetzt, interessanterweise gerade nach der Lancierung unserer Initiative! Damit sollten wohl die Begehrlichkeit der Kantone und ihre Abneigung gegen die Initiative geweckt werden. Heute sagen EFD und SNB voraus, dass in wenigen Jahren nur noch 1 Mrd. Franken zur Verteilung zur Verfügung stehen werde. Dies wäre bei einem Vermögen von über Mrd. Fran-ken eine miserable Performance und ist weder für ei-nen Laien noch eine Fachfrau verständlich. Wenn also

Von SP-National-rätin Hildegard Fässler, Grabs

Fortsetzung auf Seite 16

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AZB9000 St.Gallen

Impressum «links». // Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mindestens 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, Fax 071 222 45 91. An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Heinz Brunner, Barbara Gysi, Ralph Hug, Peter Olibet, Jonas Stillhard u.a.; Markus Traber (Gestaltung, Layout). Druck: Tschudy Druck AG, St.Gallen.

Brav und regierungstreu: Die Ausgabe vom 23. August brachte den Charakter der Informationskost aus dem Hause

«Tagblatt» auf den Punkt. Las man doch auf Seite 11 oben gross die Meinung der St. Gal-

ler Regierung zur Kosa-Initiative, und unten auf der Seite klein die Kritik des Komitees gegen das Steuergesetz. Das-selbe noch einmal auf Seite 13: oben gross die Meinung der Regierung zur Spitalinitiative, unten klein den Stand-

Der Obermerker als Pfalz-Lautsprecher

24. September Abstimmungs-Parolen der SP:national:– SP-Volksinitiative: «National- bankgewinne für die AHV» JA– Asylgesetz NEIN– Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Aus- länder (Ausländergesetz) NEIN

kantonal:– Initiative «Für unsere Regionalspitäler» NEIN– II. Nachtrag zum Steuergesetz NEIN

SP Stadt St.Gallen24. September, ab 16 Uhr Wahlfeier mit Peter Dörfl inger, Splügeneck30. September, 11 Uhr, Stamm, Restaurant Hintere Post28. Oktober, 11 Uhr, Stamm, Restau-rant Hintere Post

30. Oktober, 20 Uhr Mitgliederver-sammlung, Restaurant Hintere Post

SP Wil12. November, Spielfest

SP Flawil28. September, 20 Uhr, Mitglieder-versammlung, Restaurant Steinbock25. Oktober, 20 Uhr, Mitgliederver-sammlung, Restaurant Steinbock

SP St.Margrethen24. Oktober, Höck

SP Frauen Stadt St. Gallen Jeden 1. Dienstag im Monat Mittag-essen im Restaurant Marktplatz

SP Stadt St.Gallen, QuartiergruppeSt.Georgen/RiethüsliOffen für alle Interessierten: 2. Speer-Wanderung, Samstag, 23. September 2006. 2 Std. Wande-rung ab Laad (Nesslau) bis zur Hüt-te «Obere Chäseren», Anschliessend Jass-Runde oder 3/4 Std. Aufstieg zum Speer-Gipfel (einfache, unge-

fährliche Variante). Retour am Abend. Anmeldung erforderlich bis 20. Sept. 2006

SP-Vorstösse aus der Juni-Session des Kantonsrates:

Motion:Gemperle-Goldach und andere: Fördergelder ab 2007 für eine er-folgreiche Energiezukunft; Hart-mann-Flawil und andere: Standes-initiative: Harmonisierung der Be-steuerung von Kapitalleistungen

Postulate:SP-Fraktion: Talentschulen auch für künstlerisch hochbegabte Kin-der; Fässler-St.Gallen: Geschlech-terpolitik

Interpellationen:SP-Fraktion und andere: IPV Prä-mienverbilligung wohin?; Blöchlin-ger Moritzi-Abtwil: Stellenlose Pri-marlehrkräfte - Werden Massnah-men getroffen?; Blöchlinger Morit-zi-Abtwil: Lob der Volksschule – Tadel den Mittelschullehrkräften?;

Impressum «links». // Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mindestens 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, Fax 071 222 45 91. An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Heinz Brunner, Barbara Gysi, Ralph Hug, Ariana Krizko, Peter Olibet u.a.; Markus Traber (Gestaltung, Layout). Druck: H. Tschudy & Co. AG, St.Gallen.

AZB9000 St.Gallen

S e r v i c eLinks Nr. 5/2006 Redaktionsschluss: 31. Oktober 06Erscheinen: 24. November 06

Colombo-Rapperswil: Streichung Schwerpunktfach Latein an den Kantonsschulen Wattwil und Heer-brugg; Hartmann-Flawil, Her-mann-Rebstein und andere: Öffentliche Ausschreibung der Buslinien im Sarganserland II; Hartmann-Flawil und andere: Kein Steuerwettbewerb auf Kosten der Nachbarkantone; Hermann-Reb-stein: Vaterschaftsurlaub – St.Gal-len kann es; Schrepfer-Sevelen: Lehrstellen immer früher vergeben

heute die St.Galler Regierung davon spricht, nur noch rund Mio. Franken jährlich statt Mio. Franken zu bekommen, so unterschlägt sie einerseits, dass sie seit Ausschüttungsbeginn im Durchschnitt nur knapp Mio. Franken bekommen hat, und sie teilt ander-seits die Zukunftseinschätzung von EFD und SNB of-fensichtlich nicht. Nach jener bekäme sie nämlich nur noch rund Mio. Franken, also Mio. Franken we-niger als bei Annahme der AHV-Initiative! Die Haltung der St.Galler Regierung ist zudem heuchlerisch. Wäh-rend sie lauthals den Verlust von Mio. Franken be-klagt, verschweigt sie folgendes: Letztes Jahr hat un-ser Kanton durch den Golderlös auf einen Schlag Mio. Franken erhalten. Mit diesen unerwarteten Ein-nahmen kann man für lange Zeit einen Leistungsab-bau und Steuererhöhungen verhindern – wenn man

will. Ausserdem ist die Regierung schon zum dritten Mal bereit, auf Steuereinnahmen zu verzichten durch Steuersenkungen, von denen am meisten die Reichen profi tieren: Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer für direkte Nachkommen (Ausfall Mio. Franken jährlich); Inkrafttreten der Steu-ergesetzrevision (Ausfall von rund Mio. Franken al-lein für den Kanton); erneute Steuergesetzrevi-sion (Ausfall von Mio. Franken), über die wir am . September abstimmen werden – mit einem klaren Nein. Wer zu solchen Steuergeschenken bereit ist, sollte nicht jammern, sondern auch der AHV Finanz-mittel zukommen lassen. Unsere AHV-Initiative ist das einzige konkrete, sofort umsetzbare Projekt zur Si-cherung der AHV-Leistungen auf Jahre hinaus. Sie ver-dient ein deutliches Ja am . September!

punkt der Initianten. Was von der Regierung kommt, ist der Redaktion heilig. Es kann nicht falsch sein. Auch wenn es sich, wie im Falle der Kosa-Initiative, um reine Abstim-mungspropaganda handelt. Keine Regierung hat es me-dienmässig bequemer als unsere. Man glaubt ihr alles. Das «Tagblatt», der Lautsprecher der Pfalz? Fast könnte man es meinen. Wie wärs mit einer zeitgemässen Umtaufung? Pfalzblatt statt Tagblatt. Tönt nicht schlecht – und wäre erst noch näher an der Wahrheit.

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