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1 links 1.10 Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Editorial // Die SP hat in den letzten Jahren mehrfach vor den katastrophalen Auswirkungen der bürgerlichen Steuerpolitik gewarnt. Die An- fang Jahr vorgestellten, desaströsen Finanzaussichten des Kantons geben uns Recht. Grund zum Jubeln ist das wahrlich keiner. Denn was nun an Spar- massnahmen bevorsteht, wird alle treffen. Und wie üblich trifft es die mittleren und tieferen Einkommen, die auf einen gut funktionierenden Ser- vice Public angewiesen sind, besonders hart. Die bürgerliche Steuerpolitik der letzten Jahre kannte nur eine Maxime: Im Steuerwettbewerb mit den anderen Kantonen Ränge gut machen. Die be- schlossenen Steuererleichterungen bescheren dem Kanton mittlerweile einen jährlichen Steuerausfall von 450 Mio. Franken. Zwar werden dadurch auch mittlere und tiefere Einkommen ein wenig entlastet, insbesondere für Fami- lien reduziert sich die Belastung. Aber am meisten profitiert, wer einige hunderttausend Franken verdient, ein grosses Vermögen hat, eine teure Lie- genschaft besitzt oder dessen Unternehmen hohe Gewinne abwirft. Die St.Galler Strategie, durch besondere Steuergeschenke neue, gute Steuerzah- lende anzulocken und damit die entstehenden Löcher zu stopfen, ging gehörig daneben. Ein wenig mehr Augenmass bei diesen zusätzlichen Sonder- entlastungen für Reiche und Unternehmen, und das Loch in der Kasse wäre nicht entstanden. Bei der nun angekündigten Verzichtsplanung wird die SP genau darauf achten, wo der Hebel angesetzt wird. Wir verlangen, dass die Bereiche klar benannt werden und nicht ein diffuser, schleichender Leistungsabbau beginnt. Die Rücknahme der Steuerprivilegien darf kein Tabu sein. Sonst zahlt das Gros der Bevölkerung die Privilegien der Reichen. Claudia Friedl, Parteipräsidentin Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Inhalt Februar 2010 // Nr. 1 2 Finanzloch im Kanton St.Gallen 4 Integration mit A.I.D.A.: ein Erfolg 5 Nein zum Rentenklau am 7. März 6 Oberriet, Hochburg der SVP 8 Boni nun auch für Professoren? 9 VBSG: Die Privatisierung rollt an 11 Bessere Luft für St.Gallen Die Laufburschen der IHK Die Tripartite Kommission des Kantons St.Gallen lässt Lohndumping bis zu 20 Prozent unter den Referenzlöhnen zu. Ein schweizweit ein- zigartiger Skandal. A m liebsten hätten sie den Entscheid unter dem Deckel gehalten. Im November setzten die Ver- treter des Kantons und derjenige der Arbeitgeber in der Tripartiten Kommission gegen den Widerstand der Gewerkschaften durch, dass sie erst dann gegen Lohndumping aktiv werden müssen, wenn die Gehäl- ter um mehr als 20 Prozent unter dem Referenzlohn lie- gen. Der Entscheid, der das ganze System der flankie- renden Massnahmen unterläuft, sollte auf keinen Fall bekannt werden. Das Rezept dazu: Man veröffentlicht in einer Medienmitteilung ein paar belanglose Zah- len und verschleiert den heiklen Punkt mit vagen For- mulierungen. Das Communiqué, das die Staatskanz- lei am 10. November verschickte, ist ein Paradebeispiel dafür. Der Titel lautete schönfärberisch: «Flankierende Massnahmen greifen». Die Kommission habe ihre Stra- tegie zum künftigen Vollzug der flankierenden Mass- nahmen zur Personenfreizügigkeit erarbeitet, hiess es darin weiter. Zu vermelden gab es offenbar nur posi- tive News: So sei bisher in keiner Branche wiederholt Lohndumping festgehalten worden. «Rabatt» von 20 Prozent? // Alles bestens im Kanton St.Gallen? Im Communiqué gab es einen Satz, der zeigte, dass die Kontrollen längst nicht so strikt er- folgen, wie vermeldet, und die Resultate entsprechend geschönt waren – aber nur, wenn man den Text mit der Lupe las. Dort stand nämlich, ein Verfahren wer- de konsequent durchgeführt, sofern die überprüften Löhne «ohne besondere Gründe massgeblich» vom Re- ferenzlohn abweichen. Doch was bedeutet massgeblich? Der Präsident der Tripartiten Kommission, Thomas Pleuler, wollte damals keine Prozentzahl herausrü- cken. Es gebe eine «Bandbreite», wie gross diese sei, bleibe intern, erklärte er. Zwei Wochen nach dem Communiqué wurde das Thema breit lanciert. SGB-Präsident Paul Rechsteiner schrieb im «Tagblatt» unter dem Titel «Lohndumper- Kanton St.Gallen» Klartext. Nach der neuen St.Galler Definition liege ein Missbrauch erst dann vor, wenn der Vergleichslohn um mehr als 20 Prozent unterschritten wird. Das bedeute, dass Unternehmen im Kanton Umdenken, Herr Keller: Die Gewerkschaften protestierten am 8. Februar vor dem St.Galler Volkswirtschaftsdepartement. Bild links

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

E d i t o r i a l // Die SP hat in den letzten Jahren mehrfach vor den katastrophalen Auswirkungen der bürgerlichen Steuerpolitik gewarnt. Die An-fang Jahr vorgestellten, desaströsen Finanzaussichten des Kantons geben uns Recht. Grund zum Jubeln ist das wahrlich keiner. Denn was nun an Spar-massnahmen bevorsteht, wird alle treffen. Und wie üblich trifft es die mittleren und tieferen Einkommen, die auf einen gut funktionierenden Ser-vice Public angewiesen sind, besonders hart. Die bürgerliche Steuerpolitik der letzten Jahre kannte nur eine Maxime: Im Steuerwettbewerb mit den anderen Kantonen Ränge gut machen. Die be-schlossenen Steuererleichterungen bescheren dem Kanton mittlerweile einen jährlichen Steuerausfall von 450 Mio. Franken. Zwar werden dadurch auch mittlere und tiefere Einkommen ein wenig entlastet, insbesondere für Fami-lien reduziert sich die Belastung. Aber am meisten profitiert, wer einige hunderttausend Franken verdient, ein grosses Vermögen hat, eine teure Lie-genschaft besitzt oder dessen Unternehmen hohe Gewinne abwirft. Die St.Galler Strategie, durch besondere Steuergeschenke neue, gute Steuerzah-lende anzulocken und damit die entstehenden Löcher zu stopfen, ging gehörig daneben. Ein wenig mehr Augenmass bei diesen zusätzlichen Sonder-entlastungen für Reiche und Unternehmen, und das Loch in der Kasse wäre nicht entstanden. Bei der nun angekündigten Verzichtsplanung wird die SP genau darauf achten, wo der Hebel angesetzt wird. Wir verlangen, dass die Bereiche klar benannt werden und nicht ein diffuser, schleichender Leistungsabbau beginnt. Die Rücknahme der Steuerprivilegien darf kein Tabu sein. Sonst zahlt das Gros der Bevölkerung die Privilegien der Reichen. Claudia Friedl, Parteipräsidentin

Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

I n h a l t Februar 2010 // Nr. 1 2 Finanzloch im Kanton St.Gallen 4 Integration mit A.I.D.A.: ein Erfolg 5 Nein zum Rentenklau am 7. März 6 Oberriet, Hochburg der SVP 8 Boni nun auch für Professoren? 9 VBSG: Die Privatisierung rollt an11 Bessere Luft für St.Gallen

Die Laufburschen der IHKDie Tripartite Kommission des Kantons St.Gallen lässt Lohndumping bis zu 20 Prozent unter den Referenzlöhnen zu. Ein schweizweit ein-zigartiger Skandal.

Am liebsten hätten sie den Entscheid unter dem Deckel gehalten. Im November setzten die Ver-

treter des Kantons und derjenige der Arbeitgeber in der Tripartiten Kommission gegen den Widerstand der Gewerkschaften durch, dass sie erst dann gegen Lohndumping aktiv werden müssen, wenn die Gehäl-ter um mehr als 20 Prozent unter dem Referenzlohn lie-gen. Der Entscheid, der das ganze System der flankie-renden Massnahmen unterläuft, sollte auf keinen Fall bekannt werden. Das Rezept dazu: Man veröffentlicht

in einer Medienmitteilung ein paar belanglose Zah-len und verschleiert den heiklen Punkt mit vagen For-mulierungen. Das Communiqué, das die Staatskanz-lei am 10. November verschickte, ist ein Paradebeispiel dafür. Der Titel lautete schönfärberisch: «Flankierende Massnahmen greifen». Die Kommission habe ihre Stra-tegie zum künftigen Vollzug der flankierenden Mass-nahmen zur Personenfreizügigkeit erarbeitet, hiess es darin weiter. Zu vermelden gab es offenbar nur posi-tive News: So sei bisher in keiner Branche wiederholt Lohndumping festgehalten worden.

« R a b a t t » v o n 2 0 P r o z e n t ? // Alles bestens im Kanton St.Gallen? Im Communiqué gab es einen Satz, der zeigte, dass die Kontrollen längst nicht so strikt er-folgen, wie vermeldet, und die Resultate entsprechend geschönt waren – aber nur, wenn man den Text mit der Lupe las. Dort stand nämlich, ein Verfahren wer-de konsequent durchgeführt, sofern die überprüften Löhne «ohne besondere Gründe massgeblich» vom Re-ferenzlohn abweichen. Doch was bedeutet massgeblich? Der Präsident der Tripartiten Kommission, Thomas Pleuler, wollte damals keine Prozentzahl herausrü-cken. Es gebe eine «Bandbreite», wie gross diese sei, bleibe intern, erklärte er. Zwei Wochen nach dem Communiqué wurde das Thema breit lanciert. SGB-Präsident Paul Rechsteiner schrieb im «Tagblatt» unter dem Titel «Lohndumper-Kanton St.Gallen» Klartext. Nach der neuen St.Galler Definition liege ein Missbrauch erst dann vor, wenn der Vergleichslohn um mehr als 20 Prozent unterschritten wird. Das bedeute, dass Unternehmen im Kanton

Umdenken, Herr Keller: Die Gewerkschaften protestierten am 8. Februar vor dem St.Galler Volkswirtschaftsdepartement.

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St.Gallen 20 Prozent weniger bezahlen dürfen als sie eigentlich müssten. Dies sei «nichts anderes als so-ziale Brandstiftung», zog Rechsteiner vom Leder. Dass die neoliberalen Ultras von der St.Galler Industrie- und Handelskammer gegen die flankierenden Mass-nahmen zum Schutz der Löhne seien, sei nichts Neues. Dass sich nun aber auch die St. Galler Behörden die-ser arbeitnehmerfeindlichen Politik anschlössen und den Lohndruck propagierten, zeige, «dass sie entweder den Kopf verloren haben oder nicht mehr wissen, wel-che Gesetze bei uns gültig sind». Die St.Galler Behörden seien «aber nicht die Laufburschen der Industrie- und Handelskammer», wetterte Rechsteiner. Falls sie die unverantwortlichen Entscheide nicht von selber wie-der rückgängig machen, brauche es eine Bundesinter-vention. Zu viel stehe auf dem Spiel.

S t . G a l l e n a l l e i n a u f w e i t e r F l u r // Der Rabatt von 20 Prozent ist tatsächlich eine St.Galler Erfindung, bei der sich die Arbeitgebervertreter in der Kommis-sion, FDP-Nationalrat Walter Müller und IHK-Direk-tor Kurt Weigelt, durchgesetzt haben. Dies belegt eine Umfrage des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.

St.Gallen sei der einzige Kanton, der einen Rabatt ein-geführt habe, sagt SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Es gebe zwar Unterschiede bei der Festlegung der Re-ferenzlöhne. In einigen Kantonen würden dafür eigens erstellte Statistiken herangezogen, in anderen orien-tiere man sich am sogenannten Aargauer Lohnbuch. Der Kanton Zürich schlage beispielsweise 10 Prozent auf die Gehälter im Lohnbuch, die anderen übernäh-men die Empfehlungen 1:1. Es gebe keinen Kanton wie St.Gallen, der einen solchen «Abschlag» eingeführt ha-be, kritisiert Lampart. Seit Ende 2009 köchelt das Thema vor sich hin. In verschiedenen Leserbriefen wurde der behördliche Freibrief für Lohndumping angeprangert. Die SP reichte dazu eine Interpellation ein und verlangte von der Regierung Auskunft, wieso die Vertreter der öffent-lichen Hand einer Toleranzgrenze zugestimmt hätten, «die Lohndumping geradezu herausfordert». Vorläufig herrscht Schweigen im Walde. Die Antwort der Regie-rung steht noch aus. Offenbar hofft sie, das Staatsse-kretariat für Wirtschaft nehme ihr die heikle Aufga- be ab, in der Tripartiten Kommission für Remedur zu sorgen. (akn)

Das St.Galler Finanz- loch ist hausgemacht

Die falsche Steuerpolitik der Bürgerlichen hat den Kanton St.Gallen an den Rand des Abgrunds gebracht. Es droht der finanzielle Absturz.

Die bürgerliche Steuerpolitik der vergangenen Jah-re bestand darin, laufend die Steuern zu senken.

Angefangen hat es mit der Abschaffung der Erbschafts-steuer für direkte Nachkommen im Jahre 1997. Damit entgehen dem Kanton pro Jahr ungefähr 20 Mio. Fran-ken. Die Entlastung kommt ausschliesslich den Gutbe-tuchten zugute, denn kleine Erbschaften wurden gar nicht besteuert. Zweimal wurde der Steuerfuss um 10% gesenkt. Dazu kamen massive Entlastungen für die Wirtschaft und für Grossverdienende. Die Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen sind verheerend. Die SP hat das letzte Steuersenkungspaket im Kantonsrat bekämpft und der bürgerlichen Mehr-heit vorgerechnet, dass in den Jahren 2011 und 2012 rund 150 Mio. Franken in der Kasse fehlen würden. Sie hat sich verrechnet, das Loch ist noch grösser: Es feh-len je 180 Mio. Franken. Als Folge der verschiedenen Steuersparrunden nimmt der Kanton pro Jahr 450 Mio. Franken weniger ein, bei den Gemeinden sind es 276

Mio. Das zeigt, dass mit einer vernünftigeren Steuer-politik, selbst mit massvollen Steuersenkungen, das Debakel hätte verhindert werden können.

U n d e m o k r a t i s c h e « V e r z i c h t s p l a n u n g » // Für das laufende und das nächste Jahr hat die Regierung den Auftrag erhalten, einige Dutzend Millionen in ei-gener Regie wegzusparen (für 2011: 73 Mio.). Diese Art des Sparens ist politisch bedenklich, denn sie verhin-dert die demokratische Auseinandersetzung darüber, wo und wie Ausgaben gestrichen werden sollen. Und sie ermöglicht der bürgerlichen Mehrheit des Kan-tonsrats, sich aus der Verantwortung für schmerzhafte Entscheide zu stehlen. Ab 2012 sollen dann mit einer «Verzichtsplanung» die fehlenden 180 Mio. pro Jahr eingespart werden. Heute weiss noch niemand, wo und wie das geschehen soll. Es herrscht ein fröhliches Je-ka-mi. Die bürgerlichen Parteien, allen voran die SVP, schiessen sich auf Vorhaben ein, die ihnen schon lan-ge ein Dorn im Auge sind: die neue Kantonsbibliothek, das Klanghaus im Toggenburg, die Spitäler etc. Unse-re finanziellen Probleme sind also nicht eine Folge der Wirtschaftskrise, das Finanzloch ist hausgemacht. Die bürgerliche Mehrheit betreibt eine Steuerpolitik, die nur ein Ziel kennt: den Kanton finanziell aushungern, um ihn zu Sparmassnahmen und Leistungsabbau zu zwingen. Was wir in nächster Zeit zu erwarten haben, zeigt sich besonders deutlich am Verhalten von SVP-Regierungsrat Kölliker: In seinem eigenen Departe-ment bodigte er nach jahrelangen, vielversprechenden Versuchen die Basisstufe mit dem Argument «zu teu-er». Den reichen Gemeinden will er deren Einführung ermöglichen, wenn sie die zusätzlichen Kosten sel-ber tragen. Vor seinen SVP-Freunden verlangte er ei-nen harten Sparkurs (Schliessung von Spitälern) – und weitere Steuersenkungen. Für die SP ist klar, dass sie die Finanz- und Steuerpolitik der bürgerlichen Mehr-heit mit allen Mitteln bekämpfen wird. Sie will nicht

Von Barbara Gysi, Kantons-rätin und Frak-tionschefin, Wil

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länger zusehen, wie der Staat finanziell ausgehungert wird. Das aktuelle Finanzdebakel beweist einmal mehr, dass übertriebene Steuersenkungen kein Mittel sind, um einen Kanton wirtschaftlich und sozial vorwärts zu bringen: • Er kann die Bereiche nicht gezielt fördern, die von

Unternehmen bei Standortentscheiden stärker ge-wichtet werden als tiefe Steuern: qualifizierte Ar-beitskräfte, ein gut ausgebautes Bildungswesen, eine funktionierende Infrastruktur, ein attraktives Kulturangebot.

• Die Senkung der direkten Steuern erhöht das Ge-wicht der indirekten Steuern – auch das ist unso- zial, weil diese für alle gleich hoch sind.

• Der Beitrag der Wirtschaft an die Finanzierung der Staatsaufgaben ist 2009 auf einen Tiefpunkt abge-sackt, er beträgt gerade noch 10%. Die Hälfte der Unternehmen zahlt keine Steuern, in der «zah-lenden Hälfte» betragen die Steuern für die meisten weniger als 50’000 Franken. Massnahmen zur steu-erlichen Entlastung der Wirtschaft kommen also ganz wenigen Grossen zu Gute.

• Wenn Wirtschaft und Grossverdiener entlastet wer-den, muss gleichzeitig der Mittelstand stärker zur Kasse gebeten werden (vor allem auch mit indi-rekten Steuern).

Die Politik der bürgerlichen Mehrheit hat Schiff-bruch erlitten. Jetzt will sie ihre Fehler mit einer rigo-

rosen Sparpolitik ausbügeln. Damit wird sie die Wirtschaftskrise, die unseren Kanton ohnehin sehr hart trifft, verschärfen und verlängern – es sind die kleinen Leute, welche die Kosten dieser Politik zu tragen haben. Die SP verlangt Korrekturen auf der Einnahmenseite. Einige der Steuergeschenke an die Reichen und die Wirtschaft, die in den letz-ten Jahren so grosszügig verteilt worden sind, müssen zurückgefor-dert werden. Die SP-Fraktion wird im Kantonsrat entsprechende Vor-stösse einreichen. Wir machen uns keine Illusionen: Bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen werden die Anträge der Linken kaum Chancen haben. Wir müssen aber den Kampf für einen sozialen Kanton St.Gallen, auch wenn wir im Parlament unter-liegen, zusammen mit den Betrof-fenen, ihren Verbänden und den Gewerkschaften weiterführen.

Ladenschluss: Übung abbrechen

Am 22. Februar wird sich der St.Galler Kantonsrat in 2. Lesung mit der Revision des Gesetzes über Ruhetag und Ladenöffnung beschäftigen. Weil es nur noch um eine Kleinigkeit geht, rät der Gewerkschaftsbund, die Übung abzubrechen.

Als einzige Neuerung beschloss der St.Galler Kan-tonsrat Anfang Dezember in 1. Lesung, den Laden-

schluss unter der Woche von heute 19 Uhr auf 20 Uhr auszudehnen. Samstags bleibt es beim Ladenschluss um 17 Uhr, und auch einen wöchentlichen Abendver-kauf können die Gemeinden bewilligen.

Damit endet die aufwändig inszenierte Geset-zesrevision wie das Hornberger Schiessen, denn bis 20 Uhr können die Läden über die bestehenden Ausnah-mebestimmungen in Rapperswil-Jona schon heute of-fen halten. Der Beschluss entspricht bei weitem nicht mehr den Maximalforderungen der Deregulierer: Sie wollten tägliche Öffnungszeiten bis 21 Uhr und am Samstag bis 18 Uhr. Der hartnäckige Widerstand der Gewerkschaf- ten und die 1750 von der Gewerkschaft Unia gesam-melten Petitionsunterschriften zeigen ihre Wirkung. Auch die Gewerbekreise haben inzwischen eingese-hen, dass ihnen längere Öffnungszeiten lediglich mehr Kosten, aber keinen Nutzen bringen. Seit der ersten Lesung ist klar, dass nur noch hartnäckige Deregulie-rer die Ausdehnung der Öffnungszeiten wollen. Auf der anderen Seite haben Linke, die CVP und auch einige SVP-Ratsmitglieder bekannt gegeben, dass sie für das Ratsreferendum stimmen werden. Damit wird es mit grösster Sicherheit zu einem dritten Volks-Nein gegen längere Ladenöffnungszeiten kommen. Doch besser ist es, die Übung vorher abzubrechen. Kommt kein Rats-referendum zustande, wird der Gewerkschaftsbund das Referendum ergreifen. (gbsg)

Die bürgerliche Steuerpolitik er-weist sich als Geld-verschleuderungs-maschine.

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Integration mit A.I.D.A. – eine Erfolgsstory

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Von Bernadette Bachmann, St.Gallen

Integration ist in aller Munde. Wenig bekannt ist jedoch die Erfolgsgeschichte der Deutschkurse von A.I.D.A. in St.Gallen. Sie werden seit bald zwanzig Jahren durchgeführt

Die Negativschlagzeilen und Klagen über nicht in-tegrierte Menschen reissen nicht ab. Höhepunkt

war die Debatte rund um die Minarettinitiative. Hier geht aber der Blick für die Realität verloren. Von den teils getürkten Zahlen der SVP, mit denen sie gegen AusländerInnen Stimmung macht, brauchen wir erst gar nicht zu reden. Wer weiss heute schon wirklich, was für die Integration von MigrantInnen gemacht wird und was diese selber dazu beitragen? Informa-tion über die real existierende Integrationsarbeit im schweizerischen Alltag ist dringend nötig.

S c h u l e f ü r f r e m d s p r a c h i g e F r a u e n // Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Diese Erkenntnis ist nicht neu, wurde aber in der ganzen Schweiz und auch im Kanton St.Gallen lange Zeit zu wenig ernst genom-men. Die Sprachschule für fremdsprachige Frauen in St.Gallen A.I.D.A. (Alphabetisierungs-, Integrations-, Deutschkurs-Angebote) engagiert sich seit 19 Jahren für die Integration von Migrantinnen. Damals wurde die Gründung einer solchen Sprachschule für ziem-lich exotisch angesehen. Heute hat sich das grundle-gend geändert. Die Angebote von A.I.D.A werden sehr

geschätzt. Die Stadt St.Gallen und einige Gemeinden subventionieren die Schule mit jährlichen Beiträgen. A.I.D.A hat sich von einem kleinen Projekt mit ca. 90 Kursteilnehmenden in den ersten Jahren zu einer an-erkannten Schule mit heute fast 300 Teilnehmerinnen pro Jahr entwickelt. Auch der Kanton engagiert sich seit einigen Jah-ren in diesem Bereich. 1999 wurde der Bericht «Inter-kulturelles Zusammenleben» erstellt. Im Departe-ment des Innern wurde eine neue Stelle geschaffen, die Koordinationsstelle für Integration. Im Weiteren beauftragte die Regierung die Sprachschule A.I.D.A., ein Kompetenzzentrum «Deutsch für fremdsprachige Mütter» aufzubauen. Damit wurde der Weg zur Schaf-fung von Deutschkursangeboten für Frauen in 40 Ge-meinden geebnet. Die Integrationsarbeit gewann wei-ter an Gewicht. Aus dem Kompetenzzentrum «Deutsch für fremdsprachige Mütter» wurde 2009 die «Fachstel-le Integrations-Deutschkurse». Die Beratung und Un-terstützung der Fachstelle weitete sich nun auf sämt-liche niederschwelligen Deutschkurse für Erwachsene in den Gemeinden des Kantons aus. Im ganzen Kanton lernen aktuell jährlich über 1’500 MigrantInnen Deutsch. Rückblickend auf die letzten acht Jahre sind das ca. 10'000 MigrantInnen, vorwiegend Frauen, die in meist niederschwelligen Kursen Deutsch gelernt haben. Niederschwellig be-deutet, dass die Kurse im Wohnort der Kursteilneh-menden stattfinden, dass sie kostengünstig sind und eine Kombination von Sprachunterricht und Vermitt-lung von Kenntnissen über das Alltagsleben beinhal-ten. Sie ermöglichen den Teilnehmenden eine gewisse sprachliche Selbstständigkeit und die Orientierung in unserer Gesellschaft.

N a c h h o l e n d e A l p h a b e t i s i e r u n g // Das Thema Integration wird bei Einbürgerungen und neu im Kan-ton St.Gallen auch für die Verlängerung oder Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen wichtig. In Integrations-vereinbarungen wird ab April 2010 im Kanton St.Gallen von neu einreisenden Drittstaatsangehörigen mit B-Bewilligung und bereits anwesenden Drittstaatsan-gehörigen mit B-Bewilligung, die «schlecht integriert» sind, verlangt, dass sie einen Deutschkurs besuchen. Der Kanton wird 50% der Kurskosten zurückerstatten, wenn das vereinbarte Ziel, der regelmässige Besuch des Deutschkurses oder Niveau A2 (abgeschlossene Grundstufe), erreicht wird. Die Integrationsvereinba-rungen werden individuell mit den Betroffenen abge-schlossen. Eine positive Massnahme, wenn wirklich in einzelnen Fällen schon der Besuch des Deutsch-kurses als Ziel anerkannt wird. Das Erreichen des Ni-veau A2 ist für Menschen, die in ihrem Heimatland gar nie oder nur wenige Jahre die Schule besuchten, in den meisten Fällen nicht möglich. Betroffen sind vor allem Frauen. Alphabetisierung und das Erlangen von er-sten Deutschkenntnissen dauert bei diesen Menschen in der Regel vier bis fünf Jahre. Zudem gibt es in den meisten Regionen des Kantons zwar niederschwellige Deutschkursangebote, aber noch zu wenig Alphabeti-sierungskurse. Die vorläufige Bilanz: Einiges ist schon im Be-reich der «Good Practice», aber es bleibt noch viel zu tun. Über beides sollte mehr in den Medien berichtet werden.

In St.Gallen lernenMigrantinnen seit20 Jahren erfolg-reich Deutsch.

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Nein zum Rentenklau, Nein zur Abzockerei im BVG!

Bei der Abstimmung vom 7. März 2010 über die Rentenkürzungen im BVG geht es um Milliarden. Nur ein klares Nein verhindert, dass das Geld von den Versicherten in die Taschen der Lebensversicherer wandert.

Auch die millionenschwere Propaganda der Wirt-schaftsverbände, die schon vor Weihnachten (!)

gestartet wurde, kann die Tatsache nicht verschleiern, dass am 7. März über eine Kürzung unserer BVG-Ren-ten abgestimmt wird. Denn der Umwandlungssatz der Pensionskassen soll bis 2016 von 7,2 auf neu 6,4% ge-senkt werden. Eine Rechnung zeigt, dass dies zu einer massiven Rentensenkung führt. Pro 100'000 Franken angespartes Alterskapital erhält ein Rentner oder ei-ne Rentnerin mit dem jetzigen Umwandlungssatz ei-ne jährliche Rente von 7'200 Franken. Mit dem tieferen Satz beträgt die Rente nur noch 6'400 Franken, also 800 Franken oder gut 11% weniger als vorher. Wer sei-ne eigene Rentenkürzung berechnen will, kann dies über den Rentenrechner tun: www.rentenklau.ch Soweit die Fakten. Die Rentenkürzer – Wirt-schaft und Privatversicherer – stehen nun vor der Auf-gabe, diese Senkung den Stimmberechtigten schmack-haft zu machen. Zu diesem Zweck beschwören sie den drohenden Ruin des Pensionskassensystems, falls die

Senkung abgelehnt würde. Als Haupt-argument wird die steigende Lebens-erwartung ins Feld geführt. Beide Ar-gumente erweisen sich als falsch bzw. übertrieben. Die Lebenserwartung steigt nicht ins Un-ermessliche. Ge-mäss dem Bundes-amt für Statistik haben 65jährige Männer im Schnitt noch 17,1 und 65jährige Frauen noch 20,9 Jahre vor sich, bis sie ster-ben. Die Annahme, dass die Lebens-

erwartung einfach steigt, bis alle 100 Jahre und mehr alt werden, ist ein Alptraum von Versicherern und Pen- sionskassenmanagern und kein realistisches Szenario. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Renten mit Blick auf die gestiegene Lebenserwartung bereits gekürzt wurden. Viele Renten werden heute mit einem Umwandlungssatz von 6,8% berechnet, seit das Parla-ment im Jahr 2003 eine solche Möglichkeit geschaffen hat. Die Rentensenkung wegen der Lebenserwartung ist somit bereits eine Realität. Eine weitere Senkung ist gar nicht nötig und wird deshalb zu Recht als «Renten-klau» bezeichnet. Warum aber müssen wir denn über-haupt darüber abstimmen? Weil die hohen Profite der Lebensversicherer gefährdet sind. Je geringer der Um-wandlungssatz, desto weniger müssen die Versicherer auszahlen – und desto mehr bleibt für sie selber übrig. Daher haben sie alles Interesse an einem möglichst tiefen Satz. Tatsache ist, dass es den Pensionskassen prächtig geht, auch wenn sie ständig über mangelnde Renditen an der Börse jammern. Im Jahr 2007 erwirt-schafteten die Kassen Anlageprofite von 13 Milliarden Franken. Damit lässt sich’s gut leben, vor allem mit langfristigen Anlagen. Seit 1985 strichen die Pensions-kassen eine jährliche Durchschnittsrendite zwischen 5,81 und 6,73% (je nach Aktienanteil der Anlagen) ein. Und da soll jemand glauben, dass künftig höchstens noch Renditen von 3,5% möglich seien? Ein Blick in die Jahresberichte der Privatver-sicherer, die auch im BVG-Geschäft tätig sind, zeigt schwindelerregende Dividendenausschüttungen und hohe Eigenkapitalrenditen von 15 und mehr Prozent. Abzockerlöhne fürs Management und den Verwal-tungsrat sind gang und gäbe. Aufgefallen: National-rat Gerold Bührer (FDP, Schaffhausen) sitzt im VR der Swiss Life (Rentenanstalt), kassierte 2008 für einige Sit-zungen ein Honorar von 339'000 Franken und besitzt zudem Aktien im Wert von 500'346 Franken. Ausge-rechnet Bührer predigt ein Ja zur Rentensenkung! Da-für gibt’s nur eine Quittung: Am 7. März Nein zur Sen-kung des BVG-Umwandlungssatzes und damit Nein zum Rentenklau! (sp)

S o z o c k e n d i e L e b e n s - v e r s i c h e r e r a b ( J a h r 2 0 0 8 )Swiss Life: 19,3 Mio. Franken für Konzernleitung mit 8 PersonenZurich Financial Services: 53,9 Mio. USD für Konzernleitung mit 12 PersonenAxa Winterthur: 25,9 Mio. Euro für Konzernleitung mit 12 PersonenAllianz Suisse: Gibt keine Entschädigungen bekannt (Ausrede: «Wir sind nicht börsenkotiert.»)Balôise: 11,2 Mio. Franken für Konzernleitung inkl. VR-Präsident (7 Personen)Helvetia: 7,07 Mio. Franken für Konzernleitung (7 Personen) plus VRMobiliar: 4,4 Mio. Franken für Geschäftsleitung (7 Personen)Pax: 2,02 Mio. Franken für Geschäftsleitung (3 Personen)Nationale Suisse: 6,1 Mio. Franken für Geschäftsleitung (7 Personen) und 3,0 Mio. Franken an VR (7 Personen)

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Oberriet – Eldorado für Fremdenfeinde?

In Oberriet treiben fremdenfeindliche Kreise ihr Unwesen. Bei Einbürgerungen machen sie gegen die BewerberInnen mit Falschaussagen Stimmung. Haben die Behörden kapituliert?

Früher war das Rheintal CVP-Land. Die Partei herrschte beinahe nach Belieben. Diese Vormacht-

stellung ist Vergangenheit. Mittlerweile hat die SVP ei-nen Grossteil der konservativen Wählerschaft auf ihre Seite ziehen können und demonstriert ihre neue Stär-ke im Rheintal mit nahezu 40 Prozent Wähleranteil bei den letzten nationalen Wahlen. Je weiter man sich das Rheintal hochbewegt, desto fremdenfeindlicher wird es. Ablesen lässt sich das an den Ausländervorlagen, die hochkant abgelehnt bzw. angenommen werden. Besonders deutlich kristallisiert sich diese Mentalität seit einigen Jahren in der Gemeinde Oberriet an den Einbürgerungsversammlungen. Solange die CVP das Sagen hatte, unterschied sich die Gemeinde in dieser Hinsicht nicht von der Mehrheit der anderen St.Galler Gemeinden. Die Ein-bürgerungen gingen in der Regel glatt durch, die Be-völkerung vertraute offensichtlich ihren Behörden. Seit

dem Erstarken der SVP – sie kam hier bei den letzten nationalen Wahlen auf einen Wähleranteil von 54 Pro-zent – hat der Wind gedreht in der stockkonservativen Gemeinde, in der sich seit Jahrzehnten auch die erz-katholische Piusbruderschaft wohlfühlt. Selbst Vor- zeigeausländer wie Argjent und Fitore Ramadani – sie sind Albaner – fielen beim ersten Einbürgerungs-gesuch nach einem peinlichen Spiessrutenlauf durch und schafften es im Frühjahr 2008 mit ihrem Sohn und ihrer Tochter nur knapp ins Schweizer Bürgerrecht. Argjent Ramadani, ETH-Ingenieur mit Doktorhut, ist Geschäftsleitungsmitglied einer Rheintaler Firma und beschafft in der ganzen Welt Aufträge für mehrere hundert MitarbeiterInnen. Seine Frau ist Anglistin. Wenn selbst hoch gebildeten Ausländern in Ober- riet der Schweizer Pass nur mit Biegen und Brechen zu-gestanden wird, wie schwer müssen es dann Auslände-rInnen aus einfacheren Verhältnissen haben? National bekannt wurde der Fall der Fabrikarbeiterin Frances-kina Pjetri (54) und ihres körperlich behinderten Soh- nes Benon (35). Sie stellten insgesamt drei Einbürge-rungsgesuche. Zweimal lehnte die Oberrieter Bür-gerversammlung ihr Gesuch ab, zweimal wurde der Entscheid nach einem Rekurs des Departements des Inneren wegen ungenügender Begründung und diskri-minierender Äusserungen aufgehoben. Auch nach der dritten Ablehnung im Frühling 2009 rekurrierten Pjet-ris mit Hilfe ihres Anwalts Fredy Fässler. Sie setzten dieses Mal zu Recht grosse Hoffnungen in Regierungs-rätin Kathrin Hilber. Weshalb? In Rheineck hatten vier Gesuchsteller, vertreten durch Paul Rechsteiner, ihre ablehnenden Entscheide bis vor Bundesgericht gezo-gen. Dieses wies im vergangenen Herbst das Departe-ment des Innern an, selber über die Einbürgerungen zu entscheiden und künftig rascher über solche Ge-suche zu befinden, um dem unwürdigen Pingpong-Spiel zwischen Bürgerversammlung und Departement ein Ende zu setzen. Regierungsrätin Kathrin Hilber

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Blick ins SVP-Dorf Oberriet

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Schluss mit der Pauschalsteuer!

Anfang Januar reichte die SP des Kantons St.Gallen die kantonale Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung ein. Mit Hilfe der Gewerkschaften, Grünen, EVP und PdA konnten 6'129 beglaubigte Unterschriften gesammelt und übergeben werden.

Die Pauschalbesteuerung ermöglicht es reichen AusländerInnen, die in der Schweiz nicht er-

werbstätig sind, pauschal besteuert zu werden. Die wirklichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse werden nicht berücksichtigt. Für die SP ist klar: Dies untergräbt die Steuermoral, unterläuft die Steuerge-rechtigkeit, führt zu einer Ungleichbehandlung und widerspricht der Verfassung. Deshalb muss die Pau-schalbesteuerung abgeschafft werden! Nicht nur im Ausland wird die Schweiz wegen dieser Bevorzugung von Steuerflüchtlingen heftig kritisiert. Auch in der Schweiz werden die kritischen Stimmen immer lauter. Während die FDP den Ini- tianten nur Populismus vorwirft, findet das «St.Galler Tagblatt» Gefallen an der Idee der Initiative. Chefre-

daktor Philipp Landmark schrieb am 9. Januar: «Aus-nahmeregelungen für eine kleine Gruppe von Einwoh-nern aber widersprechen fundamental dem Schweizer Selbstverständnis. Das dürfen wir nicht zulassen, selbst wenn es sich vordergründig lohnt. (…) Diese Steuer muss weg, in der ganzen Schweiz.» Für die SP St.Gallen ist mit der Einreichung der kantonalen Initiative ein Etappenziel erreicht. Nach-dem die Zürcher Stimmberechtigten letztes Jahr ein gleichlautendes Volksbegehren gegen die Empfehlung von Kantons- und Regierungsrat annahmen und in der Zwischenzeit auch im Kanton Thurgau und in Aus-serrhoden ein solcher Vorstoss lanciert wurde, kann durch die Annahme der St.Galler Initiative weiterer Druck aufgebaut werden, um eine schweizweite Ab-schaffung durchzusetzen. Beim Bund ist immer noch eine CVP-Standesinitiative hängig. Eben diese Partei wollte ja dann bekanntlich doch nicht für die kanto-nale Initiative mitsammeln. Das Initiativkomitee hat-te diese bürgerliche Hilfe aber auch gar nicht nötig.

verfügte in diesen vier Fällen und im Fall einer Ärz-tin aus dem Sarganserland eine Einbürgerung, nicht aber in den praktisch identischen Fällen von Frances-kina und Benon Pjetri.

R a s s i s t i s c h e B e m e r k u n g e n // So wie es aussieht, fiel dieser Entscheid vor dem Hintergrund der aufge-heizten Stimmung in Oberriet, wo den Pjetris inzwi-schen offene Feindseligkeit entgegenschlägt, nur weil sie ihr Recht wahrnehmen. Denn an den persönlichen Verhältnissen der Pjetris hat sich nichts geändert, sie waren vom Einbürgerungsrat zur Einbürgerung emp-fohlen worden. Was vorher als ungenügend begründet oder wegen Diskriminierung zur Aufhebung der Bür-gerversammlungsentscheide geführt hatte, reichte nun plötzlich für eine Ablehnung aus. Kathrin Hilber machte sich bei ihrem Entscheid Volkes Stimme zu eigen: Franceskina Pjetri sei in keinem Verein aktiv, und Benon Pjetri wurde sein angeblich rüder Ton ge-genüber den Oberrieter Behörden vorgehalten – nota-bene dieselben Behörden, welche die Einbürgerungs-gesuche zur Annahme empfohlen hatten. Auch noch in der letzten Bürgerversammlung fielen rassistische Bemerkungen gegen Albaner, und einmal mehr durf-te ein Bürger eine nachweislich falsche Behauptung

in die Runde werfen: Benon Pjetri lebe hier «auf un-sere Kosten». Pjetris beziehen keine Sozialhilfe, Benon Pjetri erhält auch keine IV-Rente. Franceskina Pjetri, übrigens von ihrem Chef als vorbildliche Arbeiterin hoch gelobt, bringt die Familie mit ihrem kleinen Fa-brikarbeiterlohn durch, kümmert sich um ihren Sohn und bis zu seinem kürzlichen Tod auch um ihren kran-ken Mann. Dass unter diesen Umständen eine Vereins-zugehörigkeit ins Zentrum der Argumentation gestellt wird, erscheint als zynisch. Auch im Fall von Benon Pjetri ist die Begrün-dung nicht näher ausgeführt und überzeugt nicht. Der Fall Pjetri demonstriert beispielhaft: Bürgerver-sammlungen sind der falsche Ort für Einbürgerungen, im Falle der Pjetris mutierte sie zum Abstrafungsor-gan. Die vernünftigeren politischen Kräfte im Kanton St.Gallen setzen ihre Hoffnungen nun auf ein neues Bürgerrechtsgesetz, das in Vorbereitung ist. Doch Wi-derstand von Seiten der SVP ist bereits absehbar. Als Kathrin Hilber bei der Ausarbeitung der Gesetzesvor-lage die Parteien zu einem Hearing einlud, blieb die SVP der Veranstaltung fern. Es deutet alles darauf hin, dass die Volkspartei auch das neue Gesetz für ihre per-manente Stimmungsmache nutzen und die Vorlage bekämpfen wird. (fb)

Von Dario Sulzer, SP-Sekretär, St.Gallen

Schluss mit Steuervorteilen für ausländische Millionäre!

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Abzocker in Rapperswil: Boni für Professoren

An der Fachhochschule Rapperswil streichen Professoren fragwürdige Gewinnbeteiligun-gen am Ertrag von Instituten ein, die mit dem Technologietransfer gutes Geld verdienen. Das gibt es sonst nirgends. Eine Praxis, die sofort gestoppt werden muss.

Bei den Instituten der Fachhochschule Rapperswil (HSR) laufen die Geschäfte nicht schlecht. Sie fa-

hren mit neuen Technologien schöne Gewinne ein. Der Topf, in dem diese landen («Rückstellungen»), wies Ende 2008 einen Stand von rund 20 Mio. Franken auf. Dass dieses Geschäft mit der Wirtschaft läuft, ist ge-wollt. Die Trägerkantone der HSR kurbeln den so ge-nannten «Wissenstransfer» von der Hochschule zur Praxis mit Förderbeiträgen im Umfang von 1,8 Mio. Franken an. Damit soll die enge Verknüpfung der For-schung mit der Wirtschaft und die Umsetzung der wissenschaft-lichen Erkenntnisse in marktfähige Pro-dukte und Dienstleistungen erreicht werden. Denn was nützen die schönsten Erfindungen, wenn sie nie-mand kaufen kann? Der Jahresumsatz der Institute beläuft sich mitt-lerweile auf 22 Mio. Franken. Auch die Gewinne lassen sich sehen: 2,9 Mio. im Jahr 2006, 3,8 Mio. im 2007 und 3,3 Mio. im 2008. Weniger schön ist jedoch, dass sich die Chefs der HSR-Institute an diesen Gewinnen be-dienen und sich so ihr Gehalt kräftig aufbessern. Bis zu einem Viertel des Jahresgehalts liegen als Zustupf drin. Das macht Appetit. Warum, so fragte man sich wohl, sollen nur die Banker an den Gewinnen beteili-gt werden und wir nicht auch? Seit dem Jahr 2006 gibt es ein «Reglement zum erweiterten Leistungsauftrag in anwendungsorientierter Forschung und Entwick-lung und Dienstleistungen». Dieses erlaubt, dass zwei Drittel der Gewinne als Erfolgsbeteiligung ausbezahlt werden können. So stiegen die Beteiligungen von 0,95 Mio. (2006) auf 1,4 Mio. (2007) und schliesslich auf 1,5 Mio. Franken (2008). Sieht man sich diese Zahlen an, so kann festge-stellt werden, dass die Trägerkantone mit ihrem Bei-trag von derzeit 1,85 Mio. Franken die Gewinnbetei-ligung der Professoren finanzieren. Dies kann aber nicht im Sinne der Förderung der anwendungsorien-tierten Forschung und Entwicklung sein. Es zeigt sich in diesem Fall auch deutlich, dass die Hochschule Rapperswil vom Bonusvirus der Privatwirtschaft an-gesteckt wurde.

U n e r w ü n s c h t e S i g n a l w i r k u n g // Die Rege-lun-gen der Hochschule Rapperswil haben Signal-charakter. Bisher kennt nur die Universität St.Gallen mit dem «Institutsviertel» eine Beteiligung der In-stitutsleiter an den Gewinnen. Es liegt auf der Hand, dass mit dem Reglement der HSR nun über kurz oder lang auch die beiden anderen Hochschulen in Buchs (NTB) und St.Gallen (Fachhochschule St.Gallen) glei- che Rechte beanspruchen werden. Dieser unerwünsch-te Prozess muss schleunigst unterbunden werden. Die Forderungen, welche die SP auch im Kantonsrat stel-len wird, sind deshalb klar: 1. Einfrieren des Beitrags der Kantone, bis die Rück-

stellungen im Bereich Technologietransfer von der-zeit über 20 Mio. Franken auf ein vernünftiges Mass abgebaut sind.

2. Verzicht auf die Verteilung der Gewinne aus dem Technologietransfer.

R e i n w ä s c h e d u r c h H S G - « G u t a c h t e n » // Die Beteiligung von Professoren an den Gewinnen ihrer Institute an der Fachhochschule Rapperswil stösst auch im eigenen Haus auf Kritik. So hat die Revi- sionsstelle, die aus Vertretern der Finanzkontrol-len der Trägerkantone besteht, dieses Vorgehen be-anstandet. Auch die Finanzkommission des St.Galler Kantonsrats hat sich der Sache angenommen. Um die strittige Frage abzuklären, beauftragte die HSR einen Experten der Universität St.Gallen mit einem Gutach-ten zur Gewinnbeteiligung. Untersucht wurde dabei auch die Praxis an anderen Schweizer Hochschulen. Was kam dabei heraus? • Uni St.Gallen: Die Institutsleitung erhält zum Lohn

zusätzlich das sogenannte «Institutsviertel», das bis 25% des Jahresgrundgehalts betragen kann.

• ETH Zürich: Keine Erfolgsbeteiligung, Möglichkeit zur Gewährung einer Sonderprämie im Rahmen der Leistungsbeurteilung

• Fachhochschule Nordwestschweiz: Keine Erfolgs-beteiligung, höchstens Gewährung einer einma-ligen Prämie bis max. Fr. 5‘000.

• Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaf-ten: Erwirtschafteter Ertrag aus den Projekten geht an Hochschule. Die Hochschulleitung kann den An-gestellten eine genau umschriebene, einheitliche Erfolgsbeteiligung ausrichten.

• Fachhochschule St.Gallen: Gemäss Besoldungsver-ordnung des Kantons St.Gallen gibt es nur die Mög-lichkeit zur Gewährung einer ausserordentlichen, nicht regelmässig wiederkehrenden Leistungsprä-mie.

Also ist die Sachlage klar. Nur die Universität St.Gallen und Rapperswil kennen «Professoren-Boni», die üb-rigen Hochschulen bescheiden sich mit Prämien von Fall zu Fall. Nun stellt sich noch die Quizfrage: Wie fiel die Stellungnahme des beauftragten Gutachters von der Uni St.Gallen zum Rapperswiler System der Ge-winnbeteiligung aus? Richtig geraten: Er lobt sie na-türlich in den höchsten Tönen. Das Reglement habe in Bezug auf Transparenz und Steuerungswirkung «Vor-bildfunktion». Klar doch: Was man selber praktiziert, kann ja nicht schlecht sein! So wird aus einem Gutach-ten ein Partei-Gutachten, das aber die Missbräuche in Rapperswil nicht verwischen kann. (sp)

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Privatisierung der VBSG in Raten?

Von Felix Birchler, Co-Präsident SP Stadt St.Gallen Wenn sich im Zuge der Finanz- und Wirtschafts-

krise etwas verändert hat, dann ist es das Schwinden des unbedingten Glaubens daran, dass private Unternehmen per se effizienter und erfolg-reicher sind als staatlich geführte. Privatisierungen sind «unsexy» geworden. Dessen sind sich offensicht-lich auch die Bürgerlichen bewusst.

E i n e « V B S G A G » ? // Die angestrebte Umwandlung der VBSG in eine Aktiengesellschaft läuft daher in der Direktion Technische Betriebe von Stadtrat Fredy Brunner unter dem Titel «Projekt rechtliche Verselb-ständigung der Verkehrsbetriebe». Laut VBSG-Unter-nehmensleiter Ralf Eigenmann besteht keinesfalls die Absicht, die VBSG zu privatisieren: «Vielmehr soll die Stadt St.Gallen die Mehrheit und die öffentliche Hand im Allgemeinen die überwiegende Mehrheit an den VBSG halten und behalten.» Durch die Verselbständi-gung könnten die VBSG im öffentlichen Verkehr von Stadt und Agglomeration eine «aktive Führungsrolle» übernehmen. Insbesondere die Kooperation mit an-deren Transportunternehmen des öffentlichen Ver-kehrs, die alle auch mehrheitlich im Eigentum der öf-fentlichen Hand sind, werde durch die Umwandlung in eine VBSG AG erleichtert. Unabhängig davon, ob man es nun «Privati-sierung» oder «Verselbständigung» nennt, ist klar: Die VBSG sollen in eine AG umgewandelt werden. Die Stadt wird eine Mehrheit der Aktien behalten. Trotz dem stadträtlichen Willen, als Mehrheitsaktionär der VBSG AG zu fungieren, löst das Projekt bei der SP und den Gewerkschaften grosse Skepsis aus.

A k t i o n ä r e w o l l e n R e n d i t e // Wer Aktionär sagt, der sagt gleichzeitig auch Rendite und Dividen-de. Wer Geld in ein Unternehmen investiert, der will an der Gewinnausschüttung beteiligt werden. Ein we-sentlicher Kostenfaktor (und somit gewinn- und di-videndenrelevant) für jedes Unternehmen sind die Personalkosten. Bei der für die VBSG zuständigen Ge-werkschaft vpod sind denn auch die Bedenken gross, dass die Umwandlung in eine AG negative Auswir-

kungen für das Personal hat. Regionalsekretärin Maria Huber befürchtet Druck auf die Löhne und eine wei-tere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Dass diese Ängste nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt das Beispiel der Luzerner Verkehrsbetriebe, welche die Ausgliederung schon hinter sich haben. Die Löhne der Angestellten liegen dort heute real zehn Prozent unter dem Niveau von Ende der Neunzigerjahre. Seitens der St.Galler Gewerkschaften versucht man, das Schlimmste mit der Aushandlung eines be-trieblichen Gesamtarbeitsvertrages (GAV) zu verhin-dern. Beide Seiten bestätigten auf Anfrage, dass die GAV-Verhandlungen gut voranschreiten, sodass al-so damit zu rechnen ist, dass das Projekt Ausgliede-rung zusammen mit einem betrieblichen GAV ins Par-lament und allenfalls vors Volk kommt. Doch andere Branchen beweisen es zur Genüge: Die Tatsache, dass ein GAV besteht, verhindert noch lange nicht, dass Druck auf die Löhne ausgeübt wird, wenn die Aktio-näre eine höhere Dividende wollen.

P r i v a t i s i e r u n g i n R a t e n // Nun könnte man ein-wenden: Gut, aber Hauptaktionär bleibt ja die Stadt. Der Einfluss der Stadt auf die Lohnpolitik der VBSG ist also weiterhin gegeben. Hierbei ist jedoch Skepsis an-gebracht. Zum einen sind an einer VBSG AG doch auch andere Aktionäre mit anders gelagerten (primär mo-netären) Interessen beteiligt. Problematischer ist al-lerdings, dass keinerlei Gewähr dafür besteht, dass die Stadt längerfristig Mehrheitsaktionär bleiben wird. Gerade in Zeiten knapper Kassen wird der Druck der Bürgerlichen zunehmen, dass die Stadt ihren Aktien-anteil verkauft, um dadurch zu flüssigen Mitteln zu kommen. Dass die VBSG dann vollends privatisiert sind, wird wohl niemand mehr bestreiten können. Erfahrungen aus anderen Privatisierungspro-jekten zeigen leider, dass dieser Gang der Dinge nur allzu oft stattfindet und häufig auch schon als Privati-

Auf der politischen Agenda 2010 der Stadt St.Gallen wird ein Wort weit oben stehen, das wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt: Privatisierung. Es geht um die geplante «Ausgliederung» der St.Galler Verkehrsbetriebe (VBSG).

sierung in Tranchen von Beginn weg geplant ist. Heute wäre eine Urnenmehrheit für ein eindeutiges Privati-sierungsprojekt wohl kaum möglich. Ein «Ausgliede-rungsprojekt» mit der Stadt als Mehrheitsaktionärin kann andererseits gewisse Ängste dämpfen. Und wenn die VBSG einmal in eine AG umgewandelt sind, dürf-te es nicht mehr lange gehen, bis die Bürgerlichen auf die Idee kommen, es wäre ja nicht so schlimm, wenn die Stadt nicht mehr Hauptaktionär ist. Aber auch eine Privatisierung in Schritten ist eine Privatisierung. Wo-mit wir wieder beim Anfang wären. Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres wird die VBSG-Vorlage ins Stadtparlament kommen. Die SP-Fraktion täte gut daran, von Anfang an klar zu ma-chen, dass man zu einer Privatisierung der VBSG nicht Hand bietet – auch wenn sie einen wohlklingenderen Namen hat.

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St.Gallen braucht eine aktive Wohnpolitik

Von Bettina Surber, Co-Präsidentin SP Stadt St.Gallen

Es ist an der Zeit, in der Stadt St. Gallen eine aktive Wohnbau- und Mietpolitik zu betreiben. Zu diesem Schluss ist die SP-Stadtpartei an ihrer letzten Retraite gekommen.

Zwar ist die Situation für Mieterinnen und Mieter in St.Gallen nicht annähernd so prekär wie etwa

in den Städten Zürich und Genf. Doch hat es in den letzten Jahren auch hier einen schleichenden Abbau von sehr günstigem Wohnraum gegeben. Es ist daher nötig, grundsätzlich über gemeinnützigen Wohnungs-bau nachzudenken. In der Stadt Zürich sind die Mieten für Wohnungen in den letzten Jahren in absurde Hö-hen gestiegen. Wer im Internet nach einer Mietwoh-nung sucht, findet dort Angebote für Vierzimmerwoh-nungen für durchschnittlich 2'000 bis 3'000 Franken pro Monat. Nach oben sind den Fantasiepreisen aber keine Grenzen gesetzt, ohne weiteres werden auch 6'000 bis 7'000 Franken Monatsmiete verlangt. Die-ser Entwicklung hat die SP der Stadt Zürich nun den Kampf angesagt. Mit einer Volksinitiative fordert sie die Stadt auf, sich aktiv für den Schutz, die Erhaltung und die Erhöhung des Anteils von zahlbaren und qua-litativ hochwertigen Wohnungen und Gewerberäumen einzusetzen und dafür zu sorgen, dass sich bis ins Jahr

2040 mindestens ein Drittel aller Mietwohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgern be-findet, die günstige Mieten garantieren. Weit weniger unter Druck sind die Mietenden in St.Gallen. Zum Vergleich werden hier Vierzimmer-wohnungen im Durchschnitt für eine Miete von mo-natlich 1'300 bis 1'500 Franken angeboten. Dennoch muss auch in der Stadt St.Gallen über gemeinnützigen Wohnbau und die gemeinnützige Bewirtschaftung von Wohnliegenschaften und dabei vor allem über die För-derung von Genossenschaften nachgedacht werden. Diese ermöglichen den dauernden Spekulationsentzug von Liegenschaften, wodurch die Mieten tief gehalten werden können. Es sind aber nicht nur die tiefen Miet-zinse, die diese Siedlungen und Wohnliegenschaften attraktiv machen, sondern auch das soziale Leben, die gesamte Wohnumgebung. Die Mietenden verfügen als GenossenschafterInnen über Mitbestimmungs-rechte und können Angebote wie Gemeinschaftsräu-me, Nachbarschaftshilfe oder Kinderbetreuung nut-zen. Genossenschaftliche Siedlungen werden zudem vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsgedankens und nicht vor dem Hintergrund des Prinzips «allen al-les möglichst privat» gebaut. So entstehen auch Plätze zum Verweilen und nachbarschaftliche Treffpunkte. Insgesamt können gemeinnützige Wohnbauträger ei-nen wichtigen Beitrag an eine Stadt leisten – einen Bei-trag, von dem die Stadt St.Gallen noch weit stärker als heute profitieren könnte.

1 2 - M i l l i o n e n - K r e d i t a l s I n s t r u m e n t // Bereits heute verfügt die Stadt St.Gallen mit dem 12-Millio-nenkredit über ein Instrument, gemeinnützige Wohn-bauträger zu unterstützen und günstigen Wohnraum zu ermöglichen. Das Reglement zur Erhaltung preis-günstiger Wohnungen sieht vor, dass die Stadt Liegen-schaften mit günstigem Wohnraum, der sich für Fami-lien oder finanzschwache Alleinstehende eignet, auf dem freien Markt erwerben und diese im Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger abgeben kann. Über den 12-Millionen-Kredit wird der Baurechtszins wäh-rend 10 Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit auf ma-ximal 13 Jahre in dem Masse reduziert, als dass nach dem Reglement subventionsberechtigte MieterInnen in einer Liegenschaft wohnen, was es den Baurechts-nehmern ermöglicht, die Mieten entsprechend tief zu halten. Der im Jahr 1991 über eine Volksinitiative ein-geführte Kredit ist heute bis zur Hälfte aufgebraucht. Nach anfänglich heftigem Widerstand seitens der bür-gerlichen Parteien und einem gescheiterten Abschaf-fungsversuch durch die FDP ist der Kredit mittlerweile breit anerkannt. Es muss Ziel der Stadt sein, den 12-Millionen-kredit in Zukunft so aktiv wie möglich zu nutzen und möglichst viel günstigen Wohnraum zu schaffen. Ei-ne spezielle Projektarbeitsgruppe der SP wird sich in den kommenden Wochen Gedanken darüber machen, wie dies umgesetzt werden kann. Zudem wird sie sich auch überlegen, wie in der Stadt St.Gallen die Abgabe von bereits bestehenden Wohnliegenschaften an ge-meinnützige Wohnbauträger einerseits und der Woh-nungsbau durch solche Institutionen andererseits ak-tiv gefördert werden kann und welche Instrumente die Stadt dafür schaffen müsste. MitdenkerInnen an die-sem Projekt sind gesucht.

Ende der 80er Jah-re ermöglichte die Stadt den Bau der gemeinnützigen Siedlung Remis-hueb.

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Mehr Lebensqualität: Ja zur Städte-Initiative

Von Monika Simm-ler, Juso St.Gallen

In St.Gallen kommt am 7. März die Städte-Initiative zur Abstimmung. Sie fordert, dass das Verkehrswachstum mit dem ÖV, Fuss- und Veloverkehr aufgefangen wird. Das ist die einzig richtige Verkehrspolitik im 21. Jahrhundert.

Am 25. August 2009 ist im eher autofreundlichen St.Gallen eine kleine Überraschung passiert: Das

Stadtparlament hat die Städte-Initiative mit den Stim-men einiger abtrünniger CVP-ParlamentarierInnen angenommen. Die Volksinitiative «zur Förderung des öffentlichen, des Fuss- und des Veloverkehrs in St.Gallen» wurde im Jahr 2008 von einem breiten Ko-mitee eingereicht, das von den Umweltorganisationen umverkehR und VCS geführt wird. Weitere Städte-In-

itiativen hat umverkehR in Basel, Genf, Luzern, Win-terthur und Zürich eingereicht. Am 7. März kommt die Initiative in St.Gallen nun als «Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung» zur Abstimmung. Mit einem grossen Effort in den nächsten Wochen ste-hen die Chancen für ein Ja gar nicht schlecht.

B e s s e r s p ä t a l s n i e // Wenn St.Gallen Städten wie Zürich, Winterthur oder Lausanne in einem Bereich de-finitiv nachhinkt, dann ist es die Verkehrsentwicklung. Obwohl auch in diesen Städten noch Verbesserungspo-tenzial vorhanden ist, haben das Velonetz Winterthur, die S-Bahn in Zürich oder die urbane Metro in Lausan-ne Vorbildfunktionen für St.Gallen. Während andere Städte längst begriffen haben, dass den umweltfreund-lichen Verkehrsmitteln die Zukunft gehört, diskutiert man in St.Gallen lieber über Parkplätze. Damit soll jetzt endlich Schluss sein! Die Städte-Initiative würde das erste Mal festschreiben, dass der ÖV, Fuss- und Ve-loverkehr absolute Priorität haben und dass eine nach-haltige Stadtentwicklung eng mit der Verkehrsentwick-lung zusammenhängt. St.Gallen hat einiges aufzuholen: Der Fahrzeug-park der VBSG ist noch nicht vollständig erneuert, es gibt noch keine durchgehenden Busspuren, die Halte-stellen sind oft suboptimal, die Buslinien haben noch nicht den idealen Takt, und visionäre Projekte wie

Kundgebung für einen menschenfreundlichen Verkehrin St.Gallen

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S e r v i c eLinks Nr. 2/2010 Redaktionsschluss: 23. März 2010 Erscheinen: 16. April 2010

SP Altstätten/Oberes Rheintal19. Februar 2010, 20.00, Hauptver-sammlung Referat zum «Renten-klau», Alstätten – Rest. Hopfenstube

SP Alttoggenburg23. Februar Referat «Rentenklau», Kirchberg, Rest. Toggenburgerhof

SP Buchs19. Februar 2010, 18.30, Hauptver-sammlung, Buchs – Hotel Bären, 18.30 Nachtessen, 20.00 HV19. März 2010, Mitgliederversamm-lung «Tempo 30»7. April 2010, Mitgliederversamm-lung «Rechnung 2009»

SP Zuzwil16. April 2010, 20.15, Hauptversamm-lung mit Kathrin Hilber, Weieren – Rest. Eintracht

Impressum «links». // Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mindestens 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, [email protected] An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Felix Birchler, Fredy Fässler, Ralph Hug, Ruben Schönenberger, Dario Sulzer u.a. Markus Traber: Gestaltung, Layout Druck: Tschudy Druck AG, St.Gallen

AZB9000 St.Gallen

SP Rapperswil-Jona9. März 2010, 19.30, Roter Stamm, Jona – Rest. Johanna25. März 2010, Mitgliederversamm-lung9. April 2010, 19.30, Roter Stamm, Jona – Rest. Johanna

SP Flawil25. Februar 2010, 20.00, Mitglieder-versammlung, Flawil – Rest. Ochsen17. März 2010, 20.00, Mitgliederver-sammlung, Flawil – Rest. Ochsen

SP Wil15. Februar 2010, Mitglieder-versammlung «lokale Abstim-mungsthemen: Ausbau Tages-struktur, Steuerfuss der Stadt Wil», 22. März 2010, Hauptversammlung

SP Werdenberg7. Mai 2010: Delegiertenversamm-lung, Buchs – Rest. Bären

SP Rebstein-Marbach26. Februar 2010, Hauptversamm-lung, Marbach – Rest. Rössli

Aktuelle Termine und ungekürzte Communiqués auf unserer Home-page: www.sp-sg.ch

Vorstösse aus der Dezembersession

Motionen:Blumer-Gossau/Kündig-Rappers-wil-Jona/Tinner-Wartau/Widmer-Mosnang: Kanton fördert Energie-beratung in den RegionenSP-Fraktion: 40 Millionen mehr für die Prämienverbilligung – Schaf-fung einer gesetzlichen Grundla-ge für die einmalige Erhöhung des Krankenkassenprämienvolumens als Massnahme gegen die Wirt-schaftskriseSP-Fraktion: Obligatorisches Refe-rendum für grosse Strassenbau-projekteGemperle-Goldach: Geothermie im Kanton St.GallenLedergerber-Kirchberg: Moderne Mobilität: «park and ride» für den Kantonsrat

Interpellationen:SP-Fraktion: Erziehungsrat torpe-diert die BasisstufeSP-Fraktion: Schutz vor Lohndum-ping: Auch im Kanton St.Gallen durchsetzenBachmann-St.Gallen/Fässler-St.Gallen: Neuausrichtung der St.Galler Flüchtlingsbetreuung

Einfache Anfragen:Altenburger-Buchs: Abwertung der Rheintallinie

ein Stadttram müssen in Angriff genommen werden. Dass Verkehrswachstum kein Naturgesetz, sondern ei-ne Folge von politischen Entscheiden ist, kann mit der Annahme des «Reglements für eine nachhaltige Ver-kehrsentwicklung» anerkannt werden. Endlich können die richtigen Weichen gestellt werden. Denn auch hier gilt: Besser spät als nie!

P e r f e k t e V e r k e h r s m i t t e l f ü r d i e S t a d t // Die Städte-Initiative würde St.Gallen zu einer modernen und attraktiveren Stadt machen. Die höhere Wohnqua-lität dank Ruhe und Staufreiheit, die gemütlicheren Einkaufsstrassen in der Innenstadt, der neu erlangte Komfort im ÖV und die sichereren Velo- und Fusswege

etablierten St.Gallen neu als idealen Lebens- und Ar-beitsort. Die Annahme des Reglements für eine nach-haltige Verkehrsentwicklung würde zu einer neuen Verkehrskultur führen, die klare Prioritäten zugun-sten der Menschen setzt und auf die hohe Effizienz des ÖV und die Nachhaltigkeit des Velo- und Fussverkehrs aufbaut. Weniger Abgase, mehr Raum, bessere Luft und beruhigte Wohnquartiere bedeuten mehr Lebensqua-lität für alle St.Gallerinnen und St.Galler. Dass der öf-fentliche Verkehr in den dicht besiedelten Städten das weitaus wirtschaftlichste und effizienteste Verkehrs-mittel ist, ist längst erwiesen. Eine St.Galler S-Bahn-Komposition verfügt über 280 Sitzplätze. Noch ohne Berücksichtigung der Stehplätze entspricht dies bei ei-ner durchschnittlichen Auslastung von 1,57 Personen einer Kolonne von rund 180 Fahrzeugen. Jeder St.Galler S-Bahn-Zug spart damit einen Stau von 1,5 km Länge ein! Das Gleiche gilt übrigens auch für den Fuss- und Veloverkehr. Eigentlich keine neuen Erkenntnisse: Die Argu-mente für den ÖV, Fuss- und Veloverkehr sind vielsei-tig und überwiegen klar. Dass eine klimafreundliche, nachhaltige Stadtentwicklung Pflicht ist, sollten ei-gentlich sogar die Bürgerlichen langsam begriffen ha-ben. Ihrer von Privatinteressen motivierten Verhinde-rungspolitik gilt es mit aller Kraft gegenzusteuern. Wir müssen jetzt mit aller Kraft für die Städte-Initiative kämpfen, denn nur so können wir in der Stadt St.Gallen endlich ein Zeichen für eine zukunftsträchtige Ver-kehrspolitik des 21. Jahrhunderts setzen und auf kan-tonale und nationale Signalwirkung hoffen.Bi

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St.Gallen brauchtein Zeichen für einebessere Verkehrs-politik.