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1 links 5.10 Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Inhalt November 2010 // Nr. 5 2 Erfolgreiche Millionenklage gegen den Kanton 4 Entlassungen in der Industrie 5 Stillstand in der Schulpolitik 7 Projekt Bergholz, ein grosser Brocken für Wil 8 Die neue Ostschweizer Arbeitergeschichte 11 Alexa Lindner Margadant, auch mit 75 Jahren aktiv Bild links Editorial // Nicht alle Genossinnen und Genossen sind sich einig darüber, wie die fremdenfeindliche Ausschaffungsinitiative der SVP am besten bekämpft werden soll. Der Parteitag der SP Schweiz hat sich – gleich wie der Parteivorstand der SP Kanton St.Gallen – für ein doppeltes Nein ausgesprochen. Wir sind nicht Steigbügelhalterin der SVP! Diesen Dienst über- nehmen bereits die bürgerlichen Mitteparteien. Die parteiinterne Diskus- sion zeugt von einer lebendigen SP, die für ihre Standpunkte kämpft. Doch es geht nicht an, dass Genossinnen und Genossen, die aus strategischen Gründen den Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative befürworten, Pfiffe aus den eigenen Reihen ernten. Ein faires Ringen um die «richtige» Position tut der Partei gut, auch wenn nun fast sämtliche Schweizer Medien sowohl das Doppel-Nein als auch das neue Parteiprogramm verurteilen und der Partei aufgrund mangelnden Verstandes gar die Regierungsfähigkeit absprechen. Die Ausschaffungs-Initiative nimmt viel Raum ein, dabei stimmen wir am 28. November auch über die wichtige Steuergerechtigkeits-Initiative ab. Der Steuerwettbewerb schadet unserem Kanton. Wieder und wieder wurden in den letzten Jahren die Steuern für Unternehmen und Gutverdienende gesenkt. Heute fehlt das Geld in der Kasse, weshalb Leistungen abgebaut wer- den sollen. Die SP-Initiative will mit dieser zerstörerischen Tendenz brechen. Schluss mit Vorteilen für Superreiche! Von einer Steuererhöhung wäre übri- gens nicht – wie immer behauptet wird – der gesamte Kanton betroffen. Es ist nur das reichste Prozent, das in Zukunft mehr Steuern zahlen soll. 99 Prozent der Bevölkerung profitieren. Dario Sulzer, Politischer Sekretär Magistraten machen Propaganda Um die SP-Steuerinitiative zu bodigen, schlagen sich auch St.Galler Regierungs- rätInnen in die Bresche. Doch für solche Jobs wurden sie nicht gewählt. U mfragen zeigen, dass die Steuergerechtigkeits- Initiative der SP beim Volk gut ankommt. Ein Er- folg am 28. November an der Urne liegt in Reichweite. Weite Kreise wollen es nicht länger hinnehmen, dass Reiche und Superreiche beim Fiskus dank eines irren Steuerwettbewerbs der Kantone immer besser weg- kommen, währenddem normalen Steuerzahlenden volle Lasten zugemutet werden. Kein Wunder, muss die bürgerliche Gegenpropaganda Gas geben. In unserer Regionalpresse tauchen nun Inserate mit dem St.Galler Finanzchef Martin Gehrer (CVP) auf. Darin wendet er sich an die «lieben St.Gallerinnen und St.Galler» und bekennt, er lehne die SP-Steuerinitiative ab. Wer hätte das gedacht! Seine Begründung: Sie führe zu einer «starren Steuerordnung in Kanton und Gemeinden» und würde die Freiheit der BürgerInnen, selber über die Steuerbelastung entscheiden zu können, «erheblich einschränken». Das ist natürlich barer Unsinn. Der Steuerföde- ralismus bleibt nach wie vor gewahrt. Die Kantone müssten lediglich einen Mindeststeuersatz für Gross- verdiener (1 Prozent der Bevölkerung) festlegen. Dies weil der künstliche Steuerwettbewerb immer negati- vere Folgen zeitigt. Zug, Schwyz und Obwalden locken Reiche mit Tiefsteuersätzen an. Auch in Ausser- und In- nerrhoden wächst die Zahl jener, die dem Staat kaum etwas abliefern, aber dafür mit teuersten Sportwagen herumkurven. Die Steuergerechtigkeit bleibt auf der Strecke und untergräbt zunehmend die Steuermoral. Herr Gehrer, ist Ihnen das alles egal? Ein starkes Stück ist, dass selbst Regierungsräte in die Gegenkampagne eingespannt werden, und das erst noch zusammen mit dem Kantonswappen, was dieser Propaganda einen «offiziellen» Anstrich gibt. Das grenzt an Irreführung der Stimmberechtigten. RegierungsrätInnen, die hier mitmachen, missbrau- chen ihr Amt für politische Propaganda. Dieser Vor- wurf trifft nicht nur Martin Gehrer, sondern auch Ka- rin Keller-Sutter (FDP), die im Flyer des Gegenkomitees mit einem ähnlichen Statement auftaucht. Die Ver- luderung der politischen Sitten erreicht damit neue Höhepunkte. Mitglieder der Kantonsregierung haben sich in Abstimmungskämpfen zurückzuhalten. Sie wurden vom Volk nicht gewählt, um Parteipropaganda zu betreiben. (red.) Finanzchef Martin Gehrer als Propagandist im Dienste von Economie-Suisse

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

I n h a l t November 2010 // Nr. 5 2 Erfolgreiche Millionenklage gegen den Kanton4 Entlassungen in der Industrie5 Stillstand in der Schulpolitik7 Projekt Bergholz, ein grosser Brocken für Wil8 Die neue Ostschweizer Arbeitergeschichte11 Alexa Lindner Margadant, auch mit 75 Jahren aktiv

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E d i t o r i a l // Nicht alle Genossinnen und Genossen sind sich einig darüber, wie die fremdenfeindliche Ausschaffungsinitiative der SVP am besten bekämpft werden soll. Der Parteitag der SP Schweiz hat sich – gleich wie der Parteivorstand der SP Kanton St.Gallen – für ein doppeltes Nein ausgesprochen. Wir sind nicht Steigbügelhalterin der SVP! Diesen Dienst über-nehmen bereits die bürgerlichen Mitteparteien. Die parteiinterne Diskus- sion zeugt von einer lebendigen SP, die für ihre Standpunkte kämpft. Doch es geht nicht an, dass Genossinnen und Genossen, die aus strategischen Gründen den Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative befürworten, Pfiffe aus den eigenen Reihen ernten. Ein faires Ringen um die «richtige» Position tut der Partei gut, auch wenn nun fast sämtliche Schweizer Medien sowohl das Doppel-Nein als auch das neue Parteiprogramm verurteilen und der Partei aufgrund mangelnden Verstandes gar die Regierungsfähigkeit absprechen. Die Ausschaffungs-Initiative nimmt viel Raum ein, dabei stimmen wir am 28. November auch über die wichtige Steuergerechtigkeits-Initiative ab. Der Steuerwettbewerb schadet unserem Kanton. Wieder und wieder wurden in den letzten Jahren die Steuern für Unternehmen und Gutverdienende gesenkt. Heute fehlt das Geld in der Kasse, weshalb Leistungen abgebaut wer-den sollen. Die SP-Initiative will mit dieser zerstörerischen Tendenz brechen. Schluss mit Vorteilen für Superreiche! Von einer Steuererhöhung wäre übri-gens nicht – wie immer behauptet wird – der gesamte Kanton betroffen. Es ist nur das reichste Prozent, das in Zukunft mehr Steuern zahlen soll. 99 Prozent der Bevölkerung profitieren. Dario Sulzer, Politischer Sekretär

Magistraten machen PropagandaUm die SP-Steuerinitiative zu bodigen, schlagen sich auch St.Galler Regierungs-rätInnen in die Bresche. Doch für solche Jobs wurden sie nicht gewählt.

Umfragen zeigen, dass die Steuergerechtigkeits-InitiativederSPbeimVolkgutankommt.EinEr-

folgam28.NovemberanderUrneliegtinReichweite.Weite Kreise wollen es nicht länger hinnehmen, dassReicheundSuperreichebeimFiskusdankeines irrenSteuerwettbewerbs der Kantone immer besser weg-kommen, währenddem normalen SteuerzahlendenvolleLastenzugemutetwerden.KeinWunder,mussdiebürgerliche Gegenpropaganda Gas geben. In unsererRegionalpressetauchennunInseratemitdemSt.GallerFinanzchefMartinGehrer(CVP)auf.Darinwendeter

sich an die «lieben St.Gallerinnen und St.Galler» undbekennt,erlehnedieSP-Steuerinitiativeab.Werhättedas gedacht! Seine Begründung: Sie führe zu einer«starren Steuerordnung in Kanton und Gemeinden»und würde die Freiheit der BürgerInnen, selber überdieSteuerbelastungentscheidenzukönnen,«erheblicheinschränken». DasistnatürlichbarerUnsinn.DerSteuerföde-ralismus bleibt nach wie vor gewahrt. Die Kantonemüssten lediglich einen Mindeststeuersatz für Gross-verdiener (1 Prozent der Bevölkerung) festlegen. Diesweil der künstliche Steuerwettbewerb immer negati-vereFolgenzeitigt.Zug,SchwyzundObwaldenlockenReichemitTiefsteuersätzenan.AuchinAusser-undIn-nerrhodenwächstdieZahl jener,diedemStaatkaumetwas abliefern, aber dafür mit teuersten Sportwagenherumkurven. Die Steuergerechtigkeit bleibt auf derStrecke und untergräbt zunehmend die Steuermoral.HerrGehrer,istIhnendasallesegal? EinstarkesStückist,dassselbstRegierungsrätein die Gegenkampagne eingespannt werden, und daserst noch zusammen mit dem Kantonswappen, wasdieser Propaganda einen «offiziellen» Anstrich gibt.Das grenzt an Irreführung der Stimmberechtigten.RegierungsrätInnen, die hier mitmachen, missbrau-chen ihr Amt für politische Propaganda. Dieser Vor-wurftrifftnichtnurMartinGehrer,sondernauchKa-rinKeller-Sutter(FDP),dieimFlyerdesGegenkomiteesmit einem ähnlichen Statement auftaucht. Die Ver-luderung der politischen Sitten erreicht damit neueHöhepunkte. Mitglieder der Kantonsregierung habensich in Abstimmungskämpfen zurückzuhalten. SiewurdenvomVolknichtgewählt,umParteipropagandazubetreiben. (red.)

Finanzchef Martin Gehrer als Propagandist im Dienste von Economie-Suisse

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Die alten Scherbenhaufen

Der frühere St.Galler Finanzchef Peter Schönenberger (CVP) hinterlässt dem Kanton millionen-schwere Scherbenhaufen. Auf-räumen müssen sie sein Nachfolger und die Steuerzahlenden.

Zwei erfolgreiche Klagen der Personalverbände,die kürzlich entschieden wurden, haben für den

Kanton erhebliche finanzielle Folgen. Da sind zu-nächst die widerrechtlichen Gewinnentnahmen aus

nenbetrag zur Aufbesserung der Pflegelöhne in denSpitälern aufwenden. Allein die fünf Hebammen unddrei Pflegefachfrauen, die persönlich geklagt hatten,müssenmiteinerhalbenMillionFrankenentschädigtwerden.FinanzchefGehrerhathierwenigSpielraum–Lausannehatgesprochen. Erst langsamwirdklar,welchfataleFolgendienichtgeradepersonalfreundlichePolitikdesfrüherenFinanzchefshat. ImdümmstenFallmussderKantonalsFolgedieserKlageneinenknappdreistelligenMil-lionenbetragnachzahlen–eineargeBelastungfürdiedurch Steuersenkungen bereits strapazierte Staats-kasse. Schönenberger wollte als grosser Wirtschafts-förderer und Steuersenker in die Annalen eingehen,aber er bescherte seinem Nachfolger nur noch grös-sere Finanzprobleme, als er selber schon hatte. DerCVP-Politiker wird als patronaler Kassenwart mitLangzeitfolgenindieSt.GallerGeschichteeingehen.

C V P - F i l z s p i e l t e m i t //BeiderLohnklagewurdenDetails seines «fürstäbtlichen» Regierungsstils be-kannt.SobeklagtensichdiePersonalverbände,siehät-tenmehrmalsdasGesprächmitihmgesucht,dochniehabe er mit ihnen geredet. Die Diskriminierungskla-ge hätte sich nämlich auch durch einen Vergleich re-gelnlassen.DafürhattederFinanzcheffreilichkeinenSinn. Lieber wurde ein unnötiges, über 100 000 Fran-ken (!) teures Gutachten bei der HSG bestellt, in derHoffnung,dieseswerdeArgumentegegendenDiskri-minierungsvorwurfliefern.Weitgefehlt–Pflegearbeitund jene von Polizeibeamten seien durchaus gleich-wertig,ergabdasGutachten. LautderAnwältinderPersonalverbände,Fran-ciska Hildebrand, war die personelle und parteipoli-tischeVerflechtungindiesemLohngleichheits-Prozesserstaunlich. Der Präsident des VerwaltungsgerichtsundderkantonaleFinanzchefsindParteifreunde,undderGutachtervonderUni isteinAngestellterdesbe-klagten Kantons. Der Anwalt des Kantons ist ebensoanderUnitätigwiederVerwaltungsgerichtspräsident.Alle kennen sich. «Das dürfte gar nicht sein», rekla-miert Hildebrand die personelle Verfilzung, die ihrständig neue juristische Manöver abforderte. Auchkonnte sie die Beschwerde ans Bundesgericht erst imJanuar2009einreichen.ZudiesemZeitpunktgelangtederStreitfallwegeneinerNeuzuteilungderRechtsge-biete nicht nach Lausanne, sondern zur weniger er-fahrenenI.sozialrechtlichenAbteilungdesBundesge-richts.Gutmöglich,dasssichderKantonalsBeklagterdavoneinenpositivenAusgangerhoffte. In der sozialrechtlichen Abteilung ist übrigensdie St.Galler Bundesrichterin Martha Niquille (CVP)tätig. Sie war beim fraglichen Urteil nicht dabei. AlsKantonsrichterin war sie schon einmal mit Lohndis-kriminierung befasst. Sie hatte die Lohngleichheits-klageeinerLehrerinfürKrankenpflegegegendenKan-ton St.Gallen in den 1990er-Jahren zu beurteilen undlancierte damals das neuartige Argument, ein zu tie-fer Frauenlohn sei wegen dem «Markt» in den Lehr-berufen nicht diskriminierend. Das Bundesgerichtschenkte diesem Argument Gehör und lehnte dieLohnklageüberraschendab.DiesstiessinderÖffent-lichkeit und auch in Fachkreisen auf viel Kritik, daman mit dem Marktargument jede Diskriminierungrechtfertigenkönnte. (rh)

der Versicherungskasse des Staatspersonals. Bekannt-lichhattederfrühereFinanzchefPeterSchönenberger(CVP) ab 1999 rund 18 Mio. Franken aus den Anlage-gewinnenderPensionskasseindieStaatskasseumge-leitet und diese Summe damit dem Alterskapital derStaatsangestelltenentzogen.DieserRentenklauwurdeimletztenMaivomBundesverwaltungsgerichtalswi-derrechtlicherkannt(siehelinksNr.3/2010).DauerdesProzesses: rund zehn Jahre. Nach Berechnungen desVPODmussderKantonbiszu40Mio.FrankenandiePensionskassederStaatsangestelltenzurückzahlen.

K a s s e n w a r t m i t L a n g z e i t f o l g e n //MitteOktoberplatzte die zweite Bombe. Die Löhne der Hebammenund Krankenpflegerinnen an den st.gallischen Spitä-lern sind zu tief, urteilte das Bundesgericht auf eineLohndiskriminierungsklagederPersonalverbändeausdem Jahr 2003. Die Pflegenden werden im Vergleichzu Polizisten lohnmässig diskriminiert. Dauer diesesProzesses:mehralssiebenJahre.NachBerechnungendes VPOD hat auch dieses Urteil enorme Folgen: DerKanton muss mutmasslich einen zweistelligen Millio-

Der Kanton muss die Löhne der Pflegefachfrauen aufbessern.

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Weg mit der Pauschal-besteuerung!

Von Claudia Friedl, Präsidentin SP Kanton St.Gallen

AlsBewohnerInnendiesesLandeserwartenwirei-nen funktionierenden Staat, der seine Aufgaben

im Bereich soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung,Umweltschutz, Service Public und Infrastruktur er-füllt und für eine funktionierende Verwaltung undJustiz sorgt. Die Steuergelder, die er dafür braucht,sollen gerecht erhoben werden. Von den Leistungender öffentlichen Hand profitieren auch die bei unswohnenden Reichen aus dem Ausland. Doch mit derPauschalbesteuerung, einer Besteuerung nach Auf-wand statt nach Leistungsfähigkeit, erhalten sie ei-neVorzugsbehandlung. IndenGenusskommenjene,dieinderSchweizkeinerErwerbstätigkeitnachgehen.Die Pauschalbesteuerung gibt es im Kanton Waadtschonseit1862,imKantonSt.Gallenhingegenerstseit1999.ImKantonZürichwurdesieaufAnfang2010perVolksentscheidabgeschafft.

L ä c h e r l i c h k l e i n e r O b o l u s // Die Pauschalbe-steuerung ist eine eigentliche Dumpingsteuer. DiePersonen werden nicht nach ihrem effektiven Ein-kommen und Vermögen besteuert, wie alle anderen

Steuerpflichtigen, sondernüber eine Berechnung ihrerLebenshaltungskosten. ZurVereinfachung der Veranla-gung wird meist der 5fachejährliche Eigenmietwert desEigenheims bzw. der Woh-nungsmiete als steuerbaresEinkommen angenommen.FürdassteuerbareVermögenwirddieserBetragmal20ge-rechnet. Was dabei heraus-kommt, sind geradezu lä-cherliche Steuerbeträge, diezudem zwischen den Kan-tonen stark variieren. Dertiefste erhobene Steuerbe-trag lag 2008 bei rund 10 000Franken (für Gemeinde-,Kantons- und Bundessteuer

Die Pauschalbesteuerung von reichen AusländerInnen im Kanton St.Gallen muss abgeschafft werden, denn sie ist ungerecht und schädlich. Der Gegenvorschlag der Regierung ist untauglich.

zusammen!), der häufigste bei 70 000 Franken. Fürden Staat sind diese intransparent abgeschlossenenSteuerbevorteilungen letztlich uninteressant, brin-gen sie doch schweizweit nur 0,7% und im KantonSt.Gallen gar nur 0,2% der gesamten Steuereinnah-menein. OftwirddasAnlockenreicherAusländerInnenmitdemangeblichgrossenvolkswirtschaftlichenNut-zen gerechtfertigt. Die Reichen würden viel in ihrenaufwendigen Lebensstil investieren. Das tun jedochreicheSchweizerInnenauch,die trotzdemnichtpau-schalbesteuert werden. Und wenn die tieferen undmittlerenEinkommenmehrGeldinderTaschehätten,würdensiediesesGeldebenfallsraschausgebenundsodieWirtschaftankurbeln.NebendemangeblichenNutzenwirdaberseltenaufdenvolkswirtschaftlichenSchaden hingewiesen: Der Steuerwettkampf um dieReichendrücktaufdenWohnungsmarkt,Boden-undWohnungspreise explodieren. In Kantonen wie ZugwirddieangestammteBevölkerungbereitszumAus-zug gezwungen, weil sie sich die hohen Mieten nichtmehr leisten kann. Man nimmt alles in Kauf, um anschönsten Lagen Wohnzonen für Superreiche zu er-stellen. Dieser Trend scheint sich fortzusetzen, wer-den doch immer mehr Personen pauschalbesteuert.Ihre Zahl stieg schweizweit zwischen 1999 und 2008von3106auf5003starkan.AuchinSt.GallenstiegsieindenletztenzweiJahrenvon78auf89an. DieSPweistschonseit JahrenaufdieseUnge-rechtigkeitsowohlgegenüberdereigenenBevölkerungals auch gegenüber anderen Staaten, aus denen mandieMillionärInnenabwirbt,hin.DochinBundesbernwilldiebürgerlicheMehrheitnichtsändern.AuchdieStandesinitiativefüreineAbschaffung,diederSt.Gal-ler Kantonsrat mit den Stimmen des linksgrünen La-gers und der CVP gegen den Willen der RegierungnachBerngeschickthat,hatbishernichtsbewirkt.

G e g e n v o r s c h l a g u n t a u g l i c h // In über zehnKantonensindkantonaleInitiativenzurAbschaffungderPauschalbesteuerunglanciertworden.ImKantonSt.GallenhatdieSPzusammenmitdenGewerkschaf-ten,Grünen,EVPundderPdAdieInitiativebereitsein-gereicht. Die Regierung stellt unserer Initiative nuneinenGegenvorschlaggegenüber.DieserwilldiePau-schalbesteuerung beibehalten, aber die Bemessungs-grundlagen erhöhen (für das Einkommen das 7fachedes Mietzinses, wenigstens 600 000 Franken, und fürdasVermögendas20fachedavon,mindestens12Mio.Franken).DieshebtallenfallsdieKantonseinnahmenein wenig, schafft aber die ungerechte Pauschalbe-steuerungnichtausderWelt. Fürunsistklar:WirhaltenanderInitiativefest.Im Abstimmungskampf wird es interessant sein, be-sonders die CVP zu beobachten, hat sie sich dochwortstarkfürdieStandesinitiativeeingesetzt.Wirha-ben noch die Worte von Regierungsratskandidat Be-nediktWürth(CVP)indenOhren,dersagte:«DasVolkärgert sich zu Recht und zwar weit bis in die bürger-lichen Wählerschichten hinein über das intranspa-renteAbschliessenvonVereinbarungenzwischenFis-kusundSteuerzahler,währendderNormalbürgerbravseine Steuererklärung ausfüllen muss.» Jetzt geht’sum die Wurst. Folgen wir dem Kanton Zürich undschaffenwirnächstesJahrdieseUngerechtigkeitab!Bi

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Schneller entlassenals eingestellt

Von Felix Birchler, Industriesekretär Unia, St.Gallen

Zwei Jahre nach dem Ausbruch der Krise in der Ostschweizer Maschinenindustrie zeigt sich: So schnell, wie die Leute entlassen wurden, werden sie nicht wieder eingestellt. Stattdessen wuchern diverse Formen prekärer Arbeitsverhältnisse.

Im Herbst 2008 wurde die Ostschweizer Maschinen-industrievonderKrisevollerfasst.InmanchenBe-

triebenkameszuUmsatzeinbrüchenvon30bis50%.Reagiert haben die meisten Unternehmen mit Kurz-arbeitund,nacheinigenMonatendesAbwartens,mitEntlassungen. Begründet wurde der Stellenabbau all-gemein mit der Intensität der Krise. Auch sei es nichtabsehbar,wannwiedereinAufschwungkomme.Manmüsse deshalb rasch und frühzeitig auf die Umsatz-einbrüchereagierenundkönnedieEntlassungennichtweiter aufschieben. Vielerorts wurden dabei auch bisanhin geltende Grundsätze eines verantwortlichenUnternehmertumsüberBordgeworfen.Kündigungen

von über 50-jährigen Mitar-beiterInnen, die über Jahr-zehntezumWohlergehendesBetriebesbeigetragenhatten,wurdenohnemitderWimperzu zucken ausgesprochen.Dies im vollen Bewusstsein,dass es für diese Leute sehrschwierig sein würde, eineneue Stelle zu finden und sieGefahr laufen, bis zur Pen-sionierung von Arbeitslosen-kasse und Sozialhilfe abhän-gigzusein.

V o r e i l i g e E n t l a s s u n g e n // Nun, wenige Monate spä-ter, zeigt sich, dass viele Un-ternehmen ihre Entlassungs-entscheide etwas gar vorei-lig getroffen haben. Fast imselben Tempo wie vor zweiJahren die Umsätze einbra-chen,ziehtdieNachfragenunwieder an, auch wenn es na-türlich Ausnahmen gibt. DieAuftragsbüchersindvoll,unddie Umsatz- und Gewinner-wartungen erreichen vieler-

orts bereits wieder die Rekordwerte aus der Vorkri-senzeit.SoraschmanaufdieKrisemitEntlassungenantwortete, so zurückhaltend ist man jetzt bei denNeueinstellungen. Wurden die Entlassungen mit denUnsicherheiten auf den Märkten begründet, so wirdnun mit demselben Argument begründet, weshalbman noch immer kein neues Personal einstellt, ob-schondieAuftragslagediesdurchausmöglich,janötigmachenwürde. InvielenBetriebenarbeitetdieverbliebeneBe-legschaftheuteÜberzeit,undzwarziemlichviel.Das-selbe Auftragsvolumen wie vor der Krise muss vondeutlich weniger Personal bewältigt werden. Für dieUnternehmen natürlich ein lohnendes Geschäft: MitwenigerPersonalkostendieselbeProduktionaufrecht-erhalten,bedeutetmehrGewinn.EineeinfacheRech-nung,dieabernursolangeaufgeht,wiedieMitarbei-tenden bereit sind, die Überstundenarbeit zu leisten.In verschiedenen Betrieben ist unter der Belegschaftzunehmender Unmut über die steigende Arbeitsbe-lastung festzustellen. Sollten sich diese Unterneh-men nicht zu grosszügigen Lohnerhöhungen für 2011durchringen können, so dürfte dieser Ärger noch an-wachsen.

P r e k ä r e V e r h ä l t n i s s e // Ein weiterer Trend inderNachkrisensituationbestehtimBoomtemporärerund prekärer Arbeitsverhältnisse. Noch immer gelteninvielenBetriebendiewährendderKriseverhängtenEinstellungsstopps.EssindnochimmerdieFinanzer,die bestimmen, ob eine zusätzliche Arbeitskraft ein-gestellt wird, und nicht die Abteilungsleiter, die dasArbeitsvolumen am besten überschauen können. UmdieKundenaufträgeüberhauptbewältigenzukönnen,greiftmandeshalbverstärktaufTemporärarbeitskräf-te zurück. Befristete Anstellungen für zwei oder dreiMonatesindderRegelfall,aufdenEntlasseneaufJob-suchehoffenkönnen.EinereelleChanceaufeineFest-anstellunghabensieselten.VieleUnternehmerschei-nen den Personalabbau während der Krise gleich zueiner Neuausrichtung der Belegschaft nutzen zu wol-len: hin zu mehr temporär Angestellten, die als Ma-növriermassebeieinemerneutenNachfrageeinbruchrasch und problemlos wieder gekündigt werden kön-nen. Besonders perfide: Manche Unternehmen be-ziehen ihrer Temporärarbeiter via RAV-Einsatzpro-gramm.DamitkommensiefüreinigeMonatezusehrgünstigen Arbeitskräften. Eine Umwandlung in eineFestanstellunghabensiegarnieimSinn. Diesen Trend zu einer Zunahme prekärer Ar-beitsverhältnissenbestätigteinekürzlichvomStaats-sekretariat für Wirtschaft (Seco) publizierte Studie.Für das Seco stellen solche Arbeitsverhältnisse vorallemdanneinProblemdar,wenndiebetroffenenPer-sonen nicht mehr aus ihnen herausfinden und Tem-porärjob an Temporärjob reihen müssen. Noch sei esaber so, dass prekäre Arbeitsverhältnisse hauptsäch-lich in Übergangszeiten bestehen, also wenn jemandineinerZwischenphasezwischenArbeitslosigkeitundFestanstellung ist. Die kommenden Monate werdenzeigen,obderTemporärboominderOstschweizerMa-schinenindustrienurvorübergehendist.OderobsicheinedauerhafteManövriermasseherausbildet,diege-zwungenist,zwischenArbeitslosigkeitundTemporär-jobshin-undherzupendeln.

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Die Wirtschaft zögert, nach der Krise neue Arbeitskräfte einzustellen.

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Kölliker blockt ab

SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker erreicht sein erklärtes Ziel, Ruhe in die Schulen zu bringen, mit einer Reformblockade an allen Fronten. Das kann nicht gutgehen.

Bildungschef Stefan Kölliker (SVP) ist mit dem Zielangetreten, Ruhe in die Schulen zu bringen. Un-

ter dem Beifall vieler Lehrkräfte hat er den «St.GallerSchulbus»abgebremst,jaangehalten.DashatzurFol-ge,dassunsereSchulebeiderLösungdringenderPro-blemenichtvomFleckkommt:> DieSchülerInnen,dieleistungsmässigzumunters-tenFünftelgehören,werdenungenügendgefördert.> Die Leistungsunterschiede, die beim Schuleintritt

bestehen, vergrössern sichimLaufederSchulzeit.DerSchulerfolghängtsehrstark mit der sozialen Her-kunftderSchülerInnenzu-sammen. Kinder aus bil-dungsfernen Familien, de-ren Muttersprache nichtDeutschist,habeninunse-rer Schule schlechte Kar-ten. Trotz tüchtigen Lehr-kräften und Spezialange-boten wird in vielen Fäl-len nicht einmal verhin-dert, dass sie während derSchulzeitimmerweiterzu-rückfallen.DieBasisstufe,derenEin-führung der Erziehungs-rat aus Kostengründen ab-gelehnt hat, hätte diesesProblem nicht gelöst. Im-merhinwäreesmöglichge-wesen, die Einschulungs-phasedereinzelnenKinderindividueller zu gestalten.Wenn wir am Ziel fest-halten, den SchülerInnen

möglichst gleiche Chancen zu bieten, so kommen wirnicht um eine gezielte und systematische Frühförde-rung herum. Kinder aus schwierigen Verhältnissenkönnten von gut ausgebauten Tagesstrukturen be-sonders profitieren. Doch dafür sind die Gemeindenzuständig. Eine aktive Förderung solcher Strukturendurch den Kanton existiert schlicht nicht. Nach sechsJahren Primarschule werden die SchülerInnen beim

Übertritt in die Oberstufe aufgeteilt: die guten in dieSekundarschule, die nicht so guten in die Realschu-le, und für solche mit Schwierigkeiten bleiben dieKleinklassen.SchonfürdieJugendlichenindenReal-klassen sind die Aussichten schlecht. Das liegt, dassei betont, nicht an den Lehrkräften. Viele von ihnenversuchen alles, um ihren Schützlingen etwas beizu-bringen, und sie unterstützen sie auch bei der Lehr-stellensuche. Aber mit dem Stempel «Real» ist oftnichtszumachen. Auch andere Mängel unseres Systems sind of-fensichtlich.ZumBeispiel istdieSelektionuneinheit-lich: Mit den gleichen Leistungen landet ein SchülerimDorfAinderSekundar-,inBinderRealschule.DasProblemistzwarbekannt,aberRegierungsratKöllikerschaffte bis jetzt keine Lösung. Er startete zwar nachseiner Amtsübernahme das «Projekt Oberstufe» undliessvoneinerKommissionModelleprüfen,dieinan-dern Kantonen angewendet werden. Diese schlug ei-ne behutsame Reform vor: Die kooperative Oberstu-fe (das heisst Sekundar- und Realschule im gleichenSchulhaus) sollte überall verwirklicht werden. Daswürde es erlauben, in gewissen Fächern gemischteLeistungskurse zu führen. Doch selbst dieses kleineSchrittchen war dem Erziehungsrat und seinem Prä-sidentenzuvielBewegung.SeinEntscheid:GemischteLeistungsklassen sind beschränkt erlaubt, doch dieSchulgemeindenkönnenallessolassen,wieesist.Ei-negemeinsameOberstufekommtnur inFrage,wenndieSchulezukleinist,umdiebeidenAbteilungenge-trenntzuführen.VölligungelöstbleibenweiterhindieProbleme um die katholischen Sekundarschulen inWilundGossau,vorallemaberinderStadtSt.Gallen.

I g n o r i e r t e s K o n k o r d a t // Mit dem Neuen Fi-nanzausgleich haben die Kantone die Verantwortungfür die Sonderpädagogik und auch für deren Finan-zierung übernommen. Um zu verhindern, dass sichdie kantonalen Regelungen zu stark unterscheidenundumdieZusammenarbeitzuerleichtern,habensiesichaufeinKonkordatgeeinigt.Darinistauchvorge-sehen,behinderteKinderstärkeralsbisher indieRe-gelschulezuintegrieren.WennnunausdemSt.GallerBildungsdepartementzuvernehmenist,derChefwol-ledasWort«Integration»wederhörennochlesenunderdenkenichtdaran,imBereichSonderpädagogikmitandern Kantonen zusammenzuarbeiten, so muss dasSchlimmste befürchtet werden. Sicher will niemand,dassSt.GallendengleichenFehlermachtwiedergros-seNachbarZürich.DortmussteeineüberstürzteInte-grationsübung abgebrochen werden. Es fehlte an dennötigen personellen und finanziellen Mitteln, auchmachten Eltern und Lehrkräfte nicht mit. Das Zielmussabersein,MenschenmitBehinderungensoweitwie möglich zu vollwertigen Gliedern unser Gesell-schaftzumachen,unddasgehtnur,wenndieIntegra-tionschoninderSchulebeginnt. Regierungsrat Kölliker und der ErziehungsrathabenindenletztenMonateneineReihevonEntschei-dungengetroffen,diedasSchicksalvonbenachteilig-ten SchülerInnen entscheidend beeinflussen. Leiderscheinen dabei mehr Kosten- als inhaltliche Überle-gungen im Vordergrund gestanden zu sein. Aus SichtderSPistdassicherkeineguteBildungspolitik. Hansueli Baumgartner

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Reformstau im St.Galler Schulwesen: Manche Pro-bleme bleiben ungelöst.

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Ja zu mehr Steuergerechtigkeit

Am 28. November haben wir die Möglich- keit, mit einem klaren Ja zur Steuergerechtig-keitsinitiative der SP den schädlichen Steuerwettbewerb zu stoppen und Reiche wieder in ihre Verantwortung für die Gesellschaft einzubinden.

Spitzenverdienendemitüber 250 000Frankensteu-erbarem Einkommen sollen zu mindestens  22%

besteuert werden, Vermögen über 2 Millionen über-allzumindestens5‰.DiesverlangtdieVolksinitiati-ve fürmehrSteuergerechtigkeit.BetroffendavonsindalsoinersterLiniedieVermögenden.Fürsiesolleine

Mindestbesteuerung gelten. In jüngsterVergangenheit wurden die Steuersät-ze für Grossverdienende, darunter dieOspels,VasellasundvieleweitereAbzo-ckerausdenTeppichetagen,immerwei-ter gesenkt. Wenn die bürgerliche Pro-

paganda behauptet, der Mittelstandmüsse aufgrund der SP-Initiativemehr Steuern bezahlen, so ist dieseine gezielt falsche Behauptung. Sie

hatdeneinzigenZweck,verängstigteStimmberechtigte zu einem Nein zu

veranlassen.VonsolchenManöverndarf man sich nicht beirren

lassen.

Reiche und Topverdienende sind oft mobil, siewechselndenWohnsitzraschdorthin,wodieSteuerntief sind. Familien mit Kindern, die verwurzelt sindund kein Geld für teure Umzüge haben, können daskaum tun. Die Steuergerechtigkeitsinitiative ist einerster Schritt, Steueroasen auszutrocknen, indem einlandesweiter Mindeststeuersatz vorgeschrieben wird,sowie mehr Steuergerechtigkeit herzustellen. AuchmitderneuenBesteuerungwirddieSchweiz–entge-gen anderslautenden Behauptungen – weiterhin zuden steuergünstigsten Ländern gehören. Wie jüngsteine Studie der Beratungsfirma KPMG zeigt, ist dasauch bei den Unternehmenssteuern der Fall. EbensoattraktivistdievergleichsweisetiefeMehrwertsteuer-belastung. In16Kantonen,insbesonderederWestschweiz,hateineAnnahmederSP-InitiativekeineAuswirkun-gen. IndenmeistenDeutschschweizerKantonenundauch in St.Gallen müssten die Steuertarife im oberenBereich angehoben werden. Das ist gut so und bringtderöffentlichenHanddringendbenötigteEinnahmen.Die Reichen haben sich nämlich in den vergangenenJahren zunehmend aus ihrer gesellschaftlichen Mit-verantwortungverabschiedetundsichderSolidaritätfür die Gemeinschaft entzogen. Dies geschah durchallerlei Steuertricks und juristische Konstruktionen,für die sich eine spezielle Steuervermeidungsindus-trie mit Banken, Treuhändern und Anwaltskanzleienherausgebildet hat. Die SP-Initiative bringt eigentlichdemStaatundderAllgemeinheitnurdaszurück,wasdieoberenZehntausendschonseitlängeremschuldiggebliebensind.

R u i n ö s e r S t e u e r w e t t b e w e r b // Der ruinöseSteuerwettbewerb mit dem Wettlauf nach den bil-ligs-ten Steuersätzen für die Wirtschaft und die Ver-mögenden hat die Kantone empfindlich geschwächt.Dies wird gerade am Beispiel des Kantons St.Gallensichtbar. Hier steuert die Wirtschaft gerade noch 10%ans gesamte Steuervolumen bei, 2007 waren es noch18%. Die Vermögenssteuer wurde vor wenigen Jah-ren um 0,2‰ auf 1,7‰, der maximale Steuertarif fürdiehöchstenEinkommenvon9%auf 8,5%Prozentge-senkt. Jetzt fehlen uns deshalb Millionen in der Kan-tonskasse. DieFolgedieserverhängnisvollenSteuerpolitik,für die SVP, FDP und CVP verantwortlich sind, läuftbei uns unter dem verharmlosenden Titel «Verzichts-planung». Darunter ist nichts anderes als ein gigan-tischesSparpaketimUmfangvon180Mio.Frankenzuverstehen.EsdrohteinmassiverAbbaubeidenstaat-lichen Leistungen. Die Sparmassnahmen für die Be-hindertenheime sind für 2011 zwar abgewendet, abernuraufgeschobenundnichtgänzlichvomTisch.Vieleweitere Bereiche werden betroffen sein: Bildung, Ge-sundheit, Ergänzungsleistungen, Kultur. Darum gibtes am 28. November nur eins: unbedingt abstimmenundmöglichstvieleFreundInnen,NachbarInnenundBekannte von der Steuergerechtigkeitsinitiative über-zeugenundJastimmen!

Von Barbara Gysi, SP-Fraktionschefin, Wil

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Gesundheitspflege für 57 Millionen

Von Dario Sulzer, SP-Sekretär und Stadtparlamen-tarier, Wil

Am 28. November stimmt die Stadt Wil über eine rekordhohe Bauinvestition ab. 57 Millionen Franken kostet der neue Sportpark Bergholz. Die SP Wil unterstützt das Projekt, stellt aber auch Forderungen.

«MitdergeplantenRealisierungdesGesamtkon-zeptes Sportpark Bergholz sollen Stadt und

Region Wil ein modernes Fussballstadion, eine neueEishallesowieeinHallenbadmitWellness-Oaseerhal-ten–allesverpacktineinermodernenArchitekturspra-che mit hohem Aufenthaltswert. Damit entsteht einekantonsübergreifenderegionaleSportanlagemitzeit-gemässemFreizeitangebotfürSport,SpassundErho-lung,welchedieStandortattraktivitätdergesamtenRe-gionWilerhöht»,sodiefroheBotschaftderStadtWil. 57 Millionen – das ist viel Geld für eine Stadtmit einem Jahresbudget von 100 Millionen Franken.Noch nie gab es eine Volksabstimmung über ein der-art teures Projekt. Doch während in St.Gallen für 70Millionen nur eine Fussballarena gebaut wurde, sol-len in Wil ein Hallenbad, eine neue Eishalle und einneues Fussballstadion erstellt werden. Zugleich wirddas Freibad saniert. Die jetzige Infrastruktur ist ma-rode: Die Badi verliert Unmengen Wasser, in der Eis-halle tropft es vom Dach, und das Fussballstadionentspricht nicht mehr den Anforderungen der SwissFootball League. Wenn der FC Wil weiterhin in derzweithöchstenLigaspielenwill,brauchteseinneuesStadion. Der FC muss eine Million und der Eissport700 000 Franken für den Bau beisteuern und für dieBenützungderAnlagenMietebezahlen.

K e i n I n v e s t i t i o n s s t o p p // Der neue Sportparkist macht die Stadt Wil ohne Frage attraktiver. Dochwerden im städtischen Finanzplan 2010-2014 die Fol-gensichtbar:IndenkommendenvierJahrenbetragendiestädtischenNettoinvestitionen75MillionenFran-ken. Davon entfallen zwei Drittel auf den Sportpark.Die SP Wil kritisiert denn auch die Folgen der Mega-investitionaufdenFinanzplanderStadt.Indennäch-sten10bis15JahrenverdrängtderSportparkvielean-dere Investitionen. So hat der Stadtrat beispielsweisedieenergetischeSanierungvonSchulhäusernaufun-bestimmteZeitzurückgestellt.HiersindausSichtderSP Korrekturen notwendig. Die InvestitionsplanungderStadtdarfnichtzur«Bergholzplanung»werden. AusdemProjektresultierenFinanzierungskos-tenvonjährlichrund6Steuerprozenten.DieStadtwillsichdas leisten.StelltsichnurdieFrage,zuwelchem

Preis.FürdieSPistklar:SagenwirJazumSportpark,müssen wir auch Ja sagen zu einer Steuererhöhung.Um die laufenden Kosten im Griff zu halten, ist aus-nahmsweise sogar die FDP bereit, eine Steuererhö-hunginsAugezufassen.TrotzdemstündedieGemein-de im kantonalen Vergleich weiterhin gut da. Dochein höherer Steuerfuss ist alles andere als sicher. Erstdiesen Frühling lehnten die Wiler StimmbügerInneneine Steuerfusserhöhung um 4 auf 128 Prozent aufEmpfehlung der Bürgerlichen klar ab. Wenn Parla-ment oder Volk die per 2012 vorgesehene und für dieFinanzierung notwendige Steuerfusserhöhung erneutkippen, was dann? Droht dann ein Sparpaket, wie esunsbereitsbeimKantonbevorsteht?DieSPwirdsichgegen einen Abbau beim Staat zwecks Finanzierungder Sportinfrastruktur wehren. Sollte sich das Volkam28.NovemberwiderErwartengegendenSportparkBergholzaussprechen,müssendiebestehendenAnla-gentrotzdemsaniertwerden.DerStadtratschätztdieKosten dafür auf 40 Millionen Franken, ohne Hallen-bad.EinenPlanBgibtesnicht.Odernochnicht.

P r o j e k t S p o r t p a r k B e r g h o l z , e i n e l a n g e G e s c h i c h t eEs brauchte drei Anläufe, bis die Wiler Stimmberechtigten 1959 ihre Stadt beauftragten, ein Schwimmbad «zum Zwecke der Erhaltung und Pflege der Gesundheit der Be-völkerung» zu errichten. Vier Jahre später konnte die Genossenschaft Spiel- und Sportanlagen Wil (GESPA) die Anlage, bestehend aus Freibad, Kunsteisbahn und Fussballanlage, einweihen. Dass Sportanlagen dieser Art weder selbsttragend noch gewinnbringend betrieben werden können, war rasch klar. Nach der Eröffnung unterstützte die Stadt die GESPA daher während mehr als 40 Jahren mit jährlich wiederkehrenden, namhaften Betriebsbeiträgen. Allerdings reichten diese Beiträge oft-mals nicht aus, den Betrieb mit einer ausgeglichenen Rechnung sicherzustellen oder Investitionen zu tätigen. Trotz werterhaltender Investitionen der Stadt in Mil- lionenhöhe konnte nicht verhindert werden, dass grosser Sanierungs- und Nachholbedarf entstand. Heute prä- sentieren sich die Sportanlagen, nun im Besitz der Stadt, in einem baulich katastrophalen Zustand. 2003 überwies das Stadtparlament eine Motion von Monika Paminger (SP), die den Stadtrat beauf- tragte, den Bau eines Hallenbads zu prüfen. Womit wir beim heutigen Projekt wären: Die Implenia AG soll als Totalunternehmerin für 57 Millionen Franken die Gesamtsanierung und Erweiterung des Sportparks Bergholz ausführen.

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Sportkomplex statt nur Badi: Wil will massiv für die Freizeit- gesellschaft aufrüsten.

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Speckers Arbeiter-geschichte, ein Standardwerk

Der Rorschacher Historiker Louis Specker hat die erste Geschichte der Ostschweizer Arbeiterbewegung geschrieben. Eine Pflichtlektüre für alle Linken.

Die Publikation von «Links aufmarschieren. Ausder Frühgeschichte der Ostschweizer Arbeiterbe-

wegung» (Chronos-Verlag) von Louis Specker ist einEreignis. Noch nie hat es jemand unternommen, auseinem umfassenden Blickwinkel die Entstehung undEntwicklung der Arbeiterbewegung in der Ostschweizdarzustellen.SpeckersWerkisteinzigartig,auchwennnur der Zeitraum von den Anfängen bis zum ErstenWeltkrieg berücksichtigt ist. Die Fortsetzung im 20.Jahrhundertmusserstnochgeschriebenwerden. Wohl kein anderer als der frühere Direktor desHistorischen Museums in St.Gallen wäre in der Lagegewesen, eine solche Studie zu verfassen. Louis Spe-cker ist mit der Ostschweizer Arbeitergeschichte wiekein zweiter vertraut. Einen Namen schuf er sich alsBiograf des Weberpfarrers Howard Eugster-Züst, derdie Sticker in Ausserrhoden organisierte. Im Verlaufeder Jahre hat er eine Fülle von Material aus Zeit-schriften, Archiven und weiteren Quellen zusammen-getragen. Ohne diese langjährige Forschung ist eine

RekonstruktionderArbeiterfrühgeschichtekaummög-lich. Bereits Anfang 1980 erhielt er vom St.Galler Ge-werkschaftsbund und der Bildung gemeinschaft denAuftrag zu diesem Werk. Doch die berufliche Inan-spruchnahme verhinderte eine Fertigstellung. Erstnach der Pensionierung konnte der Autor das begon-neneWerkergänzenundvollenden.

O s t s c h w e i z a l s s t e i n i g e r B o d e n //Speckerbe-ginntbeiderArmutsdiskussionunddemgrossenUm-bruch der Industrialisierung ab 1830, die erst den Fa-brikarbeiter und die Fabrikarbeiterin als historischesSubjekt hervorbrachte. Er schildert die Virulenz dersozialen Frage und die grosse Armut, die zur Selbst-organisationderArbeiterschaftundzuihremAufstiegzumgesellschaftlichenMachtfaktorinGestaltvonGe-werkschaften, Linksparteien und Genossenschaftenführte. Dieser epochale, konfliktreiche Prozess nahminderOstschweizeinenteilsspeziellenCharakteran.DiedezentraleStrukturderTextil-undStickereiindu-strie wirkte auf die kollektive Bündelung der Arbei-terinteressenbremsend.Immerhinwurdebereits1871zum ersten Mal in der Ostschweiz gestreikt: Die Be-schäftigten der Messmer’schen Appretur in St.Gallenlegten mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungauf12StundenproTagdieArbeitnieder.DernegativeAusgangdiesesKampfswarfdieerwachendeArbeiter-bewegungumJahrezurück. DiedamalsnochrevolutionäreSozialdemokra-tiehatteinderOstschweizeinenschwererenStandalsanderswo, weil sie Bewusstseinsdefizite überwindenmusste und zudem in Konkurrenz zu bürgerlichen

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Militäraufgebot in Rorschach gegen Streikende

Italienische Arbeiter wurden nicht besonders gut behandelt, obwohl sie die schwierigsten und gefährlichsten Arbeiten zu verrichten hatten.

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und christlichen Sozialreformern stand. Diese wand-ten sich aus humanistischen Gründen gegen die Aus-wüchse unternehmerischer Willkür und Ausbeutung,stelltenaberdaskapitalistischeSystemnichtgrundle-gendinFrage.Endedes19.JahrhundertsverschärftensichauchinderOstschweizdiesozialenWidersprüchederart,dassesinindustriellenBrennpunktenwieRor-

schachundArbonzuteilsgewaltsamenArbeitskämp-fen kam. Legendär war der durch patronale Will-kür und den Einsatz von Streikbrechern ausgelöste«Giesserkrawall» 1905 in Rorschach. Als Scheiben inBrüche gingen, liessen die Behörden Militär aufmar-schieren. Zahlreiche Streikende wurden abgeurteiltund teils aus dem Kanton ausgewiesen. Der StaatreagiertemitmassiverRepression.Wenigbekanntist,dass zwischen 1880 und 1914 östlich von Winterthurnicht weniger als 23 Mal Truppen gegen Streikendeaufgebotenwurden.

D e r S k a n d a l d e r M ä d c h e n h e i m e //1905decktedierussischeRevolutionärinAngelicaBalabanoffdenSkandal um die von katholischen OrdensschwesterngeführtenArbeiterinnenheimeauf. ItalienischeMäd-chen wurden dortals «Fabriksklavin-nen der klerikal-kapitalistischen Al-lianz» gehalten.Diese Auseinander-setzungwareinHö-hepunkt im Kampfder OstschweizerArbeiterbewegungumeinwürdigesLe-ben.AuchdieÜber-windung der Kin-derarbeit, die gera-deinderTextilwirt-schaft verbreitetwar und die sogarvon Pestalozzi inbeschränktem Um-fangalsErziehungs-mittel legitimiert wurde, gehört zu den wesentlichenEmanzipationsschritten. Zum Internationalismustrug die Ostschweizer Arbeiterbewegung bei, als sieder von Bismarck verbotenen SPD im Jahr 1887 imDachstockeinerSt.GallerBrauereiGastrechtfüreinenheimlichen Kongress gewährte. Grössen des Sozia-lismus wie Eduard Bernstein, August Bebel oder Wil-helmLiebknechtweiltendamalsinderGallusstadt. SpeckersWerkbringtdieregionaleArbeiterge-schichteansLichtundruftsiederGegenwartinErin-nerung. Angesichts der heutigen Geschichtslosigkeitkanndiesnichthochgenuggewertetwerden.GewisseMängel im Text treten dadurch in den Hintergrund,etwa der teils antiquierte Stil oder Schwächen in derSystematik.Diesezeigensichdort,woderbedeutsameRickentunnelstreik von 1904 lediglich in einer länge-renFussnoteauftaucht.DafürwirddemKatholizismus(zu)vielPlatzeingeräumt.SpeckersLobgiltdempoli-tischenPragmatismus.SeineAversiongegenRadikal-kritikwirdinderDarstellungdesAnarchismussicht-bar,deralsWerkwirrerHitzköpfeallzueinseitigabge-tan wird. Abgesehen von solchen Defiziten ist jedochein Standardwerk entstanden, das eine wesentlicheLücke in der Geschichtsschreibung füllt. «Links auf-marschieren!»wirdnochfürvieleJahreGültigkeitbe-wahren. Ralph Hug Louis Specker, «Links aufmarschieren.» Aus der Frühgeschichte der Ostschweizer Arbeiterbewegung, Chronos-Verlag Zürich 2010, 470 Seiten, Fr. 68.–Beim Giesserkrawall 1905 in Rorschach gingen Scheiben in Brüche.

Italienische Arbeiter wurden nicht besonders gut behandelt, obwohl sie die schwierigsten und gefährlichsten Arbeiten zu verrichten hatten.

Angelica Balabanoff deckte im Kanton St.Gallen den Mädchenheim-Skandal auf.

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Warum 2x Nein zur Ausschaffung richtig ist

Von Marina Widmer, vpod-Sekretärin, St.Gallen

Am 28.November stimmen wir über die SVP- Ausschaffungsinitiative und den Gegen-vorschlag ab. Leider haben die bürgerlichen Parteien mit Unterstützung einiger SP-NationalrätInnen nicht den Mut gehabt, die Initiative abzulehnen und auf einen Gegenvorschlag zu verzichten.

Nicht-Diskriminierung,GleichheitvordemGesetz,SchutzvorWillkürunddasRechtaufEheundFa-

miliesindGrundprinzipienunseresRechtsstaatesundgelten für alle Personen, ob sie einen Schweizer Passhaben oder nicht. Sowohl mit der Initiative als auchmitdemGegenvorschlagwerdendiesePrinzipienver-letzt. Zwar werden im Gegenvorschlag völkerrecht-licheGrenzengesetzt,trotzdembleibterdemGeistder

Initiativeverhaftet.EswirdeinAutomatismusbeiAus-schaffungeninGanggesetzt,dernichtakzeptabelist.DieKampagnenderSVP,aberauchdieverschärftenGe-setzgebungen fördern die Fremdenfeindlichkeit, weilsiedieseUngerechtigkeitenfestschreiben. WentrifftdiesesGesetz?EstrifftvorallemPer-sonenmitB-undC-Bewilligungen,dieinderSchweizgeborensindoderbereitsihreKindheithierverbrachthaben.UndestrifftihreFamilien.DasGesetzwirdaufNicht-EU-BürgerInnenangewendet,fürdieEU-Bürge-rInnen gelten die bilateralen Verträge. Initiative undGegenvorschlag schaffen damit ungleiches Recht fürPersonen,dieimgleichenLandleben.

Z w e i k o n k r e t e B e i s p i e l e //AnniLanz,SoziologininBasel,istzweijungenErwachseneninderAusschaf-fungshaftbegegnet,diebereitsunterder jetzigenGe-setzgebung weggewiesen werden. Sali, der in derSchweiz mit einer Niederlassungsbewilligung aufge-wachsene Bosnier, ist mit einer Schweizerin liiert. ErhattevorJahrenineinerJugendbanderandaliert.InderStrafhaft wurde er resozialisiert. Er kann heute seinejugendlichen Missetaten nicht mehr verstehen. Dochfür Ausländer gibt es kein Pardon: So etwas wie Wie-dergutmachunggibtesfürsienicht.Wereinmalstrau-chelt, wird definitiv ausgegrenzt. Er fürchtet sich vorderAbschiebungineinihmfremdesLandundvorderTrennung von Partnerin, Freunden, Eltern und Ge-schwistern.DieEinreisesperreerlaubtkeinWiederse-henhier. Der heute 24-jährige Peter wurde als Jugendli-cher von seinem in der Schweiz eingebürgerten VaterausGuineaindieSchweizgeholt.Alsunehelichgebo-renes Kind war er in Guinea ziemlich verstossen undmusste unter schwierigen Bedingungen aufwachsen.HierinderSchweizhattederingehobenerPositiontä-tigeVaterwenigZeit,umsichumdenJungenzuküm-mern.DieserwurdestraffälligundmussteeinelängereGefängnisstrafeabsitzen.WährendseinerHaftwurdeihmdieC-Bewilligungentzogen.Anschliessendwurdeer in die Ausschaffungshaft überführt. Sein Heimat-land wird von politischen Unruhen beherrscht. EinjungerLeutnantputschtesichandieMacht,Massakeran der Bevölkerung folgten. Die Ausschaffung gegendenWillenvonGuineaerweistsichalsunmöglich.Pe-terwurdedeswegennacheinpaarMonatenalsIllega-lisierter aus der Ausschaffungshaft entlassen, bezogNothilfeundverbrachtegezwungenermassendiekal-tenWintertageaufderStrasse.DiesenSommersasserjedoch wieder fast zwei Monate wegen illegalem Auf-enthaltinStrafhaft.SobalderdasGefängnisverlassenhat, macht er sich wegen illegalem Aufenthalt erneutstrafbar, obwohl er alles daran setzt, unauffällig undunbescholtenzuleben.DocheinLebenohneZuhauseund mit Arbeits- und Ausbildungsverbot ist sehrschwierig. Essindnichtnur junge, ledigeErwachsenebe-troffen, auch mit einer Schweizerin verheiratete Ehe-männer, die zum Teil auch Kinder haben, sind glei-chermassen betroffen. So gibt es Situationen, dassSchweizer Kinder ihre Väter, die ausgeschafft werdensollen,imAusschaffungsgefängnisbesuchenkommen.Die oben dargestellten Fälle zeigen, dass bereits dieheutige Gesetzgebung hart ist. Es braucht weder einefremdenfeindlicheSVP-Initiativenocheinenindiesel-beRichtungzielendenGegenvorschlag.

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75 Jahre für die Frauund für die Steno

Siebeneinhalb Jahrzente sind für Alexa Lindner Margadant kein Grund, in Untätigkeit zu verfallen. Im Gegenteil, sie ist politisch voll beschäftigt. Aus Anlass ihres Geburtstags sprach «links» mit der unermüdlichen SP- und Frauenaktivistin.

Ichwerde75?»,fragtAlexazurück,alssie«links»aufden runden Geburtstag anspricht. Am 2. Januar

2011isterfällig.EineKoketterie?Nein,denndaspasstnicht zu dieser Frau, die seit bald sechzig Jahren fürdie SP aktiv ist. Immer noch ist sie mit vielen Pro-

jekten beschäftigt. Die Rückschau auf ihre «Karriere»würdeeinBuchfüllen.

P a r t e i p a t r i a r c h a t // Mit 16 trat sie aus der Kir-cheausundindieSPein.Seitherzähltsiezum«Kern-bestand» der St.Galler SP, auch wenn das nicht mehrallewissen.SichernurdieÄlterenhabensienochalsSekretärin der Kantonalpartei erlebt, zu der sie 1956gewählt wurde. Frauenstimmrecht, Frauenbewegungund der 68er-Aufbruch waren damals noch weit ent-fernt.AuchinderSPwarenFraueneineoftbelächelteMinderheit.SiestelltenblosszehnProzentderPartei-mitglieder,undwenneineaneinerVersammlungdasWortergreifenwollte,erregtedasnochAufsehen. 1972wardasrealexistierendeParteipatriarchatsoweitaufgeweicht,dassAlexaalsersteFrauzurSP-Kantonalpräsidentin gewählt wurde. Doch einge-fleischten Traditionalisten gefiel dies nicht. Mit femi-nistischenundbasisdemokratischenKonzeptenkonn-ten sie nichts anfangen. Die neue Präsidentin hieltensiefürführungsschwachunddenFeminismusfüreineVerirrung.LeutewieGewerkschaftssekretärToniFalksägten an ihrem Stuhl. «Ich weiss noch heute nicht,was mir eigentlich vorgeworfen wurde», sinniertAlexa. Nach drei Jahren Präsidium warf sie zermürbtdas Handtuch. «Heute würde ich mir so etwas natür-lichnichtmehrbietenlassen»,fügtsietrotzigan.

F r a u e n b e w e g u n g f ä h r t e i n // Alexa zog sichin die autonome Frauenbewegung zurück und lecktedortihreWunden,bautesichabergleichzeitigwiederauf.EinAustrittausderSPwäreihrnieindenSinge-kommen.EswardieZeit,alsdasweiblicheEmanzipa-tionsbewusstsein aufblühte. Scheidung und Schwan-gerschaftsabbruchwarendiegrossenThemenaufderBeratungsstelle Infra, das Frauenhaus entstand. DerFeminismus fuhr mit Verve durch die ganze Gesell-schaft. Er entwickelte sich zu einer eigentlichen Re-volution,dieeinverändertesBewusstseinbisweitinsbürgerliche Lager zur Folge hatte. Alexa war mit LeibundSeeledabei.DersozialeAufbruchjenerJahrehat-teauchlustvolleSeiten.EsgabbunteStrassentheater,die«Störefriedas»traten1984amSPS-Parteitag inderOlma-Halle auf und sangen freche Lieder. Im selbenJahr entstand das «Schwarzbuch Frau und Arbeit»,fast vollständig getippt auf Alexas Schreibmaschine.Sie entwarf den «Sanggaller Frauenspaziergang», ei-nenRundgangdurchdieGallusstadtzudenStationenbedeutenderFrauengestaltenvonWyboradabisAnge-lica Balabanoff. Für die politisierende Nachkriegsge-neration waren dies lebensprägende Jahre. Für AlexabedeutetensieFortsetzungundHöhepunkteineslän-geren politischen Werdegangs. Mit Jahrgang 1936 warsiebereitseineFeministin«avantlalettre.» Erstmals wurde Alexa 1973 ins St.Galler Stadt-parlament gewählt, dann ein weiteres Mal 1993. FünfJahrespäterwurdeihrbewusst,dasssienicht fürdieparlamentarische «Millimeter-Arbeit», wie sie sagt,geschaffen ist. Sie versteht sich mehr als Basisbe-wegte und interessiert sich für die grossen Würfe,«amliebstenfürdieRevolution»,lachtsie.Heutekön-nen junge Frauen kaum mehr nachvollziehen, dassSelbstverständlichkeiten wie das Stimmrecht oderdierechtlicheGleichstellungderGeschlechter in lan-gen Jahren voller Kämpfe, Hoffnungen und Enttäu-

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Auch mit 75 Jahren noch politisch aktiv: Alexa Lindner Margadant

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S e r v i c eLinks Nr. 1/2011 Redaktionsschluss: 18.1.2011 Erscheinen: 11.2.2011

SP Kanton St.Gallen20. November, nationaler Sammeltag Cleantech-Initiative15. Januar, ausserordentlicher Partei-tag, Rorschach

SP Stadt St.Gallen23. Januar, Neujahrsbegrüssung

SP Flawil25. November, Mitgliederversamm-lung, Flawil – Rest. Park, 20.00

Impressum «links». // Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mindestens 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, [email protected] An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Felix Birchler, Fredy Fässler, Ralph Hug, Ruben Schönenberger, Dario Sulzer u.a. Markus Traber: Gestaltung, Layout Druck: Tschudy Druck AG, St.Gallen

AZB9000 St.Gallen

SP Rapperswil-Jona25. November, Mitgliederversamm-lung, Rapperswil – Paragraph 11, 20.009. Januar, Neujahrsbegrüssung, Rapperswil – Kunst(Zeug)Haus & MundArtBeiz25. Januar, Generalversammlung, Rapperswil – Paragraph 11, 20.00

SP Toggenburg14. Januar, Neujahrsbegrüssung, Ebnat-Kappel – die Fabrik/die Regierung, 19.00

SP Wil14. Januar, Neujahrsbegrüssung

Vorstösse aus der Septembersession

Einfache Anfragen:Fässler-St.Gallen: Fichenskandal IIFässler-St.Gallen: Kriegsforschung an der HSGGysi-Wil: Verzichtsplanung im Kan-ton St.Gallen – Wo wird abgebaut?Hartmann-Flawil: Stand der Rech-nung 2010Ledergerber-Kirchberg: Abstim-mungsempfehlungen öffentlicher Einrichtungen

Interpellation:Friedl-St.Gallen: Erfolg und Zusam-mensetzung des KMU-Forums

Motionen:SP-Fraktion: Standesinitiative: Schaffung einer nationalen Erb-schafts- und SchenkungssteuerSP-Fraktion: Neubauten – in Zu-kunft ohne Ölheizungen

Gebt uns Geld!Im Juni haben wir «links» einen EinzahlungsscheinmitderBitteumeinen freiwilligenAbobeitragbeige-legt. 1,5 Prozent aller Sympathisantinnen und Abon-nenten haben eine Spende oder einen freiwilligenAbobeitrag überwiesen. Herzlichen Dank! Seit überzehnJahrenberichtenwirkritischundengagiertüberdiePolitikimKantonSt.Gallen.«links»erscheintfünfMaljährlichineinerAuflagevon3450Exemplarenundentsteht zum grössten Teil in ehrenamtlicher Arbeit.DochumweiterhinfünfAusgabenproJahrrealisierenzu können, brauchen wir Ihre Unterstützung. Dankefür die Überweisung eines freiwilligen Abo-BeitragsodereinerSpendeaufdasPostkonto90-1002-3.EinenEinzahlungsscheinfindenSieinderHeftmitte.Möch-ten Sie im «links» inserieren? Wir bieten Ihnen einenWerbeplatzab 200Franken.FragenSieuns: [email protected]. (red.)

schungen ertrotzt werden mussten. In Alexas Persön-lichkeit und ihrem unerschütterlichen Engagementsind diese Erfahrungen gespeichert. Sie macht aberdarüber kein grosses Aufhebens, der Drang ins Ram-penlichtistihrfremd. Es gibt wohl kein Frauenprojekt, an dem Alexanichtmitbeteiligtwar.UnterallensindihrdasFrauen-archivunddieFrauenbibliothekWyboradabesondersansHerzgewachsen,undeserfülltsiemitStolz,dasssolche Institutionen in der Ostschweiz blühen, wäh-rend sie andernorts fehlen oder wieder eingegangensind. Auch beim neuesten Projekt für ein Frauenmu-seumistsiedabei.VorwenigenTagenwurdeeineInte-ressengemeinschaftgegründet.

L e i d e n s c h a f t S t e n o // Neben dem Feminismusbegleitet sie eine zweite Leidenschaft durchs Leben:die Stenografie. Tatsächlich: Es gibt sie noch, dieseseltsame Kurzschrift, die – obwohl äusserst nützlichundpraktisch–ausderModegeratenist.Heutewerdesie von jungen MaturandInnen wiederentdeckt, weissAlexaundhofft,dassdieSchnellschreibtechnikeinenWiederaufschwung erleben wird. In korrekter Steno-Schönschrift, wofür es Wettbewerbe gibt, ist sie un-geschlagen,undpunktoSchnelligkeitmachenihrwe-nigeetwasvor.Sieschafft immernoch 150SilbenproMinute. NachdemBesuchentlässtsie«links»miteinemliebenswert-altmodischen«Tschüsschen!»–Alexa,wiesieleibtundlebt. Ralph Hug