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links 4.2013 1 Inhalt Nr. 4/2013 SP-Volksinitiative kommt 2 Tickt bei der KB eine Zeitbombe 3 Illegale Bauten überall 4 Kein Fonds für günstige Wohnungen 5 Neue Strukturen für die SP 7 Rettet den Sonntag! 8 Vom Kulturabbau redet niemand 10 Editorial Stellen Sie sich vor, Sie sind im Spital und niemand kümmert sich um Sie. Mit den Sparmassnahmen im Gesundheitswesen ist es zwar glücklicherweise noch nicht ganz so weit. Trotzdem läuft die Abbaupolitik der bürgerlichen Mehrheit im St.Galler Parlament in eine bedenkliche Richtung. Leidtragende sind nicht nur die PatientInnen, son- dern vor allem das Personal. Niemand wird bestreiten können, dass die Angestellten – vor allem das Pflegepersonal – heute am Anschlag sind und dass nach den früheren Kürzungen eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen schlichtweg nicht tragbar ist. Ebenfalls Teil der letzten Abbauetappe sind die Kürzungen bei den Prämienverbilligun- gen. Damit wird eine wichtige Entlastung für den Mittelstand, für Familien und Wenigver- dienende weiter abgebaut. Nicht genug damit, dass der Kanton St.Gallen bereits heute zu den Schlusslichtern im Bereich der individuellen Prämienverbilligungen gehört. Mit dem «Sparpaket III» wird der Kanton sozial noch unattraktiver. Dieser Abbau geschieht nicht nur auf Kosten der grossen Mehrheit der Bevölkerung und damit derjenigen, die von den Steuergeschenken der letzten Jahre am wenigsten profitiert haben. Er ist auch ein weiterer Rückschritt im Kampf um Verteilungsgerechtigkeit. Zu Recht hat deshalb der SP-Parteitag entschieden, in die Offensive zu gehen und ge- meinsam mit Partnerorganisationen eine Initiative für den Ausbau der Prämienverbilligung zu lancieren. Für einen starken Kanton St.Gallen, der für alle nicht nur für ein paar wenige attraktiv ist, für eine gute Zukunft statt blinden Abbau! Monika Simmler, Präsidentin SP Kanton St.Gallen Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch September 2013 Nr. 4 D rei Tage brauchte der Kantonsrat, um das dritte «Sparpaket» zu beschliessen. Es war deprimierend! In den letzten Jahren hat sich eine fast wahnhafte Fixierung auf Steuersenkungen für sehr gut Verdienende, Vermögende und Unternehmen entwickelt. Diese macht immun gegen alle kritischen Argumente. Was bei der SVP (Zürcher Gän- gelband) und der FDP (Klientelpolitik) noch erklärbar ist, hinterlässt bei der CVP nur grosse Fragezeichen. Dort setzt sich meist der harte Spar-Flügel durch. Unterschie- de zwischen SVP, FDP und CVP sind kaum mehr erkennbar. Gemeinsam betreiben sie den Staats- und Sozialabbau. Bevölkerung trägt Lasten In den wenigen Fällen, in denen sich die CVP den Anträgen von SP und Grünen an- schloss, konnten Kürzungen verhindert oder Mehreinnahmen durchgesetzt werden. Verloren hat jedoch nicht die Linke, verlo- ren hat die St.Galler Bevölkerung. Sie muss die Löcher stopfen, welche die Steuerge- schenke im Umfang von rund 550 Mio. Fran- ken jährlich wiederkehrend in den Staats- haushalt reissen. Sie müssen den Sozialabbau tragen: Streichung der ausserordentlichen Ergänzungsleistungen, Kürzung der Kran- kenkassen-Prämienverbilligung oder Reduk- tion der Beiträge an soziale Institutionen. Sie erfahren die Verschlechterung wichti- ger Dienstleistungen im öffentlichen Ver- kehr, in der Kultur oder bei der Prävention am eigenen Leib. Sie tragen auch die Folgen des Bildungsabbaus, wenn Wirtschaftsmit- telschulen geschlossen oder die Gelder für Fachhochschulen und Universität pauschal gekürzt werden. Dennoch gab es einzelne Erfolge. Als Folge einer Motion der Fraktion SP-Grüne werden 14 Steuerkommissäre zusätzlich an- gestellt. Sie generieren einen erklecklichen Mehrertrag bei den Steuern. Aber nicht, in- dem sie die normalen Steuerpflichtigen mit Lohnausweis plagen. Vielmehr sollen sie sich auf komplexe Steuerfälle, die kompli- zierte (und damit undurchsichtige) Besteue- rung von Unternehmen und die rasche Bearbeitung von Steuerstraffällen konzen- trieren. Damit gibt es endlich ein wenig mehr Steuergerechtigkeit. Erfolgreich wur- de auch eine Mehrbelastung der Bevölke- rung via Krankenkassenprämien verhin- dert. Die Regierung beabsichtigte nämlich, die Umsetzung der Finanzierung der statio- nären Gesundheitsversorgung gemäss Bun- desgesetz gemächlicher anzugehen. 42 Mio. Franken hätte dies die PrämienzahlerInnen gekostet (siehe auch S. 3). Die Quittung wird SVP, FDP und CVP präsentiert werden: Zwei Volksinitiativen des Komitees «Zukunft statt Abbau» werden Gegensteuer geben. Und die nächsten Wah- len kommen bestimmt. Peter Hartmann, Fraktionschef SP-Grüne Steuerwahn ohne Ende? Die Bürgerlichen halten fast wahn- haft an Steuersenkungen fest. Und produzieren ein immer grösseres Chaos. Fraktionschef Peter Hartmann blickt zurück. «Error»: SP und Grüne protestieren im Kantonsrat mit speziellen T-Shirts. Bild B. Schlegel

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen

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Page 1: Links St.Gallen 2013 Ausgabe 4

links 4.2013 1

Inhalt Nr. 4/2013SP-Volksinitiative kommt 2Tickt bei der KB eine Zeitbombe 3Illegale Bauten überall 4Kein Fonds für günstige Wohnungen 5Neue Strukturen für die SP 7Rettet den Sonntag! 8Vom Kulturabbau redet niemand 10

E d i t o r i a l Stellen Sie sich vor, Sie sind im Spital und niemand kümmert sich um Sie. Mit den Sparmassnahmen im Gesundheitswesen ist es zwar glücklicherweise noch

nicht ganz so weit. Trotzdem läuft die Abbaupolitik der bürgerlichen Mehrheit im St.Galler Parlament in eine bedenkliche Richtung. Leidtragende sind nicht nur die PatientInnen, son-dern vor allem das Personal. Niemand wird bestreiten können, dass die Angestellten – vor allem das Pflegepersonal – heute am Anschlag sind und dass nach den früheren Kürzungen eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen schlichtweg nicht tragbar ist. Ebenfalls Teil der letzten Abbauetappe sind die Kürzungen bei den Prämienverbilligun-gen. Damit wird eine wichtige Entlastung für den Mittelstand, für Familien und Wenigver-dienende weiter abgebaut. Nicht genug damit, dass der Kanton St.Gallen bereits heute zu den Schlusslichtern im Bereich der individuellen Prämienverbilligungen gehört. Mit dem «Sparpaket III» wird der Kanton sozial noch unattraktiver. Dieser Abbau geschieht nicht nur auf Kosten der grossen Mehrheit der Bevölkerung und damit derjenigen, die von den Steuergeschenken der letzten Jahre am wenigsten profitiert haben. Er ist auch ein weiterer Rückschritt im Kampf um Verteilungsgerechtigkeit. Zu Recht hat deshalb der SP-Parteitag entschieden, in die Offensive zu gehen und ge-meinsam mit Partnerorganisationen eine Initiative für den Ausbau der Prämienverbilligung zu lancieren. Für einen starken Kanton St.Gallen, der für alle nicht nur für ein paar wenige attraktiv ist, für eine gute Zukunft statt blinden Abbau! Monika Simmler, Präsidentin SP Kanton St.Gallen

Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch September 2013 Nr. 4

Drei Tage brauchte der Kantonsrat, um das dritte «Sparpaket» zu beschliessen.

Es war deprimierend! In den letzten Jahren hat sich eine fast wahnhafte Fixierung auf Steuersenkungen für sehr gut Verdienende, Vermögende und Unternehmen entwickelt. Diese macht immun gegen alle kritischen Argumente. Was bei der SVP (Zürcher Gän-gelband) und der FDP (Klientelpolitik) noch erklärbar ist, hinterlässt bei der CVP nur grosse Fragezeichen. Dort setzt sich meist der harte Spar-Flügel durch. Unterschie-de zwischen SVP, FDP und CVP sind kaum mehr erkennbar. Gemeinsam betreiben sie den Staats- und Sozialabbau.

Bevölkerung trägt LastenIn den wenigen Fällen, in denen sich die CVP den Anträgen von SP und Grünen an-schloss, konnten Kürzungen verhindert oder Mehreinnahmen durchgesetzt werden. Verloren hat jedoch nicht die Linke, verlo-

ren hat die St.Galler Bevölkerung. Sie muss die Löcher stopfen, welche die Steuerge- schenke im Umfang von rund 550 Mio. Fran- ken jährlich wiederkehrend in den Staats-haushalt reissen. Sie müssen den Sozialabbau tragen: Streichung der ausserordentlichen Ergänzungsleistungen, Kürzung der Kran-kenkassen-Prämienverbilligung oder Reduk- tion der Beiträge an soziale Institutionen. Sie erfahren die Verschlechterung wichti-ger Dienstleistungen im öffentlichen Ver-kehr, in der Kultur oder bei der Prävention am eigenen Leib. Sie tragen auch die Folgen des Bildungsabbaus, wenn Wirtschaftsmit-telschulen geschlossen oder die Gelder für Fachhochschulen und Universität pauschal gekürzt werden. Dennoch gab es einzelne Erfolge. Als Folge einer Motion der Fraktion SP-Grüne werden 14 Steuerkommissäre zusätzlich an-gestellt. Sie generieren einen erklecklichen Mehrertrag bei den Steuern. Aber nicht, in-dem sie die normalen Steuerpflichtigen mit Lohnausweis plagen. Vielmehr sollen sie sich auf komplexe Steuerfälle, die kompli-zierte (und damit undurchsichtige) Besteue-rung von Unternehmen und die rasche Bearbeitung von Steuerstraffällen konzen-trieren. Damit gibt es endlich ein wenig mehr Steuergerechtigkeit. Erfolgreich wur-

de auch eine Mehrbelastung der Bevölke-rung via Krankenkassenprämien verhin-dert. Die Regierung beabsichtigte nämlich, die Umsetzung der Finanzierung der statio-nären Gesundheitsversorgung gemäss Bun-desgesetz gemächlicher anzugehen. 42 Mio. Franken hätte dies die PrämienzahlerInnen gekostet (siehe auch S. 3). Die Quittung wird SVP, FDP und CVP präsentiert werden: Zwei Volksinitiativen des Komitees «Zukunft statt Abbau» werden Gegensteuer geben. Und die nächsten Wah-len kommen bestimmt.

Peter Hartmann, Fraktionschef SP-Grüne

Steuerwahn ohne Ende?Die Bürgerlichen halten fast wahn-haft an Steuersenkungen fest. Und produzieren ein immer grösseres Chaos. Fraktionschef Peter Hartmann blickt zurück.

«Error»: SP und Grüne protestieren im Kantonsrat mit speziellen T-Shirts.

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Nachdem der Kantonsrat erneut die Krankenkassen-Prämienver- billigung verschlechtert hat, ist die SP bereit, eine Volksinitiative zu lancieren.

Knapp 160 Mio. Franken wird der Kan-ton St.Gallen mit seinem «Entlas-

tungsprogramm» ab 2016 einsparen. Vor allem der Gesundheits- und der Sozialbe-

reich müssen bluten. Die meisten der knapp 70 vom Kantonsrat be-schlossenen Massnah-men sind stossend. Kaum eine aber ent-larvt die bürgerliche Po-litik als eine Politik der sozialen Kälte so deut-lich wie der Abbau bei der individuellen Prä-

mienverbilligung (IPV). Die Mitglieder der SP-Grüne-Fraktion setzten sich im Rat mit vollem Körper-einsatz gegen die Sparwut zur Wehr: Sie streiften sich nach der Abstimmung T-Shirts mit Protestparolen über und setz-ten damit ein Zeichen des Widerstands. 71 Bürgerliche aus SVP, FDP und CVP drück-ten skrupellos die Verschlechterung bei der Prämienhilfe durch.

Stossender Sozialabbau Für die SP steht fest, dass der Staatsab-bau die Folge einer verfehlten Steuerpoli-tik ist. Von dieser profitierten die Reichen und die Unternehmer; die Zeche bezah-len der Mittelstand, Familien und Wenig-verdienende. Genau sie trifft die Kürzung der Prämienverbilligung besonders hart. Schon heute steht der Kanton St.Gallen an viertletzter Stelle bei der Ausschöpfung der Prämiengelder. Mit dem dritten «Spar-paket» innerhalb von fünf Jahren kürzte der Kantonsrat diesen Anteil um weitere 10 Prozent. Dies im vollen Wissen darum, dass das gesetzliche Sozialziel weit verfehlt wird. Die Maximalbelastung eines Haus-halts durch die Krankenkassenprämien soll nämlich nicht mehr als acht Prozent betragen. Für SP und Grüne ist es erschre-ckend, wie wenig sich viele Bürgerliche um die ärmeren Teile der Bevölkerung scheren. Um jene 13 Prozent der Alleiner-ziehenden etwa, die mit ihren Prämien-zahlungen im Rückstand sind. Oder um jene weit über 40 Prozent aller Familien mit Kindern, die mehr Krankenkassenprä- mien bezahlen als Steuern. Im Rat war die Linke gegen die Spar-wut chancenlos. Auf der Strasse aber sieht das anders aus. Die einfachen Leute äch-zen unter der monatlichen Prämienlast.

Aus diesem Grund haben sich SP, Grüne, Gewerkschaften und weitere Verbände schon im Frühling zum Komitee «Zukunft statt Abbau» zusammengetan und be-schlossen, auf den voraussehbaren Abbau bei der IPV mit einer Volksinitiative zu re- agieren. Die SP-Delegierten sagten am ausserordentlichen Parteitag im Juni ein-stimmig Ja zur Initiative «Bezahlbare Krankenkassenprämien für alle» und zu einer gerechten Vermögensbesteuerung der Reichen und Superreichen. Derzeit lie- gen die beiden Initiativen in der Staats-kanzlei zur Vorprüfung. Mit dem Sam-melstart ist im November zu rechnen. Parteipräsidentin Monika Simmler und Fraktionschef Peter Hartmann bekräf-tigen gemeinsam: «Wir sind bereit, den Kampf um ein sozialeres St.Gallen auf die Strasse zu tragen.»

Kein Geld in der Kasse? Bürgerliche fragen oft: Wer soll das bezah-len angesichts des leeren Kantonssäckels? Wer eben erst sein drittes «Sparpaket» in-nert fünf Jahren verabschiedet hat, sei kaum in der Lage, jährlich um die 50 Mio. Franken für eine Prämienverbilligung aus-zugeben, die diesen Namen auch verdient. Das ist falsch. Denn der Staatshaushalt wird gemäss der aktualisierten Finanzpla-nung bereits ab 2015 wieder Überschüs-se produzieren: zunächst 50 Mio., später gar noch mehr. Für Monika Simmler ist klar: «Dieses Geld gehört nach unten ver-

teilt. Auf gar keinen Fall dürfen damit ein-mal mehr Steuererleichterungen für die oberen Zehntausend durchgesetzt wer-den.» Diese Gefahr besteht mit Blick auf die letzte Dekade tatsächlich. Die bürger-liche Steuerpolitik basierte stets auf dem Prinzip «Sparen, Steuern senken, sparen, Steuern senken» usf.

Die SP-Volksinitiative kommt

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Von Guido Berlinger-Bolt, Sekretär SP Kanton St.Gallen

Dank einer Allianz der Linken mit der CVP/EVP lehnte der Kantonsrat die forcierte Ab-wälzung der Spitalkosten auf die Prämien-zahlerInnen ab. Vorgesehen war nämlich als Sparmassnahme, die Senkung des kan-tonalen Vergütungsanteils für stationäre Spitalbehandlungen während der nächsten drei Jahre zu streichen. Diese hätte für die prämienzahlende Bevölkerung Mehrlas-ten bedeutet. Der Antrag kam gegen SVP und FDP durch. Jetzt werden die nötigen 42 Millionen Franken dem besonderen Eigen-kapital entnommen. «Das nenne ich Finanz-politik», sagte Peter Hartmann während der Debatte. «In der besonderen Situation, in der St.Gallen steht, können wir mit dem Geld aus dem besonderen Eigenkapital die Familien und den Mittelstand entlasten.» Die Abstimmung fiel knapp mit 60 Ja gegen 54 Nein aus. (gb)

H ö h e r e P r ä m i e n k n a p p v e r h i n d e r t

Die SP/Grüne-Fraktion protestierte im St.Galler Kantonsrat mit T-Shirts gegen die brutale Abbaupolitik der bürgerlichen Mehrheit.

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Tickt bei der KB eine Zeitbombe?Alles paletti, versichern die Chefs der St.Galler Kantonalbank. Doch der Fall Hyposwiss ist nicht erledigt, im Gegenteil. Tickt bei der Bank eine Zeitbombe?

Im Frühling gab CEO Roland Ledergerber eine Strategieänderung bekannt: Künf-

tig will sich die KB wieder auf den Heim-markt beschränken. Die riskanten Aus-landsgeschäfte seien vorbei. Grosse Teile der Hyposwiss werden verkauft. «Keine Abenteuer mehr», so die Botschaft an der letzten KB-Medienkonferenz im August.

Massenhaft ZündstoffDie Bankmanager erweckten den Ein-druck, nun sei alles in Ordnung. Das Ge-genteil scheint wahr: Die Bank sitzt wei-terhin auf massenhaft Zündstoff. Und der heisst immer noch Hyposwiss. Diese Altlast aus den Zeiten der Expansion um jeden Preis ist keineswegs abgewickelt. Zwar wurde die Hyposwiss Genf abgesto-ssen – sie war in den Madoff-Skandal ver-wickelt –, und bei der Hyposwiss Zürich wurde das Osteuropa- und Lateinameri-ka-Geschäft verkauft. Käufer ist die por-tugiesische Banque Privée Espirito Santo. Die «katholische Internationale» lässt grü-ssen. Doch die «übrigen Geschäftsfelder» bleiben nach wie vor an der KB hängen. Wie ein Mühlstein am Hals. Denn sie bil-den nichts anderes als eine «bad bank» mit den amerikanischen und deutschen Steu-erhinterziehern. Doch davon wird nicht gesprochen. Kritische Fragen der Medien blieben bisher aus. Das heisst nichts andere als: Eine Kla-ge aus New York könnte unsere Staatsbank von einem Moment auf den andern in die

Luft fliegen lassen. Siehe Bank Wegelin. Diese Situation ist mehr als ungemütlich. Am Hauptsitz an der Leonhardstrasse in St.Gallen dürften seit längerem die Köpfe rauchen. Vor allem deswegen: Die Hypo-swiss rangiert nicht in der Gruppe 1 der zwölf Banken, für die der Bund eine Glo-ballösung mit den USA aushandeln wollte. Sie bleibt im Fadenkreuz der US-Justiz auf sich allein gestellt.

SchönredenAbwiegeln und Schönreden. Auf diese Kunst versteht sich die KB-Führung seit je. An der letzten Medienkonferenz zum Halbjahresabschluss ergingen sich CEO Ledergerber, der einst von der UBS nach St.Gallen kam, und der neue Bankpräsi-dent Prof. Thomas A. Gutzwiller in Selbst-lob: «Wir haben alles richtig gemacht.» «Wir haben rechtzeitig gehandelt.» «Die Bank ist gut aufgestellt.» Undsoweiter. Dabei legte die Bank eine schlechten Ab-schluss vor: minus 11 Prozent Reingewinn.

Alles richtig gemacht?Erstmals muss die KB im Hyposwiss-Deba-kel Farbe bekennen: 7 Millionen Franken hat sie in den Sand gesetzt. So viel kostet nämlich die «Strategieanpassung». Oder anders gesagt: das Löcherstopfen bei die-ser Bank, die auch im Sumpf von Offshore-leaks auftaucht. Normalerweise kommt Geld rein, wenn man eine Bank verkauft. Nicht so bei der KB: Sie legt noch drauf. Was noch alles dazu kommt, ist ungewiss. Die erwähnten Millionen gelten als «anti-zipiert», also vorweggenommen. Das heisst nichts anderes als: Es kann durchaus noch dicker kommen. Im «Ausblick 2013» heisst es, dass die «Sonderfaktoren Steuerabkom-men und Strategieanpassung» – mit dem Abkommen ist die Regelung mit Grossbri-

tannien gemeint – insgesamt 11,2 Millio-nen Franken kosten werden. Wie viel wer-den es tatsächlich sein? Für das Hyposwiss-Debakel ist pri-mär die Crew mit CEO, Bankpräsident und Finanzchef des Kantons verantwort-lich. Da springt ein langjähriger CVP-Filz ins Auge. Bei der KB bestimmten die Par-teifreunde Finanzchef Peter Schönenber-ger (CVP) und Bankpräsident Franz Peter Oesch (CVP) die Geschicke. Sie befürworte-ten und deckten das Geschäft mit Steuer-hinterziehern und russischen Oligarchen, die sich gegenseitig mit Geldwäschereivo-rwürfen und Milliardendrohungen ein-deckten. Kritik seitens der SP wurde je-weils vom Tisch gewischt. Jetzt aber, da sich diese Kritik als richtig erweist, sind politische Konsequenzen nötig. Es braucht eine Aufarbeitung der Vorgänge und der Verantwortlichkeiten jener, die den Zweck des Staatsinstituts, nämlich der einhei-mischen Wirtschaft und Bevölkerung zu dienen, für eine riskante Rally nach Su-perprofiten mit ungewissem Ausgang miss- braucht haben. Das alles auf Kosten der Steuerzahlenden.

Keine Fehler eingestehenVon Reue ist keine Spur zu sehen. Bei sei-ner Demission als Bankpräsident im März sagte Franz-Peter Oesch: «Die Hyposwiss hat sich gelohnt.» Typisch CVP – Hauptsa-che, die Fassade stimmt. Und ja nie Feh-ler eingestehen. Das erinnert an frühere Zeiten. Wer hat noch den Sparad-Skandal in den 1980er-Jahren im Gedächtnis? Die Sparkassa der Administration, die Bank der Katholiken, wurde infolge von faulen Kreditvergaben im CVP-Wirtschaftsfilz heruntergewirtschaftet und musste vor dem Bankrott gerettet werden. Natürlich von der St.Galler Kantonalbank... (rh)

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Das Abenteuer mit der Hyposwiss ist noch nicht zu Ende: Hauptsitz der KB SG in St.Gallen

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Illegale Bauten noch und nochEs gibt wohl kaum einen Gesetzes-bereich, bei dem sich ehrliche GesuchstellerInnen so verschaukelt vorkommen müssen wie im Bereich des Bauens ausserhalb der Bauzonen.

Der Bereich wird ausschliesslich durch Bundesrecht geregelt. Dieses hat zum

Ziel, den ländlichen Raum und die land-wirtschaftliche Nutzung zu schützen, in-

dem die Zersiedelung und die Zweckentfrem- dung landwirtschaftli- chen Bodens und von Gebäuden beschränkt wird. Die Baugesuche passieren stets das kan-tonale Amt für Raum-entwicklung und Geo- information (AREG). Re-

kursinstanz ist das Baudepartement, und dessen Entscheide können an das Verwal-tungsgericht weitergezogen werden. Die Gemeinden sind für die Umsetzung sämt-licher Entscheide zuständig – auch für sol-che Entscheide, in denen der Rückbau von Bauten verfügt worden ist, die ohne Bewil-ligung erstellt worden sind.

Rückbau ignoriertDies funktioniert in vielen Gemeinden, aber nicht in allen. Der langjährige Ver-waltungsgerichtspräsident Ulrich Cavel-ti beklagte Ende letzten Jahres den Miss-stand, dass rechtskräftige Urteile zum Abbruch illegaler Bauten ausserhalb der Bauzonen nicht durchgesetzt werden. Die Regierung hält in der Antwort auf einen Vorstoss im Kantonsrat fest, dass ihr fünf solcher Fälle bekannt seien. Daraus ist klar ersichtlich: Die Regierung ist unvoll-ständig informiert. Denn dem WWF, der bei besonders krassen Fällen als Einspre-cher auftritt, sind über zwanzig Fälle be-kannt, in denen Entscheide zum Rückbau unrechtmässig erstellter Bauten zum Teil seit mehr als fünf Jahren nicht umgesetzt worden sind. Öffentlich bekannt sind Fäl-le u.a. in Eschenbach, Berneck, Wattwil und Gaiserwald. Ohne Bewilligung wurden Ställe in Wohnungen oder Gewerberäume umge-baut, Parkanlagen und Pools angelegt, Restaurants, Partyräume, Therapie- und Wellnessanlagen eingerichtet oder un-ter Vorspiegelung falscher Angaben zur landwirtschaftlichen Nutzung das Recht zur Erstellung eines neuen Wohnhauses erschlichen. Von unrechtmässig gerode-ten Hecken, deponiertem Aushubmate-rial oder Aufschüttungen gar nicht zu sprechen. Gemäss Regierung sind einige Gemeinden mit der schwierigen Aufgabe

überfordert. In anderen foutieren sich die Besitzer über die Rückbau-Entscheide, und die Gemeinde tut nichts. Für den Gemein-depräsidenten ist es eben nicht förderlich, wenn er gegen alte Schulkollegen, Vereins-kumpane oder besonders gute Steuerzah-ler vorgehen muss.

Amtsstellen als WaschlappenGrotesk wird die Situation dann, wenn andere EinwohnerInnen sich korrekt ver- halten und ein Baugesuch für kleine Ände-rungsvorhaben einreichen. Unter Umstän-den warten sie Monate auf den Entscheid, der dann allenfalls noch Auflagen enthält, während sie freie Sicht auf den Nachbarn mit seinen illegal erstellten Anbauten, Wellnessanlagen, Gewerbebetrieben u.a. haben. Das erzeugt Ärger und Ohnmacht. Es untergräbt auch unser Rechtssystem und macht Amtsstellen zu Waschlappen. Das muss sich ändern. Es darf nicht sein, dass der Korrekte das Zwei auf dem Rü-cken hat, während der illegal Handelnde sich ins Fäustchen lacht. Die Verantwortung für die Umset-zung der Entscheide, Verfügungen und Ur-teile liegt letztlich beim Baudepartement. Denn gegenüber dem Bund trägt der Kan-

Von Claudia Friedl,SP-Nationalrätin, St.Gallen

Etliche St.Galler Gemeinden schreiten nicht gegen illegale Bauten auf ihrem Gemeindegebiet ein.

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ton die Verantwortung für die korrek-te Anwendung und den Vollzug von Bun-desrecht. Das Baudepartement (BD) muss endlich genau aufzeigen, wie es diese Ver-antwortung wahrnehmen will, damit das Recht wirksam wird. Dazu braucht es in-nerhalb des BD eine Klärung der Zustän-digkeiten zwischen AREG und Rechts-dienst. Es muss eine Stelle bezeichnet werden, die die Übersicht über hängige Entscheide, Verfügungen und Urteile hat und die Rechenschaft über den Stand der Durchsetzung abgeben muss. Und es braucht auch eine Anlaufstel-le, bei der Private Hinweise auf säumige Besitzer von illegalen Bauten deponieren können, ohne dass sie eine wahre Odys-see zwischen Gemeinde- und Kantonsstel-len durchlaufen müssen, bevor endlich je-mand zuständig sein will. Das AREG muss die Fachberatung der Gemeinden inten-sivieren, aber auch den Informationsaus-tausch mit dem Landwirtschaftsamt ver-stärken. Es steht mehr auf dem Spiel als nur das Interesse Einzelner. Die Glaub-würdigkeit unserer staatlichen Instituti-onen ist tangiert. Bis konkrete Lösungen da sind, muss dieses Thema auf der politi-schen Agenda bleiben.

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Wohninitiative ohne Fonds?Im November wird in der Stadt St.Gallen über eine Wohninitiative aus dem SP-Umfeld abgestimmt. Der vom Parlament gutgeheissene Gegenvorschlag ohne Fonds ist eine Schlaumeierei.

In St.Gallen geschieht in Sachen günstiger Wohnungsbau wenig bis nichts. Private, renditeorientierte Investoren dominieren die Szene. Sie erstellen teure Miet- und Eigentumswohnungen. Vierzimmer-Woh-nungen für 3000 Franken im Monat sind keine Seltenheit mehr. Von der Stadt kom-men keinerlei Impulse. Sie beschränkt sich darauf, alle paar Jahre den 12-Mio-Kredit zu bewirtschaften. Dieser wurde in den 1990er-Jahren aufgrund einer Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands einge-richtet und ermöglicht die Abgabe von Liegenschaften und günstige Mietzinsen. Die Stiftung Hausen + Wohnen setzt diese Aufgabe praktisch im Alleingang um.

W o h n b a u : S c h l ä f t S t . G a l l e n ?

Ein Komitee aus SP, Mieterinnen- und Mieterverband und Wohnbaugenos-

senschaften hatte letzten Herbst in der Stadt St.Gallen eine Wohninitiative einge-reicht. Verlangt wird ein Fonds mit zehn Millionen Franken, mit dem Projekte im Bereich preisgünstige Wohnungen finan-ziert werden können. Als Mittel werden die Abgabe im Bau-recht, zinsgünstige oder zinslose Darle-hen zur Verbilligung von Wohnungen für niedrige Einkommen, die Vorfinanzie-rung von Kosten zur Entwicklung von Bau-projekten und Starthilfebeiträge für neue Gemeinnützige erwähnt. Dadurch sollen gemeinnützige Wohnbauträger animiert werden, aktiv zu werden und neue Vorha-ben in Angriff zu nehmen.

Fonds unerwünschtDie rein bürgerlich zusammengesetzte Stadtregierung zeigte gegenüber dem An-liegen zwar «grundsätzlich» Verständnis. Dies war aus der Vorlage herauszulesen, die ans Parlament ging und manche wohl-wollende Formulierungen enthielt. Aber der Stadtrat beschloss einen Gegenvor-schlag: Künftig sollen tatsächlich Projekte im Bereich günstiger Wohnungsbau finan-ziert werden, aber ein eigener Fonds für diesen Zweck sei nicht nötig. Die Summe von 10. Mio. Franken sei «nicht belegbar». Damit werde der Initiative die finan-zielle Grundlage entzogen, kritisierte die SP im Vorfeld der Parlamentsdebatte. Es sei zu befürchten, dass mit dem Gegenvor-

schlag keine aktive Förderpolitik betrie-ben werde. Die Bedenken der SP wurden jedoch in den Wind geschlagen. Mitte Ju-ni lehnte das Stadtparlament die Initiative ab und winkte den Gegenvorschlag durch. Die Linke stand weitgehend allein. Dies obwohl es durchaus Unterstützungspoten-zial im bürgerlichen Lager gegeben hätte. Denn es gibt etliche Wohnbaugenossen-schaften, die der CVP, aber auch der FDP nahestehen. Doch es wurde offenbar ver-säumt, rechtzeitig entsprechende Kontak-te zur Bildung einer breiteren Allianz zu

knüpfen. Laut Hugo Wehrli, Geschäftslei-ter des MV Ostschweiz, wurde der Initiati-ve mit dem Gegenvorschlag der Zahn gezo-gen. «Im entscheidenden Moment werden die Mittel fehlen», prophezeit er. Zwar hat das Komitee noch nichts verlauten lassen. Es kann aber kein Zweifel darüber beste-hen, dass man an der Initiative festhalten wird. Somit kommt es im November zu ei-ner Volksabstimmung. An Ideen für Pro-jekte fehlt es in St.Gallen indessen nicht. So haben zwei ParlamentarierInnen ein Grundstück bei der bekannten Ruckhal-den-Schlaufe der Appenzellerbahn ausge-macht, das sie als geeignet für ein Woh-nungsprojekt ansehen. Es gibt aber in der Stadt zweifellos auch andere Gebiete, die für solche Zwecke in Frage kämen. (rh)

Der Bau von günstigen Wohnungen wird auch in St.Gallen immer wichtiger.

Während vergleichbare Städte bereits Massnahmen gegen den Verlust von güns-tigem Wohnraum ergriffen haben, herrscht in der Ostschweiz Funkstille. Es gibt keine Wohndebatte, es fehlt das Problembe-wusstsein. Dabei wäre es gerade jetzt an-gezeigt, eine vorausschauende Politik zu betreiben, bevor die Mieten auch in unse-rem Gebiet ins Unbezahlbare steigen. Auch braucht es aktivere Gemeinnützige, die sich engagieren. Der Verband der Wohn-baugenossenschaften hat mit der Einrich-tung eines Sekretariats in St.Gallen einen wichtigen Schritt dazu getan. Jetzt braucht es einen neuen Schwung – und den Fonds für zukunftsgerichteter Projekte.

Unter diesem Titel findet am Dienstag, 17. September um 19.30 Uhr im Restaurant Dufour eine Veranstaltung der Bildungsge-meinschaft statt. Es referieren Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich, SP-Präsidentin Bettina Surber, Karl Litscher vom Verband der Wohnbaugenos-senschaften. Moderation: Ralph Hug. Ein-tritt für alle Interessierten frei.

S t . G a l l e n b r a u c h t g ü n s t i g e W o h n u n g e n !

Veranstaltung:

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6 links 4.2013

Ein Bündnis aus GSoA, Friedensorganisatio-

nen, SP, Juso und Grünen hat die Volksinitiative eingereicht. Die Folge bei einer Annahme wä-re nicht etwa eine Be-rufsarmee (die nie-mand will), sondern eine freiwillige Miliz. Künftig sollen alle jun-gen Männer und Frauen selber entscheiden kön-nen, ob sie Militär- oder Zivil-dienst leisten möchten oder nicht.

Wehrpflicht ist teuerBedingt durch die allgemeine Wehrpflicht leistet sich die Schweiz heute eine über-grosse und teure Armee. Mit 100'000 An-gehörigen hat die Schweiz so viele Solda-ten wie Österreich, Belgien, Schweden und Norwegen zusammen. Die Wehrpflichtarmee kostet uns jähr-lich 4.7 Milliarden Franken. Dazu kommen volkswirtschaftliche Kosten von rund 4 Milliarden Franken. Diese entstehen durch die alljährliche Absenz von Fachkräften vom Arbeitsplatz während ihres WKs. Ge-rade wegen dieser volkswirtschaftlichen Folgekosten befürworten auch bürgerli-che Armeereformer wie der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger die Aufhebung der Wehrpflicht.

Sinnloser Zwang Durch die Wehrpflicht werden pro Jahr-gang rund 40'000 Stellungspflichtige aus-gehoben. Doch nur ein knappes Drittel davon leistet seinen Militärdienst bis zum Ende. Alle anderen werden als untauglich ausgeschieden, leisten Zivildienst oder fin-den andere Wege, aus dem Militärdienst auszuscheiden. Das beweist: Das Festhal-ten an der Wehrpflicht ist eine rein ideolo-gische Angelegenheit. Die Armee braucht

Keine Zeit, um Krieg zu spielen

Am 22. September wird über die na-tionale Volksinitia-tive «Ja zur Aufhe-bung der Wehrpflicht» abge-stimmt. Dabei geht es um mehr als die Armee. Es stehen gesell-schaftspolitische Grund-sätze zur Diskussion.

in Tat und Wahrheit nur einen Bruchteil der Zwangsrekrutierten. Es ist aber einer der Grundwerte in ei-ner liberalen Demokratie, dass der Staat nur in existenziellen Fragen, in klar ge-regelten Ausnahmesituationen und wenn alle anderen Möglichkeiten scheitern, Zwang gegen seine eigenen Bürger an-wenden darf. In einer solchen Situation sind wir heute eindeutig nicht, und die Schweizer Armee beweist mit der hohen Untauglichkeitsquote selber, dass der Mi-litärzwang sinnlos ist. Aus liberaler Warte muss die Wehrpflicht also zwingend abge-schafft werden.

Gleichberechtigung herstellenDie Haltung, dass nur über politische Ge-schäfte mitbestimmen dürfe, wer auch mit dem Säbel in der Hand in den Krieg zie-hen könne, hat die politische Diskriminie-rung der Frauen in der Schweiz über Jahr-hunderte argumentativ gefüttert. Dass die Schweiz als eines der letzten Länder auf der Welt das Frauenstimmrecht einge-

führt hat, liegt auch in dieser verqueren Verknüpfung von direkter Demokratie, Bür- gerrechten und Militärzwang begründet. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist deshalb ein wichtiger Schritt zur Gleich-stellung der Frauen. Es ist das negative Ge-gengewicht zur Einführung des Frauen-stimmrechts vor rund 40 Jahren, das nun beseitigt werden muss.

St.Galler Komitee aktivIm Kanton St.Gallen hat sich ein loka-les Abstimmungskomitee gebildet, dass getreu dem Kampagnenmotto «Nicht al-le haben Zeit, Krieg zu spielen» mit kre-ativen Aktionen auf sich aufmerksam machen will. Das Komitee sucht noch helfende Hände für das Verteilen von Ab-stimmungsflyern und andere Aktivitäten. Setzen wir dem sinnlosen Zwang der Ar-mee unser freiwilliges Engagement ent-gegen! Interessierte melden sich bitte bei [email protected] Felix Birchler

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Nach einem guten halben Jahr im Amt hat Monika Simmler der SP des Kan-

tons St.Gallen bereits ihren Stempel aufge-drückt. Als dynamisch und hartnäckig wur-de sie anlässlich ihrer Wahl zur Parteipräsi-dentin vor einem Jahr beschrieben. Mit eben diesen Eigenschaften hat Monika Simmler die Initiative zur Reform der Parteistrukturen an die Hand genommen.

Breit abgestützte ReformKünftig wird die SP des Kantons St.Gallen ein etwas anderes Gesicht haben. Die Statutenrevision, die für eine Verschlan-kung der Parteistrukturen nötig sind, dis-kutierten die Geschäftsleitung und die Mitglieder der SP in den Sektionen. Dass sich die Parteibasis zur Struk-turreform hat äussern können, ist bereits auf der Hälfte des Wegs als Signal zu verstehen: Die SP will mehr parteiin-terne Demokratie – ein Aus-druck ihres Selbstverständ-nisses. Nach der Genehmigung der Statutenrevision am aus-serordentlichen Parteitag im Juni sucht die Geschäftslei-tung derzeit die Persön- lichkeiten, die im sieben-köpfigen Parteipräsidium wirken werden. Das Se-kretariat seinerseits be- gann mit der Organisa- tion der ersten Sektions-konferenz. Sektionskonfe- renz, siebenköpfiges Par-teipräsidium: Diese zwei Ele-mente dürften zusammen mit der Abschaffung des Parteivor-stands die markanten Änderungen in der Struktur der Partei sein.

ParteipräsidiumDas oberste Füh-rungsorgan der SP St.Gallen war bislang die Geschäftsleitung: Mit knapp 20 Mitgliedern war sie ein eher schwerfälli-

Neuer Strukturen, neuer SchwungMehr Demokratie, schneller Reagieren: Mit der neuen Partei-struktur geht die SP St.Gallen gestärkt in die Zukunft. Ein Blick auf die von den Delegierten im Juni genehmigten neuen Partei-statuten.

ges Gremium. Auch bestand seit längerem keine klare Ressortverteilung mehr. Die Unverbindlichkeit wuchs. Mit der umfas-senden Statutenänderung wird die opera-tive Leitung der Partei auf ein Parteiprä-sidium übergehen. Neben der Präsidentin sollen dem Gremium drei weitere Vize-präsidentInnen angehören, daneben der Fraktionspräsident der SP-Grüne-Fraktion im St.Galler Kantonsrat, Peter Hartmann, sowie der Politische Sekretär. Alle sieben werden klare Aufgaben und die Verantwortung über eines oder mehrere Projekte übertragen bekommen. Das Parteipräsidium wird die Öffentlich-keits- und Medienarbeit erledigen, Wahl- und Abstimmungskämpfe führen und die Arbeit der verschiedenen Unterorganisati-onen wie SP-60+, Juso und SP-Frauen koor-dinieren. Das Präsidium wird sich mindes-tens einmal pro Monat treffen.

Neue GLNur noch alle zwei Monate hingegen wird sich die neu zusammengestellte Ge-schäftsleitung treffen. Diese wird aus mindestens 15 Mitgliedern aus allen Re-gionen des Kantons und aus Vertrete-rInnen aus allen SP-Unterorganisatio-nen sowie des Präsidiums bestehen. Der

neuen GL obliegt die strategische Len-

kung der SP St.Gal-

len. Sie formu-liert

zuhanden des Parteitags

Wahlvorschläge für das Präsidi-um und für SP-

VertreterInnen

in kantonalen Gerichten und Ämter sowie Nominationsvorschläge für eidgenössi-sche und kantonale Wahlen.

Neue SektionskonferenzEine wesentliche Neuerung stellt die Sek-tionskonferenz dar. Die Delegierten der SP-Frauen, Juso, SP60+ und dereinst der SP-MigrantInnen treffen sich bereits am 9. November mit je zwei VertreterInnen aus jeder Sektion und dem Politischen Se-kretär. Kantonsratspräsident Donat Leder-gerber zu Ehren wird die erste «SeKo» im Toggenburg durchgeführt. Auf dieser Ebe-ne wird insbesondere der Austausch unter den Sektionen und mit dem Sekretariat im Zentrum stehen. Also: Koordination, Anregung, Motivation, Weiterbildung, Vernetzung.

Mehr ParteitageMit den drei oben kurz vorgestellten Gre-mien entfällt die Notwendigkeit eines Par-teivorstands, wie es ihn bisher gab. Eines aber ist in der neuen Partei-struktur gleich wie in der alten: Oberstes Gremium der Partei ist der Parteitag. Und hier schliesst sich der Kreis: Neben dem ordentlichen wird es jährlich zwei bis drei, eventuell gar vier ausserordentliche Parteitage geben. Wann immer nötig und möglich, soll sich die Parteibasis zur po-litischen Zukunft, zu Projekten und Stra-tegien orientieren, austauschen und äus-sern können. Dies ist das erklärte Ziel von Monika Simmler, wie sie es am ausseror-dentlichen Parteitag im Juni in St.Gallen formulierte.

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Von Guido Berlinger-Bolt, Sekretär SP Kanton St.Gallen

Entscheidende Schritte

Das neue operative Gre-mium soll an einem Par-

teitag anfangs November ge-wählt werden. Ebenfalls Anfang

November findet die erste SeKo statt und startet die Unterschriftensammlung für unsere beiden kantonalen Initiativen. Wir tun also entscheidende Schritte im Spätherbst.

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Es geht nicht um BratwürsteDie Sonntagsallianz von Gewerk-schaften und Kirchen fordert dazu auf, bei der Vorlage über die Tankstellenshops am 22. Septem-ber Nein zu stimmen. Es gehe um die Ausdehnung der Nacht- und Sonntagsarbeit.

«Legalisiert Bratwürste!» heisst es auf den Plakaten der bürgerlichen Be-

füworter der Vorlage. Doch mit Bratwürs-ten oder anderen Konsumartikeln hat das Geschäft nichts zu tun. Es geht um die Ausdehnung der Nacht- und Sonntagsar-beit. Dies betont die St.Galler Sonntagsal-lianz, ein Zusammenschluss von Gewerk-schaften, Kirchen und Gewerblern. Eine konsumwütige, asoziale 24-Stunden-Ge-sellschaft auf Kosten der Arbeitnehmen-den müsse verhindert werden.

Willkür der ChefsDie gewerkschaftlichen Argumente gegen eine weitere Liberalisierung der Ladenöff-nungszeiten sind sattsam bekannt. «Schon heute ist es im Detailhandel eine Tatsa-che, dass sich viele Arbeitgeber nicht an den vereinbarten Arbeitsplan halten und ihre Mitarbeitenden auf Abruf halten», sagt Denise Martinucci von der Gewerk-schaft Unia. Wenn nun der Arbeitsplan auf 24 Stunden ausgedehnt werde, so wür-den alle Dämme brechen. «Ein Chef wür-

de allenfalls sogar nachts eine Mitarbeiterin anrufen, um zu verlangen, dass sie arbeiten komme.» Die Liberalisierer von SVP, FDP und Teilen der CVP haben nie Wort gehalten. Bei der Ab-stimmung über den Sonntags-verkauf in Bahnhöfen im Jahr 2005 hiess es, man werde dafür sorgen, dass die Arbeitnehmen-den durch einen Gesamtar-beitsvertrag vor willkürlicher Ausbeutung geschützt würden. Noch heute fehlt ein solcher GAV. Es gab auch keinerlei Be-mühungen in diese Richtung. Den Versicherungen dieser Wirtschaftskreise, die nur auf Umsatzsteigerung aus sind, ist daher nicht zu trauen. Steht mehr Profit in Aussicht, gehen die Rechte und Interessen der Arbeitnehmenden regelmässig vergessen.

Volk ist dagegenAuch Gewerbler wehren sich gegen die Ausdehnung der Öff-nungszeiten. So Rolf Weber, In-haber von Mode Weber. Er hat sich bereits im jahr 2010 zusammen mit rund 150 Fachgeschäften aus dem Kanton St.Gallen gegen verlängerte Öffnungszei-ten eingesetzt. Wie 1996 und 2003 schick-

ten die St.GallerInnen auch damals eine Liberalisierung bachab. Rolf Weber: «Wir hof-fen nun am 22. September auf ein klares Zeichen aus dem Volk und auf ein Ende der Zwänge-rei in Bern.» Weber weist darauf hin, dass in den Kantonen rei-henweise verlängerte Öffnungs-zeiten abgelehnt wurden. «Weil es kantonal nicht ge-klappt hat, versucht man es nun auf nationaler Ebene mit der Salamitaktik», so Weber. Ein Dorn im Auge ist ihm der Prä-sident der Grünliberalen, Natio-nalrat Martin Bäumle: «Am Tag der Verabschiedung der Tank-stellenshop-Liberalisierung im Nationalrat hat er bereits eine Ausweitung des 24-Stunden-Betriebs auf alle Läden und Dienstleistungsbetriebe gefor-dert.» Das Parlament setze sich damit über die klaren Volksent-scheide in mehreren Kantonen hinweg. «Die Kirchen setzen sich seit 600 Jahren für den arbeitsfrei-en Sonntag ein», argumen- tiert Pfarrer Peter Ober-holzer

aus St.Gallen gegen die unnötige Libe- ralisierung. Die sonntägliche Arbeitsruhe sei die Voraussetzung, dass die Men- schen zu sich selber kommen können. Laut Oberholzer ist die Beeinträchtigung der leiblichen und seelischen Gesundheit durch Nachtarbeit eine Tatsache. «Die Aus-wirkungen lassen sich bis auf die Schei-dungsrate hin nachweisen, die bei Men-schen höher ist, die nachts und sonntags arbeiten müssen.» Es müsse daher sorgfältig überlegt werden, wo Nacht- und Sonntagsarbeit nö-tig sei. Oberholzer: «Es ist ethisch fragwür-dig, dass eine kleine Minderheit ihre un-begrenzten Konsumwünsche auf Kosten anderer auszuleben versucht.»

Vom Sonntag nichts mehr übrigOberholzer befürchtet, dass bei einem Ja zur Vorlage Hunderte von neuen Tank-stellenshops aufgehen werden und rund um die Uhr öffnen, sieben Tage die Wo-che. «Alle anderen Läden werden gleiches Recht verlangen. Am Ende bleibt vom Sonntag nichts mehr übrig. Wir wehren uns gegen diese Entwick-lung. Wir sind dies dem Verkaufspersonal schuldig, den Familien, dem kulturellen und religiösen Leben und den vielen Ge-nerationen, die vor uns für den Sonntag gekämpft haben. Der arbeitsfreie Sonntag ist das Rückgrat unserer Kultur. Mehr als jedes Minarett zerstört Sonntagsarbeit un-sere Kultur.» (rh)

Plakat der Sonntagsallianz gegen die Verschlechterung desArbeitsgesetzes.

Die Kirchen sind mit einem eigenen Plakat im Abstimmungs-kampf präsent.

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Etwas tun für gerechte LöhneDer Kampf um die 1:12-Initiative für gerechte Löhne ist bereits zwei Monate vor der Abstimmung lan-ciert. Stärker denn je hängt der Er-folg dieser Initiative vom Engage-ment jedes Einzelnen ab.

Noch immer hallt das Echo des klaren Ja zur Abzockerinitiative durch die

politische Schweiz. Am 3. März 2013 hat-ten wuchtige 68% der Stimmberechtigten diesem Anliegen zugestimmt. Und dies trotz einer millionenschweren Gegenkam-pagne der Wirtschaftsverbände. Die Bevöl-kerung hat offensichtlich kein Verständ-nis mehr für eine Lohnschere, die sich auf erschreckende Weise geöffnet hat. Um der unverschämten Selbstbedienung endlich ein Ende zu machen, reicht die Minder-Ini-tiative allerdings nicht aus.

Engagement statt EconomiesuisseDie SP hat sich speziell für den nun an-laufenden 1:12-Abstimmungskampf et-was einfallen lassen. Wir wollen und brau-chen keinen Wirtschaftsdachverband, der uns Millionen einschiesst. Denn wir kön-nen auf das Engagement unserer mehr als 35‘000 Mitglieder und SympathisantInnen zählen! Was sich wie eine bereits vielfach gehörte «Wir haben kein Geld»-Ausrede anhört, ist in Wahrheit die Grundidee ei-ner der wohl bestorganisiertesten, gross-flächigsten und schliesslich erfolgreichs-ten Basiskampagnen der letzten Jahre. Die SP traut sich mit diesem neuen Konzept ei-niges zu. Mit dieser Kampagne haben wir nun die Möglichkeit, uns selbst und dem Land zu zeigen, dass die SP ganz im Sinne ihrer Wirtschaftspolitik vom Einsatz von Menschen und nicht von Geldern abhängt.

Zehntausend FahnenEin wichtiges Element bildet die Fahnen-aktion. Hierbei wird an zwei Wochenen-den versucht, jedes einzelne SP-Mitglied im Kanton St.Gallen telefonisch zu errei-chen. Unser Ziel ist es, dass jedes Mitglied, das die Möglichkeit dazu hat, motiviert wird, eine 1:12-Fahne aufzuhängen. So sol-len während der Wochen vor der Abstim-mung am 24. November insgesamt zehn-

tausend Fahnen in der Schweiz flattern. Ein erreichbares Ziel! Wer seine Unter-stützung ebenfalls bei sich zuhause kundtun will, kann seine Fahne gratis auf dem SP-Sekretariat an-fordern (Tel. 071 222 45 85). Ein weiterer Bestandteil der kantonalen Kampagne bil-den die Plakate, die auf privaten Grundstücken und an privaten Zäunen befestigt werden sol-len. Hierzu haben die meisten Sektionen speziell für diesen Abstimmungskampf (und noch für viele weitere) Plakatstän-der beschafft. Schliesslich soll in jeder Gemeinde min-destens ein 1:12-Plakat stehen! Wer ebenfalls eine solche Gele-genheit, aber noch kein Plakat hat, kann sich bei seiner Sek- tion melden. Natürlich ist die 1:12-Initia- tive auch in der digitalen Welt sehr präsent. Die wichtigsten Infor-mationen, Argumente und Termine findet man auf der Homepage der Initiative (www.1-12.ch), der SP St.Gallen (www.sp-sg.ch), der Juso St.Gal- len (www.jusosg.ch) sowie der Facebook-Seite der SP St.Gallen (www.facebook.com/SPSt.Gallen).

Mit der Unterstützung AllerSchliesslich werden verschie-denste Aktionen und Anlässe durchgeführt, wobei die SP auch hier auf die Unterstützung je-des Einzelnen angewiesen ist. Alles in allem kann man sich auf jeden Fall auf einen Ab-stimmungskampf der anderen Art freuen. Wer am 24. Novem- ber einen Erfolg feiern will, ist persönlich dazu aufgerufen, sei- ne Unterstützung durch Fah-nen, Plakate und durch sein En- gagement bei den Aktionen kund zu tun. Zeigen wir der Schweiz, was eine richtige «Volks»-Initiative ist! Samuel Brülisauer

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Abholzen im KulturwaldVom Staatsabbau bleibt auch die Kultur nicht verschont. Nur schlug dies in der Öffentlichkeit weniger hohe Wellen. Dabei sind sensible Bereiche betroffen.

Der Staatsabbau, den der bürgerlich do-minierte Kantonsrat in den Sparses-

sionen betrieb, trifft in den nächsten Jah-ren sämtliche Lebensbereiche. Während Gesundheit, Sicherheit und Steuern stark diskutiert werden, ist es um die Kultur relativ ruhig geblieben. Zu Unrecht. Der Kantonsrat baut an sensiblen Orten ab: bei der Kantonsbibliothek, bei der Denkmal-pflege, beim Staatsarchiv, bei der Kultur-förderung.

Klangwelt gegen LokremiseBei der Kulturförderung kam es im Kan-tonsrat zu einem unrühmlichen Hin und Her. Die «Massnahme E24» im Sparpa-ket zielte darauf ab, bei der allgemeinen Kulturförderung und bei der Förderung neuer kantonaler Schwerpunktinstituti-onen knapp 600‘000 Franken zu sparen. Die Neckertaler FDP-Kantonsrätin Vreni Wild versuchte, die «Klangwelt Toggen-burg» vor dem Sparham-mer zu retten: Sie wollte die beantragte Kürzung von 100'000 Franken auf 60‘000 Franken senken. Und sie erhielt dafür (na-türlich) auch die Unter-stützung der SP-Grüne-Fraktion, daneben die ihrer FDP-KollegInnen und der Toggenburger Parla-mentarierInnen. Wer unter www.po-litnetz.ch/parlament/sg/abstimmung bei der Mass-nahme E24 nachprüft, er-hält einen guten Einblick in den Wert der Arbeit von Politnetz.ch. Wer dann ein Abstimmungsergebnis weiterklickt, staunt: Der St.Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin (FDP) stellte einen Antrag mit derselben Stossrichtung in Bezug auf die Lokremise: Statt 290‘000 Franken sol-le «nur» 190‘000 Franken eingespart werden. Auch Scheitlins Antrag erhielt die grossmehrheitliche Un-terstützung der SP-Grüne-Fraktion – aber nicht die Solidarität der Toggenbur-ger- und der Stadtsankt-galler KantonsrätInnen.

Der Antrag wurde mit 64 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Mit einem Rückkommensantrag ver-suchte Peter Hartmann, Präsident der SP-Grünen-Fraktion, für eine Gleichbehand-lung von Klangwelt und Lokremise zu sorgen. Auch dieser Antrag wurde am zu-sätzlich einberufenen Sessionstag vom 22. August mit einer hauchdünnen Mehrheit von 56 zu 55 Stimmen abgelehnt. Pikant: Ausgerechnet Stadtpräsident Scheitlin (FDP) glänzte bei der Abstimmung durch Abwesenheit. Wäre er dabei gewesen, so wären sowohl die Lokremise wie auch die «Klangwelt Toggenburg» dank dem Stich-entscheid von Ratspräsident Donat Leder-gerber (SP) von der Kürzung verschont ge-blieben.

Kulturpolitik à la FDPUm einiges deutlicher abgelehnt wurde bereits am 25. Juni der Antrag auf einen Verzicht sämtlicher Abbaumassnahmen in der Kulturförderung. Diesen hatte der St.Galler SP-Politiker und Kulturschaf-fende Etrit Hasler im Namen der SP/Grü-ne-Fraktion eingereicht. Er scheiterte mit 80 zu 31 Stimmen. Hasler verwies in sei- ner Begründung explizit auf die Künst-lerwohnung in Rom, deren Ende mit dem

bürgerlichen Streichkonzert nun gekom-men ist. Zynisch mutete die nur drei Tage nach der Sondersession versandte Medien-mitteilung der FDP an: Rom dürfe nicht untergehen, hiess es darin. Ausgerechnet die FDP, die den Staatsabbau vorantreiben will! Nach der Devise «Privat vor Staat» setzten sich einzelne FDP-Exponenten für den Erhalt der Kulturwohnung in Rom auf privater Basis ein. Bravo, so sieht mittelal-terliche Kulturförderung aus: Der priva-te Auftraggeber bezahlt, die dankbaren KünstlerInnen schaffen. Aber schaffen es künftig auch FDP-kritische KünstlerInnen nach Rom? Der Kantonsrat beschloss die Kürzun-gen bei den Jahresbeiträgen an kulturel-le Institutionen und Projektbeiträge – zu-sammen 220‘000 Franken – ohne genaue Kenntnis darüber, wen es letztlich wie stark treffen würde. Auf Nachfragen beim Kulturamt erhielt man im Vorfeld der Staatsabbau-Debatte keine Antworten. Et-rit Hasler vermutet, dass dies eine Strate-gie war, um Proteste abzuklemmen. Diese «Sparmassnahme» werde, so fürchtet er, sehr viele Kulturschaffende ins Mark tref-fen, einige vielleicht gar zum Aufgeben zwingen. Guido Berlinger-Bolt

Das Kulturzentrum Lokremise in St.Gallen muss mit weniger Geld auskommen – «dank» einem abwesenden Stadtpräsidenten.

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Plötzlich diese ÜbersichtDie Beobachter von Politnetz.ch haben Transparenz ins St.Galler Parlament gebracht. Doch ohne Druck der SP wäre dies nicht geschehen. Das Stimmverhalten während der Spardebatte ist im Internet einsehbar.

«Nach dem Sparen ist vor dem Spa-ren»: Diese Weisheit gilt seit eini-

gen Jahren im Kanton St.Gallen. Die ge-meinsame Fraktion von SP und Grünen geht nach dem Abschluss der Sonderses-sion zum so genannten Entlastungspaket 2013 daran, Bilanz zu ziehen. Eine solche zieht auch Petar Marjanovic: über sein Po-litnetz.ch-Projekt im St.Galler Kantonsrat. Und wie fällt die aus? «Ich bin durchweg zufrieden», sagt der Walenstädter, dem die erhöhte Transparenz im Rat ein sehr persönliches Anliegen war und ist. «Von der Zuschauertribüne aus beobachtete ich mehrere KantonsrätInnen, wie sie nach Aufschalten der ersten Resultate im Rat

die Homepage von Politnetz.ch besuchten; da waren bestimmt 15 Laptops online.» Anfangs mussten einige Kinder-krankheiten überwunden werden. Aber das Projekt genoss viel Aufmerksamkeit. «Die Medien stürzten sich auf die bei uns bereitgestellten Resultate», so Marjano-vic. Und: «Das war, was wir mit unserem Projekt auch wollten.» Bereits die Ankün-digung der Zusammenarbeit zwischen der SP-Grünen-Fraktion und Politnetz.ch stiess auf ein grosses Medienecho. Die Zahl der BesucherInnen auf den Websei-ten der SP St.Gallen und von Politnetz.ch stieg während der beiden Tage der Sonder-session Ende Juni und erreichte eine Spit-ze am Donnerstag danach: 3200 Klicks ver-zeichnete Politnetz.ch.

Abbau beschäftigt St.GallerInnen Am meisten interessierten sich die Bür-gerInnen für das Ergebnis des Strei-chungsantrags zur «Massnahme E29» im Sparpaket – die Massnahme, welche die Wirtschaftsmittelschule ihrer Standorte in Wattwil und Heerbrugg beraubt. Der Antrag auf Beibehaltung der Standorte

kam notabene aus der linken Ratsecke. Er wurde aber mit 76 zu 39 Stimmen abge-lehnt. Bei Politnetz.ch gingen in den Folgeta-gen viele Mails ein, in denen dem Jungun-ternehmen für seinen Einsatz ausdrück-lich gedankt wurde. Lob – aber natürlich nicht nur Lob – erntete Petar Marjanovic von zahlreichen KantonsrätInnen. «Gene-rell zeigten sie sich sehr interessiert. Vie-le sprachen vor und während der Session mit uns.» Für Marjanovic ist es bezeich-nend, dass das Projekt vor allem bei jün-geren KantonsrätInnen auf reges Interesse stiess. Er verspricht auch Verbesserungen aufgrund geäusserter Kritik: «Wir werden die Abwesenheitsliste nochmals überden-ken, ebenso wie die noch nicht optimale Benutzerführung auf unserer Webseite.»

Staatskanzlei beeilte sich Von einer «sehr guten und der Transpa-renz dienlichen Zusammenarbeit» spricht Petar Marjanovic, wenn man ihn auf die St.Galler Staatskanzlei anspricht. Bereits eine Stunde nach der Glocke von Ratsprä-sident Donat Ledergerber habe Politnetz.ch die Datensätze der Abstimmungen er-halten. Bezeichnend war die Reaktion der Staatskanzlei: Diese schaltete plötzlich die Abstimmungsergebnisse der Sonderses- sion nur wenige Stunden nach Ratsschluss auf ihrer eigenen Homepage auf. Das hatte zuvor mehrere Tage gedauert. Ja, das Engagement von Politnetz.ch veranlasste die Staatskanzlei sogar, den verbesserten Service in einer eigenen Medienmittei-lung bekannt zu geben. So hat denn die Zusammenarbeit zwi-schen Politnetz.ch und der SP St.Gallen bereits vieles bewegen können. Vor allem dies: Wer sich für das Abstimmungsver-halten der KantonsrätInnen interessiert, erhält endlich einen einfacheren, direkte-ren und vor allem viel schnelleren Zugang zu den Abstimmungsergebnissen. Die Fortsetzung des Projekts ist noch unklar, besonders die Finanzierung. Die Notwendigkeit der Initiative für mehr Transparenz ist allerdings unbestritten. Nicht nur bei Petar Marjanovic. Guido Berlinger-Bolt�www.politnetz.ch (die St.Galler Daten siehe unter «Parlament»)

Blick in die Webseite von Politnetz.ch

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Das Leben von August Bebel (1840-1913) ist die wechselvolle Geschichte der deut-schen Sozialdemokratie im 19. Jahrhun-dert. Obwohl von Bismarck mit den Sozia-listengesetzen des Jahres 1878 verboten, wuchs sie zur mächtigsten politischen Bewegung heran. Bebel gehörte mit Wil-helm Liebknecht zu den Gründern der So-zialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, wie die spätere SPD damals hiess. In seiner Biographie verkörperte er grösste Wider-sprüche: Er war gleichzeitig Arbeiterfüh-rer und Unternehmer mit einer Villa am Zürichsee, Abgeordneter und Revoluti-onär, Ehemann und Lover. Als die Partei verboten war, traf man sich zum Kongress heimlich im Ausland: 1880 in Zürich und 1887 sogar in St.Gallen. Leider geht Autor Jürgen Schmidt nicht näher darauf ein. Doch ansonsten ist seine neue Bebel-Bio-

grafie in schöner Retro-Aufmachung ein Muss für alle, die an den histori-schen Wurzeln der Linken interessiert sind. (rh)

Jürgen Schmidt: August Bebel. Kaiser der Arbei-ter. Rotpunktverlag Zürich, 2013, 280 Seiten, CHF 34.–

Impressum «links»Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mind. 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, [email protected]

An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Guido Berlinger-Bolt, Felix Birchler, Laura Bucher, Ralph Hug, Ruben Schönenberger, Daniel Hungerbühler u.a. Gestaltung, Layout: Markus Traber Druck: Brändle Druck AG, Mörschwil

Links Nr. 5/2013 Redaktionsschluss: 22.10.2013Erscheinen: 15.11.2013

SP Schweiz7. September, 125 Jahre SP, Bern, Waisenhausplatz9.–27. September, Herbstses-sion, Bern, Bundeshaus22. September, Eidgenössi-sche Abstimmungen26. Oktober, Delegiertenver-sammlung SP Schweiz

SP Kanton St.Gallen16.–18. September, Kantons-ratssession, St.Gallen, Regierungsgebäude28. September, Geschäfts- leitungssitzung, St.Gallen, Sekretariat, 19.1029. Oktober, Geschäfts- leitungssitzung, St.Gallen, Sekretariat, 19.10

S e r v i c eSP Kreis Werdenberg6. September, Besichtigung ARA, 19.007. September, Stamm, Rest. Öpfelbom, Buchs. 11.005. Oktober, Stamm, Rest. Öpfelbom, Buchs, 11.0015. September, Wandertag mit der SP Werdenberg

SP Walenstadt5. Oktober, Party für Jung- gebliebene4. November, Höck

SP Grabs15. September, Familien-Wanderung

SP Rapperswil-Jona9. September, SP-Stamm, Jona, Johanna, 19.309. Oktober, SP-Stamm, Jona, Johanna, 19.30

SP Wil21. September, Retraite, Wil25. September, SP-Stamm, Wil, Restaurant Signal, 19.0030. Oktober, SP-Stamm, Wil, Restaurant Signal, 19.00

SP Stadt St.Gallen14. September, Bergwande-rung Alp Sellamatt– Chäserrugg, Anmeldungen bis 8.9 an [email protected]. September, Stadtparla-

mentssitzung, St.Gallen, Waaghaus, 16.0022. Oktober, Stadtparla-mentssitzung, St.Gallen, Waaghaus, 16.0029. Oktober, Stadtparla-mentssitzung, St.Gallen, Waaghaus, 16.0030. Oktober, Mitgliederver-sammlung, St.Gallen8. November, Jahres-abschlussessen, St.Gallen

Vorstösse von SP-PolitikerInnen (17. Mai – 23. Oktober 2013)

Interpellationen:� Peter Hartmann, Flawil: Fachhochschulräte wohin?� Josef Kofler, Uznach et al: Kantonsschule für das Linthgebiet?

AZB9000 St.Gallen

Parolen der SP Kanton St.Gallen zu den Abstimmungen vom 23. SeptemberNationale VorlagenEpidemiengesetz JALadenöffnungszeiten NEINWehrpflicht abschaffen JA

«Warum Meienberg? Pourqoi Meienberg?» Diese Frage stellt eine Schau im Ausstel-lungsraum des Regierungsgebäudes in St.Gallen. Kurator Stefan Keller («Grünin-gers Fall») rückt Meienbergs journalisti-sches, historisches und poetisches Werk ins Zentrum. Dies aus Anlass des 20. Todes-tags des Schriftstellers. Eine hochkaräti-ge Veranstaltungsreihe mit Jakob Tanner,

Marianne Fehr, Ruth Dreifuss, Otmar Her-sche, Roger de Weck, Paul Rechsteiner, Ri-chard Dindo, Dorothee Elmiger und Peter Weber begleitet die Ausstellung, die bis 29. September dauert. Genaue Daten der ein-zelnen Anlässe auf www.kultur.sg.ch. Am Freitag, 27. September wird Meienbergs Klassiker «Die Erschiessung des Landesver-räters Ernst S.» gezeigt. (rh)

Meienberg revisited

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Polit-Star Bebel