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panorama DEMENZHILFE ÖSTERREICH Start mit 130.000 Euro Eine neue Initiative der Volkshilfe bietet finanzielle Einzelfallunterstützung für Demenzerkrankte sowie unter www. demenz-hilfe.at ein umfangreiches Infor- mationsportal „Demenzerkrankungen bringen Er- krankte und deren Angehörige an die Grenzen des Machbaren. Durch unsere neue Initiative ‚Demenzhilfe Österreich‘ werden wir Betroffene einerseits durch In- formationen und Beratung, andererseits durch unseren neuen Fonds finanziell un- terstützen“, sagt Mag. (FH) Erich Fennin- ger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich. Erkrankte können einmal im Jahr um eine finanzielle Unterstützung ansuchen (max. 750 Euro), um damit bei- spielsweise Pflegehilfsmittel zu finanzie- ren. Der Fonds Demenzhilfe Österreich wird durch eine gemeinnützige Stiftung sowie SpenderInnen unterstützt. Zusätz- lich ging das neue Informationsportal www.demenz-hilfe.at online. Die Home- page bietet Ratschläge und Hilfestellun- gen für den Alltag, Informationen rund um die Krankheit Demenz sowie Tipps für pflegende Angehörige. Demenz bringt nicht nur Erkrankte, sondern auch deren Angehörige an die Grenzen der Belastung. „Pflegende Ange- hörige sind in der Alltagsbewältigung mit komplexen Pflegefragen konfrontiert“, un- terstreicht Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Kran- kenpflegeverbandes, die Notwendigkeit der Initiative. Dr. Marlies Kinzel, Vertrete- rin der Stiftung ergänzt: „Wir alle kennen in unserer Familie oder in unserem Freun- deskreis Menschen, die an Altersdemenz leiden. Ich sehe es als eine der Aufgaben unserer Gesellschaft an, in solchen Fällen Schutz und Unterstützung zu bieten“. Erich Fenninger abschließend: „Mit unserer neuen Initiative wollen wir Men- schen konkret helfen und die Öffentlich- keit für die Situation von Erkrankten und Angehörigen sensibilisieren.“ n ÖSTERREICHISCHE GESELL- SCHAFT FÜR NEUROLOGIE Neurogeriatrische For- schung und Behandlung im Wettlauf mit der Demo- graphie „Wir werden immer älter, und diese de- mografische Entwicklung führt zu einer Lawine neurogeriatrischer Erkrankungen, die schon heute deutlich spürbar ist, sich aber in den kommenden Jahren exponen- tiell beschleunigen wird“, so Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt, Leiter der Klini- schen Abteilung für Spezielle Neurologie an der MedUni Graz anlässlich der 10. Jah- restagung der Österreichischen Gesell- schaft für Neurologie vom14. bis 17. März in Graz. „Der einzige Ausweg besteht in der Entwicklung kausaler, die Krankheits- ursachen bekämpfender erapien. Auf dem Weg dorthin, vor allem bei der Früh- erkennung, verzeichnen wir erste Erfolge: Je früher wir diagnostizieren, desto wahr- scheinlicher ist der erapieerfolg. Doch es bedarf noch großer Investitionen in neurogeriatrische Forschung, um im Wettlauf gegen den demographischen Wandel an Boden zu gewinnen.“ Das Risiko für Erkrankungen des Zen- tralnervensystems wie Alzheimerdemenz, Morbus Parkinson und Schlaganfällen steigt ab 60 Jahren steil an, und im Jahr 2035 werden rund 3 Millionen Österreiche- rInnen über 60 sein. Laut „World Health Report – Global Burden of Disease“ ist De- menz heute für 11,2 Prozent und der Schlaganfall für 9,5 Prozent aller mit Be- hinderung verbrachten Lebensjahre ver- antwortlich, und damit für mehr Invalidität als muskuloskeletale oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Während 1951 in Österreich noch 35.000 Menschen an Demenz litten, sind es heute bereits 100.000, 2050 werden es 235.000 sein. Damit kommen enorme Lasten auf die Angehörigen, aber auch die Sozialsys- teme zu, die zusätzlich darunter leiden, dass nun geburtenschwache Jahrgänge im Erwerbsleben stehen: Kamen in den 1950er-Jahren auf jeden Demenzkranken noch über 100 Erwerbstätige, werden es 2050 nur noch 17 sein. Bereits 2005 betru- gen die EU-weiten Kosten neurodegenera- tiver Erkrankungen 130 Mrd. Euro. „Man kann sich leicht vorstellen, was es bedeutet, wenn dieser horrende und stets steigende Finanzbedarf auf den Schultern von immer weniger Zahlern ruht“, so Prof. Schmidt. Foto: B&K „Es bedarf noch großer Investitionen in neurogeriat- rische Forschung, um im Wettlauf gegen den demo- graphischen Wandel an Boden zu gewinnen.“ Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt Leiter der Klinischen Abteilung für Spezielle Neurologie an der MedUni Graz v. l. n. r.: Marlies Kinzel, Erich Fenniger (Volkshilfe), Ursula Frohner (ÖGKV) Foto: Volkshilfe 2/2012 psychopraxis 6 © Springer-Verlag

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Page 1: Panorama

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Demenzhilfe Österreich

start mit 130.000 euro

Eine neue Initiative der Volkshilfe bietet finanzielle Einzelfallunterstützung für Demenzerkrankte sowie unter www. demenz-hilfe.at ein umfangreiches Infor-mationsportal

„Demenzerkrankungen bringen Er-krankte und deren Angehörige an die Grenzen des Machbaren. Durch unsere neue Initiative ‚Demenzhilfe Österreich‘ werden wir Betroffene einerseits durch In-formationen und Beratung, andererseits durch unseren neuen Fonds finanziell un-terstützen“, sagt Mag. (FH) Erich Fennin-ger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich. Erkrankte können einmal im Jahr um eine finanzielle Unterstützung ansuchen (max. 750 Euro), um damit bei-spielsweise Pflegehilfsmittel zu finanzie-ren. Der Fonds Demenzhilfe Österreich wird durch eine gemeinnützige Stiftung sowie SpenderInnen unterstützt. Zusätz-lich ging das neue Informationsportal www.demenz-hilfe.at online. Die Home-page bietet Ratschläge und Hilfestellun-gen für den Alltag, Informationen rund um die Krankheit Demenz sowie Tipps für pflegende Angehörige.

Demenz bringt nicht nur Erkrankte, sondern auch deren Angehörige an die Grenzen der Belastung. „Pflegende Ange-hörige sind in der Alltagsbewältigung mit komplexen Pflegefragen konfrontiert“, un-terstreicht Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Kran-kenpflegeverbandes, die Notwendigkeit der Initiative. Dr. Marlies Kinzel, Vertrete-

rin der Stiftung ergänzt: „Wir alle kennen in unserer Familie oder in unserem Freun-deskreis Menschen, die an Altersdemenz leiden. Ich sehe es als eine der Aufgaben unserer Gesellschaft an, in solchen Fällen Schutz und Unterstützung zu bieten“.

Erich Fenninger abschließend: „Mit unserer neuen Initiative wollen wir Men-schen konkret helfen und die Öffentlich-keit für die Situation von Erkrankten und Angehörigen sensibilisieren.“ n

Österreichische Gesell-schaft für neuroloGie

neurogeriatrische for-schung und Behandlung im Wettlauf mit der Demo-graphie

„Wir werden immer älter, und diese de-mografische Entwicklung führt zu einer Lawine neurogeriatrischer Erkrankungen, die schon heute deutlich spürbar ist, sich aber in den kommenden Jahren exponen-tiell beschleunigen wird“, so Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt, Leiter der Klini-schen Abteilung für Spezielle Neurologie an der MedUni Graz anlässlich der 10. Jah-restagung der Österreichischen Gesell-schaft für Neurologie vom14. bis 17. März in Graz. „Der einzige Ausweg besteht in der Entwicklung kausaler, die Krankheits-ursachen bekämpfender Therapien. Auf dem Weg dorthin, vor allem bei der Früh-erkennung, verzeichnen wir erste Erfolge: Je früher wir diagnostizieren, desto wahr-scheinlicher ist der Therapieerfolg. Doch es bedarf noch großer Investitionen in

neurogeriatrische Forschung, um im Wettlauf gegen den demographischen Wandel an Boden zu gewinnen.“

Das Risiko für Erkrankungen des Zen-tralnervensystems wie Alzheimerdemenz, Morbus Parkinson und Schlaganfällen steigt ab 60 Jahren steil an, und im Jahr 2035 werden rund 3 Millionen Österreiche-rInnen über 60 sein. Laut „World Health Report – Global Burden of Disease“ ist De-

menz heute für 11,2 Prozent und der Schlaganfall für 9,5 Prozent aller mit Be-hinderung verbrachten Lebensjahre ver-antwortlich, und damit für mehr Invalidität als muskuloskeletale oder kardiovaskuläre Erkrankungen.

Während 1951 in Österreich noch 35.000 Menschen an Demenz litten, sind es heute bereits 100.000, 2050 werden es 235.000 sein. Damit kommen enorme Lasten auf die Angehörigen, aber auch die Sozialsys-teme zu, die zusätzlich darunter leiden, dass nun geburtenschwache Jahrgänge im Erwerbsleben stehen: Kamen in den 1950er-Jahren auf jeden Demenzkranken noch über 100 Erwerbstätige, werden es 2050 nur noch 17 sein. Bereits 2005 betru-gen die EU-weiten Kosten neurodegenera-tiver Erkrankungen 130 Mrd. Euro. „Man kann sich leicht vorstellen, was es bedeutet, wenn dieser horrende und stets steigende Finanzbedarf auf den Schultern von immer weniger Zahlern ruht“, so Prof. Schmidt.

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„Es bedarf noch großer Investitionen in neurogeriat-rische Forschung, um im Wettlauf gegen den demo-graphischen Wandel an Boden zu gewinnen.“univ.-Prof. Dr. reinhold schmidtLeiter der Klinischen Abteilung für Spezielle Neurologie an der MedUni Graz

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2/2012 psychopraxis6 © Springer-Verlag

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„In den vergangenen Jahren ist es ge-lungen, für Demenz, Parkinson und Schlaganfälle Prodromi zu definieren. Ins-besondere erlauben uns etliche neu ent-deckte Biomarker, Frühformen von De-menzerkrankungen zu identifizieren, was zur Definition neuer Diagnose-Kriterien für Morbus Alzheimer geführt hat, die erstmals auch seine Vorstadien einschlie-ßen“, sagt Schmidt. „Trotz dieser Fort-schritte stehen wir im Kampf gegen neuro-logische Alterskrankheiten noch am Anfang, und unser Vorankommen ist eng an entsprechend gewidmete Forschungs-förderung gebunden“, so Schmidt.

Da Aufgaben dieser Dimension nur durch internationale Vernetzung und Ko-operation gelöst werden können, haben sich erst kürzlich 22 EU-Länder zu einer gemeinsamen Forschungsinitiative, dem „Joint Programming on Neurodegenera-tive Diseases, in particular Alzheimer’s“ (JPND) zusammengefunden. Sie wollen der demographisch bedingten, massiven Zunahme neurodegenerativer Erkrankun-gen durch eine gemeinsame Vision und koordinierte Strategie entgegenwirken, die auch für die rasche Umsetzung neuer Erkenntnisse im klinischen Alltag sorgen soll. Allerdings hat sich Österreich bisher in das JPND noch nicht eingegliedert. „Wir fordern Wissenschafts- und Gesundheits-ministerium auf, sich an dieser Initiative zügig und großzügig zu beteiligen, damit die inländischen Forschungs- und Versor-gungsstrukturen in dieses internationale Netzwerk eingebettet werden können“, fordert Schmidt.

Das darin investierte Geld ist gut ange-legt. Bereits eine Verzögerung des Krank-heitsbeginns z. B. von Demenz um zwei bis drei Jahre kann die Prävalenzrate um 30 bis 40 Prozent reduzieren: Denn viele alte Menschen erkranken heute erst in den letzten zwei, drei Jahren ihres Lebens an Demenz und würden deren Ausbruch bei einem späteren Krankheitsbeginn gar nicht mehr erleben. n

Quelle: B&K – Bettschart&Kofler Kommunikations-beratung GmbH

alzheimer-frühDiaGnose

erste erfolge mit multimo-dalem Bildgebungs-system bei Demenz

Forscher gehen inzwischen davon aus, dass die Mechanismen der Demenz bereits viele Jahre bis Jahrzehnte vor den ersten

Symptomen im Gehirn einsetzen. Mit her-kömmlichen Methoden erkennen Ärzte sie meist erst im fortgeschrittenen Stadium, wenn es für neue Therapieansätze bereits zu spät ist. Eine frühere Diagnose könnte mittels der Bildgebung des Gehirns mög-lich sein. Besonders vielversprechend ist dabei die erst seit wenigen Monaten ver-fügbare PET/MR-Technologie. Das System kombiniert die Befunde zweier Techniken zu einem Bild. Bisher testen Forscher die Technologie an drei Standorten in Deutschland, der welterste Scanner wurde in München installiert. Welche Erfolge bis-her mit dem multimodalen System erzielt wurden, erläuterten Experten im Rahmen der 56. Jahrestagung der Deutschen Ge-

sellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN). „In-novative bildgebende Methoden wie etwa die PET/MR-Technologie können die Dia-gnosegenauigkeit gerade in der Frühphase der Alzheimer-Erkrankung entscheidend verbessern“, so Professor Dr. med. Alexan-der Drzezga, Oberarzt der Nuklearmedizi-nischen Klinik am Klinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München. An der Technischen Universität München nutzen Forscher das PET/MR-System seit November 2010. Mehr als 80 Patienten mit Verdacht auf Alzheimer wurden hier be-reits untersucht. n

Quelle: DGKN

psychopraxis

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