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Studentenmagazin für die Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen 052012 pflichtlektüre www.pflichtlektuere.com Gehen den Ruhr-Unis die Profs aus? Einer für alle

pflichtlektüre 05/2012

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Die neue Ausgabe der Plfichtektüre für den Start in das Wintersemester 2012/2013. Titelgeschichte: Gehen den Ruhr-Unis die Profs aus?

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Studentenmagazin für die Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen

052012

pfl ichtlektüre

www.pfl ichtlektuere.com

Gehen den Ruhr-Unis die Profs aus?Einer für alle

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Herausgeber Institut für Journalistik, TU Dortmund

Projektleitung Dr. des. Annika Sehl (ViSdP)

Redaktionsleitung Sigrun Rottmann

Redaktion Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227 Dortmund

Tel.: 0231/755-7473, [email protected]

Chef vom Dienst Julia Hortig

Textchef

Nils Bickenbach

Fotoredaktion Florian Hückelheim, Katharina Kirchhoff, Christiane Reinert

TitelbildLuzie Hecking

Layout Julia Hortig, Daniel Klager, Philipp Schulte, Timo Spieß

Redakteure und Reporter Elena Bernard, Maike Dedering, Kornelius Dittmer, Mareike

Fangmann, Jonas Fehling, Jana Fischer, Anna Friedrich, Tobias Fülbeck, Luzie Hecking, Kirsten Hein, Stephanie Jungwirth, Jens

Jüttner, Natalie Klein, Olga Kourova, Judith Merkelt, Julia Viktoria Neumann, Alexandra Ossadnik, Marylen Reschop, Philipp Schul-

te, Helene Seidenstücker, Lena Seiferlin, Dominik Speck, Julia Stollenwerk

Druck Data 2000 GmbH

Kaiser-Wilhelm-Str. 3920355 Hamburg

pflichtlektuere @ [email protected] .com/pflichtlektuere 0231 / 755 - 7473*

Impressum

02rein

Sudoku

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eins vorab

TEXTJULIA VIKTORIA NEUMANN FOTOCHRISTIANE REINERT

03rein

Letztens musste ich wegen der Benzinpreise fast wieder heulen. Da durfte es auch nicht „vielleicht noch etwas sein“. Der Gute-Laune-

Schokoriegel war schon im Auto deponiert. Statt an der Tanke einen ganzen Euro zu berappen, wird der Nervenvorrat aus dem Super-markt gebunkert – im Massenpack, 30 Cent das Stück. Studenten sind eben gewieft: Kreativität und Dreistigkeit kennen keine Gren-

zen, wenn es ums Überleben geht.

Glücklich ist, wer Freunde mit Metro-Ausweis hat. Die haben 550 Gramm Zimtstreuer zum Spottpreis – für den geliebten Chai-Latte. Die Milch wird stilecht mit Milchschäumer aufbereitet; das Ganze

erhobenen Hauptes am Uni-Café vorbei getragen. Oder der Student versucht es am Automaten, durch systematisches 10-Cent-Erbetteln.

Gegrillt wird auswärts, rudelgeguckt auch. Irgendjemand macht immer vier Kilo Nudelsalat, lässt die Wurstpackung liegen. Leich-te Beute – nur an Alufolie und Tupperbox muss gedacht werden.

Chipsreste passen hervorragend in die Hosentasche, Bierreste kann man ins T-Shirt kippen und daheim auswringen. Proviant für

drei Tage. Und wenn der Sparwüterich beim Gastgeber kostenlos duschen darf, kann er sich für den heimischen Vorrat gleich auch

unauffällig Wasser in Kanister abfüllen.

Vergessliche nutzen das Semesterticket in Kopie: Es liegt in jedem Schuh, im Halbschlaf wird es wie von selbst mitgetragen. So ist Ra-batt sicher, auch wenn die Studi-Karte in der falschen Tasche steckt. Zur Not glänzt man bei Kassierern im Zoo mit studentischem Wis-sen um glaubhaft zu sein. Alles, nur nicht zwei Euro zu viel zahlen.

In Zeiten griechischer Ausmaße im Geldbeutel setzen Studenten auf Nächstenliebe. Bei Wochenendbesuchen wird jeder Verwandte ab-gegrast. Mama, Papa, Opa, Oma, Großnichte, Tante dritten Grades ... Beim Gang zum Kühlschrank darf man sich nur nicht erwischen lassen. Schwester und Bruder sind weg. Jetzt ist die beste Zeit zum

Plündern. Nutella, Joghurt und Käse sind eben teuer. Wenn das Bad frei ist, steht eine Auswahl an Shampoos, Cremes und – exquisit

– Bodylotion bereit. Das Tiefkühlfach ist eine wahre Schatzgrube an langlebigen Luxusartikeln. Es muss ja für zwei Wochen halten.

Wenn es um Geld geht, werden Opfer gebracht. Freundschaften auf die Zerreißprobe gestellt, Verwandte ausgeschlachtet, auf die Bremse getreten. Nur beim Autofahren, da geben Studenten richtig Gas: Das

mühsam erknauserte Geld wird munter durch den Auspuff gejagt. Woran ich das sehe? Auf der Autobahn hat man viel Zeit, vorbeifah-

rende Raser zu beobachten – bei achtzig zwischen LKWs.

Guckt auch niemand? Studenten müssen sparen, wo es möglich ist: Kühschrank plündern, Mitbewohner ausbeuten – Julia zeigt, wo sich im Alltag überall Goldgruben verbergen.

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Matrose küsst KrankenschwesterSechs Fehler im Bilderrätsel.

REIN

Falsche Höfl ichkeitNeulich in Deutschland: Karl aus Estland. 05

STUDIUM

08 Kein Kaffee, Bier und NikotinGesunde und günstige Alternativen zu den alltäglichen Lastern.

12 Studiere ich das Richtige?Der Klischee-Test weist den Weg.

16 Es fehlt an echten ProfessorenDie Betreuungsrelation an den Ruhr-Universitäten ist katastrophal.

Prostitution als Nebenjob Special Operations: Ein nicht ungefährlicher Weg der Studienfi nanzierung. 21

22

LEBEN

Facebook? Gefällt mir nicht.Von den Auswirkungen des Sozialen Netzwerks auf die Kommunikation.

2832

RAUS

36Hundeparadies und KirschtorteKulturgebiet: Ein liebster Platz für Tiere und schmackhafter Rock/Pop.

04rein

Schätze unter der AutobahnGeocaching führt Abenteurer an spannende Orte.35

JOB

06Staub+Schutt+Bier=GolfMomente: Cross-Golf im Ruhrgebiet.

V-TippsKrimis, Kino, Konzerte und Komik - das Programm für Oktober und November. 38

Auf die Plätze, fertig, gründen!Vom Aufwand und Risiko einer Gründung und warum es sich lohnt.

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Er hat mich zwar verstanden, aber er hat auf Englisch geantwortet. Ich habe auf Deutsch zurück geantwortet und so haben wir 15 Minuten lang geredet und nach meinen Knieschützern gesucht. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Das klingt vielleicht witzig, aber so ist Deutschlernen sehr schwierig. Dann bist du geniert über deine Sprachkenntnisse und deswegen benutzt du in Zukunft Englisch. Ein anderes Beispiel sind Abende in unseren Studentenkneipen: Wenn die Deutschen nicht verstehen was ich sage, dann beginnen sie automatisch Englisch zu sprechen.

Ich denke, das ist oft der Hauptgrund, warum Austauschstudenten in Deutschland kein Deutsch lernen. Ich weiß, dass die Deutschen gut Englisch können und es kein Problem für sie ist, Englisch zu sprechen. Aber bitte macht das nicht, weil wir dann nichts lernen! Bleibt geduldig und korrigiert uns, wenn wir etwas falsch sagen, aber auf Englisch zu antworten ist keine richtige Lösung.

05rein

Ich heiße Karl, ich komme aus Estland und ich habe zwei Semester Politikwissenschaften an der TU Dortmund studiert. Als ich mehr und mehr Deutsch gelernt habe, gab es eine Sache, die mich erstaunt hat und darüber möchte ich sprechen.

Die meisten meiner Freunde machen hier ihr Auslandsstudium mit dem Erasmus-Programm. Am Ende des zweiten Semesters sind ihre Deutschkenntnisse genauso wie am Anfang. Das ist merkwürdig: sie leben hier und lernen die Sprache nicht.

Mag sein, dass einige Erasmus-Studenten faul sind. Aber ich habe bemerkt, dass die Deutschen auch nicht alles richtig machen, wenn sie mit uns zusprechen. Für sie es ist kein Problem, Englisch zu reden, wenn jemand nicht so gut Deutsch spricht. Aber ohne Sprachpraxis ist es fast unmöglich, Deutsch zu lernen. Ich weiß, dass ich einen starken Akzent habe und die Leute bemerken das sofort. Deswegen ist es oft passiert, dass ich etwas auf Deutsch gefragt habe und die Antwort dann auf Englisch kam. Ich spiele Volleyball und ganz komisch war es zum Beispiel, als ich meine Knieschützer verloren habe. Ich hatte das erst am nächsten Tag bemerkt und habe dann im Hochschulsport den Hausmeister gefragt, ob er vielleicht etwas gesehen hat.

Neulich in Deutschland: Ein Este erklärt, warum Deutsche ihm das Deutschlernen schwer machen.

TexTKarl Haljasmets PROTOKOLLjulia stollenwerK fOTOJULIA STOLLENWERK

Immer nur auf Englisch

Karl will Deutsch lernen und dachte, das würde in Deutschland ganz gut gehen. Die Deutschen antworten ihm aber ständig auf Englisch.

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Schlägertypen

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Wer braucht schon Poloshirts, Golfcarts und eine Platz-Etiquette? Richtig. Beim Crossgolfen geht

es dahin, wo andere ihre Golfschuhe nur ungern hinsetzen: in den Dreck. Das macht Laune.

FOTOSCHRISTIANE REINERT

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Schlägertypen

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Wer braucht schon Poloshirts, Golfcarts und eine Platz-Etiquette? Richtig. Beim Crossgolfen geht

es dahin, wo andere ihre Golfschuhe nur ungern hinsetzen: in den Dreck. Das macht Laune.

FOTOSCHRISTIANE REINERT

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08studium

TEXTLUZIE HECKING ILLUSTRATIONENLUIZE HECKING

High LifeDie Gesundheit und der Kontostand sprechen eindeutig dagegen, trotzdem bestreiten viele Studenten

ihren Uni-Alltag mit Kaffee, Zigaretten und Alkohol. Warum das so ist, welche günstigeren

Alternativen es gibt und ob sie wirken: pflichtlektüre macht den Versuch und geht auf Entzug.

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09studium

Wo ist eigentlich schon wieder mein Geld hin? Jedes Mal zur Mo-natsmitte taucht diese Frage auf und nervt mich. Wenn ich dann mal darüber nachdenke, fallen mir keine größeren Anschaffungen ein, die ich gemacht habe. Es sind eher die kleinen Dinge, die mei-nen Kontostand nach unten drücken: Wenn ich pro Uni-Woche, das sind bei mir vier Tage, zwei Schachteln Zigaretten kaufe, bin ich schon mal gut zehn Euro los. Dazu kommen jeden Tag in der Uni-versität durchschnittlich zwei Kaffee, das macht dann pro Woche weitere acht Euro. Das Feierabend-Bier kommt nicht jeden Tag vor, schluckt aber pro Woche bestimmt fünf Euro. Ohne die Wochenen-den dazuzurechnen gebe ich also für die sogenannten Alltagsdrogen im Monat etwa 90 Euro aus. Dieses Geld will ich sparen. Aber schon beim Gedanken daran, morgens ohne Kaffee aus dem Bett zu kommen, muss ich mir erst mal eine Zigarette anzünden. Warum hänge ich so an meinen Alltagsdrogen?

Uni-Alltag: Nährboden für eine Sucht

Die Diplom Sozialarbeiterin Anna Wensiersky von der Drogen-Beratungsstelle DROBS in Dortmund erklärt, dass Sucht sich aus einem Zusammenspiel der Faktoren Persönlichkeit, Verfügbarkeit und Umfeld ergibt. Die Uni ist also der perfekte Nährboden, um eine Sucht nach Alltagsdrogen zu entwickeln: Viele Menschen im Umfeld trinken Kaffee oder rauchen. Zigaretten, Kaffee und auch alkoholische Getränke sind auf dem Campus vielerorts verfügbar. Dazu kommt, dass viele Studenten oft gestresst oder frustriert sind, und einige sich mit Hilfe von Nikotin oder Koffein leistungsstärker fühlen.

Natürlich werden nicht grundsätzlich alle Studenten vom Stress zerfressen. Aber die Zahl derer, denen das Studieren an den Nerven zehrt, ist hoch. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) verweist auf eine Studie der Universität Gießen, in der das Sucht-potenzial von Studenten untersucht wurde. Knapp 65 Prozent der Befragten gaben dabei an, häufig unter Ermüdung und Erschöpfung zu leiden. Außerdem berichteten 50 Prozent über Lustlosigkeit, 40 Prozent über Aggressivität.

Diese befragten Studierenden bemängelten eine geringe soziale Funktionsfähigkeit und ein schlechtes psychisches Wohlbefinden. Häufig seien eine ineffiziente Arbeitsplanung und das Aufschie-ben von Hausarbeiten oder anderen Pflichtaufgaben Ursachen für Stress und machen damit die betroffenen Studenten teilweise zum Verursacher der eigenen Probleme, so Anna Wensiersky. „Wenn aber drei Klausuren pro Woche geschrieben werden“, erklärt sie, „ist das eine institutionelle Ursache für Stress und kann nicht mehr auf die Persönlichkeit der Studenten geschoben werden.“

Angewohnheit mit Nebenwirkungen

Eine hohe Belastung ist aber nicht der einzige Grund, warum manche an der Uni öfter rauchen oder Kaffee trinken. Oft macht man es auch aus Langeweile, die in Pausen entsteht. Ich ertappe mich zum Beispiel oft dabei, wie ich mir noch schnell eine Ziga-rette anzünde, während ich auf die S-Bahn warte. Oder wie ich die

Pausen zwischen den Seminaren mit dem einen oder anderen Kaffee fülle. Dass ich damit nicht alleine stehe, bestätigen mir nicht nur viele meiner Bekannten, sondern auch die zahlreichen Pappbecher auf den Tischen im Sonnendeck und die qualmenden Aschenbecher vor der Bahnstation.

Ich habe also schlechte Angewohnheiten. Aber wie gefährlich sind die für meine Gesundheit? Eigentlich wird durch Nikotin genau der Effekt ausgelöst, den die Meisten beabsichtigen: In weniger als zehn Sekunden bewirkt das Nikotin im Gehirn, dass eine Reihe Bo-tenstoffe und Hormone ausgeschüttet werden, so die DHS. Diese bewirken eine Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Aufmerk-samkeit. Vor allem aber macht Nikotin schnell abhängig. Und dass das Rauchen sehr gesundheitsschädlich ist, dürfte allgemein bekannt sein: Nach Angaben der DHS sterben in Deutschland durchschnitt-lich jeden Tag 270 Menschen an den Folgen ihres Zigarettenkon-sums.

Aber auch bei Kaffee sollte man nicht maßlos sein. Zwar kann das ein oder andere Käffchen zum Beispiel bei Nachtschichten während Prüfungsphasen hilfreich sein – das darin enthaltende Koffein er-weitert nämlich die Blutgefäße im Gehirn, was die Aufmerksamkeit und das Konzentrationsvermögen erhöht. Nebenwirkungen können allerdings auch Herzrasen, Schwindel und starke Nervosität sein. Im schlimmsten Fall kann es bei „Überdosierung“ zu Schlafstörungen und Angstzuständen kommen, warnt die Bundeszentrale für ge-sundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Diplom-Ernährungswissen-schaftlerin Dr. Maike Groeneveld, die für den Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aid arbeitet, hält bis zu vier Tassen Kaffee pro Tag als gut verträglich.

Ungesund kann es auch werden, wenn der Körper eine so hohe Toleranz gegen die süchtig-machenden Wirkstoffe entwickelt, dass zum Stressabbau stärkere und weniger harmlose Substanzen benötigt werden. Vor allem aber sind Alltagsdrogen teuer. Natürlich

Die wichtigste Formel für jedes Studium: Koffein.

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variiert der Konsum von Student zu Student und ist bestimmt auch abhängig von der Tagesform. Fakt ist allerdings, dass das Studen-tenwerk Dortmund an allen Standorten (außer Dortmund sind das noch Hagen, Iserlohn, Soest und Meschede) einen Umsatz von einer Millionen Euro pro Jahr allein durch Kaffee macht.

Auf Alltagsdrogen zu verzichten wäre also sinnvoll, und ich will es versuchen. Nach dem ersten Versuchstag kapituliere ich schon fast vor meiner Müdigkeit und an Uni-Frust, den ich sonst wenigstens teilweise mit Zigaretten abbauen konnte. Ein Feierabend-Bier mit Freunden wäre jetzt hilfreich. Ich begreife, dass ich mich besser vor-bereiten und die Ursachen für meinen Konsum anders bekämpfen muss. Kurz: Ich brauche sinnvolle Alternativen.

Häkelnadel oder Glimmstängel?

Wachwerden und -bleiben ist meine erste Herausforderung. Frische Luft und Bewegung hat mir Dr. Groeneveld empfohlen. Daher entscheide ich mich, morgens mit dem Fahrrad zur Uni zu fahren. Das sind von mir Zuhause 20 Minuten, um die Müdigkeit loszu-werden. An der Uni angekommen bin ich halbwegs wach - und es gibt auch noch einen Bonus: Auf dem Hinweg hatte ich keine Hände frei, um eine zu rauchen. Und auf dem Heimweg habe ich außerdem 20 Minuten Rückweg Zeit, um bei frischer Luft den Kopf freizukriegen.

Das Fahrrad ist also die Lösung aller Probleme – zumindest denke ich das zunächst. Am nächsten Morgen schwindet der Glaube an meine vermeintliche Allzweckwaffe, denn draußen regnet es Katzen und Hunde. Vor der Uni hampel ich also etwa eine Minute zwecks Bewegung und frischer Luft lustlos in alter Schulsport-Aufwärm-Manier auf dem Balkon herum. Es bringt nichts. In der ersten Vor-lesung merke ich dann, dass selbst die Kaffee-Konsumenten nicht ganz wach werden. Es liegt also am Wetter oder an sonst irgendwas und kann durch Kaffee nicht behoben werden. Ich hätte trotzdem

gerne einen. Wer häufig nicht ausgeschlafen ist und Konzentrati-onsschwierigkeiten hat, kann übrigens auch seine Ernährung über-denken. Dr. Groeneveld erklärt, dass das Gehirn permanent mit ausreichend Energie versorgt werden muss. Dafür sei es notwendig, dass man regelmäßig isst, wobei drei bis fünf Mahlzeiten am Tag optimal wären. Der Informationsdienst aid betont dabei zum Beispiel die guten Eigenschaften von Vollkornbrot. Die enthaltenen Kohlenhydrate seien eine gute Energiequelle. Außerdem enthalte es das Vitamin B1, das Konzentration, Gedächtnis und Kondition stärke. Außerdem rät aid zu viel Obst und Gemüse, da sie viele Antioxidantien liefern, die die geistige Leistungsfähigkeit erhöhen.

Besonders wichtig für die optimale Leistungsfähigkeit am Vor-mittag sei das Frühstück, da nach dem Schlaf der größte Teil der Energiereserven verbraucht sind. Um sich wacher und leistungs-fähiger zu fühlen, sei es außerdem sehr wichtig, viel zu trinken. Sechs bis acht Gläser Wasser pro Tag seien notwendig, damit das Blut als Transportorgan seine Funktionen erfüllen und damit unter anderem das Gehirn optimal mit Nährstoffen versorgen kann. Menschen, die nicht genug trinken, leiden zum Beispiel öfter an Schwächen des Kurzzeitgedächtnisses.

Das Bedürfnis nach einer Zigarette drückt meine Stimmung Richtung Nullpunkt. Tatsächlich rauche ich während der Uni am häufigsten, um Zeitlücken zu füllen. Das bemerke ich mal wieder, als ich auf die S-Bahn warte und mir diesmal die Kippe verkneifen muss. Anna Wensiersky hat mir geraten, mich mit etwas abzulen-ken, das mir richtig viel Spaß macht und bestenfalls noch meine Hände beschäftigt. Viele Bahnfahrende lesen zum Beispiel. Ich möchte morgens in der Bahn aber lieber gar nicht meinen Kopf anschalten. „Wenn lesen dir keinen Spaß macht, ist es keine gute Ersatz-Beschäftigung. Du wirst die ganze Zeit daran denken, dass du jetzt lieber rauchen würdest“, sagt die Sozialarbeiterin. Recht hat sie. Ich entscheide mich, zu häkeln. Ich finde das meditativ. Leider bin ich nicht besonders begabt darin und kriege nur viereckige Lappen zustande. Das reicht allerdings, um meinem Stoffkaninchen ein BVB-Trikot zu häkeln.

Bin ich süchtig nach Feierabend-Bier?

Diese Beschäftigung stellt sich in kurzer Zeit als sehr bahnkompa-tibel und als eine großartige Ablenkung heraus. Das Wollknäuel ist platzsparend und ich kann es immer hervorholen, wenn ich Lust auf eine Zigarette bekomme. Gewissermaßen wird Häkeln meine Ersatz-Sucht. Schnell ist das Trikot fertig und ich fange einen Wärmflaschen-Bezug an, der mir sogar über eine Zweieinhalb-Stunden-Autofahrt hilft (an dieser Stelle: Entwarnung für alle Ver-kehrsteilnehmer, ich saß nicht am Steuer). Für alle, die eher keine Handarbeitsaffinität haben, gibt es aber sicherlich andere Abhilfen für die zigarettenlose Langeweile am Bahnsteig. Wichtig ist nur: Es muss in die Bahn passen, Spaß machen und bestenfalls die Hände

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beschäftigen. Sudoku wäre da so etwas. Oder Tetris, sofern man nicht zu Videospielsucht neigt.Bleibt nur noch das Riesenproblem mit dem Feierabend-Bier. Ich brauche das etwa ein- bis zweimal die Woche. Auf die Frage hin, wann denn mein Verhältnis zum Bier ein Suchtverhalten ist, kann ich, so Suchtberaterin Wensiersky, folgende Faustregel anlegen: Wenn ich mich nur noch unter Einfluss von Alkohol entspan-nen kann, wird es kritisch. Meine Krankenkasse schlägt mir zum Thema Stresskompensation Meditation oder Yoga vor. Ich gehe also ersatzweise mit zwei Freundinnen joggen und bin danach tatsäch-lich entspannt. So gut schmecken wie ein kaltes Bier tut es aber trotzdem nicht.

Nachdem ich in fünf Tagen einige Alternativen ausprobiert habe, kann ich nun folgendes sagen: Wenn ich von meiner anfänglichen Rechnung ausgehe - also zwei Schachteln Zigaretten, zehn Kaffee und geschätzte fünf Euro für Bier - habe ich etwa 25 Euro für Alltagsdrogen gespart. Ich werde trotzdem in Zukunft nicht auf meinen geliebten Kaffee verzichten, ebenso wenig auf den Rest. Doch selbst wenn ich mit der Hilfe meiner erprobten Alternati-ven nur die Hälfte der üblichen Menge konsumiere, spare ich pro Monat trotzdem 45 Euro. Ich werde, das ist übrigens ein bewährter Trick, das gesparte Geld für etwas Schönes ausgeben, sozusagen als Belohnung. Vielleicht für neue Wolle, zum Häkeln. Meine Lunge und mein Blutdruck werden es mir auf jeden Fall danken. Und mein Stoffkaninchen, das zu seinem Trikot vielleicht auch noch neue Stulpen bekommt.

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12studium

TEXTJANA FISCHER ILLUSTRATIONLUZIE HECKING

Poloshirt oder Batikhose?Eingeschrieben, aber noch keine Ahnung,

ob‘s auch der richtige Studiengang ist?

Der pfl ichtlektüre-„Welcher Studiengang soll‘s

denn nun sein“-Test wühlt tief in der Klischee-

Kiste und bringt Euch auf den richtigen Weg.

Magst Du Geld?

Hast Du auch andere Interessen?

Welche?

LEHRAMT

SOZIALPÄDAGOGIKMASCHINENBAU

Keine Ahnung.

Was mit Menschen und so?

Bist Du in einer Trommelgruppe oder mit den Begri� en „Chai“, „Mantra“ und „Ausdruckstanz“ vertraut?

Naturwissenschaften?

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13studium

Poloshirt oder Batikhose?

Warst Du gutin der Schule?

Hast Du einenmentalen Knacks?

Sagen Deine Eltern, Du sollst „nicht sowas Taxifahrer-mäßiges“ studieren?

Stehst Du auf70-Stunden-Wochen?

Ist Deine erste Fremdsprache C++ ?

Heißt Deine engste weibliche Bekanntschaft „Mutti“?

Könntest Du einen Spontanvortrag über die semiotische Bedeutsamkeit der gemeinen Buschpampelmuse halten?

KULTURWISSENSCHAFTEN

INFORMATIK

MEDIZIN

PSYCHOLOGIE

BWL

Ja!Nee!

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Auch das Dekorieren fällt in ihren Aufgabenbereich. Das Auge isst schließlich mit.

Von halb sieben bis Viertel vor drei im Einsatz. Allein die Vor-bereitung des Mittag-essens dauert über zwei Stunden. Hinterher steht noch eine gründ-liche Endreinigung an.

Über 1000 Portionen verteilen die Küchenhilfen täglich. Bei Spaghetti können es auch schon mal 2000 werden. Beschwerden bekommen die Angestellten dabei eher selten zu hören.

Nicht nur das Mittagessen bereitet Gmomotka täglich vor. Insgesamt 670 Sandwi-ches, Baguettes und belegte Brötchen müssen also für die Außenstellen pünktlich fertig geschmiert sein.

teXtmAREIKE FANGmANN FotoCHRISTIANE REINERT

Er sorgt dafür, dass der Verkehr auf den Campus Duisburg-Essen nicht im

Chaos endet: Jürgen Stipper (52) ist Fahrdienstleiter und für die

Transportlogistik zuständig. Er hat immer den vollen Überblick.

Fahrdienstleiter

14studium

Da die Campus etwa 20 Kilome-ter auseinander liegen, kommen täglich viele Fahr-ten zusammen. Zehn Fahrer und zahlreiche Strecken wollen koordiniert werden – meist telefonisch. Auch spontane Aufträ-ge gehören zum Tagesgeschäft.

Die Planung von Finanzen, Reparatur, Inspektion und Neuanschaffungen fallen in seinen Arbeitsbereich. Das macht die Hälfte seiner Arbeitszeit aus.

Insgesamt gibt es 30 Fahrzeuge, für die der 52-Jährige zuständig ist. Zehn davon sind für den Fahr-dienst. Daneben gibt es etwa das

orange Postauto oder auch die 3,5 Tonnen schweren

Bücherwagen.

Für Studenten steht ein Pendelbus bereit, der sie zwischen den Campus hin und her befördert. Er fährt fünf Mal täglich. Individuelle Fahrten können nur von Mitarbeitern der Uni in Anspruch genommen werden.

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Von halb sieben bis Viertel vor drei im Einsatz. Allein die Vor-bereitung des Mittag-essens dauert über zwei Stunden. Hinterher steht noch eine gründ-liche Endreinigung an.

Er sorgt dafür, dass der Verkehr auf den Campus Duisburg-Essen nicht im

Chaos endet: Jürgen Stipper (52) ist Fahrdienstleiter und für die

Transportlogistik zuständig. Er hat immer den vollen Überblick.

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15studium

Sag mal, Prof

protokollELENA BERNARD FotoSELENA BERNARD / RITA THIELEN (PIXELIO.DE) MontageTImO SPIESS

Das Wort Placebo (Lateinisch) heißt übersetzt „ich werde gefallen“. Von einem Placeboeffekt spricht man, wenn es einem Patienten allein durch den Glauben an eine Therapie besser geht, auch wenn er nur ein Scheinmedikament oder eine Scheintherapie bekommen hat. Obwohl das „Medikament“ selbst keinen Arzneistoff enthält, ist der Placeboeffekt nicht nur pure Einbildung. Spricht ein Mensch gut auf ein Scheinmedikament an, heißt das nicht, dass er sich seine Krankheit nur eingebildet hat. Auch Patienten mit schweren körper-lichen Krankheiten können allein durch den Placeboeffekt geheilt werden. Er kann die Wirkung eines „richtigen“Medikaments sogar übertreffen.

Interessant ist, dass Arzneimittel eine unterschiedlich gute Placebo-wirkung haben: Bittere Medikamente helfen besser als geschmack-lose, sehr große und sehr kleine Tabletten besser als mittelgroße. Das nutzt auch die Pharmaindustrie: Tabletten, die in den Handel gehen, werden so entworfen, dass sie zusätzlich eine möglichst hohe Placebowirkung haben.

Sogar bei Operationen lässt sich der Placeboeffekt beobachten. Das zeigt sich zum Beispiel bei einer Knieoperation (Athroskopie), mit der sich Schäden am Knorpel beheben lassen. Studien beweisen, dass Scheinoperationen hier ebenso erfolgreich sein können. Der Patient denkt zwar, dass die Schäden behoben würden, in Wirklich-keit geschieht dies aber nicht. Die Placebowirkung dieser Operation liegt wahrscheinlich daran, dass der Glaube an die Wirksamkeit mit einem tatsächlichen Eingriff kombiniert wird.

Außerhalb von Studien werden aus ethischen Gründen natürlich keine Scheinoperationen durchgeführt. Die Forschung jedoch braucht solche Studien, um den Nutzen der „echten“ Operation bewerten zu können.

Auch für Ärzte ist das Wissen um den Placeboeffekt sehr wichtig. Denn wie stark er wirkt, ist individuell verschieden. Je besser es dem Arzt gelingt, im Patienten die Hoffnung auf Heilung zu wecken, und je stärker dieser an seine Heilung glaubt, desto größer ist die Aussicht, dass er tatsächlich gesund wird. Dieser Kunst bedienen sich zum Beispiel Schamanen und Wunderheiler, die ebenso erfolg-reich sein können wie die Schulmedizin.

Der Placeboeffekt hat übrigens nicht nur positive Wirkungen: Er kann auch auftreten, wenn der Patient – zum Beispiel nach Lektüre des Beipackzettels – negative Folgen erwartet. In Studien zum so ge-nannten „Noceboeffekt“ wurden die Studienteilnehmer über angeb-liche Nebenwirkungen eines Medikaments informiert. Obwohl sie im Anschluss nur ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff bekamen, traten bei einigen die erwarteten Nebenwirkungen auf.

Was wolltest du schon immer wissen? Mail es uns an [email protected]

Die besten Fragen lassen wir von Experten im Heft beantworten.

Prof. Stephan Herpertz vom Lehrstuhl für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie erklärt Student Johannes Weiß (21), was es mit dem Placebo-Effekt auf sich hat.

Wie funktioniert der Placebo-Effekt?

Die Planung von Finanzen, Reparatur, Inspektion und Neuanschaffungen fallen in seinen Arbeitsbereich. Das macht die Hälfte seiner Arbeitszeit aus.

Für Studenten steht ein Pendelbus bereit, der sie zwischen den Campus hin und her befördert. Er fährt fünf Mal täglich. Individuelle Fahrten können nur von Mitarbeitern der Uni in Anspruch genommen werden.

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Schreckliche Zukunftsvision oder faire Lösung? Professoren lehren über die Webcam.

16studium

Echte Profs für alle!Das Verhältnis von betreuten Studenten je Professor, die so genannte Betreuungsrelation,

verschlechtert sich – speziell im Ruhrgebiet. Doch die offiziellen Statistiken lassen die Lage besser

erscheinen als sie ist. Warum mangelt es an Professoren?

TexTJonas Fehling IllusTraTIonluzie hecking

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bei den Studierenden gut ankommen? Speziell wissenschaftliche Mitarbeiter sind zudem gemeinsam mit den Professoren in die Forschung involviert und genau so an den Hochschulen präsent wie ihre „akademischen Väter“. „Die Einstellungen von wissenschaftli-chen Mitarbeitern sind sinnvoll, weil sie so Übungsgruppen, die den Stoff der Vorlesungen vertiefen, verkleinern können“, sagt Tolan. Sollten trotzdem neue Professoren eingestellt werden? „Ganz klar. Da müsste die Politik sagen: ‚Hier hat die TU Dortmund noch zehn Professoren‘“, so Tolan. „Es gilt ganz generell für die Ruhr-Uni-versitäten, dass die Zahl der Professuren im Vergleich zu anderen Standorten geringer ist.“

In NRW insgesamt ist die Lage schlechter als im Bund: 1:72 (2010) lautet hier das durchschnittliche Verhältnis laut Landesamt für Statistik (IT.NRW). Nach Angaben von Universitäten und IT.NRW doziert an der TU im laufenden Jahr nur ein Professor mehr (288) als noch 2005 (287); an der UDE verringerte sich die Zahl im gleichen Zeitraum sogar von 424 auf 415. Weil gleichzeitig immer mehr Studierende an die Hochschulen kommen, verschlechtert sich die Betreuungsrelation. An der TU betreute beispielsweise ein Professor im Jahr 2005 im Durchschnitt 76 Studenten. 2010 waren es 83. An der Uni Duisburg-Essen (UDE) sieht es ähnlich aus: 1:91 (2005) im Gegensatz zu 1:95 (2010). Die Ruhr Universität Bochum (RUB) steht dennnoch am besten da: 1:77 (2005) im Vergleich zu 1:81 (2010).

Bezahlung ist unattraktivZwei Faktoren fallen also zusammen: Wenig Professuren und immer mehr Studierende. „Das sind die einzigen Stellschrauben. Ein Lehrverhältnis ist ja ein Quotient. Sie können in dem Bruch den Nenner vergrößern – dafür brauchen Sie mehr Professoren“, sagt Tolan. Oder man könne den Zähler (Studenten) verkleinern, also – wie zum Beispiel an vielen bayrischen Universitäten – den Numerus Clausus in noch mehr Fächern einführen. Das sei allerdings nur der zweitbeste Weg. „Wir brauchen – bereits heute – 7.000 zusätzliche Professorenstellen in Deutschland, nur um den Bundesdurchschnitt zu halten. Aber so schnell könnte man die gar nicht einstellen“, sagt DHV-Präsident Kempen. Denn das Berufungsverfahren eines neuen Professors, also vom Antrag der Fakultät bis zur Ernennung, ist ein langwieriger Prozess. Zudem muss der nötige Nachwuchs vorhanden sein. Doch dabei gibt es ein Problem: Die Bezahlung. Ist die wirklich so unattraktiv, wie Kempen kritisiert? Er sagt, der Gehaltsunterschied zwischen einem Gymnasiallehrer und einem Professor sei bei Weitem nicht mehr so groß, wie er einmal war (s. Interview).

Tatsächlich verdient ein Professor nach der aktuellen NRW-Besoldungstabelle für Beamtinnen und Beamte (Januar 2012) des Deutschen Beamtenbundes (DBB) in der höchsten Besoldungsstufe W3 rund 5.300 Euro an Grundgehalt. Ein Lehrer, der es im elften Berufsjahr zum Gymnasialdirektor gebracht hat, bekommt laut DBB-Tabelle knapp 5.000 Euro. Dieses Gehalt erhöht sich – anders als bei Professoren – mit steigender Berufserfahrung sukzessive. Bei Professoren gibt es stattdessen teilweise Zulagen, für besondere Leistungen in Forschung, Lehre oder Verwaltung. So belaufen sich

Für 850 Studenten ist es so weit. Es ist Donnerstag, 16 Uhr. Pro-duktionswirtschaftsvorlesung an der TU Dortmund. Die erwartete Teilnehmerzahl der Pflichtveranstaltung liegt laut Vorlesungsver-zeichnis LSF bei 850 – zu viel für die 735 Plätze im Audimax. Doch die Uni-Verwaltung hat eine Lösung: Es gibt eine Live-Übertragung in einen zweiten Hörsaal. Eine solche Betreuungsrelation von einem Professor gegenüber 850 Studierenden verdeutlicht die Situation in Deutschland und speziell im Ruhrgebiet: Denn mit der wachsen-den Studentenzahl wächst die Zahl der Professuren nicht mit. Eine prekäre Situation?

Blickt man in die Veröffentlichungen der Bundes- und Landesämter für Statistik, sieht es zunächst nicht danach aus: Die Betreuungs-relation verbesserte sich in Deutschland zwischen 2005 und 2010 durch mehr als 80.000 Neueinstellungen von Lehrkräften. Nach Angaben des Bundesamts für Statistik lag die Quote in Deutsch-land 2010 bei knapp sieben Studenten je Lehrendem. 2005 waren es noch mehr als acht. Doch diese Zahlen beziehen sich eben nicht nur auf Professoren, sondern auf das so genannte „wissenschaftlich-künstlerische Personal“, also sämtliche Dozenten. Dazu gehören neben Professoren auch Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiter. „Wenn man das Gesamtpersonal nimmt, ist die Lage in den letzten Jahren durch die Qualitätsverbesserungsmittel besser geworden. Dieses Geld wird in das Personal investiert“, sagt der Prorektor Studium der TU Dortmund, Prof. Dr. Metin Tolan.

7000 Professoren fehlenBetrachtet man im Gegensatz dazu die Betreuungsrelation aus-schließlich nach Professoren, sieht die Zahlenwelt anders aus: „In Deutschland haben wir eine Betreuungsrelation von 1:60. Die Pro-fessorenzahl stagniert, ist teilweise rückläufig. Das steht in scharfem Kontrast zu den steigenden Studierendenzahlen“, sagt der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Bernhard Kempen (siehe Interview S. 19) und wird noch deutlicher: „Studenten haben ein Anrecht auf echte Professoren!“ Gemeint sind Professoren, die eine volle Stelle haben und sowohl in der Forschung, als auch in der Lehre aktiv sind. Doch warum diese Stagnation? „Die Zahl der Professuren, die eine Universität besetzen kann, ist beschränkt. Professuren können wir nur aus Düsseldorf bekommen“, erklärt Tolan. Was sagt das Land zu dieser „Professuren-Deckelung“? Eine Stellungnahme zur Nachfrage der Pflichtlektüre blieb bis Redakti-onsschluss aus.

Aber müssen es überhaupt Professoren sein? Ein Vorteil liegt auf der Hand: Professoren, die im Vergleich zu anderem Lehrpersonal oft mehr forschen, können die Ergebnisse im Universitätsbetrieb an die Studenten weitergeben. Zweitens spricht für „echte Professoren“ ihr Hintergrundwissen. Ein drittes Argument „pro Professor“ ist dessen Präsenz am Lehrstuhl. Ein externer Lehrbeauftragter kommt oft nur für ein Blockseminar an die Uni, dafür allerdings auch direkt aus der Praxis und trägt Informationen aus der Arbeitswelt in die Seminare. Auch hinsichtlich der Lehrmethoden stellt sich die Frage, ob Professoren zwingend das Nonplusultra stellen. Beherrschen Lehrbeauftragte, wissenschaftliche Mitarbeiter oder Tutoren neuere didaktische Konzepte? Sind es nicht oft gerade die Tutorien, die

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die steuerpflichtigen Bruttobezüge von W2 und W3 Professoren nach Angaben von IT.NRW im Durchschnitt auf insgesamt rund 6.350 Euro (Berichtsmonat Juli 2011). Außerdem erzielen manche Professoren außerhalb der Universität Nebeneinkünfte in der „freien Wirtschaft“. Zum Beispiel durch Vorträge oder Unternehmensbe-ratung. Allerdings ist eine solche Beschäftigung an die Bedingung geknüpft, dass sie die Tätigkeit an der Uni nicht einschränkt.

Rezept für eine Lösung?Ein Lösungsmodell für die genannten Probleme hat Silke Gül-ker von der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissen-schaftszentrum Berlin für Sozialforschung, parat. Im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kümmert sich die Diplompolitologin in ihrer Studie „Wissenschaftliches und künstlerisches Personal an Hochschulen“ um die Kernaufgaben künftiger Personalpolitik: Erstens müssten Personalstrukturen verändert, das „Nadelöhr zur Professur“ weiter geöffnet werden. Ge-meint ist damit nicht, die Anforderungen beim Zugang zu senken, sondern die Rahmenbedingungen zu verbessern: Laut Bernhard Kempen bekommt zum Beispiel „nur einer von drei Leuten, die sich in Deutschland auf den Weg zur Professur machen, eine echte Vollzeit-Professur“. Zweitens sei die Ausgestaltung der Verträge zu prüfen. Die Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse beim wissenschaftlich-künstlerischen Personal muss enden, sagt Gülker. Nach Angaben von IT.NRW stieg der Anteil der befristet Beschäftigen zwischen 2000 und 2010 von 63 auf 72 Prozent. Drittens fordert die Politologin, die Lehre aufzuwerten. Denn „ein Wissenschaftssystem, in dem gute Forschung allein belohnt wird, kann den künftigen Anforderungen nicht gerecht werden“. Gülker empfiehlt eine flexiblere wissenschaftliche Laufbahn zu fördern: „Phasen intensiverer Forschung und intensiverer Lehre könnten sich abwechseln“. Lehre zu verbessern, indem man sie an spezialisiertes Personal wie Lehrprofessoren ausgliedere sei keine Option, denn sie sei essentieller Bestandteil einer akademischen Tätigkeit.

Ein „kurzfristiger Mehrbedarf“ an Professoren, um das Wachs-tum an Studierenden zu bewältigen, werde bis 2025 durch wieder sinkende Studierendenzahlen zwar zurückgehen. Dennoch sieht Gülker einen „nachhaltigen Mehrbedarf“ von 16.000 Professoren in Deutschland. Grund dafür „sind Stellen, die aus Altersgründen frei werden“. Zudem bestehe bei einer (politisch gewollten) Verbesse-rung der Betreuungsquote ein zusätzlicher Bedarf an Professoren von bis zu 23.000 bis 2025. Ohnehin ist die Politik in der Verant-wortung: Als Träger der Hochschulen ist das Land NRW zuständig für deren Personaletat. Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) verweist auf die Erfolge ihres Ressorts: „Den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen steht heute mehr Geld zur Verfügung als je zuvor“. Die „Hochschulvereinbarung 2015“ garantiere den Univer-sitäten die Grundfinanzierung für die nächsten Jahre.

Das sieht die Landesrektorenkonferenz NRW (LRK), ein Zusam-menschluss von Rektoren der staatlichen Hochschulen, anders. Ihr Hauptanliegen ist es, „nachhaltige Konzepte für die Hochschul-entwicklung in NRW zu erarbeiten“. In einem offenen Brief der LRK im Mai 2012 heißt es, die Studienplatznachfrage werde in

Mehr zum Thema Betreuungsrelation findetihr auch im Internet auf pflichtlektuere.com/printwww:

den nächsten drei Jahren viel stärker steigen als erwartet. Über das Jahr 2015 hinaus werde eine zusätzliche Nachfrage von mehr als 10.000 Studienplätzen pro Jahr prognostiziert. Es gebe bisher keine Gegenfinanzierung. Verbindliche Zusagen über einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von mindestens 800 Millionen Euro und eine Anhebung der Grundfinanzierung seien nötig, so die LRK.

Wie sind die Aussichten, dass diese Forderungen erfüllt werden? Kempen ist wenig optimistisch: „Dass das Land NRW mit seinen Haushaltsschwierigkeiten zusätzliches Geld ins System pumpt wünsche ich mir sehr. Ich appelliere an die Landesregierung, sich Lorbeeren zu verdienen, indem sie an der richtigen Stelle inves-tiert. Aber ich fürchte, das wird nicht geschehen“. Die Leidtragen-den – die Studenten – äußern bereits ihren Unmut. Zum Beispiel durch Facebook-Kommentare, wie diesen zur Wirtschaftsvorlesung „Human Resources“, wo es nicht genug Sitzplätze im Hörsaal gab: „Kenn‘ ich, echt ätzend. Vor allem, wenn du ganz hinten den Bodenplatz ergattert hast. Hat dann was von Hörspiel“. Und das ausgerechnet bei einer Vorlesung über Personalmanagement.

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Betreuungs-BaustelleDurch schlechte Rahmenbedingungen an deutschen Universitäten herrscht Ebbe bei den Neueinstel-

lungen von Professoren. Im Interview spricht der Präsident des Hochschulverbandes, Bernhard Kem-

pen, über den Weg in die Professur, schlechte Besoldung und einen Mangel an Vollzeit-Stellen.

ProTKollJonas Fehling FoToseric lichtenscheid

Die Betreuungsrelation auf Bundes- und Landesebene ist un-terirdisch schlecht. Wie kommt es zu dieser, für die Studenten, schwerwiegenden Situation?

Da kommen zwei Faktoren zusammen: Einmal der Wegfall der Bundeswehrzeit und die doppelten Abiturjahrgänge. Eine stetig wachsende Anzahl der Menschen mit Studienberechtigung beginnt ein Studium. Wenn sie jetzt anfangen wollen zu studieren, haben sie Pech, weil momentan viele Schulabgänger auf die gleiche Idee kommen. Allein um das Verhältnis von 60 Studenten pro Professor halten zu können, müssten 7.000 zusätzliche Professorenstellen geschaffen werden. Ich sehe nicht, wo die herkommen sollen.

Also gibt es einen Professorenmangel in Deutschland?

Ja. Die Professorenzahl stagniert und ist teilweise rückläufig. Das ist sehr bedauerlich, sehr traurig. Die Betreuungsrelation und damit die Studienbedingungen sind leider schlechter geworden. An den Uni-versitäten fehlt schlichtweg das Geld. Das ist die größte Baustelle in der Wissenschaftspolitik.

Die gebetsmühlenartige Forderung der Universitäten nach mehr Mitteln ist nichts Neues. Es kann doch nicht nur am Geld liegen?

Die Gehälter sind ein zweiter Faktor. Zum Einen hat sich die Professorenbesoldung im Vergleich zu anderen Gehältern konti-nuierlich verschlechtert. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hat ein Professor das fünffache eines Lehrers am Gymnasium verdient. Mittlerweile verdient er dasselbe. Das ist aus studentischer Perspek-tive zwar immer noch viel Geld, aber nicht in Relation zu der Qua-lifikation einer Person, die sich über Jahre mühselig hochgearbeitet hat. Zudem ist es auch noch riskant, wenn es am Ende gar keine Stelle für die angehenden Professoren gibt. Wieso sollte man es sich da antun Professor zu werden?

Aber die Aussichten eine Stelle zu bekommen müssten doch gut sein? Viele Professoren stehen doch kurz vor dem Ruhestand.

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Wenn wir über Nacht verbieten würden, dass Pensionierte weiter an den Hochschulen lehren, würden wir in einem Desaster ste-cken. Man glaubt gar nicht, wie viele Lehrveranstaltungen von im Ruhestand befindlichen Professoren angeboten werden. Das sind Überzeugungstäter, die es einfach nicht lassen können. Das ist einerseits erfreulich, weil es davon zeugt, dass Professoren ein hohes Berufsethos haben. Andererseits macht es den Missstand deutlich, dass wir auf die Ruheständler angewiesen sind.

Das klingt für den Nachwuchs sehr unattraktiv. Welche Hür-den muss der Professorennach-wuchs denn nehmen?

Von drei Leuten, die sich in Deutschland auf den Weg zur Professur machen, bekommt nur einer eine echte Vollzeit-Professur. Die anderen bleiben auf der Stre-cke und müssen von der Univer-sität wieder abgehen. Bis sie diese Qualifikation erreicht haben, sind sie oft 40 Jahre alt oder älter. Sich dann noch mal beruflich neu zu orientieren ist in vielen Fällen unmöglich. Der Nachwuchs muss gefördert werden und das beste Mittel sind „echte“ Professoren-stellen, damit man eine Perspek-tive bietet. Da muss man Stellen bereithalten.

Wie groß sind denn die Nach-wuchsprobleme?

In einigen Fächern, zum Beispiel den Ingenieurwissenschaften, haben wir Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen. Wenn Sie einen Professor aus den USA hier herholen wollen und der erfährt, was er im Vergleich zu den USA an Besoldung bekommt, wie viel er lehren muss, für wie viele Studenten er zuständig ist, winkt der ab. Die Rahmenbedingungen sind nicht so, wie sie sein müssten, damit wir einen Run auf Professuren auslösen könnten.

Also läuft es wieder auf das „liebe Geld“ hinaus?

Dass Universitäten chronisch unterfinanziert sind, weiß jeder. Aber keiner kommt auf die Idee zu sagen, das hat, wie zum Beispiel die Banken, eine systemische Bedeutung für unser Land. Die syste-mische Bedeutung liegt doch darin, dass wir auf junge Menschen angewiesen sind, die ein Studium aufnehmen, erfolgreich zu Ende

bringen und für die Herausforderungen einer globalisierten Welt gewappnet sind. Wir sind ein ressourcenarmes Land. Wir haben we-der Erdöl noch Goldvorkommen. Wir brauchen das, was in unseren Köpfen ist. Da muss viel mehr Geld in das Gesamtsystem gesteckt werden. Das ist eine politische Grundentscheidung. Das ist kein Luxus, sondern ein Anspruch, den über zwei Millionen Studierende in diesem Land haben.

Warum ist die Betreuungsrelation an den Ruhr-Universitäten besonders kritisch?

In Ballungsräumen, wo Universi-täten dicht auf dicht sitzen, sieht man eben noch deutlicher, wie sich die Dinge verschlechtern, als in Ländern wie Niedersach-sen oder Bayern, wo sich die Universitäten auf eine größere Fläche verteilen. Deswegen gibt es an den Ruhr-Universitäten auch einen gesteigerten Hand-lungsbedarf.

Wie könnte eine Lösung des Problems denn aussehen? Sind Lehrbeauftragte, Professoren auf Zeit und Lehrprofessoren eine Alternative zu klassischen Professoren?

Mit Lehrprofessoren, also Pro-fessoren, die 14 Stunden in der Woche lehren statt der üblichen acht oder neun Stunden, ist den Studierenden nicht gedient. Das sind nur Notoperationen der Länder, um zu sparen. Das sind keine wirklichen Professoren mehr. Die haben nicht die Zeit, neben der Vorlesung Studieren-de zu betreuen und gleichzeitig in der Forschung aktiv zu sein. Damit würden wir uns was

vormachen und die Studierenden betrügen. Das wollen wir nicht. Was wir wollen, sind richtige Professoren, die aus eigenem Erleben und ihrer Aktivität in der Forschung berichten können. Wir wollen den Studierenden die Faszination wissenschaftlicher Forschung ver-mitteln. Das zeichnet die Universität aus. Wir brauchen mehr gute Professoren. Und gute Professoren sind solche, die in der Lehre und in der Forschung gut sind.

Bernhard Kempen meint: Dass Universitäten chronisch unterfinanziert sind, weiß jeder.

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Die ProfessionelleSpecial Operations: Morgens Hörsaal, abends mit dem Freier im Bett. Mandy hat alles andere als

einen typischen Nebenjob. Sie präsentiert sich als glückliche Prostituierte.

Schattenseiten blendet sie aus.

TexTkirsten hein FoTochristiane reinert

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Mandy* öffnet die Tür ihrer WG und bittet den Mann herein. Er ist um die 30, gut gekleidet und gepflegt. Sie gehen in ihr Zimmer. Der Mann legt seine Jacke ab, die beiden unterhalten sich. Dann gibt’s Sex. Die Stunde ist schnell um. Danach ist Mandy wieder allein. Und um 100 Euro reicher. Denn sie finanziert sich ihr Studium, indem sie Anschaffen geht – auf eigene Rechnung. Alles ganz modern übers Internet. Dabei verdient sie zwischen 80 und 100 Euro pro Kunde, insgesamt gute 1000 Euro im Monat. „Ich mache es nicht öfter, als es mir selbst Spaß macht. Da hat ja dann keiner etwas von.“ Selten vereinbart sie mehr als einen Termin am Abend. Verhütung ist ein Muss.

Mandy sieht sich als ganz normale Studentin. Morgens geht sie mit ihrem Labrador spazieren, danach schlendert sie mit ihren Freunden in den Hörsaal an der FH Bochum. Ihr Umfeld weiß nichts von ihrem Doppelleben. „Es hat schließlich noch keiner danach gefragt. Mein Dad würde mich umbringen!“

Hört man Mandy reden, könnte man fast meinen, die Versuchung nach dem schnellen Geld sei ihr so wichtig, dass sie alle Schattenseiten ihres keineswegs alltäglichen Jobs ausblendet: Mandy kann sich nie sicher sein, wer dieser neue Kunde vor ihrer Wohnungstür wirklich ist, ob er nicht doch zwielichtige Absichten hat, sie zu Sexualpraktiken zwingen könnte. Und auch nicht alle sexuell übertragbaren Krankheiten wie etwa Genitalherpes lassen sich durch Kondome hundertprozentig verhindern. Und: Ein Kondom kann auch platzen. Das thematisiert Mandy nicht: Sie präsentiert sich als Bochums glücklichste Prostituierte.

Sie nennt ihre Freier bewusst nur „Kunden“. „Ich habe normalerweise um die sechs bis sieben Stammkunden, die sehe ich mehr als Bekanntschaften mit Extras“, sagt sie und lacht. Schlimm findet sie das nicht. „Ich würde es ja so oder so machen. Ich bin kein Beziehungstyp. Wieso soll ich mich dann nicht auch dafür bezahlen lassen?“ Doch sie ist sich sicher, würde der – oder die – richtige um die Ecke kommen, würde sie sofort aufhören.

Die 25-Jährige sucht sich ihre Kunden gewissenhaft aus. „Ich hatte fast immer Glück mit meinen Kunden. Manieren und ein gepflegtes Äußeres sollten selbstverständlich sein. Immerhin lasse ich sie in meine Wohnung!“ Bei manchen Männern fragt sie sich, wieso sie es nötig haben – oft hätten sie eine hübsche Freundin, ein teures

Auto und einen guten Job. „Viele bringen mir Geschenke, oder würden mir sogar finanziell aus der Patsche helfen“, schwärmt sie. Das eine oder andere Mal verliebt sich auch einer. „Aber das geht natürlich gar nicht!“

Nachts Prostituierte, tagsüber Studentin. Da muss Mandy Kompromisse eingehen. Also schmeißt die Studentin ab und zu für das schnelle Geld auch mal die eine oder andere Übung. Einmal habe sie mit einem Professor eines anderen Fachbereiches der FH geschlafen.

Fest steht für Mandy jedenfalls, dass sie nie wieder dorthin zurück will, wo sie während der Schulzeit gelandet war: auf dem Strich. Wegen finanzieller Probleme in ihrer Familie sei sie von den „falschen Freunden“ ins Milieu hineingezogen worden. Mandy musste drei Jahre lang mit jedem Freier mitgehen, ohne Auswahl zu haben. Sie hat versucht, diese Zeit zu verdrängen, ist froh, dass das alles vorbei ist. Jetzt, sagt sie, schlafe sie gerne mit Männern für Geld.

*Name geändert

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Neue GründerzeitDie Deutschen trauen sich nicht mehr, zu gründen. Gleichzeitig sollen an den Unis Studierende

motiviert werden, ihr eigener Boss zu werden. pflichtlektüre zeigt, warum die Uni der beste Ort zum

Gründen ist. Und was es bedeutet, auf eigenen Beinen zu stehen.

TexTPhiliPP schulte, Kirsten hein FOTOSflorian hücKelheim

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vationen an den Start bringen, die die Wirtschaft eines rohstoffarmen Landes wie Deutschland so dringend für den internationalen Markt braucht. Nur fällt bei einer Akademiker-Arbeitslosenquote von der-zeit bescheidenen 2,5 Prozent der Hauptgrund zum Gründen erstmal weg. Studentische Unternehmer treibt etwas anderes an.

Mein eigener Boss„Da steht niemand über dir, der dir sagt, was du zu tun hast“, er-klärt Florian Hermann. Der 23-Jährige studiert „Management & Economics“ an der RUB und hat im Mai 2011 gemeinsam mit Erik Schwarzer seine eigene Firma gegründet. „Knüppelknifte“ heißt das innovative Gastro-Konzept, das die beiden ausgetüftelt haben und jetzt vermarkten. „Stockbrot 2.0“ nennen sie es manchmal scherz-haft, aber eigentlich ist es genau das: Mit einem Lagerfeuer hinter Sicherheitsglas in der Mitte ihrer Tische und einem ausgetüftelten System zum Backen der gefüllten Brote wollen die beiden den Pfad-finder-Snack salonfähig machen. „Ich kann mich nur in eine Sache reinhängen, hinter der ich zu 100 Prozent stehe“, sagt Erik, der in Dortmund Kunst und Kulturanthropologie studiert. Um ihr Projekt zu finanzieren, hat Florian nicht nur Omas Sparschwein geknackt, sondern auch mal Feinstaubfilter bei Krupp gesäubert, während Erik das fünfstellige Startkapital mit Zeitarbeitjobs reingeholt hat.

Auch Peter Seydel und Andre Overhagen wollten „nicht bloß Räd-chen in der großen Maschine sein“. Also haben sich die beiden 32-jährigen Diplom-Informatiker von der Uni Duisburg-Essen selbstständig gemacht und ihre eigene Computerspiel-Schmiede „Novacore Studios“ gegründet. Mit Erfolg: Seit Anfang August steht „Legends of Pegasus“ in den Regalen. „Ein bisschen wie Civilization im Weltraum“, beschreibt Andre ihr Erstlingswerk. Dabei hatten sie stets ihre Uni im Rücken. Noch während der Diplomarbeit belegten die beiden einen „Entrepreneurship“-Kurs, den das „Small Business Management“-Programm der Uni Duisburg-Essen kostenlos anbie-tet. Neun Monate dauerte der Kurs, als Abschlussarbeit schrieben Peter und Andre den „Businessplan“ für ihre Firma. Ihr Plan schaffte es dann beim Existenzgründerwettbewerb „Startup Duisburg“ unter

Jörn Menger kommt gerade aus dem Urlaub zurück. Kos in Grie-chenland, 13 Tage, ganz entspannt, mit Frau und Kind. Es ist das erste Mal seit drei Jahren, dass er Urlaub gemacht hat. Als das EU-Parlament vor vier Jahren über eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden debattierte, waren es bei ihm „zwischen 60 und 70 Stunden, verteilt auf sechs Tage“. Dabei arbeitet Jörn weder in einer fernöstlichen Näherei noch in einer afrikanischen Diamantenmine; er ist selbstständiger Unternehmer in Bochum und Absolvent der Ruhr-Universität.

Jörns Firma „Traiwi“ bietet maßgeschneiderte Online-Trainingspläne für Athleten an, datenbankunterstützt und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Davon hat er eine Menge Ahnung, der 34-Jährige ist Diplom-Sportwissenschaftler – und trotz seines Arbeitspensums kein bisschen unglücklich. Nur stur sei er, „extrem stur“. „Ich hab’ eine Vision von dem, was ich machen will.“ Und dafür arbeitet er auch schon mal das ganze Wochenende durch. Schon nach der Hälf-te seiner Studienzeit wusste Jörn, dass er sein eigenes Ding machen will. Während er die letzten Sätze seiner Diplomarbeit schrieb und sich um seine schwangere Freundin – und heutige Frau – kümmerte, legte Jörn noch den Grundstein für Traiwi. Viel geschlafen hat er in dieser Zeit nicht. Einen Etappensieg hat Jörn schon in der Tasche. Er, der Bochumer Jung, der mit sechs Jahren zum ersten Mal in der Kurve des Ruhrstadions stand, betreut mit seiner Firma heute das Athletiktraining der VfL-Spieler. „Ein Lebenstraum“, sagt Jörn. Ei-ner, für den es sich zu schuften lohnt.

Bitte jetzt gründen!Die Wirtschaft braucht Leute wie Jörn Menger. Denn jede Unterneh-mensgründung, so rechnete es das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2002 vor, schafft im Schnitt sechs neue Arbeitsplät-ze. Doch die Deutschen trauen sich nicht mehr. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) schätzt, dass es 2012 weniger als 400.000 Existenzgründungen in der Bundesrepublik geben wird, so wenig wie in keinem Jahr zuvor seit der Wiedervereinigung. Schon jetzt sei bei knapp zwei Dritteln aller Gründungswünsche das Hauptmotiv dro-hende Arbeitslosigkeit. Zudem muss die Arbeitsagentur seit dem 28. Dezember vergangenen Jahres den Gründungszuschuss für Arbeits-lose, der sonst gern mitgenommen wurde, nicht mehr leisten – sie kann, wenn sie will. Und sie will nicht unbedingt: Im April 2011 wurden noch 13.189 Gründer gefördert, ein Jahr später sind es nur noch 1.429; ganze 88 Prozent weniger. Da bleibt wenig Platz für echten Pioniergeist. Die Unis sollen das richten.

Umfangreiche Förderprogramme sollen Studenten für die Selbst-ständigkeit sensibilisieren, sie von Anfang an an die Hand nehmen und mit Coachingprogrammen, Wettbewerben und gut gepolster-ten Stipendien fit für das Unternehmerleben machen. Das Geld da-für kommt meist vom Europäischen Sozialfonds. Die Universitäten selbst unterstützen ihre Studierenden mit Programmen wie dem „Science Support Centre“, kurz SSC (Uni Duisburg-Essen), der „Ru-bitec“ (Ruhr-Universität Bochum) oder der kürzlich ins Leben geru-fenen „tu start-up“ (TU Dortmund). Auf ihren Webseiten stellen die Gründungsprogramme ihre erfolgreichsten Start-Ups stolz zur Schau. Die gut ausgebildeten „jungen Wilden“ sollen eben diejenigen Inno-

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die ersten drei Plätze. Der Preis: Eines der heißbegehrten Gründer-stipendien, das Andre und Peter finanziell absicherte, bis ihre Idee marktreif war. „Die Stipendien und Coaching-Programme sind super viel wert“, sagt Andre und Peter ergänzt: „Ohne den Support der Uni hätte ich es wahrscheinlich nicht so gemacht.“

Gütesiegel UniAuch für Jörn geht berufliche Selbsterfüllung nur über die Selbst-ständigkeit. Wie Peter und Andre konnte auch er sich bei seinem Vorhaben auf „seine“ Uni verlassen – in diesem Fall die Rubitec-Gesellschaft. „Die Rubitec ist brillant: Egal, welche Idee du hast, man nimmt dich für voll, hört sich deine Idee an und gibt dir eine kaufmännisch-fachliche Einschätzung – das ist viel wert!“ Da ma-che es nicht soviel aus, dass „ein Stipendiumsantrag wie eine zweite Diplomarbeit“ sei. Ohne einen Haufen seitenlanger Formulare, ein detailliert ausgearbeitetes Ideenpapier, die Unterstützung der Fakul-tät und einen erfahrenen Mentor im Rücken kommt niemand an die

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800 Euro monatlich, die Studierende bekommen können. Wer be-reits abgeschlossen hat, hat die Chance auf 2.000 Euro, der Höchst-satz für Promovierte liegt bei 2500 Euro. Florian und Erik haben aus Angst um ihr Patent darauf verzichtet, sich umfangreiche universitäre Hilfe zu holen. Denn „wenn eine Idee erstmal offen gelegt ist, ist sie nicht mehr schützbar“, erklärt Florian. Trotzdem haben sie ihr „Knüppelkniften“-Konzept potentiellen Kunden ausschließlich in den Räumen der id-Factory vorgestellt: „Ich glaube, es macht ein-fach mehr Eindruck, wenn etwas ein Universitätsprodukt ist“, sagt Florian, „jedenfalls besser als zwei 21-jährige Typen, die ein Business aufziehen wollen.“ Für Jörn ist die Hochschule der beste Ort, um ein eigenes Unternehmen aufzuziehen: „Die Uni ist ein qualitatives Um-feld, vor allem, wenn man erfahrene Professoren und Dozenten hat. Es gibt ein riesiges Netzwerk an Support – und ich habe das gerne und ausführlich in Anspruch genommen.“ Das sehen die Mülheimer Spiele-Entwickler Peter und Andre genauso: „Aus unserer Sicht ist die Uni der beste Ort zum Gründen. Das muss nicht für alle gelten, aber bei uns war es definitiv so.“

Nicht jede Universität in Deutschland ist ein potentielles Gründerpa-radies, wie eine Studie Uni München zeigt. Im Gesamtranking 2011 steht die TU München an erster Stelle, den zweiten Platz belegt die TU Berlin. Doch die Ruhrunis können sich behaupten: Duisburg-Essen landet auf Platz 13, Dortmund auf 23. Die RUB schafft nur Platz 50 von 63. In den Sparten „Entrepreneurship Education“ und „Außercurriculare Qualifizierung“ schafft es Duisburg-Essen unter die Spitzenreiter, Dortmund ist Platz 1 bei der „Externen Vernet-zung“. Unterstützung gibt es hier sogar aus den Reihen der eigenen Studentenschaft. Wie im Falle von Anika Beller-Kraft. Die Diplom-Journalistin aus Dortmund gründete 2009 ihr Unternehmen „Ze-chenkind“ und erhält viel Medienecho dafür. Ein echtes Vorzeige-produkt des Ruhrgebiets: Aus alter Bergmannskleidung stellt Anika Taschen her, die seit Kurzem sogar in New York zu kaufen sind. Das

Geschäft läuft, spätestens seit ihr „Zechenkind“ in der WDR-Lokal-zeit zu sehen war: „200 Bestellungen an einem Abend – da wusste ich: Jetzt geht‘s los!“ Heute zeigt Anika selbst als Coach bei „tu start-up“ jungen Studierenden, was sie aus ihren Ideen machen können. Ein erster Anlaufpunkt für gute Ideen will „tu start-up“ sein, denn laut Anika gäbe es so viele Förderangebote, dass man den Wald manch-mal vor lauter Bäumen nicht sehe. „Ich sehe viel Potential und viele verborgene Schätze, die zu heben sind“, erklärt sie, „deshalb kommt lieber zu uns, als ewig selbst im Internet rumzusuchen.“

Die Programme der UnisKeine der Ruhr-Universitäten hat einen eigenen Geldtopf für Jung-unternehmer. Aber die Unis stehen ihren Studenten trotzdem mit Rat und Tat zur Seite. Offenbar mit Erfolg: In den vergangenen Jah-ren seien erheblich mehr Unternehmen gegründet worden als zuvor, bestätigen alle drei Unis. Bei den universitären Gründungsprogram-men kann sich generell erstmal jeder Hilfe suchen. Sie beraten und polieren den Businessplan, bieten Trainee-Programme und Seminare an, stellen Kontakte zu Lehrstühlen und externen Beratern her, ver-mitteln günstig Räume und Geräte auf dem Campus und schicken ihre Schützlinge bei Wettbewerben ins Rennen. Wo es der guten Idee an Geld mangelt, helfen sie auch bei der Finanzierung. Gefördert werden nur Studierende der jeweiligen Universitäten und auch nur Start-Ups, die noch nicht angelaufen sind.

Auch die Uni profitiert von den Gründungsprogrammen: Sie pflegt ihr Image als Quelle kreativer Ideen – und kann die Gründer durch Kooperationsverträge und Lizenzverträge an sich binden. Da ein Patent gute fünf- bis zehntausend Euro kostet, wird es von vielen Junggründern gern in Kauf genommen, dass sie damit ihr Recht auf die eigene Idee vorübergehend abtreten müssen. Doch in welchen

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Bereichen haben Start-Ups eigentlich die besten Überlebenschancen? 30 Prozent der Unternehmensgründungen kämen aus der Informa-tik, 20 Prozent aus den Ingenieurwissenschaften und 15 Prozent aus den Kultur-, Wirtschafts-, und Sozialwissenschaften, erzählt Sebas-tian Hanny von „tu start-up“. „Ein Start-Up muss eine gute Idee haben, innovativ und nachhaltig sein, gut organisiert sein und in die derzeitige Wirtschaftslage passen – dann hat es gute Chancen. Und dann ist es auch egal, aus welchem Fachbereich es kommt“, bestätigt Christiane Jonietz von der Rubitec. Tatsächlich seien viele Ideen tat-sächlich durchaus praxistauglich, „doch oft glauben die Studenten nicht an ihre Zukunftsfähigkeit“, sagt sie. Die Rubitec verzeichnet 85 Prozent überlebende Start-Ups in den ersten ein bis zwei Jahren nach Gründung unter den Stipendiaten, das „tu start-up“ meldet 50 Prozent erfolgreiche Gründungen nach fünf bis sieben Jahren und das SSC berichtet von 30 Prozent erfolgreicher Start Ups in den letz-ten zwölf Jahren.

Soft-Skills und harte FaktenAllen Förderangeboten zum Trotz: Wenn die Einstellung nicht stimmt, sollte man es besser sein lassen. Anika Beller-Kraft, tu-start-up-Expertin, kennt das: „Entweder ist man Unternehmer oder nicht. Du musst hochmotiviert sein und Selbstbewusstsein mitbringen. Musst bereit sein, auch mal mehr als acht Stunden zu arbeiten und dich um deine Probleme selber kümmern.“ Denn eines haben alle erfolgreichen Jungunternehmer gemeinsam: Sie arbeiten wirklich gerne. „Sonst geht‘s auch nicht“, sagt Anika. Wer die Arbeit nur mög-lichst schnell hinter sich bringen will, um danach den gemütlich auf der Couch rumzubringen, ist als Unternehmer ungeeignet. Peter und Andre programmieren oft bis tief in die Nacht. Eine 60-Stunden-Woche ist normal für sie: „Als Angestellter würde ich vielleicht nicht das ganze Wochenende im Büro verbringen. Aber unser Umfeld hat

da Verständnis für.“ Auch die Jungs von Knüppelknifte kennen das Problem: „Selbstständig zu sein, heißt selbst und ständig“, verdeut-licht Florian, „Wochenende ist dann, wenn du es dir mal nimmst.“ Seine Gedanken kreisen ständig um sein Unternehmen, auch nach Ladenschluss. „Wenn Freizeit für einen heißt, dass er im Park abhän-gen kann und nicht nachdenken muss, dann haben wir davon wenig. Wenn Freizeit heißt, dass du machen kannst, worauf du Bock hast, dann haben wir davon viel.“

Denn so schön der Gedanke, sein eigener Boss zu sein, auch sein mag: In der freien Marktwirtschaft muss jedes Unternehmen ums Überleben kämpfen. Für Jörn Menger ist mangelnde Motivation, selbst etwas aufzuziehen, ein gesellschaftliches Problem: „Ich glaube, die jetzige Facebook-Generation ist sehr mit sich selbst beschäftigt und hat wenig Interesse daran, wirklich neugierig zu sein und was aus sich zu machen. Einen Plan zu haben, der über das nächste Wo-chenende hinausgeht. Die wichtigste Frage ist: Bin ich bereit, min-destens vier Jahre erstmal Vollgas zu geben und privat auf vieles zu verzichten? Misserfolge durchzustehen und Erfolge nicht direkt zu sehen?“ Nicht unbedingt, weiß Jörn. Seine Firma hat ihren Sitz im Kulturwerk Lothringen, einem schicken ehemaligen Zechengebäude in Bochum-Gerthe, das ausschließlich Start-Ups vorbehalten ist. Der Standard-Mietvertrag dauert fünf Jahre, die Wenigsten schaffen es so lange. Bei 400.000 Neugründungen gab es 2011 über 380.000 Liquidationen – „Einstampfungen“ nennt es der Volksmund. Alles wird zu Geld gemacht, danach ist die Firma am Ende.Schließlich fügt Jörn hinzu: „Wir leben in einem Land, das dir alle Türen offenhält – du musst dich nur auf deinen Hintern setzen. Dann kannst du alles erreichen, was du willst. Keiner zwingt dich, einen Job zu machen, den du hasst.“

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In Ihrer Biografie heißt es, dass Sie 2001 mit Ihrem Bruder ein kleines Gastronomie-Unternehmen namens „ChiChi“ gegründet haben. Da waren Sie gerade 19, Ihr Bruder 15. Ein Alter, in dem ein Großteil Ihrer Altersgenossen den Tag eher mit Fußballspie-len als mit Businessplänen verbringt.

Der Unterschied zwischen Fußballspielen und Unternehmertum ist gar nicht so groß. Beides kann man nur mit einer gewissen Passion erfolgreich betreiben. Für meinen Bruder und mich stand früh fest, dass wir Erfüllung darin finden, zu gründen und als Unternehmer ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Zudem konnten wir uns mit den Einnahmen unser Studium finanzieren.

Juristisches Staatsexamen mit Auszeichnung, viel berufliche Er-fahrung schon während des Studiums – Ihre Biografie lässt Sie sehr ehrgeizig wirken.

Ich würde nicht von „Ehrgeiz“ sprechen. Ein Streber war ich nie. Ich bin eher fo-kussiert und suche mir die Dinge, die ich mache, sehr gezielt aus. Ich will Spaß im Leben haben und wenn ich die Chance auf Erfolg sehe, werden zusätzliche Energiere-serven frei.

Was macht „DailyDeal“?

DailyDeal vernetzt Unternehmen und Ver-braucher. Unternehmen gewinnen mit ver-günstigten Kennenlernangeboten Neukun-den. Verbraucher erhalten mit DailyDeal einen Kompass für den urbanen Lifestyle. Sie können mit den Deals Geheimtipps und angesagte Locations in ihrer Stadt so-wie wirklich schöne Reiseziele entdecken und sparen nebenher bis zu 80 Prozent ge-genüber dem Normalpreis.

Wie gestaltet sich Ihr Alltag, seit Sie bei-de DailyDeal betreiben?

DailyDeal nimmt mit 12 bis 14 Stunden sicher die meiste Zeit des Tages ein. Neben

Meetings, Telefonaten, Außenterminen und unzähligen Mails bleibt nicht viel Zeit für ein Privatleben. Mein Bruder Ferry und ich pro-fitieren aber von einem starken Team und seniorigen Managern, auf die wir uns voll verlassen können.

Welchen Tipp würden Sie einem jungen Menschen mit auf den Weg geben, der wie Sie ein Start-Up gründen will?

Gründer sollten die Vorbereitung nicht außer Acht lassen. Viele Start-Ups sind Schnellschüsse, entstanden aus dem Wunsch, mal et-was Eigenes zu machen. Nicht wenige von ihnen scheitern, weil die Idee nicht ausgereift ist oder weil es den Gründern an den nötigen „soft skills“ fehlt.

Wie würden Sie Ihr Erfolgsrezept formulieren?

Als Gründer und Unternehmer braucht man mehr als Kreativität und Innovati-onsbereitschaft. Fast noch entscheidender als die Idee ist ihre Realisierung – und die kostet neben Kraft vor allem Risikobereit-schaft und den absoluten Willen, für den eigenen Erfolg auch persönlich Opfer zu bringen.

Ende 2011 hat Google DailyDeal ge-kauft – wirtschaftlich dürften Sie es also geschafft haben, und das noch mit un-ter 30. Was hindert Sie beide daran, den Anzug an den Nagel zu hängen?

Mein Bruder und ich hatten nie das Ziel, DailyDeal möglichst teuer zu verkaufen. Wir möchten als Sieger vom Platz gehen. Die Übernahme durch Google war inso-fern ein schöner Zwischenerfolg. Als Mit-glied der Google-Familie eröffnen sich für uns zahlreiche Möglichkeiten, Angebote intelligent zu bewerben und unseren Nut-zern für sie relevante, attraktive Deals zu präsentieren.

26job

Der Deal des LebensFabian Heilemann, Jahrgang 1982, hat mit seinem Bruder das Couponing-Portal „DailyDeal“

erfunden. Letztes Jahr kaufte Google die Firma – laut Financial Times für mindestens

150 Millionen Euro. Ein U30-Millionär erklärt, wie so etwas funktioniert.

INTeRVIeWPhiliPP schulte FOTOhoffotgrafen

Millionenschwer: Die Heilemann-Brüder gründeten DailyDeal.

FABIAN

Page 27: pflichtlektüre 05/2012

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Rätselraten

Gewinnspiel: Matrose und Krankenschwester

Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeiter der pflichtlektüre-Redaktion und deren Angehörige. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Finde alle sechs Fehler im rechten Bild und maile die Aufzählung bis zum 25. November an [email protected] – samt deiner Adresse.

Viel Erfolg!

Zu gewinnen gibt es „Nicht lustig: Das dicke Cartoonbuch“. Mit diesem Taschenbuch habt ihr fast 350 Nichtlustig-Cartoons in einem dicken Band versammelt.

Macht nicht dick. Aber lustig.

Page 28: pflichtlektüre 05/2012

GefallsüchtigWer als junger Mensch kein Facebookprofil hat, gehört zur Minderheit. Fast jeder postet oder drückt

den Knopf mit dem blauen Daumen. Das hat uns verändert – und unsere Kommunikation.

Sie ist oberflächlicher, sinnfreier und peinlicher geworden.

TexTMaike DeDering FOTOSCHriSTiane reinerT

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Niclas, 19 Jahre, hat sein Facebook-Profil gelöscht. Ihm ging es auf die Nerven, dass – egal, wie schwachsinnig seine aktuelle Status-Meldung war – mindestens zehn Leute auf „Gefällt mir“ klickten. Die Hälfte von ihnen kannte er nur flüchtig. Sein letzter ultimati-ver Test, bevor er sein Profil in dem sozialen Netzwerk löschte: die Meldung „Ich bin kacken“. Innerhalb weniger Minuten „gefiel“ das mehr als einem Dutzend. Für Niclas war klar: Er wollte nicht mehr Teil dieses virtuellen Zirkusses sein. Solche Meldungen gibt es ziemlich häufig auf Facebook, allerdings sind sie dann meistens ernst gemeint. So etwas wie „Guten Morgen Welt“ gehört zu den sinnfreien, aber immerhin noch harmlosen Statusmeldungen. Bei „Mission, mich abzuschießen, hat erfolgreich begonnen. Das neunte Bier kann kommen“, stellt sich viel eher die Frage: Warum in aller Welt veröffentlicht man so etwas auf Facebook?

Rückmeldung als Belohnung

Der Psychologe Leonard Reinecke sieht als größte Motivation den Wunsch, „soziales Feedback“ zu bekommen. „Nur wenn ich selbst etwas poste, dann bekomme ich Reaktionen. Wenn sich Nutzer nicht durch die Preisgabe persönlicher Informationen sichtbar machen, profitieren sie viel weniger vom sozialen Austausch auf Facebook“, sagt der Juniorprofessor für Publizistik mit dem Schwer-punkt Online-Kommunikation an der Uni Mainz. „Das Feedback hat eine Belohnungsfunktion. Ich merke, ich kann etwas auslösen. In der Sozialpsychologie spricht man von Selbstwirksamkeit.“

Für die Medienwissenschaftlerin Tina Ganster belegen Statistiken allerdings, dass nicht alle aktiv posten. Viele verfolgten nur die Einträge anderer und kommentierten diese, sagt die wissenschaftli-che Mitarbeiterin des Fachgebiets „Sozialpsychologie: Medien und Kommunikation“ an der Uni Duisburg-Essen. Außerdem sei das Bedürfnis nach Preisgabe von Informationen je nach Persönlichkeit unterschiedlich groß. „Facebook ist natürlich die ideale Plattform, wenn dieses Bedürfnis groß ist.“ Den größten Reiz sieht Ganster allerdings darin, dass man bei Facebook ein großes Publikum errei-chen und die Preisgabe von Informationen sehr gut kontrollieren kann. Man könne sehr gut steuern, wie man sich wem präsentieren möchte. Aber wenn das alles planbar und gut zu steuern ist, warum stößt man dann immer wieder auf Fotos, die jemanden betrunken unter dem Tisch zeigen? Warum teilt jemand morgens auf Face-book mit, wie verkatert er ist? Soll diese Information wirklich alle Facebook-Freunde erreichen?

Dieser Kreis besteht schließlich nicht nur aus engen Freunden, sondern auch aus Verwandten, Kollegen und entfernten Bekann-ten.Natürlich kann Facebook auch sehr praktisch sein. Dank des sozialen Netzwerkes ist es zum Beispiel sehr einfach zu verfolgen, was bei Freunden im Ausland gerade los ist. Man bleibt auf dem Laufenden, was die Schulfreunde machen und welches Paar sich im Freundeskreis getrennt hat. Das alles weiß man aber nicht, weil man persönlich mit diesen Leuten kommuniziert hat, sondern aus ihren Einträgen. Und zeitgleich mit einem selbst erfahren noch mindes-tens dreihundert andere Leute diese zum Teil sehr persönlichen Dinge. Leonard Reinecke erklärt: „Das Informationsmanagement spielt eine wichtige Rolle: In welchem Kontext gebe ich welche In-

formationen preis? Bei Facebook habe ich Kommunikationspartner aus allen Kreisen, eine heterogene Mischung. Das führt teilweise zu einem nicht beabsichtigten Informationsaustausch. Meine Informa-tionen geraten unter Umständen an Personen, für die sie gar nicht gedacht waren.“ Das führt zu neuen Konfliktpotenzialen, die in der Prä-Facebook-Ära so gar nicht denkbar waren. „Die Kommunikati-on auf Facebook ist in der Regel spontan. Im Moment des Postens ist vielen nicht bewusst, wie viele und welche Personen die Informa-tion erreicht“, sagt Reinecke.

Wer soll was erfahren?

Das Phänomen Facebook ist Inhalt diverser Studien und Stoff unzähliger Diskussionen. Die Ergebnisse und Meinungen sind dabei häufig kontrovers. Manche sehen Facebook als Fortschritt für das soziale Miteinander, andere sehen vor allem negative Folgen. Das psychologische Institut Zürich kam zum Beispiel 2009 zu dem Schluss, ein Leben ohne Facebook mache lebenszufriedener, gewissenhafter und psychisch gesünder. Zudem liefere Facebook ein stark verzerrtes Bild der Wirklichkeit, heißt es in der Studie. Dass Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung existieren, bestätigt die Studie also. Die Frage ist nur, welche?

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„Hier bin ich!“ Die größte Motivation von Facebooknutzern ist „soziales Feedback“.

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Generell sei es so, dass Facebook Eigenschaften nicht auslöse, sagt Tina Ganster. Es verstärke vielmehr bereits vorhandene Bedürf-nisse; zum Beispiel das, sich selbst darzustellen und auch das, viele Kontakte zu halten. Häufig könne man die Kausalitätsrichtung aber nicht eindeutig bestimmen. „Es ist nicht immer eindeutig, ob jemand so viel postet, weil er ein Selbstdarsteller ist oder weil er durch Facebook dazu verleitet wird.“ Und auch Leonard Reinecke sagt: „Facebook ist eine Spielwiese, um persönliche Eigenschaften auszuleben. Es ist also in erster Linie ein Spiegelbild der Charaktere seiner Nutzer.“

Facebook als Coolness-Wettbewerb?

„Man kann sich seiner selbst und seiner Rolle vergewissern“, erklärt der Psychologe. „Facebook öffnet Möglichkeiten auszuprobieren, was bei den eigenen Freunden gut ankommt. Likes und Kom-mentare sind sehr schnelles Feedback.“ Zudem fühle man sich durch das Feedback anderer wertgeschätzter. Allerdings sagt Tina Ganster:„Studien haben gezeigt: Wer intensiv Facebook nutzt, ist unzufriedener mit seinem Leben.“ Interessant sei dabei der Kont-rast, dass man rational wisse, dass die Dinge auf Facebook geschönt würden. „Es wird ja sehr selektiv nur das Positive gepostet.“

Das Facebook-Profil als Werbung für sich selbst – deswegen also nur positive Dinge posten, die Realität ein wenig schönen und den ein oder anderen Makel im Leben kaschieren? Nicht ganz. Die Menschen stellten sich authentisch dar, allerdings gefiltert, so Leonard Reinecke, denn positive Rückmeldung sei bei positiven Einträgen wahrscheinlicher. „Es gibt aber eine starke Norm zur Authentizität. Man rückt positive Aspekte in den Vor-dergrund, aber man idealisiert sich nicht. Es gibt ja den ,Rea-lity-Check’: Die Leute in der Freundesliste kennen einen“, so der Psychologe.Facebook steht häufig im Ver-dacht, seine Mitglieder ziem-lich unter Druck zu setzen, schließlich zwingt es einem ja praktisch den direkten Ver-gleich mit anderen auf. Zwei Stunden nach der Besche-rung werden Fotos von allen Geschenken hochgeladen, am

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Valentinstag eine Nahaufnahme der Karte des Freundes – den Text kann natürlich jeder lesen – und im Sommer kann ich mich durch diverse Urlaubsbilder von Traumstränden in der Karibik klicken. Hinter allem die versteckte Botschaft: Guckt mal, wie toll mein Leben ist. Ob man sich davon unter Druck gesetzt fühlt, hänge sehr stark mit der eigenen Persönlichkeit und dem individuellen Umfeld zusammen, urteilen die Experten. „Gerade für Jugendliche und jun-ge Erwachsene ist der Abgleich mit den Peers enorm wichtig“, sagt Leonard Reinecke. „Das war schon immer so, aber jetzt gibt es viel mehr Gelegenheiten dazu. Es gibt viel mehr verfügbare Informatio-nen. Früher ließ sich vieles nur in Einzelgesprächen erfahren.“

Facebook ermöglicht es, ein wesentlich größeres „soziales Kapital“ aufzubauen. Mit diesem Begriff meinen Psychologen, dass jemand in verschiedene soziale Netze eingebunden ist, in denen er unter-schiedlich viel Unterstützung und Anerkennung erfährt. Durch Facebook sind wir in der Lage, den Kontakt zu vielen Personen zu pflegen oder wiederaufzunehmen. Der größere Zugriff auf das sozi-ale Kapital hat außerdem den Vorteil, dass wir in fast jeder Situation eine Person kennen, die uns weiterhelfen kann. Die Hemmschwelle, Leute zu kontaktieren, ist im Netz wesentlich geringer. „Wenn ich

zum Beispiel einen neuen Herd habe, der angeschlossen werden muss und weiß, einer aus meiner Grundschulklasse ist Elektriker, wäre ich früher nie auf die Idee gekommen, ihn anzurufen und um Hilfe zu bitten“, erklärt Tina Gans-ter. „Aber heute würde ich ihn eben auf Facebook kontak-tieren.“

Leonard Reinecke sieht das anders: „Beziehungen und die Art und Weise des Umgangs haben sich überhaupt nicht verändert. Facebook ist aber eine neue Kommunikations-arena, in der Beziehungen ausgehandelt und präsentiert werden.“ Die Beziehungs-pflege verlagere sich, das sei aber kein Ersatz. „Man hat mehr Wissen über Personen, die man selten trifft. Man bleibt also auf dem Laufenden und kann dadurch gezielt Dinge ansprechen. Facebook kann also auch Anstoß für Kommunikation sein.“ Das sei jedoch nicht immer der Fall, meint Tina Ganster. In Studien sagten die Befragten häufig: „Ich weiß gar nicht mehr, worüber ich mit dem sprechen soll, wenn ich den Auch wenn man sein Profil löscht, landen längst nicht alle Daten in der Tonne.

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sehe. Durch Facebook weiß ich ja schon alles.“ Facebook kann sich jedoch auch negativ auf Beziehungen auswirken. Gerade denen, die ohnehin schon dazu neigen, Dinge auf die Goldwaage zu legen, macht das soziale Netzwerk das Leben schwer: In jeden Eintrag der guten Freundin wird eine von ihr so gar nicht gemeinte Botschaft hineininterpretiert. Leonard Reinecke sagt dazu allerdings: „Das liegt eher an der Lebensphase, als an Facebook selbst. Für Teenager ist beispielsweise einfach alles wichtig, was ihre Peers, also die soziale Bezugsgruppe, über sie sagen und denken – eben auch auf Face-book.“

Neue Konflikte

In der Sozialpsychologie ist man überzeugt, dass durch Facebook neue Konfliktpotenziale entstanden sind, die so vorher gar nicht denkbar waren. Wer sich zuvor keine Gedanken darüber macht, was er preisgibt, der provoziert Kränkungen. Tina Ganster ist im Rah-men ihrer Forschung auf mehrere solcher Fälle gestoßen. Großel-tern, die als letzte – und dann von Bekannten – von der Verlobung ihrer Enkelin erfahren haben, da diese nur ihren Beziehungsstatus geändert hatte. Oder der Freund, der auf Facebook sieht, dass seine Freundin im Krankenhaus ist, weil sie sich verletzt hat.

Die permanente Erreichbarkeit hat ebenfalls Einfluss auf uns. Der Kontakt zum sozialen Umfeld bricht nie ab. „Kommunikation kann auch anstrengend sein. Es gibt einen sozialen Druck, zu reagieren. Wenn das zu viel wird, führt es zu Stress“, sagt Leonard Reinecke.Abgesehen von Informationen und Pseudo-Informationen, die man auf Facebook lesen kann, gibt es Meldungen wie „Was geht heute noch?“, „Langeweile“ oder „Feierabend, was jetzt?“. Soll das eine neue Art der Kommunikation sein? Die Zeiten, in denen Menschen gezielt eine bestimmte Person fragen, ob sie nicht gemeinsam etwas unternehmen wollen, scheinen für einige endgültig vorbei zu sein. Liegt dieses (un)kommunikative Verhalten daran, dass manche von ihnen eine ohnehin schon ungewöhnliche Auffassung von sozialer Interaktion haben oder ist Facebook der Auslöser?

Das soziale Netzwerk gibt es seit mittlerweile acht Jahren. Trotzdem sind die Auswirkungen noch nicht eindeutig festgestellt. Vieles lässt sich nur schwierig verallgemeinern, da sich die Facebook-Nutzung individuell sehr unterschiedlich ist. Für Tina Ganster ist allerdings klar: „Viele Dinge sind nicht erst durch Facebook aufgetreten, sie haben durch Facebook aber eine neue Dimension bekommen oder sind verstärkt worden. Facebook hat zu einer völlig neuen Form des Miteinanders geführt.“

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Sowohl im Freundeskreis als auch in der Familie sind

Diskussionen über Facebook keine Seltenheit. Fast jeder

hat dazu etwas zu sagen, das soziale Netzwerk polarisiert.

Mit meiner kritischen Meinung stehe ich manchmal alleine

da. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist durch F ace-book vor die Hunde gegangen. Beziehungen sind zum Teil sehr oberflächlich geworden. Es ist

selten, dass sich jemand wirklich die Mühe macht, Freundschaften aufrecht zu erhalten. Da höre ich zum Beispiel ewig nichts von einer Freundin aus Kindergartentagen und auch auf persönliche Nachrichten reagiert sie nicht. Aber kaum lade ich ein neues Foto hoch, gehört sie meist zu den ersten, die auf „Gefällt mir“ klicken. Ist ja auch wesentlich bequemer, als mir per-sönlich zu schreiben. Es ist auch nicht Beziehungspflege, wenn mir jemand alle drei Monate schreibt „Wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen“. Und wenn ich dann konkrete Termine vorschlage, kommt keine Reaktion – bis das Spiel drei Monate später wieder

von vorne losgeht.

Es ist nervig, wenn ich mit Freunden ausgehe und jeder mit Smart-phone in der Hand vor seinem Cocktail sitzt und auf Facebook surft, anstatt sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Und es ist

wirklich nicht zu viel verlangt, sich auf das Hier und Jetzt zu kon-zentrieren. Viele haben Angst, etwas auf Facebook zu versäumen.

Dass sie auf diese Weise etwas beim persönlichen Treffen verpassen, ist ihnen gar nicht bewusst. Ich verstehe auch nicht, warum man permanent mitteilen muss, mit wem man gerade wo ist und was man macht. Den Augenblick zu genießen, kommt eindeutig zu

kurz. Vor allem, wenn man die ganze Zeit auf Außenwirkung be-dacht ist und schon bei der Unternehmung selbst, gedanklich damit

beschäftigt ist, eine Status-Meldung zu formulieren.

Ich halte mich weder für altmodisch noch für besonders konser-vativ. Aber ich frage mich häufig, wo Scham- und Taktgefühl in

Zeiten von Facebook geblieben sind. Privatsphäre scheint für viele ein Fremdwort zu sein. Mir schießt oft die Frage durch den Kopf

„Kommt denen das nicht merkwürdig vor?“. Und ganz, ganz häufig denke ich mir einfach nur: „Das will ich alles gar nicht wissen.“ Na-türlich kann es amüsant sein, die Startseite runterzuscrollen und alle

Einträge zu lesen. In der Regel nervt mich aber nur, womit ich da bombardiert werde. So habe ich mir angewöhnt nur nachzusehen,

ob wer konkret etwas von mir will. Wenn nicht, bin ich ganz schnell wieder abgemeldet. Mit meinen engsten Freunden kommuniziere

ich ohnehin lieber persönlich.

Kommentar

Von Maike Dedering

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Schatzsuche mit KickWährend viele Studenten Fitnessstudio und Fußball bevorzugen, suchen Jens und Petra ihren

Ausgleich zum stressigen Alltag im Geocaching. Ein Hobby, bei dem Kletterei unter der B1 und in der

Natur dazugehören – wer unachtsam ist, kann aber auch schnell mit dem Gesetz in Konflikt kommen.

TexTAnnA Friedrich FOTOSAnnA Friedrich

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Höhle statt Hörsaal: Für Petra und Jens ist Geocaching Abwechslung zum Alltag.

gibt, geht es Petra auch nicht um die „Schätze“ als solche. „Vielmehr sind es all die neuen Plätze, die man ohne Geocaching gar nicht zu Gesicht bekommen würde“, verrät sie. Es geht also um die Suche und die ist meistens aufwendig. Jedes Wochenende sind die Wirt-schaftsstudentin und der Sozialarbeiter unterwegs. Manchmal sogar am Abend, wenn Jens Feierabend hat. Sie ziehen sich alte Sachen an und ziehen los. Wenn beide frei haben, sind sie am Wochenende auch mal acht bis neun Stunden unterwegs. Da für Petra die Uni immer noch vorgeht, versucht sie ihr Hobby so weit es geht in den Alltag zu integrieren: „Wir sitzen beim Italiener und schauen auf dem Handy, welche Caches so in der Umgebung liegen. Auf dem Nachhauseweg ziehen wir dann los.“ Ein beliebter Zeitpunkt zum „Cachen“ unter der Woche ist für die beiden der Weg zum Ein-kaufen. So kommt es sogar vor, dass sie zwar mit einem Fund, aber ohne Lebensmittel wieder nach Hause kommen.

Abenteuer für Große

Für Petra ist Geocaching eine gute Abwechslung zum Studienall-tag. In der Natur kann sie abschalten, den Kopf freikriegen und neue Orte kennenlernen. „Fitnessstudio ist mir zu teuer. Beim

Geocaching komme ich wenigstens runter von der Couch“, sagt sie und biegt ins Gebüsch neben der B1 ein. Jens geht vornweg. Mit einer Taschenlampe und Handschuhen bewaffnet, läuft er zielstrebig in Rich-tung Unterführung. „Am Anfang sucht man echt die Nadel im Heuhaufen, da das GPS-Gerät nur die ungefähren Koordinaten vorgibt“, sagt Jens. „Wenn man es aber schon länger macht, weiß man, wo sich der Schatz verstecken könnte.“

Gesagt, getan: Er klettert über eine schmale Treppe

hoch zu den Rohren, die direkt unter der B1 langführen. Auch am Nachmittag ist es unter der Brücke stockduster. „Angst vor Spinnen darf man hier keine haben“, scherzt Jens, während er sich durch den schmalen Spalt zwischen Tunnelwand und Rohr quetscht. In drei Metern Höhe sucht er einen Gegenstand von der Größe einer Brot-büchse. Dieser Cache hat die Schwierigkeitsstufe vier von fünf - das heißt, er ist schwer zugänglich. Bei Stufe fünf braucht man schon eine professionelle Kletterausrüstung, doch das ist dem Paar zu viel Aufwand und mit hohen Kosten verbunden.

Unten auf dem felsigen Boden kramt Petra in ihrer Tasche nach der Kamera, um den Abenteuerausflug für Facebook zu dokumentieren. Von ihrem Jens kann sie mittlerweile nur noch die Füße erkennen. Der Rest verschwindet weit über ihr im Dunkeln. Auf den Steinen

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Sonntagnachmittag in der südlichen Dortmunder Innenstadt. Auf der B1 ist der Verkehr an diesem verregneten, grauen Tag eher mäßig. Es sind gerade einmal ungemütliche 14 Grad und kaum jemand ist vor der Tür. Nur ein Pärchen in zerrissenen Jeans und dicken Regenjacken verschwindet in einem Gebüsch neben der Straße. Es geht den schlammigen Hügel hinunter zu einer zuge-wucherten, stillgelegten Bahntrasse, hinein in eine Unterführung. Außer meterhohen Rohren sind nichts und niemand zu sehen. Nur leise hören sie noch den Lärm der Straße, obwohl sie quasi genau darunter stehen. Petra (24) und Jens (27) sind auf geheimer Missi-on: Sie suchen einen Schatz.

Seit etwas mehr als einem Jahr zählt das Paar zu den 30000 „Schatz-Süchtigen“ in Deutschland. Über vier Millionen Menschen sind nach Angaben des Internetportals geocaching.com dem Spiel weltweit verfallen. Jens hatte es während eines Ägyptenurlaubs 2010 kennengelernt. Ein Pärchen suchte auf einem Ausflug einen Cache. Jens hatte sie belächelt. Inzwischen hat er mit seinem Fieber seine Freundin Petra angesteckt und reist mit ihr bis nach Sylt zum Schatzsuchen. „Aber am liebsten sind wir im Ruhrgebiet unterwegs: Hier liegen die geilsten Dinger“, verrät Jens. Laut persönlicher Statistik auf geocaching.com finden Jens und Petra durchschnittlich zweieinhalb Schätze pro Tag. Das Spiel ist simpel: Ein Cache, zu deutsch „geheimes Lager“, wird von einem Spieler versteckt - dabei kann der Cache zum Beispiel wie ein Ast aussehen, in einer Mauer hinter einem Stein verborgen sein oder ganz einfach unter einer Parkbank klemmen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Ist der Cache versteckt, werden seine Koordinaten auf der Internetplattform für Geocaching veröffent-licht. Mit einem GPS-Gerät bewaffnet geht dann die Suche nach dem Schatz los.

Günstiger Schatz, günstiges Hobby

Oft besteht der Schatz nur aus einer Filmdose mit einer Zettelrolle, dem Logbuch, in das sich die Finder dann mit Namen eintragen. Manchmal findet der Geocacher bestimmte Münzen oder Schlüsse-lanhänger, die dann zum nächsten Versteck transportiert und dort untergebracht werden können. Nach dem Ausflug lässt der Spieler den Fund auf seinem Profil im Internet registrieren. Dem, der den Schatz versteckt hat, kann er zusätzlich einen Kommentar hinter-lassen. Sobald alle Funde des Tages eingetragen sind, planen Jens und Petra sofort die nächste Tour. Da es nichts Kostbares zu finden

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scheint das Licht seiner Taschenlampe. „Ich hab’s“, ruft Jens von oben und reicht eine durchsichtige Tupperdose hinunter. Irgend-wo an der Hinterseite des Rohrs hatte sie geklebt. Petra holt das Logbuch heraus und verewigt sich und Jens mit ihrem persönlichen Stempel.

Das Versteck, das sich die beiden diesmal ausgesucht haben, ist ein sogenannter „Lost Place“. Das sind zum Beispiel alte Fabrikgelände oder stillgelegte Bahnschienen - also Orte, die nicht oder kaum von der Öffentlichkeit besucht werden. Gerade das macht für Jens den Reiz des Geocachings aus, das „Abenteuer für Große“, wie er es nennt. Dabei gilt es jedoch einiges zu beachten, da viele „Lost Places“ zu Problemen führen können: „Sobald das Geocachen den öffentlichen Verkehrsraum verlässt, kann es illegal werden“, erklärt Martin Broscheid, ehrenamtlicher „Reviewer“ bei geocaching.com.

Er beurteilt, ob ein Cache an einer bestimmten Stelle platziert wer-den darf oder nicht. „Generell sollte man hellhörig werden, wenn der Weg zum Cache über Zäune, Mauern oder sonstige Privatgelän-de wie die der Deutschen Bahn oder RWE führt“, rät Broscheid. Er kontrolliere zwar alle neuangelegten Caches, aber einige ältere, die zum Teil schon Jahre existieren, blieben unbeachtet. Hier sei geoca-ching.com auf die Hilfe der Spieler angewiesen, die illegal plat-

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zierte Caches melden. Allerdings suchen einige Spieler gezielt nach solchen Extrem-Caches, um den Kick des Abenteuers noch weiter zu steigern. Und da nimmt man gerne in Kauf, durch ein Loch im Zaun zu klettern oder über eine Mauer zu springen. Laut Strafge-setzbuch ist das Hausfriedensbruch – eine Straftat. Doch bisher ist anscheinend kaum ein Cacher bei einer solch gewagten Aktion erwischt worden. Den verschiedenen Polizeistationen im Ruhrgebiet liegen jedenfalls keine Anzeigen wegen Geocaching vor. Auch Jens und Petra wurden schon von der Polizei überrascht, als sie in Essen einen Cache in einem Gebüsch suchten. Ein Spaziergänger hatte ihretwegen die Polizei verständigt. Der Bereich ist bekannt für die Lagerung von Drogen, und dem Mann schien das Paar verdächtig. Der Vorfall hatte aber kein Nachspiel für Petra und Jens.

Auf die Spieler angewiesen

Obwohl er eine gewisse Kontrolle hat, kann Martin Broscheid nicht das Verhalten aller Spieler kontrollieren. Er appelliert an die Verantwortung jedes „Cachers“ sich selbst und anderen gegenüber: „Gerade wenn man den Eindruck hat, dass ein Cache nicht ord-nungsgemäß versteckt wurde, soll man diesen selber melden, damit er entfernt werden kann.“ Das täten in Nordrhein-Westfalen 10 bis

Wer beim Geocaching erfolgreich sein will, muss schon mal wie ein Sechsjähriger durch den Dreck robben.

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15 Spieler pro Tag. Außerdem sei jeder Spieler selbst dafür verant-wortlich, welchen Gefahren er sich aussetzt. „Wenn ein Spieler zu viel Unfug macht, dann kann er disqualifiziert werden und wird für das Spiel online gesperrt“, erklärt Broscheid. Dies sei jedoch erst der Fall, wenn ein Spieler Caches anderer Leute zerstört oder falsche Aussagen über das Portal als Solches mache.

Neben dem Betreten fremder Grundstücke ergibt sich beim Geoca-ching ein weiteres Problem: der Naturschutz. Denn Caches werden durchaus auch in Landschafts- und Naturschutzgebieten versteckt. Dennoch kommt es vor, dass genau dort Caches versteckt werden. Da Geocacher häufig in Gruppen unterwegs sind, sich längere Zeit an einem Ort aufhalten und zum Beispiel Wurzeln ausgraben, um den Schatz zu finden, führt das nicht nur zu Problemen für die Vegetation, sondern auch für Tiere. Viele Geocacher suchen ihre Schätze in der Dämmerung oder bei Nacht, da diese sogenannten Nachtcaches durch Reflektoren und Rätsel eine beson-dere Herausfor-derung darstellen. Doch gerade am Abend und in der Nacht seien Tiere besonders empfind-lich und leicht zu erschrecken, erklärt Reinhart Hassel, Leiter des Regio-nalforstamtes im Landesbetrieb Wald und Holz. Er fordert deswegen: „Es muss einen Dialog zwischen den Cachern und der Landschaft geben, um solche Probleme in Zu-kunft zu vermeiden.“ Auch Martin Broscheid sieht die Zukunft in der Aufklärungsarbeit. Er ist der Meinung, dass die Cacher zu wenig über die Natur wissen und nicht aus bösem Willen handeln.

Schatzkarten müssen freigeschaltet werden

Hier setzt wieder die Arbeit der „Reviewer“ ein, die das Anlegen von Caches kontrollieren. Ohne ihre Genehmigung wird ein Cache gar nicht erst für andere Spieler zugänglich. Als Erstes muss der Verste-cker von sich aus die Genehmigung des Grundeigentümers einho-len. Für Nachtcaches bedarf es zusätzlich noch der Zustimmung des zuständigen Jägers. Trotzdem prüft Broscheid an Hand von Umge-bungskarten noch einmal genau, ob wirklich kein Schaden von dem Cache ausgeht. „Die Reviewer gibt es schon seit Beginn des Spiels“, erklärt Martin Broscheid. „Am Anfang wurde die Kontrolle jedoch

nicht so stark durchgesetzt, da es nur wenige Spieler gab. Jetzt, da wir so viele Geocacher haben, muss auch viel mehr reglementiert werden. Wo mehr Leute sind, kann auch mehr Schaden entstehen.“

Eigentlich ist Geocaching ein Familienspiel, das ins Leben geru-fen wurde, um Kinder und Jugendliche spielerisch an die Natur heranzuführen. Mit Rätseln und mehreren Stationen eines Schatzes soll das Wissen über die Umgebung gefördert werden. Die Mehr-heit der Geocacher verhält sich auch dementsprechend umsichtig. „Trotzdem gibt es den kleinen Prozentsatz von extremen Cachern, der das Geocaching schlecht in den Medien dastehen lässt“, beklagt Broscheid. Zu dieser Kategorie gehören für ihn Spieler, die sich ille-gal auf Privatgeländen aufhalten oder Tiere stören und verschrecken.

Von denen, die neben dem Schatz auch nach dem Ad-renalinstoss suchen, wird oft außer Acht gelassen, dass auch die ganz normale, unbedenkliche Form des Geocachens durchaus extreme Züge annehmen kann. So gibt es zum Beispiel eine Schatz-Strecke, die von München zu Fuß über die Alpen bis nach Venedig führt.

Obwohl Geocachen für viele schon mehr ist, als nur ein Hobby, hat das Spiel nach Ansicht von Martin Broscheid keinen Wettbewerb-scharakter. Trotz-

dem versuchen Extremcacher, so viele Funde und damit Punkte wie möglich zu sammeln. Die Motivation ist unterschiedlich: Der Eine möchte die meisten Funde vorzeigen können, der Andere will einen Fund in jedem Landkreis, manche Spieler sammeln Schätze von jeder Schwierigkeitsstufe. Petra und Jens betonen, Geocaching wirklich nur als Hobby zu sehen, ganz ohne den Wettbewerb. Bekommen sie jedoch eine E-Mail mit einem neuen Cache in ihrer Stadt Mülheim an der Ruhr, so lassen sie alles stehen und liegen und suchen den neuen Schatz. Achtzehn Mal waren sie schon die Ersten. „Wir sind in der Stadt unter den Geocachern schon dafür bekannt, dass wir immer zuerst da sind“, erzählt Petra stolz. Mit Absicht nehmen die Beiden aber nicht an den Geocacher-Treffen teil, die mehrmals im Jahr stattfinden. Das ist ihnen dann doch „zu extrem“.

Schatz gefunden! Petra und Jens dürfen sich jetzt im Logbuch verewigen.

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36raus

Kulturgebiet

Mein liebster Platz befindet sich in Hattingen und liegt direkt an der Ruhr. Es ist ein Platz, an dem sich vom Mops bis zur Dogge sämtliche Hunderassen tummeln und sich einfach austoben können. Mein liebster Platz ist eine Hundewiese.Während hier auf dem Hattinger Henrichshüttengelände freilaufende Tiere kreuz und quer über die Wiese rennen, Bälle jagen oder im Wasser spielen, können sich ihre Besitzer an sonnigen Tagen an das Ufer der Ruhr setzen und

die Tiere beobachten. Bin ich in Spazierlaune, gehe ich einfach die weitläufige Strecke am Fluss entlang.Die Wiese ist jederzeit zugänglich und Eintritt muss hier auch niemand bezahlen, daher fahre ich häufig spontan mit meiner

Labradorhündin Maja, Familie oder Freunden nach Hattingen, um dort ein wenig Zeit mit Tieren in der Natur zu verbringen. Mir bietet so ein Tag zwischen all den herumtollenden Vierbeinern außerdem einen entspannten Ausgleich zum Uni-Alltag.

Das Gute an der Hattinger Hundewiese ist, dass sie durch ein Eingangstor gekennzeichnet ist. In der Regel braucht so niemand Angst davor haben, dass hier Radfahrer und Tiere kollidieren. Zudem liegt die Wiese sehr idyllisch und nicht in der Nähe einer Autobahn.

Das hat sich weit über Hattingen hinaus herumgesprochen, daher herrscht hier besonders am Wochenende reges Treiben.Und wenn den Vierbeinern die Puste ausgeht, können sich die Besitzer dennoch weiter vergnügen: Gar nicht weit

entfernt gibt es einen Minigolfplatz und auch Cafés. Der Eintritt dort ist aber auch ohne Hund erlaubt.

Liebster PlatzTexTCarolin WasChke FotokaTharina kirChhoFF

Wo ist dein liebster Platz im Ruhrgebiet? Sag‘s uns: [email protected]*

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37raus

Zu einem Besuch bei meinen Großeltern gehörte er einfach dazu. Ein absolutes Muss. Kaum angekommen steuerte ich zuerst den alten Schallplattenspieler an und kramte die Platte mit dem Enten-Cover heraus. Dann starteten wir ihn, den Ententanz. Zusammen mit Schwester, Bruder und Großvater fl atterte ich durch den Flur, das Wohnzimmer und das Spielzimmer: Die Hände zu Schnäbeln falten, auf und zu und auf und zu. Hände auf die Schultern legen und mit den Ellenbogen hoch und runter fl attern. In die Knie gehen und dabei mit den Hüften wackeln.

In der Jugend ging mir die offi zielle Choreografi e zum Hit „Dance Little Bird“ dann irgendwo zwischen Britney Spears und Justin Timberlake verloren. Denn Schallplatten waren jetzt absolut uncool und statt Enten zu imitieren, tanzte ich lieber „Street Dance“ oder „Cheerleading“.

Zurück ins Gedächtnis kam mir die Leidenschaft aus der Kind-heit während meines Auslandssemesters in den USA. Es war ein gewöhnlicher Abend in einer scheinbar unendlichen Lernphase. Ich war gestresst und müde und hatte gerade noch genug Motiva-tion für einen Fernsehabend. Der war gerettet als die Darsteller der Serie „New Girl“ den Ententanz zu Phil Collins „A Groovy Kind of Love“ inszenierten. Und zwar auf einer Hochzeitsfeier, mitten auf der Tanzfl äche!

Den Tanz tausende Kilometer von zu Hause entfernt zu sehen, war wohl Grund genug, um an einem tristen Abend in der Klausurzeit gackernd und fl atternd durch die Wohnung zu laufen. Die Choreo-grafi e hatte ich nach all den Jahren noch voll drauf. Aber auf einer Party hab ich ihn seitdem trotzdem nicht getanzt. Ich hebe ihn mir doch lieber für die albernen Momente in den eigenen vier Wänden auf. Eben ganz wie früher bei Oma und Opa.

bandschriftlich

Frei nach dem Motto „Englisch für Doofe“ haben sich vier Duisburger Mädels nach der leckersten aller Torten, der Schwarzwälder-Kirsch-Torte, benannt. Marie, Anna, Vanni und Linda sind „The Black Forest Cherry Cakes“ und beschreiben ihre Musik als zuckersüßen Rock/Pop. Mit ihren Songs haben sie im vergangenen Jahr den Bandcontest bei der langen Nacht der Jugendkultur gewonnen. So durften sie im Juli das Park-Kult-Tour Festival in Duisburg eröffnen, bei dem sie auf der glei-chen Bühne wie Thees Uhlmann, Mitglied der Band Tomte, spielten.

Peinliche Platte

Unser Musikstil klingt wie:

PROTOKOLLaleXanDra ossaDnik FOTOBlaCk ForesT CherrY CakeTexTnaTalie klein FOTOMaike DeDerinG

Als nächstes planen wir...

Probehören auf pfl ichtlektuere.comwww:

Unser lustigstes Mitglied ist...

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31. Oktober, Dortmund, Party22 Uhr, Daddy Blatzheim

Westfalenpark

Abgehen vor der Kulisse des Westfalen-parks. Die Kult-Party heizt Feierwütigen

mit einer Mischung aus Live-Acts, DJs und eigener Lichtinstallation ein.8 Euro VVK, 10 Euro AK

Matze Knop

38raus

Neues vom V-Mann

9. Oktober, Herne, Comedy20 Uhr, Flottmann-HallenStraße des Bohrhammers 5

Wer wieder ins EM-Feeling zurückversetzt werden möchte und noch nicht die Nase

voll von Kloppo- und Jogi-Parodien hat, ist hier genau richtig: „Platzhirsche – Män-

ner, Machos, Muttersöhnchen“. Stand-up Comedy mit Parodien unserer beliebtesten Fußball-Deutschen sowie Dieter Bohlen

und vielen mehr.Tickets 22,50 Euro

Funky Butt Jazzband9. Oktober, Dortmund, Konzert

19.30 Uhr, Storckshof, Ostenbergstraße 111www.funkybutt.ch

New Orleans-Jazz von Schweizer Band.Eintritt 9 Euro + 4,40 Euro Verzehr

Crime Solo

fOTOdavid finck

7. November, Unna, Lesung19.30 Uhr, Tanzcenter kx kochtokrax

Südring 31www.mordamhellweg.de

Erfolgsautorin Juli Zeh stellt ihr neustes Werk „Nullzeit“ vor. Der Psychothriller,

eingebettet in eine Dreiecksbeziehung, ver-spricht Gänsehaut. Europas größtes Krimi-Festival „Mord am Hellweg“ begeistert ab

sofort bis zum 10. November mit über 120 Veranstaltungen und zahlreichen fiktiven Verbrechen rund um die Ruhr-Region.

Ab 10,90 Euro im VVK

Westend Festival

fOTOviSiOnS verlag

1. bis 4. November, Dortmund, Konzert20 Uhr, FZWRitterstraße 20

www.westend-festival.de

Zum vierten Mal ist das Rockfestival zu Gast im FZW. Von Hardrock, Punk über Indie und Alternative bis hin zu deutscher Rockmusik ist für jeden Geschmack etwas dabei. Headliner sind Danko Jones, Biffy

Clyro und Kettcar.Tickets ab 24,90 Euro

Feuerengel

fOTOfeuerengel

27. Oktober, Bochum, Konzert20.30 Uhr, MatrixHauptstraße 200

Wer Rammstein für wenig Geld erleben möchte, ist hier genau richtig: Feuerengel

aus Norddeutschland covern originalgetreu die komplette Rammstein-Show. Und der

Name ist Programm: Feuer, Blitze und weiterhin alles was heiß ist, gehören zum

Standard. Ab 17,95 Euro

DJ Antoine30. November, Dortmund, Party

22 Uhr, Nightrooms

Gern gesehener Gast in den Nightrooms: Der Chartstürmer bringt einmal mehr den

Club zum Kochen!9 Euro AK

MoonlightningKraftklub2. November, Dortmund, Konzert

20 Uhr, Westfalenhalle

Kraftclub mit „K“ starten gerade so richtig durch: Ihre Hits sind Dauergäste im Radio und in den Charts. Jetzt rocken die Chem-

nitzer endlich in Dortmund!Ab 29,85 Euro

Page 39: pflichtlektüre 05/2012

39raus

Hans Werner Olm

fOTOHanS Werner Olm

20. Oktober, Mülheim an der Ruhr, Kabarett20 Uhr, Stadthalle

Theodor-Heuss-Platz 1www.hanswernerolmshop.de

Der Bochumer Comedy-Preisträger präsen-tiert sich in seiner neuen Show „Mir nach, ich folge!“ als Lebensberater und Motiva-tionskünstler. Es geht um die Sinnfragen des Lebens, unter anderem: Wie kann ich

meine Blödheit zu Geld machen?Tickets ab 27,60 Euro

Kinostart

fOTOzOrrO film

„3 Zimmer/Küche/Bad“Start: 4. Oktober 2012

Komödie

Dina zieht mit ihrer Freundin Wiebke zu-sammen. In voller Vorfreude auf das WG-

Leben in Berlin helfen die anderen Freunde mit Kisten zu schleppen. Phillip, Dinas bester Freund und gleichzeitig Wiebkes

Bruder, und sein Kumpel Thomas packen kräftig mit an. Auch Thomas braucht bald

die Unterstützung der Freunde: Er zieht aus der gemeinsamen Wohnung von ihm und Phillip aus und mit seiner Freundin Jessica zusammen. Der leere Platz in der WG wird

schnell gefüllt: Phillips Freundin Maria kommt von Freiburg zu ihm nach Ber-

lin. Als Jessica und Thomas sich trennen, Phillip sich in Dina verliebt und auch noch Michael allen den Kopf verdreht, wird das

Chaos perfekt. Ein Film über die Phase zwi-schen Ausziehen bei den Eltern und dem

Gründen einer eigenen Familie. Doch das, was in dem ganzen Chaos bleibt, ist eins:

die Freunde.

Tine Wittler8. November, Dortmund, Lesung

20 Uhr Uhr, Dietrich-Keuning-HausLeopoldstraße 50-58

Bekannt aus dem Fernsehen zeigt die Wohnexpertin in ihrer Lesung „Wer schön sein will, muss reisen“ eine ganz neue Seite

von sich. Inspiriert von ihrer Erfahrung in Mauretanien Afrika, wo Frauen sich

mästen lassen und gefährliche Medikamen-te einnehmen, um ihrem Schönheitsideal näher zu kommen, stellt Tine Wittler den

Schlankheitswahn in Deutschland in Frage.Eintritt frei

Fremdschämen

fOTOmicHael fOrmicOla

28. Oktober, Essen, Vortrag/Lesung19 Uhr, Theater Courage

Goethestraße 67www.theatercourage.de

Von Fernseherlebnis bis hin zum täglichen Unileben – Fremdschämen kennt jeder.

Michael Formicola, Unternehmensberater, Konflikttherapeut und selbst ernannter

Philantrop, bringt diese „bereichernde und beglückende Erfahrung“ an den Mann oder die Frau. In seinem Vortrag „Das blamiere ich! – Fremdschämen für Quereinsteiger“ erklärt er mit fachmännischen Erläuterun-gen, was wir schon immer über unser aller

Hobby wissen wollten.12 Euro / ermäßigt 9 Euro

Down31. Oktober, Dortmund, Konzert

19 Uhr, FZWRitterstraße 20

Heavy-Metal made in den Südstaaten der USA: Beim einzigen Deutschlandkonzert

gibt die Band Vollgas.Ab 25 Euro im VVK

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