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rescriptum Ausgabe 1

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Münchner studentische Rechtszeitschrift - Ausgabe 1 im Oktober 2012

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ReSCRIPTUMMünchner studentische Rechtszeitschrift

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Der wissenschaftliche juristische Diskurs wird überwiegend von Akademi-kerinnen und Akademikern geprägt: Professorinnen und Professoren, Richte-rinnen und Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie interessierte Praktiker bemühen sich um Auslegung, Vergleichung und Fortent-wicklung unseres Rechts. Dass Studierende jedoch einen ganz erheblichen Anteil am akademischen Diskurs haben, wird oft übersehen. Ob durch das Anfertigen von Seminararbeiten zu bisher meist unbesprochenen Rechtsfragen oder durch ihre angeregte Mitarbeit in Seminaren und Vorlesungen: Studierende betrachten juristische Problematiken mitunter aus einer Perspektive, die „etablierten“ Juris-ten fehlt. Zu oft jedoch werden diese studentischen Ansätze vernachlässigt und verhallen schließlich ungehört. Dies zu ändern ist das Ziel von rescriptum – der Münchner studentischen Rechtszeitschrift.

Studentische Rechtszeitschriften gibt es – auch in Deutschland – bereits seit einiger Zeit. Hinter dem Begriff verbirgt sich zumeist allerdings eine bloß studentische Redaktion, die dann doch wieder professorale Beiträge und sol-che von Praktikern veröffentlicht. Für uns bedeutet „studentisch“ jedoch mehr: Rescriptum hat es sich zum Ziel gesetzt, ausschließlich studentische Aufsätze zu veröffentlichen, um so Studierenden die Möglichkeit zu geben, am juristischen Diskurs teilzunehmen. Dabei meint „juristischer Diskurs“ tatsächlich eine wis-senschaftliche Debatte – rescriptum ist gerade keine Ausbildungszeitschrift, die Studierenden Hausarbeits- oder Klausurlösungen präsentiert.

Auch mit ihren redaktionellen Inhalten wagt sich rescriptum auf unbekann-tes Terrain. Anstatt klassisch aktuelle oder relevante Entscheidungen und Lehr-bücher zu besprechen, haben wir uns für ein Schwerpunktkonzept entschieden. Ausgangspunkt ist hierbei einer der eingereichten Aufsätze. Um diesen Aufsatz wird dann ein Gerüst verschiedener Beiträge, Buch- und Urteilsbesprechungen gebaut, welches das Thema des Aufsatzes vertieft und Bezugspunkte aufzeigt. In der ersten Ausgabe beschäftigt sich rescriptum mit datenschutz- und strafrecht-lichen Fragen bei der Erhebung von Bewerberdaten aus sozialen Netzwerken.

Entscheidend für das Gelingen unseres Konzepts ist, dass die von uns ver-öffentlichten Beiträge dem hohen Anspruch an wissenschaftliche Veröffentli-chungen gerecht werden. Um dies sicher zu stellen, haben wir alle Beiträge ei-nem strengen, anonymisierten Peer Review-Verfahren unterzogen. Peers waren jeweils zwei studentische Redaktionsmitglieder sowie ein Mitglied unseres Wis-senschaftlichen Beirates. Wir danken an dieser Stelle allen Mitgliedern des Wis-senschaftlichen Beirates für ihre Bereitschaft zur Mitarbeit und für die mit viel Hingabe erfolgte Durchsicht der Beiträge.

Rescriptum – das war zunächst nur eine Idee einer kleinen Gruppe von Stu-dierenden an der LMU München. Doch galt auch hier: „Nichts ist mächtiger, als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Unsere Idee hat viele an der Fakultät be-geistert: Auch dank des Engagements der Geschäftsstelle und der Unterstützung der Fachschaft konnten wir Professorinnen und Professoren der juristischen Fa-kultät, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem die Studierenden

„Frage nicht, wer dies gesagt habe, sondern achte auf das Gesagte.“Thomas von Kempen

Editorial

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selbst überzeugen. So entstand eine Redaktion aus 28 Stu-dierenden der Fakultät, die sich auf vielfältige Weise für das tatsächliche Erscheinen dieser Zeitschrift eingesetzt haben. Die intensive und anregende, schlussendlich vor allem auch erfolgreiche Zusammenarbeit verdient besondere Erwäh-nung. Die Koordination so vieler engagierter Menschen war auch für uns eine spannende Herausforderung, bei der wir alle viel (und nicht nur juristisches) gelernt haben.

Dass bei den Studierenden ein reges Interesse an der Teil-nahme am wissenschaftlichen Diskurs besteht, zeigte dabei nicht nur die überwältigende Resonanz auf rescriptum unter den Studierenden. Vielmehr konnten wir aus annähernd 30 eingereichten Beiträgen die Besten hier veröffentlichen.

Besonderer Dank gebührt der Studienbeitragskommis-sion, die das Konzept von rescriptum aus dem Stand so über-zeugend fand, dass sie unser Projekt mit einer Anschubfi-nanzierung unterstützt hat. Ebenso danken wir unserem Partner, der Anwaltskanzlei Hengeler Mueller; wir freuen uns darauf, neue Wege der Zusammenarbeit zu begehen und gemeinsam studentisches wissenschaftliches Arbeiten zu fördern.

Bei allem Lob wurden wir jedoch auch von Kritik nicht verschont. So schwer es uns zuweilen fiel, diese anzunehmen

– es waren stets wichtige Denkanstöße zum Überarbeiten unseres Konzepts und zur Reflexion des gesamten Projekts. Wir sind für die Weiterentwicklungen, die sich aus diesem Prozess ergeben haben, sehr dankbar und hoffen, mit der ersten Ausgabe von rescriptum einige unsere Kritiker über-zeugen zu können.

Gemeinsam mit unserem Trägerverein „rescriptum – Akademischer Verein für rechtswissenschaftliche Publika-tion e.V.“ wollen wir mit dieser Zeitschrift dazu beitragen, wissenschaftliches Arbeiten im rechtswissenschaftlichen Studium ein wenig aus seinem Nischendasein zu führen. Wir hoffen, mit dem ersten Erscheinen von rescriptum einen großen Schritt in Richtung mehr studentischer Beteiligung am juristischen Diskurs gegangen zu sein.

Viel Freude beim Lesen wünschen

für die RedaktionKatharina Baudisch und Quirin WeinzierlChefredakteure

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Inhaltsverzeichnis(Die Preview-Version enthält von ausgewählten Titeln immer die 1. Seite)

Editorial3

SCHWERPUNKTTHEMA

Themenaufriss DatenschutzGilla Sommerrock

7

Pre-Employment-Screening 2.0Annemarie Aumann

10

Die EU-Datenschutzverordnung und der nationale BeschäftigtendatensschutzChristopher Splinter

20

Arbeitnehmerschutz im KernstrafrechtFranziska Riemer

22

Ein „Abschied von den Grundrechten“?Markus Vordermayer

24

Von Goldstandards und sicheren HäfenJan Alexander Linxweiler

28

AUFSÄTZE

Die Würde des RauschensKonstantin Rall

33

Finanzieller StaatsnotstandDaniel Grisar

38

Hybride TribunaleFlorian Ruhs

46

Vertragsauflösung im ProfifußballDavid Negenborn

53

LAW AND . . .

... Law ReviewsSophia Klimanek

63

RECHT ALS WISSENSCHAFT

Warum Dogmatik?Jens Kersten

67

Impressum70

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Schwerpunktthema

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ReSCRIPTUM

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Pre-Employment-Screening 2.0Über die Zulässigkeit der Recherche von Bewerberdaten in sozialen Netzwerken – Annemarie Aumann*

I. Einführung und FallbeispielDie Geschichte, der Freund eines Freundes habe seinen Traumjob nicht be-

kommen, weil der Arbeitgeber bei Facebook auf ein wildes Partybild gestoßen ist, hat wohl jeder schon gehört. Auch wenn es sich dabei um ein modernes Wandermärchen1 handeln dürfte, trifft es doch ein reales Problem: Tatsächlich informierten sich bereits im Jahr 2009 36 % der deutschen Unternehmen in sozi-alen Netzwerken über ihre Bewerber,2 wobei von steigenden Zahlen ausgegangen werden darf. Arbeitgeber bedienen sich dabei nicht nur berufsorientierter (wie XING, LinkedIN), sondern auch privatorientierter Netzwerke (wie Facebook, VZ-Gruppe, Pafnet). Pre-Employment-Screening nennt sich der Prozess, bei dem der Arbeitgeber den Bewerber vor einer Einstellungsentscheidung möglichst genau durchleuchtet, um angesichts strenger Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherzustellen, dass der Kandidat die richtige Wahl ist. Der Bewerber dage-gen möchte möglichst nur seine besten Eigenschaften offenlegen. Es stehen sich also das auf der Vertragsfreiheit beruhende Informationsinteresse des Arbeitge-bers (Art.  2 Abs.  1  GG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Bewerbers gegenüber.

Wie dieser Konflikt bei der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Arbeitsverhältnis aufzulösen ist, ist derzeit im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt, das allerdings als in der Praxis schwer handhabbar empfunden wird.3 2010 brachte die Regierung daher einen Gesetzesentwurf für eine Neuregelung des BDSG in den Bundestag ein,4 die den Datenschutz im Beschäftigungsverhält-nis spezifischer regeln und damit Rechtssicherheit schaffen sollte. Allerdings ist das Gesetzgebungsverfahren ins Stocken geraten. Ob der viel kritisierte5 Entwurf in der jetzigen Form Gesetz wird, ist zweifelhaft, insbesondere weil die Euro-päische Kommission inzwischen eine Datenschutz-Grundverordnung6 vorge-schlagen7 hat, die der Gesetzgeber wohl noch abwarten wird.8 Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich daher in der Hauptsache mit der aktuellen Gesetzeslage, während mögliche zukünftige Regelungen nur schlaglichtartig beleuchtet wer-

*Die Autorin ist Doktorandin am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Sie dankt Prof. Richard Giesen und Ass. jur. Jacek Kielkowski für ihre wertvolle Mitarbeit. Der Beitrag entstand auf der Grundlage einer unter der Betreuung von Prof. Volker Rieble an-gefertigten Seminararbeit im Rahmen des Seminars: „Crossing Borders: HRM trifftArbeits-recht“.

1 Neudeutsch urban legend, oder auch FOAF (Friend of a friend) tale genannt.2 So eine 2009 durchgeführte Studie des Dimap-Instituts, abrufbar unter http://www.bmelv.

de/cln_154/SharedDocs/Downloads/Verbraucherschutz/InternetnutzungVorauswahlPerso-nalentscheidungen.html, zuletzt abgerufen am 12.07.12.

3 Straube/Klagges, ArbRAktuell 2012, 81 (81).4 BT-Drs. 17/4230.5 Siehe nur Ernst, NJOZ 2011, 953; Thüsing, NZA 2011, 16; Kort, MMR 2011, 294; Forst, NZA

2010, 427, alle m.w.N.6 Dazu in diesem Heft Sommerrock, #7 Vorschlag der Kommission abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/data-protection/do-

chument/review2012/com 2012 11 de.pdf. 8 Straube/Klagges, ArbRAktuell 2012, 81 (81); ebenso zweifelnd Kania/Sansone, NZA

2012, 360.

Bei Anbahnung eines Arbeitsver-hältnisses bieten soziale Netzwerke dem potentiellen Arbeitgeber die Möglichkeit, sich ein differenziertes und durchaus auch privates Bild vom Bewerber zu machen. Die rechtliche Zulässigkeit solcher Aus-wertungen ist indes problematisch.

Aumann // Pre-Employment-Screening 2.0 // rescriptum 2012

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28ReSCRIPTUM

Linxweiler // Von Goldstandards und sicheren Häfen // rescriptum 2012

Von Goldstandards und sicheren HäfenDatenschutz zwischen EU und USAJan Alexander Linxweiler

Das Thema Datenschutz stellt schon allgemein eine Kontroverse dar. Das Zusammenspiel von Regulierungen und Freiheit dominiert die innerstaatlichen oder auch sup-ranationalen Diskussionen. Wenn man jedoch das Blickfeld weitet und somit auch den Diskussionsrahmen, wird eine ganz neue Dimension eröffnet. Im Hinblick auf die europä-ische Datenschutzverordnung strandet man dann sofort an der US-amerikanischen Küste. Dort wird unter Verweis auf das Safe Harbor Agreement scharfe Kritik an den Entwürfen der EU-Justizkommissarin Viviane Reding laut und dabei deutlich, wie sehr die europäischen und amerikanischen Vorstellungen von Datenschutz divergieren.

Systeme und Traditionen – Unterschiede zwischen der EU und den USA

Die Ursprünge des Datenschutzes lassen sich in den verschiedenen Facetten mehr als 100 Jahre zurückdatie-ren. Das Recht „to be let alone“, welches bereits 1890 von Warren und Brandeis in ihrer bahnbrechenden Schrift „The Right to Privacy“ vertreten wurde, korrelierte schon in die-sen Überlegungen mit wachsenden technischen Errungen-schaften.1 So entwickelten sich über die Zeit verschiedene Modelle zum Datenschutz, von denen sich heute im Spezi-ellen vier hervorheben. Der Schutz durch umfassende Ge-setze („comprehensive laws“) schafft einen Gesetzesrahmen für das Sammeln, Nutzen und die Verbreitung persönlicher Informationen, der durch offizielle Behörden überwacht und durchgesetzt werden soll. Es handelt sich hierbei um einen eher proaktiven Ansatz zum Datenschutz. Dem ge-genüber stellt der Schutz durch sektorale Gesetze („secto-ral laws”) einen reaktiven Ansatz dar, der sich mit spezifi-schen und konkreten Einzelbereichen und -problemen des Datenschutzes befasst. Der Schutz durch wirtschaftliche Selbstregulierung („industrial self-regulation“) ist der wohl flexibelsten Ansatz, verlässt sich dabei allerdings lediglich auf die selbst auferlegten Regeln der Wirtschaftsteilnehmer. Letztlich gibt es noch den Schutz durch Privatsphäre schüt-zende Technologien („privacy-enhancing technologies“), die vor allem Verschlüsselungstechnologien, digitale Wäh-rungen und ähnliches umfassen.2

1 Warren/Brandeis, ‘The Right to Privacy’, Harvard Law Review, No. 4, 1890, S. 2f.

2 Long/Pang Quek, Personal data privacy protection in an age of glo-balization: The US-EU safe harbor compromise, Journal of Europe-an Public Policy, 9:3, S. 325-344.

Die Umsetzung in den einzelnen Staaten erfolgt nun in unterschiedlichsten Formen und Variationen, aber zumeist durch die Kombination dieser Modelle. Wie wiederum die Kombination erfolgt, hängt vor allem von der Auffassung und Bewertung des Datenschutzes an sich ab. In der Kon-trastierung der EU und der USA kann man zwei vollkom-men gegensätzliche Ansätze beobachten. In den USA wird traditionell ein eher liberalerer Datenschutz-Ansatz ver-folgt. Wahrgenommen wird hier ein Gefahrenpotential, das eher vom Staat als vom privaten Sektor ausgeht. Der Daten-schutz ist hier die Manifestation eines individuellen Eigen-tumsrechts, über welches nach bestem Gewissen aber auch Gutdünken verfügt werden kann. Einschränkungen findet dies, nach einer Entscheidung des Supreme Court, nur in einem limitierten Rahmen hinsichtlich des Schutzes vor staatlicher Überwachung.3 Ferner steht der Datenschutz im starken Konflikt mit der Rede- und Pressefreiheit, welche durch den ersten Verfassungszusatz garantiert wird. Folge ist, dass Vorstöße der EU – vor allem das „Right to be for-gotten” – Friktionen mit der bestehenden Rechtsprechung hervorrufen.4 Die USA verlassen sich hierbei auf eine Viel-zahl von staatlichen und föderalen Statuten und Doktrinen, mithin also sektorale Gesetzgebung. Hierzu zählen unter anderem der „Intelligence Surveillance Act”, der „Children Online Privacy Protection Act”, der “Protect IP Act” und der „Health Insurance Portability and Accountability Act”. Schon allein aus den Namen wird ersichtlich, wie fragmen-tarisch und reaktiv die Ausgestaltung des Datenschutznetz-werkes ist. Ferner ist zu beobachten, dass der Datenschutz primär nur an den Verbraucherschutz und das Wettbe-werbsrecht anknüpft. Hinzu kommt die Abwesenheit einer überwachenden Durchsetzungsbehörde. Vielmehr wird auf ein starkes selbstregulatorisches Element gesetzt, welches Raum für Leistungspotential und Flexibilität in einem sich schnell wandelnden Medium wie dem Internet bieten soll.5

So ermangelt es beispielsweise der Federal Trade Commis-sion (FTC) an effektiven Durchsetzungsmechanismen im Datenschutz-Bereich, da sie auf die Mitarbeit der Unterneh-men selbst angewiesen ist.

3 Katz v. United States, 386 U.S. 954, 1967.4 Bennett, The „Right To Be Forgotten“: Reconciling EU and US per-

spectives, Berkeley Journal of Internat‘l Law, 2012, S. 4f.5 Long/Pang Quek (Rn. 2), S. 332f.; Korbin, Safe harbours are hard to

find: the trans-Atlantic data privacy dispute, territorial jurisdiction and global governance, Review of International Studies (2004), 30, 115.

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Aufsätze

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ReSC

RIPT

UMrescriptum 2012 \\ Die Würde des Rauschens \\ Rall

Auszug aus dem Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) § 1 Allgemeines Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst ge-

nießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes. § 2 Geschützte Werke (1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst

gehören insbesondere: 1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; 2. Werke der Musik; 3. pantomimische Werke einschließlich der Tanzkunst; 4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst

und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; 5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbild-

werke geschaffen werden; 6. Filmwerke, einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke ge-

schaffen werden; 7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeich-

nungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. (2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige

Schöpfungen.

A. Klang und Freiheit Was macht das Rauschen1 zur Musik? Wann ist ein Geräusch als Schöpfung

schutzwürdig? Was ist eine musikalische Geistschöpfung? Musikalische Eingebungen aus lebensweltlichen Klangereignissen zu emp-

fangen hat Tradition. Domenico Scarlatti (1685-1757) ließ sich durch eine über seine Cembalotasten laufende Katze inspirieren, indem er den akustischen Ein-druck als Thema für eine „Katzenfuge“ verwendete. Frédéric Chopin schrieb un-ter dem Eindruck des rauschenden Regens 1838/39 auf Mallorca sein berühmtes Regentropfen-Prélude. Nach George Sand, die zu dieser Zeit mit dem Kompo-nisten gemeinsam auf der Insel lebte, wurde Chopin jedoch ärgerlich, als sie von Tonmalerei sprach. Er wehrte sich gegen den Vorwurf solch einfältiger musikali-scher Nachahmung von akustischen Eindrücken. Bei Olivier Messiaen hingegen ist die minutiöse Nachahmung der Natur, beispielsweise von Vogelstimmen auf Orchesterinstrumenten (Oiseaux exotiques, 1955/56), gewollt und ein wichtiger Teil der musikalischen Aussage. Die Diskussion und die rechtsdogmatischen Er-kenntnisse über sogenannte objets trouvés, oder auch readymades, in der bilden-

*Der Autor dankt Herrn Professor Dr. Dr. Wolfgang Fikentscher und Herrn Rechtsanwalt Dr. Paul Katzenberger für Hinweise und Anregungen.

1 Rauschen wird hier als Sammelbegriff für Hörereignisse verstanden. Dies schließt Töne und Klänge ein, aber eben auch Hörereignisse, die nicht ausschließlich als Ton oder Klang ver-standen werden können. Musik kann gegenwärtig nicht mehr durch das Denken in

„Tönen“begriffen werden. Rauschende Elemente eines Musikwerks sind nicht weniger schutz-bedürftig als tönende Elemente eines Musikwerks.

Aus der Rechtsprechung zur Schutzwürdigkeit von Klangwerken lässt sich eine Kontinuität ersehen, die auf unausgesprochenen Werten beruht. Durch Systematisierung dieser Werte lässt sich die grund-sätzliche Schutzwürdigkeit jedes er-denklichen Geräusches bestimmen.

Oder die Wertschätzung der Klangschöpfung Konstantin Rall*

Die Würde des Rauschens

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ReSCRIPTUM

38Grisar // Finanzieller Staatsnotstand // rescriptum 2012

Die Zahlungsunfähigkeit eines Staates kann grundsätzlich dem

völkerrechtlichen Konzept des Staatsnotstands unterfallen. Bei dessen Anwendung ergeben sich

allerdings erhebliche Unsicherhei-ten bezüglich der Voraussetzungen,

Rechtfolgen und Wirkungen.

Finanzieller StaatsnotstandDer völkerrechtliche Staatsnotstand und die StaatsinsolvenzDaniel Grisar*

I. EinführungZahlungskrisen von Staaten sind kein modernes Phänomen. Bereits im 4.

Jahrhundert v. Chr. konnten in Griechenland zehn Poleis des attischen Seebun-des ihre Schulden gegenüber dem Tempel von Delos nicht mehr begleichen.1 Aber auch in der etwas jüngeren Geschichte kam es immer wieder zu Schuldenkrisen. So gerieten allein Spanien und Frankreich zwischen dem 16. und Ende des 18. Jahrhunderts sechs bzw. acht Mal in den Zustand der Zahlungsunfähigkeit.2 Das 20. Jahrhundert ist erst recht von staatlichen Zahlungskrisen geprägt: Bis zu zehn Zahlungsausfälle von Staaten pro Jahrzehnt fanden statt.3 Neben der aktuellen europäischen Schuldenkrise ist aus jüngster Vergangenheit die Argentinien-Kri-se um die Jahrtausendwende zu nennen. In der Zeit der Krise sank das argenti-nische BIP um 21%, die Armutsrate stieg auf 57%.4 Als Argentinien Ende 2001 die Vorgaben des IWF nicht mehr erfüllte, wurde Argentinien zahlungsunfähig.

1. Zahlungsunfähigkeit von StaatenWas genau bedeutet die Zahlungsunfähigkeit eines Staates? Grundsätzlich

setzt eine Zahlungsunfähigkeit das Bestehen einer Schuld voraus, die nicht mehr erfüllt werden kann. Eine Schuld ist die rechtliche Verbindlichkeit zur Rück-zahlung einer Geldsumme. Staatsschulden sind sodann solche Schulden, deren Verpflichteter der souveräne, völkerrechtsunmittelbare Staat ist.5 Im Folgenden wird es dabei nur um Auslandsschulden gehen, also solche, die ausländischer Ge-richtsbarkeit unterliegen, häufig in Fremdwährung begeben werden und zumin-dest auch von ausländischen Investoren gehalten werden.6

Geraten Unternehmen in Zahlungsunfähigkeit, so wird ein Insolvenzverfahren über sie eröffnet. Im Falle von Staaten wird jedoch bestritten, dass diese überhaupt zahlungsunfähig werden können. Es wird angeführt, dass der Staat durch seine umfassenden Besteuerungsbefugnisse stets über hinreichende Einnahmequellen verfüge.7 Dies lässt allerdings unberücksichtigt, dass bei gestörtem Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben ein Staat zumindest kurzfristig in erhebliche Zahlungs-schwierigkeiten geraten kann, wie das Beispiel Griechenlands aktuell zeigt. Au-

*Die dem Aufsatz zu Grunde liegende Arbeit entstand im Rahmen des Seminares „Aktuelle Fragen des internationalen Währungs-, Finanz- und Wirtschaftsrechts“ bei Prof. Walter an der LMU München. Der Autor dankt Prof. Khan (Universität der Bundeswehr München) für die mit viel Hingabe erfolgte Durchsicht des Beitrages.

1 Sturzenegger/Zettelmayer, Debt Defaults and Lessons from a Decade of Crises, 2006, S. 3; grundlegend aus geschichtlicher und anthropologischer Sicht: Graeber, Schulden: Die ersten 5000 Jahre, 2012.

2 Reinhart/Rogoff, This Time is Different: A Panoramic View of Eight Centuries of Financial Crises, 2008, abrufbar unter www.economics.harvard.edu/files/faculty/51_This_Time_Is_Different.pdf (zuletzt besucht am 15.09.2012), S. 20.

3 Reinhart/Rogoff (Fn. 2), S. 3.4 Saxton, Argentina‘s Economic Crisis: Causes and Cures, 2003, abrufbar unter www.hacer.org/

pdf/Schuler.pdf (zuletzt besucht am 15.09.2012), S. 3.5 In diesem völkerrechtliche Kontext ist davon auszugehen, dass Bundesländer und andere au-

tonome Untergliederungen keine Staatsschulden aufnehmen können; siehe auch: Leyende-cker, Auslandsverschuldung und Völkerrecht, 1988, S.

6 Folz, in EPIL, Band 8, 1985, State Debts, S. 484.7 Ohler, JZ 2005, 590 (591).

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ReSCRIPTUM

46

Obwohl hybride Gerichtshöfe in verschiedenen Ländern beachtli-che Erfolge erzielt haben, finden sie in der völkerstrafrechtlichen Literatur nur am Rande Beach-

tung. Untersucht und herausgestellt werden die Vorteile sowie das

Zukunftspotential dieser gemischt national-internationalen Gerichte.

I. Hybride Tribunale – Modell für die Zukunft?Hybride Tribunale finden in der völkerstrafrechtlichen Literatur oft nur am

Rande Beachtung. In das Blickfeld der Weltöffentlichkeit sind sie hingegen zuletzt durch den Special Court for Sierra Leone insbesondere wegen der Verurteilung des zum Zeitpunkt seiner Festnahme amtierenden liberischen Staatspräsidenten Charles Taylor gerückt. Mit Urteil vom 26. April 2012 wurde ein neues Kapitel in der Völkerstrafrechtsgeschichte aufgeschlagen und erstmals seit den Nürnberger Prozessen ein ehemaliges Staatsoberhaupt für seine Menschenrechtsverbrechen vor einem internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung gezogen.1

Aufgrund dieser aktuellen Entwicklungen gilt es daher zu untersuchen, wel-che Chancen und Herausforderungen die Gerichte mit sich bringen und welchen Einfluss sie auf das Völkerstrafrecht haben. Hierfür wird folgend ein Einblick in die rechtlichen Strukturen, des Special Court for Sierra Leone (SCSL), der Ext-raordinary Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC) und der War Crimes Chamber in the Courts of Bosnia-Herzegovina (WCC) gegeben und untersucht, ob die hybriden Gerichtshöfe ein Modell für die Zukunft darstellen können.

II. Hybride Gerichte – Eine BegriffsklärungHybride Gerichtshöfe weisen im Gegensatz zum Internationalen Strafge-

richtshof (IStGH), dem Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) eine gemischte Struktur auf. Ihre gerichtliche Zuständigkeit stützt sich grundsätzlich auf eine gemischt national-internationale gesetzliche Grundlage. Zudem ist die perso-nelle Besetzung geprägt von sowohl nationalen als auch internationalen Juristen. Materiell werden typischerweise nicht nur Tatbestände des Völkerstrafrechts, sondern auch solche des nationalen Strafrechts angewandt.2

Die hybride Struktur hybrider Tribunale wird überwiegend mit den Bedürf-nissen einzelner Staaten begründet, humanitäre Verbrechen der Vergangenheit aufzuklären und deren „Drahtzieher“ vor ein Gericht zu stellen, welches in der Bevölkerung des entsprechenden Landes auf Akzeptanz stößt. Weil es den be-treffenden Ländern oftmals jedoch an strukturellen und finanziellen Vorausset-zungen mangelt,3 ist internationale Unterstützung eine unabdingbare Vorausset-zung für die Schaffung solcher gemischter Gerichtshöfe. Die Gründung verfolgt üblicherweise kein einheitliches Konzept, vielmehr werden die Gerichte situati-onsspezifisch an die regionalen Umstände und besonderen Konfliktcharakteris-

*Die dem Aufsatz zu Grunde liegende Arbeit entstand im Rahmen des Seminares „Europä-isches und Internationales Strafrecht“ bei Prof. Satzger an der LMU München. Der Autor dankt Prof. Walter (LMU München) für die mit viel Hingabe erfolgte Durchsicht des Beitra-ges.

1 Klein, Süddeutsche Zeitung v. 31. Mai 2012, S. 8.2 Katzenstein, HHRJ 16 (2003), 245.3 So zählen Sierra Leone (seit 1982) und Kambodscha (seit 1991) zu den Least Developed

Countries, vgl. United Nations, Handbook on the Least Developed Country Category, 2008, S. 11.

Chancen, Herausforderungen und ihr Einfluss auf das Völkerstrafrecht Florian Ruhs*

Hybride Tribunale

Ruhs // Hybride Tribunale // rescriptum 2012

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ReSC

RIPT

UMrescriptum 2012 \\ Vertragsauflösung im Profifußball \\ Negenborn

Der besondere Mehrwert hybrider Strafgerichte liegt aber nicht zwingend nur in praktischen Erwägungen. Das aufgezeigte Local Capacity Building in strukturtechnisch schwach entwickelten Ländern unterstützt die betroffenen Staaten nach den langjährigen zerstörerischen Konflikten beim (Wieder)aufbau eines glaubwürdigen Justizsystems. Zwar besteht durch die Integration nationaler Richter die Gefahr, dass der staatliche Einfluss überhandnimmt, jedoch führt eine Beteiligung nationaler Juristen zu einer Stärkung der Akzeptanz in der Bevölkerung. Außerdem kann somit dem Vorwurf einer aufoktroyierten Justiz entgegengetreten werden. Ferner wird die Bevölkerung in den Aufklärungs-prozess mit einbezogen, was zum einen eine Verankerung der Menschenrechte in die Gesellschaft bewirkt und zum anderen zur Versöhnung und Genugtuung der betroffenen Opfer und einer Befriedung des Landes beiträgt.

Darüber hinaus ist der Einfluss hybrider Tribunale auf das materielle Völkerstrafrecht beachtenswert. Die situa-tionsspezifische Anwendung materiellen Strafrechts führt

– entgegen den Befürchtungen – nicht zu einer Fragmentie-rung des Völkerstrafrechts. Vielmehr ist in Teilen eine Fes-tigung der ständigen Rechtsprechung bisheriger internati-onaler Völkerstrafgerichte festzustellen. Überdies betreten die hybriden Straftribunale oftmals juristisches Neuland und tragen damit positiv zu einer Fortentwicklung des Völ-kerstrafrechts bei. Die Verurteilung Taylors als ehemaligen Staatspräsidenten ist nicht zuletzt ein fundamentaler Bei-trag zu einer universellen Strafrechtsverfolgung.

In Anbetracht dieser Aspekte können die Gerichtshöfe eine sinnvolle Ergänzungs- und Entlastungsfunktion – und nicht nur eine Zwischenlösung – im Gefüge internationaler Strafgerichtshöfe übernehmen.

Immer wieder streben Fußball-spieler einen Transfer gegen den Willen ihres bisherigen Clubs an. Der folgende Beitrag beleuchtet Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Schadensersatzes bei einseiti-gem Vertragsbruch im Profifuß-ball unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des internatio-nalen Sportgerichtshofs (CAS).

Die Bemessung des Schadensersatzes nach Art. 17 FIFA-Reglement David Negenborn*

Vertragsauflösung im Profifußball

„Der Entscheid des CAS vom 30. Januar 2008 schadet dem Fußball. Er ist ein Pyrrhussieg für die Spieler und Spielervermittler, die mit einer vorzeitigen Ver-tragsauflösung liebäugeln.“1

A. EinleitungDie oben aufgeführte Reaktion des FIFA-Präsidenten Joseph Blatter folgte auf

ein Urteil des Court of Arbitration for Sport (CAS) im Streit zwischen dem schot-tischen Verein Heart of Midlothian PLC und dem schottischen Spieler Andrew Webster.2

Nicht nur die FIFA, sondern auch die Presse3 bewertete dieses Urteil als weg-weisend im Transferwesen des internationalen Profifußballs. Verglichen wurde der Webster-Fall mit dem Bosman-Urteil des EuGH4, das ablösefreie Wechsel nach Ende der Vertragslaufzeit ermöglichte und die Transferpolitik grundlegend änderte.

Grundlage der Entscheidung des CAS am 30. Januar 2008 war Art. 17 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern der FIFA (RSTS). Löst da-

*Die dem Aufsatz zu Grunde liegende Arbeit entstand im Rahmen des Seminares „Zivil-rechtliche Aspekte des Sportrechts; Rechtsvergleich Deutschland – Schweiz“ bei Prof. Schulze an der Université de Lausanne. Der Autor dankt RA Dr. Martens (Martens Rechtsanwälte, München) für die mit viel Hingabe erfolgte Durchsicht des Beitrages.

1 Joseph Blatter, FIFA-Präsident in der offiziellen Pressemitteilung der FIFA v. 31. Januar 2008; vgl.: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/news/newsid=682308 [02.08.2012].

2 CAS 2007/A/1298, 1299 & 1300 [30.1.2008] Wigan Athletic FC v. Heart of Midlothi-an.

3 Vgl. z. B.: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,532470,00.html [02.08.2012].4 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, 1-4921 – Bosman.

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ReSCRIPTUM

54 Negenborn// Vertragsauflösung im Profifußball // rescriptum 2012

nach eine Partei einen Vertrag ohne triftigen Grund auf, so ist die vertragsbrüchige Partei gem. Art. 17 Abs. 1. S. 1 RSTS zur Zahlung einer Entschädigungssumme verpflichtet. Im Fall Webster legte das CAS die Höhe dieser Entschädigung mit lediglich 150.000 Pfund fest.5 Die Befürchtung der FIFA und der Vereine bestand darin, dass wechselwillige Spieler unter Berufung auf Art. 17 RSTS ihren Klub verlassen und so nur einen Bruchteil ihres Marktwertes als Entschädigung zu leisten hätten.6

Seit der Entscheidung im Fall Webster sind über vier Jahre vergangen. Ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts im März dieses Jahres rückt die Thematik wieder in den Vordergrund.7 Danach stelle ein unbegrenztes Berufsver-bot für einen Spieler, der seinen Vertrag gebrochen, die nach Art. 17 RSTS zu zahlende Entschädigungssumme jedoch nicht gezahlt hat, eine schwerwiegende Persön-lichkeitsverletzung und einen Verstoß gegen den ordre public dar.8

Es stellt sich daher die Frage, ob sich die damals geäu-ßerten Befürchtungen bewahrheitet haben und das Trans-ferwesen sich in diesem Zeitraum tatsächlich so umfänglich verändert hat. Zu diesem Zweck sollen die Kriterien der Be-messung des Anspruchs aus Art. 17 RSTS anhand verschie-dener Urteile des CAS untersucht und verglichen werden.

B. Vertragsbeendigung nach Art. 13ff. RSTSZunächst ist auf die Grundzüge des Systems des RSTS

einzugehen.9 Die Bedingungen für Vertragsauflösungen zwischen Spielern und Klubs sind in Kapitel IV des RSTS geregelt („Wahrung der Vertragsstabilität zwischen Berufs-spielern und Vereinen“).

I. Art. 13 RSTSAusgangspunkt der Bestimmungen zur Wahrung der

Vertragsstabilität ist Art. 13 RSTS. Danach gilt ein Vertrag zwischen einem Berufsspieler und einem Verein als been-det, wenn der Vertrag entweder ausläuft oder in gegenseiti-gem Einvernehmen aufgelöst wird.

Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass der zwischen einem Klub und einem Spieler geschlossene Vertrag von den Parteien auch erfüllt wird.

II. Vertragsauflösung aus triftigem Grund gem. Art. 14 RSTSDer Grundsatz der Einhaltung von Verträgen im inter-

nationalen Profifußball gilt nicht uneingeschränkt. Eine einseitige Vertragsauflösung aus triftigem Grund ist grund-sätzlich möglich und der einzige Fall, in dem ein Vertrag

5 CAS 2007/A/1298, 1299 & 1300 [30.1.2008] Wigan Athletic FC v. Heart of Midlothian, S. 39.

6 http://www.n-tv.de/sport/FIFA-und-Klubs-empoert-article246737.html[02.08.2012].

7 Schweiz. Urteil (des Bundesgerichts), 4A_558/2011 vom 27.03.2012, in SpuRt 3/2012, 109 ff.

8 Schweiz. Urteil (des Bundesgerichts), 4A_558/2011 vom 27.03.2012, in SpuRt 3/2012, 109 (112).

9 Vgl. zu den Art. 14-17 RSTS auch Jungheim, RdA 2008, 222 (225 ff.).

jederzeit, d.h. auch während der Saison, aufgelöst werden kann.10

Wann ein solch triftiger Grund vorliegt, definiert das RSTS nicht. Grundsätzlich kommen als triftige Gründe nur erhebliche Pflichtverletzungen des anderen Teils in Be-tracht, sodass nach den individuellen Umständen des Falls der anderen Partei die Fortsetzung des Vertrags unzumut-bar wird.11

Im Mittelpunkt triftiger Gründe aus Spielersicht steht der Vorwurf, dass der Klub die im Vertrag vereinbarte Ver-gütung nicht oder zu spät gezahlt hat.12 Die Pflicht zur Ver-gütung ist neben der Pflicht zur Beschäftigung die Haupt-leistungspflicht des Klubs.13

Die Hauptleistungspflicht des Spielers besteht darin, dem Klub seine Arbeitsleistung anzubieten.14 Eine Pflicht-verletzung liegt in jeder Form des Verlassens des Arbeitsor-tes ohne Erlaubnis der Klubverantwortlichen.

Keine Verletzung der Arbeitspflicht liegt jedoch dann vor, wenn der Spieler nicht auf dem vom Klub gewünschten Niveau spielt, da der Spieler nur die Arbeitskraft schuldet, nicht jedoch den Erfolg.15 Auch eine Krankheit oder Verlet-zung bedeutet keine Pflichtverletzung i.S.d. Art. 14 RSTS.

Der Sportler ist aber verpflichtet, sich der Lebensweise eines Leistungssportlers anzupassen und das Erforderliche zu tun, um die Arbeitskraft zu erhalten.16

III. Vertragsauflösung aus sportlich triftigem Grund gem. Art. 15 RSTSDaneben wird einem etablierten Spieler, der während

der Spielzeit in weniger als 10% der offiziellen Spiele zum Einsatz gekommen ist, gem. Art. 15 S. 1 RSTS die Vertrags-auflösung aus sportlich triftigem Grund ermöglicht.

Kernelement der Bestimmung ist die Tatsache, dass ein Spieler mit fußballerischen Fähigkeiten von einem be-stimmten Grad in einem Klub nicht genügend Raum findet und aus diesem Grund zu einem anderen Klub wechseln will, bei dem er die Möglichkeit hat, regelmäßig zu spielen.17

C. Der Entschädigungsanspruch gem. Art. 17 Abs. 1 RSTSLöst eine Partei den Vertrag ohne triftigen Grund auf, so

ergeben sich die Rechtsfolgen aus Art. 17 Abs. 1 RSTS: „Die vertragsbrüchige Partei ist in jedem Fall zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Vorbehaltlich der Bestimmun-gen in Art. 20 und Anhang 4 zur Ausbildungsentschädi-

10 Kommentar der FIFA zum RSTS, Art. 16 Rn. 3, abrufbar auf: http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/51/56/07/transfer_commentary_06_de_1841.pdf [02.08.2012].

11 CAS 2006/A/1180 [24.4.2007] Galatasaray v/Ribery & Olympique Marseille, S. 12.

12 Haas, Causa Sport 3/2008, 235 (240).13 CAS 2006/A/1180 [24.4.2007] Galatasaray v/Ribery & Olympique

Marseille, S. 13.14 Haas, Causa Sport 3/2008, 235 (241).15 Ibarrola, in: Rigozzi/Bernasconi (Hrsg.), Proceeding before the

Court of Arbitration for Sports, Zürich 2007, S. 252.16 CAS 2005/A/876 [15.12.2005] Mutu v. Chelsea, S. 13.17 Kommentar zum RSTS (Fn. 10), Art. 15 Rn. 2.

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GastbeitragRecht als Wissenschaft

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ReSC

RIPT

UMrescriptum 2012 \\ Warum Dogmatik? \\ Kersten

Welche Rolle spielt Dogmatik in den einzelnen juristischen (Teil-)Disziplinen? Ist die Orientierung an Dogmatik einer weitergehenden Kontextualisierung der Rechtswissenschaft und der Heranführung an andere wissenschaftliche Diszipli-nen vorzuziehen? Und falls nicht: Kann es eine von der Dogmatik losgelöste und (die Teildisziplinen) übergreifende Theorie der Rechtswissenschaften überhaupt geben bzw. ist eine solche erstrebenswert?

Diesen gegenwärtig wieder stärker in den Vordergrund gerückten Fragen sol-len sich in regelmäßiger Folge Beiträge von Vertretern der einzelnen juristischen Teildisziplinen widmen – in der Hoffnung, dies möge einen erneuerten und über-greifenden Blick auf ein Gemeinsames aller drei rechtswissenschaftlichen Zweige

– Öffentliches Recht, Strafrecht und Zivilrecht – ermöglichen. Den Anfang macht eine öffentlich-rechtliche Perspektive, mit einem Beitrag von Jens Kersten.

Warum Dogmatik? Jens Kersten*1

Dogmatik begreift das Recht anhand von normativen Leitsätzen. Sie wendet das positive Recht nicht unreflektiert an, sondern nach abstrakten Regeln und in systematischen Zusammenhängen. So werden beispielsweise die Grundrechte nicht schlicht als rechtlich garantierte Freiheiten in jedem Einzelfall unterschied-lich geprüft. Vielmehr werden sie im Hinblick auf Schutzbereich, Schranke und Schranken-Schranke gewürdigt, wobei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf der letzten dieser drei Ebenen nach Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit differenziert und sich in seiner konkreten Kontur wiederum da-nach richtet, ob es sich um einen staatlichen Eingriff oder eine Grundrechtskol-lision unter Privaten handelt. Je nach Zählweise formuliert der vorstehende Satz zumindest vier dogmatische Leitsätze und drei systematische Schlüsse.

Dabei erfüllt dogmatisches Denken drei Funktionen: Es vermittelt erstens Sicherheit bei der Entscheidung jedes einzelnen Falles mit Blick auf die Lösung aller potentiell möglichen Fälle (Entscheidungsfunktion). Es erlaubt zweitens eine ständige Aktualisierung und Fortentwicklung der Rechtsordnung durch die dynamische Weiterentwicklung der dogmatischen Leitsätze und systematischen Bezüge (Entwicklungsfunktion). Und es ermöglicht drittens die wissenschaftli-che Ausdifferenzierung eines abstrakten Normverständnisses, um die Rechtsord-nung systematisch zu begreifen (Erkenntnisfunktion). Mit diesem funktionalen Dreiklang aus Rechtsentscheidung, Rechtsentwicklung und Rechtserkenntnis verbindet das dogmatische Denken Rechtspraxis und Rechtswissenschaft. Rich-ter, Anwälte, Beamte und Wissenschaftler argumentieren – trotz ihrer wieder-um sehr unterschiedlichen Funktionen im Rechtssystem – rechtsdogmatisch auf gleicher Augenhöhe. Diese Leistung von Rechtsdogmatik prägt unsere Rechts-

*Prof. Dr. Jens Kersten ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Verwaltungs-wissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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HERAUSGEBERrescriptum - Akademischer Verein fürrechtswissenschaftliche Publikation e.V.Registernummer: VR 204487Registergericht: Amtsgericht MünchenVertreten durch den 1. Vorsitzenden Florian Knerr;

Stellv. Vorsitzende: Thomas Anzill, Martin Heidebach

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