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Mai 2015/1. Ausgabe/ € 2,20 Ednan Aslan in Graz Was eine Muslimin darüber denkt 15 Kulturelle (Miss)verständnisse ‘Grüß Gott’ oder ‘Jesus ist Gott’? 14 Antimuslimischer Rasissmus Dr. Fared Hafez zu Besuch in Graz 16 TATWIR FORTSCHRITT Die abscheuliche Heuchelei des Westens Susan Abulhawa Eine Palästinenserin spricht 4 Islam und Krieg Ein Jugendlicher über Koran, Islam, Krieg und Frieden 12 kritisch.politisch.tatwir. ISRAELS TERROR blhphotography - CC by 2.0 NAKBA Infotisch 15. Mai 2015 Graz - Innenstadt 24 An die Studentinnen aus aller Welt Was Studentinnen in Ägypten passiert 9 Tatwir

Tatwir 1. Ausgabe

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kritisch.politisch.tatwir

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Page 1: Tatwir 1. Ausgabe

Mai 2015/1. Ausgabe/ € 2,20

Ednan Aslan in GrazWas eine Muslimin

darüber denkt 15

Kulturelle (Miss)verständnisse‘Grüß Gott’ oder‘Jesus ist Gott’?

14

Antimuslimischer RasissmusDr. Fared Hafez zu

Besuch in Graz 16

tatwirtatwirtatwirtatwirtatwirtatwir TATWIR

FORTSCHRITT

DieabscheulicheHeucheleides WestensSusan AbulhawaEine Palästinenserinspricht 4

Islam undKrieg

Ein Jugendlicher über Koran, Islam, Krieg und Frieden

12

kritisch.politisch.tatwir.

ISRAELS TERRORblhphotography - CC by 2.0

NAKBAInfotisch

15. Mai 2015Graz - Innenstadt

24

An dieStudentinnenaus aller WeltWas Studentinnenin Ägyptenpassiert

9Tatwir

Page 2: Tatwir 1. Ausgabe

kritisch.politisch.tatwir.

TATWIR FORTSCHRITT

HerausgeberinHelga Suleiman

Augasse 90, 8051 Graz

E-mail:[email protected]

LAYOUT und GRAFIKSenida Alibegović

[email protected]

OFFENLEGUNGlt. Mediengesetz §§ 24 und

25 Mediengesetz 1981, BGBl. Nr.314/1981 idF BGBl. I

Nr.101/2014

TATWIR ist eine mindestens vier-mal jährlich herausgegebene periodische Zeitschrift. Sie will kritische politische Bildung und Partizipation in Österreich fördern und insbesondere Ju-gendlichen ein Forum für freie Meinungsäußerung und Diskus-sion bieten. Über Beiträge zu Politik und Gesellschaft global, regional und lokal, zu Kultur, Geschichte, Religion und Kunst praktiziert TATWIR interkul-turelle und interreligiöse Kom-munikation und verhilft zivilge-sellschaftlichen Initiativen zu Öffentlichkeit und Vernetzung.

LeserInnenbriefe an:[email protected]

ABOSJahresabonnement inkl.

Postversandin Österreich: 15.-im Ausland: 20.-

Das Abo umfasst alle Aus-gaben im Jahr.

Abobestellung unter:0676 4476763 oder

[email protected]

tatwir weltGaza im Sommer 2014Der Krieg in Gaza 2014

Die Abscheuliche Heuchelei des WestensEine Palästinenserin spricht. Von Susan Abulhawa

CASH mit dem DiktatorÄgypten - von Helga Suleiman

An die Studentinnen aus aller WeltÄgypten

IrakWir erinnern ... März 2003

kritisch.politisch.tatwir.tatwir

Das arabische Wort TATWIR bedeutet FORTSCHRITT. Unsere Zeitschrift Tatwir will einen Fort_Schritt für die Medienlandschaft in Österreich setzen.Fortschritt bedeutet, dass Tatwir Themen anspricht, die in den Medien hierzulande vernachlässigt werden. Weil sie ihnen un-bequem oder zu wenig wichtig sind. Fortschritt bedeutet, dass in Tatwir Men-schen verschiedener Herkunft, Religion und Weltanschauung schreiben. So ver-vielfältigt sich der Blickwinkel auf die The-matiken und bringt kritische Perspektiven den in den Vordergrund. Fortschritt bedeutet, dass über Regionen südlich des Mittelmeers nicht mehr nur vom europäischen Standpunkt aus geschrieben und gewertet wird. Zum Beispiel kommt es nahezu nie vor, dass Zeitungen die Meinun-gen palästinensischer JournalistInnen wie-dergeben. Tatwir ändert das.Fortschritt bedeutet, österreichisch-eu-ropäischen Öffentlichkeiten die Stimmen von MigrantInnen, MuslimInnen und Min-derheitenangehörigen zu Gehör zu brin-gen. Zu lange wurden sie vom lauten Chor der Mehrheit übertönt.

Solidarität, Gerechtigkeit und Demokratie bleiben leere Worte und unglaubwürdige Phrasen, wenn sie nicht eingefordert und umgesetzt werden. Das zu tun liegt an uns, den Leuten von der Straße, aus den Mos-cheen und Kirchen, den Betrieben, Schul-en, Unis, Vereinen und selbstorganisierten Initiativen aus der Zivilgesellschaft. Weil die Jugend Trägerin des Fortschritts in jeder Gesellschaft ist, wird Tatwir vor allem ihre Stimmen verstärken.

Junge Menschen haben den arabischen Frühling erweckt. Sie begehrten auf. Sie risk-ierten ihr Leben für die Revolution. Auch an sie denken wir während des Schreibens für Tatwir. Das arabische Wort trägt die Würde des Aufbegehrens in sich. Es bedeutet, die Meinung zu sagen, ohne Furcht und Zwe-ifel, auch den Mächtigen ins Gesicht.Tatwir nützt das Menschenrecht der Mei-nungsfreiheit. Wenn wir uns untereinander über die herrschenden Zustände beklagen, führt das noch keine Veränderung herbei. Wichtig ist, dass wir unsere Sichtweisen bekannt machen und diskutieren.Tatwir ist eine Arbeit in Entwicklung, es ist ein Experiment und es lebt von dem, was ihre AutorInnen beitragen. Fortschritt ist immer eine Sache von vielen. Es ist unsere Sache.

Das Redaktionsteam

12478tatwir literarisch

Ein Gespräch ...Ein Gespräch ...unter Blättern

Ich habe einen Traumvon Abdullah An-Nemsawy

910

tatwir KoLUmnEnIslam und KriegEin Jugendlicher über: Koran, Islam, Krieg und Frieden

Der Islam steht nicht für Terrorismus“Ein richtiger Muslim kann kein Terrorist sein!”

Kulturelle (Miss)verständnisse‘Grüß Gott’ oder ‘Jesus ist Gott’?

Ednan Aslan in GrazWas eine Muslimin darüber denkt

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tatwir AUSTRIAAntimuslimischer RassismusFarid Hafez, Inva Kuhn und Benjamin Opratko in Graz zu Besuch

Graz - PEGIDA, einmal und NIE WIEDER!Muslimische Anti-PEGIDA Rede

Nakba Infotisch in GrazErinnerung an die Vertreibung der Palästinenser

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tatwir eDitoriAL

Tatwir

Page 3: Tatwir 1. Ausgabe

WIR ERINNERN ...

Die israelische Aggression ge-gen Gaza im letzten Sommer hat tausende PalästinenserInnen das Leben gekostet. Die UNO sagt, dass 2014 das opferreich-ste Jahr seit dem Sechstagekrieg von 1967 war.

“Im Gazastreifen wurden 2014 aufgrund der Feindseligkeiten mehr als 1.500 Zivilisten getötet, mehr als 11.000 Menschen er-litten Verletzungen, und rund 100.000 Palästinenser verloren ihre Wohnungen”, so der UN-Ocha-Jahresbericht. Unter den Kriegstoten waren mehr als 550 Kinder. Auf israelischer Seite sind “fünf Zivilisten, darunter ein Kleinkind, sowie ein Wachmann” getötet worden.Insgesamt wurden während des 50-tägigen Kriegs gegen Gaza fast 2.200 PalästinenserInnen getötet. Auf israelischer Seite waren es 73 Tote.Das israelische Militär hat Kriegs-verbrechen und massive Ver-stöße gegen das Völkerrecht begangen.

Amnesty InternationalEs lässt aufhorchen, dass Amnes-ty International in einem aktuel-len Bericht zum Schluss kommt, dass Palästinenser, namentlich Hamas und andere Organisa-tionen durch Raketenbeschuss auf ZivilistInnen „offenkundig das Völkerrecht missachtet“ und damit Kriegsverbrechen began-gen hätten.In einem Bericht von Dezem-ber 2014 benennt Amnesty die durch Israel begangene

Zerstörung wichtiger ziviler Ge-bäude wie Handels- oder Ge-meinschaftszentren als ver-botene Kollektivstrafe und als Kriegsverbrechen.

Schon zuvor im November veröffentlichte Amnesty einen detaillierten Bericht über is-raelische Bombardements von palästinensischen Wohnge-bäuden. Es gab keine Vorwar-nung. Amnesty beschwerte sich auch über die von Israel ver-hängten Einreiseverbote seiner Delegierten in den Gazastreifen und Verweigerung der Zusam-menarbeit mit der Untersuchun-gskommission der UNO.

Israelische VölkerrechtsverstößeNicht nur Amnesty Internation-al, sondern andere Menschen-rechtsorganisationen wie Hu-man Rights Watch und Ärzte für Menschenrechte haben is-raelische Völkerrechtsverstöße und schwere Menschenrechts-verletzungen dokumentiert und als Kriegsverbrechen gewertet.Alle Organisationen bestätigen die Verweigerung Israels für weit-ere Untersuchungen.

Amnesty mag in seiner Lesart akkurat den Buchstaben des Völkerrechts Folge leisten, wenn es die palästinensische Vertei-digung der Kriegsverbrechen bezichtigt. Es ist jedoch unfass-bar, dass Gaza und die israelisch-en Kriegsverbrechen und Völker-rechtsverstöße, die seit Jahren und täglich auf die Palästinenser-Innen angewandt werden, dabei unerwähnt bleiben.

So hilft Amnesty der israelisch-en Besatzungsmacht beim Verdecken ihrer Verbrechen. Schlimmer noch, gibt sich die Or-ganisation dafür her, Israel dabei zu helfen, sich gegen Anklagen der Palästinensischen Autono-miebehörde am Internationalen Strafgerichtshof zu wappnen.

Amnesty hält damit den Pro-pagandamythos Israels au-frecht, der glauben machen will, es seinen zwei gleichw-ertige „Kriegs“parteien die sich in einem Konfl ikt gegenüber-stehen. Die tatsächliche Ge-schichte der jahrzehntelangen Besatzung und Vertreibung wird damit verschleiert. Das Bild der angeblichen Bedrohung Israels soll aufrechterhalten werden, um die fortgesetzte Kolonisier-ung Palästinas dahinter zu ver-stecken. Dass die palästinen-sische Geschichte lebt und nie vergessen sein wird, bezeugen die Biografi en tausender Palästi-nenserInnen. Eine von ihnen ist Susan Abulhawa. Sie erzählt in ihrem berührenden und zugleich informativen Roman „Während die Welt schlief“ mit einfachen Worten ihre Lebensgeschich-te. Das Buch sei allen ans Herz gelegt, die das Schicksal Paläs-tinas bewegt.

Aus Anlass der Erinnerung an die Ereignisse des letzten Sommers veröffentlicht TATWIR in zwei Teilen einen Artikel der Autorin, den sie im Juni 2014 geschrieben hat. Als die furchtbaren Ereignisse von Juli und August ihren Anfang nahmen… Fortsetzung - nächste Seite

tatwir welt

Gazaim Sommer 2014

Foto: Haber Journal

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tatwir eDitoriAL

Page 4: Tatwir 1. Ausgabe

WIR ERINNERN ... Gaza im Sommer 2014tatwir welt

Die abscheulicheHeuchelei des WestensEine Palästinenserin sprichtSusan Abulhawa

Die Leichen der drei israelisch-en Siedler, die seit dem 12. Juni vermisst waren, wurden – hastig verscharrt – in der Nähe von Ha-hul, nördlich von Hebron, gefun-den.

Seit die Jugendlichen von Gush Etzion, einer Siedlung nur für Juden im Westjordanland, ver-schwunden sind, bedrängt Is-rael die vier Millionen Palästi-nenser, die bisher schon unter seiner Knute leben. Die Soldat-en stürmen durch ihre Städte, durchstöbern ihre Häuser und zivilen Institutionen, machen nächtliche Razzien bei Fami-lien, stehlen deren Eigentum, entführen, verletzen und töten. Flugzeuge werden losgeschickt, um Gaza zu bombardieren, wie-der und wieder, um noch mehr Häuser und Institutionen zu zer-stören und außergerichtliche Tö-tungen vorzunehmen.

Kinder getötetBis 1. Juli wurden mehr als 570 Palästinenser festgenommen und ins Gefängnis geworfen, darunter vor allem auch Samer Issawi, der Palästinenser, der mit einem 266 Tage dauern-den Hungerstreik gegen seine willkürliche Inhaftierung pro-testiert hatte und entlassen worden war. Mindestens 10 Palästinenser wurden getötet, einschließlich dreier Kinder, ein-er schwangeren Frau und eines schwachsinnigen Mannes. Hun-derte wurden verletzt, Tausende terrorisiert. Büros von Univer-sitäten und Wohlfahrtsorganisa-tionen wurden durchsucht und geschlossen, ihre Computer und sonstige Geräte zerstört oder gestohlen und sowohl private als auch offi zielle Dokumente ziviler Organisationen beschlag-nahmt.

Offi zielle PolitikDieses rücksichtslose Vorgehen ist offi zielle Politik des Staates, ausgeführt durch das Militär, und schließt die Gewalt gegen Personen und Sachen, die von paramilitärischen israelischen Siedlern ausgeht, nicht ein. Auch deren andauernde Ang-riffe auf palästinensische Zivilis-ten haben in den vergangenen Wochen zugenommen. Und nun, nachdem der Tod der ju-gendlichen Siedler bestätigt ist, hat Israel Rache geschworen. Naftali Bennet, der Wirtschafts-minister, sagte: „Keine Gnade für die Kindermörder. Jetzt ist die Zeit für Taten, nicht für Worte.“

Keine BeweiseObwohl keine der palästinen-sischen Gruppen die Verant-wortung für die Entführung über-nommen hat und die meisten, vor allem die Hamas, jede Verbindung dazu verneinen, beharrt Benjamin Netanjahu darauf, dass Hamas dahinter stecke. Die Vereinten Nationen forderten von Israel Beweise für diese Behauptung, aber bisher sind keine vorgelegt worden, was Zweifel an Israels Darstel-lung weckt, insbesondere ange-sichts der öffentlich geäußerten Wut über die jüngste Einigung zwischen den palästinensischen Fraktionen und Präsident

Khalil Abed Hassan Ammar, ein Arzt des Palestinian Medical Council und Bewohner

eines der angegriffenen Häuser, sagte gegenüber Amnesty International:

“Es war schrecklich.Wir konnten niemanden retten. … Alle Kinder sind verbrannt,

ich konnte nicht erkennen, welche meine Kinder waren oder die meiner Nachbarn.”

International Solidarity Movementpalsolidarity.org

Obamas Anerkennung der neuen palästinensischen Ein-heitsregierung.

Keine Reaktion Im Westen haben die Schlag-zeilen über den Bildern der drei israelischen Jugendlichen das israelische Terrorregime in Paläs-tina beschönigend als „Fahnd-ung nach den Tätern“ und „mil-itärische Razzien“ dargestellt.

Portraits der unschuldigen jun-gen Israelis wurden von den Nachrichtenagenturen verbre-itet, und die Stimmen der Eltern wurden in ihrem ganzen Kum-mer zur Geltung gebracht. Die USA, die EU, Großbritannien, die UNO, Kanada und das Inter-nationale Komitee vom Roten Kreuz (IRK) haben die Entfüh-rung verurteilt und forderten die sofortige und bedingungslose Freilassung der Jugendlichen. Nach Auffi nden der Leichen er-goss sich eine mediale Welle der Verurteilung und des Mitgefühls.Präsident Obama sagte, „als Vater kann ich mir das unbesch-reibliche Leid nicht vorstellen, das die Eltern dieser Jugendli-chen mitmachen. Die Vereinig-ten Staaten verurteilen diesen sinnlosen Akt des Terrors gegen unschuldige Jugendliche aufs Schärfste.“ Obwohl Hunderte palästinensischer Kinder durch Israel entführt, brutal behandelt und getötet werden – etliche al-lein in den vergangenen

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Page 5: Tatwir 1. Ausgabe

„Wir wissen nur zu gut, dass

unsere Freiheit unvollstän-

dig ohne die Freiheit der

Palästinenser ist.“ Nelson Mandela

zwei Wochen –, gibt es kaum je, wenn überhaupt, eine ähnliche Reaktion der Weltöffentlichkeit.

Klare BeweiseKurz vor dem Verschwinden der jungen Siedler wurde der Mord an zwei palästinensischen Jugendlichen von einer örtli-chen Überwachungskamera festgehalten. Klare Beweise, einschließlich der aufgefun-denen Gewehrkugeln und der CNN-Filmaufnahmen, die den israelischen Scharfschützen zei-gen, wie er in genau dem Mo-ment abdrückt, als einer der Jungen erschossen wurde, zei-gen, dass sie von israelischen Soldaten kaltblütig ermordet wurden.

Barbarische BelagerungEs gab keinerlei Verurteilung oder Rufe nach Gerechtigkeit für diese Jugendlichen von Seiten führender Politiker oder internationaler Institutionen, ke-ine Solidarität mit den trauern-den Eltern, keine Erwähnung der über 250 palästinensischen Kinder, die aus ihren Betten heraus oder auf ihrem Schul-weg entführt wurden, die im-mer noch ohne Anklage oder Prozess, physisch und psychisch gefoltert, in israelischen Gefän-gnissen schmachten. Ganz zu schweigen von der barbarisch-en Belagerung des Gazastreif-ens oder den Jahrzehnten des anhaltenden Diebstahls, der Ausweisungen, der Angriffe auf Bildungseinrichtungen, des Landraubs, der Hauszerstörun-gen, des Systems farblich un-terschiedlicher Passierscheine, der willkürlichen Verhaftungen, Bewegungseinschränkungen, Kontrollposten, außergerichtli-chen Tötungen, Folter und Zu-trittsverboten an jeder Ecke, die die Palästinenser in isolierte Ghettos zwingen. Nichts davon scheint von Bedeutung.

Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.

Erschienen am 3. Juli 2014 auf > The Hindu > Mit Dank übernommen vonwww.kritisches-netzwerk.de (Artikel),Übersetzung von Jürgen Jung

tatwir welt

WIR ERINNERN ...Graz im Sommer 2014

WIR ERINNERN ...Israel im Sommer 2014

Während Gaza von der israelischen Ar-mee bombardiert wird, Menschen ihr Leben verlieren, El-tern ihre Kinder ver-lieren, machen sich israelische Zionisten eine Freiluftshow daraus. Im Hintergr-und erleuchten die Bomben auf Gaza die Nacht.

Foto: Haber Journal

Foto: Haber Journal

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Foto: Haber Journal

Foto: Haber Journal

Page 6: Tatwir 1. Ausgabe

ÄGYPTENtatwir welt

In Ägypten wurden 2012 de-mokratische Wahlen abge-halten. 52% der wahlberechtig-ten Bevölkerung entschied sich für Mohammed Mursi, den Kan-didaten der muslimischen Frei-heits- und Gerechtigkeitspartei. Mursi wurde nach gröberen innenpolitischen Turbulenzen durch einen Putsch des Militärs in eine Gefängniszelle katapul-tiert, wo er unter drei Anklagen jeweils mit Höchststrafe Todesur-teil, einsitzt.

Militarist Sisi überziehtdas Land mit brutaler RepressionIn Folge wurden auf Befehl des Ex-Armeechefs und jetzigen Staatspräsidenten Abdelfattah Sisi Tausende inhaftiert und un-ter Folter gezwungen, Taten zu gestehen, die sie nie begangen hatten.

Auch heute verschwinden täglich Menschen. Sogar Mütter mit ihren Babys werden von den Militärs entführt, Angehörige suchen vergebens nach ihnen. Gerichtsverfahren gegen Op-positionelle, unter ihnen viele aus der Muslimbrüderschaft, werden als Schauprozesse ab-gehalten.

683 Todesurteile wurden mit ei-nem Schlag im April 2014 ver-hängt, 529 Todesurteile einen Monat zuvor, weitere 715 Per-sonen stehen unter Anklage in einem weiteren Massenprozess. Brutale Repression bestimmt das Leben der ÄgypterInnen. Wer sich nicht offen zum Sisi-Regime bekennt, gerät unter Verdacht einer oppositionellen Vereinigung anzugehören und riskiert für sich und seine Fami-lie schlimme Repressalien. Mehr als 1.400 Menschen wurden im Zuge solcher Repression getötet, mehr als 15.000 inhaftiert.

Menschenrechtsorganisationen sprechen von 1.800 Kindern, die allein zwischen Juli 2013 und August 2014 gefangen genom-men wurden.

Seit 2012 gibt es im Land kein Parlament mehr. Die von Sisi an-gekündigten Parlamentswahlen wurden mehrmals verschoben. Der zuletzt angesetzte Termin war diesen März. Sisi hat bis zu den Wahlen auch die Legisla-tivgewalt inne, kann also nach seinem Willen Gesetze verab-schieden. So hat er die Befug-nisse der Militärgerichte ausge-dehnt.

Sie verurteilen hemmungslos Zi-vilistInnen und haben bereits hunderte Todesurteile gefällt. Als “in der jüngeren Geschichte beispiellos” hat dies die UNO bezeichnet.

Staaten wittern GeschäfteWurde das Sisi-Regime in seinen Anfängen von diversen Regier-ungen zumindest mit Distanz betrachtet, sind mittlerweile alle Dämme gebrochen. Russ-lands Putin wird das erste Atom-Kraftwerk in der Region Dabaa bauen. Als einer der ersten Sisi-Freunde hat der russische Prä-sident die strategische Lage Ägyptens im Auge. Das Mit-telmeer ist als Verbindung zum Schwarzen Meer für den russisch-en Flottenstützpunkt auf der Krim wichtig. Genug Waffen werden ebenso die Seiten wechseln, zur Freude der in Ägypten alles do-minierenden Militärs.

Für das Deutsche Auswärtige Amt hat sich das Wirtschafts- und Investitionsklima „seit Mitte 2013 positiv entwickelt“. Deutschland ist der zweitgrößte Exporteur nach Ägypten, vor den USA und nach China.

CASHmit demDiktator

RABIA Demo: Brutalste Hinrichtungen in Kairo

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Foto

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Page 7: Tatwir 1. Ausgabe

CASHmit demDiktator

CASHmit demDiktator

Mitte März haben Frau Merkel und SPDs Gabriel den Militarist Sisi sogar persönlich eingeladen. „Von der Stabilität Ägyptens hängt die ganze Region ab“ sagte der deutsche Sozialde-mokrat, obwohl „die Stabilisier-ung von Militärdiktaturen nur begrenzte Freude auslöst“. Er bleibt also freudefähig, angesi-chts der erwarteten milliarden-schweren Aufträge für Siemens.

Griechenland und Zypern planen gemeinsam mit Ägyp-ten und - ohne Skrupel - mit Israel eine Wirtschaftszone in der Ägäis und im östlichen Mit-telmeer. Dabei soll es um die Ausbeutung und den Transport von Erdgas und –öl, als auch um die „Bekämpfung terroristischer Gruppen und ihrer Unterstützer“ gehen, was Sisi besonders gefällt.

Außenminister Kotzias aus der linken Syriza ist gerne bereit auf dem vom sozialdemokratisch-en Vorgänger bereiteten Weg weiterzugehen. Dass es einst auch in Griechenland eine Mil-itärdiktatur gab, die grausamst jede Opposition, allen voran linke AntifaschistInnen verfolgte, hat er genauso vergessen wie die unter ägyptischer Blockade Hungernden im Gaza-Streifen. Im letzten Sommer noch hatte das Linksbündnis Syriza gegen das israelische Bombardement auf Gaza demonstriert.

Bei der propagandistisch auf-geblähten Wirtschaftskonferenz Anfang März in Sharm el-Sheikh versammelten sich internatio-nale Großkonzerne wie GE, Siemens, Thyssen-Krupp, BP, ENI, Coca-Cola, Lafarge sowie chinesische und arabische Un-ternehmen. Schon vor der Kon-ferenz wurde der Ölgigant Groß-britanniens BP mit dem zwölf Milliarden Dollar Investmentvol-umen umfassenden Ölförder-projekt ‘West Nile Delta Projekt’ bedacht. Eine Verneigung vor der ehemaligen Kolonialmacht.

Mit „Ich bin nur einen Telefonan-ruf entfernt“ wirbt Christine La-garde, die französische Chefi n des Internationalen Währungs-fonds, um die Zusage Sisis zur Mitgliedschaft im IWF.

Golfstaaten undUSA stützen die MilitärsSisi setzt lieber auf die Gelder aus den Golf-Staaten. Diese Beziehungen haben sich seit dem Sturz Mursis bestens ent-wickelt. 12 Billionen Dollar sollen aus Saudiarabien, den VAE und Kuwait in Sisis Kassen gewandert sein. Sisi weiß, was den Monar-chen besonders gefällt: Die mil-itärische Handreichung für ihre Interessen im Jemen und die Bekämpfung der Muslimbrüder-schaft.

Sie hat mit ihrer Strategie der Gewaltfreiheit und Teilnahme am demokratischen Prozess wesentlich höhere Chancen auf Sympathien unter Muslimen als Regimes, die mit heuchlerischen Despotien kooperieren.

Nach dem Militärputsch wurde die Muslimbrüderschaft in Ägyp-ten zur „Terrororganisation“ deklariert und in einen Topf mit Daesh (ISIS) geworfen. Dort rührt Barak Obama um, der Sisi schon im September 2014 getroffen und ihm zehn Apache-Hub-schrauber als Willkommensge-schenk für den „Kampf gegen den Terror“ zugesagt hatte.

Aktuell werden F-16-Kampffl ug-zeugen, Raketen und Ausrüs-tungen für Abrams-Panzer ge-liefert. Obama will eine jährliche Militärhilfe in Höhe von 1,3 Mil-liarden Dollar gewähren.

Die US-Regierung freut sich über einen Kriegsbüttel, der je nach Bedarf mobilisiert werden kann, wie aktuell im Jemen. Sisi, des-sen Verbindungen zur Führung der US-Armee und zum Ver-teidigungsministerium als aus-gezeichnet gelten, ist die pas-sende Figur für den Einsatz in Stellvertreterkriegen.

Krieg ist Profi tNoch immer geht es ums Öl, um die reichhaltigen Ressour-cen der arabisch-afrikanischen Erde und um die zentrale strat-egische Lage. Die entscheidet im Wettlauf um Absatzmärkte und Ressourcen, über schnelle Verkehrswege nach Asien, Af-rika und Europa.

EU-AnalystInnen verstehen sel-ten die US-Strategie im ara-bischen Raum. Dabei hat die Weltmacht von Sykes, Pikot und Lawrence gelernt:

Fortsetzung - nächste Seite

CASHmit dem

ÄGYPTEN

tatwir welt

RABIA Demo in Ägypten

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Page 8: Tatwir 1. Ausgabe

tatwir welt

ÄGYPTENÄGYPTENCASHmit demDiktator

Einzelne Gruppen und Staaten fördern, in Abhängigkeit brin-gen, gegeneinander aufbrin-gen, ausspielen, dann wieder fallenlassen und das Spiel wie-der von vorne beginnen, mit anderen oder denselben Ak-teuren. Das Ziel bleibt dabei im-mer dasselbe.

„Kontrolle durch Krieg“, ist das Motto dieser Strategie. Die in-ternationale Waffenindustrie profi tiert von den regionalen Kriegsszenarien. Die geschürte künstliche Gegnerschaft zwisch-en Sunniten und Schiiten über das Vormachen einer iranischen Gefahr für Saudiarabien verhalf den amerikanischen Rüstung-skonzernen zu ihrer Größe und den USA zu ihrer Weltmacht.

Denn Saudiarabien kaufte den US alles ab, am meisten Kriegs-gerät. Heute ist es dafür ab-gestellt, mit der einen Hand Szenarien wie Daesh zu fördern und fi nanzieren, um sie mit der anderen Hand zu bekämpfen.

Die deutsche Stiftung Wissen-schaft und Politik (SWP) emp-fi ehlt nicht umsonst die „Reinte-gration der Muslimbrüderschaft in den politischen Prozess“, weil für die „Stabilisierung und wirtschaftliche Entwicklung un-abdingbar“. Zudem sieht die SWP eine Veränderung der Ar-mutsrate (€ 40 im Monat), Arbe-itslosigkeit (Jugendliche 40 %), und Korruption durch die an-gekündigten Großprojekte der Regierung nicht gegeben.

Wer unter der Rückkehr der Militärs am meisten leidet, sind die einfachen Leute. Verheizt als Soldaten in bizarren Bruder-kriegen, eingekerkert bis ans Lebensende, hungernd in den Straßen der Millionenstädte und im rundum blockierten Gaza-Streifen.

Wer denkt schon daran, wenn es CASH gibt vom Diktator?

Helga Suleiman aufhaberjournal.at/de

FriedlicheAlternativen unerwünschtÄgypten, das seit Sadat völlig in US-Abhängigkeit gehaltene Land, drohte durch die Revo-lution die Leine abzuschütteln und sich ein eigenständiges Pro-fi l in der Region und Staatenge-meinschaft zu erarbeiten. Allein, dass sich Ägypten unter Mursi als anerkannter Vermittler in Sa-chen Palästina Anerkennung verschaffte, bereitete den US-is-raelischen think-tanks schweres Kopfzerbrechen.

Die Regierung unter Mursi hätte eine Alternative zu Daesh & Co präsentiert. Mittelfristig wäre Frieden in der Region wahrs-cheinlicher geworden. Einfl uss und Profi t der EU wären auf mehreren Ebenen gestiegen.

Fortsetzung

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Foto: Haber Journal

Page 9: Tatwir 1. Ausgabe

ÄGYPTEN

Dass diese Studentinnen ein Kopftuch tragen, kann keine Ausrede dafür sein, sie nicht zu unterstützen. Es ist auch nicht von Bedeutung, ob die jungen Frauen Anhängerinnen der Mus-limbrüderschaft sind oder nicht. Viel wichtiger ist, dass sie für die Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Mursi, für Demokra-tie und Freiheit kämpfen.

Ich bin Studentin und schreibe dies an alle Frauen weltweit: Vor der Revolution vom 25. Januar 2011 und während der Herrschaft des Diktators Mubarak, der von USA und EU unterstützt wurde, ereignete sich ein Vorfall. Aufgrund eines Mordes in einer Siedlung wurden von der Polizei viele Menschen verhaftet. Darunter auch dieses eine Mädchen aus dem Video 1. Die Untersuchungen sollten laut Polizei schnell ausgeführt werden und der Mörder ausfi n-dig gemacht werden. Ob der Verdächtige auch der wahre Mörder ist, spiele keine Rolle, so die Polizei.

Sexuell belästigtund vergewaltigtDem verhafteten Mädchen wird zum Verhängnis, dass sie aus ärmlichen Verhältnissen kommt und keine Verwandten hat, die bei Polizei oder Armee, in den Medien oder der Justiz beschäftigt sind. In einer Po-lizeistation wird sie von brutalen Männern gefoltert. Sie behaupt-en Muslime zu sein. Von einem Wächter der den Eingang kon-trolliert, wird sie zuerst sexuell belästigt und anschließend vergewaltigt.

An die Studentinnenaus aller Welt

Was Studentinnenin Ägypten passiert,

seht ihr in diesen Videos:

Video 1:www.youtube.com/watch?v=clRQOkBRGDE

Video 2:www.youtube.com/watch?v=06LqRm06mUg

Achtung! Videos ab 18+

Symbolfoto: Muslimvillage.com

SchwangerSie wird schwanger, doch die Täter, unter ihnen ein Offi zier leugnen ihre Straftat.

Belohnung für den TäterDas Innenministerium belohnt diesen Mann anstatt ihn zu ver-urteilen und beauftragt ihn Mit-glieder der Muslimbrüderschaft festzunehmen und zu foltern, weil sie sich für die Rechte die-ses Mädchens einsetzten.

Verhaftet-ohne Beweisegeschlagenbelästigtvergewaltigt

“Ob der/die Verdächtige auch der wahre Mörder ist,spielt keine Rolle, ...”

(Polizei)

Was Studentinnenin Ägypten passiert,

Was StudentinnenWas Studentinnenin Ägypten passiert,

tatwir welt

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Foto: Haber Journal

Page 10: Tatwir 1. Ausgabe

März 2003Völkerrechtswidrig begannen die USA, Großbritannien und 43 weitere Staaten am 20.3.2003 mit der Bombardierung des Irak. Anlässlich des 12. Jahrestages veröffentlichten die Internation-alen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) eine Stud-ie mit dem Titel „Body Count“* zur Gesamtzahl der Todesopfer der Kriege in Afghanistan, Paki-stan und dem Irak.

Studie belegt:Moderne Waffen sindMassenvernichtungswaffen

In einem Interview sprach der Studien-Verantwortliche Jens Wagner über seine Motivation: Die Friedensbewegung unter-schätze das Ausmaß der Zer-störungskraft moderner Waffen!

Wagner, der auch über den Vietnamkrieg Untersuchungen angestellt hatte, bezweifelte die offi ziellen Angaben über im Irak Getötete von Anfang an. Offi zielle Quellen sprachen von 10-100.000 Toten zwischen 2003 und 2008. Wagner ging von ein-er Million aus und seine Kalku-lation bestätigte sich durch eine medizinische Studie, nach der bereits 2006! mehr als eine halbe Million Menschen durch Waffengewalt umgekommen waren.

Der Friedensforscher hat ge-meinsam mit Spezialisten für Irak, Afghanistan, Pakistan und den Drohnenkrieg Datenmate-rial gesammelt und bereits 2001 eine Bilanz der Toten des „Kriegs gegen den Terror“ herausgege-ben. Durch Daten von 2013/14 ergänzt wurde die Studie jetzt neu aufgelegt.

Wer verantwortlich istFür Wagner sind die Opfer von ISIS und anderen Bürger-kriegsszenarien späte Opfer des „Krieges gegen den Terror“. Die Zerstörung der staatlichen Struk-turen hat diese Bürgerkriegssze-narien zu verantworten.

Wie überhaupt der Friedens-forscher zum Schluss gelangte, dass Terrorismus entweder das Resultat von Unterdrückung und sozialer Ungerechtigkeit ist oder als verdecktes Instrument von Geheimdiensten und mächti-gen Interessensgruppen, d.h. Staaten eingesetzt wird, um Vorherrschaft zu sichern.

Es geht dabei um geopolitische Macht, wirtschaftliche und fi -nanzielle Interessen, beispiels-weise die Stabilisierung des Dol-lars durch die Erdölwirtschaft.

Opfer des ‚Kriegs gegen den Terror‘ sind unzählbarSie belegt, dass mindestens 1,3 Millionen unbeteiligte ZivilistIn-nen ihr Leben in diesem Krieg verloren haben.

Wagner betont, dass das wahre Ausmaß der Getöteten viel höher ist, da all die Men-schen, die in Folge des Krieges durch Hunger, zerstörte Umwelt, mangelnde medizinische Ver-sorgung starben und sterben, nicht gezählt werden können.

Die Schäden der Verseuc-hung ganzer Landstriche mit angereichertem Uran und die Folgen der amerikanisch-en Chemiewaffeneinsätze beispielsweise in Fallujah im Irak sind dabei unermesslich.

WIR ERINNERN ... IRAKtatwir welt

Studie: www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Body_Count_fi rst_international_edition_2015_fi nal.pdf

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Foto: Haber Journal

Page 11: Tatwir 1. Ausgabe

tatwir literarischtatwir literarisch

Es war ein weiterer eiskalter Abend. Dichter, gespenstiger Nebel lag über den Landschaften. Plötzlich riss mich der Wind aus meinem schläfri-gen Zustand und ich fi ng langsam an, hin und her zu schaukeln. Auch die anderen Blätter in meiner Nähe begannen mit dem Wind zu tanzen.

In einer synchronen Bewegung baumelten wir noch eine Weile, bis wir schließlich unsere Plätze einnahmen. Ich bemerkte, dass einige meiner Freunde und Geschwister fehlten und nicht mehr an ihrem Ast hingen. Besorgt schaute ich mich um und sah, dass mehrere von ihnen auf dem Boden lagen, andere sanken ungebremst herab. Der Anblick schmerzte...

„Worüber denkst du schon wieder nach?“ fl üsterte mir ein kleines Blatt zu. Ich wollte es zu dieser späten Zeit nicht mit meinen sorgenvol-len Gedanken belasten und entgegnete: „Über nichts Wichtiges.“ Es erwiderte: „Ach was, ich sehe doch, das was nicht stimmt!“

So fühlte ich mich gezwungen zu erzählen, was mir am Herzen lag: “Siehst du nicht, was hier Schreckliches passiert und wie sich alles verän-dert? Wie die Tage kürzer geworden sind und die Nächte kälter? Wie wir jeden Tag unsere Freunde und Geschwister verlieren? Weil sie zu schwach geworden sind, um sich noch länger am Baum zu halten?“

Ein Gesprächunter Blättern

„Natürlich sehe ich das, und auch mich macht es sehr unglücklich. Doch ich versuche mich mit den Erinnerungen an die schönen Tage, die wir alle miteinander hatten, zu trösten. So lenke ich mich ab.“

„Ich versuche mich auch mit den Erinnerungen an die schönen, warmen Sommertage aufzuheit-ern, doch es gelingt mir nicht, da ich Angst davor habe, was mich auf dem Boden erwartet.“ „Ich würde dir gerne helfen, weiß aber nicht wie ... .

Du solltest dich damit anfreunden, denn es ist vorgegeben, dass wir alle an Kraft verlieren und uns irgendwann nicht mehr festhalten können. Aber vergiss nicht: Jedes Ende ist gleichzeitig auch der Beginn von etwas Neuem.“

Die Worte des kleinen Blattes wirkten sehr weise auf mich und so hatte ich mir vorgenommen, mir keine Gedanken mehr über unsere Vergänglich-keit zu machen.

R.Ö., 16 Jahre ♀

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Ort: Kairo,im Hof der SultanHassan Moschee nach dem Morgengebet.

Datum: Juni 2020.

Die Personen:zwei Frauen, die bes-cheidene Kleidung tra-gen, mit ihnen sind ihre Ehemänner und ihre fünf Kinder, alle sprechen Ara-bisch. Die Männer und die Jungen verrichten das Gebet mit mir und meiner Familie.

tatwir literarisch

Ich habe einen Traum

Nach dem Gebet beginnen die Kind-er ein Spiel mitein-ander. Mir kommen die beiden Frauen so bekannt und den-noch unbekannt vor und so fasse ich mir ein Herz und frage:Sind Sie nicht Sasha und Malia?Sasha: Ja, das sind wir.Ich: Sind Sie nicht die Töchter des ehema-ligen US-Präsidenten Obama?

Malia: Ja.Ich: Was machen Sie in Ägypten, dem Herzen der arabischen und islamischen Welt, aber auch dem Herzen der alten und der aktuellen Welt? Sind Sie Muslime? Seit wann sprechen Sie Arabisch?Wie und wie und wie ?Sasha: Gerne geben wir Ihnen Antwort.Wir sind Christen und verheiratet mit Muslimen.

Ich blicke sie erstaunt an.Sasha fährt fort:Wie Sie wissen, hatte unser Vater islamische Wur-zeln. Wir haben die Welt durch ihn kennengelernt. Er gab uns oft den Eindruck, dass er den Glauben seiner muslimischen Vorfahren aufgegeben hatte, nachdem er gelesen, verglichen und ent-deckt zu haben glaubte, dass der Islam falsch sei, dass er die Ursache für Rückstand und Elend in der Welt ist. Er betrachtete ihn als Stolperstein am Weg zur westlichen Zivilisation.

In diesem Moment wache ich auf. Zu erschreck-end waren diese Worte für mich. Doch nachdem es ja nur ein Traum war, drehe ich mich auf die andere Seite. Langsam schlafe ich wieder ein und wieder träume ich:

Die jungen Frauen Sasha und Malia sitzen mit ihrem Vater im Garten des Weißen Hauses beim Nachmittagstee. Es ist das Jahr 2015, nachdem der demokratisch gewählte, aber danach durch das Militär geputschte Präsident Mursi wieder in sein rechtmäßiges Amt zurückgekehrt war.

Malia: Papa, wie ist Mursi nun doch wieder Prä-sident geworden? Hast Du nicht zugestimmt, als Deine Berater Dir versicherten, dass er ein Terror-ist ist? Warum hast Du nichts dagegen unternom-men, dass er nun doch wieder Präsident Ägyptens ist? Obama: Liebling, es ist das Volk, das unwis-sende Volk, das nicht das Richtige vom Falschen zu unterscheiden weiß und nicht weiß, was seine Interessen sind.

Sasha: Was sind die Interessen des ägyptischen Volks, Papa?Obama: Natürlich die gleichen wie unsere.Malia: Und warum?Obama: Weil wir die Welt besser verstehen, weil wir mehr Wissenschaft, mehr Kommunikationsmit-tel, mehr Kapital haben und, was am wichtigsten ist: wir die höchste Stufe der menschlichen Zivili-sation erklommen haben. Die Demokratie, die Menschenrechte, der freie Markt, alles das sind Verdienste der USA und der westlichen Welt. Sasha: Dad, ich kann diese Behauptung ohne Dis-kussion nicht akzeptieren. Die ägyptische Zivilisa-tion ist eine der ältesten Zivilisationen überhaupt. Ohne diese Geschichte würde es auch unsere nicht geben! Malia: Findest Du das ägyptische Volk deshalb so unwissend, weil die meisten Muslime sind?Obama: Vielleicht.Sasha: Aber meine Großmutter und mein On-kel sind auch Muslime oder? Manche Leute be-haupten, dass alle Muslime Terroristen sind. Sind sie auch Terroristen?Obama: Nein, natürlich sind sie keine Terroristen und nicht alle Muslime sind Terroristen. Aber ...

Teil 1

vonAbdullah An-Nemsawy

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Hussein Allam - CC BY-SA 2.5

Page 13: Tatwir 1. Ausgabe

tatwir literarisch... doch viele von ihnen werden Terroristen, wenn sie Gelegen-heit dazu bekommen. Siehst du nicht, was sie in Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen, Mali und Nigeria tun?Malia: Hast du aber nicht verspro-chen, das Gefangenenlager in Guantanamo zu schließen? Sind Afghanen in Amerika eingefallen oder sind wir diejenigen, die zu ih-nen gekommen sind?

Sasha: Was ist mit dem Erdöl und den Bodenschätzen? Stimmt es, dass einige afrikanische Länder

Verträge mit unseren Unternehmen abschlossen und wir ihnen erst nach 10 Jahren eine Gegen-leistung gaben?Malia: Und in einigen Fällen sogar erst in 20 oder 30 Jahren?Obama: Es ist unser Wissen, unsere Arbeit und unser Fortschritt. Wir können, ja wir müssen etwas dafür verlangen.Sasha: Es sind ihre Reichtümer, ihre Bodenschätze und ihre Länder.Obama: Ohne uns würden sie nicht in der Lage sein, einen einzigen Tropfen Erdöl zu fördern und sie würden im Dunkel ihrer Unwissenheit stecken bleiben.Malia: Ohne den Bodenschatz Erdöl könnten die amerikanischen Drohnen nicht fl iegen, um un-schuldige Menschen in Afghanistan, im Jemen und im Libanon grundlos zu töten.Sasha: Und immer sind die Opfer Muslime.Obama: Nicht nur Muslime, die Opfer sind von jeder Bevölkerungsgruppe.

Malia: Der Islam ist keine Ethnie. Er ist eine Religion.Obama: Was meinst du damit?Sasha: Es gibt muslimische Araber und nicht-muslimische. Es gibt auch muslimische Inder, eu-ropäische Muslime und amerikanische Muslime.Obama: Schlimm genug. Meine Berater, die allesamt Experten und erfahrene Leute sind, ha-ben mir versichert, dass der Islam eine Religion des Terrors ist. Er fördert Extremismus, verachtet Frauen und schränkt Freiheiten ein.Malia: Wir haben ihnen keine Chance gegeben, damit sie die Demokratie üben, aber wir haben die Errichtung von Diktaturen erlaubt, und wir ha-ben mit diesen Diktaturen statt mit den Völkern verhandelt. Schau nach Ägypten! Als der musli-mische Demokrat Mursi geputscht wurde, haben

die USA den Putsch unter-stützt. Als die muslimische Partei Hamas in Palästina de-mokratisch gewählt wurde, wurde die Wahl des Volkes einfach nicht respektiert.Obama: Wann war das?Sasha (müde): Dad, ich sehe eine Menge von Vergesslich-keit oder möchtest du dich nicht daran erinnern? Und nicht nur die USA: Was hat Frankreich gemacht, nach-dem das Volk eine isla-mische Partei zur stärksten Kraft gewählt hat? Michelle Obama: Und was ist mit den Frauen? Sie werden unterdrückt, zwangsverhei-ratet und sogar beschnitten!Malia: Glaubst du noch im-mer an diesen Unsinn? Unter-scheidest du nicht zwischen Tradition und Religion?

Siehst du nicht den Familienzusammenhalt in muslimischen Familien, den Respekt gegenüber den Frauen und den Müttern, wie es die Religion vorschreibt?

Obama (richtet seine Worte an seine Frau): Wie konnte das passieren? Woher haben die Mäd-chen all diese Lügen?Mutter: Es ist der neue Mitarbeiter im Weißen Haus, der vor ein paar Monaten eingestellt wurde. Mis-ter Ahmed, er ist arabischer Herkunft. Malia und Sasha haben ihn und seine Familie ein paar Mal besucht.Obama: Warum hast du mir nichts über die Mei-nungen dieses Mannes gesagt? Das ist eine ern-ste Angelegenheit! Sag bloß, die Geheimdienste waren auch nicht informiert? Sasha: Willst du uns denn ausspionieren und ab-hören lassen?

Fortsetzung folgtin der nächsten Ausgabe von Tatwir!

Ich habe einen Traum

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Foto: Haber Journal

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tatwir KoLUmnEn

Islamheißt Friede

Schon das Wort Islam trägt in sich die gleiche Wurzel wie das arabische Wort für Friede, Salam, und der übliche Gruß, der jedem und jeder entboten wird, lautet “Friede sei mit dir” (Assalamu alaikum).

Der islamische Friedensbegriff ist weiters – so wie der jüdische und christliche – untrennbar mit den Begriffen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verknüpft.

In der islamischen Staatsrecht-slehre wird zwischen einem “Haus des Friedens” (Dar al-Islam) und einem “Haus des Krieges” (Dar al-harb) unter-schieden, das das (feindlich gesinnte) Territorium außerhalb der islamischen Welt bezeich-net.

Als vermittelnde Instanz zwisch-en diesen beiden Konzepten gibt es dann noch “Dar as sulh”, das Haus des (politischen) Frie-dens, in dem ein friedliches Zusammenleben auf vertragli-cher Basis (heute z. B. durch di-plomatische Beziehungen) ge-regelt wird.

Krieg undFrieden im Koran

Für ein richtiges Verständnis der entsprechenden Verse im Koran gilt es den historischen Kontext, den Zeitpunkt der Offenbarung, zu beachten. Laut Lise J. Abid kommt diesbezüglich der Sure 22, Vers 39 (“Die Erlaubnis (sich zu verteidigen) ist denen gege-ben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah.”) eine Schlüsselrolle zu. Dementspre-chend sind kriegerische Hand-lungen grundsätzlich nur zur Ver-teidigung erlaubt, alle anderen Aussagen zu diesem Thema ste-hen unter diesem Vorbehalt.

Im historischen Kontext wur-den der Prophet Mohammed s.a.w.s* und seine Gefolgsleute nach ihrer Flucht nach Medina (Hedschra) wiederholt von den heidnischen Arabern aus Mekka bedroht und angegriffen, und die muslimische Gemeinschaft wehrte sich gegen diese Ang-riffe großteils mit gewaltlosen, teilweise aber auch mit gewalt-samen Mitteln. Sowohl vor dieser Periode wie auch währenddes-sen und danach ist von gewalt-samer Reaktion keine Rede, vielmehr widerstanden Moham-med s.a.w.s. und die Muslime dem Druck und den Anfeindun-gen mit Geduld und Gewaltlo-sigkeit.

Auch von einem Auftrag zur Verbreitung des Islam durch Gewalt kann keine Rede sein, vielmehr heißt es im Koran: “Es sei kein Zwang im Glauben.” (2:256)

Der Dschihad

Der oft falsch mit “Heiliger Krieg” übersetzte Begriff Dschihad be-deutet eigentlich “Anstrengung für eine gute Sache” (großer Dschihad im Sinne des eigenen Einsatzes für die Werte des Is-lam) und kann in Verbindung mit der oben beschriebenen Grundvoraussetzung auch als “Kampf, höchster Einsatz” defi ni-ert werden – zur Verteidigung mit Waffengewalt (kleiner Dschi-had), aber nach der Interpreta-tion verschiedener muslimischer Gelehrter durchaus auch im Sinne eines gewaltfreien Kamp-fes.

Weiters zeigen verschiedene Koranverse, dass der Humanität auch im Kriegsfall große Be-deutung zukommt (z. B. bei der Behandlung von Kriegsgefan-genen, beim Umgang mit den materiellen Ressourcen der Be-siegten).

Schließlich wird auch öfters da-rauf hingewiesen, dass beim Einsatz moderner Massenver-nichtungswaffen nicht mehr zwischen Kämpfenden und Unbeteiligten unterschieden werden könne und deren Ein-satz deshalb verboten sei.

*s.a.w.s. ist eine Abkürzung arabischer Wörter und bedeutet “Friede und Segen seien mit ihm“

M.M., 17 Jahre ♂

Vielen gilt der Islam in der heutigen Welt als die Religion der Gewalt. Gewiss gibt es eine Menge gewaltsamer Taten, zu deren Rechtfertigung sich die Täter auf den Islam berufen. Aber das gab und gibt es in allen religiösen Traditionen – ebenso wie auch Ansätze und Beispiele zur Überwindung von Gewalt bzw. ihrer Delegitimierung in den Religionen. Wie also lässt sich das Verhältnis von Islam und Krieg von innen heraus kurz darstellen?

Islamund Krieg

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tatwir KoLUmnEn

Der Islam stehtnicht für Terrorismus

“Ein richtiger Muslim kann kein Terrorist sein!”

Der Islam hat mit Al Qaida und Co. nichts zu tun. Auch wenn westliche Politiker und islamisch maskierte Terroristen täglich das Gegenteil behaupten. Viele „Westler“ reden über den Ko-ran. Kaum einer hat ihn gelesen. Nur wenige „Westler“ wissen, dass der Islam Zivilisten unter seinen besonderen Schutz stellt.

Im Koran steht: „Wenn einer ein-en Menschen tötet, ohne dass dieser einen Mord begangen hat, so ist es, als habe er alle Menschen getötet. Und wenn einer einen Menschen rettet, so ist es, als habe er alle Menschen gerettet.“ In einer Überlieferung des Propheten Mohammed s.a.w.s.* heißt es: „Wer einem Juden oder Christen Unrecht tut, gegen den trete ich am Tage des Jüngsten Gerichts selbst als Ankläger auf.“

Islam ist eine Religion der Barm-herzigkeit und verbietet Terroris-mus. Der Prophet Mohammed s.a.w.s. hatte den Soldaten verboten, Frauen und Kinder zu töten und gab ihnen den Rat: Betrügt nicht, seid nicht maßlos, tötet nicht ein neugeborenes Kind.

Der Prophet Mohammed s.a.w.s. hat ebenfalls das Be-strafen mittels Feuer verboten. Er hat einst Mord als zweites aus der Gruppe der großen Sünden aufgelistet. Muslime werden sogar ermahnt gütig zu Tieren zu sein, und es wird ihnen verboten Tiere zu ver-letzen bzw. zu quälen.

Ein Mann gab einem sehr dursti-gen Hund etwas zu trinken. Für diese Tat vergab ihm Gott alle seine Sünden. Der Prophet wurde gefragt: Oh, Allahs Ge-sandter, werden wir für die Güte gegenüber Tieren belohnt? Er antwortete: Es gibt Belohnung für die Güte gegenüber jedem Lebewesen (Tier oder Mensch).

Es wird ersichtlich, dass das Einja-gen von Terror in die Herzen von wehrlosen Bürgern, die gesamte Zerstörung von Gebäuden und Grundeigentum, die Bombar-dierung und das Verstümmeln von unschuldigen Männern, Frauen, und Kindern verbotene und abscheuliche Taten gemäß dem Islam und den Muslimen sind. Muslime folgen einer Reli-gion des Friedens, der Gnade und der Vergebung und die ri-esengroße Mehrheit hat nichts mit den gewaltsamen Ereignis-sen zu tun.

*s.a.w.s. ist eine Abkürzung arabischer Wörter und bedeutet “Friede und Segen seien mit ihm“

M.O, 17 Jahre ♀

Aus diesem Grunde ha-ben Wir den Kindern Isra'ils vorgeschrieben: Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Men-schen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es', als ob er alle Men-schen am Leben erhält. Unsere Gesandten sind be-reits mit klaren Beweisen zu ihnen gekommen. Da-nach aber sind viele von ihnen wahrlich maßlos auf der Erde geblieben.

(Koran 5:32)

Terrorismus hat mit Islam so wenig zu tun wie Vergewaltigung mit Liebe. 99,9 % der Muslime der Welt lehnen die Ideen des IS ab. Sie brauchen sich daher auch nicht für den IS zu entschul-digen. Wir Christen entschuldigen uns auch nicht für Bush & Co.

Jürgen Todenhöfer - Journalist

M.O, 17 Jahre M.O, 17 Jahre ♀

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tatwir KoLUmnEn

Kulturelle(Miss)verständnisse

Es gibt keinen Zweifel daran, dass kulturelle Un-terschiede ein sehr wichtiges und interessantes Thema sind. Allerdings bringt es vor allem heu-tzutage Konfl ikte und Probleme mit sich.

Meistens sind es nur Kleinigkeiten oder Missver-ständnisse, die dann zu gröberen Schwierigkeiten führen. Zum Beispiel gab es vor einigen Jahren in unserer Siedlung einen erst vor kurzem hierher gefl üchteten muslimischen Migranten und einen älteren christlichen Österreicher.Diese begrüßten einander immer höfl ich. Jedoch verstand der Migrant statt „Grüß Gott“ „Jesus ist Gott“, was dazu führte, dass er den älteren Herrn nicht mehr grüßte. Denn im Islam darf man einen Propheten nicht mit Gott gleichstellen.

Die Welt sollte nicht nur in Schwarz-Weiß gesehen werden. Viele neigen dazu, von ihrer Kultur und Lebensweise so überzeugt zu sein, dass sie kein Verständnis für andere Sitten haben. Sie sind ver-schlossen gegenüber „Fremden“ und können bzw. möchten sie nicht annehmen. Was aber sehr schade ist, denn durch Austausch und die Bere-itschaft Anderes anzunehmen entsteht Neues.

In unserer Gesellschaft herrscht ein Gedankengut des Eiferns um Bessersein und des Wettkampfes. Wir arbeiten nicht zusammen, sondern allein; - wir sind Einzelkämpfer.Meist geht es bei diesen religiösen und kulturel-len Unterschieden um Vergleichen, Bewerten und sturen Subjektivismus. Wir müssen wegkom-men von dieser Grundeinstellung des Bewertens und des Vergleichs von Kulturen, Menschen, Reli-gionen, usw.

Wer kann schon entscheiden, ob es besser ist, Nikab zu tragen oder einen Bikini anzuziehen? Niemand, außer jede für sich selbst.

Um zusammenzufassen, läuft das alles auf zwei Grundprinzipien hinaus: Respekt und Toleranz.

Ich glaube, wir sollten dankbar für die Vielfalt un-serer Welt sein und sie viel mehr schätzen.Es liegt in unseren Händen, ob wir davon profi tie-ren oder achtlos damit umgehen.

F.S., 17 Jahre ♀

‘Grüß Gott’ oder ‘Jesus ist Gott’?

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Page 17: Tatwir 1. Ausgabe

tatwir KoLUmnEn

Ednan Aslan in GrazWas eine Muslimin darüber denkt

Mitte Jänner fand in den Räumlichkeiten der KF Uni Graz eine gut besuchte Diskussion zum Thema „Gibt es einen Islam österreichischer Prägung?“ statt, die vom Verein „Sicher leben in Graz“ verans-taltet wurde. Offi zielle SprecherInnen an diesem Abend waren neben Personen aus Polizeikreisen der Stadtrat für Bildung/Integration, die Vertreterin des Afro-Asiatischen Instituts und der Hauptvortra-gende Dr. Ednan Aslan, Univ. Prof. für Islamische Religionspädagogik aus Wien.

MuslimInnen weisen Aslans Islambild scharf zurückAus mehreren Gründen waren die anwesenden MuslimInnen unzufrieden darüber, dass in dieser Runde Herr Aslan als Vertreter der MuslimInnen in Österreich eingeladen wurde. Durch seine Aussa-gen repräsentiert er nicht die große Mehrheit der MuslimInnen. Ihrer Meinung nach, tut Aslan alles andere als Vorurteile abzubauen und ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Wie jedesmal, warf Aslan auch bei dieser Veranstaltung mit teilweise unvollständigen Koranversen um sich. Damit will er beweisen, dass diese Verse in den Augen von Ra-dikalen das Töten von Ungläubigen erlauben sol-len. Indem er aber nur und ausschließlich auf Inter-pretationen von Quran und Sunna durch radikale Stimmen zurückgreift, schürt er genau den Hass und Unfrieden weiter, den diese stiften wollen. Er präsentiert damit jenes Bild vom Islam, das IS und Sympathisanten gefällt.

Dass viele Organisationen in Europa, wie die Isla-mische Glaubensgemeinschaft oder die Muslim-ische Jugend Österreichs und viele andere kleine und größere muslimische Gemeinden mit solch einem Islambild gar nichts gemein haben, versch-weigt er. All die Anstrengungen von muslimischer Seite, wie Imame-Konferenzen, interreligiöse Dia-loge, soziales Engagement, Informationsveranstal-tungen, Tage der offenen Türen in den Moscheen, bleiben von ihm unerwähnt. So fördert er ein nega-tives Islambild in der österreichischen Öffentlichkeit und schürt, wie zuletzt in Graz, auf öffentlichem Boden Misstrauen und Missverständnisse zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen.

Islamgesetz stellt Muslime unterGeneralverdachtHeftig wurde an diesem Abend aus dem Publikum das neue Islamgesetz kritisiert, welches die

Ungleichbehandlung von Muslimen im Vergleich zu anderen anerkannten Religionsgemeinschaften festschreibt und Muslime unter Generalverdacht stellt. Prof. Aslan hat maßgeblich an diesem Gesetz mitgearbeitet. Er wünscht sich einen sogenannten „Islam österreichischer Prägung“, da dieser zum Erz-ielen von Neutralität innermuslimisch notwendig sei. Damit unterstellt er den Muslimen in Österreich, sie seien nicht neutral und tut so, als gäbe keinen Is-lam österreichischer Prägung, obwohl der seit 113 Jahren existiert, nämlich seit 1912, als das erste Is-lamgesetz in der Monarchie erlassen wurde. Seiner Meinung nach existiert keine Finanzierung aus an-deren Ländern, welche die Neutralität unberührt lässt. In einer öffentlichen Stellungnahme demen-tiert beispielsweise das Islamische Kultur Zentrum Graz auf seiner Homepage (www.islamgraz.org) diese Behauptung.

MuslimInnenwollen mitbestimmenMuslimInnen sind sich einig, dass sowohl Vereine wie „Sicher leben in Graz“ als auch der Staat und seine Institutionen MuslimInnen dazu einladen sol-len, ExpertInnen für Veranstaltungen, bei denen über „Islam und Muslime“ gesprochen wird, selbst zu wählen! Gerade in sensiblen Zeiten, wo Medien ihre Einschaltquoten und ihre Aufl agen mit reißerischen Berichten über Verbrechen im Namen des Islam er-höhen, wo Muslime durch Stereotypisierungen dis-kriminiert und auf offener Straße sogar tätlich an-gegriffen werden, ist es wider jede Vernunft durch einen Schwarz-Weiss-Maler wie Herrn Aslan weiter Öl in das Feuer zu gießen.

Muslime wollen RepräsentantInnen und ExpertIn-nen auf Podien und öffentlichen Veranstaltungen, die in den Gemeinschaften verankert sind und dort Anerkennung genießen. Sie wollen selbst bestim-men, wer für sie bzw. die überwiegende Mehrheit spricht. Die Einladung von Herrn Aslan ist ein Schlag vor den Kopf für all jener Muslime, die den Islam ös-terreichischer Prägung schon jahrzehntelang hier leben.

Dieser Mann vertritt vielleicht die Interessen einer konservativen österreichischen Partei, aber sicher nicht die der Muslime in Graz und Steiermark.

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tatwir AUSTRIA

Das KPÖ Bildungszentrum in Graz hat am 19.2.2015 eine Podiumsdiskussion unter dem TitelKreuzzug für das Abendland - Antimuslimischer Rassismus im Zentrum der Gesellschaft verans-taltet.

DiskutantInnen am Podium waren Farid Hafez, Benjamin Opratko und Inva Kuhn. Ihr Buch An-timuslimischer Rassismus: Auf Kreuzzug für das Abendland ist im Verlag Papyrossa erschienen.

Vor ca. 70 Zuhöre-rInnen begann Inva Kuhn ihren Beitrag mit einem Zitat: „Der Muslim ist der Mensch, den die anderen als sol-chen betrachten“ in Abwandlung eines Zitats von J.P. Sartre, der 1946 sel-biges über JüdIn-nen gesagt hatte und damit meinte „Der Antisemit macht den Juden“. Das trifft heute auf den Muslim zu.

Denn Islamfeindlichkeit macht den MuslimDiese Islamfeindlichkeit besagt alles Mögliche über den Muslim. Dieses „alles Mögliche“ ist ein Wissen, das nur in Stereotypen vermittelt wird. Es geht um Verwertbarkeit. Die Wahrnehmung des Muslim hat Auswirkungen auf Verteilungskonfl ikte, zum Beispiel am Arbeitsmarkt: Wer bekommt die Jobs zuerst? Der Muslim/die Muslimin nicht. Oder: Ob am Arbeitsmarkt oder in der Schule, ständig müssen sich Muslime für die Taten von Terroristen rechtfertigen. Eine Normalität wird den Muslimen nicht zugestanden.

Jetzt kann man allesauf ‘den Muslim‘ schiebenBenjamin Opratko geht näher auf den Begriff des Rassismus ein. Er hat festgestellt, dass der an-timuslimische Rassismus kein exklusives Vorrecht der rechten Parteien ist. Rassismus ist ein gesell-schaftliches Verhältnis und nicht die Frage von bösen oder ahnungslosen Menschen. Rassismus funktioniert wie eine Art Spiegel. Das, was man von sich selbst nicht sehen möchte, wird auf das rassistisch gesehene Andere projiziert. So taucht wieder auf, was aufgeklärte Bürger glauben hint-er sich gelassen zu haben: Rückständigkeit, Ho-mophobie, Antisemitismus, Gewalttätigkeit, Sexis-mus. Das schlechte Gewissen der Liberalen und Teilen der Linken meldet sich. Diese gesellschaftli-chen Probleme werden auf die anderen über-tragen und man putzt sich selbst die Hände ab: Damit haben wir nichts mehr zu tun. Die Debatte über Integrationsunwilligkeit wurde genau de-shalb über die Ebene der schwer reformbedürfti-gen Bildungspolitik ausgetragen. Es wurde be-hauptet, die Probleme lägen auf der Ebene der Integration, der Kultur, zuletzt der Muslime und des Islam.

Wenn von „drohender Islamisierung“ die Rede ist, besteht die Gefahr der „Islamisierung der politischen Debatte“, weil die real existierenden Probleme zu Islamthemen gemacht werden und damit unlösbar erscheinen.

Regierung ignoriertOSZE-Gutachten über das IslamgesetzFarid Hafez bezieht sich weiter auf die öster-reichische Innenpolitik. Es gibt ein vollständig neues Islamgesetz, entgegen 150 kritischer Gutachten, darunter ein ausführliches sehr kri-tisches der OSZE. Das Gesetz schreibt die Unglei-chbehandlung der Muslime gegenüber anderen Religionsgemeinschaften und einen General-verdacht fest. Das konnte leicht argumentiert werden vor dem Hintergrund, dass die Öffentlich-keit davon ausgeht, dass Muslime „was anderes“ sind. BK Faymann war in der ZiB nicht im Stande die Frage, ob der Islam zu Österreich gehöre, mit einem klaren „Ja“ zu beantworten. Die Parteien fürchten sich davor, die rassistischen Klischees

Farid Hafez ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Salzburg und u.a. Herausgeber des „Jahrbu-chs Islamophobieforschung“, Benjamin Opratko ist Politologe an der Uni Wien und arbeitet zu Hege-monietheoretischer Rassismusanalyse, Inva Kuhn ist Politologin.

Kreuzzug für das Abendland - Antimuslimischer Rassismus im Zentrum der Gesellschaft

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Zum Nachhören: http://bildungsverein.kpoe-steiermark.at/kreuz-zug-fuer-das-abendland-antimuslimischer-rassis-mus-im-zentrum-der-gesellschaft-1.phtml

Kreuzzug für das Abendland - Antimuslimischer Rassismus im Zentrum der Gesellschaft

In der Diskussion mit dem Publikum geht nach Hafez („Das Islamgesetz ist die institutionalisierte Islamfeindlichkeit in Österreich“) Opratko auf den mit Islamfeindlichkeit verknüpften neoliberalen Nützlichkeits- und Leistungsdiskurs von Integra-tionsstaatsekretär Kurz ein.

Rassismus in der Linken ist das ThemaZugleich fi ndet er es fi ndet es wichtig mit antimus-limischem Rassismus in die Linke zu intervenieren. Das Problem muss als Rassismus erkannt werden, daran scheitert es schon oft. Das Thema ist nicht „der Islam/die Muslime“, sondern der Rassismus. Die Linke kann nur dann ein Bündnispartner für antirassistische Kämpfe der Betroffenen sein, wenn sie nicht ignorant oder selbst rassistisch ist. Es gibt jetzt ein gesteigertes Bewusstsein.Die Blockade der Pegida-Demo in Wien wurde von Antifas, Muslimen und anderen NGOs organ-isiert.

Gegen die Entpolitisierung der MuslimeHafez merkt an, dass der islamfeindliche Dis-kurs Muslime zu unterwürfi gen Subjekten macht und sie dadurch systematisch entpolitisieren will. Emanzipiert ist man dann, wenn man die rassis-tischen Diskurse in Frage stellt. Das tut die Meh-rheit der Muslime noch nicht. Muslime versuchen sich dem Diskurs anzupassen, denn man will ja ein positives Bild zeigen. Das ist eine Falle, die ver-hindert zum politischen Subjekt zu werden.

Opratko meint, dass die Figur des Muslims/Islams sehr wichtig war für den EU-Einigungsprozess. Das wurde deutlich an der Diskussion um den EU-Bei-tritt der Türkei oder um die EU-Präambel-Formuli-erung zum christlich-jüdischen Erbe Europas.Die Figur des Muslims stellt den Feind nach außen und nach innen dar, von dem man sich abgrenzt. Von Seiten kritisch politischer Akteure wurde das zu wenig thematisiert.

Autoritarismus fördert keine Deradikalisierung Über aktuelle Deradikalisierungsprogramme sagt Hafez, dass sie viel Geld kosten. Auf die Frage wer sich mit welchen Inhalten meldet, wurde ihm gesagt, dass doch viele Anrufe sehr hysterischer Natur sind. Die Lehrerschaft ist völlig überfordert.

Sie kann nicht einordnen. Die Einzelperson wird genötigt zu agieren. Kurz hat LehrerInnen an-gewiesen, direkt den Verfassungsschutz zu kon-taktieren, Direktorium und Landesschulrat zu übergehen. So wird ein Raum ermöglicht, in dem schrankenlos mit der Thematik umgegangen wird. Viele junge Leute sagen: Wenn das neue Is-lamgesetz kommt, gehe ich nach Syrien. Der Dis-kurs wie er geführt wird, führt zu einer totalen Frus-tration. Viele türkischstämmige AkademikerInnen gehen in die Türkei, weil sie hier keine Zukunft für sich sehen. Die, die hier gar keine Jobchancen sehen, sagen sie gehen nach Syrien.

Lehrkräfte müssen verstehen: Es braucht einen Grundschatz an sozialen Fähigkeiten zum Um-gang mit bestimmten sozialen Milieus und sie müssen sich fragen: Wie kann ich an einen Dis-kurs anknüpfen, der mir fremd ist? Da muss eine Schlussfolgerung gezogen werden und jene mit-einbezogen werden, die Bezug zu dieser Jugend-kultur haben, wie z.B. muslimische Religionslehrer. Es gibt eben verschiedene Personen mit unter-schiedlichen Sozialisationen, das darf nicht auf den Islam/die Muslime reduziert werden.

Veranstaltung und Diskussion waren sehr gut und besucht, was zeigt, dass es ein starkes Bedürfnis und Interesse an Diskussion und Austausch gibt. Ob die Notwendigkeit bündnispolitischer Aktiv-itäten von VeranstalterInnen und BesucherInnen erkannt wurde, bleibt offen. Wenn ein Linker nach einer solchen Veranstaltung frei heraus sagt, dass für ihn „Religion Scheiße ist“, ist klar, dass wirklich noch viel, sehr viel zu tun bleibt. Ideologie kann die Sinne verstopfen. Schade.

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tatwir AUSTRIA

Page 20: Tatwir 1. Ausgabe

tatwir AUSTRIA

Nacktfotos!Was nun?

Handygebrauchschon in der Volksschule

!!??Sie ist erst 14! Moslem!Aus einem anderen Land und heißt Meria.

Sie lernt einen Jungen über Facebook kennen. Sie schreiben und telefonieren jeden Tag. Später führen sie eine Fernbeziehung, weil der Junge in einem anderen Land und sie in Österreich lebt. Sie verliebt sich wie verrückt in ihn. Ihre Freundin-nen sagen, er sei nichts für sie und sehe auch wie ein Drogendealer, der nur Schlechtes im Kopf hat, aus. Da sie ja blindverliebt ist, denkt sie, dass ihre Freundinnen ihre Beziehung zerstören wollen. Nach ein paar Wochen machen Meria und der Junge Schluss. Das Mädchen wird immer schlech-ter in der Schule und beginnt sich zu ritzen. Ihr Bruder wird von ihrem Ex-Internetfreund hereinge-legt. Er hat sich als Mädchen vorgestellt und mit ihrem Bruder gechattet. Der Freund vergisst den Bruder auf Facebook zu blockieren und stellt ein künstliches Foto, auf dem er und die Schwester zu sehen sind, ins Netz. Der Bruder sieht dieses Foto und spricht mit dem Vater darüber. Meria wird das Handy weggenommen. Kriegt dafür heim-lich von einer Freundin ein Handy. Wieder beginnt sie die Internet-Beziehung mit dem Jungen. Ver-gisst währenddessen ihre Freundinnen. Trotzdem versuchen die sie jedes Mal zu trösten, wenn die Beziehung wieder vorbei ist.

Nach einiger Zeit erfahren die Freundinnen, dass Meria dem Jungen halbnackte Fotos von sich schickt. Sie tut das nicht freiwillig, sondern weil sie gezwungen wird. Mit Drohungen, wie: Sonst ma-chen wir Schluss, usw.

Da Meria in diesen Jungen verliebt ist und denkt, sie würden in Zukunft heiraten, schickt sie ihm die Fotos. Die Freundinnen schimpfen mit ihr. Sie ma-chen sich Sorgen um das Mädchen und um ihren Ruf. Am Ende hört sie auf, dem Freund Fotos zu schicken und da macht der Freund sofort Schluss. Die Freundin Merias bemault ihn und lässt ihn auf Gott und Koran schwören, dass er nicht zu Meria zurückkehrt. Der nützt die Chance und sagt, dass er die Fotos nicht herumschicken wollte, doch weil ihn die Freundin bemault hat, will er die Fotos herumschicken. Meria gibt dafür der Freundin die Schuld.

E., 15 Jahre ♀

Ist es überhaupt nötig, Kindernim Volksschulalter ein Handy zu geben?

Ein Vorteil ist, dass Kinder im Notfall ihre Eltern so-fort anrufen können zum Beispiel, falls sie sich verir-ren. Dann können sie sofort ihre Eltern anrufen, um nach dem Weg zu fragen oder abgeholt zu werden.

Aber es ist natürlich ein Problem, wenn die Kind-er anfangen, während des Unterrichts auf dem Handy Spiele zu spielen. Kinder könnten mit ihrem Handy auch Musik hören, anstatt mit ihren Freun-den zu reden. Ein weiterer Nachteil ist, wenn Kind-er zu früh Handy bzw. Smartphones verwenden, dass es ihrem Körper schadet, wegen der Radio-aktivität.

Andererseits lernen Kinder Verantwortung zu über-nehmen und auf ihre Handys aufzupassen. Selbst-verständlich passiert es hin und wieder, dass das Kind das Handy verliert oder dass es gestohlen wird.

Aus Erfahrung weiß ich, dass wenn Kinder ihre Eltern unbedingt von der aus Schule anrufen müssen und kein Handy besitzen nur vom Leh-rerzimmer aus die Eltern anrufen können. Leider passierte mir dies öfter und den Lehrern gefi el das nicht. Um Ärger und Zeit zu sparen, empfehle ich den Kindern, Handys zur Schule mitzunehmen.

M., 15 Jahre ♀

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Page 21: Tatwir 1. Ausgabe

tatwir AUSTRIA

Man hört oft von Chancengleichheit und -un-gleichheit in verschiedenen Gremien, wenn es um MigrantInnen geht. Was sie für MigrantInnen konkret bedeutet, wissen nicht alle.

Als MigrantIn ist man immer wieder mit Diskrimi-nierung, Rassismus, Ungleichbehandlungen und Mobbing konfrontiert. Sei es in der Schule, in den Ausbildungsstätten, Behörden, bei der Arbeit und auch bei der Arbeitssuche. JedeR geht damit unterschiedlich um. Viele jedoch verlieren damit Kraft und Lust ihren Bildungszielen nachzugehen. Ungleichbehandlung wird von den Betroffenen entweder verschwiegen oder sie wenden sich aktiv und bewusst an die Gleichbehandlungsan-waltschaft.

Viele stellen sich die Frage ob die Chancenungleich-heit je ein Ende haben wird?Geht es nur darum, dass sich immer die Betroffenen dagegen wehren? Oder wollen die Entscheidung-sträger nicht auch etwas daran ändern?Ist es eigentlich möglich, diese Ungleichheit und Dis-kriminierung aufzuheben, wenn sich die Gesellschaft von ihren ausgrenzenden Strukturen und Rassismen nicht lösen will?

MigrantInnen muss bewusst werden, dass die aus-grenzenden Strukturen, welche den Wunsch zur Assimilation des Anderen haben und für andere Werte, Kulturen und Religionen nicht offen sind, nicht leicht oder zur Gänze veränderbar sind. Vor allem nicht, solange die Entscheidungsträger sel-ber von einer solchen Gesellschaft geprägt sind.

Viele Leute, die sich völlig an die Mehrheitsge-sellschaft angepasst haben, bedauern das; - kurz vor ihrer Pension! Denn sie wurden nie zur Gänze gleichbehandelt, obwohl sie die Werte und Ge-wohnheiten der Mehrheitsgesellschaft übernom-men haben und dafür viel von ihrer eigenen Iden-tität Preis gegeben haben. Zahlreiche solcher Beispiele zeigen uns, dass MigrantInnen nicht zu Chancengleichheit gelangen können.

Zur Identität stehenEin Grund weswegen viele MigrantInnen trotz As-similation nicht zu Chancengleichheit gelangen, ist ihr Habitus*.

Es ist möglich, dass man seinen Habitus im Laufe der Zeit ändern kann, jedoch kann man ihn nicht zu Gänze ändern. Das kann eine Gewohnheit sein, die man von seiner migrantischen Familie mitgenommen hat oder ein anderer Geschmack, den zum Beispiel nur TürkInnen haben. Schluss-endlich trägt man immer seinen Habitus mit sich. Wie kann man vorgehen, um nachher in der Pen-sion sein Leben nicht bedauern zu müssen?

Meiner Meinung nach, sollten wir MigrantInnen uns unserer Erkennungs-merkmale, also Habitus, Hautfarbe, Religion und Herkunft bewusst sein. Wir müssen uns nicht rechtferti-gen, weswegen wir anders sind. Wir sind wie wir sind und vielleicht auch besser in unseren Fähigkeiten, Fer-tigkeiten und in unserer Bil-dungslaufbahn. Wir müssen uns nicht assimilieren, um nach einem arbeitsreichen Leben in der Pension zu be-dauern, welchen Preis wir dafür bezahlt haben.

Wir werden höchstwahrscheinlich keinE Regier-ungschefIn oder GeschäftsführerIn sein. Nicht in Parteien und Betrieben, in denen MitarbeiterIn-nen und Chefs nur der Mehrheitsgesellschaft an-gehören. Aber wir können mit unserem Wissen auch erfolgreich sein.

Deswegen dürfen wir nicht aufgeben.Und weiter den Zielen nachgehen, die wir uns ge-setzt haben. Wir sollen und dürfen die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht aufgeben!

*Habitus ist ein soziologischer Begriff. Er bezeichnet das Auftreten oder die Umgangsformen einer Person, die Gesa-mtheit ihrer Vorlieben und Gewohnheiten und die Art ihres Sozialverhaltens.

Tuba Ceran

An alle MigrantInnen!

MigrantInnen muss bewusst werden, dass die aus-

Meiner Meinung nach, sollten wir MigrantInnen uns unserer Erkennungs-merkmale, also Habitus, Hautfarbe, Religion und Herkunft bewusst sein. Wir müssen uns nicht rechtferti-gen, weswegen wir anders sind. Wir sind wie wir sind und vielleicht auch besser in unseren Fähigkeiten, Fer-tigkeiten und in unserer Bil-dungslaufbahn. Wir müssen uns nicht assimilieren, um nach einem arbeitsreichen Leben in der Pension zu be-dauern, welchen Preis wir dafür bezahlt haben.

Wir werden höchstwahrscheinlich keinE Regier-

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Auf der Anti-Pegida Demonstration am 29.3.2015 in Graz hörten wir die ergreifende und mutige Rede einer engagierten Muslimin, die sich offen gegen rassistische Tendenzen in unserer Gesell-schaft stellt. Hier die Rede im Wortlaut:

Guten Tag, Grüß Gott, Servus,Assalamu Alaikum - Friede sei mit euch!

„Angst vor etwas was NICHT da istlässt sich therapieren, nicht demonstrieren“– diese Aussage möchte ich den PEGIDA-An-hängern und Anhängerinnen ans Herz legen. Sie fürchten die „Islamisierung des Abendlandes“ die ich und wahrscheinlich sehr viele von uns nicht nachvollziehen können – denn nur 7% der öster-reichischen Bevölkerung sind Muslime. Es ist wohl eher eine Islamisierung der politischen Debatte in Westeuropa.

Wir sind hier, weil wirGleichberechtigung für alle Menschen fordern.Wir sind als Männer, Frauen, Migranten und Mi-grantinnen, als Einheimische und Asylsuchende hier, aber allem voran als Menschen. Rassismus, Diskriminierung, Ausrufe mit Begriffen des dritten Reiches, Demonstrationen gegen Religionsgrup-pen haben in einer Demokratie und in unserer Hei-mat nichts verloren!

Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wird gegen Muslime und Musliminnen gehetzt und sog-ar Aussagen aus dem NS-Regime sind bei PEGIDA gang und gebe. Sie behaupten PEGIDA hätte nichts mit Rassismus zu tun, da sie JA NUR gegen die radikalen Muslime seien und nicht gegen die integrierten Muslime und Musliminnen – fordern aber gleichzeitig ein Verbot von allen Formen des Kopftuches, welches zur Religionsfreiheit gehört die Österreich allen BürgerInnen gewährt. Und wer bestimmt überhaupt, wer integriert und wer radi-kal ist? Pegida???PEGIDA Anhänger und Anhängerinnen fürchten angeblich den Islam, Muslime und Musliminnen, obwohl sich rassistische Übergriffe auf Muslime und Musliminnen häufen, vor allem auf muslim-ische Frauen. Für sie gehört es leider zum Alltag nicht als volles Mitglied der Gesellschaft akzeptiert zu werden und vor Rechten Angst haben zu müs-sen. Wovor müssen die PEGIDA Anhänger Angst haben?

WIR Musliminnen und Muslime- fühlen uns nicht sicher.Die momentane Hetze gegen den Islam, gegen uns Muslime und Musliminnen macht uns Angst. Beleidigungen und Angriffe auf der Straße ge-hören zu unserem Alltag. Wir werden bei der Arbe-itssuche diskriminiert, bei der Wohnungssuche, bei Behörden. Unsere Kinder erleben Diskriminierung in der Schule. In Zeiten in denen Musliminnen und Muslime auf offener Straße, beschimpft, bespuckt, geschlagen und getreten werden, so wie es in der letzten Zeit sehr oft passiert, dürfen wir nicht zus-chauen, wir müssen aufstehen und handeln.

Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wird

Muslimische Anti - PEGIDA Rede

Graz - PEGIDA,einmal und NIE WIEDER!Muslimische Anti - PEGIDA RedeMuslimische Anti - PEGIDA Rede

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einmal und NIE WIEDER!einmal und NIE WIEDER!

ALLEANZAANTIFASCISTA

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Wir sind nicht nur Opfer!Wir lassen uns das nicht gefallen.Wir stehen auf und handeln. Wir melden rassist-ische Übergriffe, damit die Täter sich nicht länger hinter ihrer Anonymität verstecken können. Wir zählen in Graz jede einzelne Frau, die es geschafft hat, mit Kopftuch eine gute Arbeit zu bekommen. Wir unterstützen jeden der sich gegen Diskriminier-ung wehrt. Wir befürchten, dass es noch schlim-mer wird, wenn wir uns nicht gemeinsam gegen Diskriminierung, Rassismus, Islamfeindlichkeit und Ausschluss wehren. Dafür brauchen wir eure Soli-darität! Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen, wie wir leben sollen. Wir wollen mit unserer Leben-seinstellung anerkannt werden. Es ist gut, so wie wir sind. Wir sind nicht anders und wir wollen dazuge-hören.

Unser Engagement muss auch ein Engagement gegen Krieg und Gewalt sein. Schlussendlich fordern wir auch, dass die Grenzen Europas für alle Menschen geöffnet werden, die vor Krieg und Armut fl üchten müssen.

In einer Zeit, in der wieder gegen Religionen und Volksgruppen gehetzt wird, in einer Zeit, in der Diktion und Begriffe aus dem 3. Reich wieder ver-wendet werden, um Menschen zu diffamieren, in einer Zeit in der bestimmte Gruppen in On-line Foren das Verbrennen von Moscheen oder das Umbringen von Muslimen und Musliminnen und die Reaktivierung von Konzentrationslagern fordern, in einer Zeit, in der Boulevardzeitungen Titelblätter drucken - deckungsgleich mit jenen aus der Zeit des NS Regimes, diesmal aber eine andere Religionsgruppe betroffen ist, müssen wir wachsam sein und alles dafür tun, damit sich die Gräuel von damals nie mehr wiederholen können! Deshalb sind wir heute alle hier!

Graz - PEGIDA,einmal und NIE WIEDER!

Wer ist Pegida-Österreich?

Ein Philosophiestudent aus Wien, der für rechtsextreme Zeitungen schreibt, will mit Pegida die an-gebliche Islamisierung Europas und die Zuwanderung bekämp-fen. Eine Forderung ist ein Ver-botsgesetz gegen den Islamismus.

Armut fl üchten müssen.

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NAKBAGedenktag

Infotisch15. Mai 2015Graz - (Innenstadt)

„Nakba“ ist das Arabische Wort für „Katastrophe“ und bezeichnet die Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung durch die israelische Regierung. Sie begann 1947 und dauert bis heute an.

Allein im Jahr 1948 wurden mehr als 700 000 Men-schen aus ihren Häusern vertrieben. Am 15. Mai gedenken Menschen weltweit dieser Katastro-phe, die ein Versuch der Auslöschung eines Vol-kes ist.

Was geschah? Schon lange vor der Staatsgründung Israels wur-den PalästinenserInnen, darunter ChristInnen und MuslimInnen, durch israelische Terroreinheit-en dazu gezwungen, ihre Häuser und Dörfer zu verlassen. Hunderte Dörfer wurden zerstört, ihre BewohnerInnen ermordet oder in die Flucht get-rieben. Statt ihnen siedelten sich JüdInnen aus aller Welt an, in Kibuzzen oder Siedlungen. Die Existenz vieler dieser damaligen Dörfer wird heute von der israelischen Regierung geleugnet. Manche Gebiete wurden zum „Nationalpark“ erklärt. Wo einst Menschen lebten, sind heute kün-stlich bepfl anzte Wälder oder moderne Siedlun-gen, in denen ausschließlich Menschen jüdischer Abstammung leben dürfen. Jede Art von Protest gegen diese Politik der gewaltsamen Vertreibung und Eroberung wurde verboten und teilweise auch mit dem Tod bestraft.

Das Schlimmste aber:Die Katastrophe ist noch immer nicht vorbei. Auch heute noch werden - wie in Jerusalem - Häuser mitten in der Nacht von Soldaten gestürmt. Sie zwingen Familien samt Kindern ihre Heime zu ver-lassen. Alles was ihnen bleibt, ist der Schlüssel ihrer Häuser, den sie mitnehmen;- in der Hoffnung eines Tages zurück zu kehren. Der Zugang zu den ehe-maligen Häusern und Dörfern ist den Gefl üchteten verboten. Ihre Häuser werden weiterverkauft oder eingerissen.

Warum? Der Zionismus ist eine politische Ideologie die zum Ziel hat, einen jüdischen Staat in Palästina zu err-ichten. Kritische JüdInnen stellen sich strikt gegen diese Idee. Durch eine Art Gehirnwäsche wurde „Palästina“ aus dem Gedächtnis der JüdInnen, die in Israel leben, gelöscht. Beweise für die Nakba gelten als „Top Secret“ in Israel. Heute noch sind sechs Millionen Palästinenser-Innen auf der Flucht, ohne Verwirklichung ihres durch die UN-Resolution 194 garantierten Recht auf Rückkehr. Die Nakba dauert immer noch an, denn bis 2020 lautet der israelische Plan, dass nur noch 12% der Einwohner arabisch sein sollen und Jerusalem die Hauptstadt des jüdischen Staates wird. Die Losung kann daher nur heißen: ‘Das Rück-kehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge ist die echte Road Map zum Frieden!’

Nakba – 67 Jahre versuchter Genozid„Nakba“ ist das Arabische Wort für „Katastrophe“ und bezeichnet die Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung durch die israelische Regierung. Sie begann

Allein im Jahr 1948 wurden mehr als 700 000 Men-

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Die am 11. Dezember 1948 durch die UNO-Gen-eralversammlung entschiedene und inzwisch-en jährlich bestätigte Resolution 194 entschied, 'daß den Flüchtlingen, die in ihre Heimat zurück-kehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dieses zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden sollte, und daß jenen, die nicht zurückzukehren wünschen, Entschädigung für ihr Eigentum, für den Verlust oder die Beschädi-gung des Eigentums zu zahlen ist'.

Links: www.badil.org/en/about-badil www.al-awda.org www.jewishvoiceforpeace.org www.bds-info.at

Page 25: Tatwir 1. Ausgabe

Ajna hatden Krebs besiegt!

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Eine beispiellose Welle von ehrenamtlichen BetreuerInnen, SpenderInnen, NGOs, Moschee- als auch Kirchenvereinen hat sich gemeinsam mit Ajna dem Kampf gegen den Krebs gestellt.

Ajna Dahic wurde Anfang Dezember aufgrund eines bösartigen Tumors am Auge (Retinoblas-tom) in die Grazer Kinderonkologie stationär auf-genommen. Da die Eltern in Bosnien und Herze-gowina ansässig sind, war es nötig für alle Kosten aufzukommen - die eine immense Summe aus-machten. Die Berichterstattung von Haber Jour-nal löste eine sehr große Spendenwelle aus, da sehr viele LeserInnen dem Aufruf nachkamen und großzügig spendeten.

Die kleine Ajna ist ein sehr tapferes Mädchen und musste zuerst einen Augapfel entfernen lassen um danach auch noch mehrere Chemotherapien über sich ergehen lassen. Sie haben zum Glück gut gewirkt. Die Ärzte können nun sagen, dass Ajna ein gesundes Mädchen - OHNE KREBS - ist. Weiterhin folgen Kontrollen und Nachsorgeunter-suchungen in Graz, die natürlich auch weiterhin bezahlt werden müssen.

Den harten Kampf aber hat Ajna gewonnen!Am 13. Februar 2015 nun packte Ajna ihr Köfferch-en und freute sich endlich ihre Mutter und ihr neugeborenes Schwesterchen in die Arme zu schließen. Ihre Mama hatte schon vor zwei Wochen Österreich verlassen müssen um in Bos-nien ihr Kind zu gebären - keine Krankenversicher-ung in Österreich.

Eine große Zahl von Ajnas ehrenamtlichen BetreuerInnen sind mit einem lachenden und weinenden Auge zur Verabschiedung gekom-men. Sie freuten sich sehr, Ajna gesund und munt-er in ihre Heimat zu entlassen.

Ajna ist glücklich und als Siegerin in ihrem Heima-tort Gradacac angekommen. Ihre Eltern freuen sich sehr nun in den Alltag zurückzukehren und Ruhe einkehren zu lassen; - nach solch einer stra-paziösen Zeit.

Auf diesem Weg möchten wir auch gerne auf diese seltene aber sehr aggressiv auftretende Krebserkrankung hinweisen:

Das RETINOBLASTOM ist durch fotografi e leicht zu erkennen - wenn man weiß wie! Lebensrettend ist die frühzeitige Diagnose daher empfehlen wir al-len Eltern sich über die Symptome zu informieren.Mehr Informationen unter:

www.retinoblastoma-austria.at.

Ajnas Vater richtete diese Worte an die Anwesenden: “Ich bedanke mich her-zlich bei allen die uns unterstützt haben, allen die uns unter die Arme gegriffen haben, sowohl fi nanziell als auch in Form von Betreuung, Beratung, Übersetzung, Or-ganisation, Planung, usw. Das was wir hier durchmachen mussten - und was leider noch immer viele Eltern durchmachen - wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht. Die Diagnose Krebs, vor der alle El-tern Angst haben, haben wir erlebt und gewonnen!”

Infotisch15. Mai 2015Graz - (Innenstadt)

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Page 26: Tatwir 1. Ausgabe

Sehr geehrter Herr Sheikh!Wie steht der Islam zu Menschenrechten?Unser Glaube, der Islam, hat seit 14 Jahrhunder-ten den Menschen die Grundrechte für das Leb-en, die Glaubensfreiheit, das Denken, für freie Meinungsäußerung, sich zu organisieren und das Recht auf Besitz vorgesehen.

Können Sie uns ein Beispiel aus demKORAN geben?In diesem Zusammenhang sagt Allah (gepriesen sei Er) im Koran: „O ihr Menschen! Wir erschufen euch aus einem Mann und einer Frau und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennen lernt. Doch der vor Allah am meisten Geehrte von euch ist der Gottesfürchtig-ste unter euch. Allah ist fürwahr wissend, kundig.“ (Hudschurat 13) Aus diesem Ayat sehen wir, dass die Ehrung unter den Menschen nur mit Gottes-furcht begrenzt ist.

Wie stand der Prophet Mohamed dazu?Der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte: „O ihr Menschen! Euer Herr ist einer, euer Vater ist einer! Gebt Acht! Die Araber haben keinen Vorteil ge-genüber den Nicht-Arabern und die Nicht-Araber haben keinen Vorteil über die Araber. Die Weißen sind nicht über den Schwarzen und die Schwar-zen nicht über den Weißen. Ehrung ist nur mit Got-tesfurcht möglich.“ Ein Beweis dafür ist, dass der Prophet über die Heirat seiner Kusine Zeynab mit dem ehemaligen Sklaven Zayid sehr glücklich war. So hat unser geliebter Prophet in seinem Ver-halten gezeigt, dass zwischen Sklave und Adligen, Reichen und Armen kein Vorrang ist.

Wie sieht es mit der Meinungsfreiheitbzw. Glaubensfreiheit aus? Meinungsfreiheit und Glaubensfreiheit sind auch Recht jedes Menschen. Allah (gepriesen sei Er) sagte im Koran, Surat Al Baqara: „Es gibt keinen Zwang im Glauben.“ In einem islamischen Staats-wesen dürfen auch Juden und Christen unterein-ander nach ihren eigenen Gesetzen richten und sie stehen unter dem Schutz des Staates! Der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte außerdem in Al-Buchārī**: Wer einen Thimmi tötet, der wird die Duft des Paradieses nicht riechen, und dieser Duft wird von 40 Jahren Entfernung gerochen! Ein Thimmi ist ein Nichtmuslim, mit dem man ein Frie-densabkommen hat.

Wie steht der Islam zum Betrug, wie zum Beispiel: Unangemeldete Arbeit, Steuerhinterziehung,Kriminalität, Gewalt usw. ...Es ist dem Muslim, der in ein nichtmuslimisches Land mit einem Vertrag der Sicherheit eintritt, ver-boten, betrügerisch zu sein, denn sie (die nicht-muslimische Regierung) gewährte dem Muslim den Vertrag der Sicherheit (wie z.B. ein Visum oder Staatsbürgerschaft), mit der Bedingung, dass der Muslim nicht betrügerisch handelt, selbst wenn diese Bedingung nicht explizit in dem Vertrag er-wähnt wurde, da es aus dem Kontext hervorgeht. So wie es bei der Staatsbürgerschaft der Fall ist, wo es keinen expliziten Vertrag gibt, sondern vielmehr eine angedeutete Übereinkunft gegen-seitiger Sicherheit, was einem Vertrag ähnlich und genauso bindend ist. Aus demselben Grund hätte ein Nichtmuslim, der mit einem Vertrag der Si-cherheit in ein muslimisches Land kommt und sich dann als betrügerisch herausstellt (indem er die Bürger angreift), diesen Vertrag gebrochen. Ba-sierend auf diesem Prinzip darf ein Muslim, der die nichtmuslimischen Länder mit einem Vertrag der Sicherheit betritt, nicht betrügerisch gegenüber den Nichtmuslimen sein, da dies Betrug zur Folge hätte, welcher keinen Platz in unserer Religion hat. Unser Prophet (Friede sei mit ihm) sagte: „Muslime sind gebunden durch die Bedingungen ihrer Ver-träge.“ [Sunan Abu Dawud, Sunan Daraqutni, Mustadrak Hakim]“.

*Sheikh ist ein religiöser Ehrentitel für eine gelehrte Persönlichkeit.

**Al-Buchārī (geb. 21. Juli 810 in Buchārā; gest. 870 in Chartang bei Samarkand, heute Usbekistan), war ein bedeutender islamischer Gelehrter. Er hat die Aussagen des Propheten Mohamed, Hadithe genannt, gesammelt.

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Interview mit einem SheikhIslam undMenschenrechte

Page 27: Tatwir 1. Ausgabe

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mit einem Sheikh So geht ... SOLIDARITÄTMureck lebt seit jeher von der Vielfalt seiner Be-wohnerInnen. Die herzliche Aufnahme neuer Mit-bürgerInnen bereichert uns alle & stärkt unsere Gemeinschaft.Die Plattform Willkommenskultur heißt die ua syrischen MitbürgerInnen willkommen, die seit Ende Februar 2015 im Kolpingheim Mureck Zu-fl ucht gefunden haben. In unserer Plattform teilen wir einen reichen Erfahrungsschatz, treten aktiv für die Willkommenskultur in unserer Gemeinde ein, organisieren gemeinschaftliche Aktivitäten und sind regional gut vernetzt.

SOLIDARITÄTSERKLÄRUNG AN DENGEMEINDERAT UND DIE BÜRGERMEISTERINInnerhalb von nur drei Tagen unterzeichnen spon-tan 65 Menschen eine Erklärung an die Murecker GemeindevertreterInnen, in der sie die Aufnahme der syrischen Frauen und Kinder begrüßen, sich für die Schaffung einer Willkommenskultur in Mu-reck aussprechen und sich von der Gemeinde wünschen, aktiv mit einbezogen und informiert zu werden. Diese Erklärung wird im Gemeindeamt am 22.12.2014 übergeben.

GRÜNDUNG VON ARBEITSKREISENBeim Arbeitskreistreffen am 25.01.2015 im Pfarrhof Mureck werden folgende Gruppen gegründet:1) Kleidung und Gegenstände des täglichenBedarfs2) Amikaro-Freundeskreise3) Soziale Aktivitäten4) Kindergruppe5) Recht und Behördenwege6) Politische Bildung7) Sprachvermittlung und KommunikationVon Anfang an melden sich mehr als 30 Personen für die aktive Mitarbeit in den Arbeitskreisen.

ANKUNFT DER ERSTENFRAUEN UND KINDER IM KOLPINGHEIMAm 19.02.2015 bezieht eine Gruppe von 5 Frauen und 2 Kindern aus 4 verschiedenen Ländern (Irak, Kasachstan, Ukraine, Tschetschenien) das Kol-pingheim. Die Plattform Willkommenskultur nimmt umgehend Kontakt mit ihnen auf, überreicht ua Brot und Salz als Zeichen guter Nachbarschaft und heißt die Frauen und Kinder herzlich in Mu-reck willkommen. Viele Besuche folgen, Kleidung, Schuhwerk und Lebensmittel werden organisiert, soziale Kontakte geknüpft, ein erstes Kennenlernen fördert viele gemeinsame Interessen und Anknüp-fungspunkte zu Tage. In den darauffolgenden Ta-gen und Wochen treffen weitere BewohnerInnen aus der Mongolei, Somalia und Afghanistan in der Unterkunft ein.Über die Plattform Willkommenskultur gelingt es, Deutschkommunikation anzubieten, Lebensmit-tel werden organisiert, bei Transportproblemen werden Mitfahrgelegenheiten organisiert. Meh-rere Menschen stellen ihre Sprachkenntnisse eh-renamtlich zur Verfügung, um bei Arztbesuchen uä. zu unterstützen.

Übernommen aus:facebook.com/willkommeninmureck

Wer sich interessiert, schreibe an:[email protected]

facebook.com/willkommeninmureck facebook.com/willkommeninmureck

Page 28: Tatwir 1. Ausgabe

LEARNING STATION AugassePLUSAugasse’de kı ÖĞRENME YERINE GELINSTANICA UČENJA AugassePLUS

JEDEN MONTAGUND DONNERSTAG

von 15:00 BIS 18:00 Uhrim alten Schlecker(Hintereingang!)

Every MONDAY and THURSDAY from 15:00 until 18:00pmat the old Schlecker building (back entrance)

Bırlekte, her PAZERTESI ve PERSEMBE saat 15:00 den 18:00 kadar eskı Schlecker bınasında toplanıyoruz (arka gırış)

Svaki PONEDELJAK i ČETVRTAK od 15:00 do 18:00 satiu staroj zgradi Schlecker-a (zadnji ulaz)

Gemeinsam• machen wir Hausübungen• lernen• jausnen

Together• we do homework• study• eat a snack

Beraber ödevlerimizi yapıyoruz• öğreniyoruz• Beslenme• yiyoruz

Zajedno• izrađujemo zadaće• učimo• ručamo

Für Eltern gibt es Infos rundum Schule und Ausbildung.

Eltern und Kinderherzlich willkommen!

For parents there is informationenabout schools and education.Parents and their children are welcome!

Ebeveynler için okul ve eğitimle ilgili bilgi veriliyor.Ebeveynler ve coçuklar hoşgeldiniz !

Roditelji mogu se informisati o skolovanju.Roditelji i Djeca - Dobro Dosli!

Helga, Irmgard, Waltraud, Meltem, Klaus, Zakia...in Partnerschaft mit dem Verein Himmelspforte

in partnership with Verein HimmelspforteOrtaklığında Himmelspforte Derneği’ndeu suradnji sa Udruženjem Himmelspforte

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