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Das grosse Geschäft Nr. 257 | 26. August bis 8. September 2011 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass. Rennen im Hamsterrad: Ökonom Binswanger zu Wachstum und Wettbewerb Stimmt! Die Demokratie sind wir – eine Systemkritik Wiederentdeckung einer Ressource

Surprise Strassenmagazin 257/11

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Surprise Strassenmagazin 257/11

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Das grosse Geschäft

Nr. 257 | 26. August bis 8. September 2011 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Stimmt! Die Demokratie sind wir – eine Systemkritik

Wiederentdeckung einer Ressource

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Macht stark.

www.strassenmagazin.ch ❘ www.strassensport.ch ❘ Spendenkonto PC 12-551455-3Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99

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Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

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EditorialMillionäre und Mittellose

Rechtzeitig auf den Wahlherbst haben Schweizer Politikwissenschaftler in einer Stu-die einmal mehr festgestellt, wie einzigartig unser System doch ist. Auch Journali-sten grosser Tageszeitungen stimmen in das Loblied auf das «Schweizer Erfolgsmo-dell» ein und besingen Föderalismus, direkte Demokratie und Konkordanzregierung.Bundeshaus-Journalist Christof Moser ist es dagegen gar nicht nach patriotischenGesängen zumute. In seinem Essay für Surprise deckt er Defizite auf, die drohen,unsere Demokratie zu untergraben und auszuhöhlen.

«Schweine wählen SVP» las ich kürzlich erstaunt auf einem grossen Plakat vor demBerner Bahnhof. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der Spruch als Ergebnis einerkleinen Retusche am original SVP-Plakat, die aus Schweizern Schweine machte –was der Urheber wohl seinerseits der SVP vorwirft. Moser beklagt unter anderemden wachsenden Einfluss millionenschwerer Plakatkampagnen und fordert wiedermehr Debatten auf Augenhöhe mit den Stimmberechtigten. Im beschriebenen Fall spielte jemand aus dem«Volk» den SVP-Mächtigen einen Streich und drehte damit den Spiess um. Ebenso dran glauben musste einZürcher SP-Kandidat, dessen Plakatspruch «Thomas Hardegger – bereit für den Ständerat» durch das Abkle-ben der letzten zwei Buchstaben ins Humoristische verkehrt wurde. Zugegeben, über den Stil liesse sich inbeiden Fällen gut streiten – die Beispiele zeigen aber, dass sogar über Plakatkampagnen ein Einmischen in denpolitischen Dialog möglich ist, auch für Mittellose.

Wie die meisten Stimmberechtigten sind auch die Teilnehmer der Fussball-WM keine Millionäre. Das heisst,der Strassenfussball-WM. Diese findet vom 21. bis zum 28. August in Paris statt, Surprise stellt die SchweizerNationalmannschaft. Unsere Helden von Paris – zu Helden macht sie bereits, dass sie es auf ihren hinder-nisreichen Lebenswegen dahin geschafft haben – können Sie in dieser und der nächsten Ausgabe in Formvon Fussballbildchen sammeln. Was sich Defense-Spieler Marco Zanni von der WM erhofft und wie er insTeam kam, lesen Sie in diesem Heft für einmal anstelle des Verkäuferporträts.

Hitzfelds Truppe muss man für die EM 2012 ja praktisch abschreiben. Unser Strassen-Nationalteam sei hinge-gen so stark wie nie, hörte man aus dem Trainingslager munkeln. Schauen Sie auf www.strassensport.ch nach,wie sich unser Team geschlagen hat – Sie finden dort Videos zu allen Spielen. Einen ausführlichen Berichtüber das WM-Abenteuer 2011 lesen Sie dann im nächsten Heft.

Wir wünschen Ihnen Seh- und LesevergnügenHerzlich

Florian Blumer

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FLORIAN BLUMER

REDAKTOR

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4 SURPRISE 257/11

Inhalt03 Editorial

Mit und ohne Millionen05 Basteln für eine bessere Welt

Fussball-WM-Bildchen!06 Aufgelesen

Kopflose Hühner06 Zugerichtet

Rache ist sauer07 Leserbriefe

Lob und Tadel08 Porträt

Tierliebe statt SBB-Durchsagen22 Le mot noir

Grabreden23 Hip-Hop

Jugendkultur wird erwachsen24 Kulturtipps

Midlife-Crisis26 Ausgehtipps

Maverick ist zurück28 Spielerporträt

Sport statt Drogen29 Projekt Surplus

Eine Chance für alle!30 In eigener Sache

ImpressumINSP

Der Ökonom Mathias Binswanger nennt die Dingebeim Namen: Mit unserem bedingungslosen Glaubenan Wachstum und Wettbewerb befänden wir uns ineiner Tretmühle, die uns erwiesenermassen nichtmehr Glück bringen wird. Dafür seien die Spital- Patienten zum Portfolio degradiert worden, das opti-miert werden müsse, und die Bauern würden nachund nach verschwinden.

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Undurchsichtige Geldströme, Millionen-Kampagnenstatt Bürger-Debatten und ungleich lange Spiesse unterden politischen Kräften schwächen unsere Demokra-tie. Der parteiübergreifende «Club Helvétique» warntangesichts der Häufung rechtsstaatlich bedenklicherInitiativen vor einer «unschweizerischen Demokratie-verluderung.» Sollen wir zurück zur Landsgemeinde?

13 AbwasserWertvolles Gut

In der Abwasserreinigung Kloten/Opfikon werden dieAbwässer von rund 60000 Menschen gereinigt. DieAus scheidungen, die sich hier täglich sammeln, werdenden meisten als nicht besonders wertvoll erscheinen.Weit gefehlt! Durch ein neues Verfahren werden ausFaulwasser kostbare Rohstoffe zurückgewonnen. Auchaufschlussreiche Informationen lassen sich aus unse-ren Extremen herauslesen.

10 WirtschaftWachstum ins Unglück

16 Politik Demokratie unter Druck

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Basteln für eine bessere WeltUns ist klar, wie hart die Zeiten für Panini-Fans in diesem Profifussball-WM-losen Sommer sind. Noch dazu wird es wohl auch nächstenSommer, auf die EM in Polen und der Ukraine hin, keine Schweizer zu sammeln geben. Hier also exklusiv für Surprise-Leser: Die offi-ziellen Fussballbildchen des Schweizer Teams zur Strassenfussball-WM vom 21. bis zum 28. August 2011 in Paris!

1. Laden Sie auf www.strassensport.ch den Surprise-

Strassensport-Sammelbogen herunter und drucken

Sie ihn farbig aus.

2. Schneiden Sie die Bildchen aus und kleben sie mit

Papierleim an bezeichneter Stelle ein.

3. Kaufen Sie auf jeden Fall auch das nächste

Surprise, wenn Sie keine unschönen freien Stellen

auf Ihrem Nationalmannschaftsposter haben wollen.

Sie werden so den Bogen vollbekommen, garan-

tiert – ohne sich ärgern zu müssen, schon wieder

nur Doppelte gekauft zu haben und ohne mühsames

Tauschen auf Schulhöfen.

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AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Arbeitsverbot für Asyl bewerber

Graz. In Österreich müssen Asylsuchende,die in der Zeitungszustellung arbeiten, um ih-ren Job fürchten. Sie dürften nur selbststän-dige Tätigkeiten ausführen, der Verwaltungs-gerichtshof hat nun aber in verschiedenenFällen entschieden, dass Zeitungszusteller«arbeit nehmerähnlich» seien. Dies bringtauch Zustellerfirmen wie Redmail in Bedräng-nis, denn «für den harten Job in den frühenMorgenstunden» sei es fast unmöglich, Öster-reicher zu finden, so Redmail-Anwalt Metzl.

Herzhaftes Hühnerschlachten

Stuttgart. Die aktuelle Ausgabe des «trott-war» schrieben Absolventen einer Journalis-musschule. Hanni Heinrich verfasste einenErfahrungsbericht aus der Biohof-Hühner-Schlachterei: «Herzhaft» müsse sie zuschla-gen, habe ihr der Schlachter gesagt, und dastat sie dann auch. Ihre Knie hätten gezittert,und: «Eine gelbe, warme Flüssigkeit strömtüber meine Finger, ich atme schneller undknirsche mit meinen Backenzähnen. Ich grei-fe in das warme Tier und ziehe die Gedärmeheraus.» Hanni verzichte seither auf «Hähn-chen to go».

Unfähige Bundeswehr

Hannover. Der ehemalige Soldat AchimWohlgethan packt aus: Die Bundeswehr-Füh-rungsebene in Afghanistan kenne sich mitPanzerschlachten aus, verstehe aber nichtsvon asymmetrischem Krieg und Terrorismus.Dazu seien die Soldaten mit untauglichemMaterial im Einsatz. Warum er dies alles aus-plaudern dürfe? Der Offizier, bei dem er dieSchweigepflicht hätte unterschreiben müs-sen, so Wohlgethan, sei an seinem Entlas-sungstag nicht da gewesen.

ZugerichtetDie Rache der Frau W.

Die Angeklagte erscheint in einem flottenSommerkleid. Gelb, orange, rot geblümt. Sieist 47 Jahre alt, das blonde Haar tipptopp fri-siert. Vor der Verhandlung hatte sie noch ei-nen Termin beim Coiffeur. Es geht um einenNachbarschaftsstreit.

Dorothea W.* soll bei mehreren FirmenWaren unter dem Namen ihrer ehemaligenNachbarin Frau Meier bestellt und ihr nachHause geliefert haben lassen. Sie gibt sichselbstsicher. Sie sei das nicht gewesen. Fer-tigschluss. Sie hoffe, dass die unselige Ge-schichte endlich ein Ende nehme.

Ihren Anfang nahm sie im Spital. Dortlernten sich die beiden Frauen bei ihrer Ar-beit als Krankenschwestern kennen. Sie wur-den Freundinnen und später Nachbarinnen.Frau Meier hatte Dorothea W. eine Wohnungin ihrem Block vermittelt, wo die Meiers dieHauswartung machten. Man habe sich gutverstanden, mal zusammen ein Gläschen ge-trunken. Frau Meier habe auch öfter malFrau W.s Tochter gehütet, wenn sie aufNachtwache war. Wie es zum Zerwürfniskam, erzählt Dorothea W. so: Sie hätte be-zeugen sollen, dass ein Handwerker beimParkieren das Auto der Meiers beschädigt ha-be. Sie habe aber den Unfall gar nicht gese-hen und sich deshalb geweigert. Da habe ihrFrau Meier gedroht: «Das wird dir noch leidtun.» Darauf habe Frau Meier erst auf der ge-meinsamen Arbeitsstelle über sie gelästert,dann seien nach und nach Dinge ver-schwunden, sagt Frau W., und am Auto seiihr rundherum der Lack verkratzt worden.Schliesslich sei sie gezügelt, um aus derSchusslinie zu kommen.

Von ihrem neuen Zuhause aus soll sie dannaber zurückgeschossen haben. Oder wie es dieAnklageschrift formuliert: Waren im Namenihrer Ex-Nachbarin bestellt, ihre Unterschriftgefälscht und Telefonmissbrauch betrieben ha-ben. So forderte sie Angebote von Versiche-rungsmaklern, Kreditinstitutionen und Schön-heitschirurgen an die meiersche Adresse. Dazutags und nachts Anrufe von Männern, die sichangeblich mit Frau Meier treffen wollten.Herrn Meier hätten auch Prostituierte angeru-fen. Schliesslich habe ein Beerdigungsinstituteinen Kostenvoranschlag geschickt. Da seiFrau Meier der Laden runter.

Krank geworden sei sie, als auch noch Por-nokram vom Versandhandel ins Haus kam.Das löste bei ihr einen solchen Stress aus, dasssie innert zwei Monaten zwölf Kilo abnahm.

Das stehe der Frau Meier aber gut, findetFrau W. Und überhaupt sei das eine gewöhnli-che Diät gewesen und kein Stress. Sie kommeam neuen Ort mit allen Nachbarn super gutaus. Auch das Verhältnis zu den Arbeitskolle-gen: Alles super. Sie brauche sich nichts vor-werfen zu lassen.

Das graphologische Gutachten sowie mehre-re Zeugenaussagen lassen jedoch keine Zweifeldaran, dass Dorothea W. all diese Angebote andie Adresse ihrer ehemaligen Nachbarin be-stellt hat. Der Richter verurteilt sie zu einer be-dingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten.Frau W. verzieht keine Miene und geht hinaus.Jetzt gibt es erst mal Zvieri. Sie setzt sich aufdie besonnte Bank vor dem Bezirksgericht undholt ein «Vogelnäschtli» aus ihrer Handtasche.

*Persönliche Angaben geändert.

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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Nominieren Sie IhrenStarverkäufer!Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Siean dieser Stelle sehen möchten: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, [email protected]

Starverkäufer Fiqi Ibrahim Ali Lislott Pfaff aus Liestal nominiert Fiqi Ibra-him Ali als Starverkäufer: «Er steht geduldigvor dem Eingang des Coop-Einkaufszen-trums in Liestal, bei jedem Wetter, und lä-chelt freundlich. Ob ich ihm ein Heft abkaufeoder nicht, er bleibt immer gleich freundlich,grüsst mich und hofft auf nächste Kunden.Lächelnd nimmt er die sechs Franken entge-gen, bedankt sich und wartet, bis sich wiederjemand für seine Zeitschrift interessiert. Ichmöchte Fiqi Ibrahim Ali als Starverkäufervorschlagen, weil er so geduldig, so freund-lich und so dankbar ist.»

(Fiqi Ibrahim Ali möchte lieber nicht aufs Bild.)

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Leserbriefe

be mich auch gefragt, wer solche Ideen entwickelt. Wo steht eigentlich«das Recht auf Luxus» verbrieft? In der heutigen Zeit und aus Sicht dervielen Menschen, die sich das nicht leisten können, ein Hohn. Ich an-erkenne ja, dass es für den Verkauf von Autos Werbung braucht, auchist nicht zu verschweigen, dass in der lieben Schweiz auch viele Ar-beitsplätze direkt oder indirekt vom Auto abhängen. Aber könnte mandie Werbewirtschaft nicht regeln? In Grossbritannien mussten Kosme-tikfirmen ihre Plakate, die zu stark retuschierte Models zeigten, aus demVerkehr ziehen. Ihnen, lieber Herr Blumer, ein Riesenkompliment zur kritischen Wort-meldung. Ich finde es super, dass es noch Menschen gibt, die sich so et-was öffentlich zu kritisieren trauen. Das bestätigt mir: Wir leben nichtin einer Diktatur mit Pressezensur.D. und E. Knopf, Birmensdorf

«Übermotorisiert und unterbelichtet»LärmZum Artikel von Reto Aschwanden: Sie haben etwas Wichtiges verges-sen: Motorroller stinken und machen Lärm, viel mehr als Autos!Elisabeth Konrad, Bern

«Cervelat-Promis zum Anbeissen»TierleichenDie Kunst symbolisiere mit der Darstellung von Würsten das pralle Le-ben genauso wie Tod und Zerfall, schreibt Surprise über die Ausstellung«Alles Wurscht oder was?» im Historischen Museum von Luzern. Undübergeht dabei die Tatsache, dass dieses «pralle Leben», genannt Wurst,von Rindern und Schweinen abstammt, die ihr kurzes Leben auf eng-stem Raum in oft dunklen Ställen fristen mussten, dann brutal getötetund zerstückelt wurden. Millionen dieser Lebens- und Todessymbolewurden 2010 in der Schweiz vertilgt – wie viele Tiere dafür vom Lebenin den Tod befördert wurden, weiss ich nicht. Ist ja auch wurscht, nichtwahr? Hauptsache, es gibt Künstler, die mit solchen Tierleichen Kunst-werke konzipieren. «Auschwitz fängt da an, wo einer im Schlachthofsteht und denkt, es seien ja nur Tiere», sagte der Philosoph und Sozio-loge Theodor W. Adorno. Ein Zitat zum Zubeissen … Lislott Pfaff, Liestal

Nr. 253 und 254: LesenummernGeschenk für LeserattenEs ist mir immer eine Freude, Surprise zu lesen. Die Artikel sind vomBesten. Nun die Kurzgeschichten! Als Leseratte waren sie mir ein Ge-schenk. Immer Dank für Ihre Arbeit, den Sinn, den Sie diesem Magazin geben,für die Hilfe an viele.Marianne Erni-Stiner, per E-Mail

TraumweltenMena Kost hat meine Ferienlektüre mit ihrer wunderbaren Versamm-lung von tollen Texten und unterschiedlichsten Autorinnen und Autorenmassgeblich geprägt. Ich habe mich auf die Suche nach markanten letz-ten Sätzen gemacht und siehe da: «Für meine Geschichte reicht die Län-ge eines Zeitungsartikels absolut», «… man warf uns alle hinaus» und«… gehe ich mit gutem Beispiel voran und höre hier nun auf» – das sinddoch überzeugende Einladungen, sich wieder mit der eigenen Ferien-und Alltagswelt zu beschäftigen! Neben dem herrlich schräg erzählten«Blaue Liebe»-Krimi und dem alltagsklugen Essay über «Stil und Moral»bleiben mir auch einige skurrile Texte in Erinnerung, in denen immerwieder neue Bilder und Geschichten angefangen werden, die sich garnicht ganz enträtseln lassen.Christian Vontobel, Basel

Ewig soKöstlich, diese Geschichten in den letzten beiden Ausgaben. Das reinsteLesevergnügen. Könnte es doch ewig so weitergehen.Gerhard Cornu, Felben-Wellhausen

Nr. 255: Im Südsudan«Das Recht auf Luxus»Unseliges PlakatIch bin schon seit Jahren Leserin ihrer tollen Zeitung. Ich zähle nicht zuden aktiven Leserbriefschreiberlingen. Doch mancher Gedanke bewegtund bestätigt mich, und dass ich nicht so falsch liege, konnte ich in Ih-rem «Mit scharf!» sehen. Wir haben hier unsere Postautohaltestelle, dieich ab und an benutze, auch dort hängt dieses unselige Plakat. Ich ha-

«Aus Sicht der vielen Menschen, die sich das nicht leisten können, ist das ‹Recht auf Luxus› ein Hohn.»

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VON MANUELA DONATI (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILD)

Der Moment, als sie ihre eigene Stimme zum ersten Mal über denLautsprecher hörte, ist Isabelle Augustin noch gut in Erinnerung. In derOltener Bahnhofshalle war das. «Bin ich das jetzt?», habe sie sich da-mals gefragt. Dass sich Augustin beim Zugfahren immer mal wiederselbst hört, daran hat sie sich mittlerweile gewöhnt. Von Freunden undBekannten wird sie jedoch noch regelmässig auf ihre Durchsagen an-gesprochen. In der Öffentlichkeit, auf Schweizerdeutsch, bleibt ihreStimme hingegen unerkannt: «Dass mich jemand direkt an der Stimmeerkannt hat, ist noch nie vorgekommen», sagt Augustin, deren BaslerDialekt im Hochdeutsch der Lautsprecherbotschaften nicht durch-dringt.

Fast ein Jahr lang stand Isabelle Augustin 2006 im Tonstudio, um dieDurchsagen für das Deutschschweizer Bahngebiet aufzunehmen. JedesWort musste einzeln gesprochen werden – eine langwierige Prozedur.Heute sei ihr Alltag ein ganz anderer, erzählt Augustin beim Gesprächin einem Café im malerischen Allschwiler Dorfkern, habe nichts mehrmit Tonstudios oder Theaterbühnen zu tun. Nicht weit von hier, in ei-nem alten Bauernhaus in der kleinen Gemeinde Schönenbuch, wohntsie zusammen mit ihrem Partner Vicente und den drei Hunden Joshi,Camma und Tao. «Hätte mir früher jemand gesagt, dass ich einmal ineiner Landgemeinde wie Schönenbuch wohnen würde – never, hätteich geantwortet», meint Augustin lachend.

Das «Früher» bezieht sich auf die Zeit, als sie noch bei verschiede-nen Schweizer Theatern und als Sprecherin bei Fernsehsendungen wie«10vor10» oder «Tagesschau» arbeitete und in den grossen SchweizerStädten zu Hause war. «Mein Leben ist unterteilt in zwei Teile», erklärtsie rückblickend. Deutliche Trennlinie: Eine Weltreise. 2003 wollte Isa-belle Augustin «raus aus den sterilen Situatio-nen in Aufnahmestudios». «Ich wollte selbstmachen und wirken», sagt sie und fügt an:«Ausserdem bin ich ein ungeduldiger Mensch,nicht gemacht für die Routine.» So kündigtedie damals 39-Jährige Job und Wohnung undreiste zusammen mit Partner Vicente in einemJahr einmal um den Globus. Sie wollte «raus in den Dschungel», sagtsie. Also mieden die beiden grosse Städte und verbrachten stattdessenviel Zeit in Auffangstationen für Wildtiere. Sie fütterten und pflegten inFreiwilligenarbeit Affen, Papageien, Schlangen und kleine Wildkatzenin Ecuador, Thailand und Vietnam.

Der intensive und nahe Kontakt mit den Tieren hinterliess bei Isa-belle Augustin einen bleibenden Eindruck. Wieder zurück in derSchweiz war ihr endgültig klar, dass sie eine Veränderung brauchte. Au-gustin machte zwar noch einige Sprechjobs – wie den bei der SBB –,absolvierte aber die Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin und be-gann, sich im Tierschutz zu engagieren. Zuerst setzte sie sich beim«Verein für Schweinefreunde» für Nutztiere ein und klärte mit dem«GrunzMobil», einer Mischung aus Kino und VW-Bus, an Standaktio-

PorträtAllgegenwärtig in der BahnhofshalleNoch für sechs Jahre wird es ihre Stimme sein, die wir hören, wenn am Bahnhof oder im Zug Informationen überLautsprecher durchgegeben werden. Isabelle Augustin hat aber unterdessen ihr Leben auf den Kopf gestellt undeine Aufgabe gefunden, die sie mit Leidenschaft erfüllt: Der Einsatz für Tiere.

nen und in Schulen über die Missstände in der Nutztierhaltung und derFleischproduktion auf. Dann wurde ihr klar: «Ich will mehr im direktenKontakt mit Tieren sein.» Als ersten Schritt brachte sie die beidenWindhunde Camma und Tao aus Spanien in die Schweiz und gab demblinden Mini-Boarder-Collie Joshi ein Zuhause. 2010 begann sie, sich ineinem Tierheim im benachbarten französischen Mulhouse zu engagie-ren. Um für dessen Hunde und Katzen ein neues Zuhause zu finden,hat sie den Verein «Pfotenteam» mitgegründet.

Fast jeden Samstag verbringt Augustin zusammen mit anderen Hel-fern des siebenköpfigen Teams im Tierheim und geht mit den Hundenspazieren. Regelmässige Putzaktionen, der Kontakt zu potenziellenneuen Herrchen und Frauchen sowie viel Organisatorisches gehörenebenfalls zum ehrenamtlichen Engagement. «Wahnsinnig viele Tierewerden abgegeben oder ausgesetzt», sagt Isabelle Augustin, «es ist de-primierend. Doch wenn man sich einsetzt, kann man auch etwas Gu-tes schaffen.» Und mit ihrem Engagement für den Tierschutz tut Isa-belle Augustin nicht nur den herrenlosen Hunden und Katzen etwasGutes, sondern auch sich selbst: «Die Arbeit mit Tieren ist sehr erfül-lend», sagt sie. Hauptberuflich unterrichtet sie heute Deutsch fürFremdsprachige in Basel und Allschwil, und das sehr gerne. «Dochnach dem Unterrichten bin ich jeweils müde. Gehe ich danach mit mei-nen Hunden nach draussen, bin ich wieder voller Energie.»

Noch bis 2017 ist Isabelle Augustin die Stimme der SBB. Bis dannkann es passieren, dass sie eine Zugdurchsage an den ersten Teil ihresLebens erinnert. Doch Isabelle Augustin vermisst das Rampenlicht desTheaters und ihre Sprech-Jobs nicht. «Ich habe abgeschlossen damit.Ich habe mich verändert», sagt sie bestimmt. Und: «Tierschutz ist ge-nau mein Ding.» Isabelle Augustin hat dabei noch eine weitere Leiden-schaft entdeckt: Die Zoopharmakognosie, die Lehre von der Selbstme-

dikation bei Tieren. Seit eineinhalb Jahren reist sie deshalb regelmässignach England und besucht dort Seminare. Mit ihrem Wissen konnte sieeinen verängstigten, bissigen Hund auch schon mal mit ätherischenÖlen besänftigen. Und haben ihre eigenen Hunde kleine Verletzungen,behandelt sie diese nicht mit Antibiotika, sondern mit Heilerde oderÖlen. Der umtriebigen Frau wird es in nächster Zeit bestimmt nichtlangweilig. Zudem hat die 47-Jährige noch einen Traum, den es zu re-alisieren gilt: Sie würde gerne ein kleines Tierschutzzentrum eröffnen,einen Begegnungsort, den Tierfreunde und Fachleute zum Netzwerkennutzen könnten und in dem sie Zoopharmakognosie praktizieren wür-de. Ein Projekt, so scheint es, das sicherlich kein Luftschloss bleibenwird – gemessen an der Entschlossenheit und Begeis terung, mit derAugustin davon erzählt. ■

Augustin klärte mit dem «GrunzMobil» überdie Missstände in der Nutztierhaltung und derFleischproduktion auf.

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VON STEFAN MICHEL (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

Herr Binswanger, Sie vertreten in Ihrem Buch «Die Tretmühlen desGlücks» eine skeptische Sicht auf das Wirtschaftswachstum …Unser Wohlstand ist so gross wie noch nie, doch die Zufriedenheit stag-niert. Das zeigen Untersuchungen. Trotzdem glauben die meisten, dasses ihnen noch besser ginge, wenn sie noch mehr besässen. So geratensie in eine Tretmühle.

Ist es nicht eine Gefahr für die Wirtschaft, wenn immer mehrLeute merken, dass sie gar nicht mehr Materielles brauchen, umglücklich zu sein?Das ist eine riesige Gefahr. Darum hält die Wirtschaft die Tretmühlenpermanent am Laufen. Zum Beispiel indem sieGütern einen Statuscharakter gibt. In derSchweiz haben alle ein Auto, die eins wollen.Würden sie es lediglich alle paar Jahre erset-zen, dann wäre im Automarkt kein Wachstummehr möglich. Weil das Auto aber ein Statussymbol ist und die Leute ei-nen besseren Wagen fahren wollen als die anderen, ist der Markt nochnicht gesättigt.

Wie gelingt es Ihnen selber, nicht nach mehr zu streben?An der Universität ist man sicher nicht dem gleichen Druck ausgesetzt,wie wenn ich in einer Bank arbeiten würde. Ich bin zufrieden, solangeich machen kann, was mich interessiert. Materiellen Wohlstand anzu-häufen, beglückt mich hingegen nicht besonders.

«Tretmühlen des Glücks» ist ein Lebenshilfebuch. Ist das eineNachbarschaft, in der Sie sich wohlfühlen?Das wurde vom Verlag so positioniert. Ich kann damit auch einige Din-ge richtigstellen, die in den anderen Lebenshilfebüchern nicht bespro-chen werden. Glück ist zu individuell, als dass man Menschen sagenkönnte, was sie tun müssten, um glücklich zu werden. Umgekehrt kannman aufzeigen, welche Tendenzen es einem systematisch erschweren,ein glückliches Leben zu führen.

Sind Sie mit solchen Themen unter Ökonomen ein Querulant?Nicht unbedingt. Die Glücksökonomie gewinnt auch in der Wirtschafts-wissenschaft an Stellenwert. Viele Ökonomen haben jedoch mit der Re-alität nicht viel am Hut. Die bleiben in ihrer Wissenschaftswelt.

Ihr neuestes Buch trägt den Titel «Sinnlose Wettbewerbe – Wa-rum wir immer mehr Unsinn produzieren». Was ist ein sinnloserWettbewerb?Ein sinnloser Wettbewerb findet dort statt, wo kein Markt ist und manversucht, durch einen künstlichen Wettbewerb Effizienz herzuzaubern.Ein gutes Beispiel ist die Wissenschaft. Würde man sie dem Markt über-

lassen, gäbe es bald keine Grundlagenforschung mehr, weil die niemanddirekt nachfragt. Also inszeniert man einen Wettbewerb. In der Wissen-schaft geht es heute darum, möglichst viel zu publizieren und möglichstviele durch Drittmittel finanzierte Projekte durchzuführen. Das führt da-zu, dass es immer mehr Publikationen und Projekte gibt, die aber im-mer belangloser werden. Man konzentriert sich auf das, was gemessenwird. Der Inhalt spielt keine Rolle mehr. Sinnlose Wettbewerbe breitensich seit den Achtzigerjahren auch in anderen Bereichen aus, zum Bei-spiel im Gesundheitswesen.

Können Sie das erklären?Gesundheitsversorgung soll allen zur Verfügung stehen. Würde man siedem Markt überlassen, wäre das nicht mehr gewährleistet. Aber wenn

da kein Markt ist, dann kann es nicht effizient sein, denken einige undinszenieren deshalb einen Wettbewerb.

Was sind die Folgen?Früher verdiente ein Spital umso mehr, je länger es einen Patienten beisich behielt. Die Fallpauschalen, die in der Schweiz ab nächstem Jahrgelten, bewirken, dass ein Spital einen Patienten möglichst kurz behal-ten und möglichst viel aus ihm herausholen will. Dabei blendet manaus, dass die Kosten einfach verlagert werden. Auf den ambulanten Be-reich, auf die Rehabilitation und auf weitere Institutionen, die die Kran-ken von den Spitälern übernehmen.

War das Gesundheitswesen effizienter, bevor man versuchte,die Effizienz zu steigern?Im grossen Ganzen wahrscheinlich schon. Früher war der Zweck, dieKranken zu heilen und die Kosten nicht aus dem Ruder laufen zu las-sen. Inzwischen ist das finanzielle Ergebnis das Wichtigste. Die Patien-ten sind zu einem Portfolio geworden, das man optimieren muss.

Woher kommt dieses Missverständnis der Effizienz?Das begann in den Achtzigerjahren mit den Regierungen Reagan undThatcher, die möglichst viel Markt und möglichst wenig Staat wollten.Weil dann zu viel nicht mehr funktionierte, forderte man den effizien-ten Staat. Den propagierten besonders Blair und Schröder. Und alles,was sich schon im Ausland nicht bewährt hat, wird verspätet und mitbesonderem Fleiss auch in der Schweiz umgesetzt.

Warum übernimmt man etwas, das nicht funktioniert?Dahinter steckt auch ein starkes Interesse von Beratungsbüros und Ins -tituten, die auf die Einführung von solchen künstlichen Wettbewerbssy-

WirtschaftDas Märchen vom Wettbewerb

Warnung! Die folgenden Aussagen des Volkswirtschaftsprofessors Mathias Binswanger gefährden das Wirt-schaftswachstum. Aber sie könnten Ihr Glück fördern.

«Alles, was sich schon im Ausland nicht bewährt hat, wirdmit besonderem Fleiss auch in der Schweiz umgesetzt.»

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stemen spezialisiert sind. Zudem stehen Politiker, die für das Gesund-heitswesen verantwortlich sind, unter einem starken Legitimations-druck. Sie geben sehr viel Geld aus und müssen beweisen, dass diesesGeld etwas bewirkt. Dazu brauchen sie Zahlen.

Auch der Freihandel, sagen Sie, hat in der Landwirtschaft nicht denEffekt, den man sich wünscht – nämlich tiefere Preise für die Kon-sumenten und höheren Absatz für die Produzenten. Weshalb?Es sieht zwar zunächst aus, als ob die Konsumenten die Gewinner wä-ren, wenn die Preise sinken. Da sie in der Schweiz aber trotz hoher Prei-se einen relativ kleinen Teil des Einkommens für Nahrungsmittel aus-geben, ist das nicht allein ausschlaggebend. Vielen Kunden liegt auchdaran, dass die Nahrungsmittel aus ihrer Umgebung kommen, dass manEinfluss nehmen kann auf die Produktionsbedingungen.

Sind Sie ein Gegner des Freihandels?In den meisten Bereichen ist Freihandel absolut sinnvoll. Aber die Land-wirtschaft passt da nicht hinein. Ihr Hauptproduktionsfaktor ist der Bo-den. Die Industrie oder die Dienstleistungsbranche können ihren Haupt-produktionsfaktor, das Kapital, erweitern. Der Boden, den man bebauenkann, ist irgendwann bebaut. Wachstum ist dann nur durch höhere Pro-duktivität zu erreichen. Sie führt dazu, dass die Preise sinken. Dadurchsinkt das Einkommen, und die weniger produktiven Bauern scheidenaus. Der Rest versucht, noch produktiver zu werden, mit dem Resultat,dass sich das Ganze wiederholt. Dies ist die landwirtschaftliche Tret-mühle, die so weitergeht, bis die meisten Bauern verschwunden sind.

Sie sind ein wettbewerbs- und wachstumskritischer Ökonom?Nein. Ich bin weder gegen Wettbewerb noch gegen Wachstum. Abernicht für Wettbewerb und Wachstum um jeden Preis. Das Wachstum

Zur Person:Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an derFachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an derUniversität St.Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in denBereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomiesowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück undEinkommen. Er publiziert wissenschaftliche Bücher und Artikel inFachzeitschriften, nach eigenem Bekunden interessiert es ihn abermehr, «für die interessierte Öffentlichkeit» zu schreiben.

zum Beispiel hat einen Wohlstand ermöglicht, wie wir ihn noch nie hat-ten. Wie sich in der Finanzkrise gezeigt hat, kann man ein hohesWachstum aber nur aufrechterhalten, wenn man von Zeit zu Zeit un-vernünftig investiert. Mit einem etwas gemächlicheren Wachstum wür-den wir wahrscheinlich besser leben.

Wenn Sie das Schweizer Wirtschaftssystem anschauen – woransollten wir festhalten, was sollten wir ändern?Grundsätzlich hat die Schweiz ein sehr gutes System. Viele Sachen gibtman in der Schweiz auf, weil man das Gefühl hat, man könne nicht mit-halten mit dem Ausland und müsse sich auch danach ausrichten. DieSchweiz hat ein sehr gutes System in der Bildung: Relativ wenig Stu-denten und eine gut ausgebaute Berufslehre. Doch wir sind drauf unddran, das zugunsten eines Systems aufzugeben, das sich schon im Aus-land nicht bewährt hat. ■

Sinnlose Wettbewerbe – Warum wir immer mehr Unsinn produzieren, Herder 2010.

Die Tretmühlen des Glücks – Wir haben immer mehr und werden nicht glücklicher.

Was können wir tun? Herder 2009.

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AbwasserDas Geschäft mitdem GeschäftIn unseren Ausscheidungen steckt weit mehr, als wir vermuten. Wir wagten einen tiefen Blickin die WC-Schüssel – und darüber hinaus.

VON MONIKA BETTSCHEN (TEXT) UND LUC-FRANÇOIS GEORGI (BILDER)

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Das Dorfleben neigt sich dem Abend zu: Hauptstrasse in Mundri, Südsudan

Urin und Fäkalien als flüssiges Gold – dieser Gedanke ist gewöh-nungsbedürftig. Schon von klein auf lernen wir, dass das, was beimToilettengang hinten herauskommt, «gruusig» ist. Unser verkrampftesVerhältnis zu Exkrementen und zu den Problemen rund um deren Ent-sorgung entstand jedoch erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wan-delte sich als Folge neuer medizinischer Er-kenntnisse über Durchfallseuchen wie Typhusoder Cholera das Hygieneverständnis: Aus-scheidungen wurden als gefährliche Krank -heitsherde erkannt. Vor allem in den Städtenmit ihrer hohen Bevölkerungsdichte galt esfortan als unfein, seine Notdurft in der Öf-fentlichkeit zu verrichten. In dieser Zeit wurde auch die flächendeck -ende Wasserversorgung der Haushalte vorangetrieben. «Doch diesesSystem konnte nur in Verbindung mit einer adäquaten Entsorgungs-technik funktionieren, der Schwemmkanalisation, wie wir sie heutekennen», erklärt der Historiker Martin Illi, der in Zürich historischeFührungen zum Thema Abwasser leitet. «Diese Entwicklung ebnete derToilette mit Wasserspülung den Weg in Europas Badezimmer.» Heutescheint ein Leben ohne Wasserklosett undenkbar. Überdenken mussder Mensch aber wohl schon bald die Entsorgung seiner Hinterlassen-schaften.

Ein süsslicher, etwas strenger Geruch schwebt über dem 28000 Qua-dratmeter grossen Gelände der Abwasserreinigungsanlage (ARA) Klo-ten/Opfikon, wo die Abwässer von rund 60000 Menschen gereinigtwerden. Die Kanalisationen der beiden Gemeinden sowie die des Flug-hafens Zürich Kloten führen an diesen Ort, der mit den Gitterzäunenund der Überwachungskamera am Eingangstor ein wenig an ein militä-

risches Testareal erinnert. Hinter den hohen Absperrungen wird intensivgearbeitet und geforscht. Die Fachleute der Eidgenössischen Anstalt fürWasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag)verfolgen zwei Ziele: Die Senkung des hohen Energieverbrauchs bei derAbwasserreinigung und die Produktion eines Düngers aus Abwasser.

Denn das, was wir jeden Tag die Toilette hinunterspülen, ist nicht ein-fach nur Abfall, sondern eine wertvolle Quelle für Phosphor und Stick-stoff. Beide Stoffe sind bei der Herstellung von Düngemitteln unver-zichtbar. «Die Phosphorressourcen der Erde werden knapp und dürftenin etwa 100 Jahren vollständig erschöpft sein», schätzt Marc Böhler,Verfahrenstechniker bei der Eawag. Daher habe man hier neue undnachhaltige Quellen erschlossen: Faulwasser und Urin.

Henker als PutzpersonalIn den europäischen Städten war es vom Mittelalter bis weit ins 19.

Jahrhundert hinein üblich, Fäkalien und Abfälle in schmalen Schächtenzwischen den Häusern, den sogenannten Ehgräben, zu entsorgen. Die-se Rinnen wurden des Nachts von Henkern und anderen Aussenseiternder Gesellschaft gereinigt, Goldgrübler, Heimlichkeitsfeger oder auchNachtkärrner wurden diese Outlaws genannt. Die eingesammelten Ex-kremente verkauften sie an die umliegende Landwirtschaft. Aus dem

«Die Zusammensetzung der Feststoffe und der Mikro-verunreinigungen geben genau Auskunft darüber, waskonsumiert wurde.»

Per Luftstrippungs-Verfahren vom Abwasser … … zum wertvollen Flüssigdünger Ammoniumsulfat (linke Flasche).

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Abtransport der stinkenden und begehrtenFracht entstand ein blühendes Gewerbe, demerst der Bau der Kanalisation in den Städten abdem 19. Jahrhundert ein Ende setzte.

Seither haben sich die Anforderungen andie Abwasserreinigung verändert. Seit 2005 ist das Ausbringen von Gül-le aus Klärschlamm in der Schweiz verboten. Um die Nährstoffe ausUrin und Fäkalien trotzdem nutzen zu können, wurden neue Verfahrenentwickelt, um diese in der ARA zu recyceln. «Eine Idee war, den Stick-stoff des Faulwassers nicht zu Luftstickstoff zu vernichten, sondern die-sen in Form eines Flüssigdüngers in die Landwirtschaft zurückzufüh-ren», so Böhler. Plötzlich hätten sich Geschäftsfelder für diesen nach-haltigen Dünger aus Faulwasser und Urin aufgetan. Die ARA sei nichtlänger ein Ort, an dem Rohstoffe nur herausgefiltert und vernichtet wer-den müssten, sondern sie könne neu ein wertvolles Produkt bereitstel-len. Anders gesagt: flüssiges Gold aus brauner Brühe.

Seit diesem Frühling kommt in der ARA Kloten/Opfikon deshalb eineneue Technik zur Anwendung, die sogenannte Luftstrippung. In dreimächtigen, zehn Meter hohen Reaktoren, Kolonnen genannt, wird ausStickstoff in einem mehrstufigen Prozess ein gefragter Flüssigdünger her-gestellt: Ammoniumsulfat. «So schliesst sich der Nährstoffkreislauf nahe-zu vollständig. Die damit produzierten Nahrungsmittel gelangen über denHandel zum Menschen und über dessen Ausscheidung wieder zurück zurKläranlage», erläutert Marc Böhler, der dieses neue Projekt leitet.

Chemikalien in den FäkalienParallel zur Stickstoffrückgewinnung läuft auch ein Test, bei dem im

Eawag-Gebäude abgetrennter und gesammelter Urin aufbereitet undebenfalls zu Düngemittel verarbeitet wird. Urin ist aufgrund des hohenNährstoffgehaltes Gift für die Gewässer. Gelangt er unkontrolliert inFlüsse und Seen, verursachen die darin enthaltenen Stoffe ein verstärk-tes Algenwachstum. «Im schlimmsten Fall können dadurch ganze Was-serzonen regelrecht ersticken», erklärt Böhler. Würde der Urin bereits inder Toilette direkt von den Fäkalien getrennt und unverdünnt gesam-melt, könnte man die Kläranlagen stark entlasten. Für Bergregionen,Ballungszentren und Entwicklungsländer ohne Schwemmkanalisationwäre dies eine sinnvolle Alternative. «Man muss sich bewusst sein, dassdas Wasser der WC-Spülung die Nährstoffe in den Ausscheidungen ver-dünnt. Dies wieder rückgängig zu machen, verbraucht viel Energie.»Daher sei es ein wichtiger Ansatz, zum Beispiel den Urin dezentral zusammeln, ohne dass dabei unnötig Wasser verbraucht werden müsste.Im Eawag-Gebäude wird der Urin in sogenannten No-Mix-WCs bereitsin der Schüssel von den Fäkalien separiert.

Marc Böhler nennt weitere Herausforderungen der Abwässerklärung:«Ein aktuelles Thema ist zum Beispiel das Bestreben der Schweiz, auchsogenannte Spurenstoffe, etwa aus Medikamenten, Haushaltschemika-lien oder Pestiziden, aus dem Abwasser zu entfernen.» Der Bundesratwurde durch die Annahme einer entsprechenden Motion im März 2011beauftragt, eine schweizweite, möglichst verursachergerechte Finanzie-rungslösung für die Aufrüstung von rund 100 der 700 zentralen Abwas-serreinigungsanlagen auszuarbeiten. Dabei geht es um Investitionskos -ten von rund 1,2 Milliarden Franken. «Das Wasserschloss Schweiz trägtals Ursprungsort vieler Flüsse auch dem Ausland gegenüber eine grosseVerantwortung», sagt Böhler.

Verräterische AusscheidungenDie Schweiz betreibt einen grossen Aufwand in der Abwasserreini-

gung. Und auch die Privathaushalte investieren ins stille Örtchen. DieSanitärbranche und die Grossverteiler verzeichnen beeindruckende Ver-kaufszahlen. Die Geberit Gruppe, bekannt für ihre Dusch-WCs und eineder Leaderinnen im Sanitärmarkt, erwirtschaftete 2010 einen Umsatzvon 2,1 Milliarden Franken, wovon 13,6 Prozent auf den SchweizerMarkt entfielen. Das WC ist heute nicht mehr nur Mittel zum Zweck,

Zwei Mal um die Erde700 zentrale Kläranlagen und über 3400 Kleinkläranlagen sind hierzu-lande für die Abwasserreinigung zuständig. Dabei fallen jedes JahrKos ten in der Höhe von über zwei Milliarden Franken an. Die Kanali-sationsleitungen der Schweiz messen heute zusammen rund 90000 Ki-lometer, aneinandergereiht liesse sich damit die Erde am Äquator mehrals zwei Mal umrunden. Das Schweizer Kanalisationssystem zählt da-mit zu den besten der Welt. Doch es hat seine Kehrseite: Der Klärvor-gang verbraucht sehr viel Energie und Wasser. Pro Einwohner und Tagwerden in der Schweiz 162 Liter Wasser verbraucht, wovon 47,7 Literauf die Toilettenspülung entfallen. Weltweit leben 2,6 Milliarden Men-schen ohne Zugang zu sanitären Anlagen.

sondern Teil eines vom Wellness-Gedanken geprägten Lebensstils. «DieAnsprüche an Architektur und Ausstattung sind gewachsen, auch beimWC», stellt Roger Bühler, Produktmanager bei der im Baufachhandel tä-tigen Firmengruppe SABAG fest. Unter anderem zeigten grosszügiger be-messene WCs den gestiegenen Stellenwert der Toilette. Auch die «Ac-cessoires» fürs Örtchen sind dick im Geschäft: Schweizerinnen undSchweizer verbrauchen pro Kopf und Jahr 21 Kilogramm WC-Papier undbescherten dem heimischen Detailhandel in den letzten zwölf Monatendamit einen Umsatz von 184,5 Millionen Franken. Auch Artikel wie Luft-erfrischer sind gefragt: Coop erwirtschaftet damit jährlich 20 MillionenFranken.

Verkaufszahlen für Toilettenartikel verraten viel über unser Konsum-verhalten. Noch mehr verraten unsere Ausscheidungen selbst: «JedesEinzugsgebiet einer ARA produziert ein unverwechselbares Abwasser»,sagt Marc Böhler, «die Zusammensetzung der Feststoffe, die im Rechenhängen bleiben, und der Mikroverunreinigungen aus Kosmetika, Pesti-ziden oder Medikamenten geben genau Auskunft darüber, was, wannund in welchen Mengen in einem Gebiet konsumiert wurde». Ob Migrosmit der Cumuluskarte, Coop mit der Supercard oder die Datensammlervon Facebook: Den Grossfirmen sind Informationen über unser Kon-sumverhalten Millionen wert. Wer weiss, ob sie sich nicht bald auch fürdie – vermeintliche – Endstation unseres Konsums interessieren wer-den. Und damit auch noch die darin steckende Information eines Tageszu Gold wird. ■

Seit 2005 ist das Ausbringen von Gülle ausKlärschlamm verboten.

Die wundersame Wirkung von Ammoniumsulfat – gepriesen auf einer alten franzö-

sischen Postkarte.

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VON CHRISTOF MOSER

Demokratie ist mehr, als mit dem Kugel-schreiber ein Kreuzchen zu machen: Demokra-tie lebt nicht vom Entscheid, sondern von derDebatte. So lässt sich die Grundhaltung um-schreiben, die sechs junge Zürcher dazu moti-vierte, in der Stadt Zürich eine Landsgemeindezu organisieren. «Hochverehrte, liebe Mit-landsleute», schallte es am Nachmittag desletzten Nationalfeiertags von der Gemüsebrü -cke in der Zürcher Innenstadt. Dann legten dierund 300 Anwesenden los: Die Veganer-Frak-tion forderte ein Verbot der Nutztierhaltung,die Utopisten eine verbindliche Verpflichtungfür Schweizer Unternehmen, weltweit dieMenschenrechte einzuhalten, die Zürich-fixier-ten die Installation von Pingpong-Tischen in ei-nem Park im Stadtkreis 4. Es folgten Reden,

Gegenreden, Abstimmungen, Auszählungen.Und ja, man war geneigt zu fragen: Ist diese ur-chigste Form der Demokratie, vom Land in dieStadt transferiert, womöglich die bessere De-mokratie?

Progressive LandsgemeindenDie original Landsgemeinden haben sich in

den letzten Jahren zu progressiven Impulsge-bern gemausert, so zum Beispiel im KantonGlarus, wo mittels Handzeichen sowohl Ge-meindefusionen wie auch dem Stimmrechtsal-ter 16 zugestimmt worden ist. Auch an der Zür-cher Version liessen sich positive Aspekte be-obachten: direkte Auseinandersetzungen stattParolennachbetereien, die Kraft der besserenArgumente statt Beeinflussungsversuche durchMillionen-Kampagnen. Ihren Traum von einerbesseren Demokratie erledigte die Stadt-Lands-

Die Lobgesänge auf die direkte Demokratie übertönen die Stimmen, die warnen, das Schweizer System seinicht perfekt, sondern im Gegenteil: defekt. Im laufenden Wahlkampf zeigen sich die demokratiegefährden-den Defizite einmal mehr.

PolitikUnsere defekte Demokratie

gemeinde allerdings gleich selbst: Ausgerech-net die Forderung nach dem «Bürgerrecht füralle» schaffte es nicht über erste Diskussionenhinaus und verhedderte sich in einer Debattedarüber, dass zuerst einen Zeitungsartikel ver-stehen muss, wer an demokratischen Prozes-sen partizipieren will. Die überwiegend linkenKreise, die sich am Experiment der ZürcherLandsgemeinde beteiligten, stolperten über dierechtsbürgerliche Verkehrung, dass demokrati-sche Mitbestimmung eine Exklusivität ist, dieman sich erst verdienen muss. Tatsache ist:Nicht unbedarfte Demokraten sind eine Gefahrfür die Demokratie, sondern deren demokrati-scher Ausschluss von der Demokratie.

In gewissen Quartieren im ausländerreichenKanton Basel-Stadt kann gerade mal noch einDrittel der Bevölkerung an der Urne mitbe-stimmen, der Rest ist unter 18 oder als Auslän-

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Als man noch von Angesicht zu Angesicht debattierte: Ausschnitt aus dem Ständerats-Wandbild einer Landsgemeinde im 18. Jahrhundert.

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der nicht stimmberechtigt. Die Kantone Ap-penzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Graubün-den, Jura, Waadt, Genf und Freiburg erlaubeninzwischen zwar die Einführung des Auslän-derstimmrechts auf kommunaler Ebene, in derDeutschschweiz machen jedoch gerade mal 21Gemeinden davon Gebrauch. Der Kanton Neu-enburg kennt das Ausländerstimmrecht auf Ge-meindeebene bereits seit 1849, seit 2001 auchkantonal. Darüber hinaus geht es auch in derSchweiz geborenen Ausländern wie den Frau-en vor 1971: Paradoxerweise steht ihnen, umpartizipieren zu können, die direkte Demokra-tie im Weg.

Und es waren die Kantone mit Landsge-meinden, dem Sinnbild der direkten Demokra-tie, die sich besonders schwertaten mit mitbe-stimmenden Frauen: 1990 war ein Machtwortdes Bundesgerichts nötig, um im Kanton Ap-penzell Ausserrhoden das in der SchweizerVerfassung verankerte Frauenstimmrecht auchauf kantonaler Ebene durchzusetzen.

«Unschweizerische Demokratieverlude-rung»

Der Fall Appenzell ist denn auch ein staats-politisches Lehrstück von beunruhigender Ak-tualität: Es zeigt, dass das Volk eben nicht im-mer recht hat und Volksentscheide deshalbrechtsstaatlichen Kriterien und Verfassungs-grundsätzen unterliegen. Wer daran rüttelt,rüttelt an der Demokratie. Und schon sind wirmittendrin im gefährlichsten aller Defekte derschweizerischen Demokratie: Während die EUmit der Einführung von Referenden eine Ver-schweizerung der bislang eher dürftigen Parti-zipationsmöglichkeiten ihrer Bürger anstrebt,sägt in der Schweiz ausgerechnet die SVP anunserem direktdemokratischen Modell. Diestärkste politische Kraft im Land, deren Vertre-ter sich gerne als Gralshüter der Demokratiegebärden, schert sich einen Deut um das zwin-gende Völkerrecht. Sie lanciert in einer Art Po-lit-Mobbing Initiative um Initiative, die sich ge-gen rechtsstaatliche Prinzipien richten undkombiniert dies mit jener Haltung, mit der dieäusserste Rechte in den USA diesen Sommerdie Demokratie an den Rand des Zusammen-bruchs manövriert hat: Kompromisslosigkeit.

«Wir geben euch alles, was ihr wollt», sagtein am Schulden-Streit verzweifelnder US-Prä-sident Obama in einer Zeitungskarikatur zuden Republikanern. Diese erwidern: «Das istinakzeptabel.» Ein ähnliches Spiel treibt dieSVP mit der angenommenen Ausschaffungs-Initiative, die sie in ihrer radikalsten Formumgesetzt haben will, obwohl die Partei imAbstimmungskampf signalisierte, kompromiss-bereit zu sein. Bereits hat die SVP eine weitereInitiative lanciert, die Ausschaffungskriterien inder Verfassung festschreiben will. Sie wird sichdamit einmal mehr als einzig wahre Vertreterindes Volkes aufspielen.

Der Volksrechtsabsolutismus der SVP fälltin der obrigkeitsskeptischen Schweiz auffruchtbaren Boden, und so ist es kein Wunder,dass sich die anderen Parteien schwertun, die-sem Treiben Einhalt zu gebieten. Der «ClubHelvétique», eine Vereinigung aus Politikern,ehemaligen Bundesrichtern und Staatsrecht-lern, zeigte sich nach dem Ja zur Ausschaf-fungsinitiative «höchst besorgt» über die «un-schweizerische Demokratieverluderung» undrief Bürgerinnen und Bürger dazu auf, «sich inihren Parteien, Kirchen und anderen zivilge-sellschaftlichen Organisationen zu engagieren,

damit die Schweizer Demokratie nicht weiterzu Schaden kommt». Sinnvoll wäre die Schaf-fung eines Verfassungsgerichts, das über dierechtsstaatliche Zulässigkeit von Initiativenentscheidet, «damit nicht Recht werden kann,was zutiefst widerrechtlich ist», wie die NZZkürzlich formulierte. Doch in der staatspoliti-schen Kommission streiten sich die Mittepar-teien und die Linken seit geraumer Zeit ergeb-nislos über die Frage, ob Initiativen von einemGericht auf ihre Vereinbarkeit mit dem zwin-genden Völkerrecht geprüft werden sollen.Auch Justizministerin Simonetta SommarugasVorschlag, dass eine Kommission bereits vorder Unterschriftensammlung klären soll, ob einVolksbegehren für ungültig erklärt werdenmuss, ist höchst umstritten. Die SVP bezeich-net dieses Ansinnen als «Volksbevormundung»und hat dagegen bereits präventiv das Referen-dum angekündigt.

Ungleich lange SpiesseDie SVP profitiert denn auch am meisten von

einem weiteren Demokratie-Defekt, der im lau-fenden Wahlkampf einmal mehr augenschein-lich wird: die intransparente Finanzierung derParteien. «SVP mit hundert Mal grösserem Bud-get als die Grünen», titelte «20-Minuten» kürz-lich und rechnete vor, dass die Volkspartei geschätzte 18 Millionen Franken in den Wahl-kampf investiert, während die grüne Parteiüber Geldmittel von gerade mal 180000 Fran-ken verfügt. Auch die SP kommt mit 1,5 Milli-onen Franken Wahlkampf-Budget bei Weitemnicht an die SVP heran, ebenso wenig wie FDPund CVP, die nach eigenen Angaben zwei bisdrei Millionen einsetzen können. Summa sum-marum wirft die SVP mehr Geld in die Schlachtals alle anderen Parteien zusammen. Das äus-sert sich auch diesen Herbst in der SVP-Domi-nanz an den Plakatwänden und auf den An-zeigenseiten der Zeitungen. Allerdings sind dieungleich langen Spiesse keineswegs nur inWahlkampfphasen ein Problem und betreffenauch nicht nur die SVP. In Abstimmungskämp-

fen wird dieses demokratiepolitische Defizitebenso sichtbar. Der WirtschaftsdachverbandEconomiesuisse wirft regelmässig über zehnMillionen Franken auf, um die Stimmbürgermit Plakatkampagnen zu beeinflussen – so vielwie niemand sonst.

Die Demokratieforschung geht zwar davonaus, dass Volksentscheide nicht gekauft wer-den können, doch der PolitikwissenschaftlerHanspeter Kriesi warnt, dass dies nicht heisse,dass millionenteure Kampagnen keinen Ein-fluss hätten. «Bei knappen Mehrheiten kannder eigentlich geringe Effekt matchentschei-

dend sein», so Kriesi. Weniger diplomatischdrückt sich der frühere SP-Nationalrat, Preis-überwacher und heutige Publizist RudolfStrahm aus. Er bezeichnet es als eine «staats-politische Grundsatzfrage», wie weit zugelas-sen werden soll, «dass sich das Krebsgeschwürdes Lobbyings und Sponsorings in die Demo-kratie hineinfrisst». Trotz «demokratischer Me-chanismen» habe die Schweiz besonders in derBanken-Politik «die Züge einer Oligarchie».Und Oligarchie heisse: «Herrschaft von weni-gen aus Eigennutz und ohne demokratischeLegitimation».

Mitmachen!Leben wir in einer Schein-Demokratie? Im

Wissen um die Geldsummen, die im Versteck-ten in das politische System sickern und damitAbhängigkeiten schaffen, erhält dieser Begriffeine doppelte Bedeutung. Wer aus nächsterNähe beobachtet hat, dass die UBS der CVPkurz vor der ständerätlichen Abstimmung übereinen Lohndeckel für Bankmanager 150000Franken zukommen liess und in der Folge ent-scheidende CVP-Parlamentarier gegen die Vor-lage stimmen sah, kann beim besten Willennicht mehr vorbehaltlos sagen, in einer funk-tionierenden Demokratie zu leben. Und er-kennt: Das patriotische Lobgehudel auf dieperfekte schweizerische Demokratie und dieselbstgefällige Zufriedenheit, ja wohl mehr De-mokratie zu haben als alle anderen auf derWelt, ist geradezu demokratiegefährdend. DieFrage ist bloss: was nun?

Es bleibt als Option einzig der Appell: Werdie demokratische Freiheit liebt, darf das de-mokratische Engagement nicht scheuen. DieInitiatoren der Zürcher Stadt-Landsgemeindesind auf dem richtigen Weg. Auch diese Formdirektester Demokratie mag ihre Schwächenhaben. Das Austesten neuer Formen der Bür-ger-Partizipation, ausserhalb korrumpierterStrukturen, ist aber ein Gebot der Stunde undkann nur von ganz unten kommen. Die Demo-kratie sind wir. ■

Die SVP wirft mehr Geld in die Wahlschlacht als alleanderen Parteien zusammen.

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Jarkko Schäublin und Judith Eckinger: Eishockey und Variété.

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VON ELISABETH WIEDERKEHR (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)

«Ganz selten habe ich das Hockey verflucht»Judith Eckinger und Jarkko Schäublin unterscheiden sich vor allem

in beruflicher Hinsicht. Sie ist Klavierbauerin und seit drei Jahren Va-rieté-Artistin, er war Profi-Eishockeyspieler und ist nun auf dem bestenWeg, Wirtschaftsprüfer zu werden.

Er: «Acht Jahre sind wir nun schon zusammen und seit sechs Jahrenwohnen wir in der gleichen Wohnung, aber so etwas wie einen regel-mässigen gemeinsamen Alltag hatten wir praktisch nie. Ich muss immerein bisschen schmunzeln, wenn ich etwa am Samstagmorgen beim Ein-kaufen Paare antreffe, die gemeinsam beraten, was sie kochen wollen.»

Sie: «Ich freue mich aber gerade auf solches riesig. Einkaufen, einerunde um den Häuserblock drehen, Kaffee trinken und vielleicht sogarmal längere Ferien. Das wird allerdings frühestens im November derFall sein. Dann ist die Saison im Broadway-Varieté zu Ende und Jarkkosteht erstmals keine Eishockeysaison bevor. Als wir zusammenkamen,sagte er mir gleich, was es bedeutet, mit einem Profi-Hockeyspieler li-iert zu sein. Das schreckte mich schon ein wenig ab. Kapiert, was eswirklich bedeutet, habe ich aber erst, als die Liebe solch praktischenFragen ihr Gewicht weggenommen hatte. Mit der Zeit habe ich dann ge-lernt, die sturmfreien Abende und Wochenenden für mich zu nutzenund zu geniessen. Natürlich war ich auch viel im Stadion. Währendvier Jahren habe ich jedes Heimspiel der jeweiligen Mannschaft gese-hen, in der Jarkko damals gespielt hat.»

Er: «Die verschiedenen beruflichen Welten gehören einfach zu uns –das Thema begleitet uns von Anfang an. Ein normales Studentenlebenoder dergleichen kannte ich nie. Das Hockey stand seit ich klein bin imZentrum, und mein Wirtschaftsstudium habe ich vor allem in derZwischensaison vorangetrieben. Wenn man so will, habe ich immerschon mein eigenes Ding gedreht. Bei Judith ist das nicht wirklich an-ders.»

Sie: «Ja, nach meiner Lehre als Klavierbauerin habe ich ein paar Mo-nate in einer Werkstatt in Holland gearbeitet, dann begann ich in derSchweiz neben der Arbeit in der Werkstatt und meinen Tae-Bo-Stundenim Service zu arbeiten – natürlich waren da die Wochenenden undAbende auch von mir aus angeknabbert. Ganz selten habe ich dasHock ey aber trotzdem verflucht. Es war der Guru, stach alles andereaus, so habe ich es zumindest manchmal empfunden. Solange ich abergesehen habe, dass Jarkko damit glücklich war, stand ich voll dahinter.Gegen Ende seiner Karriere war das nicht mehr so, und da fiel es mirschon schwer, mein Bedürfnis nach mehr Gemeinsamkeit zurückzu-stecken.»

Er: «Das war mir schon bewusst, doch daran ändern konnte undwollte ich damals nichts.»

Sie: «Heute, wo ich beruflich selber sehr eingebunden bin, fühle ichmich zuweilen auch ziemlich machtlos. Ich würde manchmal einfachgerne ins Auto steigen, kurz zu Hause vorbeischauen und Jarkko in dieArme schliessen. Aber das ist Tabu. Er arbeitet ja voll und schreibt anden Abenden noch seine Diplomarbeit. Zudem: Er ist nicht der Typ fürderlei romantische Aktionen! Noch nicht.»

Er: «Ich habe den Kopf allermeist dort, wo ich gerade bin. Das be-deutet nicht, dass ich Judith vergesse oder keine Sehnsucht kenne.Aber ich mache die Dinge – vor allem schwierige – tendenziell gernemit mir selbst aus. Aber was zählen wir da alles für Schwierigkeitenauf? Im Grunde bin ich ganz zufrieden. Ich finde, wir haben es gut undsind auch ziemlich gewachsen, weil wir nicht symbiotisch aneinander-kleben konnten. Das lag einfach nicht drin.»

Sie: «Und das ist prima so.»

Der Eishockey-Spieler und die Varieté-Tänzerin, die südafrikanische Chefin eines Putzinsti-tuts und der US-amerikanische Angestellte, der senegalesische Künstler und die um zwölfJahre ältere Schweizer Poetin. Kann das gut gehen? Ja, es kann. Weil sich Gegensätze an-ziehen? Nicht unbedingt. Wenn man ihnen zuhört, so liegt eher die gegensätzliche Weisheitnahe: Gleich und gleich gesellt sich gern.

Paarleben Die Leidenschaft derGegensätze

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«Linda lernte ich beim Toilettenputzen kennen»Bei Linda und Steven Thomas war es ein relativ kleiner Unterschied,

der den beiden einiges abrang. Sie ist fünf Jahre älter als er und war be-reits Mutter von zwei Kindern, als sie – zuerst heimlich – ein Paar wurden.

Er: «Sympathisch waren wir uns gleich – doch es dauerte seine Zeit,bis wir auch für andere sichtbar zusammenkamen. Da waren schon ei-nige Hürden.»

Sie: «Unser Altersunterschied von gut fünf Jahren mag nicht allzugross sein, doch ich hatte zwei Kinder, war dazu einige Zeit noch Ste-vens Chefin und wir hatten viele gemeinsame Bekannte. Ich wollte Ste-ven auf keinen Fall zu etwas drängen, selbst aber auch nicht den Rufhaben, mit meinen Angestellten Verhältnisse anzufangen. Deshalb wardie erste Zeit unserer Beziehung sehr diskret, wir trafen uns meist nuram Wochenende.»

Er: «Für mich war damals vieles offen. Ich konnte kein Wort Deutschsprechen, und Geld hatte ich auch keines. Ursprünglich bin ich als Tou-rist aus den USA ans Goetheanum gekommen, dann blieb ich und ar-beitete als Bühnenhelfer bei der Faust-Produktion. Danach wollte ich inDornach eine Ausbildung machen, und um diese zu finanzieren, be-gann ich zu putzen. Linda lernte ich gewissermassen beim Toiletten-putzen kennen.»

Sie: «Nach drei Jahren entschieden wir, mindestens ein Jahr untereinem Dach zu leben und dann Bilanz zu ziehen. Die fiel klar positivaus – trotz einigen schwierigen Momenten, vor allem mit den puber-tierenden Kindern.»

Er: «Was uns besonders half, war die gemeinsame Sprache, da Lin-da aus Südafrika kommt. Zusammen sprachen wir natürlich von An-fang an Englisch. Doch Lindas Kinder klinkten sich erst nach ungefähr

einem Jahr ein, als Lindas Neffe bei uns wohnte. Die gemeinsame Ar-beit spielte bei uns aber sicherlich auch eine zentrale Rolle. Schon baldwurde ich zu Lindas Assistent und prägte das von ihr 1988 gegründeteInstitut für biologisches Putzen wesentlich mit. Ich spezialisierte michauf die Instandhaltung von Holzböden. Die Firma lief gut und ermög-lichte mir ein Malstudium in Dornach. Daneben putzte ich sehr viel –das war ein wunderbarer Ausgleich, obwohl ich nie damit gerechnethatte, einmal in diesem Bereich tätig zu sein. Vor einiger Zeit haben wirdie Firma aufgelöst. Heute leite ich den Betriebsdienst am Goethea-num, der anthroposophischen Ausbildungs- und Tagungsstätte in Dor-nach, und bin Wochenendmaler.»

Sie: «Ein sehr guter! Steven ist einfach zu bescheiden.»Er: «Da musst du aber auch noch von dir erzählen. Linda geht einer

sehr spannenden Tätigkeit nach. Sie reist viel – besonders gerne durchmein Heimatland, die USA.»

Sie: «1993 begann ich zum Thema Putzen Vorträge zu halten undWorkshops anzubieten. Putzen ist eine Urtätigkeit, in ihr verbinden wiruns mit den Dingen, pflegen und gestalten unsere Umgebung. Ich ha-be meine langjährigen Erfahrungen und Forschungen auch aufge-schrieben. Dieses Jahr ist mein Buch mit dem Titel ‹Putzen?!› erschie-nen und seitdem kann ich mich vor lauter Anfragen kaum mehr weh-ren. Theoretisch könnten wir jetzt auch woanders leben, meine Kindersind fast ausgeflogen. Uns ist aber bewusst geworden, dass das, wasuns zusammenhält, hier ist – es ist das, was wir gemeinsam geschaffenund aufgebaut haben.»

Linda Thomas: Putzen!? Von der lästigen Notwendigkeit zu einer Liebeserklärung

an die Gegenwart, Verlag am Goetheanum 2011.

Linda und Steven Thomas: Chefin und Angestellter.

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«Badou wurde früher Grossvater als ich Grossmutter»Sylvia Frey Werlen und Alioune Dieng, genannt Badou, trennen nicht

nur zwölf Jahre, sondern ein ganzer Kontinent. Die Künstler – er einMann der Farbe, sie eine Frau des Wortes – können etwas besonders gut:Streiten.

Er: «Viele lassen sich von der Farbe der Haut oder der Haare irre-führen und meinen, wir seien sehr unterschiedlich. Das ist nicht so.Zum Beispiel sind wir beide schon Grosseltern.»

Sie: «Badou wurde schon früher Grossvater als ich Grossmutter. Dahat uns der Altersunterschied einen kleinen Streich gespielt. Im Sene-gal ist ein Mann, der mit einer älteren Frau verheiratet ist, nichtsAussergewöhnliches. Das war bei Mohammed, dem Propheten, auchso.»

Er: «Aber wir wurden ja nach Dingen gefragt, die nicht einfach sind.Spannungen gibt es durch die Art, wie wir uns organisieren. Sylviaplant mindestens eine Woche im Voraus, und ich bin sehr spontan.»

Sie: «Schwierig war für mich vor allem zu Beginn unserer Ehe, wennich gekocht hatte und Badou irgendwann kam. Das machte mich sau-er. Badou hat mir beigebracht, sehr direkt auf den Tisch zu legen, wasfür mich schwierig ist. Dann sagt auch er, wie es für ihn ist. Oft über-treiben wir beide eine Sache noch, bis wir selbst lachen müssen. Unsist beiden klar, dass unsere Beziehung nur eine Chance hat, wenn wirgut miteinander streiten können.»

Er: «Heute haben wir einen Wochenplan am Kühlschrank, und oftmachen wir am Morgen so was wie ein Erinnerungstraining. Dann sa-ge ich Sylvia, was ich vorhabe, und sie sagt mir, was sie zu tun hat undwas wir schon abgemacht haben. Seither klappt die Organisation ei-gentlich ganz gut.»

Sie: «St. Exupéry hat gesagt: Wichtig ist in der Liebe nicht, sich in dieAugen zu schauen, sondern in die gleiche Richtung zu blicken. Dasmacht, dass wir in den letzten acht Jahren immer wieder den Weg mit-einander gefunden haben.»

Er: «Wir sind in der gleichen Lebensphase, haben herausgefunden,was uns wichtig ist: Ein einfaches Leben mit Menschen, die uns liebsind, unsere Kunst, das Gespräch miteinander, das Lachen und dasInteresse an fremden Welten.»

Sie: «Die Expo hat mich auf eine Idee gebracht. Dort konnte man fürzwei Wochen heiraten. Wir haben zuerst für ein Jahr geheiratet, da-nach für fünf weitere und dann für eine unbegrenzte Anzahl Jahre …Da wir beide schon etwas Angst hatten vor unserem Schritt, hat unsdas geholfen.»

Er: «Ich wurde als Künstler hierher eingeladen für eine Ausstellung imJura. Da habe ich Sylvia kennen gelernt. Ich habe mich entschieden, mitihr in der Schweiz zu leben und mich als Künstler weiterzuentwick eln.»

Sie: «Ausstellungen von Badou kombinieren wir oft mit Lesungenvon mir – etwa mit Texten aus meinem Gedichtband ‹Wie Ingwer bistdu›, in dem ich über unseren gemeinsamen Weg geschrieben habe. Dasfindet bei vielen ganz unterschiedlichen Menschen Anklang. Eine Kost-probe:

‹Jetzt: Sie will nicht / was er will / er will nicht / was sie will / Undjetzt? / Jetzt fängt es an / das mit dem Lieben›

‹Vermutungen: Wirst du schwarz / wenn er dich küsst? / fragt dieKleine / Oder wird er weiss / wenn sie ihn im Arm hält? / Man weisses nicht›.» ■

www.badou-peintre.ch

www.karpfenverlag.ch

Alioune Dieng und Sylvia Frey Werlen: Kunst, Gespräche und ein einfaches Leben.

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sonderen Wünsche?», knurre ich. «Keine Ah-nung, ich war nie da.» «Kann sie es simsen?Bevor sie wieder schmollt?» «Du kannst natür-lich auch was reinschreiben!», muntert Cathe-rine mich auf. «Gut, dann sage ich: Il était ungrand amour!» «Und ein bisschen was überseinen Optimismus?» Ich gebe auf. «GrosserKämpfer, okay?» «Ja, und gnadenlos hart!»«Wir nehmen ‹grosser Kämpfer›», bremse ich.«Und unbedingt kompliziert!», wirft Catherineweiter ein. «Wir nehmen, ähm, aufwendig imUnterhalt?» «Klingt das nicht wie ein Auto?»«Okay, dann eben anspruchsvoll!» «Schwierig!Das hätte ihm gefallen!» «Du hast recht», ste -cke ich traurig die letzte Rose ein. «Keine Ah-nung, wo ich mit all meiner Energie jetzt hinsoll.» Aber Catherine hört gar nicht hin. «Dafehlt noch irgend so ein Band. Eine Rosette!»«Wir dekorieren hier kein Rennpferd», knurreich. «Du sagtest ‹Kämpfer›. Und jetzt gehen wirund sehen nach, was von dem Priester übrigist!»

«Ich sag es ja ungern», geht Catherine ne-ben mir davon. «Aber du bist so schwierig wiedein Vater.»

DELIA LENOIR

[email protected]

ILLUSTRATION: IRENE MEIER

([email protected])

Kürzlich auf einem Friedhof am Zürichsee.«Können wir diese vielen Beerdigungen nichtlangsam zusammenlegen?», nörgelt Tante Ca-therine und lässt sich auf einen Grabstein fal-len. «When the shit comes down …», stöpsleich neben ihr Freilandrosen auf ein Gesteck.«Vier Beerdigungen in sechs Monaten, rich-tig?» Aber Tante Catherine ist nicht zum Rech-nen zumute. «Warum musst du das jetzt inletzter Minute machen?» «Mein Vater wollte janicht sagen, dass er stirbt!» «Er war eben einOptimist!» «Bei einer Überlebenschance vondrei Prozent?» «Okay, dann ein ziemlich harterKämpfer!»

«Du könntest doch eine Grabrede halten?»,versucht Catherine, die Wogen zu glätten.«Heisst das, ihr seid alle in den Ferien und kei-ner von euch ist vorbereitet?», maule ich zu-rück. «Ich war k.o., und wenn dein Cousin Erwan deutsch reden muss, übersetzt er nur

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Le mot noirEin grosser Kämpfer

Mist.» «Die Todesanzeige war also von ihm?»«Vierzehn Uhr statt vier Uhr. Dafür handelt erjetzt mit dem Priester ein bisschen was aus.»«Doch keine Prozente?» «Er ist in der Gemüse-branche!», ist Catherine eingeschnappt. «Undwenn deine Stiefmutter eine Rede hält, dannsicher über ihren Urlaub auf Mauritius. Also?»«Taschenmesser!», befehle ich und stecke wei-ter Rosen. «Wir können auch die Rede vomletzten Mal nehmen. Oder die von Oncle Lou-is!» «Das war doch die vom letzten Mal», wer-fe ich ein. «Okay, aber daran erinnert sich kei-ner mehr. Und Louis und dein Vater hattenungefähr die gleiche Grösse!» «Wir beendenjetzt das Thema, d’accord?», werde ich lang-sam sauer.

«Bon, lass dir ruhig Zeit, wir haben ja nochzehn Minuten», gräbt Catherine angefressen inder Tasche. «Arbeiten und nebenbei dieseDingsrosen da reinrammen!» Aber Catherinewedelt schon mit einem Stift. «Oncle Paul sagtübrigens, er kann nicht kommen.» «Er hängtdoch sonst an jedem Shrimp-Buffet rum!»«Wenn er jetzt in Frankreich das Rudertrainingunterbricht, sei die Saison gelaufen. Und erwill, dass das in deiner Rede ist!» «Oncle Paulist 103», überlege ich. «Wir behalten das fürseine Rede!»

«Und deine Cousine Géraldine fände es gut,wenn du die Katastrophe in Somalia einflech-ten könntest. Sie sagt, bei Louis’ Beerdigungkam das zu wenig raus.» «Irgendwelche be-

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Hip HopWohlstandsverwahrlosteStrassenkids

VON JOËL GERNET

Schweizer Rap ist auf dem besten Weg, seinen Platz als ernst zu neh-mende Musikrichtung zu zementieren. Es sind nicht nur Routiniers wieder Berner Baze oder Semantik aus Zürich, welche im vergangenen Jahrüberragende Alben veröffentlicht haben. Zuversicht verbreiten auch«neue» Namen wie Steff la Cheffe, Kack Norris, Kush Karisma oder Tom-my Vercetti – wobei letzterer obenaus schwingt mit seinem Debüt «Seil-tänzer», das an der Slangnacht 2010 mit einem Award für das beste Al-bum ausgezeichnet wurde. Der Berner beweist beispielhaft, was esbraucht, um im übersättigten, von Hypes getriebenen «Rapgame» zu be-stehen: Können, Eigenständigkeit, Ausdauer, gute Konzerte und ein ein-gespieltes Team im Rücken. Entgegen kommt dem vielseitigen Vercettiauch, dass Rap heute wesentlich unverkrampfter und undogmatischerdaherkommt als vor einigen Jahren.

Die Grabenkämpfe zwischen den Anhängern sozialkritischen Raps,von einigen als «Blüemli-» oder «Studentenrap» verachtet, und denendes Gangster-affinen Strassenraps sind weitgehend überwunden, dieGrenzen verwischt. So auch bei Tommy Vercetti und Semantik, dem So-lothurner Manillio oder dem St. Galler CBN. Von den einen werden siefür ihre unverschämt freche Fresse bewundert, von den anderen für ih-re tiefgehenden, kritischen Texte. Viele Rapper vereinen inzwischen bei-de Elemente: Die Aggressivität und die dicken Eier des Strassenraps so-wie die Verspieltheit und Cleverness des sogenannten Conscious Rap.Und die Soundunterlagen sind sowieso so vielfältig wie selten zuvor:Reime werden über brachiale Rock-Beats gespittet, über wummerndeElektro-Bretter und über filigrane Piano-Balladen oder natürlich überden klassischen Bumm-Tschak-Beat mit knisterndem Vinyl-Sample.

Rap entwickelte sich in den über 30 Jahren seit seiner Geburtsstundein der New Yorker South Bronx zu einer der kommerziell erfolgreichstenMusikrichtungen – auch in der Schweiz, wo er vor mehr als 20 Jahrenin seiner lokalen Ausprägung für Aufsehen sorgte: Als der Basler BlackTiger 1991 als Gastrapper auf dem Song «Murder By Dialect» von P-27als einer der allerersten dem Hörer schweizerdeutsche Reime um dieOhren schmetterte, belächelte so mancher die in seinen Augen peinlicheAdaption dieser US-Mode. 2011 sind es nun die Schweizer Rapper, dielächeln: Die Goldesel des Genres grinsen uns von der Spitze der Alb-umcharts oder vom Titelblatt der «Schweizer Illustrierten» (Bligg) ent-gegen. Oder sie machen gleichzeitig Werbung für Klimaschutz undKleinwagen (Stress). Ja, wir begegnen ihnen sogar in James-Bond-Fil-men (Carlos Leal von Sens Unik).

Welch ein Kontrast zu den 90er-Jahren, als die meisten Rapper denkommerziellen Erfolg scheuten wie der Teufel das Weihwasser: «Sell-out»

hiess die Angst vor dem Ausverkauf einer spriessenden Subkultur undderen Seele. Heute brüsten sich Rapper mit den Verkaufszahlen ihrerCDs – sofern sie überhaupt noch materielle Tonträger herstellen. Dennim Zeitalter schrumpfender CD-Verkäufe, Plattenlabels und Produk-tionsbudgets erreicht man die Hörer auch als HipHopper am bestenübers Internet: Heiss rotierende YouTube-Clips, schlagkräftige Face-book-Gruppen und vermehrt auch Twitter ersetzen aufwändige und teu-re Promo-Aktionen. Alben, EPs, Mixtapes und Exklusiv-Tracks werdenzum Download angepriesen – meist gratis. Aus dem rebellischen, revo-lutionären «CNN für Schwarze» ist ein Web 2.0-Sprachrohr für Rapperjeglicher Couleur geworden – vom sozial benachteiligten Ghettokid bishin zum wohlstandsverwahrlosten weissen Rap-Nerd.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Mundartrap eines Tagesden Status des Berner Rock erreicht. Die beiden Hauptstadt-RapperGreis und Baze kokettieren jedenfalls bereits heute gekonnt mit Musikund Attitüde von Titanen wie Endo Anaconda, Stephan Eicher oder Ku-no Lauener. Und selbst wenn Schweizer Rap eines Tages wieder kom-plett aus dem Mainstream verschwinden würde (was viele Protagoni-sten gar nicht so schlimm fänden), bliebe noch immer eine Kultur, diemit ihrer Geschichte und Bandbreite – neben Rap und DJing gehörenauch die Disziplinen Graffiti und Breakdance zum Hip Hop – ihresglei-chen sucht. ■

Joël Gernet ist Rapper bei der Basler HipHop-Gruppe Brandhärd, Moderator der

HipHop-Sendung «Bounce» auf DRS Virus und Online-Journalist.

Dämmerung des Mundart-Rap: Black Tiger aus Basel.

1991 wurde der Basler Black Tiger noch dafür belächelt, dass er auf Schweizerdeutsch rappte. Heute grüsstHitparaden-Rapper Bligg vom Titelblatt der «Schweizer Illustrierten» – und eine neue Generation ernsthafterSchweizer Hip-Hop-Künstler steht am Start. Teil acht der Surprise-Serie über Subkulturen.

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Kulturtipps

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BuchDas Land, wo die Melonen blühn

In Heiri Strubs wieder aufgelegtem Kinderbuch gerät ein gutmüti-ges Walross in haarsträubende Abenteuer.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Alles beginnt mit einer Wette. Melonen, behauptet der rechthaberischeProfessor, wachsen nicht am Nordpol. Doch, widerspricht der hemds -ärmelige Gärtner, mit der richtigen Pflege gedeiht jede Pflanze, egal wo.Um das zu beweisen und den Millionenpreis zu gewinnen, reist er mitVeilchen- und Melonensamen zum Nordpol, baut dort ein Treibhaus, indem Blumen und Früchte bestens gedeihen. Selbst als ein neugierigesWalross in das Treibhaus fällt, ist es ein Segen. Denn das Walross, dasVeilchenduft und Melonen liebt, wird dem Gärtner zum Helfer und treu-en Freund.Doch dies ist erst der Anfang einer abenteuerlichen Geschichte. Dennals das Walross das Land sucht, wo die Melonen blühn, geht es mehr alseinmal in die Irre, landet schliesslich in der Stadt des Gärtners, fällt indie Hände von Gangstern, wird von Mäusen gerettet und und und …Am Ende kehren Walross und Gärtner mitsamt dem Professor glücklichvereint an den Nordpol zurück und beglücken die Eskimos mit frischenSüdfrüchten.Geschrieben und illustriert hat diesen fabulierfreudigen Bilderreigen derMaler, Grafiker und Illustrator Heiri Strub bereits 1951. Und so aben-teuerlich wie dieses Kinderbuch liest sich auch das Leben des 1916 inRiehen geborenen Künstlers und späteren Mitbegründers der Partei derArbeit PdA. In den 50er-Jahren von der Bundespolizei bespitzelt undangeschwärzt, wandert er 1957 für 14 Jahre in die DDR aus. Selbst «DasWalross und die Veilchen» wurde verdächtigt, geheime politische Bot-schaften zu verbreiten. Obwohl das Buch nach seinem Erscheinen vielgelobt wurde, traute sich kaum eine Buchhandlung, es ins Sortimentaufzunehmen. Doch zum Glück erfährt es jetzt durch seine Neuauflage eine späte Eh-rung. Der Text wurde vom Autor spürbar überarbeitet – ein Wort etwawie «super» ist der neuen Zeit geschuldet. Doch das tut den Sprachspie-len und der feinen Ironie keinen Abbruch. Und schon gar nicht den wun-derbaren Bildern, die Strub direkt auf die Zinkplatten gezeichnet und mitLinolschnitten aufwendig koloriert hatte. In diesen Illustrationen zeigtsich sein grafisches Können, das mit grosser Ernsthaftigkeit spielerischeLeichtigkeit erschafft. Die Freude daran ist altersunabhängig.Heiri Strub: Das Walross und die Veilchen. Atlantis 2011. CHF 26.80.

TheaterAuf grosser Fahrt

«Tango in Tanger» heisst der aktuelle Produktionsstreich der Bas-ler TheaterFalle. Ein Stück über Beziehungen vor der Midlife-Cri-sis, vor allem aber eine Roadmovie-Inszenierung, die sämtlicheZuschauersinne anspricht.

VON MICHAEL GASSER

Die neueste Produktion der Basler TheaterFalle nimmt mit. Nicht zuletztan verschiedenste Locations. In «Tango in Tanger», einem «Roadmovie-Theater», begleitet das Publikum zwei Liebespaare, die im Leben unter-wegs sind. Man streift durch ihre Wohnungen, schaut ihnen beim Pack -en über die Schulter und hört sie zanken. Womit schon klar wäre: Esgeht um Beziehungen, um das Wohin, das Wie, das Ob. Und ums Tan-zen. Der Tango ist die grosse Aufführungsklammer. Er lässt das Quartettin Richtung Marokko und Tanz-Workshop aufbrechen. Doch natürlich hegen die Protagonisten auch tiefer liegende Motive: Dienoch junge Liaison zwischen Angel, dem altgedienten Tangolehrer, undAlexa, der facebookvernarrten Eventmanagerin, sucht nach Festigung,während die langjährige Liebschaft zwischen dem ArchitekturprofessorOliver und der Innenarchitektin Marina neuen Sinnes und Feuers be-darf, dringend. Ein Zwischenhalt auf einem französischen Campingplatz lässt die vor-handenen Spannungen rasch nach oben schwappen, doch noch ent-zündet sich alles am südamerikanischen Tanz, seinem Zweck und sei-ner Erotik. «Frauen sehnen sich beim Tango nach männlicher Führung»,prustet Oliver machomässig raus. Bloss um alsbald seiner Dame gehor-sam in den Wohnwagen zu folgen. Am Reiseziel bricht dann endgültigalles auf. Aber nicht alles auseinander. Während die Dialoge etwas häufig an TV-Beziehungskisten wie «Friends»oder «Sex In The City» erinnern und durchaus kantiger hätten ausfallendürfen, imponiert «Tango in Tanger» durch seine augenschmausige In-szenierung. Mit viel Detailliebe – wie einem sorgsam gestreuten Strand,etlichen Reise-Filmen, aller Gattung Sounds oder einem marokkanischenPlätscherbrunnen – sorgen die Macher dafür, dass man sich eher alsleicht voyeuristischer Begleiter denn als Zuschauer fühlt. Die zwischen-durch offerierten ländergerechten Häppchen tun das ihrige dazu.«Tango in Tanger», mit Rula Badeen, Sabine Fehr, Sebastian Fischer, Udo Zwilling;

Regie: Roland Suter. Aufführungen bis 1. Oktober, jeweils Mi bis Fr, 19 Uhr.

Aufführungsstart bei der Margarethen-Garage, Basel. www.theaterfalle.ch

Tango, Marokko und die Frage nach dem Wie, Wohin und Ob.

Das Walross lässt für die Eskimos

Blumen spriessen.

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel

Zahlungszweck:

Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag.

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Philip Maloney, Privatdetektiv

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

Scherrer & Partner GmbH, Basel

Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

KIBAG Bauleistungen

responsAbility, Zürich

Odd Fellows, St. Gallen

Coop

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

Velo-Oase Bestgen, Baar

Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

Augusta-Raurica-Loge Druidenorden Basel

Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

Stellenwerk AG, Zürich

www.bauernschlau.ch, Hof, Web, Kultur

Axpo Holding AG, Zürich

AnyWeb AG, Zürich

Niederer, Kraft & Frey, Zürich

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

Knackeboul Entertainment, Bern

Locher Schwittay Gebäudetechnik GmbH, Basel

Kaiser Software GmbH, Bern

Responsability Social Investments AG, Zürich

Lions Club Zürich-Seefeld

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DVDGekaufte Gefühle

Manu und Jakob nisten sich im Leben anderer ein und schleichensich in ihre Gefühlswelten. Im spiessigen Alltag, in dem Verlusteverschüttet und Leidenschaften unausgelebt bleiben, bieten sieeine besondere Dienstleistung an.

VON DIANA FREI

Frau Katz ist alt und allein, und Martin (Sylvester Groth) und Claudia(Corinna Kirchhoff) haben ihren erwachsenen Sohn verloren. Sie alle le-ben ihr Leben mit emotionalen Leerstellen. Ein junges Paar hat sich da -rauf spezialisiert, diese zu füllen. Manu (Maja Schöne) und Jakob (Ro-bert Stadlober, «Sonnenallee», «Crazy») geben der alten Frau das Gefühlstürmischer Leidenschaft zurück, indem sie sie beim Sex auf dem Tep-pichvorleger zusehen lassen, und Jakob ersetzt Martin den verlorenenSohn, indem er im gutbürgerlichen Haushalt einzieht. Manu und Jakob nisten sich in fremden Haushalten ein, um zu helfen.Um den Emotionen ihrer «Kunden» Raum zu geben, um Lebensträumeund verlorene Freuden wieder aufflackern zu lassen – und um Geld zuverdienen, Essen und einen Schlafplatz zu bekommen. Denn das jungePaar ist obdachlos, und, je nach Sichtweise, arbeitslos oder eben frei-schaffend: Sie sind professionelle Parasiten. Wenn sie nicht bei den Kun-den sind, hausen sie im Wald.Doch ihre subversive Überlebenstaktik beginnt ihnen zu entgleiten, alsMartin sich emotional zunehmend auf seine Wahlverwandten einlässt.Es fallen Formulierungen wie bei einer Liebesaffäre, die plötzlich ernsterwird als beabsichtigt. Jakob bindet sich mit Haut und Haaren an die neueWunschfamilie und sagt: «Diesmal ist es anders.» Er verstösst gegen dieAbmachung mit Manu, gegen «das, was wir wollten», gegen das gemein-same Lebenskonzept. Die Grenzen zwischen Altenpflege, natürlichermenschlicher Nähe und gekauften Emotionen – Pros titution –verwischen.«Zarte Parasiten» erforscht in ruhigen, ungeschönten Bildern menschli-che Gefühle und Instinkte. Eine Obdachlosenstory als soziologisches Ex-periment und als alternatives Lebensmodell im Laborversuch. Die Regisseure Christian Becker und Oliver Schwabe zeigten ihr gemein-sames Debut «Egoshooter» 2004 am Filmfestival Locarno. «Zarte Parasi-ten» ist ihre zweite gemeinsame Arbeit – ebenfalls ein Festivalfilm, der inDeutschland im Kino lief, in der Schweiz aber nur auf DVD erschien. «Zarte Parasiten» (Deutschland 2009), 89 Min., Deutsch;

englische und italienische Untertitel. Extras: nicht verwendete Szenen, Interviews

mit Cast und Crew, ein Tag beim Dreh, exklusive Musiktracks. 23.90 CHF

www.zarteparasiten.de

Aussenseiter der Gesellschaft – mit Blick für die Wünsche der Normalbürger.

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Hoppe, hoppe Reiter in der Kunst: Plakat zur Aus -

stellung «D.R. Originale», Hamburger Kunstverein 1974.

Aarau Ich als VogelfutterDieter Roth war ein Wahnsinniger. Unbändi-ger. Er war Aktions-, Objekt- und überhaupt:Universalkünstler. Er hat gemalt, gezeichnet,gefilmt, fotografiert, gesammelt, Möbel, Plasti-ken und Installationen entworfen. Und er hatmit ungewöhnlichen Materialien gearbeitet.Als Eat-Art fertigte er Schimmel- und Schoko-ladeobjekte an, die er von Motten zerfressenliess. Dementsprechend knabberte er auch im-mer wieder am Topos des Selbstbildnisses.Roths vielfältig entstandenen «Selbsten» nimmtsich nun das Aargauer Kunsthaus an. Die Aus-stellung beginnt bei seinen Schokoladenbü-sten aus den frühen 60er Jahren, die er als «Vo-gelfutterbüsten» dem Verfall ausgesetzt hat.Und sie mündet im grossen Panoptikum der128-teiligen Videoinstallation «Solo Szenen»,mit denen er die eigene Person ins Zentrumstellt und sie gleichzeitig mit allen Mitteln de-konstruiert. Die Ausstellung stellt mit demSelbstbildnis ein Thema zur Diskussion, das inder zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fürviele Künstler fraglich geworden ist und dasnur mit dezidierten Stellungnahmen wie jenenvon Dieter Roth überhaupt weiterentwickeltwerden konnte. (dif)«Dieter Roth: Selbste», noch bis zum 6. November,

Di bis So, 10 bis 17 Uhr (Do bis 20 Uhr),

Aargauer Kunsthaus, Aarau.

Ausgehtipps

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BaselPilze finden

Wer Pilze nicht nur suchen, sondern auch fin-den und zudem sicher sein will, dass der Aus-flug zu Hause am Esstisch kein böses Endenimmt, der kann sich, rechtzeitig zur Pilzsai-son, vom Basler Pilzkontrolleur Peter Kauppberaten lassen. Entweder an einem Gratisvor-trag im Schmiedenhof oder direkt auf einer Ex-kursion auf die Chrischona. Der Ausflug istnicht ganz billig, aber für Bezüger von Kran-kenkassen-Vergünstigung und Sozialhilfe gibtes Rabatt. (fer)Vortrag Pilzkunde, Di 6. September, 19.30 Uhr,

GGG-Stadtbibliothek, Schmiedenhof 10, Basel.

Pilzexkursion auf die Chrischona,

Fr 16., Sa 17. und Sa 24. September, 90 CHF.

www.gsuenderbasel.ch

Den sollten Sie nicht essen.

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Ein Herz für den Krieg: Maverick und Co. in Bern.

BernSchöner kriegen

«You took my breath away...». Wenn Sie dieseZeile im Herz nicht unberührt lässt und in ih-rem Kopf automatisch «dadadaaa, dadadaaa-aa» dazu erklingt, sind Sie hier richtig. Diefreie Theatergruppe Konsortium&Konsortenbringt im schönen Tojo-Theater den Kampf -flieger-Helden-Schmachtfilm «Top Gun» («Siefürchten weder Tod noch Teufel») direkt ausder Mitte der 80er-Jahre auf die zeitgenössi-sche Bühne. «Da Maverick immer der Kleinstein der Schule war, will er allen zeigen, dass erder Beste ist und den Grössten hat.» So bringtes die Truppe in der Ankündigung auf denPunkt. Es sei also davor gewarnt oder zu IhrerErleichterung darauf hingewiesen, je nach-dem, dass dieser Abend nicht ganz ironiefreiablaufen wird. Er steht ja auch unter dem net-ten Motto: Der Krieg ist schön. (fer)«Der Krieg ist schön». Do 8. bis Sa 10. September,

20.30 Uhr, So 11. September 19 Uhr, Tojo Theater,

Reitschule Bern.

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Orgiastische Maschinerie: Gilbert Peyres «Cupidon».

BaselNun tanzen alle Puppen

Figurentheater, das ist nicht nur Chaschperlitheater fürs Publikum un-ter 100 cm. Sondern eine Gattung mit eigener künstlerischer Sprache,die auch gewichtige Themen verhandeln kann. Zum Beispiel Macht undOhnmacht auf Kafkas Schloss, das als boshaftes «Mensch ärgere dichnicht»-Spiel in einem Spielzeugdorf daherkommt. Beim Poeten und Pla-stiker Gilbert Peyre wiederum entfaltet sich vor dem Mensch-Maschine-Diskurs eine elektromechanische Skulpturen-Orgie. Ferner gibt es einRobotermusical, in dem sich ein paar Freaks mit Roboterband von derskrupellosen Sängerin Roswita nicht unterkriegen lassen. Und in «Glit-tra der Engel» schliesslich spielen zwei schrullige Damen mit ihremgrandios perfektionierten Miniaturtheater die berührende Geschichtevon Martin und seinem arg beanspruchten Schutzengel. EigentlicherAuftakt des Festivals ist der Film «Micmacs à tire-larigot» des französi-schen Regisseurs Jean-Pierre Jeunet, der ebenfalls die Handschrift des«Elektromecanomaniaks» Gilbert Peyre trägt. Kurz: «Mensch und Ma-schine» ist einer der Schwerpunkte des diesjährigen Festivals. Wasnicht etwa heisst, dass das Figurentheater eine akademische Veranstal-tung ist – im Gegenteil. Sonst gäbe es wohl kein PianoCocktail, das mit klappriger Musik an ei-nen Rausch im Morgengrauen erinnert. Das Klavier verfügt über einenTrichter und verschiedene Flaschen mit Alkohol und fungiert als Bar: Zujedem Drink gibt’s bestimmte Musik, und so kann man sich durch dasganze Klangprogramm saufen. Alkoholfreies gibt es aber dennoch fürdas jüngste Publikum: Da wäre der «Zirkus Muks», der grösste kleineZirkus der Welt, und die «Die Geschichte vom Wunder-Apfel». Hierformt die Solospielerin die Figuren kurzerhand aus rohen Lehmklum-pen, um mit ihnen die Geschichte vom Wunder-Apfel zu erzählen. Die Gruppen und Einzelkünstler aus acht Ländern bieten ein Programmmit Hang zum Absurden und Skurrilen. Denn das Figurentheater be-wegt sich an der Grenze zwischen bildender und darstellender Kunst –und neigt damit zu lustvollen Grenzüberschreitungen wie kaum eine an-dere Gattung. (dif)Figurentheaterfestival Basel,

31. August bis 12. September, verschiedene Spielorte in Basel und Riehen,

Festivaltreffpunkt Restaurant Sonatina, Theaterstrasse 7, Basel.

Näheres zum Programm unter www.figurentheaterfestival.ch

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Freiwillige gesuchtDie Stiftung Terre des hommes Kinderhilfe ist dieführende, international tätige Kinderhilfsorganisationder Schweiz. Mit Nothilfeaktionen und langfristigenProjekten in über 30 Ländern unterstützt sie Kinder undihre Familien in den Bereichen Gesundheit und Kinder-rechte. 26 Freiwilligengruppen tragen schweizweit mitverschiedensten Aktionen zur Mittelbeschaffung bei.

Zur Verstärkung unserer Freiwilligengruppe beiderBasel suchen wir neue Mitglieder, die selbständig, kreativ und mit Herz in unserem Team Verantwortungübernehmen möchten.

Sind Sie aktiv, kontaktfreudig und bereit, einen Teil ihrerfreien Zeit zu verschenken? Haben Sie Grundkennt-nisse im Umgang mit dem PC? Dann freuen wir uns aufIhren Anruf oder Ihre Mail.

Freiwilligengruppe beider Basel061 971 37 [email protected], www.tdh.ch

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Da wird das Vreneli vom Guggisberg auf den Balkan versetzt: Molotow Brass Orkestar.

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LuzernRaus auf die Gasse

Das Lucerne Festival beweist heuer zum dritten Mal seine Street Credi-bility mit dem Strassenmusikfestival 2011. Wer nach viel Klassik denSchlaf nicht mehr findet, kann sich die Nacht auf den Gassen um dieOhren schlagen. Da gibt es vom Ska, der von klassisch ausgebildetenMusikern gespielt wird, bis zum A-cappella-Gesang aus dem französi-schen Languedoc so ziemlich alles. Der Sentitreff wird dabei fünf Aben-de lang zum Treffpunkt, der Nachtschwärmer anziehen will. (dif)Strassenmusikfestival 2011, noch bis So, 28. August, 18 bis 22 Uhr.

Danach Programm im Sentitreff, Baselstrasse 21, Luzern

www.sentitreff.ch, www.lucernefestival.ch

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AUFGEZEICHNET VON OLIVIER JOLIAT

«Zwei Sekunden vor Abpfiff haute mich Günthi um. So endete meinerstes Strassensport-Turnier, die Schweizer Meisterschaft im HB Zürichim Juni 2010. Wir hatten es mit dem AC Gassechuchi Luzern bis in denFinal geschafft. Damals schied ich verletzt aus, jetzt spiele ich gemein-sam mit Günthi in der Nationalmannschaft – nur eine lustige Anekdo-te aus dem Trainingslager hier in Giswil.

Bei den Schweizer Meisterschaften nahm ich noch Drogen, alles wasPulver ist. Gefixt habe ich zum Glück nie, sonst gab es keine Grenze.In der Gassechuchi Luzern konnte ich den Stoff in Sicherheit konsu-mieren. Dort wurde ich dann angefragt, ob ich verwandt sei mit demProfifussballer Reto Zanni und ob ich selber auch spiele. Er ist meinCousin und meine Lieblingsposition ist ebenso rechts hinten in der Ver-teidigung. Ich hatte sogar Chancen auf eine ähnliche Fussballerkarriere,spielte als Junior in der U-15 des FC Luzern. Im Probetraining zur U-17-Auswahl verletzte ich mich leider und kam dann in die RegionalauswahlTeam Nidwalden. 2008 stellten wir die beste Abwehr und erhielten inder ganzen Saison nur sechs Gegentore!

Nach der Regionalmeisterschaft ging es dann los mit Kiffen, Koksenund Heroin. Denn zur gleichen Zeit bin ich nach heftigen Streitereienbei meiner Familie ausgezogen. Ich wollte zeigen, dass ich mit 18 aufeigenen Beinen stehen kann. Im neuen Umfeld haben jedoch alle Dro-gen konsumiert und so ging es mit mir bergab. Ich dröhnte mich zu.Wohl auch, um zu vergessen, welche Scheisse ich gebaut hatte. ZweiWochen nach der Strassensport-Schweizer-Meisterschaft war aberSchluss. Ich hatte keinen Job mehr, Schulden, Stress und war abgema-gert bis auf die Knochen. Ich erinnere mich noch genau: Ein Donners-tag, ich sass vollgeladen im Bus und hatte Paranoia, alle starrten michan. Daheim betrachtete ich mein Spiegelbild und mir wurde klar: Wennich jetzt nicht aufhöre, schaffe ich das nie und ende doch an der Nadel.Am Freitag rief ich die Suchtberatung an, am Sonntag warf ich meineHeroin-Pfeife in den Vierwaldstättersee, und am Montag startete ichdas Methadon-Programm. Seither nehme ich nichts anderes mehr.

Beim AC Gassechuchi spiele ich trotzdem weiter. Anfangs schämteich mich etwas dafür, in so einer Mannschaft zu spielen. Jetzt stehe ichvoll dahinter. Das ist mein Team, die Coaches haben mich wieder zumFussball zurückgeholt! Beim ersten Surprise-Turnier merkte ich, dassmir das wichtiger ist und mehr gibt als die Drogen. Strassenfussballkannte ich davor gar nicht. Jetzt gefällt es mir eigentlich besser alsGrossfeldfussball. Das Spiel geht ab. Du kannst in 14 Minuten mehr zei-gen als in 90 und musst mit dem Kopf jede Sekunde dabei sein. Ausser-dem ist es technisch anspruchsvoller und man wechselt ständig zwi-schen Defensive und Offensive. Am besten gefällt mir aber, dass dasTeam wichtiger ist als das Gewinnen. Klar gebe ich alles und nehme esernst, aber man kann auch mal lachen.

Marco Zanni (21), Rechtsaussen-Verteidiger wie sein berühmter Cousin Reto, war in die Drogen abgestürzt.Heute hofft er, mit der Surprise-Nationalmannschaft an der Strassenfussball-WM in Paris einen Titel zu holen.Seine Geschichte und seine Erwartungen heute für einmal an Stelle des Verkäuferporträts.

Wie hier in Giswil. Das Training ist zwar hart, aber ich gewöhne michdaran und wir haben viel Spass zusammen, obwohl wir vom Alter wievon der Herkunft her komplett unterschiedlich sind. Hier im Lager ver-gesse ich teils gar meine Methadon-Ration. Die habe ich seit Therapie-anfang schon recht reduziert, ganz ohne geht es aber noch nicht. Damitlasse ich mir Zeit, bis ich wirklich bereit bin. Für den Homeless WorldCup sind wir als Team aber definitiv bereit! Vielleicht werden wir nichtWeltmeister, aber es gibt beim Homeless World Cup noch andere Titelzu holen – das ist mein Ziel mit der Nationalmannschaft.

Was mir Fussball bedeutet, weiss auch mein Chef bei den Verkehrs-betrieben Zürich, wo ich seit Januar im Fahrzeugservice arbeite. Er hatmir für den Homeless World Cup frei gegeben. Ich muss nur gute Bil-der und Resultate heimbringen. Die will auch mein Cousin Reto sehen.Meine Familie verfolgt die Spiele vielleicht sogar im Internet. Ich binfroh, hat mich meine Mutter wieder aufgenommen, obwohl ich sie be-logen, betrogen und beklaut habe. Ich war ein miserabler Sohn. Aberwir haben wieder eine Vertrauensbasis. Ich wohne nun in Stans im sel-ben Haus, in dem meine Mutter arbeitet, aber es ist meine Wohnung.Endlich stehe ich wirklich auf eigenen Beinen.» ■

Videos zu allen Spielen des Homeless World Cup 2011 vom 21. bis zum 28. August

in Paris sind zu finden auf www.strassensport.ch

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Spielerporträt«Im Trainingslager vergesse ich sogardas Methadon»

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Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hat-ten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben undihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf desStrassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. IhrAlltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neueSelbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Ver-dienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkau-fende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Pro-gramm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Ver-antwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für dieWelt und den Arbeitsmarkt zu werden.

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Datum, Unterschrift

1 Jahr: 6000 Franken 1/2 Jahr: 3000 Franken 1/4 Jahr: 1500 Franken 1 Monat: 500 Franken

Ja, ich werde Götti/Gotte von:

Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Eine Chance für alle!Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte

Ausserdem im Programm SurPlus:

Fatima KeranovicBaselland

Wolfgang KreibichBasel

René SennZürich

Marika Jonuzi, BaselFatima Keranovic, BasellandBob Ekoevi Koulekpato, BaselJovanka Rogger, Zürich

Jela Veraguth, ZürichWolfgang Kreibich, BaselKurt Brügger, BaselAnja Uehlinger, Baden

Peter Hässig, BaselTatjana Georgievska, BaselPeter Gamma, BaselRené Senn, Zürich

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Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Baselwww.strassenmagazin.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9–12 Uhr, Mo–DoT +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected]äftsführungPaola Gallo, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) AnzeigenverkaufT +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 [email protected] T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99Reto Aschwanden, Florian Blumer (Nummernverantwort-licher), Diana Frei [email protected]ändige MitarbeitAlexander Jungo (Korrektorat), Delia Lenoir, Irene Meier,Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher ZimmerMitarbeitende dieser AusgabeMonika Bettschen, Manuela Donati, Andrea Ganz, Michael Gasser, Luc-François Georgi, Joël Gernet, Lucian Hunziker, Olivier Joliat, Stefan Michel, Christof Moser, Elisabeth WiederkehrGestaltung WOMM Werbeagentur AG, BaselDruck AVD GoldachAuflage15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrMarketing, Fundraising T +41 61 564 90 61Theres Burgdorfer, [email protected]

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27Zoë Kamermans, Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, [email protected]üro ZürichT +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, [email protected]üro BernT +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02Andrea Blaser, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, [email protected] T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99Paloma Selma, [email protected] T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller [email protected], www.strassensport.chTrägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weiseoder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird vonder Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Post-sendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeich-nete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag vonCHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehendeBeträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oderdem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozi-ale Institution. Die Geschäfte werden von derStrassenmagazin Surprise GmbH geführt, dievom gemeinnützigen Verein StrassenmagazinSurprise kontrolliert wird. Surprise ist führen-des Mitglied des Internationalen Netzwerkesder Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glas-gow, Schottland. Derzeit gehören dem Ver-band über 100 Strassenzeitungen in 40 Län-dern an.

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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an:Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Gönner-Abo für CHF 260.–

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Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.Alle Preise exkl. Versandkosten.

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Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.–

rot blau schwarz

Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

schwarz rot

*gemäss MACH Basic 2008-2.

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Endlich wieder Sommer!Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und vonA bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschieden-farbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

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HerrenCHF 25.–

S(schmal geschnitten)

Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baum -wolle, für Gross und Klein.

KinderCHF 20.–

XS S

Alle Preise exkl. Versandkosten.

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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Von Aarbergbis Zuoz.

www.strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99

Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken.Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen!