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Bald kommt alles aus dem 3D-Drucker Ausgedruckt, abgedrückt So ein Theater – die Schauspieltruppe von Surprise Feindbild Fan: Warum die Hetze die Falschen trifft Nr. 299 | 3. bis 16. Mai 2013 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Surprise Strassenmagazin

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Bald kommt alles aus dem 3D-Drucker

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Feindbild Fan: Warum die Hetze die Falschen trifft

Nr. 299 | 3. bis 16. Mai 2013 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Anzeigen:

Unser neues Projekt: Soziale Stadtrundgänge Seit Anfang April bietet der Verein Surprise erfolgreich die ersten «SozialenStadtrundgänge» in der Schweiz an. Surprise-Stadtführer erzählen aus ihremAlltag und zeigen die Stadt aus der Perspektive von Armutsbetroffenen, Obdachlosen und Ausgesteuerten.

Hätten Sie Freude, die Stadtführer zu begleiten und unser neues Projekt zuunterstützen? Wir suchen per sofort oder nach Vereinbarung eine/n

Freiwilligen-Koordinator/in (10%)

Wir bieten Ihnen:• eine spannende, vielseitige und sinnvolle Tätigkeit• eine angenehme Arbeitsatmosphäre in einem motivierten Team

Aufgaben:• Begleitung und Unterstützung der Stadtführer • Koordination der Termine• Koordination Projektleitung/Institutionen

Voraussetzungen:• Erfahrung im Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenslagen• Hohe Sozialkompetenz, selbständige Arbeitsweise• Ausbildung vorzugsweise im sozialen Bereich• Kaufmännische Kenntnisse

Rahmenbedingungen:• Arbeitspensum 10%

Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gerne: Sybille Roter, Projektleitung Sozialer Stadtrundgang, +41 61 564 90 63

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung per Email an: [email protected] Informationen finden Sie unter: www.vereinsurprise.ch

Surprise fördert seit 1997 die Selbsthilfe von Menschen in sozialen Schwie-rigkeiten. Das Magazin erscheint 14-täglich und wird auf den Strassen der deutschen Schweiz von über 200 Verkaufenden angepriesen. Surprise geniesst eine breite öffentliche Unterstützung.

Wir suchen per 1. November 2013 oder nach Vereinbarung einen

Zivildienstleistenden

Wir bieten:• Spannende, vielseitige und sinnvolle Tätigkeit• Angenehme Arbeitsatmosphäre in einem motivierten Team

Aufgaben:• Betreuung und Begleitung der Verkaufenden• Allgemeine administrative Arbeiten• Unterstützung in weiteren Surprise-Bereichen, wie Strassenchor,

Strassensport, Stadtrundgang und Redaktion

Voraussetzungen:• Abgeschlossene Ausbildung vorzugsweise im sozialen Bereich• Kaufmännische Kenntnisse• Interesse und Erfahrung im Umgang mit Menschen in schwierigen

Lebenslagen• Hohe Sozialkompetenz, selbständige Arbeitsweise

Rahmenbedingungen:• Einsatzdauer 6 bis 12 Monate• Arbeitspensum 100%

Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gerne Frau Nicole Füllemann, +41 61 564 90 90Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung per Email an: [email protected] www.vereinsurprise.ch

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Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

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EditorialVisionär und reaktionär

3D-Druck ist zurzeit ein Hype. Man kann damit tolle Sachen produzieren, seien esiPhone-Hüllen, Schmuckstücke oder Flaschen. Selbst Objekte mit beweglichen Tei-len wie Ketten lassen sich in einem einzigen Durchgang vollständig ausdrucken.Bedeutender als ein paar neue Designteile ist aber die Tatsache, dass die Dinge jeder selber herstellen kann. Im Internet findet man Baupläne für Dinge vom Haus-haltsgegenstand bis zum Spielzeug zum Herunterladen. Theoretisch ist vorstellbar,dass sich jemand in einer Hütte fern der Zivilisation die Dinge für den Hausge-brauch solarbetrieben selber ausdruckt. Noch sind das Visionen, aber eine neueArt von Unabhängigkeit scheint greifbar. Sie kann dazu führen, dass mit 3D-Druck-Minifabriken auch Entwicklungsländer einen Wirtschaftsaufschwung erleben.Aber auch dazu, dass wirklich alles ausgedruckt wird. Es gibt im Internet auchBaupläne für Waffen zum Download für jedermann. Der Journalist Stefan Michelhat sich für uns in der Welt der unbeschränkten Möglichkeiten umgesehen.

Die Bilder, die wir anlässlich des Muttertags zeigen, haben redaktionsintern zu Diskussionen geführt. Die ei-nen sahen in den Fotos aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt das Universelle der Mutter-Kind-Bezie-hung, die absolute Vertrautheit, und fanden, das soll man ruhig auch mal zeigen dürfen. Die anderen such-ten die tiefere Botschaft, die politische Aussage in den Motiven. Es waren die Frauen, die sich schnell inGrundsatzdiskussionen wiederfanden: Es ging um die Stellung der Frau, um Gleichberechtigung, um die ge-sellschaftliche Ebene. «Muttertag» wurde zum Reizwort und die ganze Diskussion etwas verkrampft. Interessant ist, dass die Herren auf der Redaktion offenbar den entspannteren Zugang zum Thema Mamahaben, erstaunlicherweise stehen bei ihnen die Emotionen im Vordergrund. Sie sind Söhne, die keine Vätersind, und sie haben den Frauen auf der Redaktion, die Mütter sind, klargemacht: Familie hat auch mit Ge-fühlen zu tun, nicht nur mit Gesellschaftspolitik. Tatsächlich vergisst man das manchmal fast, wenn man somittendrin steckt, in einer Familie. Wir sind uns zwar noch keineswegs einig, wie reaktionär der Muttertagwirklich ist. Aber die Mutter-Kind-Beziehung soll trotzdem gefeiert werden dürfen.

Wir wünschen Ihnen einen schönen 12. Mai. Mit oder ohne Familie.Diana Frei

In letzter Zeit haben wir verschiedene Meldungen erhalten über Betrüger, die sich als Surprise-Verkäuferausgeben und teilweise aggressiv Strassenmagazine anbieten. Bitte achten Sie beim Kauf darauf, dass dieVerkäuferin oder der Verkäufer den Verkaufspass von Surprise trägt, der sicherstellt, dass Sie Ihr Heft vonautorisierten Verkaufenden beziehen.

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DIANA FREI

REDAKTORIN

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Inhalt03 Editorial

Waffen und Mütter05 Basteln für eine bessere Welt

Stricken fürs Kicken06 Brief aus …

… Nador06 Zugerichtet

Im Haifischbecken07 Leserbriefe

Wahrheit ohne Zeigefinger07 Starverkäufer

Urs Habegger08 Porträt

Im Wohnmobil daheim17 Muttertag

Mamas aus aller Welt22 Wörter von Pörtner

Männer von gestern23 Moderne Märchen

200 Jahre Grimm24 Kultur

Erstmals das Meer gesehen26 Ausgehtipps

Gratiscomics28 Verkäuferporträt

Parteifunktionär aus Angst29 Projekt SurPlus

Eine Chance für alle!30 In eigener Sache

ImpressumINSP

Eine Technologie erlebt einen Boom. Vordergründigschafft der 3D-Druck neue Möglichkeiten des Designs;Waffen können genauso gedruckt werden wie Archi-tekturmodelle. Der 3D-Druck bedeutet eine neue indus -trielle Revolution. Der Konsument wird zum Produ-zent: Er kann seine Idee am Computerbildschirm selberaufzeichnen und via USB-Stick in den 3D-Printer laden.Und sie gleich selber ausdrucken.

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Politik und Medien sind alarmiert: «Kurvenidioten»und «Petarden-Trottel» drohen Fussballstadien und de-ren Umgebung ins Chaos zu stürzen. Das «Fan-Kon-kordat» soll dem wilden Treiben ein Ende machen. Istdie Lage wirklich so dramatisch? Wer ins Stadion geht,dem bietet sich ein anderes Bild: Nicht die unbeteilig-ten Zuschauer, sondern der Fan und seine Kultur sindheute bedroht. Höchste Zeit für eine Rehabilitation.

14 Theater Spiel mit dem echten Leben

Emsuda, Domi und Sokha stehen bald zum ersten Malauf einer Bühne und spielen – sich selbst. Die Laien,die in ihrem echten Leben das Strassenmagazin ver-kaufen oder im Surprise-Chor singen, treten am Wild-wuchs Festival in Basel auf. Regisseur Luzius Heydrichgräbt dafür in ihrem Alltag, ihren Geschichten, ihrenErfahrungen. Und bringt die muntere Truppe dazu, ge-nau das zu zeigen, was gemeinhin als Schattenseitendes Lebens bezeichnet wird: Armut, Randständigkeit,Ausgrenzung. Ihr Stück wird eine lustvolle Sache, wieein Probenbesuch zeigt.

10 3D-Print Revolution aus dem Drucker

20 Fankultur Keine Fans, keine Stimmung

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Basteln für eine bessere WeltDer Frühling ist da, der Sommer kommt näher und damit auch der Homeless World Cup in Polen. Unsere Strassenfussball-Nati möch-te dabei bereits vor dem Anpfiff brillieren und zum Handshake dem Gegner einen Fanschal überreichen. Natürlich handgemacht! Des-halb der Aufruf: Machen Sie mit bei der Aktion «Stricken für die Nati!» Es gibt sogar etwas zu gewinnen.

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1. Man nehme Nadel und (Baum-)Wolle in Rot und Weiss und stricke einen Schal,

16 cm breit, 140 cm lang, und nähe zum Schluss auf beiden Seiten Franseln dran. Das

Design bestimmen Sie: Ob mit SUISSE oder HOPP SCHWIIZ ein- oder aufgenäht, ob

gestreift, kariert oder mit Kreuzen – einfach rot-weiss muss es sein. Und das Wappen

unserer Nati muss an einem Ende Platz haben, wir werden dieses dann aufbügeln

(siehe Bild).

2. Bringen Sie den Schal bei uns vorbei oder schicken Sie ihn an:

Surprise Strassensport, Lavinia Biert, Spalentorweg 20, 4051 Basel, bis spätestens

2. August 2013. Wir brauchen 64 Schals für 64 Nationen! Unsere so unabhängige wie

unbestechliche Strassenfussball-Jury wird den schönsten Schal küren und mit einem

Fussball mit Originalunterschrift von Kult-Fussballexperte Gilbert Gress honorieren.

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ZugerichtetAuf Schatzsuche im Kreis 4Es sind im Drogenbusiness meist die kleinenFische, die auf der Anklagebank landen.Gleich fünf Stück stehen an diesem Tag aufder Liste der Verhandlungen, die im 90-Mi-nuten-Takt abgespult werden. Gestrandete,Verzweifelte, Willenlose, die lieber weiterhinihr Leben ruinieren, als clean zu werden,weil in ihrem Leben nicht viel ist, wofür eslohnt, aber viel, was weggefixt werden muss.Die tägliche Portion Glück oder Gleichgültig-keit erkaufen sie sich mit Dealerei oder Dieb-stahl für Drogenkauf, sie werden erwischt,bekommen ihre Strafe und Aufwiedersehen,bis zum nächsten Mal.Fabian F.* konnten 13 Deals nachgewiesenwerden. Ein paar Tage lang täglich 20 GrammMarihuana, einmal 50 Gramm Haschisch undzwei Dutzend Kügeli Kokain. In seinem Zim-mer fand man zudem Marihuana in nicht ge-ringer Menge, wie es heisst. Exakt waren das140,54 Gramm. Das ist ganz schön viel Stoff.«Das war aber für den Eigengebrauch, nichtzum Dealen», sagt Fabian. «Ich rauchte vieleJoints täglich, das ist, wie wenn man Zigaret-ten an der Kette raucht, da kauft man sichauch ’ne Stange.» Von wem er die Drogendenn bezogen habe, will der Richter wissen.«Von den Nigerianern an der Langstrasse, beidenen hatte ich Schulden», gesteht er. «Meinkleiner Hund hat nämlich unter einem Buschsein Geschäft verrichtet, und da hat er wasgefunden, was die dort versteckt haben.»Kein Goldschatz, aber trotzdem etwas, wasman zu Geld machen kann. «Gewinn habeich aber keinen gemacht.» Der Richter hüs -telt, um sich das Lachen über die Hunde storyzu verkneifen, und winkt ab. Auch die trauri-ge Kindheit kennt er schon, er fragt nicht

nach, nur die notwendigen Daten. «Ausbil-dung?» – «Abgebrochen.» Dann machte Fabiangar nichts mehr, flog aus der Wohnung. «Wo-von haben Sie gelebt?» – «Betteln, Musik ma-chen.» Wie viele solche jungen Männer hat derRichter schon gesehen? Wie viel Glauben hat ernoch an die verändernde Kraft der Strafe? Fa-bian hat einen Monat in Untersuchungshaftgesessen, er ist geständig, er will sich um Auf-nahme in ein betreutes Wohnprojekt bemühen.Das klingt plausibel und lässt hoffen. Eine gün-stige Sozialprognose ist wichtig. Fabian wird zuzwölf Monaten verurteilt, mit zwei Jahren Be-währung, plus 1000 Franken Busse. Die kann erauch abarbeiten. Bisschen Busse muss sein, be-lehrt ihn der Richter. «Man sagt immer, lasstdoch die Kleinen laufen, schnappt die Grossen.Bin ich nicht der Meinung. Auf allen Ebenenmuss das bekämpft werden. Deshalb werdenSie verurteilt. Diesmal mit Nachsicht.» DerRichter prophezeit ihm, er werde weiter abrut-schen, wenn er weiter konsumiert: «Aber wasSie mit Ihrem Leben machen, steht nicht unterStrafe.» Das Marihuana, das man bei Fabianfand, wird eingezogen. Fabian erklärt sich ein-verstanden, notgedrungen.Der nächste Fall wird aufgerufen. Ike, 39 Jahrealt, geboren in Nigeria, wegen Verstoss gegendas Betäubungsmittelgesetz: Er hat mit einemhalben Kilo Kokain gedealt. Der Fall wiegtschwerer, wie auch der Mann, ein wuchtiger,derber Typ. Aber selbst wenn er sich für seinenGang vor Gericht wie ein Gangsta rausgeputzthat mit Sonnenbrille und Goldketten, so istdoch auch er nur ein kleiner Fisch im Hai-fischbecken.* persönliche Angaben geändert

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

Brief aus NadorBerg der HoffnungVON AMIR ALI

Ich war wandern. Es war eine Reise zu Men-schen, die nichts mehr zu verlieren haben,ausser der Hoffnung.Sie leben oben auf dem Berg im Wald. ZuHunderten. Das Wertvollste, was sie besit-zen: ein paar Mobiltelefone, verrusste Blech-töpfe und die Plastikfetzen, mit denen sie dieSteinverschläge und Höhlen abdecken, in de-nen sie schlafen.Sie alle haben weite Strecken zurückgelegt,um auf diesen Berg zu kommen. Ganz West-und Zentralafrika ist hier versammelt. Sie allesind auf dem Weg ins gelobte Land. Auf demWeg nach Europa. Der Berg ist ihre letzte Sta-tion. Von hier haben sie Aussicht auf Melilla,dieses kleine Stück Spanien am NordendeAfrikas. Ein eingezäuntes Stück Paradies.Manche sind seit Jahren hier. Haben es im-mer wieder versucht. Und sind immer wiedergescheitert an Stacheldraht und Bewegungs-meldern, an Guardia Civil und der marokka-nischen Polizei. Dutzende Kameraden habensie sterben gesehen, die verendet sind wieBeifang in dem stählernen Netz, das den Be-ginn der Festung Europa auf ihrem Kontinentmarkiert.Yousuf war schon viermal unten. Er trägtnicht nur seine eigene Hoffnung, sondernauch jene seiner Eltern, Brüder und Schwes -tern. Es gibt für ihn kein Zurück. Er warte hier, sagt er. Warte auf «le jour deDieu». Den Tag, den Gott für ihn ausgesuchthat. Den Tag, an dem er es auf die andereSeite schaffen wird. «Und dann?», frage ichvorsichtig. «Dann wird alles gut», sagt er.«Dann bin ich drüben. In Europa gelten dieMenschenrechte.»Ich denke: Wirtschaftsflüchtling. Nichtein-tretensentscheid. Kügelidealer. Im schlimms -ten Fall werden sie dich zusammenschnürenund knebeln, und dann ab ins Flugzeug. Undsie müssen dazu nicht einmal das Gesetzverletzen. Das ist das Gesetz.Yousuf hat keine Ahnung. Jene, die noch zuHause sind, wissen nichts über den Berg inMarokko oder den Zaun unten im Tal. UndYousuf auf dem Berg weiss nichts über dasgelobte Land.Ich sollte es ihm sagen. Er wird es mir nichtglauben. Die Illusion von einer besseren, ei-ner gerechteren Welt auf der anderen Seite:Nur sie hält ihn am Leben.Ich schweige.

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StarverkäuferUrs HabeggerAnna Schindler aus Herisau nominiert UrsHabegger als Starverkäufer: «Urs Habeggernennt die kalte Unterführung im BahnhofRapperswil sein verlängertes Wohnzimmerund steht immer mit seiner Sonnenblumeda, wenn ich vorbeikomme. Urs strahlt Zu-friedenheit aus und sein zurückhaltendesDasein an diesem ungemütlichen Ort hat et-was Tröstliches. Wenn ich bei ihm Surprisekaufe, hat er auch immer Zeit für ein kurzesSchwätzchen.»

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GNominieren Sie IhrenStarverkäufer!Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Siean dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, [email protected]

Nr. 296: Zielscheibe LehrerLehrer unter Druck

Die Gesellschaft bewertet uns nach Geld, Macht, LeistungIch bin Klassenlehrerin an einer 2. Sek in Zürich-Altstetten. Ich findemeine Schülerinnen und Schüler toll, die Zusammenarbeit mit den El-tern funktioniert gut, meine Arbeit macht mir Spass.Ich denke, die Ursachen vieler Probleme in der Schule wurzeln in unse-rer Gesellschaft, die uns primär nach Geld, Macht, Leistung und Äusse-rem bewertet; wie sollen die Schülerinnen und Schüler da eine tragfä-hige Identität aufbauen können?Für die Schüler – vor allem in der Sek B – ist ausserdem die Angst vorder beruflichen Zukunft (Hunderte von Stellenbewerbungen und Absa-gen) sehr belastend, das wirkt sich auch auf ihr Verhalten aus. Weiterwären da noch: Arbeitslosigkeit der Eltern, Leben an der Armutsgrenze,Gewalt, Verschärfung der Einbürgerung und so weiter.Ich wünschte, meine Schülerinnen und Schüler hätten so einfache Start-bedingungen wie ich als Schweizerin in den Siebzigerjahren.Margrit Stoll, Zürich

Economiesuisse – Am Grab des achten Bundesrats

Economiesuisse – Am Grab des achten Bundesrats Der Artikel von Christof Moser über unsere Economiesuisse ist interes-sant. Mir gefällt besonders der Ton. Die Wahrheit zu sagen, ohne denZeigefinger (es kann auch ein anderer sein) hochzuhalten, das könnennicht mehr alle Journalisten. Die meisten meinen wohl, der Leser kön-ne nicht selber denken. Nun, soweit kommen wir vielleicht einmal …Hans Johner, Täuffelen

Leserbriefe«Wie sollen Schüler eine Identität aufbauen?»

Nr. 294 AusgesetztAuf den Spuren verschleppter Tierarten

Schweizer schämen sich oft, aufs Sozialamt zu gehenErst in diesen Tagen kam ich dazu, den Artikel «Sozialhilfe – Beine ma-chen per Brief» zu lesen. Der Artikel ist sicher gut geschrieben, abermich stört dabei, dass es immer wieder um Ausländer, Migranten geht.Auf mich machen solche Artikel immer den Eindruck, als würdenSchweizer auf den Sozialämtern gut behandelt. Vielleicht wissen auchSie, dass dem nicht so ist. Sicher gibt es auch unter den Surprise-Ver-kaufenden Menschen, die auf einem Sozialamt negative Erfahrungengemacht haben. Aber dass es einfacher ist, über Ausländer zu schreibenals über uns Schweizer, ist mir klar. Denn man hört immer wieder: DenSchweizern geht’s so gut. Ich hatte selber schon ein sehr unangenehmesErlebnis auf dem Sozialamt in Zürich. Da es mich irgendwie erschütterthat, habe ich es auf meinem Blog verarbeitet.Und wie wir wissen, gehen sehr viele Schweizer, die sozialhilfeberech-tigt wären, nicht auf die Sozialämter, weil sie diese Demütigungen nichtertragen können, weil sie sich auch schämen. Darüber zu schreibenwürde einem Surprise auch nicht schlecht anstehen.Urs Rösli, per E-Mail

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VON FRANZISKA ZAUGG (TEXT) UND KARIN SCHEIDEGGER (BILD)

«Willkommen in meinem Wohnmobil», die Begrüssung von OliviaNotaro ist herzlich. Ebenso einladend und warm das Innere des Wagens.Und überraschend: Von der Decke hängt ein Kristallleuchter, Tücher, mitbunten Blumen bedruckt, bedecken die Sitzpolster, und den Kaffee ser-viert die Gastgeberin in einer Porzellantasse. Die 38-Jährige ist Künstle-rin und lebt seit einem halben Jahr in einem komfortablen Wohnmobil.

Dass sie ihren festen Wohnsitz gegen einen mobilen eingetauschthat, liegt zum einen daran, wie sie arbeitet. Die Künstlerin hat in Häut-ligen bei Bern und London je ein Atelier. Sie kann sich nicht zwei Woh-nungen leisten, und in WGs zu leben hat sie momentan satt. «Ich brau-che Raum für mich alleine und die Möglichkeit des Rückzugs», betontsie. Gleichzeitig will sie in England und in der Schweiz arbeiten. «Lon-don ist eine pulsierende Stadt und bietet mir ein breites kulturelles An-gebot. In Häutligen lebe ich zurückgezogen, geniesse die Natur und dieNähe zu meiner Familie.» Beide Orte inspirieren sie, haben Einfluss aufihr Schaffen und Leben.

Ein weiterer Grund für ihre Wahl: Sie setzt sich künstlerisch mit Pro-jekten auseinander, die nie abgeschlossen und somit unendlich sind.Ihre Arbeiten werden dabei immer wieder in einen anderen Kontext ge-setzt. Da passt das Wohnmobil, dessen Standort sich immer wieder än-dert, bestens ins Konzept.

Das Leben im Wohnmobil, die wechselnden Aufenthaltsorte, die lan-gen Fahrten zwischen Bern und London, die sie alle paar Wochen unter-nimmt, all das verleiht ihr ein Gefühl von Freiheit und ist zugleich auchMotor ihrer Kreativität. Jedoch setzt diese Freiheit eine gute Planungvoraus. «Die Arbeit ist mein tägliches Brot. Ichlebe davon und habe Projekte, bei denen ichTermine einhalten muss.» 2012 wurde OliviaNotaro mit dem Berner Frauenkunstpreis 2012ausgezeichnet, im selben Jahr erhielt sie auch den von der Bernischen Kunstgesellschaft verliehenen Preis der Aeschlimann-Corti-Stiftung – ein Preis, mit dem sich auch schon Bern-hard Luginbühl oder Franz Gertsch schmücken durften.

Meistens geben ihr Ausstellungs- und Projekttermine die Route fürihre Aufenthaltsorte vor. So ist es nie zufällig, wann sie mit ihrem Wohn-mobil einen Ort verlässt und an einem anderen ankommt. «Mein Lebengleicht vielleicht dem einer Nomadin, doch es ist geregelt und oft überMonate hinaus geplant.» Es ist ja nicht so, dass man nur als Aussteige-rin ganzjährig in einem Wohnmobil leben kann. So traf sie auf einemCampingplatz einen deutschen Bauarbeiter, der in der Schweiz einer ge-regelten Arbeit nachgeht und während dieser Zeit im Wohnmobil lebt,aber in Deutschland Familie hat und ein Eigenheim besitzt. Oft begeg-net sie auch Rentnern, die sich für ein ganzjähriges Leben im Wohnwa-gen entschieden haben. Entsprechend ausgerüstet sind die Camping-plätze, und das Leben hier gleicht jenem in einer Wohnsiedlung. Regelnmüssen beachtet werden, beim Parkieren des Wagens etwa gilt es, Ab-stände genau einzuhalten. «Ja, das Leben auf einem Campingplatz hatdurchaus auch etwas Bünzliges», sagt die Künstlerin und lacht. Die Vor-

PorträtNomadin mit PlanOlivia Notaro wohnt in der Nähe von Bern und in London. Klingt nach Jetset? Weit gefehlt. Die preisgekrönteKünstlerin pendelt im Wohnmobil und logiert vornehmlich auf Campingplätzen.

züge dieser Campinganlagen möchte sie derzeit jedoch nicht missen.«Gerade wenn es kalt ist, ist es einfach ein Luxus, geheizte Toiletten undDuschen benützen zu können sowie Strom zum Kochen oder für dieHeizung zu beziehen.» Das gebe dem Nomadenleben die nötige Gebor-genheit. Und die Möglichkeit, immer wieder die Akkus von MacBookund iPhone zu laden, schaffe ihr die Verbindung zur Aussenwelt.

Für immer am selben Ort zu leben, kann sie sich jetzt nicht vorstel-len. «Wurzeln zu schlagen brauche ich nicht. Die habe ich immer beimir.» Das passt zu ihrer Herkunft. Die Mutter ist gebürtige Deutsche undlebt in der Schweiz. Der Vater ist Italiener. Zudem hat sie sich einenFreundeskreis aufgebaut, mit dem sie verbunden bleibt, ohne dass mansich täglich sieht oder hört. Und manchmal reist auch jemand mit ihrmit. Langweilig werde es ihr nie. Sie habe ständig etwas zu tun. AlsKünstlerin habe sie viel Schreibarbeit zu erledigen. Und wenn sie malZeit hat zum Nichtstun, dann liest sie in ihrer Kajüte über der Fahrer-kabine ein Buch. Die stundenlangen Fahrten durch Frankreich haben fürsie etwas Meditatives. Sie geniesst die Ruhe oder hört Musik. Wer imWohnmobil lebt und reist, ist die meiste Zeit auf sich allein gestellt.«Nach diesen ersten Monaten erfüllte es mich mit Genugtuung, zu se-hen, dass ich das kann.»

Der Raum zum Leben ist eng im Wohnmobil. Viel mitnehmen kannman nicht. Ein Dilemma für die Künstlerin. «Ich frage mich manchmal,ob ich es wohl schaffen könnte, auch die beiden Ateliers im Wohnmo-bil zu integrieren. Doch ich bin eine Sammlerin, mag schöne Dinge undbin froh um den Raum in Häutligen und London.»

Nebst den notwendigen Dingen zum Leben reist bei Olivia Notaroauch ein ausgestopfter Fuchs mit – eine Trouvaille aus einer Brocken-

stube. Und an den Wänden hängen Bilder von Künstlerfreunden. Auchimmer im Gepäck hat sie das Gemälde eines namenlosen Mannes. Es isteines ihrer Kunstprojekte und trägt den Titel «Moment #...». Das Ge-mälde hat sie auf einem Flohmarkt erstanden. Sie passt den Hintergrundder jeweiligen Wand an, an der es hängt. Immer wieder ist das Bild anihren Ausstellungen zu sehen. In der Schweiz als Nächstes im AtelierGepard 14 in Bern, von Anfang Mai bis Ende Juni. Olivia Notaro kannsich hier während dieser Zeit ein Kunstlaboratorium einrichten. Mit da-bei sind Künstlerfreunde aus der ganzen Welt, die vor Ort an ihren Pro-jekten arbeiten.

Ob sie gleich den ganzen Sommer in der Schweiz verbringen wird,ist für Olivia Notaro noch offen, das hängt von weiteren Ausstellungs-terminen ab. Dass diese noch nicht fix sind, stört die Künstlerin abernicht. Ihre Art des Nomadenlebens verlangt zwar nach Planung – dasmobile Heim gibt ihr aber auch die Möglichkeit, ihren Aufenthaltsortganz spontan zu wählen. ■

www.gepard14.ch

«Mein Leben gleicht vielleicht dem einer Nomadin, doch esist geregelt und oft über Monate hinaus geplant.»

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3D-PrintDo it yourself digital3D-Drucker stellen aufgrund von Computerdaten dreidimensionale Gegenstände her. Bereits rufen Beobach-ter eine neue industrielle Revolution aus. In Forschungslabors wird derweil mit Fleisch und Organen aus demDrucker experimentiert.

VON STEFAN MICHEL (TEXT) UND DAVIDE CAENARO (BILDER)

«Wer hat’s erfunden? Professor Bienlein!», erklärt Philipp Binkertlis tig. Die Rede ist vom 3D-Drucker, dem Wundergerät, das aufgrundvon Computerdaten Gegenstände herstellen kann. Der zerstreute Pro-fessor aus den Tim-und-Struppi-Büchern arbeitete schon 1972 an einerMaschine, die dreidimensionale Objekte kopiert. Im Workshop «Copyyourself!» im Frühling 2013 erfasst eine Fotokamera das Original: Die Teilnehmer drehen sich vor ihr langsam um ihre Achse. Danachbaut ein 3D-Drucker die Oberfläche des Kopfes Schicht für Schicht auf.Von einer Kopie zu sprechen, ist übertrieben. Die Gesichter sind erstauf den zweiten Blick wieder zu erkennen. Ähnlich oberflächlichscheint es, wenn den 3D-Druckern die Fähigkeit zugeschrieben wird,

eine neue industrielle Revolution auszulösen. Dies tut etwa der amerikanische Journalist Chris Anderson in seinem neuesten Buch«Makers: The New Industrial Revolution». Anderson war bis 2012Chefredaktor des Technologie-Magazins Wired, dem Leitmedium derdigitalen Generation. Kaum eine Zeitung, ein TV- oder Radiokanal kamin den letzten Monaten ohne Bericht über das Phänomen 3D-Druckaus. Bis Anfang Mai war im Zürcher Museum für Gestaltung eine Aus-stellung über die neue Herstellungsweise zu sehen. Wieder einmal solleine – nicht einmal sonderlich neue – Technologie unser Leben um-krempeln.

In der Industrie, speziell im Industriedesign, werden 3D-Druckerschon lange eingesetzt, um rasch Modelle eines neuen Autos, Flug-zeugs oder Maschinenteils anfertigen zu können. Vom digitalen Plan

iPhone-Hülle ab USB-Stick: Der Cube 3D-Drucker formt eine Schnur aus biologisch abbaubarem PLA – polylactic acid – zu einem Objekt.

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bis zum fertigen Objekt dauert es ein paar Minuten bis ein paar Stun-den, je nachdem, wie gross es ist und wie kompliziert seine Form. SeitKurzem gibt es 3D-Drucker für den Hausgebrauch, das heisst für weni-ger als 2000 Franken. Innert kurzer Zeit haben sich auf dem InternetGemeinschaften gebildet, in denen Baupläne für Gegenstände aller Arthoch- und heruntergeladen werden können. «Open Source» heisst dasPrinzip, das aus der Software-Entwicklung be-kannt ist. Auf Webseiten wie thingiverse.comgibt es von Schmuck über Geschirr bis zuAutoersatzteilen und Werkzeugen Zehntau-sende von Objekten, die man bei sich zuhauseausdrucken kann.

«Neu ist nicht die Technologie», erklärt Phi -lipp Binkert, Mit-Inhaber der Zürcher Firma3D-Model.ch, «sondern der Do-it-yourself-Gedanke dahinter.» Ein spe-zieller Ohrring, eine Kabel-Halterung, die genau in die Wandnische inder heimischen Küche passt, oder ein Blinkerhebel für das 30-jährigeAuto – all das kann man jetzt selber herstellen. Vorausgesetzt, man hatdie nötigen Computer-Kenntnisse und Zugang zu einem 3D-Drucker.

Revolution in ZeitlupeBei 3D-Model kommen täglich Leute vorbei, die ihre Kreationen aus-

drucken lassen wollen. Laut Binkert sind es Tüftler, Künstler, Architek-ten, aber auch Entwickler, beispielsweise aus der Helikopterindustrie.Wie in einem Copyshop nehmen Binkert und seine Mitarbeiter den Da-tenträger entgegen, sehen sich den Bauplan an und schicken ihn auf derpassenden Maschine in Produktion. Schicht um Schicht legt der Druck-kopf aufeinander, langsam wächst das Objekt in die Höhe, bis es seineGestalt erreicht hat.

Wir brauchen also nicht mehr endlos nach genau dem Ding zu suchen,das wir brauchen, oder es für teures Geld vom Spezialisten extra anferti-gen lassen. Die Produktion kommt nach Hause – so die Vision –, auf dieindividuellen Bedürfnisse abgestimmt. Es braucht keine kritische Massean Kunden, die am gleichen Produkt interessiert sind, bis es in Serie geht.Jeder stellt sich das her, was er oder sie selber braucht. Kein Transport,

keine Warenlager, keine Vermarktung sind nötig, um ein Produkt zu jenenzu bringen, die es brauchen, sondern einzig ein Computer-Bauplan.

Es dauert, bis das Ding bei 3D-Model Realität geworden ist. Das Aus-drucken eines zehn Zentimeter hohen Männchens dauert gut und gerneeine halbe Stunde. Die Revolution geschieht in Zeitlupe. Schwer vorstell-bar, dass sie die Massenproduktion ablösen soll, in der der grösste Teilder Güter hergestellt wird, die wir benützen. Tausende solcher Männ-chen hätte eine dafür gebaute Maschine in derselben Zeit ausgespuckt.

Kritische Stimmen weisen genau darauf hin, etwa Professor HartmutSchwandt gegenüber dem IT-News-Portal golem.de. «Wir sind meilen-weit davon entfernt, mit beliebigen Materialien beliebige Dinge zu dru -cken», sagt der Mathematiker, der das 3D-Labor an der TechnischenUniversität Berlin leitet. Die günstigen Drucker für den Hausgebrauchstellen Plastikgegenstände her. Damit lässt sich mehr machen, als mandenkt, sogar bewegliche Teile sind möglich.

«Neu ist nicht die Technologie, sondern derDo-it-yourself-Gedanke dahinter.»

Philipp Binkert, Mitinhaber 3D-Model.ch

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Trotzdem klingt die Querflöte aus dem Drucker nicht sonderlichschön. Es hat seinen Grund, weshalb Blasinstrumente aus Metall oderHolz gefertigt werden. Teurere Maschinen arbeiten auch mit verschiede-nen Metallen, Keramik oder Gips. Da sind Aus-gangsmaterial und Maschine einiges teurer.

Dennoch ruft sogar der englische Econo-mist – nicht bekannt dafür, vorschnell aufMarkttrends aufzuspringen – ein neues Zeital-ter der Fabrikation aus. Allerdings nicht fürMassengüter, sondern für Prototypen und Kleinserien. Bereits werdenspezielle Auto- und Flugzeugteile ausgedruckt – die F/A-18 fliegt mitsolchen Stücken. In Zukunft könnten Service-Mechaniker mit einem 3D-Printer im Auto zum Kunden fahren und das defekte Teil selber herstel-len, statt mit einem Arsenal an Ersatzteilen anzureisen oder das pas-sende bestellen zu müssen. Interessant ist die Technologie auch in ab-gelegenen Gebieten, wo eine Materiallieferung Wochen dauert.

3D-Druck macht auch Gegenstände freier verfügbar, für die gewisseHürden gelten. Der Texaner Cody Wilson hat das Wiki Weapon Projectinitiiert: eine Online-Gemeinschaft, die in Open-Source-Manier einSturmgewehr entwickelt, das vom 3D-Drucker hergestellt werden kann.Wilson will damit einem möglichen Verbot von Schnellfeuergewehrenin den USA zuvorkommen und zeigen, dass jede Einschränkung des Zu-gangs zu Waffen zum Scheitern verurteilt ist. Bislang drucken er undseine Mitstreiter nur jene Bauteile aus, die nicht frei verfügbar sind. 600Schuss gibt sein Plastikgewehr ab, bis es auseinanderfällt, und die Ent-wicklung steht erst am Anfang. Thingiverse.com hat seine Baupläne vonder Website entfernt. «Ein klarer Fall von Zensur», findet der Waffenför-derer gegenüber dem Web-TV-Kanal Vice. Er reagierte, indem er eine ei-gene Netz-Gemeinschaft initiierte mit dem Ziel, sein Open-Source-Ge-

wehr zu realisieren. Seinen Angaben zufolge haben schon Hunderttau-sende seine Baupläne heruntergeladen. Möge sich die Prophezeiungnicht erfüllen, dass noch in diesem Jahrzehnt der erste Mensch mit der

Wiki Weapon erschossen wird! (Der Zyniker wendet ein: «Spielt es eineRolle, womit jemand umgebracht wird?»)

Hamburger und Organe druckenAndere Menschen wollen mithilfe des 3D-Druckverfahrens Leben ret-

ten, statt sie zu gefährden. Sie sehen Möglichkeiten, natürlicheRessourcen zu schonen, Tiere zu schützen oder die Knappheit an Spen-derorganen zu lindern. In Kalifornien arbeitet die Biotech-Firma ModernMeadows an Fleisch, das aus Stammzellen wächst. «Das ist kein syn-thetisches Fleisch», betont der Mediziner Gabor Forgacs, der zusammenmit seinem Sohn Andras Forgacs das Unternehmen leitet. «Es ist echtesFleisch, das aus den genau gleichen Teilen besteht wie das herkömmli-che.» Bis jetzt lässt Modern Meadows das Labor-Fleisch in der Petri-schale wachsen. Erklärte Absicht ist es, mit dem 3D-Drucker die Grund-substanz in Form zu bringen.

Wie überzeugt er von seinem Produkt ist, demonstrierte Forgacs aneiner Fachtagung, wo er sich vor versammelter Wissenschafterschar ei-nen Hamburger briet und verspeiste (verewigt auf Youtube). «Wir sindnoch nicht auf dem All-you-can-eat-Level», räumte er ein, während erdas daumengrosse Fleischstück salzte und pfefferte. Der Hamburger mit

«Wir sind noch nicht auf dem All-you-can-eat-Level», räumteder Mediziner Gabor Forgacs ein, während er das daumen-grosse Fleischstück salzte und pfefferte.

Innerhalb von eineinhalb Stunden wird aus dem Bauplan greifbare Realität.

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seiner einfachen Form ist ein ideales Werkstück für den 3D-Drucker.Aber auch Steaks sollen bald schon geprintet werden können. Bereitsmeldete die Tierschutzorganisation PETA, sie habe mit dem Fleisch-verzehr kein Problem, wenn dafür kein Tier sterben müsse.

Sollte künstliches Fleisch einmal in grossen Mengen hergestellt wer-den können, würde das ganz besonders dem Klima nützen. Denn we-der braucht seine Herstellung die enormen Mengen Wasser, Getreideund Boden, die für die Viehzucht nötig sind, noch muss es weit trans-portiert werden. Im Idealfall druckt man es sich zuhause aus. DieGrundsubstanz – das Gewebe – müsste allerdings immer noch aus ei-nem Herstellungsbetrieb zu den Endkunden gebracht werden.

Weiter fortgeschritten ist die Entwicklung von Leder aus dem Dru -cker – ebenfalls bei Modern Meadows. Da Umfragen ergeben haben,dass die Mehrheit der Menschen keinen Appetit auf Laborfleisch hatund ausserdem dessen Zulassung Jahre dauern wird, konzentriert sichdas Unternehmen nun auf Leder, das tatsächlich aus Haut besteht, die-se aber keinem Tier abgezogen werden musste.

Vom Drucker in den BrutkastenEine andere brisante Maschine steht in einem Forschungslabor in

Wädenswil am Zürichsee: ein Hautdrucker. Die Zürcher Hochschule fürAngewandte Wissenschaften hat ihn zusammen mit einem Ingenieur-Unternehmen entwickelt, um Hautstücke herzustellen, an denen Kos-metika getestet werden können. Dies, weil Tierversuche in der Kosme-tik-Herstellung seit einigen Jahren verboten sind. Der Hautdrucker legtabwechselnd Schichten von Biotinte und menschlichen Bindegewebe-zellen übereinander und baut so die Haut auf. Biotinte ist ein Gel ausverschiedenen tierischen Zellen. Die menschliche Zellmasse wird ausOperationsresten gewonnen.

Eine amerikanische Universität hat vor Kurzem ein Ohr aus künstli-chem Knorpel gedruckt, das sich mit dem Organismus verbände, würdeman es einem Menschen implantieren. Andere Forschungsinstitute ar-beiten an ganzen Organen aus dem 3D-Drucker. All diesen printbarenGewebearten, vom Hamburger über die Haut bis zum Ohr, ist gemein-sam, dass sie nach dem Druckprozess Tage bis Monate in einer Nährlö-sung oder einem Brutkasten reifen müssen, bis sie ihre endgültige Struk-tur erlangt haben.

Nennen wir diese lebenden Druckerzeugnisse extreme und wissen-schaftlichen Labors vorbehaltene Ausprägungen des 3D-Drucks. Dieneue industrielle Revolution, so sie denn tatsächlich stattfindet, betriffteher den Bereich der Gegenstände aus Kunststoff oder Metall. AutorChris Anderson relativiert die eigene These von der neuen industriellenRevolution am Ende seines Buches gleich selber: Nicht das Ende derKassenschlager stehe bevor, sondern das Ende des Monopols der Kas-senschlager. Soll heissen: Die Massenproduktion wird nicht abgelöst,sondern es kommt eine neue Herstellungsweise dazu. Individuell, zeit-lich und räumlich flexibel. Die Revolution ist eher Evolution.

Zugegeben: Auch die Ausbreitung des Internets basierte auf Freiwil-ligkeit, bis es so dominant wurde, dass man schlicht nicht mehr darumherumkam. Möglich, dass es dereinst gewisse Produkte nicht mehr imLaden zu kaufen gibt, sondern man sie sich ausdrucken muss. Dochweil nicht alle zu ihrem eigenen Produkte-Designer werden wollen,wird es Dienstleister geben, die diese Güter auf Bestellung druckenwerden. Interessant sind 3D-Drucker und die entsprechenden Internet-Foren für jene verkannten Erfinder und Gestalter, die ihre Würfe end-lich realisieren und der Öffentlichkeit präsentieren können. Auf die Ge-fahr hin, dass sie sich als nicht so revolutionär erweisen, wie ihreSchöpfer glauben. ■

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TheaterIm Salon des wahrenLebensAm Wildwuchs Festival stehen die Menschen im Zentrum, die vom Rand her auf die «norma-le» Gesellschaft sehen. Auch eine Gruppe von Surprislern lässt das Publikum an ihrer reichenLebenswelt teilhaben.

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VON MICHÈLE FALLER (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)

In der Surprise-Lounge herrscht Stimmengewirr. Domi war als Ersterda und begrüsst gut gelaunt die Ankommenden. Da sind die schüchternlächelnde Nadine und Rolf, der mit grossen Schritten und wehendemHaar direkt auf seinen Kollegen Wolfgang zugeht. Kritisch wird das neueStrassenmagazin begutachtet. In der Zwischenzeit sind auch Sokha, Do-ris und Emsuda angekommen. Emsuda geht es nicht gut, am Anfangmöchte sie gar nicht mitspielen.

«Wir müssen noch am Bühnenbild arbeiten», sagt Regisseur LuziusHeydrich, als endlich alle sitzen. Er wendet sich an Brocki-Expertin Do-ris: «Zehn bis 14 Bistrotischchen?», fragt er vorsichtig lächelnd. «Das istdann so Cabaret-artig und passt gut zum ‹Salon Surprise›. Es darf abernichts kosten.» Auch schicke Kleider und vor allem schöne Schuhe seienwichtig. «Was habt ihr selber, was müssen wir noch ausleihen?» Wolf-gang freut sich: «Da kommt mein Zylinder wie-der mal zum Einsatz!» Sokha schaut auf seinenicht mehr ganz neuen Turnschuhe hinunter,und als er die amüsierten Blicke der anderenbemerkt, muss er selber laut lachen. DasStück, das erarbeitet wird, entsteht für dasBasler Wildwuchs Festival, das heuer unterdem Motto «Wir stören!» stattfindet. Das passtgut zum experimentellen Konzept des Festivals, das internationale Gast-spiele von Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderung so-wie lokale Projekte zeigt.

Die Schauspieltruppe, die sich hier eingefunden hat, besteht aus Lai-en. Sie verkaufen bei Surprise das Heft, singen im Chor des Sozialpro-jektes oder beides. Sie stehen also per definitionem am Rand unsererGesellschaft – aus verschiedenen Gründen. Bemerkenswert dabei ist,dass in dieser Gruppe eine soziale Stimmung und gegenseitige Fürsorgeherrschen, die ihresgleichen suchen.

Beim Aufwärmen klopft und massiert man sich gegenseitig den Rü -cken. Regieassistentin Annette quietscht, worauf sich Emsuda über-schwänglich entschuldigt, Annette die Haare richtet und sie auf dieWange küsst. Mittlerweile ist auch Manuela eingetroffen, und die Probebeginnt. Das heisst – eigentlich sind die Übergänge fliessend, dennschon als der Regisseur die Choreografie und das Lied ankündigt unddas bisher Erarbeitete zusammenfasst, beginnt Sokha zu singen undManuela zu tanzen. Die Begeisterung und die Energie, die hier freige-setzt wird, lässt einen staunen und die Welt um sich herum vergessen.

Kusshände und Feldarbeit«Jetzt brauchen wir Konzentration. Viel Konzentration», sagt der jun-

ge Regisseur, der im sympathischen, aber dennoch beträchtlichen Cha-os eine bewundernswerte Ruhe bewahrt und charmant bleibt. Nun wer-den die Gesichter ernster, ein Anflug von Nervosität ist zu entdecken.Mit der Musik beginnen alle zu tanzen. «Nein, nicht irgendwie tanzen,jetzt kommen die getanzten Geschichten aus dem Leben!» Nach kurzemGekicher der zweite Versuch. Da fährt eine im Auto vorbei und wirftKusshände, der andere verrichtet Feldarbeit, jemand gewinnt eine Me-daille, es wird getanzt, geschwommen und gesungen. Auch wenn nichtimmer klar ist, welche Tätigkeit gemeint ist – es berührt. Und zwar nichtetwa, weil hier Laien am Werk sind. Es sind die offengelegten Szenenaus dem durchaus nicht immer erfreulichen Leben dieser Frauen undMänner, die begeistern und ergreifen.

«Mogu ja, mogu ja ...» Emsuda beginnt zu singen, und alle anderensetzen ein. Es sei ein kroatisch-bosnisches Volkslied, sagt sie und erklärtstrahlend, dass da ein Mädchen mit schwarzen Haaren und schwarzenAugen besungen werde. Der Schmerz vom Beginn des Abends ist fürden Moment vergessen. Doris sitzt warm eingepackt auf einem Stuhl.Da auch sie erst gerade krank war, schaut sie beim bewegungsintensi-ven Teil lieber zu. «Ich habe vorher noch nie Theater gespielt. Es ist mitfast 60 eine völlig neue Herausforderung in meinem Leben», freut siesich. Schwierig sei es schon, auf der Bühne etwas von sich preiszuge-ben. Dann lächelt sie. «Ich habe keine Ahnung, wie es wird, aber ich binüberzeugt, es wird gut.»

Das mit dem Preisgeben ist schon bei den Profis so eine Sache. Undbeim «Salon Surprise» kommt hinzu, dass die Akteure ja spielend ausihrem eigenen Leben erzählen. Für Luzius Heydrich war mit dem An-gebot des Wildwuchs Festivals, ein Theaterprojekt mit einer Gruppe von

Menschen zu realisieren, die ausserhalb der gesellschaftlichen Normstehen, der Fall klar: «Es hat mich schon immer interessiert, wie die Le-bensrealität der Surprise-Verkäufer aussieht. Jetzt sehe ich, dass Surpri-se keineswegs eine Endstation ist, sondern echte Perspektiven bietet. Obdiese jemand annehmen will oder kann – das ist wieder sehr indivi-duell.»

Auch Doris hätte eine Nacht im Hotel verdient«Salon Surprise» findet im Rahmen der «Störmobile» statt, insgesamt

sechs Gruppen, die mit einem Fahrzeug beim «Motel Kasernenplatz»vorfahren, das gleichzeitig als Festivalzentrum und Theaterkulisse fun-giert. «Wir fahren mit einem richtigen Schlitten vor», sagt Luzius Hey-drich. Mit dem gediegenen Rahmen von «Salon Surprise» solle einReichtum behauptet werden, den die Leute nicht erwarten. Und dergleichzeitig auf den Reichtum an Erfahrungen und Erlebnissen anspielt,der auf der anderen Seite der materiellen Armut steht. «Wir machenkein Opferlamento, sondern zeigen das kreative Potenzial, das auf allenEbenen vorhanden ist.»

Die Pause ist vorbei und der Regisseur erklärt etwas nervös – denn esfolgt eine schwere Aufgabe – die Ausgangslage einer Improvisation:Rolf, der obdachlos ist, hat ein Zimmer in diesem Wildwuchs-Motel be-kommen, aber nur für eine Nacht. Die anderen kommen zu Besuch undbefragen ihn dazu. So interessant die Ausgangslage – Rolf ist im wirk-lichen Leben tatsächlich obdachlos – so spannend das Ergebnis: Dorisfindet, auch sie hätte eine Nacht im Hotel verdient, bei ihrem kleinenverschissenen Mansardenzimmer mit nur kaltem Wasser. Wolfgangmeint, das sei immer noch besser, als am Flughafen zu übernachten.Domi scherzt, ob Rolf eine Nacht auf den Malediven und eine in Parissei, Doris schlägt das freie Mansardenzimmer nebenan vor und Nadinegibt das viele Treppensteigen zu bedenken. Und interessanterweise er-fahren so auch die Beteiligten während der Improvisation Neues überdie anderen. «Das Experiment ist gelungen», sagt der Spielleiter er-schöpft, aber zufrieden.

«In dieser Gruppe erlebe ich eine Direktheit,die ich sonst nur bei Kindern gesehen habe.»

Luzius Heydrich, Regisseur

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Trotz fortgeschrittener Stunde hält der Elan an. «Ich liebe die Choreo -grafie, das Theater, die Komik», sagt Sokha. Schon als Junge in Kam-bodscha habe er in den Schulpausen immer getanzt und gesungen. Dortersetze das Tanzen manchmal das Sprechen, erklärt er und gibt mit weitgeöffneten Augen sogleich eine Kostprobe. «Es ist schön, mit anderenMenschen zusammen zu singen und kommunizieren.» Nadine hört lä-chelnd zu und nickt an dieser Stelle bekräftigend. Man vergesse Frus -trationen, fährt Sokha fort. «Das ist wichtig, wenn man keine Familie hatund alleine lebt.»

Nach dem Schwierigkeitsgrad von Improvisation und Pantomime be-fragt, wenn diese das eigene Leben darstellen müssen, hält der Regis-seur fest: «Es ist wahnsinnig schwierig, vor allem auch schauspiele-risch.» Sogar für Schauspielstudenten seien diese Übungen schwierig.«Aber die Surprise-Leute gehen unverkrampft an die Sache», grinst er.«Dann ist es viel besser!» Überhaupt ist er des Lobes voll für die an-steckende eigenwillige Lebensenergie seiner Truppe. Als etwas vomSchönsten an dieser Theatererfahrung nennt Luzius Heydrich die un-verstellte Übermittlung von Gefühlen. «Da ist eine Direktheit, die ichsonst noch nie, oder nur bei Kindern, gesehen habe.» Dazu komme ei-ne grosse Offenheit, etwas von sich preiszugeben und über alles redenzu können. «Aus dieser Kraft und Freiheit ergibt sich ein Reichtum, dervielen Nicht-Armutsbetroffenen abgeht.» ■

«Salon Surprise», Do, 30. Mai, 18.30 Uhr, Motel Kasernenplatz (Kaserne Basel).

Der Surprise Strassenchor tritt ebenfalls am Wildwuchs Festival auf: Di, 28. Mai,

18 Uhr, Motel Kasernenplatz, Eintritt für beide Veranstaltungen gratis.

Das Festival dauert vom 24. Mai bis 2. Juni.

www.wildwuchs.ch

Rolf, konzentriert mit wehendem Haar. Manuela übt sich im Vertrauen auf ihre Kollegen.

Theater ist Körperarbeit: Wolfgang kippt.

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MuttertagDie stärkste Beziehungder WeltDer zweite Sonntag im Mai ist den Müttern gewidmet. Gefeiert wird der Muttertag vor allemim Westen, etwas Besonderes ist die Bindung zwischen Kind und Mama aber überall auf derWelt, wie die Bilder auf den folgenden Seiten zeigen.

Afghanistan: In den Strassen Kabuls.

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Tibet: In der Nähe des Salzsees Namtsho auf über 4700 Metern Höhe.

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Japan: Unterwegs zum ersten Schultag in Fukushima.

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Irak: Durch den Sandsturm in der Nähe der Stadt Kerbala.

Palästina: Daheim in einer Höhle in der Wüste Negev, unweit der Westbank.

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FankulturWer hat Angst vorm 12. Mann?Politik und Medien bekämpfen ein Feindbild, das längst nicht mehr der Realität entspricht:Gewalt und Rassismus in den Stadien haben abgenommen. Repression und Kommerz dro-hen die Fankultur zu ersticken. Nun beginnen sich die Fans zu wehren.

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VON OLIVIER JOLIAT

Die Schweizer Fussball-Saison 2012/13 verläuft prächtig. Die Ent-scheidung in der Meisterschaft ist spannend wie lange nicht mehr, derFC Basel hat europäisch abgehoben und die Schweizer Nati noch immerbeste Chancen, sich für die WM zu qualifizieren. Dennoch hat der Fanmomentan wenig Grund zu Freude. Denn für die Fans aller Vereine fin-det das entscheidende Drama neben dem Feld statt. Hier treibt der Fuss-ball Menschen zu emotionalen Ausbrüchen, die nichts mit dem Spiel zutun haben – und meist auch wenig Ahnung davon.

Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD)hat zur Rückrunde das überarbeitete «Konkordat über Massnahmen ge-gen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen», kurz das neue Hooli-gan-Konkordat, vorgestellt. Das verschärfte Regelwerk ist der Stolz desKKJPD-Präsidenten Hans-Jürg Käser. Scharf auch seine Worte zur Prä-sentation des Werks im Februar: «So verleidet’s denen!» Sollte er mit«denen» die in den Medien als «unverbesserliche Kurvenidioten» titu-lierten gewalttätigen Fussballfans meinen, dann wendet er sich an einimmer kleiner werdendes Zuschauersegment. Eine schwere Gewalttatauf 750 000 Besucher zählte man 2010. Tendenz sinkend, bei steigenden

Klare Ansage: Die Zürcher Polizei empfängt die Fans des FC Basel in Kampfmontur.

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Zuschauerzahlen. «Der klassische Hooligan zieht sich aus dem Fussballzurück», sagte Christoph Voegeli, Leiter der Hooliganismus-Zentralstel-le der Stadtpolizei Zürich, in der Sendung «Kontext» auf SRF 2. Voegelibefasst sich seit 20 Jahren mit gewalttätigen Sportfans.

Die Fankurven haben sich gewandelt. Die gewaltgeilen Hooliganswurden von singfreudigen Ultras abgelöst. Waren rassistische Sprech-chöre in den Achtzigern an der Tagesordnung, sind sie heute fast ver-schwunden. Politisch ist die Kurve, wenn überhaupt, mittlerweile alseher gemässigt links einzuordnen. Dieser Wandel kam nicht durch ver-schärfte Gesetze oder Repression zustande, sondern wurde von denFans selbst eingeleitet. Initiativen wie etwa die Fanvereinigung «Halb-zeit» in Bern, wo YB-Fans seit 1996 breit gegen Rassismus im Fussballmobilisieren, zeigten Erfolg.

Wer die Spiele der Schweizer Profiligen in den Stadien besucht,weiss, dass die Fans längst besser sind als der von Medien und Politikverbreitete Ruf. 99 Prozent von 3000 befragten YB-Fans fühlen sich ge-mäss einer Anfang dieses Jahres von der Fan-arbeit Bern durchgeführten Befragung sicherim Stadion. Ähnliche Befragungen in Baselund Luzern kamen auf ähnliche Werte. Jahrfür Jahr steigende Zuschauerzahlen (letzte Sai-son eine Rekordzahl von fünf Millionen Stadionbesuchern) unterstrei-chen dieses Bild. Interessant an den Befragungen auch die Ergebnisseüber die wahren Sorgen der Fans: Es sind die stetig zunehmende Kom-merzialisierung des Fussballs und unbezahlbare Tickets.

50 000 Fans in der vierten LigaIm Fussball-Mutterland England leiden die Fans schon länger daran.

Das einstige Spiel der Proletarier kann sich der einfache Arbeiter heutenicht mehr leisten. 54 Franken kostet das günstigste Ticket für ein Liga-spiel beim Europa-League-Halbfinalgegner des FC Basel, dem FC Chel-sea. Der Traditionsverein gehört seit 2003 dem Multimilliardär RomanAbramowitsch. Eine geschätzte Milliarde hat der russische Oligarch seit-her in den Verein gepumpt, um Titel zu holen. Drei Meisterschaften unddie letztjährige Champions League konnte er damit gewinnen, nichtaber die Herzen der Fans.

Die Premier League stösst zwar weltweit auf das grösste Interesse,und die Stadien sind weiterhin voll. Die berühmten englischen Fange-sänge verstummen jedoch mit dem Fehlen der einfachen Fans. Die Fan-vereinigung Football Supporters Federation klagt: «Die Seele des Spielswurde verkauft.» Dabei sind es längst nicht mehr nur strauchelnde Ver-eine, die sich fürs schnelle Geld verkaufen. Manchester United, sportlichwie wirtschaftlich der erfolgreichste Verein Englands, gehört der Fami-lie des amerikanischen Investors Malcolm Glazer. Fans rebellieren da-gegen, indem sie in Gold-Grün statt Rot-Weiss ans Spiel kommen – inden Farben von Newton Heath, dem Verein, aus dem ManU 1902 her-vorging. Sie sorgen sich darum, dass ihr Verein im Schuldenstrudeluntergeht. Denn Glazer kaufte den Verein mit geliehenem Geld, das nunals Schulden auf dem Verein lastet. Auch Glazers Supermarkt-Imperiumin den Staaten ist hoch verschuldet.

Wie schnell ein international erfolgreicher Traditionsverein unterge-hen kann, führten letzte Saison die Glasgow Rangers aus Schottland vorAugen. Als das Betreiberkonsortium pleiteging, half auch der Weltre-kord von 54 Landesmeistertiteln nicht weiter: Die Rangers wurden in dievierte Liga zwangsrelegiert. Die Investoren sind weg, die Liebe der Fanszum Verein hingegen ist geblieben: An die 50 000 pilgern weiterhin andie Heimspiele der Rangers, eben feierten sie den Aufstieg in die dritteLiga.

Investoren-Infernos gibt es auch in der Schweiz. Erst erwischte esServette Genf, dann Neuchâtel Xamax. Investor Bulat Tschagajew triebden Traditionsverein letzte Saison, pünktlich zum 100-Jahr-Jubiläum,innerhalb eines halben Jahres in den Konkurs. Davor schmückte er dasWappen mit tschetschenischen Gebirgszügen, liess in der Pause Volks-

tänze aus seiner Heimat aufführen und vergraulte dabei alle, die mitHerz am Klub hingen.

So weit geht die aktuelle Fanpolitik zwar nicht, von einer Vergrau-lungstaktik lässt sich aber durchaus sprechen. Der ursprüngliche Prole-tariersport Fussball soll propper werden, keine unschönen Bilder sollender Vermarktung im Wege stehen. Die renommierte deutsche Wochen-zeitung Die Zeit äusserte die Vermutung, die «Blick»-Gruppe feuere nurdeshalb so vehement gegen den «Petarden-Trottel», weil Ringiers Agen-tur «Infront» auch die Super League vermarktet. Doch wer glaubt wirk-lich daran, dass die Stadien mit hübsch in die Kameras lächelnden jun-gen Frauen gefüllt werden können, wie die TV-Bilder der letzten Euro-pameisterschaften suggerierten?

Geblendet von Leuchtpetarden sind anscheinend selbst Klubpräsi-denten. So forderte Luzerns Walter Stierli seine Kurve zum Machtkampfheraus, indem er wegen gezündeten Pyros ein Fahnenverbot einführte.Er verlor den Kampf, die Sympathien vieler Fans und letztlich seinen

Pos ten. Ähnliches spielte sich bei den Grasshoppers in Zürich und inSt. Gallen ab.

Dass es auch anders geht, zeigt der FC Basel. Als 2006 in den letztenMinuten des letzten Spiels der Titel verloren ging, stürmten Hundertefrustrierter Fans das Feld und und griffen die gegnerischen Spieler an.Bernhard Heusler, damals noch Vize-, heute Präsident des Clubs, such-te daraufhin den Dialog mit der Kurve. Ein Novum im Denken und imUmgang mit den Fans, auch für die Ultras der Muttenzer Kurve. Und einRezept, das sich bewährte. Daniela Wurbs von der europäischen Fanver -einigung FSE brachte es beim ersten Fan-Symposium in Basel letztesJahr auf den Punkt: «Behandelt man Fans wie Tiere, dann benehmen siesich auch wie solche.»

Müllsammler auf HöllenfahrtDoch: Wer sind sie eigentlich, die Fans aus der Kurve? Weil die meis -

ten Medien lieber alte Hooligan-Klischees bedienen, haben diese ge-merkt: Aufklärung ist nötig. Sie müssen zeigen, wer und was sie sind –Subkultur und Autonomie hin oder her. In ihrer Film-Doku «Lutstargg»lernt man die Ultras von Inferno Basel als wilden und lauten Haufenkennen, der sich mit grosser Energie und Kreativität für seinen Vereineinsetzt, aber auch durchaus selbstkritisch mit dem eigenen Gewaltpo-tenzial auseinandersetzt. YB-Fans sieht man in ihrer Kurz-Doku «KurzeLeinen – Fanatische Fanpolitik», wie sie im Fanzug selbständig Müllwegräumen und dafür gratis ans Auswärtsspiel dürfen. Dies und die Bil-der von friedlich mitreisenden Familien und in Ruhe ihrer Arbeit nach-gehenden Kondukteuren widersprechen dem von der Politik und denSBB verbreiteten Bild von «Höllenfahrten», die jedes Jahr Reinigungs-und Reparaturkosten von drei Millionen Franken zur Folge haben.Mittlerweile hat sich zwar herausgestellt, dass diese Zahlen um dasZehnfache zu hoch sind. Doch dies wurde von den Medien kaum auf-genommen.

Der Fan ist längst besser als sein Ruf. Und er begreift langsam, dasser sich auch über das Stadion hinaus bemerkbar machen muss, umnicht zerrieben zu werden. Wem Fussball am Herzen liegt und wer Freu-de an den farbenfrohen Choreografien und den Fangesängen hat, derwäre gut beraten, den Fans auch ausserhalb des Stadions zuzuhören.Denn ohne sie macht Fussball nicht nur keinen Spass mehr – er lässtauch nicht mehr vermarkten. ■

«Behandelt man Fans wie Tiere, dann benehmen sie sichauch wie solche.»

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Dach- unweigerlich in Helikopterszenen. DerHelikopter war das männlichste aller Fortbe-wegungsmittel, abgesehen vielleicht von derMondrakete. Frauen erlagen dem ruppigenCharme reihenweise, sie sahen gut aus, warenentweder Verführerinnen, deren wahre Motiveder Haudegen natürlich sofort durchschaute,oder sie flehten ihn um Hilfe an. Dann wurdensie hysterisch, was der Haudegen mit einerkräftigen Ohrfeige zur allseitigen Zufriedenheitbeendete. Am Schluss gewann er, bodigte dieBösen, demütigte die Bürokraten und gönntesich einen kräftigen Drink.

So also stellte sich unsereiner als Bub dasMannsein vor, zumal Belmondo auch im rich-tigen Leben genau so war. Wie man weiss, istes anders gekommen, die Concorde fliegt nichtmehr, Frankreich hat nichts als Probleme, derHaudegen ist anachronistisch geworden undausgestorben. Bis auf einen.

STEPHAN PÖRTNER

([email protected])

ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER

([email protected])

Am 9. April wurde Jean-Paul Belmondo 80.Es geht ihm gut. Er ist noch immer Solarium-und Côte-d’Azur-gebräunt, trägt eine MengeGoldschmuck, das Hemd steht bis zum Bauch-nabel offen. Filme macht er nur noch selten,sein Vorsatz fürs Alter ist, nichts zu tun. Wieprägend Belmondo war, merkte ich letztenSommer, als ich in einem französischen Hoteleinen alten Belmondo-Streifen im Fernsehenschaute. Belmondo hat unzählige Filme ge-macht, von anspruchsvollen Klassikern mit le-gendären Regisseuren bis zu Action-Meterware.Der Film, den ich sah, war ein früher Actionfilmaus den Siebzigern. Amerikaner, Briten undFranzosen wetteiferten damals um die Vor-herrschaft in diesem sich etablierenden Genre.Die Welt, in der sie gegeneinander antraten,wirkt heute geradezu surreal antiquiert, unddamit auch die Figur des Haudegens, den Bel-

Wörter von PörtnerHaudegen

mondo verkörperte. Wer wie er nicht zumSchönling taugte, also nicht Alain Delon war,der eiferte diesem Rollenmodell nach. Esschimmert heute noch bei in die Jahre ge -kommenen Partylöwen, Milieugrössen undBauunternehmern durch. Es vertritt eine Weltsicht. Der Einfluss der französischenFilmindus trie war damals gross, und grosszeigt sich auch Frankreich in diesen Filmen.Die Concorde-Szene durfte ebenso wenig feh-len wie die zum Verständnis der Handlungwenig beitragenden Aufnahmen modernsterPariser Bauwerke. Ganze Strassenzüge wur-den tagelang gesperrt, damit sich die neuestenErzeugnisse der einheimischen Fahrzeugindus -trie halsbrecherische Verfolgungsjagden lie-fern konnten.

Der Haudegen war ein kerniger, unangepass -ter, aber aufrichtiger Mann. Die in Uniformenund Anzügen auftretenden Bürokraten, oft sei-ne Vorgesetzten, waren ihm zuwider. Sein ein-ziger Tribut an sie war die Krawatte, die er zuLederjacke und Polyesterhemd trug. Problemebesprach er mit einer Flasche Hochprozenti-gem und rauchte dazu eine Packung Zigaret-ten. Dann war wieder gut. Natürlich beein-trächtigte das weder seine Schlagkraft nochseine Ausdauer bei den Fussverfolgungen, dieirgendwie immer auf Dächer führten. DasHerumklettern auf Dächern war die Königs-disziplin des Haudegens, dessen Frisur dabeiniemals verrutschte. Ausserdem mündeten

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Moderne Märchen«Katharsis ist wichtiger als ein Happy-End»

INTERVIEW VON MICHAEL GASSER

Herr Hurst, der Psychoanalytiker Bruno Bettelheim propagierte1976, dass Kinder Märchen brauchen. Würden Sie sagen, dassheute Kinder stattdessen Märchenfilme brauchen?Matthias Hurst: Kinder brauchen tatsächlich Märchen, und diese wer-den heute fast nur noch filmisch rezipiert. Das Problem: Die Filme fal-len total unterschiedlich aus. Während Texte in Märchenbüchern stär-ker einer gewissen Tradition verpflichtet sind, stehen in Filmen wie «Zeitder Wölfe» von 1984 das Psychologische und Horrorelemente und bei«Shrek» aus dem Jahre 2001 vor allem die Ironie im Vordergrund. Wo-mit man nicht zuletzt jugendliche, aber auch erwachsene Rezipientenansprechen möchte.

Wie sehr orientierte sich ein Märchenfilm wie Disneys «Schnee-wittchen» aus dem Jahre 1937 denn am Original der GebrüderGrimm?Heute weiss man, dass die Gebrüder Grimm viele Stoffe übernommenund weiter bearbeitet haben. Von Original zu sprechen, ist da schwie-rig. «Schneewittchen und die sieben Zwerge» von Disney war einer derersten abendfüllenden Animationsfilme und sehr erfolgreich. Die in derVorlage namenlosen Zwerge wurden dabei zu den heimlichen Haupt-darstellern. Um den Stoff interessanter zu gestalten, wurde dieser er-heblich verändert. Denn Märchencharaktere sind häufig stereotyp unddie Geschichten voller Leerstellen. Und um diese aufzufüllen, musste je-des Kind seine eigenen Bilder entwickeln. Hardliner behaupten, jedeMärchenverfilmung sei schlecht, weil fertige Bilder vorgesetzt werden.

Die Gebrüder Grimm entsexualisierten die Märchen und schältendie Ideale des Biedermeiers wie Fleiss oder Demut heraus. Ist esverwegen zu behaupten, die heutige Psychologisierung und Ironisierung von Märchenfilmen sei eine Art Rückkehr zu denQuellen?Überhaupt nicht. Tatsache ist, dass die ursprünglich häufig zotigen Mär-chen entschärft wurden. Nur in einer frühen Fassung von Rapunzel be-kommt diese, nachdem sie ihr Haar heruntergelassen und sich mit demPrinzen vergnügt hat, bald ein Kind. Man kann also durchaus sagen,dass der heutige Märchenfilm ein bisschen zu den Ursprüngen zurück-führt, indem er mit Ironie oder psychoanalytischer Vertiefung auch wie-der ein erwachsenes Publikum anspricht.

Die Marxisten sahen in Märchen Kritik an den herrschenden Zu-ständen, die Anthroposophen so etwas wie den Zugang zur gei-stigen Welt. Was sieht Hollywood denn in den Märchen?Ein Abbild der eigenen Funktion. Wie das Märchen aktualisiert der Filmdie Archetypen immer wieder aufs Neue und ist Zugang zu unsererTraumwelt. Nicht von ungefähr wird Hollywood ja auch als Traumfabrikbezeichnet.

Unterscheidet sich der europäische Märchenfilm heute über-haupt noch vom US-amerikanischen?Wer die breite Masse ansprechen will, verlässt sich auf populäre Me-chanismen. Mit anderen Worten: Auch im Märchenfilm hat eine gewis-se Globalisierung stattgefunden. Wer sich diesem Diktat widersetzt,muss damit rechnen, dass der Erfolg ausbleibt. Terry Gilliams «BrothersGrimm» von 2005 versuchte sich über amerikanische Sehgewohnheitenhinwegzusetzen und wurde zum Flop.

In letzter Zeit wird in den Medien verkündet, das Zeitalter der Iro-nie sei vorüber und eine neue Ernsthaftigkeit komme auf. SehenSie beim Märchenfilm irgendwelche Anzeichen für diese These?Schon. Aber ich sehe auch weiterhin Anzeichen für das Ironische. Dassbeide Strömungen existieren, lässt sich anhand von zwei Verfilmungendesselben Stoffes aus dem vergangenen Jahr illustrieren. Während«Schneewittchen und der Jäger» eine gewisse Ernsthaftigkeit an den Taglegte, zeigte sich «Spieglein, Spieglein» ironisch. Und: Beide Filme ha-ben funktioniert.

Wie wichtig ist eigentlich das Happy End im Märchenfilm?Wir sind ja postmodern – da ist die Katharsis wichtiger als ein verloge-nes Happy End. ■

«Für Kinder ungeeignet? Tendenzen des modernen Märchenfilms» – ein Vortrag von

Prof. Dr. Matthias Hurst, Berlin. Do, 30. Mai, 18.30 Uhr, Schweizerisches Institut für

Kinder- und Jugendmedien, Georgengasse 6, Zürich.

Der Vortrag findet im Rahmen der Ausstellung «So leben sie noch heute – 200 Jahre

Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm» statt: Museum Strauhof, Zürich, noch

bis So, 9. Juni. www.strauhof.ch

Archetypen aus der Traumfabrik: Prinzessin Fiona und Shrek.

Auch der Märchenfilm ist nicht mehr der alte. Längst haben auch hier Ironie und Psychologisierung Einzug ge-halten. So sehr, dass der Berliner Filmwissenschaftler Matthias Hurst im Jubiläumsjahr der Gebrüder Grimmdie Frage aufwirft, ob der moderne Märchenfilm überhaupt noch für Kinder geeignet ist.

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Kultur

BuchFlügge werden

«Wie die Vögel» erzählt in leuchtenden Bildern von der wunder -samen Begegnung eines Mannes und eines Vogels. Einer Begeg-nung mit Folgen.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Ein roter Lieferwagen fährt durch eine Landschaft, weit, leer und gelbwie eine Wüste. An einem Abhang hält der Wagen, ein Mann steigt aus,öffnet die Tür zum Laderaum – und ganz unerwartet schwingt sich einVogel nach dem anderen aus dem Wageninneren, eine vielgestaltigebunte Schar, die davonfliegt, in den weiten, leeren blauen Himmel. Zufrieden blickt der Mann den Vögeln hinterher. Doch als er den Wagenschliessen will, entdeckt er im Dunkel der Ladefläche zwei Augenlich-ter. Ein letzter, kleiner schwarzer Vogel ist zurückgeblieben. Verdutztschauen sie einander an. Bald zeigt es sich, dass der Kleine nicht fliegenkann. Nachdenklich teilt der Mann sein Brötchen mit dem Nestling undtut dann sein Möglichstes, um dem Vogel das Fliegen beizubringen.Dass er selber dabei auf der Nase landet, scheint nicht von Bedeutungzu sein. Und tatsächlich: Der Vogel lernt die Lektion und fliegt davon.Und während er die bunte Vogelschar einholt, kehrt der Mann durch dieweite Landschaft heim.Doch das ist nur die halbe Geschichte. Wie es aber weitergeht, und wieschliesslich auch der Mann im wahrsten Sinne des Wortes flügge wird,sei hier nicht verraten. Durch diese schöne Welt der Träume, die wirk-lich werden, blättert man sich am besten selber.Die wenigen Zeilen, die diesen Bildern vorangehen, hat Germano Zullogeschrieben. Davon, dass kleine Dinge dazu da sind, entdeckt zu wer-den wie ein Schatz. Dass sie imstande sind, aus ganz gewöhnlichen Ta-gen etwas Besonderes zu machen. Dass kleine Dinge die Welt verändernkönnen.Diese Gedanken hat die Schweizer Illustratorin Albertine in schlichte,leuchtende Bilder umgesetzt, mit einer Geschichte, die viel erzählt,aber so, dass noch viel Raum für Fragen und Neugier bleibt. Für ihreKunst wurde sie nun für den Hans-Christian-Andersen-Preis 2014 no-miniert, der als der heimliche Literaturnobelpreis für Kinder- und Ju-gendliteratur gilt. Bisherige Schweizer Preisträger waren Alois Carigiet(1966), Jörg Müller (1994) und Jürg Schubiger (2008).Germano Zullo (Text), Albertine (Illustrationen): Wie die Vögel.

Aladin Verlag 2012. 18.90 CHF.

An einem ganz gewöhnlichen, besonderen Tag.

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KinoGlitzernder Tränenfilm

Taschentuchalarm! Und das ist gut so. Der diesjährige Gewinnerdes Publikumspreises der Berlinale hat keine falsche Scheu vorgrossen Gefühlen.

VON YVONNE KUNZ

Sie hat einen Tattoo-Shop in einer belgischen Kleinstadt, er ein verfalle-nes Landhaus. Es ist Liebe und Leidenschaft so ungezähmt wie ein Mus -tang im wilden Galopp durch die Appalachen: Elise und Didier siegenselbst dann über die Konventionen, wenn sie heiraten. Als Brautschleierdient ein Vorhang, als Altar ein abgegriffener Pool-Tisch, und die Ban-jo-Band des Bräutigams gibt das Trauzeugenensemble aus bleichenPunk-Hillbillies so authentisch, dass man sie zu riechen meint. Der Gi-tarrist amtet als Reverend, stilvoll im Ausdruck, sonor in der Stimme, ervermählt die beiden «in sickness», Hustenanfall, «and health», und bisder Tod euch scheidet. Und das tut er hier gleich zweimal. Bald eröffnet Elise Didier, sie sei im dritten Monat schwanger. Es wirdein Mädchen, es heisst Maybelle, und für eine Weile ist das Glück aufunperfekte Weise perfekt. Fahrtwind auf der Pneuschaukel, glücklicheGesichter im Schein des Nachtfeuers und bittersüss leidende Bluegrass-Lieder. Selbst als Maybelle an Leukämie erkrankt, geht das Leben vollehrlicher Menschlichkeit weiter. Als die Kleine das Spital verlässt undnach Hause kommt, interpretiert Papas Band als Willkommensständchenetwas aus dem Disney-Repertoire. Die Message: «Hey, auch wenn’sscheisse ist, ist’s gut.» Ist es auch. Bis Maybelle stirbt. Auf einen Schlag ist nichts mehr, wie es war – oder genau, wie es im-mer war, nur tritt jetzt eine weitere Realität aus dem Schatten des Glan-zes des Glücks. Freak oder nicht, jetzt wird abgerechnet. Wer hat mehrgeputzt, mehr gekocht, weniger gesoffen, weniger geraucht? Wer trau-ert besser, wer glaubt das Richtige, wer hat recht?Die nicht chronologische Erzählung ist gescheit und komplex umge-setzt, und selten schien der Umgang mit Rhythmus und Rhythmus-wechseln so virtuos, so symphonisch. Die Cleverness ist das eine, dasandere ist die fehlende Scheu vor grossen Gefühlen. Und wie besser las-sen sich diese transportieren als mit Musik? Nebenher ist der Film aucheine Ode an den Bluegrass, «the real country music». Die Darsteller sin-gen und spielen selbstkomponierte Lieder, aber nicht sich selbst. BeimSingen haben sie stets einen glitzernden Tränenfilm über den Pupillen.Wie schätzungsweise 80 Prozent der Leute im Saal auch.Felix van Groeningen: «The Broken Circle», Belgien 2012, 112 Min.

Mit Johan Heldenbergh, Veerle Baetens, Nell Cattrysse u.a.

Der Film läuft ab 23. Mai in den Deutschschweizer Kinos.

Elise: Liebe und Leidenschaft, so ungezähmt wie ein Mustang im wilden Galopp.

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KunstWas wirklich wichtig ist

Was hat mich zu dem Menschen geformt, der ich heute bin? EinLangzeitprojekt des Künstlers Mats Staub zeigt und sammelt Mei-lensteine und Zäsuren in anderer Leute Leben.

VON MONIKA BETTSCHEN

«August 1961: Ich sehe mit fünf Jahren in Holland zum ersten Mal dasMeer» oder «Dezember 2009: Meine Firma steht vor dem Konkurs undich vor einem Schuldenberg». Es ist nicht schwierig, sich in den an Le-bensläufe erinnernden Biografien zu verlieren, die seit Anfang Jahrbeim Künstler Mats Staub eintreffen. Bereits an die 200 Menschen sindseinem Aufruf gefolgt, zehn wichtigste Ereignisse ihres Lebens onlineaufzulisten – Staub spricht absichtlich nicht von «den zehn wichtigstenEreignissen», um nicht einen Eindruck von Vollständigkeit schaffen. Esscheint, als habe er in einem Alltag, in dem jede Werbebotschaft denAnspruch erhebt, die wichtigste zu sein, einen Nerv der Zeit getroffen.«Man zeigt sich, muss sich aber nicht im besten Licht präsentieren, wieetwa in einem Facebook-Profil», so Staub, der die Listen mit seinemTeam behutsam redigiert. Die Rückblenden sind in einer einfachen, au-thentischen Sprache gehalten. Die Teilnehmenden scheinen das Prinzip,dass es hier eben nicht um Best-of-Momente, sondern um einschnei-dende Erlebnisse und Zäsuren geht, verstanden zu haben. Sie erzählenvom Bangen am Scheideweg, von Vorfreude, von Ahnungen. «Ich binüberrascht und beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit derTeilnehmenden. Ich befürchtete anfangs, dass die Beschreibungen eherschwammig ausfallen, doch das Gegenteil ist der Fall», freut sich MatsStaub. Zwischen den Ereignissen können Monate, manchmal auch Jahre lie-gen. Es ist reizvoll, die Zwischenzeiten mit der eigenen Fantasie zu fül-len. Wenn da zu lesen ist: «August 2012: Das ist es also, wenn die Seelenicht mehr da ist, denke ich beim Anblick meines aufgebahrten Vaters»oder «September 2012: Er will Kinder, ich will keine. Es ist aus», kommtman nicht umhin, sich Szenarien auszumalen, die zu einem solchenSatz geführt haben, oder auch den eigenen Lebensentwurf zu reflektie-ren. Das Projekt «Zehn wichtigste Ereignisse meines Lebens» lädt nochdas ganze Jahr dazu ein, eine eigene Liste hinzuzufügen. Die web-ba-sierte Sammlung wird ergänzt durch eine Kunstaktion, die an wichtigenOrten des freien Theaters stattfindet.Anschauen oder mitmachen unter:

www.zehn-wichtigste-ereignisse-meines-lebens.net

Termine Kunstaktion: Festival «Aua wir leben», Bern, noch bis So, 5. Mai.

Ab September im Theater Tuchlaube, Aarau, und ab Oktober im TheaterChur.

Stochert im Leben der anderen: Mats Staub.

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Surprise, 4051 Basel

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Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag.

Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

Coop Genossenschaft, Basel

Cilag AG, Schaffhausen

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

Novartis International AG, Basel

Solvias AG, Basel

Ernst Schweizer AG, Metallbau, Hedingen

confidas Treuhand AG, Zürich

ratatat – freies Kreativteam, Zürich

G.A.T.E.S., Hôteliers & Restaurateurs SA, Basel

Claude Schluep & Patrick Degen, Rechts -

anwälte, Bern

homegate AG, Adliswil

Sprenger & Partner Bauingenieure SIA USIC,

Arlesheim

Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

IBP – Institut für Integrative Körperpsycho -

therapie, Winterthur

Knackeboul Entertainment

Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Girod Gründisch & Partner, Visuelle Kommu -

nika tion, Baden

Paul & Peter Fritz AG, Literary Agency, Zürich

TYDAC AG, Web-Mapping-Software, Bern

Kaiser Software GmbH, Bern

Balcart AG, Carton, Ideen, Lösungen, Therwil

Lions Club Zürich-Seefeld

Klimaneutrale Druckerei Hürzeler AG,

Regensdorf

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Ausgehtipps

BaselHintersinnig

Der Schweizer Cartoonist Jules Stauber(1920–2008) war ein grosser Meister der klein-formatigen Metaphern: Ob Philosophie, Ge-sellschaft, Arbeit oder Beziehungen – so grosswie die Vielfalt seiner Themen ist die fastschon wissenschaftliche Akribie, mit der erdiese in unzähligen Variationen untersuchthat. Die Ausstellung «Zeichnen hilft» präsen-tiert den Zeichner mit den europäischen Zeit-genossen Bosc, Chaval, Flora und Sempé sowieKünstlern der Satirezeitschrift Nebelspalter.Allen gemeinsam sind die Merkmale des heu-te als klassisch angesehenen Cartoons: ein re-duzierter, stilisierter Strich, zurückhaltend mitder Tuschfeder gesetzte Linien, der Verzichtauf Farben und Effekte – und der feine, hinter-sinnige Humor. (mek)«Zeichnen hilft. Cartoons von Jules Stauber», noch bis

So, 26. Mai zu sehen im Cartoonmuseum Basel.

www.cartoonmuseum.ch

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Machen alles andere als Begräbnismusik: The Heavy.

BernIn die HüftenEigentlich erstaunlich, dass The Heavy hierzu-lande noch immer in Klubs auftreten. Daheimin England spielt das Quartett heuer bei den re-nommierten Festivals Glastonbury und T inthe Park, und auch in den USA läuft die Kar-riere prächtig. Dafür verantwortlich ist nichtzuletzt ein legendärer Auftritt in David Letter-mans «Late Show», bei dem der Moderatorspontan eine Zugabe forderte. «How You LikeMe Now» heisst dieses Stück, das die Bandauch für eine Bierwerbung freigab. Dafür liesssie sich offenbar ordentlich bezahlen, denn fürdas aktuelle Album «The Glorious Dead» leis -tete man sich einen Chor, sodass der Stilmixaus Psychedelik, Punk, Funk, R&B und Rockweniger nach Garage und mehr nach Gospelklingt. Da und dort mussten sich The HeavyAusverkaufsvorwürfe anhören, doch wer dasKonzert auslässt, schneidet sich ins eigeneOhr. Denn eine Livetruppe, die derart in dieHüften fährt wie die Band um Kelvin Swaby,den Charmebolzen mit der grossen Soulstim-me, gibt es selten zu erleben. (ash)So, 12. Mai, 20 Uhr, Dachstock, Bern.

So klein mit Hut – Jules Stauber zum Dauerbrenner

Beziehungen.

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ZürichSägendes Gruseln

Das Cover von Christine Owmans aktuellemAlbum «Little Beast» zeigt eine Frauenhand imNetzhandschuh, die an eine Säge fasst, alswärs eine Gitarre. Das passt nicht nur, weil diesingende Säge tatsächlich zu den Instrumen-ten gehört, derer sich die schwedische Song-writerin bedient. Es steht auch für Pole, zwi-schen denen sie sich bewegt: hier die eleganteBetörung, da die gefährlichen Zacken. «LittleBeast» erschien Anfang dieses Jahres bei Glit-terhouse. Die Labelwahl macht insofern Sinn,als Owmans Musik im Folk wurzelt. Trotzdemist sie weit weg von tendenziell traditionalis -tisch musizierenden Labelkollegen wie denWalkabouts. Selbst in ihren eingängigsten Lie-dern bleibt Christine Owman rätselhaft bis un-heimlich, und manchmal können einen die Ar-rangements aus Säge, Cello und verfremdetemGesang ganz schön gruseln. Live projiziertOwman, die auch Theatermusik verfasst, gernVideoprojektionen an die Rückwand der Büh-ne, um dann vor obskurem Bildmaterial head-bangend die Säge zu schwingen. Seltsam undselten schön. (ash)Mo, 6. Mai, 20.20 Uhr, El Lokal, Zürich.

Elegant und gefährlich: Christine Owman.

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Im ComicladenGratisheldenDas Roxy in Basel ist tot, schon seit Jahren, aufgefressen von Media-markt und Internet, es ruhe in Frieden. Auch Chop Records in Bern hät-te es fast erwischt. Es überlebte, vertrieben von seiner zentralen Lageam Waisenhausplatz, indem es sich in einem kleinen Kellerlokal ver-steckt. Umso tröstlicher, dass die Comic-Shops das grosse Fressen vonThalia und Amazon bis jetzt offenbar fast unbeschadet überstanden ha-ben! Denn auch sie bieten noch ein wahrhaftiges «Einkaufserlebnis»fern jeglicher Shopping-Mall-Atmosphäre. Es sind Institutionen von Freaks für Freaks – und solche, die mal einen Blick in die bunte, viel-fältige Welt der gezeichneten Geschichten riskieren wollen. Kompeten-te Begleitung ist dabei garantiert, ob im Comix Shop in Basel, im Dra-cheNäscht in Bern oder im Analph in Zürich. Besonders lohnt sich diesam 11. Mai, dann ist im ganzen deutschsprachigen Raum Gratiscomic-tag. Das heisst: Wer einen Comicladen besucht, darf Hefte mitnehmen,eigens zur Verfügung gestellt von verschiedenen Verlagen, von Mangasüber Superhelden zu Disney und den Simpsons, gratis und franko, ge-schenkt, einfach so. Gibt es das im Internet und dort, wo sich die Kon-zern-CEOs «Geiz ist geil» als Motto auf die Fahnen geschrieben haben?Eben. (fer)Gratiscomictag, Sa, 11. Mai, in Comicshops in der ganzen Deutschschweiz,

Deutschland und Österreich, siehe www.gratiscomictag.de.

Waschechte Mongolen: Das Theaterkollektiv Monster Truck zeigt «Dschingis Khan».

Das haut die stärkste Schnecke um: Comics, geschenkt.

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ZürichNur nicht perfektOKKUPATION! So nennt sich das Zürcher Theaterfestival, an dem be-hinderte wie nicht behinderte Theaterschaffende seit vier Jahren ihreArbeiten zeigen, die eines sicher immer können: ungewohnte Blicke aufdie Welt werfen. Die aktuelle Ausgabe widmet sich «dem zum Glück im-mer noch imperfekten Menschen». Zu sehen gibt es Tanz, Theater, Per-formance und vieles mehr in der Roten Fabrik, der Gessnerallee und imSchauspielhaus Schiffbau. (dif)«OKKUPATION!», Internationales Theaterfestival, Mi, 22. Mai bis Sa, 1. Juni.

www.hora-okkupation.ch

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AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

«Ich bin im Norden von Äthiopien in der Region Tigray geboren undaufgewachsen. Als Kaiser Haile Selassie 1974 gestürzt wurde, war ich 16Jahre alt. Meine Freunde und ich diskutierten damals sehr viel über po-litische Systeme und waren der Meinung, Sozialismus sei die beste Formvon Demokratie. In dieser Zeit habe ich übrigens auch ein Buch über dieSchweiz und ihre Staatsform gelesen; ich wusste deshalb schon ziem-lich viel über dieses Land, als ich 2007 hier ankam.

Äthiopien entwickelte sich nach dem Umsturz unter dem Einfluss derSowjetunion leider zu einer Militärdiktatur. So kam es, dass ich nach einpaar Jahren als Lehrer für Biologie und Geschichte und später als Schul-leiter von der Partei ‹ausgewählt› wurde, um einen Chefposten in derideologischen Abteilung zu übernehmen. Hätte ich diese Arbeit abge-lehnt, wäre ich ziemlich sicher ins Gefängnis gekommen: Ist man nichtfür die Partei, ist man gegen sie. Ich machte also meinen Job und ver-suchte dabei, das Bestmögliche für die Menschen zu tun.

Während ich im Parteibüro arbeitete, bereiteten verschiedene Grup-pen im Untergrund den Kampf gegen die Militärdiktatur vor. Ich wusstedavon und hätte die Seite wechseln können, aber ich fürchtete mich vordem Gefängnis. Als der Aufstand und die Absetzung der Regierung 1991schliesslich gelangen, kam ich trotzdem ins Gefängnis – die neue Re-gierung liess Parteifunktionäre wie mich verhaften. Zu meinem grossenGlück waren die Verhältnisse in den Gefängnissen kurz nach der Revo-lution ziemlich chaotisch, deshalb konnte ich fliehen. Um mich in Si-cherheit zu bringen, gab es nur eine Möglichkeit: Ich musste das Landverlassen.

Nach 13 Tagen Fussmarsch gelangte ich nach Khartoum, der Haupt-stadt des Sudan. Meine Frau und unseren Sohn – sowie zwei Söhne ausfrüheren Beziehungen – liess ich zurück. Ich fing neu an und eröffneteeinen Barbershop, einen Coiffeursalon für Männer; dazu betrieb ich ei-ne Art Telefon- und Internetcenter. Ein Jahr nach meiner Ankunft folg-ten mir meine Frau und der kleine Sohn. Wir lebten insgesamt zehn Jah-re in Khartoum, dann hielten wir es nicht mehr aus – Geld kann mandort zwar verdienen, aber in Frieden leben ist nicht möglich. Als nicht-muslimischer Migrant hat man doppelten Ärger: Viele Kunden kamennie mehr, nachdem sie wussten, dass ich Christ bin. Zudem galten füruns Ausländer nicht die gleichen Regeln und Gesetze wie für Sudane-sen. 2003 verliessen meine Frau und ich mit mittlerweile drei KindernKhartoum, mit dem Ziel, nach Europa zu gehen.

Unsere weitere Reise führte uns durch die Sahara nach Libyen. Vondort aus wollte ich alleine weitergehen, weil wir unsere Kinder nicht inGefahr bringen wollten. Doch das war nicht einfach: Drei Mal haben wirden Schleppern Geld gegeben für einen Platz auf einem Schiff, drei Malsind sie mit dem Geld verschwunden. Schliesslich blieb ich drei Jahre inLibyen. Um die Familie zu ernähren, habe ich als Tigrinya-Lehrer fürFlüchtlingskinder gearbeitet. Beim vierten Mal hat die Überfahrt ge-klappt, und ich bin heil in Italien angekommen. Nicht zuletzt das Buch,das ich 30 Jahre zuvor gelesen hatte, bewegte mich zur Weiterreise in

Verkäuferporträt«Ich fürchtete mich vor dem Gefängnis»

die Schweiz, wo ich im April vor genau sechs Jahren angekommen bin.Meine Frau sollte eigentlich mit den vier Kindern – unsere dritte

Tochter kam in Libyen zur Welt – warten, bis ich sie als Familie in dieSchweiz holen durfte. Doch eines Tages, Anfang 2009, rief sie mich anund sagte: ‹Ich bin in Genf›. Sie hatte einen günstigen Moment ausge-nutzt und war mit anderen Leuten übers Mittelmeer gefahren. Ich binso dankbar, dass wir jetzt alle zusammen in Frieden im luzernischenRuswil leben können. Die Mädchen gehen in die Schule, der Jungemacht eine Lehre als Autolackierer. Sie haben hier Freunde und möch-ten nie mehr weg.

Mit dem Verkauf von Surprise habe ich angefangen, weil ich bis jetztkeine andere Arbeit gefunden habe. In meinem Alter ist das schwierig,und um als Lehrer oder Coiffeur zu arbeiten, braucht es eine Ausbil-dung, die hier anerkannt ist. Durch den Heftverkauf kann ich nun we-nigstens einen kleinen Teil zu unserem Lebensunterhalt beitragen, undam Abend bin ich müde und habe das zufriedene Gefühl, gearbeitet zuhaben, wie andere Menschen auch.» ■

Der Surprise-Verkäufer im Bahnhof Luzern heisst Hadush Abayu (54). In Äthiopien gehörte er einst zur Elite.Doch dann geriet er zwischen die politischen Fronten und musste seine Heimat verlassen. Heute wohnt ermit seiner Familie im Luzerner Hinterland.

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1 Jahr: 6000 Franken 1/2 Jahr: 3000 Franken 1/4 Jahr: 1500 Franken 1 Monat: 500 Franken

Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Andreas AmmannBern

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Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hat-ten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt habenund ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkaufdes Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation.Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neueSelbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialpro-gramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausge-wählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufen-den erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, U-Abonnement) und werden beiProblemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft lei-sten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Ver-dienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

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Anja UehlingerAargau

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Impressum

HerausgeberVerein Surprise, Postfach, 4003 Baselwww.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9–12 Uhr, Mo–DoT +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected]äftsführungPaola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) AnzeigenverkaufT +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 [email protected] T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei (Nummernverant wort liche), Mena [email protected]ändige MitarbeitAmir Ali, Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel,Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher ZimmerMitarbeitende dieser AusgabeMonika Bettschen, Davide Caenaro, Michèle Faller, Michael Gasser, Lucian Hunziker, Olivier Joliat, Yvonne Kunz, Stefan Michel, Isabel Mosimann, Karin Scheidegger, Franziska ZauggGestaltung WOMM Werbeagentur AG, BaselDruck AVD GoldachAuflage15000, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./JahrMarketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Christian von Allmen

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, [email protected]üro ZürichT +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, [email protected]üro BernT +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, [email protected] T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99Paloma Selma, [email protected] T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller [email protected], www.strassensport.chVereinspräsident Peter Aebersold

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Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozialeInstitution. Die Geschäfte werden vom VereinSurprise geführt. Surprise ist führendes Mit-glied des Internationalen Netzwerkes derStras sen zeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow,Schottland. Derzeit gehören dem Verband über100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Strassenfussball-Liga Fulminanter AuftaktSchön ist es, zum Saisonstart vertraute Gesichter zu sehen. Nochmehr freut es, wenn zudem viele neue Spieler zu begrüssen sind!Gleich vier neue Teams bereichern die Strassenfussball-Liga in der«15 Jahre Verein Surprise»-Saison. Die Mannschaften von CSA- Teamplayers und Team Dreispitz mussten am Auftaktturnier in derSporthalle Bäumlihof in Basel zwar noch Lehrgeld zahlen, meintenaber, sie wollten unbedingt wieder kommen. Mit den AFG Boys Basel im A sowie dem amtierenden Schweizermeister Street DogsLiestal im B gewannen die jeweiligen Topfavoriten ihre Kategorie.Überflieger waren jedoch die Barracuda-Spieler, welche im B nichtnur den 2. Platz holten, sondern auch gleich noch die Fairplay- Trophäe!Die vielen zufriedenen Gesichter, die zum Saisonstart zu sehen wa-ren, hatten viel mit dem Einsatz der 14 Teams am Benefizturnier amAbend vorher zu tun: Dank deren Einsatz floss nicht nur Schweissin die Trikots, sondern auch Geld in die Kassen von Surprise Stras-sensport. Allen Beteiligten inklusive freiwilligen Helfern und Spon-soren sei Dank: Die Jubiläumssaison ist erfolgreich gestartet! (ojo) Strassenchor

«Atme durch deine Beine!»Körperarbeit gehört zum Einstieg in jede Chorprobe, doch für ein-mal bekam sie besonderes Gewicht: Mitte April kam unser Chor inden Genuss einer Stimmwerkstatt mit der Sängerin und Körperthe-rapeutin Susanne Moldovanyi. Die neun Frauen und sechs Männermachten dabei ganz neue Erfahrungen, etwa als sie dazu aufgefor-dert wurden, durch ihre Beine zu atmen. Für viele der Chormitglie-der war die bewusste Körperwahrnehmung eine neue und berei-chernde Erfahrung, da nicht alle ein gutes Verhältnis zu ihrem Kör-per haben. Susanne Moldovanyi brachte bei der Einzelarbeit imKreis jede einzelne Stimme zum Klingen und zeigte mit gezieltenÜbungen, wie man sie verbessert. Und sie zeigte auf, was alles mitder Stimme möglich ist, wenn man sich öffnet. Der Erfolg stelltesich sofort ein: Das Lied «Dame un beso» tönte zum Abschlussschon deutlich besser als noch zum Einstieg. (pas)

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