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Nr. 236 | 22. Oktober bis 4. November 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass. Allgegenwärtige Diskriminierung – warum in uns allen ein Rassist steckt Rituale: Neue Formen für alte Bedürfnisse So wie damals Im Bann der 40er-Jahre

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Surprise Strassenmagazin 236/10

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Nr. 236 | 22. Oktober bis 4. November 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Rituale: Neue Formen für alte Bedürfnisse

So wie damalsIm Bann der 40er-Jahre

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Macht stark.

www.strassenmagazin.ch ❘ www.strassensport.ch ❘ Spendenkonto PC 12-551455-3Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99

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Titelbild: Esther Michel

Inhalt04 Editorial

Eingeschliffenes04 Leserbriefe

Auf eigenen Bahnen05 Basteln für eine bessere Welt

Solarwärme für die Finger06 Aufgelesen

Tödliche Sünden06 Zugerichtet

Ungeschliffen07 Mit scharf!

Diskriminierung per Stimmzettel07 Erwin

… und das Ritual08 Porträt

Furchtlos hinter der Kamera19 Rituale

Jenseits des Profanen22 Le mot noir

Auf Wohnungssuche23 Kino

Hollywood ruft Carlos Leal24 Kulturtipps

Gelöste Bremsen26 Ausgehtipps

Eine Frau, die alle kennen28 Verkäuferporträt

«Ich wollte einfach nur frei sein»29 Projekt Surplus

Chance für alle!Starverkäufer

30 In eigener SacheImpressumINSP

Bettler, Behinderte, Ausländer oder Schwule: DieListe der Menschengruppen, die in ihrem AlltagDiskriminierungen ausgesetzt sind, liesse sichnoch weiter verlängern. Der Jurist Tarek Naguibuntersucht die rechtlichen Aspekte von Diskrimi-nierungen. Bei seiner Arbeit wälzt er aber nichtnur Gesetzbücher, sondern blickt auch tief in dieVolksseele hinein. Ein Gespräch über Ängste unddie Wirkung von Gesetzen.

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Ihre Einstiegsdroge ist oft die Musik, doch dannkommen sie nicht mehr los vom Lebensgefühl derDreissiger- und Vierzigerjahre. In der Schweiz le-ben heute ungefähr drei Dutzend Menschen dasLeben wie vor 70 Jahren. Komfortable Erfindungenwie Fertiggerichte oder Klimaanlagen haben darinkeinen Platz, Werte wie Bescheidenheit und Soli-darität hingegen schon.

14 SargkunstMargeriten für die letzte ReiseDer Tod muss nicht nur dunkel sein. Die buntbemalten Särge von Alice Hofer können demVerlust eines geliebten Menschen etwas vonder Schwere nehmen. In ihrem Atelier im BernerOberland finden Angehörige Trost und mancheiner schon lange vor seinem Ableben das Mö-bel für die letzte Ruhestätte.

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10 LebensstilFlucht nach hinten

16 Diskriminierung«Angst ist nur eine mögliche Ursache»

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Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20,

Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt,

die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

EditorialEingeschliffenes

Was ist es bei Ihnen? Das Gutenacht-Gebet,die Zigi auf dem Balkon oder die fünf Tibetervor der Morgendusche? Mehr oder wenigerunbewusst bauen wir Rituale in unseren All-tag ein. Sie helfen dabei, in den Tag zu starten,am Abend von der Hektik des Tages runterzu-kommen, oder markieren einfach den Beginneiner Sache, die uns wichtig ist, zum Beispieleine Mahlzeit. Von jeher werden auch wichti-ge Lebensabschnitte – Geburt, Volljährigkeit,Heirat, Tod – mit Ritualen begangen. Oft ste-hen sehr alte oder religiöse Traditionen dahin-ter, die für manche Zeitgenossen nicht mehrvertretbar sind. Deshalb suchen sie immer öf-ter nach Alternativen. Reto Aschwanden überdie Wandlung von Ritualen ab Seite 19. Stirbt ein lieber Mensch, gibt das Beerdigungs-ritual Betroffenen Halt in der Trauerzeit, in derso vieles verloren scheint. Aber muss dabeiimmer alles schwarz und dunkel sein? Nein,findet Alice Hofer und gestaltet farbige Särge.Unsere Autorin Isabel Mosimann hat sie in ih-rem Atelier besucht. Lesen Sie ab Seite 14.Eingeschliffen wie manches Ritual ist auch so manches Vorurteil, und wir diskriminierenMenschen manchmal, ohne dass wir es mer-ken. Tarek Naguib schaut jedoch ganz genauhin und untersucht die Auswirkungen vonDiskriminierungen auf die rechtlichen Aspek-te unserer Gesellschaft. Lesen Sie das Inter-view, das Amir Ali mit dem Juristen führte, abSeite 16.Menschen, die nicht regelkonform leben, se-hen sich auch immer wieder mit Vorurteilenkonfrontiert. Markus Föhn untersucht ab Sei-te 10, wie Anhänger der 40er-Jahre in der heu-tigen Zeit leben. Machen Sie sich selber einBild davon, ob die Personen aus dem Text tat-sächlich so rückwärtsgewandt sind, wie ihnenvon Otto-Normalbürgern oft unterstellt wird.

Wir wünschen eine gute Lektüre, herzlich

Julia Konstantinidis

Nr. 234: «Ausnahmetalente – Künstler miteiner Behinderung etablieren sich»

Schrullig-schönIm Artikel «Begabt und behindert» wurde diewunderbare Hora-Band nicht erwähnt. Dabeivertont und verdichtet sie schon seit sechs Jah-ren schön schrullige Eigenkompositionen. Undihr Debütalbum «So schön wie nie» durchstö-bert musikalisch wie textlich ihre ganz eigenen(Sternen-)Bahnen.Jürg Ambühl, Zürich

Nr. 233: «Die Fremdmacher»

VolksgeistDer Artikel «Die Fremdmacher» über die Gren-zen der Fremdenfeindlichkeit hat mich absolutempört. Der Artikel ist voll von Halbwahrhei-ten und Arroganz. Ich gehe davon aus, dass essich beim Journalisten um einen Berufsmannhandelt, der weder die Kriegszeiten und derenVolksgeist persönlich erlebt hat, noch mit Zeit-zeugen sich intensiv auseinander gesetzt hat.Bergier kann noch so viel zitiert werden – sei-ne zahlreichen Fehlaussagen werden dadurchnicht stimmiger. Weiter zieht der Journalist ge-dankenlos über die SVP und Blocher her, ohneaber auf die echten Probleme der Schweiz hin-zuweisen.Otto Gerber, Wädenswil

Leserbriefe«Der Artikel über die Asylpolitik ist voll vonHalbwahrheiten und Arroganz.»

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JULIA KONSTANTINIDIS,

REDAKTORIN

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Basteln für eine bessere WeltDie Temperaturen sind schon wieder empfindlich kühl. Die Zeit der klammen Finger hat uns eingeholt. Doch vergessen Sie Handschu-he als Wärmespender, wir wissen etwas Besseres: An jeden Finger einen Fingerwärmer und ab in die Herbstsonne. So originell habenSie noch nie für warme Hände gesorgt.

Zeichnen Sie die Form auf Aluminiumfolie und

schneiden Sie sie aus.

Kleben Sie die Form mit Klebeband

zu einem Trichter zusammen.

Stülpen Sie die Trichter

über Ihre Finger.

Die Sonnenstrahlen werden von der silbernen Fläche

reflektiert und auf den Finger «geworfen».

Ihre Finger erhalten eine Zusatzportion Wärme.

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AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Kopftuch, Turban und PerückeNürnberg. Die Soziologin Meral Akkent (61)hat bereits vor 20 Jahren zum Thema Kopf-tuch und Burka geforscht. Heute sagt sie: «Inden 1970er-Jahren galt das Kopftuch alsSymbol der Rückständigkeit. Seit dem 11.September wird das Kopftuch gerne als Vor-bote «islamistischen Terrors» gesehen. Undes wurde zum Symbol für die Unterdrückungder Frau. Allerdings fordert niemand, manmüsse die afrikanischen Frauen von ihremTurban oder jüdische Frauen von ihrer Pe-rücke befreien.»

Todsünden

Kiel. Ein kürzlich veröffentlichter «Atlas der7 Todsünden» zeigt: Besonders geizig sinddie Hamburger, denn in der Hansestadt istdie Einkommensschere am grössten. Mün-chen ist mit 29 Schönheitschirurgen auf eineMillion Einwohner unbestritten die Metro -pole des Hochmuts. Sündenhauptstadt desZorns ist Berlin mit fast 13000 Körperverlet-zungen pro Million Einwohner und Jahr. UndNeid ist in Bremen am weitesten verbreitet:5300 Einbrüche werden dort pro Jahr auf ei-ne Million Einwohner registriert.

Verdeckte Obdachlosigkeit

Hamburg. Obdachlosigkeit bei Frauen ist oft unsichtbar. Die Betroffenen kommen beiFreunden und Bekannten unter – oder imBett irgendeines Mannes. So müssen sie zwarnicht auf der Strasse schlafen, leben aber inständiger Abhängigkeit und Unsicherheit.«Viele Frauen tun fast alles, um die Fassadeeines normalen Lebens – auch vor sich selbst– zu wahren», sagt die Leiterin einer Frauen-Über nachtungsstelle. Geschichten von Frau-en ohne Wohnung seien deshalb Geschich-ten von Ausbeutung, Scham und Einsamkeit.

ZugerichtetScherereien

Beni B.* ist ein cleverer Kerl, im Aprilwurde er 50 und darf auf eine bewegte Bio-grafie zurückblicken. Von Letzterem zeugenauch seine mit weiblichen Vornamen undbarbusigen Frauen tätowierten Unterarme.Aufgewachsen ist er «mal hier, mal dort».Schule? «Praktisch keine.» Zukunftspläne?«Nichts Grosses.»

Damals trat Beni entschieden redege-wandter auf. Er rief wahllos bei kleinerenund grösseren Unternehmen, Ämtern undsozialen Einrichtungen an und verlangte ingeschäftlichem Ton nach dem Chef. Wenn eshiess, dieser sei auf Geschäftsreise oder inden Ferien, erzählte er, er habe vom Bossden Auftrag erhalten, die Papiermesser undAktenvernichter zu schleifen. Eine halbeStunde später stand er auf der Matte, repa-rierte die Geräte, liess sich zwischen 1500 bis3500 Franken bar auf die Hand auszahlenund machte sich vom Acker. Manchmaltäuschte er die Arbeit auch nur vor, mal ver-schickte er einfach auf gut Glück ein paarRechnungen. Der Zahlungsbereitschaft sei-ner Kunden half er mit ungesetzlichen Mit-teln nach, indem er Unterschriften fälschte.Allein bei einem grossen Unternehmen kas-sierte er so 54000 Franken, alles in allem wa-ren es mehrere hunderttausend Franken imLaufe von zehn Jahren.

Obwohl ihm seine Tätigkeit in der Sche-renschleifer-Branche ein Leben auf grossemFuss ermöglichte, selbst ein dicker Mercedeslag drin, dockte er auch noch beim Sozialamtan, das ihm 181501 Franken und 20 Rappenauszahlte, die Bildungsdirektion stattete sei-nen Sohn zudem mit 40000 Franken Stipen-

diengeldern aus. Dem Betrag nach ist es eingröberer Fall von Sozialhilfebetrug. Vielmehraber ist der Prozess am Bezirksgericht Zürichein Lehrstück darüber, wie in Zeiten der Gierauch kleine Leute das schnelle Geld suchen.

Auch von Mentalitätsunterschieden ist indiesem Prozess viel die Rede. «Herr B. ist vomVolk der Fahrenden», sagt sein amtlicher Ver-teidiger. «Sie haben eine andere Kultur.» Dassder Mann wirklich ein Jenischer ist, tut wohlnichts zur Sache. Denn auch bei Jenischen istBetrug und Gewalt kein Kulturgut. Und umKörperverletzung geht es beim nächsten Punktder Anklageschrift. Ein Betreibungsbeamter,mit Zahlungsbefehl in der Hand, klopfte zu ei-nem ungünstigen Zeitpunkt an Benis Türe.Dieser hatte nach einer Freinacht noch immerein paar Alkoholpromille intus und begrüssteden unerwünschten Besucher mit einemFaustschlag ins Gesicht. «Ich war dumm» – dasist das Eingeständnis, zu dem Beni B. bereit ist.

Bleibt noch das Strafmass zu klären. Wennman seinen Mandanten bestrafe, gibt sein An-walt zu bedenken, bestrafe man damit nur sei-ne Familie und zerstöre das Leben seiner Frauund seiner Kinder. Am Ende hat Beni B. nocheinmal Glück gehabt. Das Gericht setzt eineBestrafung von 24 Monaten Gefängnis fest, aufeine Probezeit von fünf Jahren. Die 14 Tage füreine vorherige Strafe muss er allerdings absit-zen. Der Richter erhofft sich eine gewisse «Le-bensberatung» davon. «Es dünkt uns lehrreich,dass Sie ein bisschen Gefängnisluft schnup-pern.»

* Persönliche Angaben geändert.

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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ERWIN …und das Ritual VON THEISS@INFAM

VON RETO ASCHWANDEN

«Wir alle diskriminieren im Alltag, aber oft sind wir uns dessen nichtbewusst.» Das sagt der Jurist und Diskriminierungsexperte Tarek Na-guib im Interview weiter hinten in diesem Heft. Auf der persönlichenEbene ist das moralisch fragwürdig, gesellschaftlich aber nicht allzu gra-vierend. Nicht jeder Mensch ist einem sympathisch, und unter zivili-sierten Zeitgenossen kann man sich zur Not aus dem Weg gehen. Heikelwird es, wenn ganze Gruppen an den Pranger gestellt werden: Albanersind IV-Betrüger, Türken Raser und Nigerianer Kokaindealer. Gegen der -artige Feindbilder helfen nur Hauruck-Methoden, wie sie die Ausschaf-fungsinitiative der SVP verlangt: Ausländer, die gegen Schweizer Rechtverstossen, werden aus dem Land geworfen.

Vor wenigen Jahren noch wäre eine solche Initiative für ungültig er-klärt worden. Zweierlei Recht für Schweizer und Ausländer – das ver-stösst gegen das Prinzip, wonach vor dem Gesetz alle gleich sind. Dochdie Mitteparteien und Teile der Linken scheuten die Konsequenzen: DieSVP hätte einmal mehr auf die Classe politique schimpfen und sich alsBewahrerin des Volkswillens aufspielen können. Deshalb liegt nun ne-ben der Initiative auch ein Gegenvorschlag auf dem Tisch, der inhalt-lich dasselbe will, aber immerhin mit unserer Verfassung und interna-tionalem Recht vereinbar sein soll. Und für die Gutmeinenden, die beieinem Ja das schlechte Gewissen plagt, umfasst der Gegenvorschlagauch einen Integrationsartikel, der den «Zusammenhalt der einheimi-schen und der ausländischen Bevölkerung» zum Ziel hat. Klingt gut,verpflichtet aber zu gar nichts.

Einst war Fremdenfeindlichkeit nur rechts aussen salonfähig. Heuteist sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen, verkörpert in der Per-son von Eveline Widmer-Schlumpf. Nach ihrer Wahl wurde sie zurSchweizerin der Jahres gekürt, weil sie sich getraut hatte gegen Blocheranzutreten. Inhaltlich aber politisiert die Bundesrätin Arm in Arm mirihrem Vorgänger. In ihrer Amtszeit wurden Asyl- und Ausländerrechtweiter verschärft. Auch wenn die Blochergetreuen gegen sie hetzen,nüchtern betrachtet garantiert Widmer-Schlumpf Mehrheiten für dieSVP-Politik.

Es gibt mehr als genug Probleme in diesem Land: Die Bevölkerungist verunsichert von der Finanzkrise und der angeblich steigenden Kri-minalität und Gewalt. Der Bundesrat gilt auch nach der Neubesetzungals schwach und zerstritten. Doch statt die realen Herausforderungenanzugehen, startet man lieber ein Ablenkungsmanöver und geht aufdie Ausländer los. Das Prinzip Sündenbock, es funktioniert seit altersher. Die Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative dient als Frust-ventil. Probleme löst sie keine. ■

AusschaffungsinitiativeDer Stimmzettel als FrustventilDer Abstimmungskampf zur Ausschaffungsinitiative der SVP vergiftet das Klima zwischen Schweizern undAusländern. So weit, so bekannt. Nun aber machen Bundesrat und Parlament mit dem Gegenvorschlag Frem-denfeindlichkeit mehrheitsfähig.

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VON ISABELLA SEEMANN (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

Dann lag er also im Zelt in der trostlosen Wüste der Provinz Paktia,hart an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die vorgeschobene Ope-rationsbasis war bis auf neun Mann verlassen, denn die Einheit der Ma-rines war auf dem Rückweg in einen Hinterhalt der Taliban geraten. Zusehen waren die Gotteskrieger nicht, aber die Angst vor ihnen war imCamp spürbar. In dieser Nacht würde es leicht einzunehmen sein. DerWind pfiff über die Ebene und Gianluca Grossis Herz pochte heftig. EinWächter des US-Stützpunktes hatte ihm ein Maschinengewehr in dieHand gedrückt und gefragt, ob er bereit sei zu kämpfen. Er müsse sichin dieser Nacht selbst verteidigen können. «Das wars dann wohl, habich mir gedacht.»

Der 43-jährige Tessiner Journalist zündet nach der zweiten Zigaret-te gleich die dritte an und erzählt ohne grosse Gesten weiter: «Es wardie längste Nacht meines Lebens.» Auch wenn man ein Risiko einkal-kuliere, so seien Situationen an der Front doch gnadenlos zufällig undbar jeder Anerkennung der Regeln menschlichen Zusammenlebens.Selbst eine Akkreditierung als «eingebetteter» Journalist vermöge einenKriegsberichterstatter nicht zu schützen. Nur der eigene Instinkt, dieeigene Erfahrung und das Glück können retten.

Todesmutig, voyeuristisch, kaltblütig, idealistisch – Kriegsberichter-statter sind mit allerlei Mythen behaftet. Einerseits weil sie gesell-schaftliche Vorstellungen prägen und unsere Bilder vom Krieg formen,andererseits weil die Frage der Motivation viel Raum für Deuteleienlässt: Was treibt Kriegsreporter wie Gianluca Grossi an? «In erster Liniejournalistische Neugier. Aber auch Leidenschaft und Berufung. Ich willverstehen und vermitteln, was auf der Welt passiert. Dafür begebe ichmich ins Zentrum des Geschehens.»

Vor acht Jahren hat Gianluca Grossi seine feste Anstellung als Jour-nalist beim Tessiner Fernsehen RSI gekündigt, eine Ausbildung als Ka-meramann durchlaufen und sich in Jerusalem– die zweite Intifada war in vollem Gange –mit seiner Fernsehproduktionsgesellschaft We-ast Productions selbstständig gemacht. «Einekrisensichere Region – vom Standpunkt eines frei arbeitendenJournalis ten aus gesehen.» Denn der Konflikte sind im Nahen und Mitt-leren Osten viele, ein Ende ist nicht abzusehen und Berichte und Bildervon der Front sind heissbegehrt. Im Auftrag von BBC, RAI 3, TVE,FRANCE 3, ZDF und den Schweizer Fernsehsendern reist er von Beirutaus, wo er sich mittlerweile niedergelassen hat, in Kriegs-, Krisen- undKatastrophengebiete, nach Bagdad und nach Kabul, zu den Georgiernoder den Palästinensern, nach Kurdistan und in den Südlibanon. Fürseine präzisen Berichte und lebensnahen Reportagen aus dem Nahenund Mittleren Osten im Schweizer Radio und Fernsehen italienischerSprache RSI erhielt er die Auszeichnung zum Journalisten des Jahres2009. «Selbst in unmenschlichen Situationen arbeitet er feinfühligmenschliche Schicksale heraus», begründete die Jury ihren Entscheid.

PorträtDie Augen des KriegesKrisen, Krieg und Katastrophen: Für seine präzisen Berichte und lebensnahen Reportagen aus dem Nahenund Mittleren Osten geht Gianluca Grossi auch persönliche Risiken ein.

Grossi misstraute immer schon den naheliegenden Antworten undhält bis heute nicht viel von Leuten, die mit grosser Geste die Welt er-klären, ohne jemals irgendwo in der Fremde gefroren oder sich ge-fürchtet zu haben. Vielleicht liegt diese Weltsicht an seiner Herkunft. Erkommt aus Bellinzona. Sein Vater ist der bekannte Tessiner Publizist Pli-nio Grossi. Wie es «wirklich war», wird Gianluca Grossi oft gefragt,wenn er in seiner Heimatstadt alte Bekannte trifft. Warum er so mutigsei. Und wie man so ein Leben aushalte. Solche Fragen machen ihn stetsverlegen. «Ich mache das nicht, um den Helden zu spielen», sagt er –und reicht die Heldenrolle weiter. An seine Fahrer und Übersetzer, an alljene Einheimischen, ohne die es keine Kriegsberichte gäbe und die oh-ne Rückflugticket und ohne pralles Spesenkonto arbeiten. Er sei, sagt er,ein bisschen demütiger geworden in letzter Zeit. Doch er wird weiterhinhinausfahren in die Welt, denn er wüsste nicht, was er sonst tun sollte.

Er dreht in gottverlassenen Dörfern, zerbombten Häuserzeilen, ver-müllten Flüchtlingslagern. Denn so schauen eben jene Orte aus, an de-nen das abstrakte Wort «Krieg» auf lebendige Menschen trifft. Wenn ei-ne Granate ein Loch in die Wohnzimmerwand über dem Sofa gerissenhat, wenn der palästinensische Feuerwehrmann nicht mehr aufstehenkann, weil ihm eine Granate das Bein abgerissen hat, wenn die Mutterihre toten Söhne beweint, wenn man die Kinder im Keller versteckt,weil man nicht weiss, ob die nächsten, die an die Tür hämmern wer-den, Freunde oder Feinde sind.

Gianluca Grossi braucht für solche Geschichten nicht viele Sätze. Ei-genschaftsworte sind überflüssig, Verben manchmal auch. Er lässt dieBilder erzählen. Seine Bilder reden zu Millionen von Fernsehzuschau-ern, sie schaffen Meinungen, sie lösen Reaktionen aus. «Bilder habeneine enorme Kraft, von ihnen geht eine unkontrollierbare Energie aus.»Ginge es nach Grossi, würde er seine Bilder nahezu wortlos in den Nach-richten zeigen lassen: «Worte fesseln und erdrücken die Bilder». Dabeiliebt er Worte, Literatur, Lyrik. Nach dem Studium der Allgemeinen

und Vergleichenden Literaturwissenschaft an den Universitäten vonZürich, Frankfurt am Main und Rom doktorierte er über Paul Celan undGiuseppe Ungaretti. Dennoch sagt er: «Worte lenken den Zuschauer ab.Von ihnen geht die grösste Gefahr der Manipulation aus.»

Freilich gehört die Beeinflussung der Öffentlichkeit längst zur Strate-gie aller Konfliktparteien – darüber macht er sich keine Illusionen. «Al-le Seiten versuchen ständig, mich sowie auch andere Kollegen zu mani-pulieren.» Auch die Opfer wissen um die Macht der Medien – und siewissen ebenso um deren Bedürfnisse. Eine gute Geschichte gegen öf-fentliche Aufmerksamkeit, mit Hoffnung auf Hilfe. Natürlich müsse manalle Manipulatoren im Auge behalten. «Man muss sich vor ihnen hüten,und man muss zuweilen auch mit ihnen arbeiten.» Der Kampf mit Lüg-nern gehört zur journalistischen Arbeit dazu, gerade im Krieg. ■

«Das wars dann wohl, hab ich mir gedacht.»

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Ein Leben ohne Mikrowelle und Internet? Im Jahr 2010 für die meisten Menschen hierzulandevöllig unvorstellbar. Dennoch: Es gibt Leute, die pfeifen auf iPhone und trendige Klamotten.Und leben lieber wie in den Dreissiger- und Vierzigerjahren.

LebensstilSchöne alte Welt

Stilecht ist auch Waser selbst. Seine Kleider sucht er sich in Brocken -häusern zusammen oder lässt sie sich schneidern, nach Schnittmusternaus den Dreissiger- und Vierzigerjahren. Die Haare schneidet ihm ein70-jähriger pensionierter Coiffeurmeister, der den Fassonschnitt mitdem stufenlos ausrasierten Nacken noch bestens beherrscht. Hat erLust auf Musik, legt er sich eine Platte der Boswell Sisters auf, oder

sonst irgendetwas Jazziges aus den Dreissigern. Will er kochen, tut erdas richtig, und das heisst: Keine Mikrowelle, keine Fertigpasta, keineFischstäbchen. Alles wird selber gemacht, häufig nach einem Rezeptaus seinem Lieblings-Kochbuch: «Neuzeitliche Kochkunst für Gesundeund Kranke», erschienen 1936.

Zugeständnisse ans 21. Jahrhundert gibt es wenige in Wasers Welt.Er hat eine E-Mail-Adresse, doch der Computer dazu fehlt ihm. Er hatein Handy, doch als Klingelton ertönen die Andrew Sisters mit ihrem«Bei mir bist du schön» – ein ziemlicher Kracher in den USA, allerdingsschon 1937.

Mario Waser, bist du in der falschen Zeit geboren?Mario Waser ist ein Mensch mit einem umwerfenden Lachen, doch

auf einmal wird er ernst, setzt sich, steckt sich eine Mary Long an. Sagt:«Es war nicht alles nur schön damals, ich will das nicht verherrlichen.»Und sagt: «Aber ja, vielleicht bin ich wirklich in der falschen Zeit ge-boren.»

Fliege, Hut und Dietrich-HoseIm Jahr 2010 gibt es in diesem Land vielleicht drei Dutzend Men-

schen, die sich ihr Leben in der Epoche zwischen 1930 und 1950 einge-

VON MARKUS FÖHN (TEXT) UND ESTHER MICHEL (BILDER)

Ein Film könnte so beginnen, ein alter Schinken in Schwarz-Weiss.Durchs Fenster brennt die Sonne, brennt auf den Stapel von «RingiersUnterhaltungs-Blättern», brennt auf die klapprige Urania-Schreibma-schine, es ist Sommer 1949. Aus den Lautsprechern in der Ecke schep-pert Evelyn Künnekes neuer Gassenhauer«Barbara, komm mit mir nach Afrika». Hinterder Schreibmaschine sitzt Mario Waser,braungebrannt und drahtig, in Unterhemdund grober Überhose. Der Waser. Zurück nachdreieinhalb Jahren auf See. Dreimal hat er als Schiffskellner die Erdeumrundet, und jetzt ist er wieder da, hat einen Körper voller Tätowie-rungen mitgebracht und einen Kopf voller Geschichten.

Ein Film könnte so beginnen, doch das ist kein Kino hier. Das istVitznau im Jahr 2010, unten glitzert der Vierwaldstättersee und MarioWaser steht von der Schreibmaschine auf und sagt: «Doch, ich hättegerne in den Vierzigerjahren gelebt.»

Ein Dasein ohne FertigsauceMario Waser ist 41 Jahre alt. Andere Männer in seinem Alter kurven

mit Offroadern oder Familienkutschen herum und bewohnen Lofts oderEinfamilienhäuser, die sie mit Interio-Möbeln und Unterhaltungselek-tronik vollstopfen. Der Waser aber, wie er sich selber nennt, ist anders.Der Waser, gelernter Koch und Serviceangestellter mit Berufserfahrungzu Lande und zur See, lebt in einer Welt, in der niemand ständig an sei-nem iPhone herumfummelt, ein Navigationsgerät in sein Auto einbautoder eine Tiefkühlpizza in den Ofen schiebt. Das Haus, in dem erwohnt, stammt aus den Vierzigerjahren, seine Wohnung hat keine Re-novation gesehen seit damals, die Einrichtung ist stilecht, ginge als Mu-seum durch, problemlos.

«Plötzlich war ich in den Dreissiger- und Vierziger-jahren. Beim Swing.»

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Zwei wie aus einer anderen Zeit: Karin und Herbert Baschung.

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richtet haben, genau wie Mario Waser. Sie haben diese Zeit nie erlebt.Dennoch fühlen sie sich zu ihr hingezogen, wollen sie leben bis in dieletzte Pore. Fasziniert von der Ästhetik und dem Design der Dreissiger-und Vierzigerjahre, begeistert von der Mode, verliebt in die Musik.

Organisiert sind sie kaum. Die meisten kennen sich zwar, doch sindsie kein Verein und schon gar keine Bewegung mit einer einheitlichenWeltanschauung. Sie teilen die Leidenschaft für eine Epoche, das ist al-les, und abgesehen davon sind sie so verschieden, dass es vielleicht so-gar übertrieben ist, von einer Szene zu sprechen.

Auch Karin und Herbert Baschung haben sich entschlossen, ein Le-ben zu führen, das aussieht wie damals, als es zwar noch keine Onli-ne-Newsportale gab, dafür täglich drei Ausgaben der NZZ. Ihre Woh-nung in Zürich wirkt, als sei sie irgendwann zwischen 1935 und 1945eingerichtet worden, sie selber ernten erstaunte Blicke, wenn sie durchdie Strassen gehen – die 37-jährige Karin Baschung in der weiten Mar-lene-Dietrich-Hose oder im engen, knielangen Rock, das Oberteil breit-schultrig, Ehemann Herbert im Anzug, mit Fliege und Hut. Für beidegilt: Das ist keine Kostümierung. Diese Kleider sind Teil des Alltags. Siesind mit Bedacht ausgewählt und kombiniert. Herbert Baschung sagt:«Das ist europäische Mode, wie sie Mitte der Dreissigerjahre getragenwurde.» Und so erstaunlich es klingen mag: Schuld an all dem ist derRock’n’Roll.

Einstiegsdroge Rock’n’RollHerbert Baschung war um die zwanzig, als er zur Teddy-Szene kam.

Es war Anfang der Achtzigerjahre und eine gute Zeit für die Teddys:Bands wie die Stray Cats traten gerade ein Rockabilly-Revival los, plötz-lich war der Rock ’n’ Roll in seiner alten Vitalität wieder da. «Ich be-gann im Zug dieses Revivals Originalsongs und Interpreten zu entde -cken», sagt Baschung. «Aber der Rock’n’Roll hat ein Problem: Wenn du

die Texte verstehst und 25 Jahre alt bist, merkst du, dass das eigentlichMusik für Teenager ist. Und du denkst: Was habe ich hier verloren?»

Teddy konnte Herbert Baschung nicht bleiben, so viel stand fest, undMöglichkeiten sah er nur zwei: Entweder würde er sich den Leuten ausder Szene anschliessen, die dem Beat der Sechzigerjahre zu frönen be-gannen. Oder er würde in die entgegengesetzte Richtung gehen – zuden Wurzeln des Rock’n’Roll.

«Ich vermisse elementare Dinge»Baschung tat Letzteres. Und landete ziemlich schnell in den Vierzi-

gern. «Ich wollte den Ursprung des Rock’n’Roll erspüren und begegne-te den Musikstilen, die dahinter stecken», sagt er. «Plötzlich war ich inden Dreissiger- und Vierzigerjahren. Beim Swing.» Dort traf er auf Ka-rin Baschung – auch sie hatte die Flucht nach hinten angetreten, als siesich in der Fünfzigerjahre-Szene nicht mehr wohl fühlte.

Häufig ist es die Musik, die am Anfang einer Reise in die Vergan-genheit steht, der Soundtrack einer Epoche. Nur: Der Soundtrack reichtechten Fans der Dreissiger- und Vierzigerjahre nicht aus. Sie wollenmehr als Musik. Sie wollen die Mode, das Design, das Lebensgefühl.Man könnte sagen: Sie geben sich nicht mit dem Soundtrack zufrieden,sie wollen den Film dazu. Und sie wollen darin auch gleich mitspielen.Und dann gibt es ein Wort, das immer wieder fällt im Gespräch mitMenschen, die ihr Leben in diese Epoche vorverlegt haben. Werte.

In seiner Küche sitzt Mario Waser, er schenkt Weisswein ein undsagt: «Ich sehe das so: Wenn man z’Tanz geht, bindet man sich eineKrawatte um. Sonst geht man nicht z’Tanz.»

Früher sei das völlig normal gewesen, sagt Waser. Man habe ge-schaut, dass man etwas hermache, aus Wertschätzung gegenüber sichselbst und den anderen. Aus Anstand. «In der heutigen Zeit vermisseich elementare Dinge», sagt er. «Zum Beispiel Höflichkeit. Bescheiden-

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heit. Oder Hilfsbereitschaft. Der Mensch von heute hat das Gefühl, ersei fortschrittlich, doch letztlich schubst jeder den anderen herum, undwenn es einem dreckig geht, muss er viel Glück haben, damit er einenfindet, der ihm beisteht.»

Auch Karin Baschung glaubt, dass Werte, die heute grosspurig be-schworen werden, zu Worthülsen verkommen seien. «Alle reden vonSolidarität, sind aber nur solidarisch, wenn es für sie finanziell drin-liegt», sagt sie. «Die Gesellschaft hat ihr Mitgefühl verloren. Mitgefühl,wie es noch vorhanden war in der Epoche, der wir nachleben.»

Karin Baschung, dann war früher also allesbesser und wir sollten uns schleunigst daranmachen, das Rad der Zeit zurückzudrehen?

Karin Baschung schüttelt den Kopf, schürztdie rot geschminkten Lippen. Sagt: «Ich be-haupte nicht, dass alles besser war. Gerade als Frau hätte ich damals jaweniger Rechte gehabt. Ich sage nur: Ich glaube nicht, dass das jetzigeZeitalter so gross artig ist, wie alle sagen.»

Wer im Jahr 2010 jedoch herumläuft wie Ende der Dreissigerjahre,muss sich oft Vorwürfe gefallen lassen. Zum Beispiel, dass er dieKriegs jahre verherrliche. «Völliger Unsinn», sagt Herbert Baschung.«Der Zweite Weltkrieg war eine Katastrophe, da verherrlichen wirnichts.» Wer begeistert sei von den Dreissiger- und Vierzigerjahren tuenur eines: Er schätze die schönen Dinge jener Epoche – ohne aber aus-zublenden, dass sie auch ihre dunklen Seiten hatte. «Das Zeitalter hat-te furchtbare Aspekte», sagt Baschung. «Aber jedes Jahrzehnt hat seinhässliches Gesicht. Zum Beispiel die Sechzigerjahre: In Vietnam tobteein grässlicher Krieg – wirft man einem Fan der Sechzigerjahre deshalbetwa vor, er verherrliche den Vietnamkrieg?» Das Problem sei, sagt Ba-schung, dass vielen Leuten zu den Dreissiger- und Vierzigerjahren nurgerade der Zweite Weltkrieg einfalle – nicht aber die Bauhaus-Möbel,

die damals Avantgarde waren und heute in der Ikea-Version in jedemWohnzimmer stünden.

Mario Waser kehrt zurück zur Schreibmaschine, nimmt vom StapelPapier das erste Blatt. «Vergangenheit und Gegenwart» haben die Blei-lettern der «Urania» darauf geworfen, das war vor sechs Jahren. Mitt-lerweile hat der Waser 1026 Seiten auf der klapprigen Maschine getippt.«Ich habe angefangen von Dingen zu schreiben, die ich erlebt habe,von Gedanken, die mir durch den Kopf gegangen sind», sagt er. «Irgend-wann merkte ich, dass ich damit nicht mehr aufhören konnte.» Seine

Töchter werden die Geschichten irgendwann bekommen, tranchen-weise. Sie leben in Schweden, mit ihrer Mutter, er sieht sie selten.

Der Waser steht da in der groben Überhose, fährt sich durchs Haar.Er lächelt verlegen, er klaubt die nächste Mary Long hervor, unten fun-kelt der See.Ein Film könnte so aufhören, ein alter Schinken in Schwarz-Weiss. ■

«Wenn man z’Tanz geht, bindet man sich eineKrawatte um. Sonst geht man nicht z’Tanz»

Velofahren und Tippen geht für Mario Waser im Unterhemd. Tanzen nur mit Krawatte.

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VON ISABEL MOSIMANN (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILD)

Verlässt man die Stadt Thun in Richtung Hünibach, bleibt der Blickvielleicht an der Ladenanschrift «Sarg-Atelier» hängen. Etwas konster-niert und mit einem gewissen Befremden haben denn auch die Nach-barn zugeschaut, wie ein Lastwagen die erste Sarglieferung brachte.«Doch als der Bestatter die ersten bemalten Särge abgeholt hat, habensie das Resultat meiner Arbeit gesehen», erzählt Alice Hofer, die Inha-berin des Sarg-Ateliers.

Bei ihr können die Leute ihren eigenen Sarg, den Sarg oder die Urnefür verstorbene Menschen und Haustiere in Auftrag geben, sie könnenaber auch selbst mithelfen beim Bemalen und Dekorieren. Im hell undfreundlich eingerichteten Ladenlokal stehen diskret hinter Glasperlen-vorhängen und Paravents verschiedene Mustersärge, zum Beispiel eingelber mit Sonnenblumen oder ein blauer, beklebt mit Muscheln. Na-türlich kann man sich auch verrücktere Sachen ausdenken – ge-wünscht wurden zum Beispiel auch schon Accessoires wie Stossstan-gen und Rückspiegel.

Für Alice Hofer war schon immer klar, dass sie eines Tages etwas indiese Richtung machen wollte. Sie wollte Beerdigungen farbiger gestal-ten und dem finalen Abschied etwas von der Schwere nehmen. «Schonals Kind fand ich diese schwarzen Kleider, diese schwarzen Regenschir-me, diese schwarzen Särge und diese schwarzen Worte unerträglich undfurchtbar hoffnungslos und düster», erzählt sie. Speziell bei den Beerdi-gungen ihrer Grosseltern habe es ihr alles zugeschnürt: «Meine Grossel-tern hatten Humor, das waren lustige Leute im Leben. Es war schlimmfür mich, sie auf diese Art verabschieden zu müssen.» Mit den Ritualenund Zeremonien von damals konnte sie überhaupt nichts anfangen, undauch Trost spendeten sie ihr keinen – im Gegenteil.

Vor zehn Jahren machte sich die gelernte Kauffrau selbstständig imBereich Administration und Marketing. Ihr grösster Kunde war von An-fang an ihr heutiger Ehemann Polo Hofer, für den sie die ganzen Büro-und Marketingarbeiten erledigt. Mit der Zeit tat sich in dieser selbst-ständigen Tätigkeit für sie der Raum auf, die Ideen und Vorstellungen,das Sterben schöner, tröstlicher, farbiger zu gestalten, zu überdenkenund zu verwirklichen. Im Januar 2009 war das Projekt so weit gediehen,dass sie in Thun an der Hofstettenstrasse das Sarg-Atelier eröffnete.

Schwarz-rot-gold ins Grab«Für mich ist meine Arbeit im Atelier, mich auf den Tod einzulassen,

ein guter Ausgleich. Jede Auseinandersetzung mit einem Sarg oder miteiner Urne relativiert ein Stück weit das, was mich sonst im privatenund beruflichen Alltag beschäftigt», beschreibt Alice Hofer ihre Erfah-rungen. Zudem helfe es ihr, auf das zu fokussieren, was ihr wirklichwichtig sei im Leben. In dem Zusammenhang unterstreicht sie, wiewichtig es ist, in der Gegenwart, im Jetzt zu leben, und fügt ein weite-res Anliegen bei ihrer Tätigkeit an: «Ich kenne so viele Leute, die am To-desfall eines geliebten Menschen kaputtgehen, die das jahrelang nichthinter sich lassen können. Das dünkt mich schade.» Zwar könne sie die-se Hoffnungslosigkeit nachvollziehen, aber: «Wir können immer nochGrosses, Wunderbares erleben in den Jahren, die uns noch bleiben.»

Hoffnung vermitteln, zuhören, Trost spenden gehören denn nebenden bunten Särgen auch in Hofers Angebot. Dass da ein grosses Be-dürfnis bestehe, merken sie und ihre Stellvertreterin, die SeelsorgerinBeatrice Häberling, immer wieder, wenn Leute, die noch nie vorher dawaren, in das Atelier treten, ihr Herz ausschütten oder auch zu weinenbeginnen. Das Sterben, die eigene Endlichkeit oder schwere Krankhei-ten werden immer noch – wenn auch nicht mehr so stark wie früher –

Wenn jemand stirbt, wird alles schwarz: Gedanken, Kleider, Särge. Das muss nicht sein. Bei Alice Hofer kannman zumindest den Sarg nach eigenem Gusto bemalen lassen. Im Sarg-Atelier finden Menschen nicht nur far-bige Blumenmuster und Meeresmuscheln, sondern auch Trost und praktische Tipps.

Sargkunst Letzte Ruhe in Farbe

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gern buchstäblich zu Tode geschwiegen. Die Frauen erfahren von Äng-sten und Befürchtungen, die nicht einmal die eigene Familie oder engeFreunde zu hören bekommen.

Geholfen wird einem aber auch tatkräftig: «Wenn es gewünscht wird,organisieren wir bei einem Todesfall alles, von den Leidzirkularen überdie Blumen bis zur Musik in der Kirche.» Viele Angehörige seien froh,wenn man ihnen das abnehme, denn manche seien durch den Verlustwie gelähmt, andere seien gebrechlich und könnten das nicht mehr al-les alleine erledigen. In so einem Fall unter-stützt das Sarg-Atelier die Angehörigen undfunktioniert ähnlich wie ein Bestattungsdienst.

Es gibt aber auch Menschen, die sich nochzu Lebzeiten mit dem eigenen Tod befassen.«Es kamen auch schon Pärchen vorbei, die einander zeigen wollten,was sie sich in etwa vorstellten, wenn es dann mal so weit ist», erzähltHofer. Manche machen präventiv «Nägel mit Köpfen», wie etwa derDeutsche, kerngesund und quicklebendig, der sich einen schwarz-rot-goldenen Sarg anfertigen liess.

Das gute Gefühl der SelbstbestimmungIm Atelier fällt der Blick auf einen hellblauen Sarg. Er gehört einer

schwerkranken Person, die ihr letztes Möbel bereits vorbestellt hat. DieAuseinandersetzung mit dem Tod und der eigenen Beerdigung kannauch trösten: «Die schwerkranken Menschen erleben hier oft einenAuftrieb und das gute Gefühl der Selbstbestimmung, weil sie ihren Ab-schied noch persönlich gestalten, den Sarg bestimmen, die Grabredne-rin, die Musik und so weiter.»

Alice und Polo Hofer haben sich auch schon ihre Gedanken darübergemacht, in welchem Sarg sie dereinst ihre letzte Reise antreten und ihr

irdisches Dasein krönen wollen. Frau Hofer schwankt zurzeit zwischendem blauen Meer-Sand-Muschel-Sarg und einem weissen Sarg mit weis-sen Möwenfederchen drauf. «Also, was es genau für Federchen sind, istegal, sie sollen einfach die Leichtigkeit symbolisieren, oder auch dasSchweben», sinniert sie, während ihr Blick kurz in die Weite schweift.Was ihr Mann Polo wolle, wisse er noch nicht genau: «Manchmal sagter, er wolle seinen Sarg selber malen, er komme dann mal und fange anzu experimentieren.» Und manchmal sage er auch, es sei im wurscht,

ich solle dann entscheiden. In solchen Momenten wende sie ein: «Fallsich noch da bin! Es ist nirgends geschrieben, dass du vor mir stirbst.»

Mittlerweile kommt Hofers Kundschaft aus der ganzen Schweiz.Manche bestellen einen Sarg per Telefon, andere kommen vorbei. Un-ter den Kunden hat es auch Kinder, die für ihren Hasen eine dekorier-te Schachtel kaufen – denn in der Schweiz darf man tote Tiere bis zehnKilogramm auf dem Privatgrund begraben.

Wahrscheinlich ist jede und jeder, ob jung oder alt, mehr oder we-niger traurig, wenn er einen bemalten Sarg, eine dekorierte Urne odereine bunte Schachtel kauft im Sarg-Atelier. Ihnen allen sei in den Wor-ten von Alice Hofer gesagt: «Das Tröstliche an der Vergänglichkeit ist:Sie betrifft alles, zum Glück auch das Schwere, das Bittere und denSchmerz.» ■

Manche haben spezielle Wünsche für ihren Sarg –etwa Stossstangen oder Rückspiegel.

Alice Hofer schwankt noch zwischen einem blauen und einem weissen Sarg für sich selber.

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Ausschaffungsinitiative, Bettelverbote, Hetze gegen «Sozialschmarotzer» – tagtäglich werdenMinderheiten verunglimpft und bekämpft. Tarek Naguib beschäftigt sich als Jurist mit Diskri-minierungen. Ein Gespräch über Angst, Vorurteile und den kleinen Rassisten in jedem von uns.

Diskriminierung«Es ist mühsam, immer genauhinzuschauen»

Probleme ihrer Gruppe zu: Der Nigerianer ist bestimmt ein Dealer, dieMuslimin wird sieben Kinder auf die Welt setzen, der Türke betrügt be-stimmt die IV.

Diese Stereotype beruhen ja auch auf Erfahrungswerten.Natürlich, aber diese Verallgemeinerungen treffen eben auch den Tür-ken, der keine IV bezieht, und die Kopftuchträgerin, die als Anwältinarbeitet und keine Kinder will. Es ist natürlich mühsam, jedes Mal ge-nau hinzuschauen.

Nur daran kann es ja nicht liegen. Weshalb diskriminiert der Mensch?Das ist hoch komplex. Zum einen gibt es die ganzen Ideologien: Se-xismus, Rassismus, Homophobie. Andererseits haben wir Ängste. ZumBeispiel, dass Muslime unser Wertegefüge durcheinander bringen.Oder vor jungen Männern vom Balkan. Ängste und Abwehrreflexe spie-len eine wichtige Rolle.

Wer andere diskriminiert und ausgrenzt, hat also eigentlich einProblem: Er hat Angst. Angst ist nur eine mögliche Ursache. Aber auch gute Absichten könnenzu diskriminierendem Verhalten führen. Etwa, wenn man das Gefühlhat, die armen islamischen Frauen mit einem Burkaverbot befreien zukönnen. Oder nehmen Sie das kapitalistische Effizienzdenken, das da-zu führt, dass behinderte oder ältere Menschen keinen Job kriegen. Ofthaben Menschen auch starre Vorstellungen darüber, was normal istund was nicht. Bettler zum Beispiel werden als störend empfunden, alsSchmarotzer. Oder transsexuelle Menschen, die einfach als abnormalangesehen werden.

Ein Bettler auf der Strasse oder Transsexuelle stellen die Lebens-form der «normalen» Leute infrage. Ist Diskriminierung auch eineAbwehrhaltung?Genau, man fühlt sich gestört, provoziert, hinterfragt. Vielleicht auchimplizit beschuldigt. Die Reaktion ist Ausgrenzung. Das Bettlerverbotim Bahnhof Bern zum Beispiel ist völlig absurd. Wenn Sie die Leute fra-gen, ob diese Bettler unsympathisch sind oder ob sie Angst vor ihnenhaben, werden die meisten verneinen. Und trotzdem findet man siestörend, obwohl unklar bleibt, wo das Problem liegt.

VON AMIR ALI (INTERVIEW) UND DETLEV SCHILKE (BILDER)

Tarek Naguib, täuscht der Eindruck, die Menschen seien vom ThemaDiskriminierung übersättigt und wollten von den ständigen Mah-nungen zur Toleranz nichts mehr wissen?Viele Menschen haben durchaus eine Sensibilität für die Problematik.Manche aber fühlen sich durch das Fremde gestört. Wer gegen Diskri-minierung kämpft, solidarisiert sich gegen die Fremdenfeindlichen mitdenen, die nicht dazugehören sollen. Die Leute fragen sich, weshalbman einen ausländischen «Sozialschmarotzer» schützen soll und füh-len sich belehrt. Es ist dann einfach, jene als Gutmenschen abzustem-peln, die sich gegen Diskriminierung einsetzen.

Und weshalb soll man «Sozialschmarotzer» schützen?Moment, der Kampf gegen Diskriminierung ist kein Freipass für asozi-ales Verhalten oder Rechtsverstösse. Es geht darum, dass jeder dasRecht hat, auch als Mensch wahrgenommenzu werden und nicht als Ausländer oderSchwuler oder Behinderter von Ressourcenausgegrenzt zu werden. Aber wenn ein Aus-länder die IV missbraucht, dann soll er dochnicht geschützt werden, nur weil er ein Ausländer ist. Diesem Missver-ständnis begegne ich sehr oft.

Im Alltag macht sich wohl jeder von uns der Diskriminierungschuldig. Absolut. Wobei ich den Begriff Schuld gerne durch Verantwortung er-setzen würde. Schuld kommt aus dem Strafrecht und beinhaltet einegewisse Vorsätzlichkeit. Wir alle diskriminieren im Alltag, aber oft sindwir uns dessen nicht bewusst.

Warum diskriminieren wir denn?Das beginnt mit Antipathien, was auf der zwischenmenschlichen Ebe-ne ja auch kein Problem ist. Einen Schritt weiter findet man vielleichtein schwules Paar geschmacklos und hat darum Antipathien gegen diezwei Menschen.

Dann werden Antipathien zur Diskriminierung, sobald sie sich ge-gen ein Kollektiv richten?Von Diskriminierung kann man rechtlich erst sprechen, wenn stereo -type Vorstellungen über eine Gruppe in konkretes Handeln münden.Statt der Person ihre Individualität zuzugestehen, schreibe ich ihr die

«Auch gute Absichten können zu diskriminierendemVerhalten führen.»

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feindlichkeit und Rassismus sind stärker in die Mitte der Gesellschaftgerückt. Die Stimmen für das Minarettverbot kamen ja nicht nur vonSVP-Anhängern.

Aber wird diese Tendenz von Akteuren hervorgerufen und gesteu-ert? Oder trägt die SVP einfach die Sorgen aus der Bevölkerung indie politische Arena?Sowohl als auch. Ängste waren schon immer da und es wird sie immergeben. Was sich wandelt, ist die Art, wie wir damit umgehen. Hier hatdie rechtspopulistische Deutungsweise einiges verschoben.

Welchen Einfluss hat die Wirtschaftslage darauf, ob mehr oder we-niger diskriminiert wird?Auch das spielt eine Rolle. Existenzängste können auch dazu führen,dass Menschen beginnen, gesellschaftliche Gruppen auszugrenzen, diesie als Konkurrenten wahrnehmen. Das hat der Wirbel um die deut-schen Arbeitskräfte gezeigt.

Können denn Anti-Diskriminierungs-Gesetze die Gesellschaft zumBesseren verändern?Einerseits widerspiegeln Gesetze die Werte einer Gesellschaft. Aber siesind auch ein sensibilisierendes und pädagogisches Instrument. Behin-derte können heute ohne fremde Hilfe öffentliche Verkehrsmittel be-nutzen. Das ist auch die Folge eines Gesetzes und hat dazu geführt,dass Behinderte als autonom handelnde Menschen wahrgenommenwerden. Es braucht starke Gesetze einerseits, damit sich Betroffenewehren können, andererseits, um die Strukturen zu verändern. Unddrittens drückt ein Gesetz aus: Wir sind nicht mehr bereit, diese oderjene Form von Diskriminierung hinzunehmen.

An den Stammtischen ist zum Beispiel die Rassismus-Strafnormnicht sehr beliebt. Nicht nur an den Stammtischen. Die Rassismusstrafnorm kommt alsbittere Moralin-Pille daher und die Leute fühlen sich angegriffen. Kei-ner will ein Rassist sein. Aber das Gesetz kann auch dazu führen, dasssich die Leute überlegen: Was ist eigentlich Rassismus, und wo grenze

ich selbst andere Menschen aus? Aber es ist klar: Noch so viele Geset-ze werden das Phänomen Diskriminierung nicht aus der Welt schaffen.Eine Gesellschaft ohne Diskriminierung wird es nie geben. ■

Die rigorose Roma-Politik der französischen Regierung hat Kritikpro voziert. In der Schweiz haben sie es auch nicht besser: Die Wal-liser Polizei zum Beispiel warnt auf ihrerWeb site vor der Ankunft von Fahrendenund fordert dazu auf, ihnen gegenüber miss -trauisch zu sein. Die Problematisierung der Fahrenden ist einer der ganz grossen Fällevon Diskriminierung, die in Europa auf struktureller Ebene geschehen.Meist kaum sichtbar, aber kontinuierlich und seit Langem. Denken siean die «Kinder der Landstrasse». Heute will sie niemand in der eigenenGemeinde haben. Die Fahrenden sind aufgrund ihrer Lebensweise vonder Gesellschaft ausgegrenzt, was wiederum zu stereotypen Vorstellun -gen führt: Der Fahrende ist ein krimineller Schmarotzer. Das spiegeltsich in solchen Warnhinweisen, was natürlich klar diskriminierend ist.

Gibt es mehr Diskriminierung als noch vor zehn Jahren?Das sehe ich nicht so. Auch wenn wir noch nicht am Ziel sind: Behin-derte oder Homosexuelle sind heute besser akzeptiert. Die Geschlech-tergleichstellung hat sich auch sehr stark entwickelt. Mehr Ausgrenzungund Diskriminierung beobachte ich vor allem im Migrationsbereich. DiePersonenfreizügigkeit, die Einwanderung, aber auch die Thematik derMuslime seit 9/11 haben den Migrationsdiskurs zugespitzt. Das hängteng zusammen mit dem Erstarken des Rechtspopulismus à la SVP.

Das heisst, die rassistische Diskriminierung in der Bevölkerung istmanipuliert von politischen Akteuren?Ängste vor Migranten werden jedenfalls stärker geschürt, und das mo-bilisiert das Diskriminierungspotenzial. Die Diskussion in Medien undPolitik beeinflusst natürlich, was in den Menschen vorgeht. Fremden-

«Wir alle diskriminieren im Alltag.»

Zur Person:Tarek Naguib kennt die rechtlichen Aspekte von Diskriminierung undAusgrenzung wie wenige in der Schweiz. Geboren 1976, wuchs er alsSohn einer Schweizerin und eines Ägypters im Aargau und im St. Gal-ler Rheintal auf. 2003 schloss er an der Universität St. Gallen sein Jus-Studium mit Schwerpunkt Völker-, Verfassungs- und Sozialrecht ab.In seinem Berufsleben hat er sich auf Diskriminierungsschutz undSozialrecht spezialisiert. Naguib ist Mitarbeiter der Fachstelle ÉgalitéHandicap und ehrenamtlich im Menschenrechtsverein Humanrights.chtätig. Soeben hat er einen Erfahrungsaufenthalt bei der deutschenAntidiskriminierungsstelle in Berlin beendet.

«Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind in die Mitte der Gesellschaft gerückt.»

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RitualeJenseits des ProfanenFrüher prägten Rituale den Lebenslauf. Ob Taufe, Hochzeit oder Beerdigung – stets spende-ten religiöse Zeremonien Sinn und Segen. Heute leeren sich die Kirchen, dafür boomen pri-vate Ritualbegleitungen. Denn auch der aufgeklärte Mensch erfährt sich und die Seinen erstim gemeinsamen Ritual.

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VON RETO ASCHWANDEN

Zu Allerheiligen werden sich im ganzen Land Familien versammeln,gemeinsam den Gottesdienst besuchen und anschliessend an den Grä-bern der Angehörigen Andacht halten. Manche werden dabei Zu-sammengehörigkeitsgefühle erleben, in Erinnerungen schwelgen undTrost im Glauben finden. Andere werden während der Liturgie gähnen,die Gedanken schweifen ab und irgendwann fallen da und dort aus lau-ter Langeweile die Augen zu.

Rituale wirken ganz unterschiedlich. Wer bewusst teilnimmt undden Sinn sieht, erlebt intensive Emotionen, aus denen sich Kraft schöp-fen lässt. Wer aber aus Gewohnheit oder Pflichtbewusstsein dabei ist,erlebt nur eine formelhafte Monotonie, hohle Phrasen und eine immer-gleiche Leier ohne Sinn und Zweck.

Deshalb vollzieht sich seit einigen Jahren eine Entwicklung, die nuraufs erste Hinschauen widersprüchlich wirkt: Kirchenaustritte mehrensich, dafür boomen Angebote von konfessionslosen Ritualbegleitern.Denn wenn jemand nichts mehr anfangen kann mit den überliefertenreligiösen Zeremonien für Taufe, Heirat und Beerdigung, heisst dasnoch lange nicht, dass kein Bedürfnis nach einem sinnstiftenden Ritu-al besteht. Nur sollte es nach eigenem Gusto gestaltet sein und Bezügezum eigenen Leben, Denken und Empfinden bieten.

Da ist etwa die junge Familie, die ihr Neugeborenes nicht kirchlichtaufen lassen möchte. Den Namen des Nachwuchses bloss den Behör-den zu melden, ist ihr aber doch zu profan. Also versammelt man sichgemeinsam mit Gotte und Götti an einer ruhigen Bucht, wo der kleineErdenbürger mit Wasser aus dem Zürichsee getauft wird. Es gibt keinvorgegebenes Zeremoniell, keinen festgeschriebenen Ablauf und auchkeine Beschwörungen oder Gelübde. Und doch spüren alle Anwesen-den, dass dies ein spezieller Moment ist, eine Wegmarke im Leben al-ler Beteiligten. Ein Ritual.

Grundbedingung des MenschseinsEine solche durch und durch private Feier ist vielen allerdings nicht

geheuer. Ganz unter sich wollen viele Paare und Familien dann dochnicht bleiben bei Taufen und Beerdigungen.Wenn schon kein Pfarrer, dann soll immerhinein Ritualbegleiter oder ein Ritualist, wie sichmanche selber nennen, dabei sein. Die Bran-che boomt. Von pseudo-schamanischem Ho-kuspokus bis zu betont weltlichen Zeremo-nien, wie sie die Freidenker-Vereinigung anbietet, findet sich für jedenGeschmack und jede Weltanschauung etwas Passendes. Thomas Weg-müller ist Erwachsenenbildner und Mitgründer der Fachschule für Ri-tuale. «Die heutigen heterogenen spirituellen Antworten im Anschlussan Aufklärung und Globalisierung führen zu diesem neuen Beruf», sagter über die Ritualisten. Die Individualisierung der Gesellschaft machtauch vor metaphysischen Bedürfnissen nicht halt. In den zehn Jahrenihres Bestehens hat Wegmüllers Schule 40 Diplome ausgestellt. Nichtalle Absolventen arbeiten vollamtlich als Ritualbegleiter: «Zum Teilnutzen sie Rituale bewusst in ihrem bisherigen Beruf als Arzt, Thera-peutin, Sozialpädagogin, Architekt oder Kindergärtnerin», erklärt Weg-müller.

Längst werden Rituale nicht mehr nur bei existenziellen Übergängenim Leben, sogenannten «Rites de passage», eingesetzt. Durch das ver-breitete Bedürfnis, im Alltag Momente jenseits von Trott und Trivialitätzu schaffen, werden Rituale auch zu profanen Zwecken eingesetzt. DerMilitärdienst besteht fast nur aus vorgefertigten Abläufen, ebenso dieDiplomatie und weite Teile der Politik. Im Popkonzert ist die Interak-tion zwischen Band und Publikum ein einziges Ritual aus Mitklatschenund Feuerzeugschwenken. Sportler schwören sich vor dem Spiel imKreis aufs gemeinsame Ziel ein. Firmen schicken die Belegschaft zumRiverrafting, Bungee-Jumping oder Feuerlaufen und nennen es Team-

Building. Skeptiker mögen spotten, müssen aber zur Kenntnis nehmen:Es funktioniert.

«Rituale wirken, da passiert etwas, was nicht trivial ist», sagt Profes-sor Axel Michaels, Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs «Ritual -dynamik» an der Universität Heidelberg. Im Mai dieses Jahres leitete erin Berlin eine Tagung unter dem Titel «Wozu braucht es Rituale?». Die-se Frage diskutierten Wissenschaftler verschiedener Disziplinen. Unter-schiedliche Auffassungen gibt es bereits bei der Definition. MancheMenschen sprechen von ihrem Morgenritual und meinen die halbeStunde allein am Küchentisch mit Kaffee und Tageszeitung. Wieso daseher eine Gewohnheit ist als ein Ritual, erklärt Ritualistin Andrea Poll-mann im Interview auf der gegenüberliegenden Seite. Kulturwissen-schaftler Michaels nennt als zentrales Kriterium die Ausseralltäglichkeit.

Einigkeit herrschte an der Tagung darüber, dass jede Gesellschaft Rituale kenne. «Rituale gehören zu den Grundbedingungen des Mensch -seins», brachte es einer der Wissenschaftler auf den Punkt. Ihre Funk-tion ist laut Axel Michaels vornehmlich eine soziale: «Gemeinschaft bil-det sich vielleicht überhaupt erst durch Rituale. Also nicht, indem manden Acker gemeinsam bestellt, sondern indem man gemeinsam tanzt.Erst dadurch bekommt man das Gefühl, dass man gemeinsam den Ackerbestellen kann.» Im Ritual entsteht «Vertrauenskapital» – soziale Bezie-hungen stabilisieren sich, die Welt wird geordnet und der Mensch ent-lastet, «weil in Ritualen der Sinn hinter der Handlung nicht jedes Malvon Neuem ausgehandelt werden muss.»

Momente der HingabeEben diese Entlastung entkräftet das Ritual mit der Zeit aber auch,

nämlich dann, wenn es zur Routine wird. Experimente haben gezeigt,dass Rituale, die eine hohe emotionale Erregung auslösen, von den Teil-nehmenden besser reflektiert werden können als jene, die bei geringererErregung öfter wiederholt werden. Das erklärt, weshalb Gottesdienstemit stereotypen Abläufen von vielen Menschen als Leerlauf erlebt wer-den. Ein Feuerlauf hingegen verleiht einen Kick, der sich ins Gedächtnisbrennt: Hier habe ich etwas Besonderes erlebt. Für Thomas Wegmüllervon der Fachschule für Rituale bildet die «Bewusstheit» den sprin gen -

den Punkt: «Es geht um den Moment der Hingabe für die Inhalte desbetreffenden Rituals, mit einem Anfang und einem Abschluss.»

Die Hingabe, von der Wegmüller spricht, kann auch zur Selbstauf-gabe führen. Insbesondere dann, wenn Rituale nicht im privaten Rah-men abgehalten werden, sondern als Massenveranstaltungen. Kultur-wissenschaftler haben gezeigt, dass eine direkte Verbindung bestehtvon der katholischen Liturgie über die Reichsparteitage der Nazis biszu Rockkonzerten. Das Prinzip ist stets dasselbe: Vorne macht einervor, wie es geht, und hinten machen es alle nach. Das hat Merkmale ei-nes Rituals, bloss geht es nicht um die bewusste Teilhabe jedes Teilneh -mers, sondern um Gleichschaltung. Ist die Masse erst einmal formatiert,plappert sie alles nach: ob Vaterunser, Heil Hitler oder 99 Luftballons.

So gesehen wirkt die These des Anthropologen Volker Sommer be-ruhigend: «Die Anzahl der Rituale nimmt im Zuge der Individualisie-rung des Menschen zu, auch wenn diese neuen Rituale nicht besonderslanglebig sind.» Anders gesagt: Beten kann man jeden Tag, ein Feuer-lauf aber reicht fürs ganze Leben. ■

«Gemeinschaft bildet sich nicht beim Bestellendes Ackers. Sondern im gemeinsamen Tanz.»

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RitualeDie Sehnsucht nach dem Sinn

INTERVIEW: AMIR ALI

Andrea Pollmann, wie sieht das Morgenri-tual einer Ritualistin aus?Ich beginne meinen Morgen mit Meditation,zusammen mit meinem Mann. Wir haben ei-nen eigenen Raum dafür mit einem kleinenAltar. Danach gehe ich raus auf den Balkonund begrüsse den Tag.

Wie begrüssen Sie den Tag?Indem ich mich bedanke. Dafür, dass ich dasein darf, und für alles, was mir begegnenwird. In Stille mit mir und in Verbindung mitder geistigen Welt.

Welche Bedeutung hat dieses Ritual?Ich gebe dem Tag dadurch einen bewusstenAnfang. Und ich selbst werde mir bewusst,dass es nicht selbstverständlich ist, dass derTag gut anfängt und dass ich in diesem Lebenbegleitet bin von einer göttlichen Kraft, oderwie Sie das auch immer nennen wollen. Mitdieser Kraft baue ich in diesem Ritual eineVerbindung auf.

Ich selbst habe heute Morgen wie jeden Tagden Kaffee aufgesetzt, meine Zeitungen ge-holt und mich damit eine Stunde lang anden Küchentisch gesetzt. Ist das auch einRitual?(lacht) Also für mich gehört bei einem Ritualschon dazu, dass sie sich in Verbindung set-zen mit einer transzendentalen Energie oderKraft. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen.

Es klingt jedenfalls esoterisch.Ich weiss nicht, was genau der Begriff esote-risch alles umfassen soll. Ich glaube, es gibteine göttliche Kraft, und die ist die Grundlagefür ein Ritual. Zeitung lesen und Kaffee trin-ken gibt dem Tag auch eine Struktur. Aber die-se Alltagsrituale stellen keine Verbundenheitmit dieser Kraft her.

Das wäre dann der Unterschied zwischeneinem Ritual und einer Gewohnheit.Genau. Die spirituelle Dimension gehört fürmich bei einem Ritual immer dazu.

Was suchen die Menschen, die zu ihnenkommen?

Wir machen viele Rituale zu bestimmten Über-gängen im Leben. Wenn Paare heiraten und ih-re Bindung zelebrieren wollen. Wenn Kindergebo ren werden, die Schule wechseln, oderwenn sie volljährig werden. Und natürlichTrauerrituale, wenn jemand gegangen ist. DasLeben soll nicht einfach vor sich hinplät-schern, es soll Haltepunkte und Tiefe geben.

Der Mensch erträgt doch einfach die Vor-stellung nicht, dass seine Existenz ein Zu-fall ist und keine tiefere Bedeutung hat. (lacht) Man kann das so sehen, ja. Auf jedenFall hat der Mensch eine Sehnsucht danach,dass das Ganze Sinn macht. Und ich glaube,die Menschen sind zufriedener, wenn sie fürsich den Sinn finden.

Gehen wir dennoch davon aus, dass wir nurdurch Zufall existieren. Dann produziertdas Ritual ja erst den Anschein einer tiefe-ren Bedeutung. Wenn Sie der Ansicht sind, unser Leben habekeine Bedeutung, dann werden Sie auch kaumdas Bedürfnis nach einem Ritual haben. DerWunsch danach kommt ja aus Ihnen selber.Immer weniger Menschen gehen in die Kirche.An Weihnachten aber sind die Gottesdienstevoll, weil die Menschen an Heiligabend etwasBesonderes machen möchten. Die meistenkommen halt nicht auf die Idee, dass man sol-che Rituale auch selber gestalten kann.

Das ist doch ein Widerspruch: Einerseitswendet man sich von der Religion ab, undauf der anderen Seite ...Ich glaube eher, man verabschiedet sich vonder Institution Kirche. Aber die Leute werdennicht alle zu Atheisten, sie wenden sich ein-fach mehr und mehr von der Kirche ab.

Wie entwickeln Sie aus den Wünschen ih-rer Kunden ein Ritual?Zuerst ist da natürlich das Thema für das Ri-tual. Sagen wir, Eltern wollen, dass sich ihrSohn von der Mutter abnabelt, weil er zu starkan ihrem Rockzipfel hängt. Dann überlege ichgemeinsam mit den Eltern, wie wir das sym-bolisch umsetzen können. Wollen wir etwaszerschneiden, zerschlagen oder verbrennen?So übersetzen wir die abstrakte Bedeutung ineine konkrete Handlung.

Die symbolischen Akte, die Sie ansprechen,gibt es auch im ganz profanen Kontext. Wel-che Rolle spielen Rituale in der Gesell-schaft?Nehmen sie Fussballfans, die sich vor demSpiel auf ihre Mannschaft einschwören. Dasgibt Kraft, dem Einzelnen und der Gruppe. Beipolitischen Parteien kann man das auch beo -bachten. Wenn die Sozialdemokraten am Par-teitag die Internationale singen, hat das eineeinigende Wirkung.

Was auch missbraucht werden kann. Stalinund Hitler haben auch mit symbolischenAkten und Ritualen gearbeitet.Das stimmt. Die Kraft, die in einem Ritualsteckt, kann missbraucht werden. Deshalb istes in meinem Kontext wichtig, dass die Teil-nehmer eines Rituals sich selbst sein können.Die Gruppendynamik, die ein Ritual entfaltet,darf nicht dazu führen, dass jemand etwas tut,was er gar nicht will. ■

Was kann ein Ritual? Was suchen wir darin? Ist es die bewusste Gestaltung des Lebens? Oder bloss die Fluchtvor der eigenen Bedeutungslosigkeit? Die diplomierte Ritualgestalterin Andrea Pollmann gibt Auskunft.

Zur Person:Andrea Pollmann, geboren 1965 in Bochum,ist diplomierte Sozialpädagogin, Pflegefach-frau und Mitglied im Leitungsteam der Dar-gebotenen Hand. 2008 schloss sie die drei-jährige Ausbildung zur Ritualgestalterin ander Fachschule für Rituale ab. Zusammenmit ihrem Mann bietet sie Rituale zu ver-schiedenen Anlässen an.

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ge?», gebe ich nicht auf. «Ein Dorf weiter.»«Gut», sage ich. «Die nehm ich!»

Wohnung 5: «Warum lassen die uns antan-zen, wenn das Dachzimmer längst weg ist?»,raste ich aus. «Sind die in der Besenkammeraufgewachsen?!» Patrick zieht mich am Ärmeldavon.

Wohnung 6: Ein Souterrain mit einemWahnsinns-Schattenwurf. «Okay, also das istinspirierend!», wälze ich im Kopf schon die Re-novierung. «Geht aber nicht, das ist zum Kau-fen», nörgelt Patrick leise. »Sie können in Tran-chen zahlen», meint die Besitzerin. «Wegendes süssen Hunds.» «Ehrlich?», freue ich mich.«Sie haben doch das EK?» «Wie viel ähm wäredas?», frage ich. «Zeitungsleute. Haben grad ei-ne kleine Durststrecke», verkrümelt sich Pa-trick hinter einem Regal.

Wohnung 7: «Was haben wir noch nicht ge-sehen? Den Campingplatz?», zieht Patrick einHaarteil aus einem schmuddeligen Sofa. «Dorthabe ich nächsten Samstag ein Termin», ant-worte ich. Patrick schüttelt den Kopf: «Häs -chen, es wird Winter. Wo ist da die Pointe?»«Welche Pointe?», starre ich auf das Haarteil.«Ich sagte: Je ne sais quoi!»

DELIA LENOIR

[email protected]

ILLUSTRATION: IRENE MEIER

([email protected])

Kürzlich auf Wohnungssuche an der Zür-cher Goldküste. «Und was genau willst du?»,drängelt sich mein Kumpel Patrick an vierziganderen vorbei ins Bad. «Ich suche das ‹Je nesais quoi›», kläre ich ihn auf. «Das heisst?»«Lebbar, bezahlbar. Inspirierend! Ähnlich wiebei einem Mann.»

Wohnung 1: «Warum wollen Sie überhauptaus Ihrer Wohnung raus?», tigert der Vermietermisstrauisch in die Küche. «Will ich ja nicht!»,jammere ich. «Ich habe ein komfortfreiesWohn atelier! Hübscher Garten, eigener See -anstoss. Elfhundert im Monat.» «Ist ja ge-schenkt!», grölt der Typ. «Die Mieter würde ichauch rauswerfen!» «Warum handelst du nichtmit Waffen?», liest Patrick ungerührt eine An-leitung für einen Steamer. «Weil das ethischnicht vertretbar ist!» «Ist doch egal! Dannkönntest du diese Wohnung bezahlen!»

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Le mot noirJe ne sais quoi

Wohnung 2: «Sie wollen zu zweit hier woh-nen?», öffnet eine Frau argwöhnisch die Tür.«Er nicht», wehre ich lächelnd ab. «Ein Hund!»«Sie haben einen Hund?» «Ist das ein Pro-blem?» «Wie gross?» «Medium? Extra long?»,schätze ich. «So einer für die Handtasche?»«Im blauen Ikea-Sack kriegt er Platzangst»,säulse ich. «Leider! Die S-Bahn wäre so vielbilliger ...»

Wohnung 3: «Und Sie sind Nichtrauche-rin?» «Natürlich nicht!», versichere ich einerBoh nenstange. «Wir arbeiten dran!», klemmtPatrick ab. «Ja, wir arbeiten am ähm nicht ...rauchen», echoe ich, weil man sich im Lebenbesser entwickelt. «82 Anfragen. Vier kommenin die enge Wahl», informiert die Bohnenstan-ge kalt. «Was bieten Sie mehr?» «Was wollenSie hören?», bin ich verwirrt. «Wie ich demkleinen Mädchen aus Pakistan geholfen habe,lebend übers Bellevue zu kommen und uns einbrasilianischer Taxifahrer zu spät zur Entbin-dung fuhr?» «Sie kann die Treppen reinigen!»,rammt mir Patrick den Ellbogen in die Rippe.«Du reinigst doch die Treppe, Häschen, oder?»«Du willst im Ernst, dass ich einen Staubsau-ger kaufe?», zische ich leise zurück. «Nach die-ser Taxigeschichte?!»

Wohnung 4: «Und was kostet dieses Loch»,würgt Patrick die Klinke zurück in die Tür.«Weiss nicht, 1150?», lüge ich, damit er ein Er-folgserlebnis hat. «2700!», bellt es hinter uns.«Plus 300 Heizung!» «Und gibt es eine Gara-

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KinoRespekt muss sein

VON MICHAEL GASSER

Zwei Jahre sind vergangen, seit Carlos Lealseine Rolle in Michael Steiners «Sennentunt-schi» absolvierte, dennoch weiss er erst seitwenigen Wochen, wie der Film daherkommt.Was den Sohn spanischer Immigranten nichtweiter stört. Für ihn geschehe das Essenziellenoch vor den eigentlichen Dreharbeiten, sagtLeal. «Da gilt es am Skript zu arbeiten, an derFigur, an ihrem Charakter.» Nach dem Shoo-ting ist Schluss, vorerst. «Viel später, wenn ichden fertigen Film dann endlich zu sehen be-komme, muss ich die Geschichte eines Filmsfür mich wie neu entdecken.» Und obwohl er«Sennentuntschi» nach zweimaligem Betrach-ten noch nicht ganz einordnen könne, so gibter sich doch überzeugt, dass der Streifen ge-lungen ist.

Auf seinem erlernten Beruf als Tiefbau-zeichner hat der in Renens aufgewachsene Le-al nie gearbeitet. Nicht einen Tag. «Ich war einRapper und Breakdancer, ich kümmerte michnicht um diesen Job, sondern um Choreogra-fien.» Er und seine Kumpels hatten bloss einsim Sinn: Sie wollten besser sein als die ver-gleichbaren Crews aus Basel oder Solothurn.1990 begründete er Sens Unik mit, die überauserfolgreiche Hip-Hop-Band aus Lausanne, diesich dieses Jahr auf Abschiedstournee begabund ein Best-of-Album herausgab.

Bereits vor zehn Jahren setzte Leal zu ei-nem weiteren Sprung an. Er begann, sein Fachallmählich zu wechseln. Aus einer gewissenDesillusionierung heraus. «Die Hip-Hop-Ge-meinde meint, sie sei wahnsinnig tolerant undoffen. Ist sie aber nicht. Wehe, du trägst die fal-schen Schuhe.» Er wollte nicht mehr länger alsder Secondo namens MC Carlos bekannt sein.Es habe ihn nach Freiheit gedürstet, nach derFreiheit, einen Schwulen in einem deutschenFilm zu spielen. Oder einen Killer in einemspanischen Werk. Um seinen Schauspieltraumzu verwirklichen, zog Leal, der sich in ersterLinie als Europäer sieht, erst nach Paris, späternach Madrid, wo er sich eine Rolle in der TV-

Serie «El Internado» sichern konnte. Und vorwenigen Monaten ist der 41-Jährige, der im vor-letzten James-Bond-Streifen «Casino Royale»einen zwielichtigen Croupier mimen durfte,nach Hollywood umgesiedelt. Die Filmmetro-pole habe ihn vor allem aus Networking-Grün-den angelockt. Aber Leal möchte in Kalifor-nien auch Schauspielunterricht nehmen. «Jetztist der Körper mein Instrument und es heisstihn zu trainieren. Und dabei neue Technikenzu erlernen», sagt Leal. Nur um anzufügen,dass ein Dreh letztlich eben schon viel wichti-ger sei. Noch bekomme er jedoch nicht genü-gend Rollenangebote, um gross wählerischsein zu können. Immerhin hat sich Leal jedochbereits auf eine Position heraufgearbeitet, inder er es sich zwischendurch erlauben kann,Nein zu sagen. So habe er etwa ein sechsmo-natiges Engagement an einem Madrider Thea-ter abgelehnt, es hätte ihn in die falsche Rich-tung getrieben. Weg von möglichen Castings,weg vom Film. Wer mit Leal spricht, spürtschnell, dass hier einer sitzt, der sich nicht mit

kleinen Brötchen zufrieden geben mag. Erfolgwill erreicht sein, nicht mit allen Mitteln, abermit grossem Einsatz. Er steht zu seinem nichtganz kleinen Ego und scheut nicht vor klarenWorten zurück. So sei er bei Dreharbeiten inSpanien einst regelrecht explodiert. «Ich mus-ste, sonst hätte man mich als Schauspielernicht respektiert.»

Mittlerweile ist Leal längst wieder anders-wo. Um genau zu sein in Indien, wo er mit derdeutschen Schauspielerin Hanna Herzsprungvor der Kamera steht. Nachher solls dann aberendlich für längere Zeit nach Hollywood undzu den Schauspielstunden gehen. Was nichtheisst, dass Leal die Musik endgültig abge-schrieben hätte. Für die fernere Zukunft denkter durchaus an ein erstes Soloalbum. «Dochjetzt will ich mich erst einmal als Schauspielerbehaupten.» ■

Carlos Leal ist derzeit als Martin in Michael Steiners

Film «Sennentuntschi» in den Deutschweizer Kinos zu

sehen.

Macht jetzt Filme, Ex-Hip-Hopper Carlos Leal.

Carlos Leal schätzt den Erfolg. Und neue Herausforderungen noch viel mehr. Weshalb er sich für den Momentvon seinem Hip-Hopper-Dasein verabschiedet hat, um sich ganz und gar seiner Schauspielerkarriere und demneuen Wohnort Hollywood widmen zu können.

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Singer/SongwriterinDas eigene Ding

Nach einer mehrmonatigen Auszeit begab sich KT Tunstall er-frischt ins Studio. Von den 78 geschriebenen Songs landeten zwarnur elf auf dem neuen Album «Tiger Suit», die aber zeigen, dass dieSchottin nah am Zenit ihres Schaffens musiziert.

VON MICHAEL GASSER

Plattenfirmen haben immer irgendwelche Ideen. Ob diese etwas taugen,ist allerdings eine ganz andere Frage. Auch das Label von KT Tunstall,Virgin Records, hatte eine Anregung fürs dritte Studioalbum der Schot-tin in petto. «Man schlug vor, dass ich mit Linda Perry zusammenarbei-ten sollte», sagt die 35-Jährige beim Interviewtermin. Und weil sie nichtstets als Musikerin gelten wollte, die alles und jeden abschmettert, sag-te sie zu. «Schon früher versuchte man mich davon zu überzeugen, mitanderen Songschreibern zu arbeiten. Die meisten der Vorgeschlagenenwaren jedoch der pure Hohn.» Doch dieses Mal war Tunstall offen, flog brav nach Los Angeles, miete-te sich ein «ausgeflipptes mexikanisches Appartement» sowie ein Autound machte sich auf den Weg ins Studio der Amerikanerin. Als sie dortein Riesenposter von Led Zeppelin entdeckte, sei sie gleich beruhigt ge-wesen. Perry, deren Songschreiberdienste unter anderen schon von Pinkoder Christina Aguilera in Anspruch genommen wurden, empfahl Tun-stall, sich gefälligst nicht länger um die Meinung anderer zu scheren,sondern ihr eigenes Ding durchzuziehen. Ein befreiender Rat. Die Zu-sammenarbeit mündete in «Madame Trudeau», einem rockigen StückGlam über die frühere Frau des früheren kanadischen Ministerpräsiden-ten Pierre Trudeau. Womit der Auftrag der Plattenfirma erfüllt war. «An-getan sind sie von der Nummer aber nicht. Was mir jedoch völlig egalist», betont Tunstall. Anders als in ihren früheren Arbeiten streift «Tiger Suit» nicht mehr aus-schliesslich durch Singer/Songwriter-Gefilde. Sie habe auf dem Albumprobiert, die Helden ihrer Kindheit, die Elektro-Dance-Band Leftfield,mit den Sounds des Rock’n’Rollers Eddie Cochrane zu vermählen, er-klärt Tunstall. Was ziemlich abenteuerlich klingt. Das Ergebnis ist weni -ger wild als vermutet, aber gleichwohl mehr als hörenswert. Die elf Lie-der sind in ihrem Kern nach wie vor vom Folk geprägt, doch obendraufpackt Tunstall knallige Outfits, die von funky bis poppig reichen. Unddie wie massgeschneidert sitzen. Mit «Tiger Suit» hat es KT Tunstall ge-schafft, all ihre inneren Bremsen zu lösen. Endgültig. KT Tunstall: «Tiger Suit» (Virgin/EMI).

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KT Tunstall lässt den Tiger raus.

Kulturtipps

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BuchArm, aber glücklich?

Was heisst es, in der reichen Schweiz arm zu sein? Der Porträt-band «Basel von unten» eröffnet Einblicke in die Lebensweltenvon Menschen am Rande der Gesellschaft und lässt uns das The-ma Armut aus der Perspektive von Betroffenen wahrnehmen.

VON ALEXANDER JUNGO

Basel verzeichnet unter den Schweizer Kantonen die höchste Quote anSozialhilfeabhängigen. Aufgrund des strukturellen Wandels, so dieknappe Erklärung des Statistischen Amts, seien ungenügend qualifi-zierte Menschen nicht mehr in den regulären Arbeitsmarkt integrierbar.Das Resultat: 6,4 Prozent der Baslerinnen und Basler, rund 12000 Per-sonen, waren im Jahr 2008 auf Sozialhilfe, das «letzte Netz der Sicher-heit», angewiesen. Doch was heisst das für Betroffene im Einzelfall?«Basel von unten», herausgegeben von Mitarbeitenden und Studieren-den des Soziologischen Instituts der Uni Basel, lässt 14 Menschen zuWort kommen, die in der öffentlichen Debatte um Armut und staatlicheAlimentierung nur selten Gehör finden. Asylbewerber, Langzeitarbeits-lose, eine Reinigungsfachfrau und andere Menschen in prekären Arbeits -verhältnissen, Drogenkonsumten, aber auch eine in Schulden gerateneStudentin. Die ausführlichen Porträts versuchen – was nicht immergleich gut gelingt –, die oft wechselhaften Lebensläufe der Protagoni-stinnen und Protagonisten nachzuzeichnen und ein Bild ihres Alltags,ihrer Wünsche, Sorgen und Ängste zu vermitteln. Indem die Autorinnenund Autoren einzelne Schlagwörter im Kontext erläutern, wird auch diegesamtgesellschaftliche Dimension der «Einzelschicksale» einbezogen.«Wenn du deinen Arbeitsplatz verloren hast», sagt der aus Chile stam-mende Juan, «dann kommt alles Schlechte zusammen.» Der Verlust desArbeitsplatzes und die finanziellen Engpässe gehen oft Hand in Handmit privaten Krisen. Scheidungen, Einsamkeit, Depressionen oderSuchtmittelkonsum sind die Schwierigkeiten, mit denen viele der Be-troffenen zusätzlich zu kämpfen haben. Zu den Schamgefühlen überdas eigene Scheitern kommt das Unverständnis einer Gesellschaft, dieden Wert des Einzelnen an seiner Erwerbssituation bemisst. Leuten wieihm, meint etwa der Langzeitartbeitslose Köbi, begegneten viele, alshätten sie eine «ansteckende Krankheit». Obschon manchen Porträts mehr erzählerische Stringenz zu wünschengewesen wäre, leistet «Basel von unten» einen wertvollen Beitrag zumThema Armut. Der Band zeigt auf, dass das Scheitern viele Ursachenkennt und nicht zwingend in der Unfähigkeit des Einzelnen gründet – undauch, wie wenig es oft braucht, um aus der Gesellschaft herauszufallen. Johannes Gruber, Ueli Mäder, Sarah Schilliger et al. (Hg.): Basel von unten,

14 Porträts, 176 S., edition 8 2010.

Perspektivenwechsel in Basel.

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

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werden?

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sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

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Thommen ASIC-Design, Zürich

Coop Genossenschaft, Basel

AnyWeb AG, Zürich

Velo-Oase Bestgen, Baar

Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Institut, Basel

Niederer, Kraft & Frey, Zürich

Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

Kaiser Software GmbH, Bern

Responsability Social Investments AG, Zürich

chefs on fire GmbH, Basel

Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

Scherrer & Partner GmbH, Basel

TYDAC AG, Bern

KIBAG Strassen- und Tiefbau

OTTO’S AG, Sursee

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

Canoo Engineering AG, Basel

Lehner + Tomaselli AG, Zunzgen

fast4meter, storytelling, Bern

Brother (Schweiz) AG, Baden

Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

IBZ Industrie AG, Adliswil

Zeix AG, Zürich

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TanzGetanztes Künstlerleben«Ein Bruchteil einer Sekunde» bringt van Goghs Leben und Werkjenseits der üblichen Klischees und verstärkt durch die mensch-liche Stimme auf die Tanzbühne.

VON MICHÈLE FALLER

Bewegung und Farbe: Diese beiden Komponenten sind auf fast allenLeinwänden zu finden, die Vincent van Gogh bearbeitet hat. Und essind die beiden Komponenten, die für Cathy Sharp den Tanz ausma-chen. In ihren van Gogh-Variationen verarbeitet die Choreografin ihrelangjährige Faszination für den Künstler und dessen Werke zu Tanz-stücken. Das neueste heisst «Ein Bruchteil einer Sekunde».Cathy Sharp ist sehr am Individuum van Gogh interessiert und hat des-sen Briefwechsel mit seinem Bruder Theo schon drei Mal gelesen. Unddoch ist ihre Choreografie nicht biografisch, sondern eher abstrakt: «Ei-ne der fünf Figuren stellt wohl van Gogh dar, aber er wird sich auf derBühne nicht etwa das Ohr abschneiden.» Sharp, die so pointiert eine derhäufigsten Assoziationen mit dem grossen Künstler zum Ausdruckbringt, stört sich daran, das van Gogh häufig auf die Themen Suizidund Ohrabschneiden sowie auf den heutigen finanziellen Wert seinerGemälde reduziert wird. «Er war auch ein gebildeter Mann, der fran-zösisch, deutsch, englisch und holländisch geschrieben hat.» Auch seintrockener Humor und einen intensiven Sinn für Gerechtigkeit hebt dieChoreografin hervor. «Man klappt dieses Buch irgendwo auf, und stösstfast immer auf eine erstaunliche Lebensweisheit.»In einem weissen Bühnenraum bewegen sich fünf Figuren – wie Farben,die in grosszügigen, schnellen Bewegungen auf eine weisse Leinwandgebracht werden. Die drei Männer verkörpern van Gogh, seinen Brudersowie van Goghs Wahnsinn. Eine Japanerin steht für die Faszination,die der Künstler für den japanischen Farbholzschnitt mit seinem un-konventionellen Konzept der Perspektive und seiner Farbintensität hat-te. Die zweite Tänzerin symbolisiert alle Frauen, die van Gogh lieb wa-ren: die Bauersfrau, die unterworfene Frau, die einfache Frau auf derStrasse. Cathy Sharp betont: «Alle Figuren sind ein Teil von ihm.» Ge-nauso wie die humanistischen Ideale van Goghs, die durch einen Schau-spieler auf die Bühne gebracht werden, der Texte aus dem genanntenBriefwechsel spricht. So kommt zu Tanz, Licht und Musik die mensch-liche Stimme im doppelten Wortsinn hinzu.«Ein Bruchteil einer Sekunde», 23., 24., 27. bis 31. Oktober, jeweils 20 Uhr

(Sonntag 19 Uhr), Theater Roxy, Birsfelden/BL, www.theater-roxy.ch

In Obhut oder Bedrängnis? Getanzte Leidenschaft für die Kunst und das Leben.

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Ausgehtipps

BernParadies unter der LupeWir freuen uns, dass das alternative Kulturzentrum Reitschule den Ber-nern erhalten bleibt, und mit ihr das Programm, das immer wieder Ak-tualitäten aufnimmt, Überraschendes und Einmaliges zu bieten hat. Inder Veranstaltungsreihe «Willkommen im Paradies» zur Schweizer Mi-grationspolitik werden in der Rössli-Bar in Zusammenarbeit mit der Or-ganisation Solidarité sans frontières die Hintergründe zur SVP-Aus-schaffungsinitiative, über die am 28. November abgestimmt wird, sowieInfos zu den vorgeschlagenen Verschärfungen im Asyl- und Ausländer-recht von Eveline Widmer-Schlumpf vorgestellt und diskutiert. Das Reit-schulekino nimmt das Thema mit dem Film «La guerre est fini» des inder Schweiz lebenden Mazedoniers Mitko Panov auf: Der Streifen er-zählt die Geschichte eines jungen serbisch-albanischen Lehrers, der auf-grund seiner Volkszugehörigkeit seine Arbeit verliert und mit seiner Fa-milie in die Schweiz flieht. Dieser Einschnitt verändert den liebevollenLehrer und Vater. In der Rolle des Flüchtlings wird er zunehmend ver-ängstigt, verzweifelt und entwurzelt. (juk) «Kriminelle Ausländer oder kriminalisierte Ausländer? Was sagen uns die Kriminal-

statistiken – und wie reagiert die Politik?», Informationsveranstaltung, 27. Oktober,

19.30 Uhr, Rössli Reitschule; «La guerre est fini», Film, 29. Oktober, 20.30 Uhr, Kino,

Reitschule, Bern.

Die Reitschule leistet ihren Beitrag zur Migrations-Diskussion.

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— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 —

Nicht lifestyle-konform, aber glücklich: Regula.

Entrückte Lieder: Nina Nastasia.

Bruno Spoerri, der Special Guest am Shift-Festival.

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Zürich Jeder kennt Regula

Da ist diese Frau: mollig, dicke Brillengläser,Bauchtasche, Strechjeans. Vielleicht haben SieRegula mal in der Migros getroffen? Oder ander Bushaltestelle gesehen? Ehrlich gesagt, ten-diert man ja dazu, sie etwas zu bemitleiden.Oder peinlich berührt wegzuschauen. Schlussdamit! Mit der Wiederaufnahme des Theater-stücks «Regula – Alle Tage sind Alltage» vonund mit Schauspielerin Denise Wintsch gibtswieder Gelegenheit, Regula einmal richtig ken-nen zu lernen. «Regula steht für das Unvermö-gen, für die Verhinderung und das Scheitern ineiner durchökonomisierten Gesellschaft», er-klärt Wintsch – und gibt einer Person, die wiralle zu kennen glauben, ein Gesicht. Was nachschwerer Kost klingt, ist genau das Gegenteil:Regula berührt auf subtile und poetische Weiseund entlässt das Publikum mit einem warmenGefühl in die Stadt hinaus, in der auch Regulazu Hause ist. (mek)«Regula – Alle Tage sind Alltage», 3. und 4. November,

20.30 Uhr, Theater Ticino, Wädenswil; 5. November,

20.30 Uhr, Schauwerk im Haberhaus, Schaffhausen.

www.theater-ticino.ch, www.schauwerk.ch

Zürich/FribourgEin bisschen traurig

«Nina Nastasias Songs umgibt eine melancho-lische Note, ohne dass sie selbstmitleidig klän-gen.» So urteilte der mittlerweile verstorbeneBBC-DJ John Peel über die Musik der New Yor-ker Songwriterin. Das passt zu dieser Frau, dieunter Experten und Musikerkollegen höher imKurs steht als bei der breiten Publikumsmasse.Es scheint ihr recht wohl zu sein in ihrer Ni-sche, wo sie in aller Ruhe an leicht entrücktenLiedern arbeitet, die sie gern in halbdunklerAtmosphäre aufführt. So sphärisch wie andereSongwriterinnen klingt Nastastia nicht, dennproduziert werden ihre Alben regelmässig vonSteve Albini, der für kantige, ungeschönteKlangbilder bekannt ist. Auf dem aktuellenWerk «Outlander» malt ein kleines Orchesterdie Kompositionen aus, für die Tournee wirdaber eine kleine Band reduzierte, intime Ar-rangements präsentieren. Ein bisschen traurigwird es schon, für ausgewachsene Herbstde-pressionen tönt es aber dann doch zu schön.(ash)Nina Nastasia, 2. November, 20 Uhr, Exil, Zürich;

3. November, 20 Uhr, Frison, Fribourg.

Basel Elektro-FundbüroDas Shift-Festival präsentiert sich dieses Jahrals Fundbüro der elektronischen Künste. Unterdem Motto «lost and found» wird in Archivengestöbert, um vergessene Schätze wieder aus-zugraben. Bruno Spoerri, der als Special Guesteingeladen ist, repräsentiert diese Vorgehens-weise optimal: Der Sound-Tüftler und Elek -tromusik-Pionier experimentiert seit den 60er-Jahren mit Tönen und Musik. Nebst der Musikhaben am Shift-Festival auch Film-, Video- undaudiovisuelle Installationen Platz. Für Nach-wuchs-Elektro-Künstler werden zudem Elektro -nik-Bastel-Workshops angeboten. (juk)Shift – Festival der elektronischen Künste,

28. bis 31. Oktober, Veranstaltungsorte: Dreispitz

Areal, Basel, Schaulager, Münchenstein.

Programm und Infos: www.shiftfestival.ch

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Verkäuferporträt«E zwäge Grufti»

AUFGEZEICHNET VON DIANA FREI

«Ich bin mein Leben lang herumzigeunert, viel gereist. Ich bin schonan verschiedenen Orten aufgewachsen. Bei Pflegeeltern, bei den echtenEltern, zuerst im Emmental, dann im Rheintal. Bei einem Bauern warich Verdingbub. Ich habe gelernt, mich anzupassen, aber es ist natürlichfür kein Kind gut, von einem Ort zum andern gebracht zu werden. Mit18 Jahren wurde ich Seemann, ich wollte die Welt sehen. Es war aberdas falsche Schiff dazu, ein Öltanker. Die Reisen waren sehr lang, ange-legt hat man selten und wenn, dann war es in Kuwait oder in Syrien.Viel Spannendes habe ich dort nicht gesehen, wir haben Öl geholt undsind wieder zurückgefahren. Weil der Suezkanal zu war, mussten wirum Afrika herumfahren, das waren lange Seereisen. Wenn ich damalsnicht auf diesem Öltanker gelandet wäre, wäre ich vielleicht heute nochSeemann. Später ging ich nach Zürich. Damals gingen ja alle nach In-dien, und ich wollte auch. Also suchte ich per Inserat Gleichgesinnteund fand jemanden in Zürich. In Zürich dachte ich dann, läck, huere-schön da, und ich blieb hier. Ich habe hier die ganzen Flower-Power-Jah -re mitgemacht. In den 70er-Jahren bin ich zwischen Holland und Zürichhin- und her gereist. Rumgeflippt halt, Drogen ausprobiert. Ich hatteTemporärjobs. Ich rutschte aber immer tiefer in die Drogen und kam inHolland zwei Jahre lang in eine Wohngemeinschaft von Abbé Pierre.Das war auf dem Land, ich habe dort gelebt und gearbeitet. Holländischspreche ich fliessend, Englisch und Spanisch auch. Meine Ex-Frau istMexikanerin, ich war vier Jahre lang in Mexiko. Mitte bis Ende Siebzi-ger hatte ich in Holland dann einen legalen, festen Job bei einer Versi-cherung als Archivar. Anfang der 80er-Jahre ging ich in die USA. Ichwollte an sie Sonne, ich wollte reisen. Dafür habe ich mein legales Ar-beitsverhältnis aufgegeben. Das war dumm. Ich bereute es trotzdemnicht. Kreuz und quer reiste ich durch die USA. Florida, Kalifornien,Washington, sechs Monate quer durch, per Autostopp, ein Grossteil mitGreyhound-Bussen. Ich habe kulturell-spirituelle und soziale Erfahrun-gen gesucht, ich wurde mit der Armut auf der Welt konfrontiert. Heuteverpflanzen die modernen Nomaden ihren Wohnort in ein anderesLand, wo sie den immer gleichen Job weiterführen. Sie kommen mit ih-rem vollen Schiffscontainer an, und der Rest interessiert sie nicht. Ichbin enttäuscht von der heutigen Globalisierung. Für mich war die Frei-heit wichtig. Ich wollte unabhängig sein. Ich wollte einfach nur sein.Das ist mir immer noch wichtig, wichtiger als früher.

Da ich schon seit Jahren Surprise-Verkäufer bin, habe ich eine ArtFestanstellung. SurPlus heisst das Programm. Dazu gehören Beratungs-gespräche mit Sozialarbeitern. Eingeengt fühle ich mich nicht, eher ein-gebunden. Ich gehe an Meetings, an denen wir Verkaufsstrategien dis -kutieren, ich habe bezahlte Ferien und Lohnfortzahlung bei Krankheit.Die Freiheit finde ich ‹on the road›. Sogar in Zürich manchmal, auf dem

Wäre René Senn (59) in den 1960er-Jahren nicht ausgerechnet auf einem Öltanker gelandet, wäre er vielleichtheute noch Seemann. Stattdessen war er ein Leben lang «on the road». Irgendwann ist er zwar in Zürich ange-kommen. Aber es zieht ihn wieder weg. Nach Mexiko zum Beispiel, seiner zweiten Heimat.

Velo. Beim Surprise-Verkauf bin ich selbst verantwortlich. Ich bin einMorgenmuffel. Von mittags bis um 19 Uhr stehe ich am Bahnhof Wiedi -kon oder Enge, sechs Tage die Woche. Da gibt es keine Ausnahme, esgibt ja Stammkunden, die warten. Die Freizeit wird von meiner Musik-sammlung beansprucht. Ich höre mich quer durch, kaufe mir Platten undCDs, putze die Schallplatten, das ist ein zeitaufwendiges Hobby. Mir istes wichtig, in Würde zu altern. Ich würde sagen: Ich bin ‹e zwäge Grufti›.Am Bahnhof sehe ich die Leute vorbeihetzen. Ich beneide die nicht. Ichhabe aufgehört, dem Materialismus nachzurennen. Immer wieder den-ke ich an Mexiko. Die Lebensfreude dort. Die Sonne, die Musik, die Far-ben, das Lebensgefühl. Ich muss auswandern, irgendwann.» ■

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Surprise kümmert sich um Menschen, die we-niger Glück im Leben hatten als andere. Men-schen, die sich aber wieder aufgerappelt habenund ihr Leben in die eigenen Hände nehmenwollen. Mit dem Verkauf des Strassenmaga-zins Surprise überwinden sie ihre soziale Iso-lation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wie-der einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstach-tung und erarbeiten sich aus eigener Kraft ei-nen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassen-verkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

ber. Das verdient Respekt und Unterstützung.Regelmässige Verkaufende werden von Sur -prise-Sozialarbeiterinnen be treut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehörtauch, dass sie von Surprise nach bestandenerProbezeit einen ordentlichen Arbeits vertrag er-halten. Mit der festen Anstellung übernehmendie Surprise-Verkaufenden mehr Verantwor-tung; eine wesentliche Voraussetzung dafür,wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarktzu werden.

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Ausserdem im Förderprogramm SurPlus:

Marika Jonuzi, BaselBob Ekoevi Koulekpato, BaselPeter Gamma, BaselAnja Uehlinger, BadenJera Veraguth, Zürich

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem -verkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit dieChance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

Kurt BrüggerBasel

Andreas Ammann Bern

Marlies Dietiker Olten

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30 SURPRISE 236/10

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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an:Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Gönner-Abo für CHF 260.–

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236/10

Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel,www.strassenmagazin.chGeschäftsführung T +41 61 564 90 63Fred Lauener, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Öffnungszeiten SekretariatMo–Do 9–12 Uhr, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected] T +41 61 564 90 70Reto Aschwanden (verantwortlich), Julia Konstantinidis,Mena Kost, Thomas Oehler (Sekretariat)[email protected] MitarbeitAmir Ali, Annette Boutellier, Michèle Faller, Markus Föhn, Diana Frei, Andrea Ganz, Michael Gasser, Alexander Jungo, Delia Lenoir, Irene Meier, Esther Michel, IsabelMosimann, Detlev Schilke, Isabella Seemann, Udo Theiss,Priska WengerKorrektorat Alexander JungoGestaltungWOMM Werbeagentur AG, BaselDruckAVD GoldachAuflage29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrAnzeigenverkauf T +41 76 325 10 [email protected]

Marketing T +41 61 564 90 61Theres BurgdorferVertrieb T +41 61 564 90 81Smadah Lévy (Leitung)Vertrieb Zürich T +41 44 242 72 11Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, Mobile +41 79 636 46 12 [email protected] Bern T +41 31 332 53 93Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, Mobile +41 79 389 78 [email protected] und Förderung T +41 61 564 90 51Rita Erni Chor/Kultur T +41 61 564 90 40Paloma SelmaStrassensport T +41 61 564 90 10Lavinia Biert Trägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weiseoder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird vonder Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Post-sendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeich-nete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag vonCHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehendeBeträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oderdem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozi-ale Institution. Die Geschäfte werden von derStrassenmagazin Surprise GmbH geführt, dievom gemeinnützigen Verein StrassenmagazinSurprise kontrolliert wird. Surprise ist führen-des Mitglied des Internationalen Netzwerkesder Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glas-gow, Schottland. Derzeit gehören dem Ver-band über 100 Strassenzeitungen in 40 Län-dern an.

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31SURPRISE 236/10

*gemäss MACH Basic 2008-2.

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Seite bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

Gut betucht.Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und vonA bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschieden-farbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

236/10

HerrenCHF 25.–

S M L

Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baum -wolle, für Gross und Klein.

DamenCHF 25.–

M

CHF 20.–XS S

(auch für Kinder)

Alle Preise exkl. Versandkosten.

Badetuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

*gemäss MACH Basic 2008-2.

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Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.Alle Preise exkl. Versandkosten.

236/10

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.–

rot blau schwarz

Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

schwarz rot

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