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Flimmern & Rauschen strassen| feger 1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer www.strassenfeger.org Mit Hartz-IV-Ratgeber! Der Fotograf Harald Hauswald in Farbe Die Paradiese des Ulrich Seidl Armutsmigration Soziale Straßenzeitung Ausgabe 05 März 2013

Ausgabe 5/2013 Flimmern & Rauschen - strassenfeger

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Flimmern & Rauschen, die Ausgabe 5-2013 der Berliner Straßenzeitung strassenfeger!

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Page 1: Ausgabe 5/2013 Flimmern & Rauschen - strassenfeger

Flimmern & Rauschen

strassen|feger1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer

www.strassenfeger.org

Mit Hartz-IV-Ratgeber!

Der Fotograf Harald Hauswald in FarbeDie Paradiese des Ulrich SeidlArmutsmigration

Soziale Straßenzeitung

Ausgabe 05 März 2013

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KulturtippsAus unserer Redaktion 22/23

TitelLomografi en – Mut zur Hässlichkeit 3/4

Der Fotograf Harald Hauswald in Farbe 5/6/7

Photomat – Geistesblitz in Schwarz-Weiß 8/9

„Wunderdroge“ LSD 10

Wir sind die Rolling Stones! 11

Deutsche Kinemathek in Berlin 12

Singen in der Badewanne 13

Das Kino der Verführung 14

Hank Williams: King der Countrymusik 15

Vorletzte SeiteLeserbriefe, Impressum, Vorschau 31

MittendrinVon Kptn Graubär 30

art strassenfegerBerlinale 2013 16/17Die Paradiese des Regisseurs Ulrich Seidl

SportRezension: „Dresden – Wiege des Fußball“ 28

Hartz-IV-RatgeberWeiterhin Probleme mit der Miete 29

Brennpunkt„Schlichtweg nicht vorgesehen“ 20/21Städte und Kommunen sind der Armutszuwanderung nicht mehr gewachsen

AktuellEntdeckungstour im verwunschenen „Spreepark“ 18/19

Piraten auf Selbstfi ndungskurs 25

Der Fotograf Robert Conrad –„Festgehalten“ & 26/27„Zerfall und Abriss“

Die soziale Straßenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob – obdachlose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe! Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des strassenfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Möglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie können selbst entscheiden, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkäufer erhalten einen Verkäuferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist. Der Verein mob e.V. fi nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notübernachtung und den sozialen Treffpunkt „Kaffee Bankrott“ in der Prenzlauer Allee 87. Der Verein erhält keine staatliche Unterstützung. Der Verein beauftragt niemanden, Spenden für das Projekt an der Haustür zu sammeln!

Spenden für die Aktion „Ein Dach über dem Kopf“ bitte an:mob e.V., Bank für Sozialwirtschaft, BLZ: 100 205 00, Kto.: 32838 01

Liebe Leser_innen,

gerade eben ist mein Lieblingsschauspieler Christoph Waltz für seine Rolle als Kopfgeldjäger im Film „Django Unchained“ von Quentin Tarantino in Hollywood mit dem Oscar für den besten Nebendarsteller ausgezeichnet worden. Als Dr. King Schultz hilft er einem befreiten Sklaven in den Jahren vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg dabei, dessen Frau aus den Händen eines ruchlosen Plantagenbesitzers zu befreien. Schon 2010 holte er sich für die Rolle des Hans Landain in

„Inglourious Basterds“ (ebenfalls ein Tarantino-Film) den begehrtesten Filmpreis der Welt ab. Ich fi nde das schon ziemlich cool. Wissen Sie warum? Weil Waltz einfach ein begnadeter, beseelter Schauspieler ist, fernab von aller derzeit so angesagten deutschen Weichgespültheit. Gerne hätte ich „Django Unchained“ als einen der Filme im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale gesehen. Doch leider verirren sich solche großartigen Filme eher selten nach Berlin. Schade!

In dieser Ausgabe lassen wir es wieder einmal tüchtig Flimmern & Rauschen für Sie, liebe Leser_Innen. Dazu haben wir uns in Berlin auf Spurensuche nach spannenden Themen begeben. Gefunden haben wir die Lomographie, die Photomaten, die Kinomathek und den zauber-haften Spreepark im Plänterwald. Außerdem haben wir zwei großartige Fotografen getroffen und mit ihnen über ihre Kunst und ihren Anspruch gesprochen. Harald Hauswald präsentiert sich ganz überraschend mal in Farbe. Robert Conrad berichtet über seinen Einsatz zur Erhaltung historischer Architektur. Ziemlich spannend war auch das Treffen mit dem Regisseur Ulrich Seidl, der zur Berlinale den 3. Teil seiner Paradies-Trilogie und eine Ausstellung präsentierte.

Wir berichten aber auch über ein brennendes soziales Problem – die Armutsmigration in Folge der EU-Erweiterung. Last but not least stellen wir Ihnen ein famoses Buch vor: „Dresden – Wiege des Fußballs“. Tolle Bilder!

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser_Innen, viel Spaß beim Lesen!Andreas Düllick

strassenfeger unpluggedGerry Franke & Julius Conrad, Acoustic Funk 24

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Christoph Waltz gewinnt wieder den OSCAR!

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Mut zur Hässlichkeit Wie die Lomografie beweist, dass mehr zur Fotografie gehört, als immer nur perfekte digitale Bilder zu schießen und dabei noch ganz nebenbei einen neuen Lebensstil etabliert

Mitten im Herzen Berlins, schräg gegenüber dem Fried-

richstadtpalast, befindet sich seit gut vier Jahren ein Wall-fahrtsort für Fotoverrückte, wie man ihn sonst nur von den Apfel-Geschäften der Smartphone-Jünger her kennt. Überall glitzern hier Kameras, hängen Fotostre-cken an den Wänden und breiten sich gigantische Fotowände vor dem Auge des Betrachters aus, die aus unzählbar vielen Lomografien zusammengesetzt sind und die Ausstellungsräume in einer farbenfrohen Vielfalt erstrahlen lassen. Zum ersten von mittlerweile drei „Lomography Gallery-Stores“ in ganz Deutschland pilgern jährlich um die 4.500 Touristen, Interessierte und alte Hasen der noch jungen Lomo-Bewegung.

Die Entstehungsgeschichte der Lomo-FaszinationSeinen Ursprung hat die Bewegung um das Jahr 1990, als eine Gruppe Wiener Studenten auf einen „LOMO Compact Automat“ (LC-A) der Sankt Petersburger Firma Lomo stieß. Diese verliebten sich sofort in die Ergeb-

nisse, die sie in unbefan-gener, spielerischer Weise, teils auch nur mit Schnapp-schüssen aus der Hüfte mit dem Gerät erzielten. Die Motive erstrahlten in tiefen, satten Farben und wurden von der charakteristischen Vignettierung der Kamera umspielt. Klar, dass dieses Novum sofort viele Neider auf sich zog. Dies war die Geburtsstunde einer welt-weiten Community. Lomo-grafen schwören einstimmig auf die altherkömmliche analoge Fototechnik, die ihnen viele Möglichkeiten zur künstlerischen Entfaltung bietet und dazu animiert,

die Umgebung um sich herum auf eine neue, intensive Art und Weise wahrzunehmen.

Berlin wird LomoNatalie Herrmann, selbst begeisterte Hobby-Fotografin, arbeitet seit 2010 als Online-Managerin für „Lomography Deutschland“ und betreut die deutschsprachige Community der Lomografie-Liebhaber im Internet, welche weltweit aus über einer Million Mitgliedern besteht.

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Nalie Herrmann mit einer LC-A vor einer Fotowand

Einige Lomografien

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8 http://www.lomography.de/more/photolabs/212-lomography-gallery-store-berlinLomography Gallery Store BerlinFriedrichstraße 133, 10117 BerlinÖffnungszeiten: Mo - Sa: 12 - 20 UhrTelefon: 030 202 151 62

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„Dabei hebt sich unsere Online-Community von anderen in einem Punkt besonders ab“, erörtert Herrmann, „nämlich im vielfältigen Austausch, der zwischen den engagierten Mitgliedern stattfindet.“ Dieser äußert sich beispielsweise im Lomografie-Online-Magazin, dessen Inhalt von den Mitgliedern selbst erstellt und ebenfalls von Herrmann betreut wird. Hier werden alle möglichen Fototechniken besprochen, gegenseitig Hilfestellungen gegeben und sich rund um das Thema ausge-tauscht.

Die Schönheit des Unvollkommenen Lomografie bietet ein Experimen-tieren mit der Fotografie, das jedem möglich ist. So ist es etwa ein Leich-tes, eine Maske zwischen Filmspule und Linse seiner Kamera einzubauen und so Einfluss auf die Belichtung der Bilder zu nehmen. Man kann aber auch den Film einfach ein zweites Mal benutzen und durch die sogenannte „Doppelbelichtung“ erstaunliche Ergebnisse erzielen, die sich nie völlig planen lassen. Überhaupt ist das Beseitigen von Zufällen, Stö-rungen und anderen Effekten etwas, was für viele Lomografen die perfekt funktionierende Digitalfotografie an Charme hat verlieren lassen. In unserer Zeit, in der alles und jeder perfekt zu funktionieren hat, einfach weil es möglich ist, kann diese Rück-besinnung auf den ungezwungenen Spaß an der Fotografie, der Lust am Leben und der Bewegung sehr entspannend und entschleunigend

wirken. Ein Sinnbild dafür, dass es auch in unserer Zeit möglich sein muss, nicht perfekt zu sein, einfach weil es menschlich ist.

„Es gibt da natürlich auch manche, die das noch etwas weiter auf die Spitze treiben. So kommt es auch schon mal vor, dass ein Community-Mitglied einen Film vor der Entwicklung kocht, einfriert oder in die Spülmaschine

steckt“, berichtet Herrmann, die selbst nicht genug bekommen kann von den vielen Entfaltungsmög-lichkeiten und mittlerweile selbst zwölf Kameras (von Multilinsen-, Unterwasser-, Fischaugen-, Instant- bis hin zu Spinnerkamers, die eine 360-Grad-Aufnahme ermöglichen, ist alles dabei) besitzt.

Interessierte haben die Möglichkeit für zehn Euro in einem der vom Gallery-Store in Berlin angebotenen betreuten Workshops mit einer Lomografie-Kamera selbst um die Häuser zu ziehen und sich nach der Entwicklung des Films von dem Charme dieser Fototechnik verzau-bern zu lassen.

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Info:

Das Copernicus ModellFotowandzeile

Die Diana F+ im Detail Immer und überall dabei

Die originale LC-A

Das Geschäft läuft im Lomo Gallery-Store

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Ein Novum: Der Fotograf Harald Hauswald in FarbeDer Fotograf Harald Hauswald ist ein bekannter Fotograf. Er ist einer der wichtigsten Chronisten der DDR. Hauswald (geb. 1956) kam nach der Ausbildung zum Fotografen 1977 nach Berlin. Er arbeitete in verschiedenen Jobs und ab 1983 als Fotograf für die evangelische Stephanus-Stiftung. Seine Aufnahmen vom DDR-Alltag entstanden alle im Eigenauftrag bzw. ab 1986 auch für westliche Medien. 1989 gehörte er zu den Gründern der Agentur Ostkreuz. 1997 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Im Pressetext zu Hauswalds gerade erschienenem Fotoband „Ferner Osten“ (Fotografien 1986-1990) heißt es: „Wie nahezu alle ostdeutschen Fotorealisten verdankt auch Harald Hauswald seinen Ruf ungeschönten und eindringlichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen.“ Umso mehr erstaunt, dass er – bedingt durch seine

„illegale“ Arbeit für westliche Medien – schon in den letzten Jahren der DDR mehrere tausend Farbaufnahmen machte. Hauswald selbst fand es übrigens eine große Enttäuschung für sich, als er in seiner Stasiakte ein Gutachten über die GEO-Geschichte fand, in dem stand: „Hauswald zeichnet ein düsteres Schwarz-Weiß-Bild der Hauptstadt.“ Dabei war es seine erste Farbfoto-Reportage! strassenfeger-Chefredakteur Andreas Düllick sprach mit Harald Hauswald über den neuen Foto-band, seine Arbeit als Dozent der Kunsthochschule Weissensee und neue Herausforderungen.

strassenfeger: Wann und wo entstanden die Fotos genau?H. H.: Ich hatte damals den Auftrag, für das Magazin GEO die Ostberliner Szene zu fotografieren. Ich hatte dafür über ein Jahr Zeit und soviel Material, dass GEO dann auch andere Fotos von Berlin genommen hat. Dann fragte noch das ZEIT MAGAZIN an, die fanden die Geschichten gut und wollten, dass ich auch für sie was mache. Da habe ich dann zwei freie Geschichten fotografiert, einmal über Datschen und dann auch über die Insel Hiddensee. Und dann bin ich nach dem Mauerfall mit einem Westberliner Journalistenfreund noch durch den Osten gefahren und habe versucht, die Endstimmung dort einzufangen. Ich war im Harz, im Oderbruch, in Halberstadt, in Zittau, Bautzen und Görlitz, auf Hiddensee und am Rand von Berlin.

sf: Du bist ein Fotograf, der immer mit Schwarz-Weiß-Film fotografiert. Wie kam es zu den Farbaufnahmen?Harald Hauswald: Farbe war die Bedingung der GEO. Sie haben mir auch die Diafilme rübergeschleust, und ich bekam sogar Objektive von ihnen. Fotografiert habe ich auf Kodak-Dia und wie in meinen Schwarz-Weiß-Serien Land und Leute porträtiert. Das Witzige an den Farbfotos ist: Man sagt ja immer über die Schwarz-Weiß-Fotos zur DDR, dass da so eine graue Stimmung vorherrscht, diese DDR-Patina, aber bei den Farbfotos ist das ganz genauso. Da ist auch überall so eine Art Grauschleier drüber.

Harald Hauswald in der Ostkreuz-Schule

Kastanienallee, Berlin-Prenzlauer Berg

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lsf: Welche Schwierigkeiten gab es dabei; viele Menschen

möchten nicht fotografiert werden?H. H.: Damals war es nicht so kompliziert wie heute. Es gab zwar auch das Recht am eigenen Bild. Der große Unterschied ist, dass es damals keine Yellowpress gab und die Menschen nicht sofort misstrauisch waren. Sie haben sich eher fotografieren lassen als heute. Obwohl, je weiter man in Richtung Osten fährt, desto leichter ist es noch. Ich war vor drei Jahren in China unterwegs und dort hatte ich so gut wie gar keine Probleme damit. Ich hatte die Kamera immer umgehängt, sodass ich als Fotograf erkennbar war. Die Menschen wussten, dass ich fotografieren will. Und entweder haben sie sich abgeduckt. Ich habe vorher nie gefragt. Ein einziges Mal: Das war in der Lottumstraße, dort lehnte ein Glatzkopf in der Tür und vorne knutscht sich ein junges Pärchen. Da bin ich die Straße hochgelaufen, ich hatte ein Teleobjektiv an der Kamera und habe angefangen zu fotografieren. Doch mit dem Tele gefiel mir das nicht und so habe ich im Über-die-Straße-laufen ein Weitwinkel raufgeschraubt. Doch da wollten die auseinandergehen. Und da habe ich gesagt: Macht mal weiter. Und da haben die sich wieder genauso hingestellt, der Glatzkopf hat genauso skeptisch geguckt, und das Pärchen hat sich innig geküsst... Das war das einzige Foto, wo ich mal eingegriffen habe.

sf: Gab es auch ein Feedback?H. H.: Ja, gerade im Nachgang hat es viel gegeben. Eines meiner bekann-testen Fotos, die drei Leute in der U-Bahn, zwei davon waren Pförtner. Da habe ich vor vier Jahren eine E-Mail von einer Frau aus Süddeutschland bekommen, die hat gefragt, wann ich das Foto gemacht habe. Das wäre ihr 1987 verstorbener Vater. Jetzt habe sie sich das Buch von mir gekauft und nun lebt er indirekt für sie weiter, weil dieses Foto im Buch drin ist.

sf: Was es tatsächlich Dein theoretischer Ansatz, Kollisionen von Anspruch und Wirklichkeit des SED-Staats auf Zelluloid zu bannen?H. H.: Teilweise schon, denn ich habe mich eingesperrt gefühlt in der DDR und wollte Fotos machen, die provozieren, einfach, um mich im Kopf frei zu machen. Das war mein eigentlicher Anreiz. So unter dem Motto, jetzt versuche ich denen ein Schnippchen zu schlagen. Andererseits sind viele Fotos nicht unter dieser Perspektive entstanden. Das war eher, loslatschen und neugierig sein. Was mich interessiert hat, das waren Räume in der Stadt und wie sich Menschen in diesen Räumen begegnen oder auch nicht begegnen, miteinander kommunizieren oder auch nicht. Ganz wichtig ist für mich auch die Grafik eines Fotos und der Inhalt muss natürlich stimmen.

sf: Christoph Dieckmann schreibt im Vorwort zum Buch: „Oft zeigte er Schattengeschöpfe des Lebens, doch er schoss die Menschen nicht ab.“ Wie müssen wir das verstehen? Wie hast Du damals gearbeitet?H. H.: Ich habe schon immer Respekt vor Menschen gehabt. Deshalb habe ich immer versucht, meine Neugier so einzusetzen, dass ich sie nicht verletze in meinen Fotos, das war mir ganz wichtig. Du läufst den ganzen Tag wie durch einen Film, als Fotograf hältst den Film dann mal an. Dann versuchst Du eine Geschichte zu erzählen, und zwar so, dass ein anderer sie auch versteht. Aber so, dass du nicht in eine Verletzungsebene für den Porträtierten gehst.

sf: Dieckmann sagt auch: „Seinen Spott reservierte er für die Narrheit und den Pomp der Macht.“ War das so?H. H.: Na ja, am 1. Mai diese Aufmärsche und diese Massenaufläufe der FDJ usw., die fand ich extrem schlimm, weil, diese Bilder kannte man ja aus dem Regime davor und die haben den gleichen Mist weitergemacht, das fand ich schon sehr eklig. Dass ein Staat seine Macht auf so eine Art und Weise demonstrieren muss, dass fand ich unangemessen und das habe ich versucht in meinen Fotos zu zeigen.

sf: Blieb Dir als Bürger der DDR und gleichzeitig auch als der Chronist ihres Untergangs nichts weiter übrig, als das Ganze mit Sarkasmus zu verarbeiten?H. H.: Sarkasmus - das war mein Selbstschutz. Ich musste da irgend-wie ironisch rangehen an die Sachen, die man ablehnt. Entweder Du zerbrichst an diesen Sachen oder du belächelst es. Anders ging es für mich nicht.

sf: Hat Mathias Bertram die Fotos allein ausgewählt oder habt Ihr das gemeinsam getan?H. H.: Bertram hat eine Vorauswahl gemacht und dann haben wir sie uns gemeinsam angeschaut. Ich war dann einerseits überrascht, dass das so viel Material dabei war, an das ich mich gar nicht mehr so erinnerte, und dann finde ich, hat er das auch wirklich sehr gut gemacht. Er hat übrigens auch eine ganz tolle Auswahl gemacht für das neue Schwarz-Weiß-Buch von mir, das im Sommer erscheint, parallel zu einer großen Fotoausstellung im Leonardi-Museum in Dresden. Ich lasse mich bei solchen Projekten auch immer überraschen, ich finde es gut festzustellen, wie andere Menschen mein Material sehen. Deshalb bin ich dabei immer sehr offen. Außerdem habe ich genügend Ausstellungen, für die ich selbst die Auswahl treffen muss, welche Fotos ich an die Wand hänge.

FDJ-Ordner bei einem Konzert auf der Weberwiese, Berlin-Friedrichshain

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„Ferner Osten“ von Harald Hauswald, 176 Seiten mit 155 Farbfotografien, 29,90 Euro, erscheint im März 2013 im Lehmstedt Verlag Leipzig

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So ist es immer sehr erfrischend eine andere Sicht auf die eigenen Arbeiten zu bekommen.

sf: Hast Du ein Foto, das Dir ganz besonders wichtig ist?H. H.: Na ich finde das Titelbild des Buches schon ganz schön. Es war ja damals auch als halbsei-tiges Foto in der GEO. Weil, der Blick von dem alten Mann, der sagt einfach unheimlich viel aus. Und ansonsten finde ich es schon sehr überraschend, was da alles zusammengekommen ist. Und das wird schon für viele Menschen, die sich das Buch dann anschauen werden, sehr überraschend: Hauswald in Farbe.

sf: Warum gerade dieser Titel des Buches – „Ferner Osten“?H. H.: Der stammt vom Verleger Mark Lehmstedt. Der ist ja für solche Buchtitel bekannt. Nimm das erste Buch von Roger Melis „Stilles Land“, das ist ja eine ähnliche Schiene. Und mal ganz ehrlich, ich hätte auch gar nicht überlegen wollen, wie das Buch heißt. Da bin ich ihm schon sehr dankbar, dass er mir das abgenommen hat.

sf: Du hast in diesem Jahr erstmals als Dozent für die Kunsthochschule Weissensee gearbeitet? H. H.: Mich hat ein Professor angefragt. Ich war ein wenig verblüfft, weil man ja normalerweise ein Diplom dafür benötigt und das habe ich nicht. Aber er hat sozusagen meine Biografie als Referenz genommen. Die Arbeit ist in der vergangenen Woche zu Ende gegangen, und es hat mir riesigen Spaß gemacht. Und einer der Studenten macht seinen Bachelor und ist am 21. Februar für vier Monate nach Australien geflogen. Dort will er fotografieren, und er wird mir die Fotos schicken, denn ich soll seine Bachelorarbeit begleiten. Das macht mich schon sehr stolz.

sf: Wie lief die Zusammenarbeit?H. H.: Was willst du im Februar fotografieren? Willst Du mit 14 Studenten über den Alexanderplatz wackeln und als Touristengruppe auftreten? Öffentliche Feste etc. gab es gerade nicht. Also habe ich überlegt, was wir machen. Viele von den Studenten sind ja ganz frisch in Berlin. Ich erinnerte mich daran, wie es mir ging, als ich nach Berlin kam. Ich habe mich oft einfach in die Straßenbahn gesetzt und bin irgendwohin gefahren, um mal zu gucken, wie dehnt sich Berlin aus, wie verändert sich‘s, wie sehen die Ecken dort aus im Vergleichzu denen, die ich schon kannte. Deswegen wollte ich, dass sie am Montag von der Weltzeituhr aus in eine Ecke fahren, wo sie vorher noch nicht waren, um die Stadt für sich zu erkunden. Sie durften auf dem Weg dorthin fotografieren, an den Endstationen, den Bahnhöfen oder dem Ortsteil. Danach sind wir in die Dunkelkammer und haben die Fotos entwickelt, uns angeschaut und ausgewertet. Eine Woche später haben wir noch mal genau das Gleiche gemacht. Ich wollte sehen, wie sie beim zweiten Mal anders fotografieren. Und bei den allermeisten war eine deutliche Qualitätssteigerung zu spüren. Beim ersten Mal haben sie nur Gebäude fotografiert. Die meisten haben sich dann auch an Menschen rangetraut. Wir haben die Arbeiten von jedem im Seminarraum an die Wand gehängt und diskutiert. Zum Tag der Offenen Tür in der Kunst-hochschule im Juli wird noch mal alles gezeigt.

sf: Du bist Gründungsmitglied der berühmten Fotoagentur OSTKREUZ. Was bedeutet Dir das?H. H.: Das ist ein Stück Heimat. Wir haben damals überlegt, eine kleine, aber feine Agentur zu gründen, in der es vor allem menschlich stimmt. Wichtig war uns, den ständigen Austausch über Fotografie beizube-halten. Und – es gibt bei uns keinen Futterneid. Im Gegenteil, wenn ein Ostkreuz-Kollege eine große Ausstellung hat oder eine Reportage veröffentlicht, dann freuen wir uns alle. Weil, dort steht ja dann Ostkreuz. Und dann auch das gemeinsame Arbeiten an Projekten: Immer zu einem fünfjährigen Geburtstag machen wir ein großes Projekt, meist gemein-sam mit dem Goetheinstitut, das ist dann eine Wanderausstellung, die weltweit gezeigt wird. Das ist eine tolle Sache, dass man nicht nur als Einzelkämpfer unterwegs sein muss.

sf: Woran arbeitest Du gerade? Farbe oder Schwarz-Weiß?H. H.: Das ist eine ganz witzige Sache. Ich habe 1984 mit dem Lyriker und Journalisten Rüdiger Rosenthal (kommt aus Boizenburg/Elbe) eine Elbreise gemacht von Bad Schandau bis Boitzenburg. Daraus wurde damals eine Ausstellung, und die Band „YATRA“ aus Dresden hat dazu den zwanzigminütigen Song „Die Elbe“ gemacht. Einer der Musiker, Peter „Kuno“ Kühnel, der hat später in der Nina-Hagen-Band gespielt, der ist zu DDR-Zeiten ausgereist und hat sich vor drei Jahren wieder bei mir gemeldet und meinte, die Elbe-Geschichte wäre eine schöne Sache. Er macht jetzt große Projekte, war u.a. Produzent des Multimedia-Spektakels „Nietzsche – Wo hin geh‘n wir“, das 1995 auf-geführt im ehemaligen „Panzerhof“ aufgeführt wurde. Nun will er das Großspectaculum „ZEITSTROM – ELBE“ mit Sinfonieorchester, Gesangs-

und Instrumentalsolisten, Rap, Turntable, Tanzensemble und Großprojektion machen. Ich habe dafür ein Stipendium von der VG Bild-Kunst bekommen und fahre in diesem Jahr die Elbe ab und fotografiere dafür. Ansonsten kümmere ich mich um mein Archiv. Dort warten 5.000 nicht sortierte Schwarz-Weiß-Filme auf mich. Das ist eine große Herausforderung. n

Infos:

Teutoburger Platz, Berlin-Prenzlauer Berg

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l Geistesblitz in Schwarz - Weiß

Wer hätte gedacht, dass in Zeiten digitaler Handyfotografie ausge-rechnet uralte Fotoautomaten für

Schwarz-Weiß-Bilder die Aufmerksamkeit von Jung und Alt auf sich ziehen? Asger Doenst und Ole Kretschmann stellen seit 2004 genau diese Kabinen in freie Ecken Berlins – weil sie selbst davon begeistert sind.

„Zurzeit müssten es so um die zwanzig sein“, sagt Asger Doenst. Der Plan auf der Website photoautomat.de sollte zwar immer recht aktuell sein. So ganz sicher ist sich Asger jedoch nicht. „Das ändert sich ab und zu, weil ein Standort wegfällt und wir einen neuen suchen müssen.“ Die kleinen Kabinen brauchen nur wenige Quadratmeter Platz. Trotzdem muss man die in Berlin erst mal finden. Und dann mieten. Oftmals muss ein Automat einer Baustelle weichen. So zum Beispiel in der Kastanienallee, wo lange Zeit einer der historischen Fotoapparate stand und auch gut besucht war. Irgendwie gehörte er schon zum Straßenbild, nun ist er weg.

In der Schönhauser Allee gibt es gleich drei Stück. Am unteren Ende, kurz vor der Kreuzung zur Torstraße stehen trotz der Kälte zwei junge Frauen vor einem Automaten. Sie warten darauf, dass das Gerät den neuen Streifen ausspuckt. Bis zu fünf Minuten kann das dauern. In der Hand hält Juliane ein ganzes Bündel der länglichen Abzüge. „Immer wenn wir in Berlin sind, gehen wir in einen Fotoauto-

maten“, erzählt sie. „Wir haben schon über 70 Strecken. Wann immer wir einkaufen gehen, in einem der Ramschläden zum Beispiel, überlegen wir, ob etwas gut im Fotoautomaten aussehen würde.“ Ihre Freundin Thea stimmt zu: „Wir setzen uns gerne mit Kostümen und Perücken in die Automaten. Zu zweit ist das kein Problem. Wir haben uns aber auch schon zu fünft oder sechst reingezwängt.“

Juliane studiert Kommunikationsdesign und interessiert sich für Fotografie. „Ich habe mit analoger Fotografie angefangen und ein bisschen rumgespielt, auch mit Lomografie und verschiedenen Film- und Entwicklungsarten. Ein Freund hat mich überredet, mich mal in einen Fotoautomaten zu setzen. Damit ging es los.“

Aber was ist das Faszinierende daran, in Zeiten, wo jeder ein Telefon mit Kamera bei sich hat? „Die Überraschung“, sagt Juliane. „Man weiß nicht, was dabei rauskommt. Es geht schnell und jede Strecke ist einzigartig, weil es kein Negativ davon gibt.“ Auch für Thea ist die spannende Erwartung dabei wichtig: „Man zieht Fratzen und will wissen, ob sie gut geworden sind, ob die Qualität gut ist und der Automat gerade gut eingestellt ist, damit man vernünftige Bilder erhält.“

Juliane zeigt auf zwei dunklere Streifen. „Die haben wir an einem anderen Automaten gemacht, wo die Chemie wohl anders gemischt ist. Vielleicht liegt es am Fixierer. Das Alter der Automaten hat einen unglaublichen Charme. Manchmal sind die Bilder am Rand etwas aus-

Eine ganz besondere Art Fotoautomaten ziert seit neun Jahren das Stadtbild Berlins

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gefranst. Die modernen Farbautomaten sind doch langweilig.“ Thea nickt: „Da könnte man sich gleich eine Digicam nehmen und selbst fotografieren. Außerdem ist das matte Papier dieser Automaten schöner als das glatte, glänzende der modernen Farbautomaten.“

„Dass Bilder manchmal heller oder dunkler belichtet sind, hat etwas mit den Tempe-raturschwankungen zu tun“, erklärt Ole Kretschmann. Überhaupt spielen mehrere Aspekte eine Rolle, die die Bilder besonders machen und sie von anderen Automaten unterschei-den: Die Optik, das Papier, der analoge Prozess. Apropos analog, wo die Kretschmann/Doenst GbR für die Bestückung der Automaten all die Materialien herbekommt, bleibt Betriebsgeheimnis. Wenn selbst ehemals große Firmen der Analogfotografie wie Kodak Abschied von der alten Technik nehmen, dürfte es immer schwieriger und damit teurer werden, authentisches Material und Bauteile zu bekommen. Seit bald zehn Jahren kostet ein Viererstreifen nur zwei Euro. „Und das bleibt auch so“, versichert Ole. Die beiden sehen das weiterhin als künstlerisches Projekt und wollen kein kommerzielles Franchiseunternehmen daraus machen. Deshalb werden auch die Automaten in den anderen Städten, Hamburg, Köln und Leipzig, sowie Wien, Florenz und London, von Bekannten und Freunden gewartet.

Aus der Not heraus geboren, hat sich das Projekt längst als erfolgreich etabliert und ist ein Vollzeitjob. Doch Doenst und Kretschmann sind weiterhin in ihren eigentlichen Berufen tätig, Kameramann und Dreh-buchautor. Es gab eine Zeit, da lief es nicht so gut. Man schlug sich mit Mini- und Ausbeuterjobs rum, die entweder kein Geld einbrachten oder nichts mit dem gelernten Beruf zu tun hatten. „Ich war froh, Geld vom Amt bekommen zu können, als ich mich in einer Lebensphase befand, in der ich nicht als Autor und Selbstständiger auf eigenen Beinen stehen konnte. Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, die es zu bewahren und schützen lohnt“, sagt Ole. „Der Erfolg von Photoautomat war unerwartet und entspringt meinem Bestreben, immer wieder Neues auszuprobieren.“ So ein neues Projekt gibt es. Diesmal digital: „KluuU.com ist ein von mir erfundenes Netzwerk, das es Menschen erlaubt, voneinander zu lernen, sich auszutauschen und zu unterstützen und auf Wunsch mit ihrem Wissen sogar Geld zu verdienen.“ Auf der Website sind Gespräche und Chats mit Video möglich, virtuelle Expertentreffen, gewissermaßen. Auch zum Photoautomaten gibt es einen regelmäßigen Stammtisch.

Die Schönhauser Allee noch ein Stück runter und über die Torstraße. Direkt gegenüber einem großen Hostel steht noch ein Photoautomat. Vielleicht nicht mehr lange, denn dahinter tut sich schon eine Baustelle auf. Zwei Kunststudentinnen aus England warten auf den zweiten Streifen Bilder. „Unser Rückflug geht gleich, aber das wollten wir noch mitnehmen. Wir nutzen immer dieselben drei Automaten, wenn wir in Berlin sind.“ Dass auch in London zwei solche Automaten stehen wussten die beiden nicht und schreiben sich schnell die Internetadresse auf: 8 www.photoautomat.de.

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Links Thea, rechts Juliane Zwei Kunststudentinnen aus England

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„Wunderdroge“ LSD – zwischen fantastischem Rausch und HöllentripAlbert Hofmann verhalf einer ganzen Generation zu mehr Bewusstheit

Vor 75 Jahren hatte der Schweizer Albert Hof-mann als Mitarbeiter des

Forschungslaboratoriums der Firma Sandoz bei Versuchen mit Mutterkorn-Alkaloiden das Lysergsäurediäthylamid (Laborbezeichnung LSD-25) hergestellt. LSD-25, ursprüng-lich als Kreislaufmittel gedacht, kam allerdings über die Testphase nicht hinaus. Eine fünf Jahre später wiederholte Synthese mit anschließenden Selbstversuchen hingegen löste überraschende Nebenwir-kungen aus. Hofmann berich-tete in diesem Zusammenhang von einem rauschartigen Zustand mit „fantastischen Bildern von außerordentlicher Plastizität“. Eine winzige Menge der Substanz, die er über die Haut aufgenommen hatte, ließen ihn das unge-heure Potential dieses neuen Wirkstoffs erkennen.

Was Hofmann allerdings in seinem zweiten Selbstversuch erlebte, wird später von ihm als „Höllentrip“ bezeichnet. Seine Außenwelt verzerrte sich mit einmal ins Groteske, ein Dämon drang in sein Bewusstsein ein und löste Todesängste aus. In dieser Situation habe er nicht die Wun-derdroge LSD gesucht, sondern sie sei „zu ihm gekommen“. Hofmann projizierte subjektive Gefühle und Gedanken auf die Umgebung und umgekehrt. Entscheidender aber war die Tatsache, dass Hofmann aus Unerfahrenheit die Dosis zu hoch angesetzt hatte.

Als Wissenschaftler widmete er sich zeit seines Lebens der Erforschung des LSD. Er wurde übrigens, wie sein mit ihm tief verbundener Freund der Naturphilosoph Ernst Jünger, 102 Jahre alt. Hinsichtlich seines Weltbildes finde ich das Vorwort zu seinem Buch „LSD – mein Sorgenkind“ aufschlussreich. Er beschreibt seine erste spirituelle Erfahrung, die er als Jugendlicher beim Wandern erlebte. Damals scheute er sich noch über dieses Schlüsselerlebnis zu sprechen, weil es nicht in die Alltagswirklichkeit passte und sich einer verstandesgemäßen Erklärung entzog. „Während ich durch den frisch ergrünten, von der Morgensonne durchstrahlten, von Vogelsang erfüllten Wald dahinschlenderte, erschien auf einmal alles in einem ungewöhnlich klaren Licht. ... Ich sah plötzlich den Frühlingswald, wie er wirklich war, mich durchströmte ein unbe-schreibliches Glücksgefühl der Zugehörigkeit und seligen Geborgenheit.“

Wer heute auf die 60 Jahre zugeht, hat nicht selten in den 70ern LSD zu sich genommen und weiß von ähnlichen Glücksmomenten zu berichten. Der überwiegende Teil der sogenannten „Acid-Heads“ von damals hat sich dabei selbst ein wenig gefunden und kam ohne weitere Folgeerkrankung davon. LSD hat kein Suchtpotenzial. Stanislav Grof, der mehrere tausend Drogenerfahrungen untersucht hat, die im Rahmen von psychologischer Betreuung stattfanden, konzentrierte sich auf das

auftauchende „psychische Material“, das sich mit der Einnahme von LSD eröffnete. Auf diesem Weg konnten mit LSD erzeugte traumartige Zustände gleichzeitig intellektuell bearbeitet und bei erhaltenem Bewusstsein mit dem behandelnden Arzt kommuniziert werden. Darüber hinaus kann LSD offenbar auch bei der Bewältigung von Alkoholsucht helfen. Forscher haben jetzt Studien aus den sechziger und siebziger Jahren ausgewertet und sind dabei auf erstaunliche, in Vergessenheit geratene Erkenntnisse gestoßen. (s. a. Markus Becker, Spiegel online 09.03.2012).

Albert Hofmann bemerkte einst zu seiner Entdeckung: „Durch die enorme Verstärkung unserer Sinne, sehen wir die Welt anders... können wir hinter die oberflächlichen Dinge schauen“. Dennoch, oder gerade deshalb: Die umstrittene Wirkung des LDS führte schließlich zum Verbot. Es gilt bis heute als illegal, was die weitere Erforschung vom Nutzen dieser Droge erschwert.

Hoffmann hatte damals wohl schon geahnt, welch „Wunderdroge“ er erfand. Es heißt, dass ihn die gesellschaftlichen Folgen seines Selbst-versuchs ein Leben lang belastet haben. In „LSD – mein Sorgenkind“ geht er allerdings auch auf die Kultur und Wirkung verwandter Drogen wie Psilocybin und Meskalin ein. Überliefert ist von den indianischen Kulturen zum Beispiel die kollektive Erfahrung des Rausches, die u.a. in enger Beziehung zur mystischen Weltüberwindung, Meditation und Inspiration, zum Sterben und Werden steht. In unserer materialistischen Kultur ist der Rausch eher mit schädlichen Konsum, Verboten und Tabus verknüpft. Keine guten Voraussetzungen für einen bewussteren Umgang mit dem hierzulande strittigen Recht auf Rausch.

n Andreas Petersstrassen|feger

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Mandelbrot-Menge mit Apfelmännchen

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11Wir sind die Rolling Stones! Ein bisschen Trouble unter uns gehört halt zum Business.

Inzwischen plane und verwirkliche ich regelmäßig, die eine oder andere Radi-osendung abseits eines Studios, dafür aber vor dem Kaminfeuer auf meinem heimischen Sofa. Wie jeder Radio-DJ und Moderator träume auch ich davon, die eine oder andere meiner Ikonen in meinem Wohnzimmer begrüßen zu können. Am vergangenen Wochenende wurde einer dieser Träume gefühlte Realität. Auf dem Tisch standen aus-schließlich Wasserflaschen, drum herum saßen und bedienten sich die vier Herren der rollenden Steine. Keith Richards, Ron Wood, Charlie Watts und nicht zuletzt ein entspannter Mick Jagger. In meinem Kopf entstand eine kurze und launige Plauderei.

Guido Fahrendholz: „Ihr beide kennt Euch nun schon seit mehr als 50 Jahren, habt sogar gemeinsam die Schulbank gedrückt und doch bezeichnest Du Keith den Mick als einen Powerfreak und Wahnsinnigen, während Du Mick Keith’s Biographie mit den Worten kommentiertest: „Um eine Biografie zu schreiben, muss man doch erst einmal in der Lage sein, sich an sein Leben zu erinnern!“

Mick Jagger: „Ehrlich gesagt waren wir ja, auch gerade in der Anfangszeit der Band, beide keine Unschuldslämmer. Diese oftmals gnadenlose Kreati-vität der jungen Jahre, ist zu einem großen Teil auch einer naiven Trennung von Intelligenz, Bewusstsein und Seele geschuldet…“ Keith Richards (fällt ihm ins Wort): „Was für ein Bullshit! Naive Trennung von Bewusstsein und Körper. Hey man, diese Aura kriegt man nicht beim Yoga, wir haben gedrückt was durch eine Nadel passt, geraucht was in Glut aufgeht und fast jede brennbare Flüssigkeit gesoffen bis wir selbst zum Sex zu down waren.“

An mich gerichtet schiebt er nach: „Kannst Du Dir alles ansehen, in dem Film „Cocksucker Blues“ von Robert Franks. Mick konnte zwar bis auf wenige Ausnahmen jährlich, die breite Veröffentlichung dieser Dokumentation gerichtlich untersagen lassen, aber die Ironie des Schicksals daran ist, er selbst hatte das Werk ursprünglich in Auftrag gegeben.“

In diesem Moment blinzeln sich diese alten Haudegen kurz von der Seite zu und ein grinsender Mick Jagger ergänzt: „Ich wollte damit ja auch nur sagen, wir sind die Rolling Stones und ein bisschen Trouble unter uns gehört halt zum Business. Aber manchmal hätte es auch echt böse ausgehen können, wenn Ian nicht gewesen wäre.“ (gemeint ist Ian Stewart, eigent-lich Gründungsmitglied der Rolling Stones und trotz seines Ausstiegs 1963, bis zu seinem unerwarteten Tod 1985 Roadmanager, Studio- und Tourneepianist der Stones, sowie enger Freund von Jagger und Richards und gemeinsam mit Ron Wood vermittelnder Ruhepol zwischen den beiden Streithähnen, Anm. d. Red.)

G. F.: Bei all den ganzen öffentlichen Storys über Euch wird oftmals vollkommen übersehen, dass auch die Rolling Stones ein Leben abseits der Bühne führen. Eventuell nicht ganz so normal, aber doch mit Fami-lien und all ihren bewegenden Momenten. Ron, Du bist vor wenigen Tagen zum wiederholten Mal Opa geworden und darüber hinaus auch eine Art Feingeist der Band.

Ron Wood: „Ja großartig, oder?! Mein Sohn Jesse und seine Freundin Fearne haben noch mal nachgelegt. Insgesamt sind es damit bereits sechs Enkel und wer weiß, wahrscheinlich haben meine drei Kinder ihre Familienplanung noch immer nicht abgeschlossen, arbeiten fleißig an der Wood’s-Dynastie.“

Dabei lächelt der Stolz aus jeder Falte seines 65 Jahre alten Rock’n’ Roller-Gesichts, bevor er weiter erzählt. „Zum Feingeist wurde ich ja fast von den anderen drei Herrschaften hier gezwungen. Wie wohl jeder weiß, war ich von 1975 bis 1993 nur angestelltes Bandmitglied mit einem festen Monatsgehalt ohne Gewinnbeteiligung. Bei unserem ausschweifenden Lebensstil und den ewigen Touren war es nur eine Frage der Zeit, wann ich mir einen Nebenjob hätte suchen müssen. Putzen kann ich nicht, aber malen seit Kindesbeinen, und das geht auch noch von Zuhause aus. Meine Bilder wurden gekauft, erst nur ein paar und dann immer mehr. Nun bin ich aber als Gitarrist auch nicht so übel und bevor mein Nebenverdienst lukrativer werden konnte als mein tarifloser Arbeitsvertrag, sicherten sich Keith, Mick und Charlie meine zukünftige Bandtreue mit einer Bandvoll-mitgliedschaft und der längst überfälligen Gewinnbeteiligung.“

Darauf murmelt Keith etwas von: „Starker Schachzug und meine Idee!“, während seine Ohren Besuch bekommen.

G. F.: Charlie, nach Toby Dammit von den Stooges, Bela B und dem legendären Earl Harvin, um nur einige zu nennen, kaufst Du inzwi-schen ebenfalls Teile Deines Equipment in Berlin bei Udo Masshoff.

Charlie Watts: „Oh ja, das war einer meiner besten Einfälle. Udo ist ein echter Freund und war schon als Studio- und Session-Musiker unglaublich. Er stand auf Bryan Adams Bühne, neben Sting heizte er den Rock am Ring richtig ein, Iggy und seine Stooges sind regelmäßig in seinen Katakomben. Als Ersatzdrummer lud er sich mal innerhalb von 24 Stunden das komplette Tourneeprogramm von „Tito & Tarantula“ drauf. Inzwischen ist er etwas ruhiger geworden und baut richtig gute Schlagzeug-Unikate. Kommst du nach Germany für ein paar Gigs genügt ein Anruf bei ihm und am Tag deines Auftritts steht ein perfekt auf dich abgestimmtes Drum-Set auf der Bühne. Also hab ich bei ihm erst mal eine Snare-Drum bestellt. Was soll ich Dir sagen, am Liefertermin baue ich also das Ding auf und glaub ich sehe nicht richtig. Keine Ahnung woher der Kerl wusste, dass ich auf der Bühne immer meine gelb geringelte Tourneesocken trage, jedenfalls hat er die Innenseite der Snare genau in diesen Farben lackiert.“ Darauf schmunzeln alle vier Bandmitglieder. Charlie fährt fort: „Selbst das Innenfutter des Case hat er in diesen Farben genäht.“ Aber hiernach brechen alle in lautes Gelächter aus.

Leider war dieser gemeinschaftliche Lachanfall dann wohl doch zu laut für meinen leichten Schlaf. Ein verschlafener Blick in die Runde, niemand saß mehr auf der Couch, das Feuer war runter gebrannt und auf meinem Tisch stand nur eine halbvolle Flasche Wasser. Jetzt musste ich grinsen, über einen wunderbaren Traum.

n Guido Fahrendholz

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Rollende Steine entspannt im Wohnzimmer

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Deutsche Kinemathek – Museum für Film und FernsehenDie Deutsche Kinemathek ist eine Stiftung, die sich die Dokumenta-

tion der Geschichte von Film und Fernsehen, die Verbreitung und Vertiefung des Interesses und Verständnisses dieser Medien durch

Publikationen, Ausstellungen und Veranstaltungen sowie die Förderung der wissenschaftlichen und pädagogischen Auseinandersetzung mit ihnen zum Ziel gesetzt hat. Sie feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag.

Das Zentrum für Freunde von Film und Fernsehen findet sich in zentraler Lage im Filmhaus am pulsierenden Potsdamer Platz mit Nachbarn wie der Deutschen Film- und Fernsehakademie und dem Kino Arsenal, einem Kino, in welchem unabhängige und experimentelle Filme gezeigt werden.

Zur Deutschen Kinemathek gehören ein Filmarchiv, eine ständige Ausstellung über die deutsche Film- und Fernsehgeschichte, die größte wissenschaftliche Spezialbibliothek sowie eine Sammlung verschie-denster Dinge, die mit Film und Fernsehen im Zusammenhang stehen. In der Kinemathek wird seit ihrer Gründung nicht nur alles gesammelt, was mit Film und Fernsehen zu tun hat, sondern sich auch der Erhaltung für die Zukunft gewidmet. Es werden filmhistorisch bedeutsame Filme rekonstruiert und restauriert.

ArchivIm Archiv der Kinemathek sind etwa 13.000 deutsche und ausländische Stumm- und Tonfilme mit dem Schwerpunkt Avantgarde-, Experimen-tal- und Dokumentarfilme von 1895 bis heute zu finden. Gesammelt werden nur ausgewählte Filme anhand derer die Entwicklung des Films in künstlerischer und historischer Art beschrieben werden kann. Etwas weniger als ein Drittel des Materials ist gesichert und kann vor Ort angesehen oder auch für wissenschaftliche und nicht-kommerzielle Zwecke ausgeliehen werden.

AusstellungIn der ständigen Ausstellung über die Geschichte von Film und Fernsehen wird der Besucher auf eine Zeitreise geschickt und kann sich dort an den Zeugnissen der Vergangenheit, wohl auch aus seiner persönlichen erfreuen. Film und Fernsehen waren und sind einfach Teil unseres Lebens. In drei Räumen werden sehenswerte Stücke aus dem Nachlass von Marlene Dietrich gezeigt, den ihre Tochter der Deutschen Kinemathek überlassen hat.

Neben den ständigen Ausstellungen sind regelmäßig themenbezogene zu sehen, aktuell eine Ausstellung bis zum 12.05.2013 über den Regis-seur Martin Scorsese (u. a. „Die Farbe des Geldes“, „Kap der Angst“, „Good Fellas“, „Gangs of New York“) und bis zum 07.04.2013 eine zum 40jährigen Jubiläum der Sesamstraße.

BibliothekDie öffentlich zugängliche Bibliothek der Kinemathek ist mit einem Medienbestand von etwa 82.000 eine der größten wissenschaftlichen Spezialbibliotheken in Deutschland. Hinzu kommen zahlreiche DVDs, Presseartikel und abonnierte Zeitschriften. An jedem ersten Donnerstag im Monat findet um 17 Uhr eine einstündige, kostenlose Führung durch die Bibliothek statt.

SammlungGrundstock der Kinemathek ist die Sammlung des Regisseurs und Gründungsdirektors, Gerhard Lamprecht (1897 bis 1974). Seit dem Zeitpunkt der Gründung im Jahr 1963 kamen zahlreiche Exponate hinzu. Gesammelt wurde und wird alles, was mit Film und Fernsehen zu tun hat, von Fotos, Drehbüchern, Plakaten und Filmprogrammen über Karten, Filmmaterial bis hin zu Requisiten, Material für Special Effects und Filmtechnik. Ein Teil der Sammlung entstammt Nachlässen von ver-schiedenen Filmschaffenden, Filmwissenschaftlern und Privatsammlern. Die Sammlungsstücke werden ebenfalls nicht nur hinter verschlossenen Türen gehalten, sondern für Ausstellungen und wissenschaftliche Zwecke verliehen.

Zur Berlinale veranstaltet die Deutsche Kinemathek Retrospektiven, in welchen Klassiker der Filmgeschichte der breiten Öffentlichkeit zugäng-lich gemacht werden. Sie widmen sich einem Regisseur oder einem filmhistorischen Thema. In diesem Jahr war es das Kino der Weimarer Republik mit seinen Einflüssen auf internationale Filmschaffende nach 1933.

Die Deutsche Kinemathek ist geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, am Donnerstag bis 20 Uhr. An diesem Tag gibt es ab 16 Uhr freien Eintritt.

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Martin Scorsese mit seinen Eltern Charles und Catherine Scorsese ITALIANAMERICAN, USA 1974

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lMan darf ja heute nicht mehr in der Badewanne singen…Starrummel kontra Kreativität

Eine kleine AuseinandersetzungSeit mehr als einem Jahr spielt Detlef in der Theatergruppe „Unter Druck“ mit. Bei den Proben zur zweiteiligen Produktion „Der Untergang“ hatte ich mit ihm eine kleine Auseinander-setzung. Im zweiten Teil ist eine Feier mit Gesang vorgesehen. Es ist eine Totenfeier. Detlef wollte seine Strophe nicht singen. Detlef ist Sänger. Wir wissen von ihm, dass er bei Karaoke-wettbewerben einigermaßen erfolgreich mitgemacht hatte. Er konnte mit dem Popsong wenig anfangen.

Ich dagegen bin Schauspieler. Vor Jahren wollten Menschen mir das Singen beibringen und sind an mir gescheitert. Dank der Bemühungen damals bleibe ich im Takt. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich den Ton treffe. Das hat weniger mit der Stimme als mit dem Gehör zu tun. Trotzdem habe ich einige Male auf Bühnen gesungen, auch Solo. Mit dem richtigen Text und meiner Präsenz komme ich in der Regel beim Publikum an. Und wenn Gesang eine dramaturgische Funktion hat, ist das für mich gar keine Frage ob ich singe oder nicht.

Wie gesagt, bei Detlef war das halt nicht so. Detlef hat dann doch gesungen. Eine Coverversion, die seinem Naturell entspricht.

Erste Konfrontation mit dem ProblemIch bin in der DDR aufgewachsen. Als Heranwachsender bin ich durch Gespräche meiner Eltern mit Menschen von der schreibenden Zunft und vom Theater mit Problemen und Merkwürdigkeiten des Kunstbetriebes sensibilisiert worden. Ein Dramaturg erzählte meinem Vater, dass er auf der Straße mein kleines Mädchen gesehen hatte, dass fröhlich „ich gehe zur Schule“ sang und größere Kinder so selbstverständlich nicht mehr sangen. Schon damals nicht. Der Dramaturg machte die Schule dafür verantwortlich.

Mir war damals nicht klar, wie das in den Schulen der DDR übliche Singen auf Befehl Kreativität verschütten konnte. Mir waren die damals in den allgemein bildenden polytechnischen Oberschulen üblichen Lieder wie

„Wann wir schreiten Seit an Seit“ so selbstverständlich gewesen, dass sich mir die Frage gar nicht stellte. Heute weiß ich, genau das war das Problem.

Eigene Missstimmungen gegen den StarrummelDie Eltern hatten uns Kinder von den großen bekannten Künstlern erzählt, auch von der Callas, der Operndiva. Damals, Jahre später, hat mich der Starrummel mit Sängern geärgert. Als Jugendlicher hörte ich auf einem Sender der DDR eine Musiksendung mit klassischer Opernmusik. Wunschsendung. Nach dem dritten Wunsch habe ich den Apparat verärgert abgeschaltet. Ein Duett hier und eine Arie da, das war mir einfach zu viel. Schöne Stimmen haben in der Oper durchaus ihre Berechtigung und ich würde mit meiner Stimme weder in der Deutschen Oper noch in der Staatsoper singen. Aber nur Stimme ist mir zu wenig. Oper ist Musiktheater und für mich hat die Stimme dienende Funktion. Genau das hat diese Sendung nicht berücksichtigt. Wenn es um die Stimme geht: Warum muss es eine Arie von Mozart oder Verdi sein? Reicht da nicht ein ganz stinknormales Lied? Ich wusste von den Kämpfen Mozarts mit den Diven seiner Zeit, die mit ihrer Stimme glänzen wollten, auch wenn es auf Kosten des Theaters ging. Der olle Verdi, habe ich mir sagen lassen, habe sich auf dem Boden gewälzt, um seinen Sängern zu zeigen, wie sie ihre Rolle darstellen sollten. Mozart und Verdi waren als Opernkomponisten durch und durch Theatermenschen.

Zeitalter der MP3-PlayerMusik hat heute große Bedeutung. Im Zeitalter der MP3-Player ist Musik überall verfügbar. Gemeinschaft spielt für den Musikkonsum eine immer

geringere Rolle. Es geht eher um das Abschalten. Der „Wert“ von Stars ist nicht geringer geworden. Gemeinsam gesungen wird selten und hat eher einen schlechten Ruf. Dass die Nazis beim gemeinsamen Singen ihrer Lieder mit falschen Texten Gemeinschaftsgefühl stärkten, sollte nicht gegen gemeinsames Singen sprechen. Es ist trotzdem nicht abzusehen, dass der Wert vom Singen in Gemeinschaft von der Mehrheitsgesellschaft anerkannt wird.

Detlef ist nicht allein. Wer singen will, wird an den Stars gemessen. Das fördert das passive Hören und hindert die aktive Kreativität. Ich sage dazu: Man muss heute eine Gesangsausbildung haben, um in der eigenen Badewanne singen zu dürfen.

n Jan Markowsky

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l Das Kino der Verführung„Hitlerjunge Quex“ – der erste Nazifi lm der UFA

Wenn man über Filmkunst schreiben will, besonders wenn es sich dabei um den Film als politisches Instrument handelt, also wie hier um den Nazi-Film, muss man bei Lenin beginnen. Lenin

hatte sehr früh erkannt, dass die bewegten Bilder zu mehr taugten als zu einer Jahrmarktsbelustigung, dass sie eine neue Kunstform waren, die eindringlicher als alle anderen zuvor die gesellschaftlichen Widersprüche zu dokumentieren und die politischen Lösungen dieser Widersprüche zu propagieren weiß. Der Film ist nicht elitär, er erreicht die Massen, ist überall präsentierbar. Darum stand für Lenin fest: „Der Film ist die wichtigste Kunst überhaupt.“ Ich weiß nicht, ob Goebbels diese Leninsche Maxime kannte, aber auch für ihn hatte der Film den wichtigsten Platz in der NS-Propagandamaschinerie.

„Hitlerjunge Quex“ war 1933 der erste abendfüllende Ufa-Film, der sich ausdrücklich der Förderung der NS-Propaganda widmete. Die Handlung basiert auf dem Roman von K. A. Schenzinger, der wiederum den Fall des Hitlerjungen Herbert Norkus, bei von der SA angezettelten Straßenkämpfen in Berlin zu Tode gekommen, zum Gegenstand nimmt. Regisseur war Hans Steinhoff.

Heini Völker ist ein Buchdruckerlehrling und lebt im Beusselkiez in Moabit. Eine kommunistische Jugendorganisation, die Stoppel, ein Freund seines Vaters leitet, lädt ihn zu einem Wochenendausfl ug an einen brandenburgischen See ein. Dort trifft Heini auf ein Lager der Hitlerjugend HJ, deren diszipliniertes und auf Drill ausgerichtetes Leben ihm besser gefällt als der lockere Umgangston bei den Jungkommu-nisten. Als danach sein Vater seine Aufnahme in die Jugendinternati-onale unterschreibt, weist er das zurück und folgt einer Einladung der Hitlerjugend. Dort gerät er erst in den Verdacht, ein kommunistischer Spion zu sein. Doch Heini will seine Treue zur HJ unter Beweis stellen und sprengt ein Munitionslager, das die Kommunisten für einen Anschlag auf die Nazis gebrauchen wollten. Nun haben die Kommunisten ihn als Verräter im Visier. Heinis Mutter verzweifelt und will sich und ihren Sohn mit Leuchtgas töten. Heini wird jedoch gerettet und noch im Krankenhaus offi ziell in die HJ aufgenommen. Im Wahlkampf verteilt Heini Flugblätter der Nazis im Beusselkiez. Als ihn die Kommunisten stellen, wird er von denen ermordet.

Der Handlungsstrang wird etwas stolpernd erzählt. Das durchgehende Leitmotiv stellt das HJ-Kampfl ied „Vorwärts! Vorwärts“ des HJ-Führers Baldur von Schirach dar. Dessen Refrain „Unsere Fahne fl attert uns voran“ erklingt immer wieder als akustische Untermalung der Nazi-Aktivisten. Es sind die letzten Worte von Heini Völker, und somit erfüllt sich die Prophezeiung „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Ja die Fahne ist mehr als der Tod.“ Damit wird der von den Nazis geplante Weg der deutschen Jugend, der nach Stalingrad führte, vorgezeichnet. Schon in den zwanziger Jahren hatte der britische Geheimdienst vor einer Zusammenarbeit der Boy Scouts mit der HJ gewarnt, weil sie Geist und Seele der Kinder vergifte und eine Erziehung zum Tod betreibe. Das andere Todesmotiv ist das Taschenmesser, das sich Heini vergeblich wünscht und mit dem er am Schluss ermordet wird.

Auch sonst ist der Film eine Anhäufung von Nazi-Propagandabildern. Die „Kommune“ (so heißt alles, was kommunistisch oder sozialdemo-kratisch ist) hat Strukturen der organisierten Kriminalität, ist chaotisch, ausschweifend. Die HJ tritt selbst auf dem Weg zum Bahnhof militärisch an, ihr Zeltlager ist geometrisch exakt aufgebaut. Die jungen Nazis rekrutieren sich aus dem bürgerlichen Mittelstand (der Vater von Heinis Freund ist Sanitätsrat), sind aber auch offen für den Handwerker Heini. Der Verräter in den HJ-Reihen wird von einem kommunistischen Mädchen verführt, singt frivole Lieder und raucht.

„Hitlerjunge Quex“ ist unter technischen und ästhetischen Aspekten ein gelungener Film. Sieht man von der Lagerfeuerrede ab, enthält er keine parteipolitischen oder programmatischen Aussagen. Es ist ein Werbefi lm, eine einzige Verführung. Goebbels war begeistert und lobte den Film in höchsten Tönen. Zur Premiere erschien die gesamte Führungsspitze der Nazis. Hier hatten sie ein exemplarisches Instrument der Massenbeeinfl ussung, das überschwänglich gefeiert wurde.

„Hitlerjunge Quex“ wurde bis in die Kriegszeit immer wieder in die Kinos gebracht. Nach § 86 des Strafgesetzbuches darf der Film in Deutschland nicht mehr aufgeführt werden, da er nationalsozialistische Propaganda ist. Für die Verwendung in Maßnahmen der politischen Bildung gibt es Sondergenehmigungen. Der Film kann aber auch auf Youtube gesehen werden.

n Manfred Wolff

Marschtrommel, Abzeichen und Druckwerke der HJ

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8 www.wikipedia.deBooklet der CD-Edition der Serie „American Legends“, The King Of Hillybilly-Music Hank Williams

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lHank Williams: King der CountrymusikWarum Hank Williams musikalisches Vorbild war und zur lebenden Legende wurde

Hank Williams, war der erste Star der Countrymusik, der es bis ganz nach oben geschafft

hat. Seine Songs inspirierten bekannte Sänger aus allen Metiers wie Bruce Springsteen, Bob Dylan. Viele Musiker_Innen, wie Sheryl Crow, Linda Ronstadt, Kris Kristof-ferson oder Johnny Chash, haben Titel von Williams im Repertoire. Auch in der Bluesszene in Berlin werden die Titel von Hank Williams gespielt und verehrt. Dort fand auch ich die Spuren von Hank Williams. Ich hörte in einem Konzert ein Duett des Gitarristen Jan Hirte mit Nina T. Davis, sie spielten den Titel „Mind Your Own Buisness“. Er gefiel mir sehr! Ich erfuhr, dass der Titel von Hank Williams stammte und kaufte mir dann eine Doppel-CD von ihm. Als ich sie mir anhörte, war ich hin und weg: Der damals sehr moderne, aber für heutige Verhältnisse einfache Gitarrensound und der ohne viel Schnörkel von Williams klar und deutlich vorgetragene Text, der nicht – wie bei vielen amerikanischen Sängern – unverständlich hinter einem Slang verschwindet, erzeugten in ihrer Schlichtheit einen Sound, der mich packte und faszinierte. Da war nichts Künstliches und in mir entstand das Gefühl, dass ein einfacher Mann authentisch und ehrlich über das sang, was er fühlte und was ihn beschäftigte. Bis heute höre ich Williams mit großer Begeisterung.

Der Aufstieg des Hank Williams zum StarSchon mit sechzehn gründete Hank Williams seine erste Band, die er „The Drifting Cowboys“ nannte und die schnell eine lokale Größe wurde. Bei ständig wechselnder Beset-zung wurde der Name nie verändert. Anfangs wurden noch die Songs anderer Coun-trysänger wie Gene Audrey gecovert. Die Band bekam eine regelmäßige Sendung bei einer lokalen Radiosta-tion. Das konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ganz großen Durchbruch zumindest bis dahin nur ein Traum war und vielleicht für immer bleiben sollte. 1943 kam die nächste schicksalhafte Begegnung für Hank. Die „Drifting Cowboys“ waren 1943 in einer „Medicine Show“ engagiert. Dabei lernte er Audrey Mae Sheppard kennen, die er bereits ein Jahr später heiraten sollte. Hank war ehrgeizig und wollte den Sprung ganz nach oben unbedingt schaffen. Er machte, um seine Karriere voranzubringen, mit Audrey Mae eine Reise nach Nashville.Er lernte dort den Verleger und Produzenten Fred Rose kennen, der dem jungen Musiker eine Chance gab, Platten zu produzieren. Schon die ersten beiden Aufnahmen „Honkey Tonkin’ “ und „Never Again“ platzierten sich 1946 auf Anhieb in den Countrycharts.

Rose wurde von nun an ständiger Produzent und Manager von Hank Williams. Zunächst wurde auf dem kleineren Label „Sterling Label“ veröffentlicht. Später hatte Hank dann einen Vertrag beim neu gegründeten Label „MGM“, wo die Titel nochmals veröffentlicht wurden und wieder in den Charts notiert wurden. Hank hatte es endlich geschafft.

Der Abstieg und das EndeAusgedehnte Tourneen und zahl-reiche Verpflichtungen trieben Hank Williams schließlich an seine Grenzen. Der Alkohol und die Einnahme von Morphium beeinflussten seine Karriere. Auch die Rückenschmerzen, die Hank lebenslang quälten und die von einem offenen Rückenmarkkanal herrührten setzten ihm gewaltig

zu. Es kam schließlich wie es kommen musste: Hank wurde launisch und unberechenbar, was dazu führte, dass Konzerte abgesagt werden mussten, Hotelzimmer verwüstet wurden und seine Ehe mit Audrey Mae zerstört und 1952 schließlich geschieden wurde. Er heiratete im selben Jahr Billie Jones Eshlimar, die schon schwanger war und ein Kind von ihm erwartete. Das alles zusammen sorgte dafür, dass Hank Williams schließlich am 1. Januar 1953 auf dem Rücksitz seine Cadillacs auf einer Fahrt zu einem Auftritt starb. Seine exzessive Lebensweise und nahezu vierzig Hits in den Country-Charts sowie millionenfach verkaufte Schallplatten in den USA machten Hank Williams nach seinem Tod zu einer Legende, die bis heute unvergesssen ist, was auch die ständige Veröffentlichung seiner Musik in zahlreichen Ländern der Welt noch

heute zeigt.

Eines kann man Hank Williams noch heute nachsagen: Seine häufig traurigen und bluesigen Lieder zeugen mit hoher Wahrscheinlich-keit von seinem exzessiven Leben und dem Alltag seiner Ehe. Williams hat eine hohe Authentizität, und gerade das macht seine Musik aus. Wer die Country Musik schätzt kommt höchstwahrscheinlich nicht an Hank Williams vorbei, wenn er sich ausgiebig mit dem Metier beschäftigt. Ohne ihn hätte es die Countrymusik wie wir sie kennen, sicher nicht gegeben.

n Detlef Flister

Quellen:

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Die Steintafel befindet sich am Eingang des Oakwood Friedhofes in Montgomery, Alabama

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Der Weg zum Paradies ist mit guten Vorsätzen gepflastertAm 13. Februar fand in der Akademie der Künste im Tiergarten die Weltpremiere aller drei Filme der Trilogie „Paradies: Liebe, Glaube, Hoffnung“ von Ulrich Seidl unter großer Publikumsbeteiligung statt.

Eigentlich passen seine Filme nicht in die heutige Zeit: Sie sind zu lang und zu langsam und enden häufig erst nach zwei

Stunden, ohne eine Geschichte zu Ende erzählt zu haben. Ihre Handlung ist dürftig, sie besteht aus Einblicken in den unspektakulären Alltag von Menschen, die zu Kinostars nicht taugen, denn sie sind zu gewöhnlich oder zu mittelmäßig und bedienen sich, recht sparsam, einer Sprache, die schwer verständlich sein müsste: des Wiener Dialekts. Zu allem Überfluss spielen sie an Orten, die entweder unansehnlich, langweilig, hässlich oder unwirklich sind: in den tristen Suburbien, in heruntergekommenen Altbau- oder Neubauwoh-nungen, in kitschigen Einfamilienhäusern oder in Hotelzimmern, die schlichte Vorstellungen von Luxus verkörpern. Und trotzdem sind seine Filme, die eher die Bezeichnung „Kammerspiele“ oder „Tableaux vivants“ verdie-nen, von einer irritierenden, geradezu malerischen Schön-heit. „Es sind alles ganz genau konzipierte Bilder, aber die Situationen sind wirklich. Ich schöpfe aus der Wirklichkeit und mache daraus ein artifizielles Bild. Ich möchte anhand von bestehenden Orten Bilder machen, die vorher niemand gesehen hat“, sagt Ulrich Seidl.

Seidl satt Es ist Mittwoch, der 13. Februar, kurz vor Mit-ternacht. Der Regisseur aus Wien, elegant exis-tenzialistisch schwarz gekleidet und mit einem leicht dämonischen Ausdruck in den Augen, sitzt auf der Bühne im Studio der Akademie der Künste am Hanseatenweg 10 in Berlin und blickt respektvoll und etwas verblüfft auf seine Fans, die dort seit 15 Uhr ausharren. Der große Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Leute wirken kein bisschen müde, obwohl sie unter aktiver Teilnahme wie Lachen und Klatschen und umgekehrt eine Weltpremiere als Filmmarathon über sich ergehen ließen: fast fünfeinhalb Stunden (im) „Paradies“ einer Urlaubsreise, die

drei Frauen, zwei davon Schwestern, zur „Liebe“, zum „Glauben“ und zur „Hoffnung“ führen sollte. An diesem Abend gibt es also Seidl satt – zu sehen und zu hören. Er erzählt von der Qual der Wahl, die er hatte, als er aus 90 Stunden Drehmaterial Stoff für einen Spielfilm auswählen musste: „Ich habe zunächst versucht, zwei Filme daraus zu machen, also die Muttergeschichte mit der Tochterge-

schichte zu verbinden und aus der Schwester und ihrem Glauben einen eigenen Film zu machen, doch das war für mich nicht befriedigend, bis ich dann eines Tages verstanden habe, dass es drei Filme werden.“

Episoden aus dem Leben Eine Filmtrilogie – das hat es im europäischen Kino seit Krzysztof Kieślowskis „Drei Farben“ (1993/1994) nicht mehr gegeben. Doch während der polnische Regisseur sich vorwiegend mit den Problemen der Intellektuellen und der oberen Mittelschicht sowie dem Erbe der französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) beschäftigte, gilt die Aufmerksamkeit des Öster-reichers der unteren Mittelschicht, den Kleinbür-gerinnen und Kleinbürgern, also einer Gruppe, die die gesellschaftliche Mehrheit bildet und als Konsumenten heiß umworben wird, wodurch sie fest daran glaubt, dass jedes ihrer Bedürfnisse

befriedigt werden müsse. Es ist eine Gruppe, die den Konsum antreibt und vom Konsum missbraucht wird, sodass die Grenzen zwischen Opfer und Täter fließend sind. Vordergründig erzählt Ulrich Seidl Episoden aus dem Leben von drei Verwandten: Mutter, Schwester und Tochter, die zur selben Zeit an unterschiedlichen Orten Urlaub machen. Doch aus dem Gefängnis, das sie in sich oder mit sich tragen, können sie sich nirgendwo und für keinen Preis befreien. Denn

das Paradies, wie Seidl es ironisch und unglaublich tragikomisch zeigt, ist ein höllisches Konsumparadies, in dem Mittelmaß zum Maß aller Dinge und zum Unding wird.

Geld stimuliert Der Weg zum Paradies ist mit guten Vorsätzen gepflastert, denn frau will sich, auch wenn nur im Urlaub und für kurze Zeit, etwas Gutes tun: irdisch und himmlisch lieben, abnehmen und hoffen, dass die Zukunft besser und leichter wird als die Gegenwart. Die 50-jährige Teresa ist blondgefärbt und übergewichtig, sie arbeitet, was in der ersten Szene der „Liebe“ angedeutet wird, als Erzieherin von Jugendlichen mit Down-Syndrom. Sie lebt in einer kleinen Zweizimmerwohnung in einem Neubauviertel, vermutlich in Wien, obwohl es solche urbane Unorte überall auf der Welt gibt. Ihre Tochter Melanie ist 13, übergewichtig, schlampig, ständig mit dem Handy

Filmstill aus „Paradies. Liebe“

Filmplakate

Ulrich Seidl

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8 www.ulrichseidl.com

Die Ausstellung von Ulrich Seidl „Paradies: Liebe Glaube Hoffnung“ noch bis zum 8. März in der C/O Galerie; täglich von 11 bis 20 Uhr; Eintritt 10/5 Euro PostfuhramtOranienburger Straße 35/3610117 Berlin

8 www.co-berlin.info

Buch von Ulrich Seidl „Paradies: Liebe Glaube Hoffnung“, Hatje Cantz, 2013, 35 Euro

8 www.hatjecantz.de

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Der Weg zum Paradies ist mit guten Vorsätzen gepflastertAm 13. Februar fand in der Akademie der Künste im Tiergarten die Weltpremiere aller drei Filme der Trilogie „Paradies: Liebe, Glaube, Hoffnung“ von Ulrich Seidl unter großer Publikumsbeteiligung statt.

beschäftigt und mitten in der Pubertät: Zwei Frauen, an denen man und Mann sich erfreuen könnte, wären sie von Fernando Botero in Bronze gegossen oder auf Leinwand gepinselt. In Wirk-lichkeit ist nicht überall jedes Kilo schöner als das andere, doch das sündige Fleisch ist leider keiner Sünde mehr wert, sodass Teresa an einen paradiesischen Strand nach Kenia fährt, um als weiße Sugar Mama von den jungen schwarzen Beach Boys für einen hohen Preis sexuell ver-wöhnt zu werden. „Die Gründe, warum Frauen ab einem bestimmten Alter die Erfüllung ihrer Sexualität oder Lieben woanders finden müssen, liegen ja eher in unseren Gesellschaften“, sagt Ulrich Seidl. Geld der weißen Frauen ist ein Aphrodisiakum und stimuliert junge schwarze Männer, zumindest die meisten davon, zu sexuellen Leistungen. Es ist ein Geschäft, ein Geben und Nehmen, das mit Liebe wenig zu tun hat. Wer, wie Teresa glaubt, dass sie als Mensch und begehrte Geliebte vom bezahlten Lover behandelt wird, ist herzzerreißend naiv und selbst schuld daran.

Gier nach Genuss Ulrich Seidls Frauen, wie er sie in der Paradies-Trilogie zeichnet, bilden eine Sorte für sich. Die üppige Sextouristin Teresa, ihre schlanke und fanatisch katholische Schwester Anna Marie, medizinische Assistentin in einem radiologischen Labor, und Teresas dicke Tochter Melanie sind von einer Naivität, die fast schon an Dummheit grenzt. Die Räume, in denen sie ständig oder für kürzere Zeit leben, sind Gefängnisse, die sie, wie Schnecken

oder Schildkröten, immer mitschleppen, zum ewigen Gefangensein verurteilt. Denn sie sind Gefangene ihrer Lügen und Selbsttäuschungen, Phobien, unrealistischen Erwartungen und Bedürfnisse, die unbedingt erfüllt werden müssen. Sie sind irrgeleitete und entfesselte Konsumentinnen, unabhängig davon, ob sie Sex, Religion, Kleider oder Lebensmittel konsu-mieren. Durch ihre Gier nach Genuss können sie nicht mehr genießen: Sie treiben den Konsum voran und sind seine Opfer, Protagonistinnen einer Zeit, in der Peinlichkeit und Lächerlichkeit zur Norm wird. Denn alles ist käuflich, was nicht bedeutet, dass jede Frau in einem (zu) engen Kleid oder einem lustigen T-Shirt oder einem anliegenden Badeanzug wie Madonna oder Lady Gaga aussieht.

Verpestete Idylle Ulrich Seidl ist ein Meister des schonungslosen und unbeschönigten Blicks auf die Welt, in der wir leben. Er zeigt das vereinsamte, verwahrloste, latent faschistoide und rassistische Individuum, das sich nach einer Gemeinschaft, nach Disziplin, Demütigung und einer starken Hand sehnt. Hinter der Maske des Gutmenschen verbergen sich brutale, masochistisch-sadistische Züge. Ein Individuum, das gedemütigt wird und demütigt, das verwundbar ist und Wunden schlägt, das kein eigenes Leben hat und sich deshalb von einem von den Medien und der

Werbung aufgezwungenen Leben verführen und blenden lässt. Es sind Leute von heute, die sich der modernen technischen Mitteln bedie-nen, obwohl sie, wie zum Beispiel Anne Marie, mental und räumlich in einer weit entfernten Vergangenheit leben: in schaurig schrecklichen Zimmern mit Tapeten, Gardinen und Möbeln aus den 1970er Jahren, oder (wie ihre fast gleichartige Schwester Teresa) in kitschigen Hotelapartments verweilen, die größer sind als die ganze Wohnung zu Hause, doch ebenfalls wie Gefängnisse aussehen. Auch der paradiesische Strand und der blaue Ozean entpuppen sich als Orte, die der Massentourismus beschädigt hat: eine verpestete Idylle, die eher ein Horror im bewachten Sicherheitstrakt ist. Und doch sind Seidls fatalistische Filme, in denen das Scheitern offensichtlich eine Art generationsübergreifen-des Familienfatum zu sein scheint, beklemmend und befreiend zugleich. Er ist nämlich auch ein Meister der richtigen Besetzung und hat ein seltenes Gespür für Profis und Laien, die wahre Interpretationskünstler sind. Es gibt keine Dialoge, die auswendig gelernt werden müssen. Deshalb wirken auch seine letzten drei Filme so frisch, so authentisch, so wirklich aus dem Leben gegriffen. Worüber man und frau nicht sprechen kann, das zeigt sie durch Mimik und Gestik.

Auf Leinwand und im Bildband Kaum zu glauben, aber es fiel mir und den ande-ren nicht schwer, genau 324 Minuten mit der Filmtrilogie „Paradies: Liebe, Glaube, Hoffnung“ zu verbringen. Niemand hat das Studio der AdK am Hanseatenweg 10 vor dem Nachspann des letzten Teils verlassen, obwohl er nicht so richtig überzeugte und etwas zu sehr konstruiert wirkte, sodass die Hoffnung der „Hoffnung“ auf den Goldenen Bären der 63. Berlinale vergeblich war. Aber das ist nicht so wichtig, denn die drei Schauspielerinnen: Teresa (Margarethe Tiesel), Anna Maria (Maria Hofstätter) und Melanie (Melanie Lenz) sind fantastisch, tatsächlich paradiesisch begabt und authentisch. Und sie lassen sich neben den anderen Profis und Laien nicht nur auf der Leinwand, sondern auch an der Galeriewand und im beeindruckenden Bildband sehen. Denn das „Paradies“ von Ulrich Seidl ist multimedial: filmisch, malerisch und vor allem fotografisch sehr symmetrisch. Und vor allem so komisch, dass wir lachen müssen. So ähnlich wie im Theaterstück „Revisor“ von Nikolai Gogol: „Ja, über wen lacht ihr denn?“ – „Ihr lacht über euch selbst!“

n Urszula Usakowska-Wolff

Info:

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Geisterstadt im PlänterwaldDer „Spreepark“ ist heute nur noch eine Ruinenlandschaft, aber trotzdem einen Besuch wert

Schon von der S-Bahnstation Treptower Park kann man das Riesenrad des „Spreeparks“ sehen. Es ragt aus den verschneiten Baumwipfeln des Plänterwalds heraus. Nach einem kleinen Fuß-

marsch erreicht man den Eingang. Ein kurioser Anblick: Hinter einem verlassenen Kartenhäuschen und einem Gitterzaun steht das „Café Mythos“, geschmückt mit bunten Schildern, die Glühpunsch und Bratwürste anpreisen, zwischen halb verrotteten Dinosaurierat-trappen. Daneben steht eine kleine Ansammlung von Menschen. Sie warten auf den Beginn der Führung über das verlassene Gelände. Vor der Gruppe steht ein großer, in dicke Jacken eingepackter, Mann: Christopher Flade. Der 24-Jährige führt Besuchergruppen über das seit 2001 verlassene Gelände und kennt die Geschichte des „Spreeparks“ wie kein Zweiter. Seine Führung dauert über zwei Stunden, er kennt jedes Fahrgeschäft und unzählig viele Anekdoten, die sich um den „Spreepark“ ranken.

Flade war vier Jahre alt, als er das erste Mal den „Spreepark“ besuchte. Er freundete sich mit den Kinderclowns „Hops“ und „Hopsi“ an und verbrachte seine Tage regelmäßig auf dem Rummelplatz im Plänterwald. Nach der Insolvenz des Parks erstellte der damals 14-jährige Flade eine Homepage über den „Spreepark“. „Ich wollte, dass der ‚Spreepark‘ nicht

in Vergessenheit gerät“, sagt Flade. Seit vier Jahren führt Flade nun schon Besucher durch den ehemaligen Freizeitpark. „Ich mache die Führungen auch, damit wieder Leben in den Park kommt“, erzählt Flade. „Guck Dir diese riesige Fläche an. Ich finde es schade, dass das Gelände nicht genutzt wird.“

Der heutige „Spreepark“ wurde 1969 als „Kulturpark Plänterwald“ eröff-net. Er war ein Prestigeprojekt der DDR und wurde damals, anlässlich des 20-jährigen Jubiläums, dem Volk als „VEB Kulturpark Berlin“ übergeben. Als einziger ständiger Rummelplatz der DDR hatte der „Kul-turpark Berlin“ bis zu 1,5 Millionen Besucher jährlich.

Nach der Wiedervereinigung fiel das Gelände in den Zuständigkeits-bereich des Berliner Kultursenats. Nach einer öffentlichen Ausschrei-bung wurde der 18 Hektar große

Rummelplatz von der „Spreepark GmbH“ übernommen und auf über 28 Hektar erweitert. Nach einer aufwendigen Umgestaltung und der Installation von zahlreichen Attraktionen wurde der ehemalige

„Kulturpark Plänterwald“ als „Spreepark“ neueröffnet. Der Park wurde für 1,8 Millionen Besucher jährlich geplant. Aufgrund mangelhafter Infrastruktur besuchten in den darauffolgenden Jahren weniger als 500.000 Menschen den Park.

Bei einer Führung spaziert man in aller Ruhe durch die Ruinenlandschaft.

Die Familienachterbahn „Spreeblitz“ Unheimlich: Noch immer dreht sich das Riesenrad. Schuld daran ist der Wind.

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Über das Schicksal der Familie Witte berichtet der Dokumentarfilm „Achterbahn“ von Peter Dörfler. 8 www.achterbahn-der-film.de

Infos rund um den Spreepark und Anmeldungen zu einer Führung unter 8 www.berliner-spreepark.de

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Ein Versuch der „Spreepark GmbH“ Parkplätze zu bauen und andere Maßnahmen zu ergreifen um die Besucherzahl zu erhöhen scheiterten an bürokratischen Prozessen. Der „Spreepark“ geriet in finanzielle Bedrängnis. Einerseits wurde die Unterzeichnung eines Erbpachtvertags vom Berliner Senat solange hinausgezögert, dass Subventionen, die fest in den Finanzierungsplan einkalkuliert waren, nicht gezahlt wurden, andererseits mussten absurd hohe Zinsen von 14 Prozent auf die bereits angehäuften Schulden gezahlt werden. 2001, neun Jahre nach der Neueröffnung, meldete die Spreepark GmbH Insolvenz an.

Es entwickelte sich ein großes Presseecho um „Spreepark-Witte“, den damaligen Ehemann der Eigentümerin Pia Witte. Norbert Witte wurde vorgeworfen, mit 30 Millionen Euro Schwarzgeld und sechs aus dem „Spreepark“ gestohlenen Fahrgeschäften nach Peru geflohen zu sein.

Die Vorwürfe entpuppten sich als falsch. Zwei Jahre später versuchte Witte 181 kg Kokain von Südamerika in die Niederlande zu schmuggeln. Nach eigenen Aussagen wurde er wegen Schulden von der peruanischen Drogenmafia dazu gezwungen. Witte wurde in Deutschland zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sein Sohn Marcel, der angeblich nichts von dem Schmuggel wusste, wurde in Peru verhaftet und erhielt dort eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Norbert Witte wurde von der Presse fälschlicherweise vermehrt als Eigentümer oder Geschäftsführer des „Spreeparks“ dargestellt, obwohl er lediglich als Techniker und Presse-sprecher fungierte.

Der „Spreepark“ ist mittlerweile zu einer Geisterstadt mitten in Berlin geworden. Von den über 30 Attraktionen und dem aufwendig gestalteten Gelände, mit zahlreichen Seen, Inseln und Kanälen, ist heute eine Rui-nenlandschaft übriggeblieben. Die hat allerdings Anziehungskraft. An sonnigen Sommertagen nimmt der Wachschutz bis zu 500 Personen fest, die über den Zaun klettern. Ansonsten dient das Gelände als Filmkulisse und als Veranstaltungsort für Konzerte.

Ein Investor hat sich bis jetzt nicht für den „Spreepark“ gefunden. Das Gelände ist nicht attraktiv, da es sich in einem Landschaftsschutzgebiet

befindet und sich dadurch keine Parkplätze oder Zubringerstraßen bauen lassen. Außerdem müsste ein Investor sämtliche Schulden übernehmen. Das Erbbaurecht hat immer noch Pia Witte, die insolvent ist, inne. Ihr jetziger Lebensgefährte, Gerd Emge, betreibt die Sicherheitsfirma „eMGe“, die den Wachschutz stellt.

Was die Zukunft dem „Spreepark“ bringen wird, ist noch vollkommen unklar. Am 3. Juli wird das Erbbaurecht vom Amtsgericht Köpenick zwangsversteigert. Es besteht Interesse eines belgischen Investors, der „Plopsa-Gruppe“, einen Kinderfreizeitpark zu errichten. Durch die Zwangsversteigerung müssten die Schulden von rund 20 Millionen Euro nicht vom Investor übernommen werden. Allerdings ist der Käufer ver-pflichtet, bis zum 30. Mai 2061, den Park „ausschließlich als Freizeitpark“ zu betreiben.

„Mir ist egal, was mit dem Park passiert.“, sagt Christopher Flade nach der Führung. „Ich wünsche mir, dass hier irgendwas passiert. Ob das nun ein Kinderpark wird oder als Veranstaltungsort genutzt wird. Hauptsache irgendwas. Hauptsache es kommt wieder Leben in den Spreepark.“

Kuriose Ideen, den „Spreepark“ wiederzubeleben, gab es zur Genüge. Der Schweizer Bestsellerautor Erich von Däniken wollte einen „Mystery Park“ errichten, der als Ufo-Landeplatz fungieren sollte. Eine andere Idee war, einen „Lost World Park“ zu errichten, der versunkene Kulturen wie Inkastädte oder das europäische Mittelalter ausstellen sollte. Gott sei Dank wurde daraus nichts.

n Eike Bretschneider

Info:

Der Eingang der ehemaligen Wasserbahn „Grand Canyon“. Sabrina Witte (Tochter von Norbert & Pia Witte) und Spreepark-Fan Christopher Flade.

Betreten verboten! Trotzdem werden an sonnigen Tagen bis zu 500 Leute vom Wachschutz festgenommen.

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kt„Schlichtweg nicht vorgesehen“

Städte und Kommunen in Deutschland sehen sich der sogenannten Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien nicht mehr gewachsen: Bund, Länder und EU sollen helfen

Die Situation ist nicht neu. Und sie betrifft auch nicht nur Deutsch-land. Bereits nach der Ost-Erweiterung der Europäischen Union 2004 verließen mehrere Millionen neue EU-Bürger ihr Land, um

in den reicheren, sogenannten alten Ländern der EU Arbeit zu suchen. Diejenigen, die keine fanden, tauchten später in Scharen in den Obdach-losenszenen der großen Städte auf. 2007 wurden dann Rumänen und Bulgaren zu EU-Bürgern. Etwa zwei Millionen Rumänen haben seitdem ihr Land verlassen. Die meisten gingen nach Italien und Spanien, ein Teil auch nach Deutschland. Dort fordern sie seitdem Stadtverwaltungen und Hilfsorganisationen heraus.

Angesichts der bis heute ansteigenden Zuwanderungszahlen aus Bulgarien und Rumänien und des anstehenden Wegfalls der Zugangs-beschränkungen zum deutschen Arbeitsmarkt für Staatsangehörige dieser Länder Anfang 2014 haben die deutschen Städte nun Alarm geschlagen. In einem Ende Januar veröffentlichten Positionspapier fordert der Deutsche Städtetag Unterstützung bei der Bewältigung der sogenannten Armutszuwanderung von den Bundesländern, Bund und EU. An die Bundesregierung gehen deutliche Worte: Diese habe damals einer Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union zugestimmt, obwohl Defizite in diesen Ländern bekannt gewesen seien. Die Kommunen seien nicht in die Beitrittsverhandlungen einbezogen gewesen, müssten jetzt aber die Konsequenzen dafür tragen. In den EU-Verträgen seien Regelungen für ‚Arbeitnehmer’ getroffen worden, eine Armutswanderung von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern habe man schlichtweg ‚nicht vorgesehen‘.

Annähernd 150.000 Bulgaren und Rumänen haben sich 2011 in Deutsch-land behördlich angemeldet. Ein großer Teil von ihnen sind Roma – eine Aussage, die in den Ausführungen des Städtetages nicht getroffen wird. Die meisten Zugewanderten – Roma und Nicht-Roma – gehörten bereits in ihrem Herkunftsland einer unteren sozialen Schichten an. Beruflich un- oder geringqualifiziert und ohne deutsche Sprachkenntnisse schei-tern viele daran, in Deutschland als Selbständige einen Fuß auf den Boden zu bekommen, was praktisch die einzige Möglichkeit ist, bei den bestehenden Arbeitsmarktbeschränkungen einem legalen Gelderwerb nachzugehen.

Viele gehen einer Arbeit auf dem Schwarzmarkt nach, verdingen sich als Tagelöhner zum Beispiel auf dem Bau. In vielen großen Städten sind sogenannte Arbeiterstriche entstanden, auf denen sich Bulgaren und Rumänen ihren potentiellen Arbeitgebern anbieten. Andere Zuwanderer bestreiten ihr Auskommen durch Bettelei oder Straßenzeitungsverkauf wie den des strassenfeger. Ein Teil der aus Bulgarien und Rumänien stammenden Frauen prostituiert sich.

Auch die Wohnsituation der Zuwanderer ist äußerst prekär. Während sich die einen in der Obdachlosigkeit durchschlagen, kommen die anderen oft in baufälligen, häufig als Schrottimmobilien bezeichneten Häusern unter. Ein Teil wird Opfer von Betrügern, die Schlafplätze in überbelegten Wohnungen zu überteuerten Preise anbieten.

2001 2003 2005 2007 2009 2011

Bulgarien 13.472 13.409 9.022 20.702 28.890 51.612

Rumänien 21.145 24.056 23.387 43.456 56.427 95.479

Polen 100.522 104.924 159.157 153.589 122.797 172.676

Zuzüge nach Deutschland 2001 bis 2011

Auszüge aus dem „Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien“ (Januar 2013):

„In den (…) Situationen der Armutswanderung greift das EU-Recht nicht. Es regelt die Integration des Binnenmarktes und setzt gedanklich am ‚Arbeitnehmer‘ an. (…) Eine Armuts-wanderung von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern ist in der EU schlicht ‚nicht vorgesehen‘.(…)So werden die betroffenen Kommunen, in denen sich die Menschen aufhalten, zum Reparaturbetrieb für die Regelungs-defizite der Bundesregierung bei den EU-Beitritten, das bringt die Europäische Union zunehmend in Misskredit.(…)Der Bund ist Hauptakteur auf der europäischen Bühne und die Kommunen sind die Hauptbetroffenen europäischer Politik, ohne dass sie vom Bund einbezogen würden. Dieses eklatante Missverhältnis bedarf dringender verbindlicher Veränderungen.(…)Den Kommunen entstehen durch diese Armutsmigration erhebliche Kosten z. B. für die Schaffung von Notunterkünften, medizinische Grundversorgung oder sozial flankierende Leis-tungen und der Bereitstellung von Beratungsangeboten. Dies bedeutet für sie eine erneute zusätzliche finanzielle Belastung. Die Zuwanderung stellt allerdings auch eine gesellschafts-politische Herausforderung dar. (…) Hier ist besonderes Augenmerk unter anderem darauf zu richten, dass nicht rechte, fremdenfeindliche Kräfte die Situation als Reflexionsfeld erkennen und die Entwicklungen zusätzlich erschweren. Erste Anzeichen hierfür sind erkennbar.(…)Eine solche europäische Armutszuwanderung hat es in diesem Maße und in dieser Konstellation schwieriger Begleitbedin-gungen noch nicht gegeben. Sowohl die freien Träger als auch die Fachbereiche der Verwaltungen stoßen in ihren Möglich-keiten, Lösungsansätze und nachhaltige Handlungsstrategien zu entwickeln, immer wieder an Grenzen.(…)Es sind daher in den Herkunftsländern Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation der besonders von Armut betroffenen Bevölkerung notwendig, um Armutswanderungen unnötig zu machen. Um gleichwohl Zuwandernden gute Lebensperspektiven zu ermöglichen, brauchen die Städte drin-gend Rahmenbedingungen, die entsprechendes kommunales Handeln ermöglichen.“

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Trotzdem – die meisten der so genannten Armutszuwanderer wollen nicht zurück. Vor allem im Winter sei es dort in ihren zugigen Hütten schwer auszuhalten, sagen sie. Die Aussicht, eine Arbeit zu finden, hätten sie sowieso nicht, das Arbeitslosen- oder Sozialgeld vom Staat reiche nur ein paar Tage lang.

In Deutschland haben sie praktisch keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Und trotzdem entstehen den Städten Kosten für diese Menschen. Für Notunterkünfte. Für Notfallbehandlungen im Krankenhaus. Für die Schul-bildung der Kinder. Und auch für Inobhutnahmen von Kindern, wenn diese in nicht zumutbaren Wohnverhält-nissen angetroffen werden. Die Stadt Dortmund gibt für das Jahr 2011 an, 45 Kinder in Obhut genommen zu haben, von denen 29 dauerhaft fremduntergebracht werden mussten. Der Stadt seien dadurch Kosten von 1.000.000 Euro entstanden, heißt es.

Was tun? Die Situation für die Menschen in den Herkunftsländern verbessern, lautet eine Forderung des Deutschen Städtetages. Sie scheint ein frommer Wunsch zu sein angesichts der wirtschaftlichen Lage Bulgariens und Rumäniens, fehlenden politischen Wil-lens der dortigen Regierungen und Millionen erfolglos eingesetzter Euro der EU für die Verbesserung der Lage der Roma.

Ende Februar dieses Jahres äußerte sich Bundesin-nenminister Friedrich in zwei Fernsehinterviews zur so genannten Armutszuwanderung nach Deutschland. Die Forderung der Städte nach finanzieller Unterstützung wiegelte er ab. Seiner Ansicht nach müsse künftig ein weiterer starker Zustrom von Armutsmigranten unter-bunden werden, darüber wolle er in zwei Wochen mit seinen Ministerkollegen aus Rumänien und Bulgarien auf einer EU-Ratssitzung beraten.

Mit seiner Aussage „Wer nur hierher kommt, um Sozi-alhilfe zu kassieren, muss wieder gehen“ und seine Forderung nach „Einreisesperren für die, die betrügen, lügen, Dokumente fälschen“ widerspricht Friedrich den übereinstimmenden Äußerungen vieler Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die allermeisten Zuwanderer kämen mit der Absicht der Arbeitssuche ins Land, über das deutsche Sozialsystem wisse ein Großteil gar nicht Bescheid. Viele Roma könnten nicht nur nicht lesen und schreiben, fänden sich in Ämtern gar nicht zurecht, sie hegten auch eine gewisse Angst und Zurückhaltung vor diesen Ämtern.

Hans-Peter Uhl, Bundestagsabgeordneter der CSU und innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bun-destag, stieß in einer Diskussion im Deutschlandfunk Ende Februar ins selbe Horn wie sein Parteikollege: „Wir hätten in Bezug auf die Freizügigkeit in die EU-Verträge Klauseln aufnehmen müssen, dass Menschen, die dau-erhaft, weil unqualifiziert, auf Kosten des Sozialstaates mit ihren Familien hier leben, in ihre Heimatländer zurückgeführt werden können.“ Bekannt sei, dass in Deutschland Facharbeiter und Hochqualifizierte gefragt seien. „Selbstverständlich“ gebe es für diese eine Willkommenskultur. „Wir brauchen allerdings nicht Unqualifizierte ohne jede Sprachkenntnisse.“

Hans-Peter Uhl sagt dadurch recht eindeutig, dass er Armutszuwanderer in Deutschland nicht haben möchte, dass er sie gerne zurückschicken würde, wenn er könnte. Eine andere Sicht wäre es, die Schar der Armen als Chance zu sehen. Als Chance, der Ungleichheit und Ungerechtigkeit innerhalb der Europäischen Union in die Augen zu blicken. Solange es Grenzen und Visums-pflicht gab, waren arme Rumänen und Bulgaren weit weg. Nun sind sie bis vor unsere Haustür gekommen.

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Die hier abgebildeten Menschen gehören zu den sogenannten Armutszuwanderern. Sie stammen aus Lettland, Littauen, Polen, Rumänien, der Slowakei und Tchechien. Die meisten von ihnen verkaufen den strassenfeger

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Ausstellung„One Person Crying: Women and War“

Das Thema ‚Frauen und Krieg‘ führte die Fotografin Marissa Roth über einen Zeitraum von 28 Jahren in zahlreiche Länder. Es begann 1984 mit einer Reise ihrer Familie

zum ehemaligen jugoslawischen Zuhause ihrer jüdischen Großel-tern, welche 1942 von ungarischen Faschisten ermordet wurden. Vier Jahre später erhielt sie den Auftrag der „Los Angeles Times“, Frauen unter den afghanischen Flüchtlingen zu porträtieren. Als sie 1999 eine ärztliche Hilfsmis-sion begleitete und Flüchtlinge in Albanien fotografierte, wurde ihr bewusst, dass die Beschäftigung mit den unmittelbaren und blei-benden Auswirkungen von Krieg auf Frauen ein wiederkehrendes Thema ihrer Arbeiten war. Neben den Fotografien werden in der Ausstellung die Geschichten der porträtierten Frauen veröffentli-cht, die zeigen, wie der Krieg ihr Leben unwiderruflich veränderte. Marissa Roth, geboren in den USA, ist freie Fotojournalistin und Dokumentarfotografin. Sie arbeitete für zahlreiche Zeitungen und Magazine, u.a. die „New York Times und das „Time Magazine“. Roth gehörte zu den Mitarbeitern der „Los Angeles Times“, die 1993 den „Pulitzer-Preis“ für die beste lokale Berichterstattung über die Unruhen in Los Angeles erhielten. Die Ausstellung wird am 7. März um 19 Uhr 30 eröffnet.

Dienstag bis Sonntag von 12 Uhr bis 18 Uhr

Eintritt frei! Personalausweis oder Reisepass mitbringen!

Willy-Brandt-HausStresemannstraße 2810963 Berlin

Info und Bildnachweis: www.freundeskreis-wbh.de

Konzert„Jozef van Wissem”

Der in New York lebende Komponist und Lautenspieler Jozef van Wissem kommt nach Berlin und gastiert am 7. März im „Haus Ungarn“. Er verbindet Elemente der Minimal-Music, Barock und Renaissance. Der musikalische Überzeugungstäter arbeitet seit 20 Jahren unermüdlich daran, die Laute als Instrument aus dem 17. Jahrhundert in die Sprache der Neuzeit zu transportieren und einem neuen Publikum erfahrbar zu machen. Seine künstlerischen Strategien sind klassisch oder improvisatorisch, seine Liveshows und gemeinsamen Projekte unter anderem mit James Blackshaw und Keiji Haino haben ihn einem internationalen Publikum bekannt gemacht. Seit zwei Jahren arbeitet Jozef van Wissem mit dem ameri-kanischen Independent-Filmer Jim Jarmusch an einem musikalischen Projekt, in dem er seine fragilen Klangminiaturen mit Jarmuschs New-York-Noise-Gitarre kombiniert. Van Wissem veröffentlicht seine Tonträger hauptsächlich auf dem amerikanischen Avantgarde-Label

„Important Records“.

Am 7. März, Einlass um 20 Uhr, Beginn um 21 Uhr

Eintritt: maximal 12,40 Euro

Ticketbestellung: per Internet unter www.koka36.de/search.php oder per Telefon unter 030- 61101313.

Haus UngarnKarl-Liebknecht-Str. 910178 Berlin

Info: www.hausungarn.de und www.jozefvanwissem.com

Bildnachweis: John Saldana

Kinder„Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“

Eine kleine Geschichte für ziemlich kleine Menschen, die davon erzählt, warum Feuerwehrleute einfach nicht dazu kommen, ihren Kaffee zu trinken. Weil nämlich Oma Eier-schecke...und weil Emil Zahnlücke...und und und ...weil ohne die Feu-

erwehr das Leben nur halb so schön wär. Mit Puppen, Mensch und Feuer-wehr wurde das Spiel in Anlehnung an das bekannte Kinderbuch von Hannes Hüttner geschrieben und nun inszeniert. Regie führt Ania Michaelis geführt, das Spiel wird von Martin Karl durchgeführt. Das Stück ist für Kinder ab drei Jahren konzipiert, aber auch für ältere Kinder geeignet.

Am 10. März, am 12. bis zum 13. März, am 10. März um 16 Uhr, am 12. und 13. März um 10 Uhr

Eintritt: Erwachsene: 6,50 EuroKinder: 4,50 Euro

Kartenbestellung: per Telefon unter 030- 9917927

Das Weite TheaterParkaue 2310367 Berlin

Info und Bildnachweis: www.das-weite-theater.de

Film & Diskussion„Wir sitzen im Süden“

Im Film „Wir sitzen im Süden“ melden Sie sich mit Ralf Becker und Ilona Manzke. Sie sind freund-lich, geduldig und kompetent. „Wir sitzen im Süden“ lautet die Antwort auf gelegentliche Fragen der Kunden nach dem Standort der Firma. Die Callcenter-„Agents“, die fränkisch, badenserisch oder auch hochdeutsch sprechen, sitzen tatsächlich im Süden – in klima-tisierten Großraumbüros mitten in Istanbul. Deutsche Firmen von Lufthansa bis Neckermann finden hier für wenig Lohn qualifizierte Arbeitskräfte. Was Bülent (30), Murat (39), Fatoş (43) und Çiğdem (33) miteinander verbindet, ist ihre Kindheit und Jugend in Deutschland. Für ein Leben in Istanbul haben sie sich nicht selbst entschieden. Nur Çiğdem, die junge Managerin mit deutschem Pass, hat sich Istanbul als Wahlheimat ausgesucht. Bülent wurde vor fünf Jahren abgeschoben. Fatoş und Murat wurden gegen ihren

Willen von den Eltern in die Türkei geschickt. Selbst nach Jahrzehnten im Herkunftsland ihrer Eltern sind sie nie wirklich angekommen. Sie haben sich in einem „Ersatz-Deutschland“ eingerichtet. Mehr als 20 Jahre später ist es ungewiss, ob es eine Möglichkeit für sie gibt, nach Deutschland zurückzukehren. Nach dem Film gibt es eine Gesprächs- und Diskussionsrunde. Später legen

„Dj Ipek feat. Machette Horns“ auf,

Am 9. März, um 19.30 Uhr

Eintritt: 7,70 Euro/ermäßigt: 5,50 Euro

Ticketbestellung: www.reservix.de

Hebbel am Ufer (HAU 2)Stresemannstr. 2910963 Berlin

Info: www.hebbel-am-ufer.de

Bildnachweis: wir-sitzen-im-sueden.org

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Zusammengestellt von Laura

Schicken Sie uns Ihre schrägen, skurrilen, famosen und preiswerten Veranstaltungstipps an:

[email protected]

Lesung„Fessenheim”

Des Fortschritts nachhaltiger Skandal: Atomkraft. Wie das älte-ste AKW Frankreichs explodiert und radioaktive Wolken über Freiburg und Stuttgart bis Berlin treiben, davon erzählt die Novelle „Fes-senheim“ von Jürgen Lodemann, Autor von Ruhrgebiets-Romanen und Erneuerer der Nibelungen. Deutschland liegt im Windschatten von Frankreichs Fortschritt, und Lodemanns littérature engagée erweist die akute Hilflosigkeit aller „Notfall“-Pläne, endgültig nach Fukushima. Das Buch wird von dem Autoren Jürgen Lodemann vorgestellt. Die Veranstaltung wird moderiert von Elke Schmitter, Kritikerin der taz und des Magazins Der Spiegel.

Am 14. März, um 19 Uhr

Eintritt frei!

taz CaféRudi-Dutschke Str. 2310969 Berlin

Info und Bildnachweis: www.taz.de

Leute treffen„Sama Filmclub“

Im sehr alternativen „Sama Café“ gibt es immer montags einen

„Lieblingsfilm“. Welcher Film das ist, lässt sich stets der Interne-tseite www.sama32.squat.net/kino.htm entnehmen. Dabei reicht die Bandbreite von eher bekannten Filmen wie „Lord of war“ bis hin zu eher unbekannten Filmen wie der französischen Produktion

„OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“. Am Freitag dagegen gibt es eine dreiviertel Stunde lange Fresh-Stuff Science Fiction bis 21 Uhr. Dazu gehören, abgesehen von Kurzfilmen, auch Serien wie „Battlestar Galactica“ und andere.

Immer montags ab 21.30 Uhr und freitags von 20.15 Uhr bis 21 Uhr

Eintritt frei!

Sama32Samariterstraße 3210247 Berlin

Info und Bildnachweis: www.sama32.squat.net

FührungARD-Hauptstadtstudio

Im ARD-Hauptstadtstudio, der Produktionsstätte für die aktuelle bundespolitische Berichterstat-tung, wird ganztägig gearbeitet,

produziert und aus zwei TV- sowie vielen Hörfunk-Studios gesendet. Jeden Mittwoch und jeden Samstag bietet die ARD einen Rundgang durch das Gebäude an, mit Blick in die Fernseh- und Tonstudios sowie Hintergründen zur Arbeitsweise des Hauses. Eine Anmeldung über das ARD-Infocenter ist erforder-lich. Für Besuchergruppen mit spezifischem Medienhintergrund und Interesse organisiert die Kommunikationsabteilung des ARD-Hauptstadtstudios nach Voranmeldung geschlossene Grup-penführungen. Zu den möglichen Teilnehmern zählen zum Beispiel politisch Aktive und Interessierte, politische Verbände, Stiftungen, internationale Organisationen, Medienschaffende oder Studie-rende aus einem medienverwand-ten Bereich.

Samstags und mittwochs, um 15 Uhr

Eintritt frei! Aber eine Anmeldung zuvor ist erforderlich.

Kontakt und Anmeldung: per E-Mail [email protected] oder per Telefon unter 030- 2288-11/ 10

Info :www.ard-hauptstadtstudio.de

Bildnachweis: Wikimedia

Kino„Free the Mind“

„Free the Mind“ erzählt die Geschichte, wie die Vision eines Mannes das Leben dreier Men-schen komplett verändert: Als einer der führenden Hirnforscher hat es sich Professor Richard Davidson zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, ob und wie es möglich ist, das menschliche Gehirn allein durch die Macht der Gedanken physisch zu verändern. Indem er Kriegsveteranen und an ADHS erkrankte Kinder mit Yoga und Meditation bekannt macht, zeigt er Möglichkeiten auf, Stress und Schmerz ohne den Einsatz von Medikamenten zu überwinden. Im Anschluss an den Film gibt es ein Gespräch mit der Psychologin Dr. Britta Hölzel zu neurowissen-schaftlichen Forschungsarbeiten, speziell zum Thema ‚Achtsamkeit‘.

Am 11. März, um 19 Uhr

Eintritt: acht Euro

Kontakt: per Telefon unter 030- 2425969

Kino BabylonRosa-Luxemburg-Straße 3010178 Berlin

Info und Bildnachweis: www.babylonberlin.de

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24 Gerry Franke & Julius Conrad, Acoustic Funk bei strassenfeger unplugged

„Hey Moment mal, den kenn ich doch! …und den anderen irgendwie auch?“Eventuell ein Déjà-vu, wie es sicherlich jeder von uns schon einmal erlebt hat. Oder doch eine Erinnerung? Ich tippe mal auf Letzteres, denn ein wenig interessiert an Musik, das eine oder andere Konzert besucht oder auch nur die musikalische Untermalung in einer typischen Berliner Kneipe wahrgenommen, ist es kaum mög-lich, Gerry Franke und Julius Conrad nicht begegnet zu sein. Zusammen, solo oder auch in anderen Konstellationen, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Beide sind an ihrem Instrument, der Gitarre, unglaublich virtuos, vielseitig und präsent. Sozusagen durchaus auch prägende musikalische Unikate einer Kulturstadt wie Berlin, die auch ein klein wenig deren Geschichte mitschrieben, nur eben in Noten.

Meister ihres FachsWenn man heute Gerry dabei zusieht, wie er vollkommen in sich ruhend die Melodien seiner Akustikgitarre wie eine Sprache verwendet, bescheiden und fast demütig wirkend Emotionen transportiert, fällt es einem schon schwer, ihn wieder an der Seite von Andre Greiner-Pol und

„Freygang“ einzusortieren. Doch genau diese niemals stille Ostberliner Bluesband war auch mal eine prägende Station seines Schaffens. Julius lernte sein Handwerk an der Popschule Berlin und ist durch seine Zusam-menarbeit mit Iris Romen, an der Seite von Dalai Cellai am Cello und Sascha Bachmann am Schlagzeug, eine feste Größe der Berliner Musikszene. Wenn diese beiden Gitarristen gemein-sam in die Saiten greifen, nennen sie das ‚Acoustic Funk’. Und den gilt es zu erleben.

Gerry Franke & Julius Conrad spielen am 15. März 2013 bei strassenfeger unplugged, im Studio von ALEX TV in der Voltastraße 5, in 13355 Berlin-Wedding. Die Tore öffnen sich um 19 Uhr, das Konzert beginnt um 19.30 Uhr und der EINTRITT ist wie immer FREI!

Ein unerwartetes FeedbackIn vielen Gesprächen mit Teilen des Publikums nach den Aufzeichnungen, stellte sich immer wieder heraus, dass die Zuschauer zum einen gern

etwas mehr erfahren über die anwesenden Musiker und darüber hinaus sich auch oftmals mehr Talk-Zeit mit den anwesenden Gästen gewünscht hätten. Ganz ehrlich, für mich war das ein unerwartetes Feedback. Also haben wir, Oliver Spinedi, unser Aufnahmeleiter, und ich die Köpfe zusammengesteckt, Ideen entwickelt und wieder verworfen, an neuen Einfällen getüftelt, bis ein Konzept stand, von dem wir beide überzeugt waren. Das präsentierten wir dann dem Vorstand des Vereins mob e.V. und der Redaktion des strassenfeger. Nach über 30 erfolgreichen Konzert-Aufzeichnungen im nunmehr vierten Jahr, gehen wir gemein-

sam ein neues Wagnis ein.

Mitten drin Die Aufzeichnungsdauer von 90 Minuten wird auch in dem neuen Format beibe-halten, nur der Wortanteil wird deutlich

erhöht! Den Gästen und ihren Themen wird mehr Raum gegeben. Dies ist in erster Linie natürlich auch eine große redaktionelle Herausforderung. Damit nicht genug, es ändert sich auch die visuelle Anmutung des Formats. Das Publikum wird ein integraler Bestandteil jeder Sendung und noch näher und intensiver am Geschehen beteiligt. Die Talks finden mitten drin statt, wie in einem Cafe.

Das Kind bekommt einen neuen NamenUnplugged war nie ein Dogma bei uns und hat sich auch allein deshalb

schon überholt. Aber Musik und Gespräche bedürfen Begegnungen. Erwartete wie überraschende, kontrovers wie harmonisch, kurz oder aber lang. Als dies ist täglich in der Begegnungsstätte der Vereins zu beobachten. Nichts lag also näher, als dem neuen Kind einen bewährten Namen zu geben.

Aus strassenfeger unplugged wird kaffee|bankrott und startet im neuen Gewand mit veränderten Inhalten am 10. Mai 2013. Musika-lischer Gast der ersten Aufzeichnung wird der Schauspieler, Sänger, Kabarettist und Chansonier David Kaiser sein. Aufgezeichnet wird wie auch bisher im Studio unseres Haussenders ALEX. Für Meinungen und weitere Anregungen sind wir dankbar. Diese senden Sie uns bitte an [email protected]

n Guido Fahrendholz

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(Nur?) Noch zweimal strassenfeger unplugged,

aber KEIN Abschied

Diva oder Maske

Acoustic Funk mit Gerry Franke und Julius Conrad

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Aktu

ellPiraten auf Selbstfindungskurs

Ohne Führung kein Profil

Der Absturz der Piratenpartei bei den Mei-nungsumfragen ist alarmierend. Kam sie im Frühsommer 2012 bundesweit auf 12 Prozent

der Stimmen, waren es im Januar 2013 nur noch drei Prozent. Bei der Landtagswahl im konservativen Nie-dersachsen am 20. Januar 2013 gab es knapp 2 Pro-zent. Obwohl zunächst von einer Welle der Sympathie vor allem bei den Protest- und Nichtwählern getragen, die mit dem offenkundig unfähigen politischen Füh-rungspersonal in Deutschland unzufrieden sind, ist es den Piraten nicht gelungen, ihre zentralen Anliegen

– Transparenz, Gerechtigkeit, Basisdemokratie – mit fassbaren Inhalten und Programmpunkten zu füllen. Die sollen basisdemokratisch in bundesweit operie-renden Arbeitsgruppen (AGs) entstehen; bisher aber ohne wesentliches Ergebnis. Viele Sympathisanten wenden sich enttäuscht ab. Dabei zeigen andere Staaten wie Israel, Niederlande, Großbritannien usw., wo neu gegründete Parteien auf Anhieb ca. 20 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten, dass die Zeit reif ist für neue Ideen, für einen Paradigmenwechsel. In Deutschland ermittelte das „Salber-Institut“ in Köln im Herbst 2012 für die Piraten ein Wählerpotenzial von 20 Prozent.

Woran scheitern die Piraten? 1. Fehlende Führungsstrukturen, deshalb 2. keine Führungspersönlichkeiten und deshalb 3. keine Einigkeit an der Basis über konkrete Programmpunkte.

Im Einzelnen:

1. Die Satzung billigt dem Bundesvorsit-zenden, der sein Amt nebenberuflich ausübt, nur die Rolle eines Moderators zu. Er muss warten, bis die Parteibasis Programmpunkte erarbeitet, die dann nach heftigen Debatten und nach Durchlaufen verschiedener Entscheidungsebenen von dem Bun-desparteitag angenommen werden. Er selber darf keine inhaltlichen Initiativen ergreifen. Er gehört ja nicht zur Basis.

Diese Methode vernachlässigt elementare Erkenntnisse der Gruppen-dynamik. Eine Gruppe braucht einen „Leitwolf“; nicht nur für schnelle Entscheidungen in kritischen Situationen, sondern auch als Galionsfigur, zu der die Außenstehenden mit Respekt und die Mitglieder mit Stolz aufblicken können.

2. Der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer hat sich nach dem Niedersachen-Debakel von einer PR-Agentur beraten lassen und daraufhin angekündigt, für die Bundestagswahl im September 2013 auf ein Spitzenteam von fünf bis acht „Köpfen“ zu setzen. Das ist im Prinzip richtig. Menschen neigen nun einmal dazu, ihr Vertrauen eher gefühlsmäßig einem ihnen bekannten und qualifizierten Menschen zu schenken, als nur verstandesmäßig und rein sachlich eine Idee zu fördern. Eine solche Persönlichkeit und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit aufzubauen, braucht aber viel Zeit. Und die fehlt der Partei; jedenfalls bis zu Bundestagswahl im September; genau so wie die dafür erforderlichen Personen. Klassische Vorbilder der jüngeren Vergangenheit wie Konrad Adenauer oder Willy Brandt waren außerdem Parteivorsitzende, hatten also schon von da her Ansehen und Autorität.

3. An Führung fehlt es aber auch an der Basis. Dort gibt es für die verschiedenen Politikfelder AGs, für die jeweils Koordinatoren bestellt sind. Diese lassen den Dingen freien Lauf, handeln also „basisdemokra-tisch“. Wie in einem Universitätsseminar, jedoch ohne die Autorität eines Professors, tummeln sich dort Piraten, die – mehr oder weniger

fachlich qualifiziert, an sich vom guten Wollen getragen, aber ohne Politikerfahrung – ihre Meinungen und auch längere Ausarbeitungen kundgeben zu Themen, die unser krankes Politiksystem täglich durch die Massenmedien „ausspuckt“. Dabei entsteht ein wildes „Hauen und Stechen“, man arbeitet eher gegeneinander als miteinander und sucht jeweils Verbündete für seine Ansichten. „ Platzhirsche“ versuchen, die Szene zu beherrschen. Mit dem künftigen Parteiprogramm haben die meisten Beiträge wenig zu tun. Bei dem zentralen Problem des Geld-systems und der Finanzpolitik sind die Piraten weit hinter dem zurück, was in der progressiven Wirtschaftsliteratur bereits vertreten wird; z. B. von den beiden Wirtschaftswissenschaftlern Matthias Weik und Marc Friedrich in ihrem Buch: „Der größte Raubzug der Geschichte: Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“. Kein Wunder also, dass die Bürger vergeblich auf konkrete Programmpunkte der Piraten warten.

Ohne diese Probleme an der Spitze und an der Basis zu lösen, erscheint es ausgeschlossen, dass die Partei sowohl hinsichtlich ihrer Führungs-persönlichkeiten als auch bei den konkreten Programmpunkten in der Öffentlichkeit ein individuelles Profil erlangt, das sie für eine ausreichend große Zahl von Bürgern wählbar macht.

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Aktu

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„Festgehalten“ & „Zerfall und Abriss“Der Kampf des Fotografen Robert Conrad um den Erhalt historischer Architektur

Mehr als 15.000 Menschen haben in den vergangenen Wochen eine großartige Ausstellung im Pommerschen Landes-

museum Greifswald besucht: Der Fotograf Robert Conrad hat dabei mit 140 Architekturfotografien und einem 20minütigen Super-8-Film das Sterben der Altstadt in den 1980er Jahren doku-mentiert. Wegen des riesigen Interesses wurde die Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft der Bundeszentrale für Politische Bildung stand, bis Anfang März verlängert. Viele begeisterte Besucher erwarben Fotoabzüge der limitierten Auflage zur Exposition; prominentester Erwerber ist Bundespräsident Joachim Gauck. Das zur Ausstellung editierte Fotobuch „Zerfall und Abriss“ ist inzwischen ausverkauft. Ob es eine Neuauflage oder einen gänzlich neuen Band geben wird, ist derzeit in der Diskussion; das Interesse daran ist jedenfalls riesengroß.

Für Robert Conrad hat sich mit der Vollendung dieses Projekts über seine Heimatstadt auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit erfüllt. Aber, er wird dranbleiben am Thema und für den Erhalt der noch erhaltenen historischen Bauten in Greifswald kämpfen. Denn leider ist die Bewahrung dieser Bauten auch heute noch keine Selbstverständlichkeit, wie er in seinem Buch mahnend geschrieben hat. Dort beschreibt er auch sehr eindrucksvoll, wie er begann, diese historischen Fotos zu machen:

„Mein Weg zum Kindergarten führte am Hafenbecken entlang durch die Stein-beckerstraße, über die Hauptgeschäfts-straße hinweg und vorbei am Dom. Mein Schulweg ging in die andere Richtung, entlang des Hafens bis zur Bachstraße und dann durch die Roßmühlenstraße zur Knopfstraße. Ich lief über altes Kopf-steinpflaster, durch die engen Straßen mit ihren jahrhundertealten Wohn- und Geschäftshäusern, von denen keines dem anderen glich, vorbei an schon lange geschlossenen Kneipen, dem Lebens-mittelladen, vor dem die Holzstiegen

Robert Conrad

Berlin - Prenzlauer Berg 1984 >

Greifswald 1986

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8 www.robert-conrad-fotografie.de8 www.lumabytes.com/robert-conrad/

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der Stadtbrauerei voller Brause- und Bierflaschen mit ihren Porzellan-verschlüssen standen, vorbei an der Fischverarbeitungsfabrik mit den streng riechenden Kistenstapeln, am Eisenwarengeschäft, der Bäckerei mit den duftenden Milchbrötchen und dem Papierhaus „Hartmann“, wo man Schulhefte, Buntpapier und die Papierlaternen für Lampionumzüge bekam. Besonders interessant waren die Blockinnenbereiche hinter den geschlossenen hanseatischen Häuserfronten, die verwinkelten Hoflandschaften mit Hinterhäusern und Remisen, Tischler-, Sattler- und Schlosserwerkstätten, kleinen Fabrikgebäuden, Schuppen und Spei-chern. Hier standen auch Bäume, und es gab Nutz- und Ziergärten mit gemütlichen Lauben, Pergolen, Gewächshäusern, Kaninchengehegen und Hollywoodschaukeln.

... Mitte der 1970er Jahre sah ich staunend dem Abriss der Stadtmauer und der kleinen Büdnerhäuser in der Hirtenstraße am westlichen Ende der Altstadt zu, bald darauf begannen auch die Abbrucharbeiten bei uns in der Hafenstraße. Um 1978 … stellte ich fest, dass mein vollständiger alter Schulweg abgerissen worden war. Von der Hafenstraße aus über die Bachstraße hinweg, entlang der Roßmühlenstraße und die Knopfstraße hinauf war die Stadt verschwunden. ... Wie viele Greifswalder war ich damals verzweifelt und wütend. Ich beobachtete hilflos den unwieder-bringlichen Verlust meiner Stadt, wie ich sie kennengelernt und wie sie mich geprägt hatte. Ich wollte jenen Zustand am liebsten festhalten.

Ab etwa 1983 begann ich mit meiner alten „Beirette“, einer Kleinbild-kamera, die ich von meinen Eltern geschenkt bekommen hatte, den bedrohten Stadtraum zu dokumentieren. Später kaufte ich mir eine „EXA 1b“, hin und wieder konnte ich mir von Freunden auch Kameras der begehrten „Praktika“-Reihe leihen. Außerdem benutzte ich nebenbei, quasi als fotografischen Skizzenblock, eine Halbformatkamera Typ „Penti II“. … Es war mir wichtig, viele meiner Aufnahmen auf Diafilm zu machen, um zumindest im privaten Rahmen einem möglichst großen Publikum den kulturellen Verlust in meiner Stadt zu zeigen.

1989 hat auch in Greifswald Bürgerprotest endlich die weiteren Flächenabrisse gestoppt, die entsprechend der DDR-Planungen auch den verbliebenen Rest der Altstadt dahinraffen sollten. Erst mit dem Denkmalschutzgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom Jahr 1993 wurde eine verlässliche rechtliche Grundlage für den verantwortlichen Umgang mit der überliefer-ten Stadt geschaffen. Heute sind große Teile der damals bereits aufgegebenen Stadtquartiere vorbildlich saniert und zumeist durch kleinteiligen, den Maßstab der historischen Parzellen-struktur aufnehmenden Neubau ergänzt.

Doch auch heute ist der Erhalt historischer Bauten in Greifs-wald leider noch keine Selbstverständlichkeit. So heißt es, die heutigen Stadtväter planten den großen Hafenspeicher aus den 1930er Jahren – Teil der unverwechselbaren Stadtsilhouette – einer Investorengesellschaft zu übereignen, die seinen Abriss anstrebe. Zumindest in meinem Fotoarchiv würde auch dieses Bauwerk weiterbestehen: ich habe den Speicher über Jahrzehnte hinweg immer wieder von außen und innen aufgenommen. Alles in allem bleibt das aber ein schwacher Trost ...“

n Andreas Düllick

Info:

< Berlin - Prenzlauer Berg 1988

Greifswald-Ausstellung „HEIMATKUNDE“ im Pommerschen Landesmuseum 2012/2013 Ausstellungsplakat

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Jens Genschmar: „Dresden – Wiege des Fußballs“. Verlag „edition Sächsische Zeitung“, Dresden 2012, 19,90 Euro.

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„Dresden – Wiege des Fußball“ Ein Buch von Jens Genschmar über die ersten 70 Jahre Fußballgeschichte in Elbfl orenz

Der Fußball nimmt heute innerhalb der Sportwelt eine überragende Stellung ein. Millionen von Menschen kämpfen Woche um Woche ums runde Leder, erhitzen sich in den Stadien an strittigen

Entscheidungen und debattieren über nicht gegebene Tore, Elfmeter und Abseitsentscheidungen. Das war nicht immer so. Als ab Mitte der 1870er Jahre in Dresden lebende Engländer und Amerikaner sich im „Dresden English Football Club“ (D.F.C.), dem ersten Fußballverein Deutschlands (1874), organisierten und Fußball kickten, da hatte das Spiel mit dem runden Leder noch viele Feinde – insbesondere in der deutschen Turnerschaft – und war weit vom heutigen Standart entfernt. Wie und wo in Dresden ab 1874 gegen den Ball getreten wurde, das hat der Begründer des Dresdner Fußballmuseums, Jens Genschmar, in einem aktuell im Verlag „edition Sächsische Zeitung“ erschienenen Buch beleuchtet. Herausgekommen ist ein sehr informativer und großartig illustrierter Hardcover-Band mit wahren Schätzen der Fotografi e aus der Anfangszeit des Dresdner Fußballsports.

In der 160 Seiten langen Arbeit „Dresden – Wiege des Fußballs“ gelingt es Jens Genschmar anhand kurzer, gut lesbare Textblöcke und vor allem der zahlreichen Fotos, Postkarten, Plakaten, Sammelbilder und diverser anderer Bilddokumente die Fußball-Stimmung in der sächsischen Metropole sehr gut einzufangen. Die liebevoll zusammengestellten Abbildungen von traditionsreichen Vereinen wie dem SV Guts Muts, Dresdner Fußballring, FC Brandenburg Dresden, Dresdner SC, diversen Spielszenen und Zuschauern in verschiedenen Stadien zeugen von einer stetig wachsenden Begeisterung der Dresdner für den Fußball.

Angefangen mit den ersten Gehversuchen des Fußballs im Königreich Sachsen (1874-1918) über den endgül-tigem Durchbruch des Fußballs in den 1920er Jahren als in fast jedem Stadtteil Dresdens Vereine entstanden bis hin zu den ersten zwei Deutschen Pokalsiegen (1941/1942) und Meisterschaften (1943/1944) des Dresdner SC (unter anderem mit dem späteren Bundestrainer Helmut Schön) in der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Auf der Zeitreise durch die Jahrzehnte erfährt der Leser dabei so manches spannende Detail, etwa dass das Endspiel um Deutsche Meisterschaft 1911 (Berliner T.u.F.C. Victoria 1889 – VfB Leipzig 3:1) vom Deutschen Fußballbund (DFB) auf dem Gelände der Dresdner Hygieneausstellung (Sportplatz an der Lennéstraße) organisiert wurde oder dass der Nationalspieler (25 Länderspiele) des Dresdner SC, Richard Hoffmann, nach einem Engagement für eine Zigarettenfi rma vom DFB aufgrund der damaligen Amateurrichtlinien auf Lebenszeit aus der Nationalelf verbannt wurde. Auch von ersten Frauen-Fußballmannschaften in der sächsischen Metropole zeugen einige beeindruckende Fotos von 1921!

Und nicht zuletzt der Aspekt, dass nicht Braunschweig, sondern Dresden, wie der Titel des Buches besagt, der Ruhm gebührt, Wiege des deutschen Fußballs zu sein. Autor Genschmar beruft sich dabei auf Recherchen des Historikers Andreas Wittner, der historische Zeitungen aus Leipzig und Wien zur Geschichte des „Dresden English Football Club“ ausgewertet hat. In einer Wiener Zeitung von 1894 heißt es da: „Der Dresden English Football Club, der circa zwanzig Jahre besteht, hat bis 10. März 1894 weder ein Goal noch ein Spiel verloren.“ Die in Braunschweig von Konrad Koch eingeführte und von den Schülern des Gymnasium „Martino-Katherineum“ 1874 gespielte Form des Fußballs sieht Genschmar aber noch näher am Rugby als am Fußball. Für ihn ist Dresden der Ort, wo der Fußball in Deutschland laufen lernte.

Abgerundet wird das spannende Buch, das nicht nur eine Aneinander-reihung von Fotos ist, sondern auch die Geschichte des Fußballs in Dresden mit der politischen und kulturellen Entwicklung in Deutschland verknüpft, durch einen Statistikteil von ausgewählten Spielen, Erfolgen von Dresdner Mannschaften und einem Verzeichnis der Dresdner Nationalspieler vor 1945.

n C. R.

Info:

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Spielszene vom Sportplatz Pfotenhauerstraße (Heimstätte des SV Guts Muts)1930

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Rechtsanwältin Simone Krauskopf

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Ratg

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›› www.tacheles-sozialhilfe.de›› www.erwerbslosenforum.de

Weiterhin Probleme mit der Miete

In den letzten Wochen häufen sich in der Sozialberatung die Probleme mit der Übernahme der Kosten von Betriebskostenabrechnungen der Vermieter und der Forderungen von Gaslieferanten aus der

Jahresabrechnung, wenn dort Kosten für die Gasheizung enthalten sind.

In der Regel müssen die Jobcenter die Nachforderungen übernehmen. In der Regel heißt aber auch, es gibt Ausnahmen. Eine Ausnahme ist z. B., dass die Miete als unangemessen gilt und Betroffene einen Teil der Miete oder Heizkosten selbst zahlen müssen.

Erster Fehler der Jobcenter bei Nachzahlungen: Im Abrechnungszeitraum war die Miete noch angemessen. Ein Beispiel: Die Betriebskostenab-rechnung erhielt der Mieter bis Ende 2012. Der Abrechnungszeitraum auf den sich die Betriebskostenabrechnung bezieht, ist das Jahr 2011. Nur wenn die Miete im ganzen Jahr 2011 schon als unangemessen galt, darf das Jobcenter die Kostenübernahme verweigern. Wurde die Miete erst zum 1.7.2011 unangemessen, muss das Jobcenter zumindest die Hälfte der Betriebskostenabrechnung übernehmen. Ebenso sind die Jahresabrechnungen der Gaslieferanten zu behandeln. Wenn mit Strom geheizt wird, gilt das ebenso für den Anteil der Heizkosten.

Zweiter Fehler der Jobcenter: Die Miete wird noch nach den alten, bis April 2012 gültigen Mietobergrenzen berechnet. Die neue WAV regelt seit NEUN MONATEN (!) die neuen Mietobergrenzen und noch immer zahlen Betroffene nicht nur in Einzelfällen nach der alten AV-Wohnen einen Teil der Miete selbst. Entsprechend übernehmen die Jobcenter auch keine Nachforderungen.

Hier eine kleine Gegenüberstellung der Miete einschließlich Heizung nach der alten AV-Wohnen und der neuen WAV ab Mai 2012.

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1-Personen-BG 378 € 380 - 408 €

2-Personen-BG 444 € 456 – 489 €

3-Personen-BG 542 € 566 – 608 €

4-Personen-BG 619 € 641 – 689 €

5-Personen-BG 709 € 739 – 793 €

Die Mietspanne ergibt sich aus der neuen Berechnung durch die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Heizungsarten Heizöl, Erdgas und Fernwärme, sowie der Größe der Gebäudefläche. Die gesamte gültige WAV ist unter www.tacheles-sozialhilfe.de unter Verwaltungs-vorschriften der Bundesländer (hier Berlin) zu finden. Achtung! Dort ist auch eine WAV eingestellt, die kein Datum trägt. Diese ist (noch) nicht gültig. Ebenfalls sind u.a. die Verwaltungsvorschriften von Berlin zu Bekleidung, Babyausstattung und Wohnungserstausstattung zu finden.

Dritter Fehler der Jobcenter: Die Heizkosten wurden nie übernommen. Wenn dies vorkommt, geht es nach meiner Erfahrung um Gasheizung. Ob die Betroffenen selbst den Fehler beim Erstantrag gemacht haben und die Abschlagszahlungen nicht eingetragen haben oder der Fehler beim Jobcenter liegt, ist im Prinzip egal. Zumindest den Sachbearbeitern MUSS auffallen, dass keine Heizkosten anfallen und dies eigentlich unmöglich ist!

Hier müssen die Heizkosten rückwirkend auch für das ganze Jahr 2012 übernommen werden. Ebenfalls die Nachzahlung aus der Jahresab-rechnung. Nach meiner Meinung, auch, wenn durch die nachträgliche Übernahme der Abschläge die Gesamtmiete eigentlich „unangemessen“ zu hoch wird. Da das Jobcenter kein Kostensenkungsverfahren einge-leitet hatte, sind die tatsächlichen Kosten zu übernehmen. Dass das Jobcenter in diesen Fällen kein Kostensenkungsverfahren einleiten konnte, weil es übersah, dass Heizkosten eigentlich anfallen müssen, ist hier dem fehlenden oder nicht gewollten „Sachverstand“ der Sacharbei-ter anzulasten und nicht den Betroffenen, die die Heizkosten, teilweise seit Jahren aus Unkenntnis aus dem Regelsatz bezahlten!

Achtung! In der Serie „Sanktionen“ habe ich auf ein Urteil des BGH, das die Kündigung schon nach einem Monat Mietschulden erlaubt hätte, hingewiesen. Dies war leider (bzw. eigentlich zum Glück) falsch. Es gilt weiterhin, dass erst bei zwei Monaten fehlender Miete gekündigt werden kann. Richtig bleibt aber, dass der Hartz IV-Bezieher durch Verschulden des Jobcenters nach 40 Jahren seine Wohnung verlor.

n Jette Stockfisch

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War das ein Wochenende! Nie war so viel auf einmal los! Ich hatte mir gedacht, dass eben Karneval sein wird, es gibt ein paar fade Witze aus Mainz wie es weint und lacht und das war’s! Und dann das: Erst tritt Frau Schavan zurück, dann der Papst, in Russland geht ein Meteorit auf Tscheljabinsk nieder, und der Kontinent ist voller Pferdefl eisch. Dieses Zusammentreffen von Ereignissen kann kein Zufall sein. Das hängt alles irgendwie zusammen.

Mit dem Rücktritt der Frau Schavan (ohne DR.!) fi ng alles an, aber die war ja schon abgeschrieben, weil sie abgeschrieben hatte, und das, obwohl sie doch vorher in einem Kinderinterview ohne rot zu werden behauptet hatte, so was nie gemacht zu haben. Ganz abgeschrieben ist sie aber noch nicht, denn neben ihrem Bundestagsmandat hat sie ja auch noch die Professur an der FU für katholische Theologie. In Berlin geht eben vieles. Womit wir beim nächsten Theologieprofessor wären.

Vor seiner brillanten kirchlichen Karriere war Papst Benedikt XVI. vor allem ein Theologieprofessor, der nicht abgeschrie-ben, sondern selbst geschrieben hat. Der Professor Ratzinger ist er wohl auch bis heute geblieben. Mit seinem Rücktritt als Papst stellte sich für viele die Frage, ob er nun seinen Künstlernamen Benedikt und die Amtsbezeichnung beibehalten dürfe. Ist er ab 1. März der Ex-Papst oder der Altpapst oder der Papst a.D.? Heißt er immer noch Benedikt oder nun wieder Joseph Ratzinger? Was für Sorgen sich doch manche machen … Mir wäre es am liebsten, er hieße wieder Ratzipatzi, wie ihn seine Studienkollegin Uta Ranke-Heinemann liebevoll nennt. Die war auch eine Theologieprofessorin, aber sie wurde rausgeworfen. Um die Rente des Papstes müssen wir uns auch keine Sorge machen, denn er war ja ein deutscher Professor und ist deshalb pensionsberechtigt. Darum muss sich der sehr kleine und überwiegend von auswärtigen Zuwendungen lebende Vatikanstaat nicht kümmern.

Als der Vatikanstaat noch größer war und sich Kirchenstaat nannte, gehörte dazu auch die Stadt Bologna, berühmt für ihre Lasagne. Ausgerechnet in diesem Lebensmittel wurden Spuren von Pferde-fl eisch entdeckt. Die Aufregung war riesengroß, gerade als ob das ein Anschlag auf die Gesundheit wäre. Das war es aber nicht. Die Leute regten sich auf, weil sie irgendwann mal gelernt haben, dass Pferdefl eisch angeblich eklig schmeckt oder dass es unmoralisch ist,

Pferdefl eisch zu verzehren. Dieser Meinung ist man nicht überall in Europa. Wie kommt es, dass Pferd in Deutschland tabu ist, in Frank-reich und Italien aber eine Delikatesse? Mit dieser Frage kommen wir wieder zu einem Papst.

Papst Gregor III. erließ 732 ein generelles Verbot, Pferdefl eisch zu essen, und Bonifatius predigte das den Germanen. Als Grund darf man annehmen, dass das auf die religiösen Praktiken unserer Vorfahren zielte. Die opferten nämlich ihren Göttern gern Pferde und halfen ihnen anschließend beim Verzehr. Die Köpfe wurden auf den Giebel der Häuser gesteckt. Damit kein frisch bekehrter Germane klammheimlich weiter den alten Kult praktizieren konnte, wurde der Verzehr von Pferdefl eisch allgemein geächtet. Heute brauchen wir uns daran nicht mehr zu halten, wo doch selbst in Wagneropern Wotan kein Pferdesteak isst. Die religiöse Gefahr ist vorbei. Die Isländer

wurden bei ihrer Bekehrung ausdrücklich vom Pferdefl eischverbot befreit, weil die Ponys der wichtigste Fleischlieferant auf der Insel waren. Jetzt wissen wir, was es heißt „Das Leben ist kein Ponyhof“, und wir müssen auch nicht päpstlicher als der Papst sein.

Was man lebensmittelrechtlich in diesem Vorgang bemängeln kann, ist einzig und allein die falsche Etikettierung dieser Lasagne. Wenn da draufgestanden hätte „Dieses Produkt enthält 7% Pferdefl eisch“ so, wie auf allen möglichen Lebensmitteln vor Spuren von Soja oder Nüssen gewarnt

wird, gäbe es nichts auszusetzen. Diese Zutatenliste auf der Ver-packung ist quasi die Fußnote der appetitanregenden Bilder und Texte zum Thema Lasagne – und Fußnoten müssen nun mal korrekt sein. Bei Fehlern hagelt es Sanktionen, und die Lasagne fl iegt aus dem Kühlregal.

Damit sind wir wieder am Anfang unserer Ereigniskette. Frau Schavan hat ja keinen Blödsinn in ihrer Doktorarbeit geschrieben. Sie hat einfach die verwendeten Zutaten nicht korrekt in ihren Fußnoten dokumentiert. Nur darum wurde ihr der Doktortitel aberkannt wie der Lasagne der Platz im Tiefkühlregal. Ist es nicht wunderbar, wie in der Welt alles so ordentlich zusammenhängt? Da wundert es dann auch nicht mehr, dass höhere Gewalt in Tscheljabinsk mal so richtig auf den Tisch haut und einen Blitz in den Petersdom jagt (keine Angst, Kirchen vertrauen auch auf Blitzableiter). Auch die göttlichste Geduld hat mal ein Ende.KptnGraubär

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Ausgabe 06/2013 „FAIR“

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Redaktionelle Mitarbeit Eike Bretschneider, Robert Conrad, Andreas Düllick, Laura F., Guido Fahrendholz, Mara Fischer, Detlef Flister, rwf, Bernd Hack, Jutta H., Christoph Mews, Jan Markowsky, Marcel Nakoinz, Boris Nowack OL, Andreas P., Manuela P., Andreas Prüstel, Urzsula-Usakowska-Wolff, Manfred Wolff

Titelbild Collage: Guido Fahrendholz

Karikaturen Andreas Prüstel, OL

Satz und Layout Ins Kromminga

Belichtung & Druck Union Druckerei Berlin

Redaktionsschluss der Ausgabe 26.Februar 2013

Namentlich genannte Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es war nicht möglich, bei allen Bildern die Urhe-berrechte festzustellen. Betroffene melden sich bitte bei uns. Für unverlangt eingesandte Fotos, Manuskripte oder Illustrationen übernehmen wir keine Haftung.

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RedaktionPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 41 93 45 91E-Mail: [email protected]

Abo-Koordination & Anzeigenmob – obdachlose machen mobil e.V.Tel.: 030 - 41 93 45 91

Treffpunkt Kaffee Bankrott Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 44 73 66 41Öffnungszeiten: Mo. – So. 8:00 – 20:00 UhrZeitungsverkauf: bis 20:00 UhrKüchenschluss: 19:00 Uhr

NotübernachtungPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 41 93 45 93Öffnungszeiten: 17:00 – 8:00 UhrAnmeldung: 17:00 – 23:00 Uhr

Trödelpoint bei mob e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlingegenüber dem S-Bahnhof Prenzlauer AlleeMo – Fr: 8:00 – 18:00 UhrTel.: 030 - 246 279 35E-Mail: [email protected]

Unsere Webseitewww.strassenfeger.org

OL auf Seite 31

Page 32: Ausgabe 5/2013 Flimmern & Rauschen - strassenfeger

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Die Aktion »Ein Dach über dem Kopf« wurde von uns ins Leben gerufen, um Mitmenschen, die in Not und ohne Bleibe sind, wirksam helfen zu können. Damit wir diesen Menschen weiterhin helfen können, benötigen wir nach wie vor Ihre Hilfe und Unterstützung.

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Jeanette Biedermann und „EWIG“ unterstützen die Spendenaktion „Ein Dach über dem Kopf“!