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Straßenzeitung für Berlin & Brandenburg 1,50 EUR davon 90 CT für den_die Verkäufer_in No. 24, Nov-Dez 2013 PROTEST Die roten Zelte der Obdachlosen (Seite 3) SEHNSUCHT Erfahrungen mit dem »Wohnen« (Seite 8) VISIONEN »Konstruieren statt konsumieren« (Seite 16) SCHÖNER WOHNEN

SchönerWohnen - Ausgabe 24/2013 des strassenfeger

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Page 1: SchönerWohnen - Ausgabe 24/2013 des strassenfeger

Straßenzeitung für Berlin & Brandenburg

1,50 EURdavon 90 CT für

den_die Verkäufer_in

No. 24, Nov-Dez 2013

PROTESTDie roten Zelte der Obdachlosen (Seite 3)

SEHNSUCHTErfahrungen mit dem »Wohnen« (Seite 8)

VISIONEN»Konstruieren statt konsumieren« (Seite 16)

SCHÖNER WOHNEN

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 20132 | INHALT

strassen|feger Die soziale Straßenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob – obdach-lose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe!

Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des stras-senfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Möglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie können selbst entschei-den, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkäufer erhalten einen Verkäuferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist.

Der Verein mob e.V. fi nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notübernachtung und den sozialen Treff punkt »Kaff ee Bankrott « in der Prenzlauer Allee 87. Der Verein erhält keine staatliche Unterstützung.

Liebe Leser_innen,

eigentlich sollte diese Ausgabe das Thema ›Wohnen‹ von meh-reren Seiten beleuchten: Einerseits wollten wir natürlich die vielen sozialen Aspekte des Wohnens unter die Lupe nehmen und Fehlentwicklungen kritisch beleuchten. Andererseits woll-ten sich unsere Autor_innen auch mit den wunderbaren Din-gen des Wohnens beschäftigen und dazu Traumwohnungen etc. vorstellen. Am Ende kam es anders, denn wir fanden bei unse-ren Recherchen, dass es viel zu viele Probleme in unserer Stadt rund um das Thema ›Wohnen‹ gibt. Deshalb ist unsere ›Schöner Wohnen‹-Ausgabe nun eher eine kritische Auseinandersetzung geworden, statt eines bunten Lifestyle-Magazins.

Auf den Nägeln brennt uns natürlich ganz besonders unsere eigene Situation: Zwar haben wir nach der Kündigung unserer Vereinsräume in der Prenzlauer Allee 87 in Eigenregie ein neues »Wohnquartier« für die Hilfeprojekte des Vereins wie »Kaffee Bankrott«, »Trödelpoint« und »strassenfeger« gefunden. Doch bis Stand heute gibt es keine neuen Räume für unsere Notüber-nachtung »Ein Dach über dem Kopf«! Und das trotz intensiver Bemühungen und vieler Anfragen an die zuständigen Politiker in dieser Stadt. Deshalb müssen wir langsam über Formen des Protests nachdenken, um auf diesen unhaltbaren Zustand auf-merksam zu machen und die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Die Franzosen haben uns das 2007 vorgemacht: Nach einer Protest-aktion mit vielen roten Zelten in Paris verabschiedete die Natio-nalversammlung ein Gesetz über das Recht auf Wohnen (S. 3.).

Unsere Autor_innen informieren Sie aber auch über die Mie-terberatung (S. 6), darüber, wie Menschen wohnen wollen und welche Schwierigkeiten sie bei der Wohnungssuche haben. Und – wir stellen Ihnen das aufregende Projekt »Ein Quadratmeter Stille« von Van Bo Le-Mentzel vor (S. 16). Unser Brennpunkt widmet sich diesmal der Arbeit der »Frostschutzengel«, die Men-schen aus osteuropäischen Ländern helfen, in Deutschland über die Runden zu kommen (S. 20). Last but not least haben wir aufregende Berichte über Tischtennis der Extraklasse (S. 26) und die erfolgreichen Basketballer von »Alba« (S. 28) im Heft.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser_innen, wieder viel Spaß beim Lesen!Andreas Düllick

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INSPIRATIONDie roten Zelte der Obdachlosen

Suche nach der Traumwohnung

Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH

Sehnsuchtsort oder Überforderung

Wohnen in der »Platt e«

Radieschen von unten

Der Traum von Freiheit

Entrümpeln hilft

Wohnstadt Carl Legien im Prenzlauer Berg

Nur unten ist die Chance

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TAUFRISCH & ANGESAGTa r t s t r a s s e n fe g e rDie Visionen des Van Bo Le-Mentzel: »Konstruieren statt konsumieren«

B re n n p u n k tJenseits von Waren und Märkten

K u l t u r t i p p sskurril, famos und preiswert!

A k t u e l lClemens Meyer »Im Turm« – statt einer Rezension

Chanukka – Licht und Freiheit

S p o r tTischtennis: Dima, Vladi, Timo & das Wunderkind

Alba Berlin marschiert

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AUS DER REDAKTIONH a r t z I V - R a t g e b e r»56 Prozent-Regelung« & Beitragsschulden

K o l u m n eAus meiner Schnupft abakdose

Vo r l e t z t e S e i t eLeserbriefe, Vorschau, Impressum

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Die roten Protestzelte der Obdachlosen 2007 in Paris (Quelle: Archiv strassenfeger)

strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 SCHÖNER WOHNEN | 3

Die roten Zelte der ObdachlosenKeine Räume für die Notübernachtung von mob e.V. – Schließung droht! Aber auch Proteste!B E R I C H T : A n d r e a s D ü l l i c k

Wir haben bereits mehrfach darüber im stras-senfeger und in zahllosen Berichten Berli-ner und überregionaler Medien berichtet: Die Notübernachtung »Ein Dach über dem Kopf« des Vereins mob – obdachlose ma-

chen mobil e.V. muss ihren Sitz in der Prenzlauer Allee 87 bis zum 31. Januar 2014 verlassen. Unsere Vermieterin hat uns am 28.06.2012 mit dem lapidaren Satz gekündigt:

»Die Wohnsituation hat sich im Laufe der letzten Jahre im Prenzlauer Berg so verändert, dass es uns nicht mehr mög-lich ist, ein Projekt Ihrer Art in unserem Objekt zu halten.«.

Leider haben wir trotz intensiver eigener Suche und vieler Hilfeersuchen an die verantwortlichen Politiker in dieser Stadt bislang keine geeigneten Räume für die Notübernach-tung gefunden. Wen haben wir nicht alles angesprochen – die Liste reicht vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowe-reit (SPD) über den Sozialsenator Mario Czaja (CDU), den Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum (parteilos) bis hin zum Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) und die zuständige Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD). Stand heute: Nix! Kein Angebot! Keine Aussicht auf eine passende Immobilie. Nur warme Worte. Und der Hin-weis darauf, dass es schwierig bis unmöglich wäre, geeignete Räume für uns zu finden. Zitat aus dem Schreiben des Be-zirksbürgermeisters vom 09.01.2013: » Ich habe Ihre Anfrage nach einer eventuellen Ausweichmöglichkeit des Vereins in ein Gebäude des Bezirks oder Landes durch unser Facility Managment (zuständig für die Verwaltung bezirklicher Ein-richtungen und Grundstücke) überprüfen lassen. Demnach findet sich momentan kein geeignetes landeseigenes Objekt zur Vermietung oder Überlassung an den mob e.V. im Objekt-bestand der Immobilienverwaltung. « Ein Armutszeugnis im wahrsten Sinne des Wortes!

Wie ein Treppenwitz mutet da an, dass der Bezirk vor ein paar Wochen eine Gedenktafel am ehemaligen Obdach-losenasyl »Die Palme« in der Fröbelstraße anbringen lassen hat. Natürlich war der Pankower Stadtrat für Verbraucher-schutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice, Dr. Torsten Kühne (CDU), für ein hübsches Foto zur Stelle. Bei mob e. V. hat sich Dr. Kühne bis heute nicht ein einziges Mal sehen lassen.

E n g a g i e r t e Po l i t i ke r 1 : C a ro l a We i ß ( S P D )

Loben muss man an dieser Stelle die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Carola Weiß. Sie engagiert sich wirklich sehr für unsere Sache. Vor ein paar Tagen trafen wir uns gemeinsam mit ihr bei der Gesellschaft für Soziale Stadtentwicklung. Es war ein ermu-tigendes Gespräch, doch ein konkretes Angebot hatte auch

der GSW-Chef nicht für uns. Eine gemeinsame Anfrage beim Chef des Berliner Immobilienfonds blieb leider auch erfolg-los. Auch beim Geschäftsführer der Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG, Holger Lippmann, haben Clara West und der Verein um Hilfe angefragt: Leider auch ohne Erfolg. Holger Lippmann ließ uns am 14.10.2013 schriftlich ausrichten: »Wir würden Ihr Projekt gern unterstützen, aber leider können wir Ihnen derzeit keine geeigneten Räume an-bieten.« Dabei haben die Bezirke in der Vergangenheit ihre leerstehenden Häuser und Grundstücke, um Kosten zu spa-ren, in diesen Fonds verschieben dürfen.

E n g a g i e r t e Po l i t i ke r 2 : P h i l i p p M a g a l s k i ( P i r a t e n )

Richtig ins Zeug für unsere wichtige Sache legt sich auch der Berliner Pirat Philipp Magalski (MdA und dort im Aus-schuss für Stadtentwicklung und Umwelt und im Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten: Er versuchte im Kulturaus-schuss des Abgeordnetenhauses eine Antwort des zustän-digen Kulturstaatssekretärs zu bekommen, wie er sich die Zukunft des strassenfeger vorstelle, auch mit Hinweis auf Zuständigkeit für Zeitung und Presse, und dass der stras-senfeger als Zeitung von stadt- bzw. landesweiter Bedeutung in Gefahr ist. Mit der Begründung der Nichtzuständigkeit

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Frauen fühlen sich sehr wohl in unserer Notübernachtung (Foto: Jutta H.)

strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 20134 | SCHÖNER WOHNEN

wurden seine Fragen abgebügelt und nicht be-antwortet.

Dann stellte Magalski am 12. September in der 35. Sitzung des Parlaments die »Mündliche Anfrage Nr 14«: »Obdachlosenhilfe bald obdach-los? Was tut der Senat zur Rettung von strassen-feger und Notunterkunft?« Behandelt wurde die Anfrage damals nicht, dafür bekam er am 18.09. 2013 eine schriftliche Antwort von Dr. Margara-tha Sudhof aus der Senatsverwaltung für Finan-zen in der »Drucksache 17 / 20 406«. Dort heißt es u.a.: »…hält der Liegenschaftsfonds keine po-tenziellen Notunterkünfte in Pankow vor.« Und weiter: »Der Senat geht davon aus, dass der Trä-gervein mob e.V. in der Lage ist, selbst über seine Kommunikation mit dem Senat, dem Liegen-schaftsfonds oder anderen Einrichtungen zu ent-scheiden.« (Magalski hatte gefragt, »In welcher Art und Weise der Senat künftig mit dem Bezirk Pankow, dem Liegenschaftsfonds und dem Verein mob e.V. kommunizieren und kooperieren will, um eine Hilfestellung für den Verein mob e.V. bzw. für seine wichtigen Projekte zu leisten?«)

Magalski fragte auch Sozialsenator Czaja bezüglich der Lösung unseres Problems an. Die Antwort von Herrn Czaja war, dass unser Anlie-gen geprüft wird und Magalski in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses noch mal nachfra-gen könne. Bislang gibt es auch von Sozialsena-tor Czaja keine weiteren Infos. Still ruht der See, und uns läuft sie Zeit weg!

D i e Po l i t i k m u s s s c h l e u n i g s t h a n d e l n !

Zur Erinnerung – unsere ganzjährig geöffnete Notübernachtung ist die einzige im Großbezirk Pankow! Im Klartext heißt das: Wenn wir bis

H i e r u n s e re S p e n d e n a d re s s e :

Bank für Sozialwirtschaft

Spendenkonto: 328 38 - 01

Bankleitzahl: 100 205 00

Kennwort: Umzug

zum Ende des Jahres keine geeigneten Räume gefunden haben, müssen wir unsere Notüber-nachtung »Ein Dach über dem Kopf« schließen. Und das mitten im Winter, wenn eigentlich die »Berliner Kältehilfe« greifen soll und den vielen obdachlosen Menschen geholfen werden muss.

Eines sollte den verantwortlichen Politikern in dieser Stadt deshalb klar sein: Wenn nichts mehr geht, dann werden viele obdachlose Men-schen für ihr Recht auf Wohnen einstehen. Es wird passende Aktionen geben, mit denen wir gemeinsam dieses Recht einfordern. Denkbar wäre z. B. eine hübsche, große, bunte Zeltstadt für Obdachlose vor dem Amtssitz des Regieren-den Bürgermeisters, dem Roten Rathaus. Auf dem Schlossplatz. Vor den Parteizentralen. Vor dem Bundeskanzleramt. Vor dem Reichstag.

D i e ro t e n Ze l t e v o n Pa r i s b a l d a u c h i n B e r l i n ? !

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an eine wunderbare Aktion obdachloser Menschen und ihrer Unterstützer vor ein paar Jahren in Paris: Am touristisch hoch frequentierten Kanal Saint Martin wurden 2007 von der Bürgerinitiative »Les Enfants de Don Quichotte« 250 knallrote Zelte aufgeschla-gen, um obdachlosen Menschen wenigstens ein textiles Dach über dem Kopf zu bieten. Die smarte Solidaritätsaktion wurde zum vorweihnachtlichen Schlagzeilenlieferanten. Außerdem zwang sie den damals für den »sozialen Zusammenhalt« verant-wortlichen Minister Jean-Louis Borloo, einen Ak-tionsplan für die Obdachlosen zu präsentieren. In der Folge beschlossen Nationalversammlung und Senat am 21. Februar 2007 einstimmig das Gesetz über das einklagbare Wohnrecht. Frankreich geht damit in Europa voran!

L e e r s t e h e n d e H ä u s e r b e s e t z e n ? !

Denkbar ist auch, dass wir einen »Leere-Woh-nungen-Marsch« organisieren, um auf den hohen Leerstand in der Hauptstadt hinzuweisen. Un-sere Forderung: Der soziale Wohnungsbau muss vor den Finanzmärkten geschützt, leerstehender Wohnraum zur Nutzung freigegeben, ein einklag-bares Recht auf Wohnen eingeführt werden.

Übrigens: In dieser Stadt gibt es viele leer-stehenden Immobilien, die mal eben besetzt wer-den könnten. Auch von obdachlosen Menschen! Aber klar: Vor solchen Protestaktionen setzen wir erst einmal auf den Dialog mit der Politik. Nur: Ernst nehmen sollte man uns und mit uns reden. Und das recht bald!

S p e n d e n f ü r d e n U m z u g

Ganz wichtig noch: Wer uns unterstützen will und vielleicht den einen oder anderen Euro übrig hat, der kann uns gern eine Spende zu-kommen lassen. Jeder, wirklich jeder Euro wird dringend benötigt!

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Schöner Wohnen im Sozialpalast! (Foto: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst)

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Suche nach der TraumwohnungEs gibt sie noch, die Traumwohnung. Daran zu glauben ist oft schwerer, als sie zu finden.B E R I C H T : A n d r e a s P e t e r s

Vor kurzem erhielt ich die Einladung zu einem Besuch in die neue Wohnung eines jungen Mannes, den ich fast ein dreiviertel Jahr bei seiner Woh-

nungssuche begleitet hatte. Ich nenne ihn hier mal Mike. Mike hat es endlich geschafft, trotz denkbar ungünstiger Ausgangsbedingungen. Er ist zwar noch relativ jung (Mitte 30), aber psy-chisch krank, zurzeit ohne Arbeit und Bezieher von ALG II. Zudem war er in den letzten Jah-ren durch Heim - und Klinikaufenthalten weit weg von der Berliner Alltagsrealität. Seine Vor-geschichte lasse ich hier mal unberücksichtigt, aber ich kann versichern, dass die alles andere als hilfreich für sein bisheriges Leben war. Durch sein gepflegtes Erscheinungsbild und sein selbst-bewusstes Auftreten konnte er allerdings einiges ausgleichen. Zudem war er fest entschlossen, fast schon leidenschaftlich besessen von dem Wunsch, nach jahrelanger „Fremdunterbrin-gung“ endlich wieder in einem eigenen Wohn-raum zu leben.

Doch trotz intensiver Bemühungen gab es ste-tig Absagen bzw. gar keine Rückmeldungen. Unzählige Bewerbungsschreiben an Wohnungs-baugesellschaften, private Vermieter und In-ternetanbieter waren vorausgegangen. Alles wohlformuliert, auf Rechtschreibung geprüft und sauber aufgesetzt mit Kopien der aktuellen Einkommensverhältnisse (ALG II), Schufa-Aus-kunft und aktualisierter Mietschuldenfreiheits-bescheinigung. Mehrere klärende Gespräche führten nach bezirklicher Eingrenzung der Woh-nungssuche schließlich zur Ausweitung auf ganz Berlin. Ausgeschlossen wurden lediglich Wohn-gebiete, die als soziale Brennpunkte gelten, wie z. B. in Wedding, Spandau, Neukölln oder Hel-lersdorf. Natürlich suchte Mike, wie viele andere, eine Wohnung, deren Kosten vom Jobcenter übernommen werden. Die freien Wohnungen in diesem Marktsegment sind bekanntermaßen aber Mangelware und innerhalb kürzester Zeit verge-ben. Häufig stellt zudem der Bezug von ALG II ein wesentliches Ausschlusskriterium dar.

Als Mike schließlich eine kleine schicke Woh-nung in Spandau angeboten wurde, fiel es ihm

vor diesem Hintergrund sichtlich schwer abzu-sagen. Doch schon bei der Besichtigung holte ihn seine eigene Geschichte in Spandau wieder ein. Das wollte er um jeden Preis vermeiden. Aber dann tat sich mit einmal dieses Wohnungsange-bot in Schöneberg auf. Diese Wohnung brachte einige Vorzüge mit. Zentral und ruhig gelegen, hell und geräumig, selbst die nötige Mietüber-nahmebescheinigung vom Jobcenter lag bereits vor. Doch Mike winkte ab. Eine Wohnung mit Ofen widersprach seiner Vorstellung von Traum-wohnung. Er hatte viel Zeit gehabt, sich darüber klar zu werden. Mike wollte nicht länger auf sein deutlich spürbares Grundbedürfnis nach eige-nen Wohnraum verzichten.

Zu diesem Zeitpunkt fing ich an daran zu zwei-feln, ob es dieses Jahr noch etwas wird mit der eigenen Wohnung. Manch einer träumt von ei-ner eigenen Wohnung, ein anderer verbindet mit Traumwohnung seine Wunschvorstellung von Wohnen. Bei Mike kam irgendwie beides zusam-men. Er hatte eine klare Vorstellung von seiner zukünftigen Wohnung. Und wenn diese nicht so real gewesen wäre, dann hätte man denken können, da sehnt jemand seine unerreichbaren Wünsche herbei. Doch mit der gleichen Hart-näckigkeit, wie er seine Vorstellungen verfolgte, nervte er jedem Tag aufs Neue die ihm bereits bekannten Ansprechpartner bei den Wohnungs-gesellschaften. Plötzlich erhielt er den Zuschlag für eine Wohnung in Zehlendorf, die er vom Zu-schnitt her schon kannte. Im gleichen Haus hatte er sich zuvor vergeblich auf anderer Etage um eine Wohnung beworben. Auf einmal ging alles ganz schnell.

Jetzt sitzt er mir zufrieden gegenüber in seiner neuen Wohnung. Auf Nachfrage gibt er zu, etwas ausgebrannt und leer zu sein, von der Wohnungs-suche und der ständigen Anspannung. Dann öff-net sich mit einmal sein Blick. Jetzt will er sich langsam anderen Dingen widmen. Er meint damit eine Ausbildungsstelle im Bereich Lagerlogistik, die er, wenn alles klappt Anfang nächsten Jahr beginnen kann. Und während er davon spricht, überkommt mich das Gefühl, dass er das auch noch schafft.

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 20136 | SCHÖNER WOHNEN

Hilfe und Beratung kostenlos, aber nicht für jedenMieterberatung Prenzlauer Berg GmbHB E R I C H T : J a n M a r k o w s k y | F O T O S : A n d r e a s D ü l l i c k © V G B i l d - K u n s t

Berlin ist eine begehrte Stadt. Immer mehr kreative gut ausgebildete Menschen aus Deutschland und Europa haben die Stadt für sich entdeckt. Wohnungen sind in

Berlin knapp und begehrt, die Mieten steigen. We-niger gut betuchte Menschen müssen sehen, wie sie über die Runden kommen. Damit nicht genug, versuchen windige Geschäftsleute die Situation auszunutzen und Mieter aus ihren Wohnungen zu drängen. Da ist es gut, wenn sich ein Mieter kos-tenlos Rat und Hilfe holen kann. Eine solche Hilfe bietet die Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH. Sylvia Hoehne-Killewald ist Geschäftsführerin der Mieterberatung und gab mir bereitwillig Auskunft über die Arbeit der Beratungseinrichtung.

A r b e i t i m A u f t r a g d e s B e z i r k s Pa n ko w

Die Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH berät und unterstützt seit 23 Jahren Mieter mit Wohnbe-rechtigungsschein aus Sanierungsgebieten, ehema-ligen Sanierungsgebieten und den Erhaltungsge-bieten im Ortsteil im Auftrag des Bezirks Pankow. Das Gebiet Helmholtzplatz ist noch Sanierungsge-biet, Bötzowstraße, Winsstraße und Teutoburger Platz sind ehemalige Sanierungsgebiete. Soziale Erhaltungsgebiete sind Arnimplatz, Bötzowstraße, Falkplatz, Helmholtz platz-Ost, Humannplatz, Ostseestraße/Grellstraße, Teutoburger Platz-Nord, Teutoburger Platz-Süd, Kollwitzplatz-Nord, Winsstraße-Süd. Mieter, die von Sanierung betrof-fen sind, werden bevorzugt beraten und betreut.

Neben der Beratung vermittelt die Mieter-beratung Prenzlauer Berg GmbH berechtigten Wohnungssuchenden Umsetzwohnungen bei umfangreichen Sanierungsmaßnahmen und

mietpreis- und belegungsgebundene Wohnun-gen im Prenzlauer Berg. Berlin hat im Programm »Soziale Stadterneuerung« Eigentümern von Wohnimmobilien Zuschüsse und zinsgünstige Kredite über die landeseigene Investitionsbank IBB zur Modernisierung von Mietgebäuden ge-geben. Mit privatrechtlichem Vertrag haben sich die Eigentümer zu Gegenleistungen verpflichtet. Gegenleistung waren Festlegungen zur Miete und das Recht des Bezirks, freiwerdende Woh-nungen zu belegen. Das Recht der Belegung nimmt die Mieterberatung für den Bezirk wahr.

Die Beratung nehmen jeden Monat etwa 200 Ratsuchende wahr und etwa 200 Menschen suchen eine Wohnung, für die der Bezirk das Belegungsrecht hat.

S i t u a t i o n d e r M i e t e r i m P re n z l a u e r B e rg

Der Wohnkostenatlas im Wohnmarktreport von GSW/CBRE 2012 weist für den Prenzlauer Berg eine Belastung durch Wohnkosten von über 30 Prozent auf. Die Angebotsmieten lagen mit 5,58 Euro/m² im unteren Angebotssegment und 14,29 Euro/m² im oberen Angebotssegment über dem Berliner Durchschnitt. Die Angebotsmieten sind verhältnismäßig moderat gestiegen, aber die Belastung des Budgets durch die Miete ist sehr hoch. Empfänger von sozialen Transferleistungen haben da sehr geringe Chancen. Das größte Pro-blem sind laut Einschätzung von Sylvia Hoehne-Killewald die Umwandlungen. Keine Chancen auf eine Wohnung im Prenzlauer Berg mit einer Negativauskunft einer Auskunftsdatei. Neben der »SCHUFA« sind das hauptsächlich »infoscore« und »Bürgel«. Einige Vermieter sind bereit, mit

I N FO

Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH Prenzlauer Allee 186 10405 Berlin

Tel.: +49 (0) 30 / 44 33 81 - 0 Fax : +49 (0) 30 /44 33 81 - 12

E-Mail: [email protected] Website: www.MieterberatungPB.de

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01 Büro der Mieterberatung in der Prenzlauer Allee 186

02 Immer seltener zu finden – unsanierte Häuser

03 Immer öfter zu finden - Luxusimmobilien

04 Auch die Mieter dieses Hauses werden sicher vertrieben

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 SCHÖNER WOHNEN | 7

einem Schuldner einen Mietvertrag zu schließen, wenn eine Schuldnerberatung aufgesucht hat.

In den ehemaligen und bestehenden Sanie-rungsgebieten des Prenzlauer Berg wurden 7 000 Wohnungen mit öffentlichen Mitteln der sozialen Stadterneuerung gefördert. Das Programm ist seit Jahren in Berlin ausgelaufen. Der Bundesgerichts-hof hat vor Jahren Mietobergrenzen als unerlaub-ten Eingriff in Eigentümerrechte gewertet.

D i e S a c h e m i t d e n B e l e g re c h t e n

Mit den Belegrechten hat die Kommune ein In-strument, Menschen, die dringend eine Woh-nung suchen und auf dem Wohnungsmarkt keine Chance haben, den Zugang zu einer ange-messenen Wohnung zu ermöglichen. In einigen Städten wie München werden so wohnungslose Menschen versorgt. Im Prenzlauer Berg sind das von der Sanierung betroffene Mieter, Wohnungs-suchende mit Wohnberechtigungsschein, Mieter, die vom Jobcenter die Auflage erhalten haben, ihre Wohnkosten zu senken. Die Mitarbeiter der Mieterberatung Prenzlauer Berg geben den Wohnungssuchenden zwei Wohnungsangebote, informieren über die Höhe der Miete und auch über die zu erwartende Mietentwicklung und un-terstützen bei Terminabstimmung und Organi-sation von Besichtigung und Vertragsabschluss. Der Vermieter kann einen Wohnungssuchenden ablehnen, aber nur bei Angabe eines wichtigen Grunds. Sylvia Hoehne-Killewald sagte mir, dass gemeinsam mit dem Bezirksamt beim Vermieter nachgefragt wird, wenn die Mieterberatung das Gefühl hat, der Grund sei vorgeschoben. Die Mieterberatung arbeitet für den Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien.

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 20138 | SCHÖNER WOHNEN

Sehnsuchtsort oder ÜberforderungNicht jeder möchte gerne in einer Wohnung leben. Wir haben drei strassenfeger-Verkäufer aufgefordert, ihre Erfahrungen mit dem Thema »Wohnen« zu schildernP R O T O K O L L E : J u t t a H .

H a n s - J ü rg e n , 5 4 , l e b t i n e i n e m B a u w a g e n . I n e i n e r Wo h n u n g w ü rd e e r s i c h e i n g e s p e r r t f ü h l e n .

Bis 2004 habe ich in einer fast 100 Quadratmeter großen Wohnung gelebt. Das fand ich auch gar nicht schlecht, doch als meine Beziehung auseinanderging, wollte ich da nicht blei-ben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das wird mir alles zu eng. Ich bin dann ins Wagendorf nach Karow gezogen, wo ich seit-dem in einem Bauwagen lebe. Der ist zwar nur 24 Quadratme-ter groß, doch die Umgebung ist weitläufig, ich bin umgeben von Natur. Fast fünf Hektar ist das Gelände des Wagendorfes groß. Der Nachteil ist, dass ich zur S-Bahn-Station zu Fuß gut 20 Minuten unterwegs bin, zum Einkaufen brauche ich noch länger.

Vom Jobcenter kriege ich Hartz IV-Leistungen und die Miete. Die beträgt 110 Euro im Monat, zusammengesetzt aus 50 Euro Pachtgebühr und 60 Euro Nebenkosten. Dazu kommen noch individuell die Stromkosten. Meine Miete hat das Jobcenter von Anfang an kommentarlos gezahlt, sie haben mich nicht aufgefordert, in eine konventionelle Wohnung zu ziehen.

Es ist nicht so, dass bei uns im Wagendorf jeder kommen und seinen Wagen aufstellen darf. Wir sind ein Verein mit Satzung und Auflagen, an die sich jeder halten muss. Wer hierher zie-hen will, muss sich auf einer Mitgliederversammlung des Ver-eins für eine Aufnahme bewerben. Erst wenn man dann noch ein halbes Jahr Probezeit übersteht, kann man auf Dauer hier wohnen. Auch ich musste diese Prozedur durchlaufen. Zur-zeit leben 60 Parteien hier in ihren Wagen, das sind deutlich über 100 Erwachsene und Kinder.

Im Dorf gibt es Strom, Wasser, Telefon und Internet. Mit dem Strom betreibe ich in meinem Wagen die Kaffeemaschine, ei-nen Kühlschrank, einen Computer und drei Energiesparlam-pen. Das Wasser hole ich von einer nahen Zapfstelle. Zum Duschen und auch zum Wäschewaschen gehe ich in eine Ber-liner Obdachloseneinrichtung.

Schön finde ich, dass man im Sommer draußen mit seinen Nachbarn beim Lagerfeuer zusammensitzen kann. Vom Ver-ein werden Sommerfeste, Volleyballturniere, Partys veran-staltet. Im Alltag begegne ich häufig meinen Nachbarinnen und wir unterhalten uns. Auch meine Katzen mögen es hier im Dorf. Jetzt wird es ja Winter. Ich habe einen Ofen im Wagen, den ich mit Kohle oder Holz befeuere. Das geht gut und ist zudem gemütlich.

Nächste Woche kommen die Herrschaften vom Jobcenter bei mir vorbei, um den Boden in meinem Wagen zu begutach-ten, der in einem desaströsen Zustand ist. Außerdem müssen Fenster abgedichtet werden. Das Geld dafür kann ich nicht selber aufbringen. Das ist eh schon knapp, weil ich meine bei-den Katzen versorgen muss.

Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Vielleicht brauche ich deshalb Natur und Freiraum um mich herum. Allerdings bin ich nicht mehr besonders gut zu Fuß, weil ich zwei Bandschei-benvorfälle habe, zudem Arthrose. Deshalb sollte ich in den nächsten Jahren in eine Wohnung ziehen. Das mache ich aber nur, wenn meine Katzen dann mitkönnen. Und die Wohnung müsste im Erdgeschoss liegen. Es könnte aber sein, dass ich mich eingesperrt fühle.

»Ich bin umgeben von Natur« (Foto: Jutta H.)

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 SCHÖNER WOHNEN | 9

A l e x , 3 7 ,l e b t a u f d e r S t r a ß e . E i n e n Wo h n -h e i m p l a t z h a t e r a b g e l e h n t , w e i l s e i n H u n d n i c h t m i t d o r t h i n d ü r f t e .

Ich lebe mit meiner Freundin auf der Straße, schon seit Jahren. So, wie andere in einer Wohnung zu-hause sind, sind wir auf der Straße zuhause. Hier organisieren wir unseren Alltag, verkaufen den strassenfeger, kümmern uns um unseren Hund.

Auch im Winter schlafen wir draußen, jede Nacht. Wir haben da einen Platz, an dem es windgeschützt ist. Unsere Erfahrungen in der Notübernachtung am Hauptbahnhof waren ein-fach zu schlecht, um dort noch mal hinzugehen, ständig gab es Schlägereien. Außerdem liegt man dort dicht an dicht mit anderen Männern in ei-nem engen Raum.

Auch auf der Straße ist man nie wirklich für sich, das stimmt schon, auch nachts nicht. Stän-dig fühlt man sich beobachtet, immer kommt je-mand vorbei. Dafür hat man auf der Straße seine Freiheit und Unabhängigkeit. Und den Zusam-menhalt mit den anderen Leuten von der Straße. Auf eine bestimmte Art liebe ich die Straße. Lärm und Dreck gehören einfach dazu.

In einer Wohnung zu leben, das habe ich nie wirklich gelernt. Seit ich elf bin, war ich immer wieder obdachlos. Erst in Stuttgart, dann in Ber-

A n d r i s , 4 3 , h a t j a h re l a n g n a c h t s i n e i n e m Pa r k g e s c h l a fe n . S e i t k u r z e m k a n n e r b e i e i n e m A r b e i t s ko l l e g e n ü b e r n a c h t e n .

Nie hätte ich mir vorstellen könne, dass ich ein-mal obdachlos sein würde. Ich komme aus Lett-land, dort habe ich mit meiner Frau und meiner Tochter in einer Mietwohnung gelebt. Alles än-derte sich, als das Müllunternehmen, für das ich jahrelang gearbeitet hatte, privatisiert wurde. Sie haben viele Stellen gestrichen und ich verlor meine Arbeit. Ich bin ins Ausland gegangen und 2010 nach Deutschland gekommen.

Die letzten vier Jahre war ich obdachlos. Tags-über habe ich den strassenfeger verkauft, Pfand-flaschen gesammelt und nach Arbeit gesucht. Nachts habe ich in einem Park geschlafen. Ich hatte mir dort einen Platz gesucht, wo man mich in Ruhe gelassen hat. Normalbürger, die an ei-nem vorbeikommen, lassen einen in Ruhe, sie ge-hen einfach an einem vorbei. Ich glaube, es sind selber sozial Schwache, die auf einen aufmerk-sam werden. Im ersten Jahr im Park hat mir sehr häufig jemand Schlafsack und Isomatte geklaut, die ich dort versteckt hatte. Bestimmt zweimal die Woche stand ich abends ohne da.

Wenn man in ein fremdes Land kommt, die Stadt nicht kennt, die Sprache nicht spricht, ist es schwer. Nach und nach lernt man als Obdachlo-ser dann, sich zu organisieren: Man findet heraus,

lin. Mit 20 hatte ich mal eine eigene Wohnung im betreuten Jugendwohnen. Das war richtig gut, meine einzige positive Erfahrung, was das Leben in geschlossenen Räumen angeht. Wenn ich heute eine Wohnung hätte, könnte es sein, dass es mich immer wieder auf die Straße ziehen würde. Weil ich den größten Teil meines Lebens dort verbracht habe, ich dort zuhause bin. Be-stimmte Dinge in einer Wohnung würde ich gar nicht hinkriegen - weil ich sie nie gelernt habe.

Ich habe auch schon mal in einem Wohnheim gelebt, aber meine Erfahrungen dort waren ganz schlecht. Wir waren zu viert im Zimmer, das war ganz übel. Ständig hat irgendwas gefehlt, aber keiner wollte es gewesen sein, nichts konnte man im Zimmer liegen lassen.

Einen Wohnheimplatz würde ich nur annehmen, wenn ich ein Zimmer für mich alleine hätte - und wenn mein Hund mit ins Zimmer dürfte. Das Jobcenter wollte mich vor kurzem in einem Wohnheim unterbringen. Dort darf man aber keinen Hund mit hineinnehmen. Deshalb habe ich gesagt, das kommt für mich nicht in Frage, ohne Hund gehe ich da nicht hin. Ich würde nicht mitarbeiten, haben die vom Jobcenter mir da vor-geworfen. Was ja nicht stimmt: Ich arbeite schon mit, aber ich gehe halt nur mit dem Hund in ein Wohnheim. Jedenfalls kriege ich nun keine Leis-

wo man günstig essen, wo man duschen, Wäsche waschen kann, wo es einen Schlafsack gibt.

Auch bei tiefsten Temperaturen im Winter habe ich draußen übernachtet. In eine Notunterkunft bin ich nicht gegangen, weil meine Erfahrungen dort einfach zu schlecht waren. In der großen Notübernachtung am Hauptbahnhof musste man immer lange anstehen und im Inneren dann war ich oft Zeuge von Schlägereien. Im Freien ist es da 100-mal besser. Wenn man genug Decken hat, geht das schon.

Seit einigen Monaten trage ich frühmorgens Ta-geszeitungen aus, um drei Uhr in der Nacht fange ich da an. Ich kann bei einem Arbeitskollegen übernachten, wofür ich sehr dankbar bin. Tags-über kann ich mich hinlegen und gerade wenn es regnet, bin ich froh, nicht draußen schlafen zu müssen. Das wird jetzt der erste Winter, den ich nicht im Park schlafen werde.

Aber ich stehe immer noch ohne Wohnung da. Einen Antrag auf Hartz IV hat das Jobcenter abgelehnt, dabei müsste ich Anspruch auf auf-stockende Leistungen zu meinem Gehalt und auf eine Wohnung haben. Die Mitarbeiter beim Jobcenter in Lichtenberg waren sehr unfreund-lich zu mir. Obwohl ich einen Termin hatte, ließ man mich lange warten. Dann fragte mich die Mitarbeiterin, was ich überhaupt in Deutschland wolle. Das hat mich geschockt, wie ein Schlag gegen meinen Körper war das.

tungen vom Jobcenter. Wegen »Verletzung der Mitwirkungspflicht«.

Ob ich ein Bett vermisse? Manchmal. Und Fernsehgucken? Sehr! Das ist etwas, was mir wirklich fehlt.

»Wir sind auf der Straße zuhause« (Foto: Antje Görner)

»Ich habe immer noch keine Wohnung« (Foto: Jutta H.)

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Immer beliebter: Wohnen in der innerstädtischen »Platte«

strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201310 | SCHÖNER WOHNEN

Wohnen in der »Platte« Sozialer Abstieg oder Chance?B E R I C H T & F O T O : J e a n n e t t e

Die »Platte« wurde im Westen oft abwertend als Inbegriff von DDR-Baukultur, im Osten liebe-voll als »Arbeiterschließfach« bezeichnet. Da-bei gab es nicht nur in der ehemaligen DDR Plattenbauten. Bereits Ende des 19. Jahrhun-

derts wurden Wohnbausysteme aus vorgefertigten Bauteilen entwickelt. 1918 baute der Architekt Atterbury auf Long Is-land/New York eine Siedlung mit geschosshohen Wandplat-ten und Fertigdecken. In den Niederlanden entstand 1925 das sogenannte Betondorf. Der Berliner Stadtbaurat Martin Wagner ließ in den 1930er Jahren in Lichtenberg die heute als Splanemann-Siedlung bekannten Wohnungen errichten. Ei-nen regelrechten Plattenbau-Boom gab es dann in den 1950er und 1960er Jahren in vielen ost- und westeuropäischen Län-dern.

Die Wohnungen waren begehrt, da sie mit fließendem Was-ser, Zentralheizung und Innentoilette eine Ausstattung boten, die Altbauwohnungen oftmals nicht hatten. Nach der Wende prägten lange Zeit Leerstand und Abriss die Siedlungen, vor allem in Marzahn wurden viele Hochhausbauten abgerissen oder auf vier bis sechs Stockwerke zurückgebaut. Mit dem Anstieg der Mietpreise in den Berliner Innenstadtbezirken änderte sich die Situation. Mittlerweile ist der Leerstand im Plattenbau, auch in den Außenbezirken drastisch gesunken.

Waren viele Berliner Hochhaussiedlungen noch vor wenigen Jahren soziale Brennpunkte, die jeder mied, der es sich leisten konnte, hat sich die soziale Durchmischung positiv entwi-ckelt. Neben Senioren findet man heute viele Menschen aus der Mittelschicht. Da ein Großteil der Siedlungen von Woh-nungsbaugesellschaften verwaltet wird, ist die Wahrschein-lichkeit, durch Spekulationen und Renditeerwartungen mit immensen Mietsteigerungen konfrontiert zu werden, gering. Die energetische Sanierung lässt sich mit weniger Aufwand und finanziellen Mitteln bewerkstelligen als in Altbauten. Das wiederum schont das Portomonaie der Mieter.

Doch nicht nur die im Berliner Vergleich geringen Mieten las-sen Menschen in die »Platte« ziehen. Das Wohnen in den hö-heren Stockwerken bietet einen unverbaubaren Blick auf den Bezirk und den freien Himmel. Concierge-Dienste, Security und schnell bearbeitete Reparaturen vermitteln das Gefühl, als Mieter ernst genommen zu werden. In den Stadtrandge-bieten dominieren weiträumige Grünflächen das Bild. Auch der Ausbau der Infrastruktur lässt die Vorurteile gegen die Platte schmelzen. Die vielfältige Anbindung an den Öffentli-chen Nahverkehr, Ärztehäuser und Einkaufszentren machen das Leben in der »Platte« wohnenswert. Die eintönig grau und braun gestrichenen Fassaden weichen nach und nach bunten Malereien und lassen den deprimierenden Eindruck verschwinden. Zusammen mit dem umgebenden Grün der Siedlungen vermittelt nun auch die Außenseite der »Platte« ein Wohlgefühl.

Die »Platte« ist vielfältig – es gibt zahllose Bautypen wie die bekannte »WBS 70« (Wohnungsbauserie), die man in Berlin vorrangig in Marzahn und Hellersdorf findet oder die »WHH-GT« (Wohnhochhaus in Großtafelbauweise), die vor allem in Lichtenberg und Hohenschönhausen stehen. Allen diesen Bautypen liegt eine Stahlskelettbauweise zugrunde, deren

Innenwände nicht tragend sind und so die Gestaltung der Wohnung nach individuellen Vorstellungen und Bedürfnis-sen erlaubt. Allerdings sollte man sich nicht darauf verlassen, rechtwinklige und gerade Wände vorzufinden – das Verlegen von Fußböden wird schon mal zu einer nervenaufreibenden Aufgabe. Bilder und Wandschränke erfordern den Einsatz eines Bohrhammers und damit die gründliche Überlegung, wo etwas angebracht wird. Einfach einen Nagel in die Wand hauen wie im Altbau ist schier unmöglich.

Den Mythos »Platte« haben sich einige Verwaltungen zu Her-zen genommen und bieten auch Test- und Ferienwohnungen an. Wer sich nicht sicher ist, ob das Leben in der »Platte« das Richtige für ihn ist, mietet sich einfach mal für ein paar Tage dort ein. In Hellersdorf gibt es sogar eine Museumswohnung, die im Stil der 1970er Jahre eingerichtet ist.

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01 Sieht die KvU die Radieschen bald von unten?

02 Gruß an den Vermieter in Wien

03 Wichtige Themen der KvU: bezahl-barer Wohnraum und Flüchtlings-politik

W E I T E R E I N FO S

› http://kvu.blogsport.de

› www.kvu-berlin.de

› www.verbundev.de

› http://zwangsraeumung-verhindern.blogsport.de/

› http://gentrification-blog.wordpress.com

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Radieschen von untenEin Luxuswohnprojekt versetzt der Kirche von Unten den TodesstoßB E R I C H T & F O T O S : B o r i s » H o u s e m e i s t e r « N o w a c k

Seit über zwanzig Jahren setzt sich die Kirche von Unten (KvU) als linkes Sozial- und Jugendprojekt für junge Leute und einen gerechteren Umgang un-ter den Menschen im Allgemeinen ein. Ein wichtiger Punkt auf der Agenda wird dem Bündnis nun selbst

zur größten Bedrohung: Der Mietvertrag für Café und Club in den Arkonahöfen wurde nicht verlängert, eine Alternative ist nicht in Aussicht.

»Warum muss ich überhaupt Miete bezahlen«, fragt Ben-jamin, während er Getränkekisten im ehemaligen Café der KvU in den Arkonahöfen in der Kremmener Straße stapelt. Es riecht nach alter Kneipenluft. »An eine mir völlig unbekannte Person, die sich dafür ein fettes Auto kauft?!« Benjamin ist sauer. Auf Politiker, die sich nicht um die Bedürfnisse der Menschen kümmern und auf die Polizei, die auf Demonstran-ten einschlägt. Er hat viele schlechte Erfahrungen gemacht in den letzten Jahren, in denen sich die Aktivisten der KvU immer öfter auch demonstrierend vor Wohnungen wieder-finden, die zwangsgeräumt werden sollen. Durch passiven Widerstand und zivilen Ungehorsam soll verhindert werden, dass Menschen obdachlos gemacht werden, nur weil sie die überteuerten Mieten nicht mehr bezahlen können. So wie bei Familie G. aus Kreuzberg Anfang des Jahres. Hunderte sa-ßen vor dem Gebäude und machten der Polizei die Arbeit schwer. Die steckte die Gerichtsvollzieherin kurzerhand in eine Uniform, um sie so ins Haus zu schmuggeln. »Das ist Amtsanmaßung«, erklärt Benjamin, »wofür es auch eine An-zeige gab.« Geholfen hat es nichts. »Es gab auch schon Tote durch Zwangsräumungen«, fährt Benjamin fort und meint Rosemarie F. Die alte Dame starb zwei Tage, nachdem sie ihre Wohnung verlassen musste.

Fr ü h e r u n t e rd r ü c k t e d e r S t a a t , h e u t e d a s K a p i t a l

Das Bündnis Kirche von Unten entstand 1987 aus dem Kir-chentag von Unten, der als Protest gegen die staatsnahe und unkritische evangelische Kirche der DDR stattfand. Die Teil-nehmer wollten gesellschaftliche und politische Themen an-sprechen und Systemkritik üben. Das ist bis heute geblieben, auch wenn es nicht mehr um einen unterdrückenden Staat geht, sondern einen untätigen gegenüber der unterdrücken-den Macht des Kapitals auf dem Immobilienmarkt.

Die Mitglieder der KvU sind wütend. Seit Januar dieses Jahres ist der Mietvertrag für die Räume gekündigt, die KvU hat die Schlüssel abgegeben. Das Café wird momentan noch

weiter betrieben und die Miete überwiesen, doch im Januar 2014 wird es zum Prozess kommen. Dann ist endgültig Schluss. Seit zwei Jahren sucht die KvU den Dialog mit der Politik und neue günstige Räume für ihre Arbeit. »Ständig heißt es, ‚Wir brauchen mehr Jugendarbeit’«, echauffiert sich Benjamin, »die bieten wir. Doch wir brauchen dazu Räume. Gleiche Fläche und Aufteilung, innerhalb des S-Bahnrings. Die Stadt hat sie. Das ist doch nicht zu viel verlangt.«

S c h ö n e r w o h n e n o h n e M i e t e ? S c h ö n e s K o n z e p t , d o c h Tr ä u m e re i ?

Benjamin greift den Gedanken vom mietfreien Wohnen wieder auf. »Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf. Damit sollten keine Pro-fite erzielt werden dürften.« Wenn es nach ihm ginge, zahlt niemand Miete, sondern die Mie-ter kümmern sich in Selbstverwaltung um den Erhalt ihres Hauses. Das gesparte Geld geht so zu Hundert Prozent in Material. Personalkosten fallen keine an, Arbeitszeit ist durch Zusam-menarbeit günstig. Und wenn hohe Kosten für Sanierungen anfallen? »In der linken Szene sind Solipartys sehr verbreitet. Der Gewinn geht in die Renovierung des Gebäudes.«

Eine schöne, ideale Vorstellung. Doch den Wiener Besitzer der Arkonahöfe wird das nicht in-teressieren. Das komplizierte Firmengeflecht, zu dem GmbHs gehören, die an sich selbst beteiligt sind sowie eine Privatstiftung im eigenen Namen – das spart Steuern – lässt darauf schließen, dass der Eigentümer nicht mit sich verhandeln lässt.

Auch Benjamin sieht schwarz für das Platz-problem der KvU. Doch er ruft auf, weiter gegen Zwangsräumungen und Mieterhöhungen zu pro-testieren. »Wenn bei jeder der ein, zwei Dutzend Räumungen täglich in Berlin Tausend Demonst-ranten vor der Haustür stünden, bräuchte die Po-lizei rund 20 000 Mann alleine dafür. Wenn der Widerstand nur groß genug ist, kann man diese Dinge schlicht nicht mehr durchsetzen.«

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201312 | SCHÖNER WOHNEN

Der Traum von FreiheitVom Traum des Klaus Marx: Mit Traktor und Bauwagen durch DeutschlandB E T R A C H T U N G & F O T O : D e t l e f F l i s t e r

Die Vorgeschichte: Klaus Marx stammt aus dem Ruhrpott – genauer gesagt aus der Bergbaustadt Essen. Er in-teressiert sich sehr für die Materie

des Bergbaus und hält sogar Vorträge für Laien über dieses Thema. Er erzählt, dass er als Kind seine Heimat Essen sehr geliebt hat. Aber als junger Erwachsender gab es dann eine plötzli-che Wende, wie er mir erzählt. Er war mit sei-nem Vater im Wohnwagen unterwegs, als es passierte. Er befand sich noch im Wohnwagen, als er zurückkehrte. Der Wohnwagen war abge-schlossen und sein Vater sei besoffen gewesen, als er zum Wagen zurückkehrte. Er fand den Schlüssel nicht mehr und wurde sehr wütend. In seiner Wut begoss er den Wohnwagen mit Benzin steckte ihn an. Er konnte sich durch ein kleines, offenes Fenster quetschen und sich im letzten Augenblick retten. Von da an stand für ihn fest, dass er weg wollte aus Essen – weg von der grausamen Person seines Stiefvaters, der ihn fast umgebracht hatte.

Naiv, wie er damals noch war, kaufte er sich von seinem ersparten Geld ein Eisenbahnticket nach Berlin, um abzuhauen und ein neues, end-lich selbstbestimmtes Leben in Berlin anzufan-gen. Er wollte endlich glücklich werden, was ihn bisher einfach nicht gelungen war. Seine Mutter, Rektorin einer Schule in Essen, hatte ihn schon sehr früh weggegeben, auch um im Job leichter Karriere machen zu können und es entstand das Gefühl überflüssig zu sein. Laufend wurde er für seinen Stiefbruder benachteiligt, der sich übri-gens auch später nicht um ihn gekümmert habe.

D i e E n t s t e h u n g d e s Tr a u m e s

In Berlin angekommen, folgte die nächste große Krise: Er wurde erst einmal drei volle Jahre ob-dachlos und musste sich mühsam durchs Leben schleppen. Das war für ihn eine schwierige Zeit. Oft musste er im Freien schlafen, was sicher nicht immer leicht war. Er erzählt, dass er aus Essen ein kleines Zelt mitgebracht hatte, in dem er – meistens im Grunewald – nachts schlief. Er erinnert sich noch genau an eine Winternacht. Es war bitter kalt, mehre Grad unter null und er war völlig übermüdet. Ihn war schwindlig und er halluzinierte. Bäume erweckten zum Leben, schlugen ihn und wollten ihn töten und er bekam richtig Angst, ob dieser Halluzinationen und der für ihn damals unheimlichen Atmosphäre im Grunewald. Er überlebte die Zeit damals und ihn wurde auch geholfen. Durch einen Sozialar-beiter, den er in der Gedächtniskirche kennenge-

lernt hatte, bekam er nach einiger Zeit auch eine Wohnung in Berlin- Reinickendorf (Ortsteil Tegel) vermittelt, die ihn in ein halbwegs geordnetes Leben führte.

Aber er wurde seitdem nicht glücklich. Wenn er sich län-ger in geschlossenen Räumen aufhalten musste, fühle er sich beengt, erzählt er. Er benötigte sehr lange, um sich an dieses neue Leben, das ohne Zweifel auch seine Vorteile habe, zu gewöhnen. Sehr lange zog es ihn immer wieder nach drau-ßen und im Sommer übernachtete er – trotz vieler negativer Erfahrungen – mit seinem Zelt im Tegeler Forst, um dieser gefühlten Beengung zu entgehen. In dieser Zeit muss – laut eigener Aussage – sein Traum entstanden sein, der ihn verfolgt und nicht mehr los lässt.

D e r Tr a u m v o n Fre i h e i t

Er erzählt mir nun von seinem Lebenstraum. Er stelle sich vor mit gedrosselten Traktor und einen Bauwagen durch Deutsch-land und vielleicht sogar Europa zu fahren. Der Bauwagen solle ausgestattet sein, mit einem Generator für Stromerzeu-gung, Bett, Herd und Schränke, eben alles was man zum Le-ben brauche. Immer, wenn es ihn irgendwo gefallen würde, würde er länger bleiben. Der Traktor wäre zwar sehr langsam, aber das wäre ihm egal, weil er bei dieser Art Leben ja schließ-lich alle Zeit der Welt habe. Mit kleinen Arbeiten würde er – unter anderem bei Bauern – Geld verdienen und sich am Leben erhalten, sich ernähren und kleiden. Diese Art Leben würde seinen Vorstellungen von Freiheit und Abenteuer ent-sprechen und ihn von der Last des heutigen Alltags befreien, die ihn oft zu erdrücken schien und die er sehr häufig nur schwer ertragen könne. Es wäre also sozusagen wieder ein neues Leben, ein Neuanfang – sein drittes Leben! Endlich tun und lassen können, was er wolle und nicht so eng eingesperrt und fremdbestimmt wie heute. So würde ihn sein Leben auch wieder mehr Spaß machen. Sein Traum wäre es dann, mich einmal einen Monat mitzunehmen und mir herum zu fahren, etwas von Deutschland zu sehen.

Klaus Marx träumt von einem Leben im Bauwagen

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 SCHÖNER WOHNEN | 13

Entrümpeln hilftEs muss nicht immer gleich ein neues Heim sein, um ein neues Wohngefühl zu erlebenE R F A H R U N G S B E R I C H T & F O T O : M a n u e l a

Weihnachten und Silvester rücken näher. Die letzten Wochen im al-ten Jahr vergehen regelmäßig wie im Fluge. Und wie es so ist mit

Dingen, die sich dem Ende neigen, fällt einem meist ein, was man alles noch tun müsste. Mit Weihnachten und dem Jahreswechsel ist in vielen Haushalten traditionell ein großer Putz angesagt. Schließlich wird das neue Jahr mit guten Vorsätzen gestartet. Eine aufgeräumte und saubere Wohnung sind dabei sehr hilfreich. Warum also nicht mal diesen Hausputz mit dem Aussortieren von Sachen, die man nicht mehr braucht, verbinden? Ich denke da an den Slo-gan von Ikea »Platz für was Neues«. Wenn etwas Neues Platz haben soll, ist es manchmal unver-meidlich, sich von alten Dingen zu trennen. Mit jedem Jahr kommt zu dem, was schon im Schrank liegt oder in irgendeiner Ecke verstaubt, wieder etwas hinzu. Irgendwann wird es zu voll in den Schränken, in der Wohnung, im Keller. Umzie-hen in eine größere Wohnung ist keine Lösung. Auch hier ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder voller Sachen ist und es wieder eng wird.

Nach der Lehre des Feng Shui blockieren Plun-der und unaufgeräumte Ecken den Fluss der Energie in der Wohnung und damit auch im eigenen Leben. Ein Blick in die Wohnung eines Menschen sagt sehr viel über dessen Wesen. Aus-sortieren sorgt also nicht nur für einen besseren Energiefluss, sondern hat auch praktische Vor-teile. Sie haben mehr Platz. Das Aufräumen geht schneller und Sie haben das, was Sie haben, im Blick. Wer hat nicht schon einmal nach Jahren durch Zufall etwas in der Hand gehabt, von dem er gar nicht mehr wusste, dass er es hat. Eine gut sortierte Wohnung hilft bei der Konzentra-tion auf das Wesentliche, schafft Überblick und sieht schließlich einfach gut aus. Aufräumen und Aussortieren in der Wohnung ist auch ein wenig aufräumen und aussortieren in sich selbst. Wer es nicht glaubt, sollte es ausprobieren.

Wer sich, nachdem er etliche Jahre in seiner Woh-nung lebt, umschaut und entschließt, auszusortie-ren, wird zunächst vor der Frage stehen, wo und wie fange ich an. Es gibt hierfür ein paar einfache Regeln. Sie können sich von Zimmer zu Zimmer oder von Schrank zu Schrank vorarbeiten oder in der Ecke, die Sie am meisten stört. Dann stellen

Sie sich drei Kisten bereit: »kann weg«, »bin nicht sicher«, »möchte ich behalten«. Gerade bei Din-gen, die Sie ein Jahr und länger nicht mehr in der Hand hatten, ist gut zu überlegen, ob man sie be-halten sollte. Wenn etwas so lange nicht gebraucht wurde, ja Sie nicht einmal mehr wussten, dass Sie es haben, dann ist es im Grunde überflüssig. Wie viel Zeit das Aussortieren benötigt, ist unter-schiedlich. Jeder hat sein eigenes Tempo. Manch-mal dauert es über ein Jahr. Schließlich sind einem manche Dinge ans Herz gewachsen oder man ver-bindet Erinnerungen mit ihnen. Dann fallen die Entscheidung und die Trennung schwer.

Sind mehrere Kisten der Kategorie »kann weg« voll, ist zu überlegen, wohin damit. Hier-für gibt es zum Glück viele Möglichkeiten. Da sind zunächst Freunde, Bekannte, Nachbarn, die vielleicht für das eine oder andere Verwen-

dung haben. Manche stellen eine Kiste »Zum Mitnehmen« auf die Straße. Eine andere Mög-lichkeit sind soziale Vereine, die sich über gut erhaltene Sachspenden freuen, sei es zum Eigen-bedarf, sei zum Zwecke des Verkaufs, um sich aus dem Erlös zu finanzieren oder einfach um sie an Menschen, die sie benötigen, weiterzuge-ben. Natürlich können die Dinge auch wieder zu Geld gemacht werden, z. B. auf dem Flohmarkt, bei Ebay oder in einem Second-Hand-Geschäft. Bei manchen reicht es allerdings nur noch für die Entsorgung auf dem BSR-Hof.

Ist der eigene Hausrat schließlich wieder über-sichtlich und gut sortiert, fühlt es sich richtig gut an. Nun steht einer Neugestaltung der Woh-nung nichts mehr im Wege. Es ist »Platz für was Neues«, vielleicht für ein Weihnachtsgeschenk oder einen neuen Vorsatz.

Irgendwann räumt jeder mal gern seinen überflüssigen Hausrat in Umzugskisten!

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201314 | SCHÖNER WOHNEN

01 Tolle Farbgebung an den Fassaden, Fenstern und Türen

02 Beeindruckend: die über Eck gezoge-nen abgerundeten Balkone an den Kopfbauten

Klare Formen, kräftige Farben und grüne SeeleDie Wohnstadt Carl Legien im Prenzlauer Berg B E T R A C H T U N G & F O T O S : C h r i s t o p h M e w s

Sie ist eine von sechs Wohnsiedlungen der Berliner Moderne, die 2008 in die UNESCO-Welterbe-Liste aufgenom-men wurden. Die Wohnstadt Carl Le-

gien im Prenzlauer Berg. Erbaut 1928-30 nach Plänen von Bruno Taut und Franz Hillinger von der gewerkschaftlich-genossenschaftlichen Ge-hag (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Aktiengesellschaft), ist die Wohnanlage an der Erich-Weinert-Straße zwischen Gubitz- und Sültstraße ein herausragendes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau der Weimarer Repub-lik und der Philosophie des Neuen Bauens. Eine Wohnsiedlung ganz der (damaligen) Idee des genossenschaftlichen Wohnungsbaus – sprich verbesserte Wohn- und Lebensbedingungen insbesondere für Arbeiter und Angestellte zu schaffen – verpflichtet, mit hellen Wohnungen, großen Balkonen, kontrastreichen Fassaden und Fenstern und grünen Innenhöfen.

A rc h i t e k t e n & d i e Wo h n u n g s n o t

Zu den dringlichsten Problemen, die nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland zu bewältigen waren, gehörte die Lösung der katastrophalen Wohnungsnot. So fehlten Anfang der 20er Jahre in Berlin weit über 100 000 Wohnungen. Die, die es gab, waren zumeist dunkel, schlecht belüftet und feucht. Fast 90 Prozent der Bevölkerung lebte

in vier- bis fünfgeschossigen Mietskasernen, fast die Hälfte da-von in tristen Hinterhöfen und Seitenflügeln, ohne fließendes Wasser und mit Außentoiletten auf halber Treppe. Um auch den unteren gesellschaftlichen Schichten einen gesünderen Lebensstandard zu ermöglichen, entstanden ab 1925 unter dem sozialdemokratischen Architekten und Stadtbaurat von Berlin, Martin Wagner, bis 1930 in Zusammenarbeit mit den Wohnungsbaugenossenschaften in verschiedenen Stadtteilen neue Wohnsiedlungen mit innovativem Konzept, Formen und Farben. Statt Blockrandbebauung und dunkle verschachtelte Hinterhöfe, gab’s plötzlich Licht, Luft und Sonne. Und das Ganze auch noch bezahlbar. Zu den wichtigsten Architekten dieser modern (Bad und Zentralheizung) und funktional aus-gestatteten Sozialbauten gehörten unter anderem Walter Gro-pius, Hans Scharoun und die Brüder Bruno und Max Taut.

C a r l L e g i e n s Wo h n s i e d l u n g

Auch die Architektur der nach dem Gewerkschaftler Carl Le-gien benannten Wohnsiedlung mit 1 145 Eineinhalb- bis Drei-einhalb-Zimmer-Wohnungen stellt einen sichtbaren Gegenent-wurf zu den dunklen Mietskasernen der Kaiserzeit dar. Trotz einer im Bauauftrag geforderten hohen Wohndichte wegen des teuren Baulandes, gelang Taut auf dem 8,4 Hektar großen in-nerstädtischen Areal eine offene Bebauungsform mit großzügi-gen Grünanlagen. Jeweils drei U-förmig gebaute Wohnblocks mit Flachdach und vier- bis fünf Geschossen nördlich und süd-lich der Erich-Weinert-Straße öffnen sich zu dieser und lassen Straßen– und Wohngrün verschmelzen. Der begrünte Innen-hof wird zum Mittelpunkt, an dem sich auch die Grundrisse der Wohnungen orientieren. So liegen die Wohnzimmer meist zur Hofseite, die Küche und das Bad zur Straßenseite.

Neben der fortschrittlichen Funktionalität der Wohn-anlage, die 1994 denkmalgerecht saniert wurde, ist auch die Form- und Farbgebung von Bedeutung. Während die Fas-sadengestaltung der Straßenseite betont zurückhaltend an-gelegt ist, sind die über alle Geschosse reichenden, farblich abgesetzten Loggien der Hoffassaden und die um die ecke gezogenen Balkone der Kopfbauten von großer Plastizität. Und nicht zuletzt ist die kräftige Farbgestaltung der Putz-flächen, Fenster und Türen, die die Fassaden und Gebäude strukturiert, ein signifikantes Element der Wohnbauten von Bruno Taut.

Dessen Rolle beim Bau von Reformwohnungen in den 20er Jahren ist nicht hoch genug einzuschätzen. Seine Wohn-bauten, nicht nur die der Wohnstadt Carl Legien, sondern auch der Schillerpark-Siedlung im Wedding (1924-30), Huf-eisensiedlung in Britz (1925-31) und früheren Gartenstadt Falkenberg (1913-15) gelten auch international als Schlüs-selzeugnisse des sozialen Wohnungsbaus. 01

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 SCHÖNER WOHNEN | 15

Nur unten ist die ChanceJesus wohnte bei seiner Geburt in einem StallB E T R A C H T U N G : B e r n h a r d t

»Nur unten ist die Chance«, sagte mir einmal eine Anhängerin der Naturphilosophie von Oskar Ernst Bernhardt (1875-1941). Sie meinte damit, dass man bei Reformen an der Basis ansetzen müsse. Wer et-was ändern will, muss unten anfangen; zu allererst

bei sich selbst. Die Mächtigen in Politik und Wirtschaft sind dazu nicht in der Lage. Denn in solchen Positionen sind die zeitliche Belastung und der Erwartungsdruck so hoch, dass kaum noch Zeit für tieferes Nachdenken über neue Probleme bleibt. Im Grunde zehrt ein Politiker von dem, was er in sei-ner Ausbildung gelernt hat. Hinzu kommen allenfalls Rou-tine und Berufserfahrung. Außerdem wollen die Oberen gar keine wesentliche Änderung. Sie sind zu sehr ihrer Macht- und Habgier verfallen, ihrer Eitelkeit und ihrem Geltungsbe-dürfnis. Sie verteidigen die gegenwärtige Lage, die Basis für ihre Machtpositionen.

In solche Verhältnisse, die auch heute noch vorherrschen, ge-riet Jesus vor ca. 2 000 Jahren, als er im Stall von Bethlehem auf die Welt kam, um die Menschheit zu retten und sie auf den richtigen Weg zurückzuführen. Eine klassische Führungsauf-gabe. Er kam in »Stabsfunktion«, also als Berater der Mensch-heit. Denn geistiger Fortschritt kann nur erreicht werden, wenn man sich selber bemüht, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Auch wenn man einem Religionsführer blindlings hinterher läuft, nutzt das nichts. Der Mensch ist frei geboren. Er ist sittlich verpflichtet, diese Freiheit zu gebrauchen; zum Nutzen für sich und die Schöpfung. Der Mensch wird auch nicht dadurch besser, dass er zum Guten gezwungen oder auch nur überredet wird. Er muss selber in seinem Inneren das Gute als solches zu erkennen und lebendig werden lassen; und sei es mit Hilfe von Beratern und Vorbildern.

Jesus kam daher nicht als König eines mächtigen Volkes oder sonst als irdischer Herrscher auf die Welt, er wurde als Stief-sohn eines einfachen Zimmermanns namens Josef geboren. Er bezog sich auf Gott als seinen Vater, war der Gottessohn. Damit ist sein innerer Kern gemeint, den man etwas unscharf

auch als Seele bezeichnet. Für die Zeugung seines irdischen Körpers brauchte er wie jeder andere, der auf dieser Erde lebt, einen irdischen Vater. Auch den Werdegang als Leibes-frucht einer irdischen Mutter, die Geburt und das übliche Erwachsenwerden musste er wie jeder andere durchlaufen; einschließlich Pubertät, das Reifen des Körpers und das Er-wachen seines Inneren, seines göttlichen Kerns.

Jesus stützte seine Autorität auf das Wort und auf den Wil-len Gottes, des Schöpfers des Alls. Jesus hatte keine irdische Macht. »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«, sagte er bei seinem Verhör durch Pilatus. Jesus war der Wahrheitsbringer und Retter der Menschheit. Er wurde in einem Stall geboren und begann ganz unten in der gesellschaftlichen Werteskala; in dem Wissen, dass man Änderungen mit Aussicht auf Er-folg nur an der Basis bewirken kann. Der Weg, auf den er die Menschheit zurückführen sollte, war von der Schöpfung und der Natur vorgesehen, in den großen Weisheitsbüchern beschrieben sowie von Propheten und anderen Lichtgestalten erläutert worden.

Für uns einfache Bürger, die teilweise in Not und Elend le-ben, in Obdach- und Arbeitslosigkeit, bedeutet dies, dass wir die gewonnenen Einsichten den Herrschenden in friedlicher, aber nachdrücklicher Weise näher bringen. Wir müssen sie zu einer offenen Diskussion darüber auffordern und zu grund-legenden Änderungen. Dabei gilt es zunächst, unsere eigene Trägheit zu überwinden, und sodann durch Wahrnehmen der Demonstrationsfreiheit, die uns vom Grundgesetz in Artikel 8 als Grundrecht gewährt wird, einen Umdenkungsprozesses in der Gesellschaft anzustoßen; wie ihn der frühere Bundes-kanzler Helmut Kohl mit einer »Geistig-moralischen Wende« gefordert hat, oder der frühere Bundespräsident Roman Her-zog mit seinem »Ruck«, der »durch die Gesellschaft gehen muss«. Unsere Stimme ist mit einer solchen Stärke zu erhe-ben, dass sie nicht mehr, wie bisher üblich, von den Mächtigen und den Massenmedien totgeschwiegen und durch Nichtach-tung als bedeutungslos abgetan werden kann. 

Karik

atur

: OL

Page 16: SchönerWohnen - Ausgabe 24/2013 des strassenfeger

strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201316 | TAUFRISCH & ANGESAGT a r t s t r a s s e n fe g e r

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»Konstruieren statt konsumieren« Bauhaus aus dem Baumarkt und Parkplatzhaus: Das »One-SQM-House« oder »Build more, buy less!«T E X T & F O T O S : U r s z u l a U s a k o w s k a - W o l f f

Van Bo Le-Mentzel ist ein Mann, der die seltene Fähigkeit hat, aus jeder Si-tuation das Beste zu machen. Als er nach seinem Architekturstudium an

der Berliner Beuth Hochschule für Technik kei-nen Job finden konnte und eine Zeit lang von Hartz IV leben musste, besuchte er einen Tisch-ler-Wochenendkurs an der Volkshochschule. Die Folge war, dass er 2010 begann, selbst Möbel, und zwar in dem von ihm bewunderten Bauhaus-stil, zu konstruieren. »Konstruieren statt konsu-mieren« ist seitdem sein Motto. Er entwarf einen »24-Euro-Chair«, einen »Berliner Hocker«, der für »zehn Euro mit zehn Schrauben in zehn Mi-nuten« gebaut werden kann, einen »Kreuzberg 36 Chair«, ein Sofa, eine Couch und noch vieles mehr, jedes Stück versehen mit einem griffigen, allgemein verständlichen englischen Namen. Fertig war seine Kollektion aus dem Material vom Baumarkt, die er »Harz IV Möbel« nannte und später ein Buch darüber veröffentlichte. Die Baupläne stellte er für private User unentgelt-lich auf seine Website, die ihm als Gegenleis-tung über ihre Erfahrungen bei der Fertigung berichten, Verbesserungsvorschläge und Fotos schicken sollten. »Ich glaube an Open Source und dass es gut ist, seine Leistungen an andere weiterzugeben«, sagt Van Bo Le-Mentzel. »Ich glaube, dass wir alle am Ende mehr davon haben, wenn wir das Wissen, zu dem auch Baupläne ge-hören, produzieren und teilen.«

B a u t m e h r, k a u f t w e n i g e r !

Von Anfang an teilt der Wissensproduzent seine Gedanken, Pläne und Handlungen, die zu ihrer Verwirklichung führen, allen an seiner Arbeit Interessierten öffentlich mit. Die Plattform, die sich am besten für diese Art von Kommunika-tion eignet, ist bekanntlich das größte soziale Netzwerk, dem die Gruppe »Konstruieren statt konsumieren« Ende Mai 2010 beigetreten war.

Heute gefällt sie genau 14 151 Personen. »Face-book ist für mich ein Superwerkzeug, mit dem ich so viele Leute erreichen kann«, sagt Van Bo. Das ist seine Community, die der 1977 in Laos Geborene liebevoll »crowd« nennt, was wohl in diesem Fall bedeuten soll: mein »Völkchen«. Das hält er bei Laune und lässt es am Entstehungs-prozess seiner Werke und Ideen teilhaben. Und er vermittelt seinen Fans das Gefühl, ein anderes Konsumverhalten könne die Welt etwas besser machen. Er ermutigt die Menschen, sich auch über kleine und banale Dinge zu freuen: über einen selbst gebastelten Stuhl, einen Hocker, ein Regal. »Build more, buy less!«, lautet die einfa-che Parole, die eine große Wirkung zeigt. Wer sich seine Sachen selbst baut, muss weniger kau-fen, kann sich sinnvoll beschäftigen und auf die Ergebnisse seines Tuns stolz sein. So verwandelt sich unter der Regie und Mitwirkung des jungen Architekten eine lose Gruppe in eine Gemein-schaft, deren Mitglieder sich auch im wirkli-chen Leben immer näher stehen. Als Kind einer Flüchtlingsfamilie, die 1979 nach Deutschland kam, weiß Van Bo, dass Nähe und Wärme mehr bedeuten als materielle Güter, die man schnell verlieren kann.

Fa s t s c h o n e i n e Wu n d e r h ü t t e

»Konstruieren statt konsumieren« und dabei konsultieren und kommunizieren – ist das, was den Künstler und Designer so erfolgreich macht. Er erfindet nicht nur recht brauchbare Dinge, sondern auch Worte, die verheißungsvoll klin-gen: zum Beispiel »Das kleinste Haus der Welt« mit dem Namen »One-SQM-House«, dessen Prototyp im Sommer 2012 im Guggenheim Lab im Pfefferberg vorgestellt wurde und für großes mediales Aufsehen sorgte. Die mit Rollen verse-hene, einen knappen Zentner wiegende und in der Herstellung 250 Euro kostende Ein-Quad-ratmeter-Bleibe war nicht nur als eine Alterna-

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 17 a r t s t r a s s e n fe g e r

tive zum »Occupy«-Zelt gedacht. Ihr Entwerfer stellte sich damals vor, dass sein Häuschen von unterschiedlichen Gruppen genutzt werden könnte: von Leuten in Großraumbüros, die in Ruhe telefonieren oder einen Mittagsschlaf ma-chen wollten, von Unternehmern als Kiosk oder Pop-Up Shop, als Mini-Hotel, als Ticketschalter, als Beichtstuhl oder als Dusche. Fast schon eine Wunderhütte, mit der man sowohl Geld verdie-nen als auch, wenn man nicht so hohe Ansprüche hat oder Lust auf ein kurzes Abenteuer in einer exotischen engen Kiste verspürt, einige Nächte verbringen kann. Das war die Zielgruppe, die Van Bo Le-Metzler im Auge hatte, als er sein »One-SQM-House« erfand und entwarf. Er meinte auch, dass er damit bei den Obdachlo-sen auf großes Interesse stoßen wird. Doch bald sollte er eines Besseren belehrt werden. »Viele Leute aus meiner Facebook-Gruppe nahmen an dem Workshop im Guggenheim-Lab teil, wo das Haus gebaut wurde, darunter auch eine Frau, die in einer Notunterkunft lebte. Als ich sie fragte, ob sie sich vorstellte, in meinem Ein-Quadrat-meter-Haus zu wohnen, antwortete sie, dass Ob-dachlose eine echte Wohnung haben möchten.«

E i n e A r t A u t o

Das war für Van Bo ein Ansporn, nach einer bes-seren Lösung zu suchen. Er hat also das »Unreal Estate House« entworfen, das, abhängig vom An-hänger, auf dem es postiert wird, zwischen 2 x 2 Meter und 2 x 5 Meter groß sein kann und stolze 5000 Euro kosten muss. »Unreal Estate« ist eines der Wortspiele, für die der Architekt ein Faible hat. »Real Estate« ist die englische Bezeichnung der Immobilienwirtschaft, »Estate« bedeutet Sta-tus. Als er seiner »crowd« mitteilte, dass er jeman-den sucht, der den Prototyp von »Unreal Estate« bauen kann, meldete sich auf Anhieb Wolfgang Ramisch. Das Geld für den Aufbau hat der Ent-werfer mit Crowdfunding zusammengetragen.

Jetzt steht das Haus am Carl-Herz-Ufer/Ecke Bae-rwalderstraße, hat eine schöne Aussicht auf den Landwehrkanal und wartet darauf, bald fertigge-stellt zu werden. Das »Unreal Estate House« ist ein subversives Unternehmen, denn es steht auf einem Anhänger, ist also eine Art Auto und kann auf jedem Parkplatz aufgestellt werden. »Warum kommst du auf solche Ideen«, möchte ich wissen. »Gute Frage«, antwortet Van Bo Le-Metzelt und schmunzelt. »Ich glaube, das hat etwas mit meiner Biografie zu tun. Ich komme aus einer Flüchtlings-familie, was heißt, dass ich hier in Deutschland niemanden hatte, in dessen Fußstapfen ich treten kann. So musste ich meinen Weg selbst finden.«

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01 Van Bo Le-Metzler, 2013

02 1M2, 2013

03 Van Bo Le-Metzler im »One-SQM-House«, 2012

04 Unreal Estate House, 2013

05 Van Bo Le-Metzler: »Können wir die Miete ab-schaffen?«

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201318 | TAUFRISCH & ANGESAGT Ve re i n

Ihr Kinderlein kommet …Weihnachten 2013 bei mob e.V. / strassenfeger

W ildfremde Menschen saßen zusammen und sprachen miteinander. Sie rede-ten unbeschwert über ihre kleinen und oftmals großen Sorgen und san-gen gemeinsam die wunderschönen,

alten Lieder vom Tannenbaum mit den grünen Blättern und der stillen, Heiligen Nacht.

Und dieses Beisammensein war für die meisten unserer Gäste wahrscheinlich ebenso wichtig wie die liebevolle De-koration unseres „Kaffee Bankrott“, das leckere Essen, das unsere fl eißigen Helfer für sie zubereitet hatten und die klei-nen Aufmerksamkeiten.

Aber erst die strahlenden Augen der vielen Menschen, die beschenkt und glücklich um den festlich geschmückten Christbaum herumtollten, machten unsere Weihnachtsfeier im vergangenen Jahr zu einem großen Erfolg.

Dafür möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Ihnen bedanken.

Wie Sie wissen, haben wir keine Sponsoren. Wir haben auch keine Promis, die nur einmal im Jahr und dann möglichst medienwirksam, Gutes tun wollen.

Aber wir haben Sie, liebe Leserinnen und Leser. Seit vielen Jahren hat Ihr Engagement ermöglicht, dass wir den Ärms-ten unserer Mitbürger ein bescheidenes, aber trotzdem festliches Weihnachtsfest bereiten. Eine kleine Feier, die sie für einige Stunden all die Misslichkeiten ihres Lebens vergessen lässt.

Das gibt uns den Mut, Sie auch in diesem Jahr wieder um eine Spende zu bitten. Jeder Euro von Ihnen bringt ein kleines Licht in das Leben dieser Menschen, wirklich jeder Euro!

Lassen Sie sie nicht allein und helfen Sie uns, denen zu hel-fen, denen es viel, viel schlechter geht als Ihnen. Wir haben wieder ein Spendenkonto eingerichtet und würden Ihnen selbstverständlich, als anerkannt gemeinnütziger Verein, einen entsprechenden Beleg ausstellen.

Wir bedanken uns schon einmal im Voraus und wünschen Ihnen und Ihren Familien ein friedliches, besinnliches und gesundes Weihnachtsfest.

Wenn Sie mögen, kommen Sie doch einfach vorbei! Wir fi n-den für jeden einen Platz und ein paar Plätzchen.IHRE REDAKTION

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Spendenkonto:B a n k f ü r S o z i a l w i r t s c h a f t K o n t o : 3 2 8 3 8 0 1B l z : 1 0 0 2 0 5 0 0

Verwendungszweck:Weihnachten 2013

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201320 | TAUFRISCH & ANGESAGT B re n n p u n k t

01 Die »Frostschutzengel« Marie-The-rese Reichenbach, Petra Schwaiger und Katarzyna Hudec (von links) (Foto: Antje Görner)

02 Von der Deutschen Bahn kürzlich verschlossener S-Bahn-Bogen am Hackeschen Markt, … (Foto: Jutta H.)

03 … in dem mittel- und osteuropäische Obdachlose im vergangenen Jahr überwinterten. (Fotos: Jutta H.)

Jenseits von Waren und MärktenHunderte Menschen aus den neuen EU-Mitgliedsländern leben in Berlin in der Obdachlosigkeit. Das Projekt »Frost-schutzengel« kümmert sich bereits den zweiten Winter um diese MenschenB E R I C H T : J u t t a H .

Da sind die beiden jungen Polen, die in Berlin zwei Monate lang schwarz auf einer Baustelle gearbeitet haben, um ihren Lohn geprellt wurden und seit-

dem obdachlos sind. Da ist der Tierarzt aus Bulga-rien, dessen Berufsabschluss in Deutschland nicht anerkannt wird und der zum Trinker geworden ist. Da ist die alte Frau aus Lettland, die zuhause die Heizkosten ihrer kleinen Wohnung nicht zah-len kann und sich im Winter in Berlin in Einrich-tungen der Wohnungslosenhilfe durchschlägt.

Menschen wie ihnen – in der Wohnungslo-sigkeit gelandeten EU-Bürgern – versuchen die drei Sozialarbeiterinnen des Berliner Projekts »Frostschutzengel« zu helfen. Die drei jungen Frauen, die Russisch, Polnisch, die baltischen Sprachen, Bulgarisch und Bosnisch-Serbisch-Kroatisch sprechen, bieten Beratungsgesprä-che in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe an, im Winter sind sie in Einrichtungen der Kältehilfe vertreten.

Entstanden ist das Projekt als Reaktion auf den andauernden Hilferuf vieler Einrichtungen der Kältehilfe. »Die Mitarbeiter der Einrichtun-gen waren hilflos, weil sie sich wegen der Sprach-barriere nicht mit denen, denen sie helfen woll-ten, verständigen konnten«, sagt Marie-Therese Reichenbach, eine der drei Sozialarbeiterinnen und Projektleiterin der »Frostschutzengel«. Nach Angaben der Mitarbeiter liegt der Anteil

der Menschen aus den EU-Beitrittsländern seit Jahren in vie-len Einrichtungen der Kältehilfe bei 60 bis 80 Prozent, die meisten von ihnen kommen aus Polen, Rumänien und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

3 0 8 Pe r s o n e n w u rd e n i m v e rg a n g e n e n J a h r b e r a t e n

Träger des Projekts »Frostschutzengel« ist die Organisation GEBEWO – Soziale Dienste – Berlin gGmgH, die eine Viel-zahl an Hilfseinrichtungen für Wohnungslose in der Haupt-stadt unterhält. Auf einer Veranstaltung für Medienvertreter stellte die Organisation Mitte November eine neue Mitarbei-terin des »Frostschutzengel«-Teams vor, die den Platz eines ausgeschiedenen Sozialarbeiters einnimmt. Zudem wurde eine Bilanz zum Abschluss des ersten Jahres präsentiert.

Demnach beriet das Team der »Frostschutzengel« im zu-rückliegenden Jahr 308 Personen, von denen über 80 Prozent Männer waren. Mehr als drei Viertel waren 20 bis 49 Jahre alt, die Mehrheit hatte eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein-zelne auch einen Hochschulabschluss. Viele sprachen fließend zwei oder mehr Sprachen. Wichtigste Einkommensquelle de-rer, die beraten wurden, waren das Sammeln von Pfandflaschen und der Verkauf von Straßenzeitungen. Manche hatten in den Jahren nach der großen EU-Osterweite-rung von einer Völkerwanderung innerhalb der Europäischen Union gesprochen. Scharen von Menschen aus den ärmeren Beitrittsländern machten sich damals auf den Weg Richtung Westen. Allein zwei Millionen Polen verließen ihr Land, um Arbeit in den wohlhabenderen Staaten zu suchen. Die meis-

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ten waren dabei erfolgreich. Einige von denen, die nicht Fuß fassen konnten, landeten in den Obdachlosenszenen der eu-ropäischen Großstädte.

In den Gesprächen, die sie und ihre Kolleginnen mit den Hilfesuchenden führten, sagt Marie-Therese Reichenbach, gehe es zunächst darum, existenzielle Belange zu regeln. Also Fragen nach einem Schlafplatz, Essen, Kleidung zu klären. Später werde dann gemeinsam versucht, Belange wie Ämter-angelegenheiten, Arbeitssuche zu besprechen.

Dass Menschen aus ärmeren EU-Ländern hierherkämen, um Sozialleistungen zu ergattern, sei Unfug, so Reichenbach. Dass es für sogenannten Sozialtourismus keine belastbaren Hinweise gebe, belege auch eine gerade veröffentlichte Studie im Auftrag der Europäischen Union.

D i e S o z i a l a r b e i t e r i n i s t z u r s t re i t b a re n Vo r k ä m p fe r i n g e w o rd e n

Die meisten Menschen kämen in der Absicht, hier zu arbei-ten. Doch wer einmal obdachlos sei, für den sei die Hürde »sehr hoch«, auf dem hiesigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wer sich für eine Arbeit bewerben wolle, benötige eine poli-zeiliche Anmeldung. Die gebe es aber nur für die Person, die über Wohnraum verfüge. Der sei wiederum ohne Arbeit nicht zu finanzieren, so Reichenbach.

Ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen besteht für ausländische EU-Bürger in Deutschland nicht automa-tisch. Nur wer als Familienangehöriger eines freizügigkeits-berechtigten Bürgers einreist, wer sozialversicherungspflich-tig arbeitet oder gearbeitet hat oder wer nachweist, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Land aufzuhalten, kann Ansprüche geltend machen. Allerdings: »Nach EU-Richtlinien haben zugewanderte EU-Bürger Anspruch auf diese Leistungen. Doch in Deutschland hinkt die Rechtspre-chung hinterher«, sagt Reichenbach. Seit Monaten werde ein Urteil vom Bundessozialgericht erwartet, das möglicherweise wegweisend sein werde.

Wie ihre beiden Kolleginnen ist Marie-Therese Reichen-bach zur streitbaren Vorkämpferin für die Belange ihrer Kli-enten geworden. Wiederholt machte sie die Erfahrung, dass manche Mitarbeiter von Behörden und Ämtern nur mäßig Wissen bezüglich der Belange und Ansprüche zugewan-derter EU-Bürger verfügten. Inzwischen nimmt sie zu Ter-minen, die sie gemeinsam mit ihren Klienten wahrnimmt, vorher kopierte Gesetze und Richtlinien mit, um einem Sachbearbeiter gegebenenfalls die Feinheiten von EU-Recht und deutscher Rechtsprechung zu erläutern. Doch es gibt auch Sachbearbeiter, die per se von EU-Bürgern nichts wis-sen wollen. Einmal, so schildert Reichenbach, habe sie ein Klient aus dem Jobcenter angerufen und sie um Unterstüt-

zung gebeten. Die Mitarbeiter des Amtes weigerten sich, seinen Antrag auf Hartz-IV-Leistungen entgegenzunehmen. Mit Unterstützung des zuständigen Teamleiters sei es ihr ge-lungen, für eine Annahme des Antrags zu sorgen. »In ande-ren Fällen muss das Sozialgericht eingeschaltet werden, um Recht einzuklagen«, so Reichenbach.

Das Projekt »Frostschutzengel« wird ausschließlich aus Spenden finanziert. 140 000 Euro müssten auf diese Weise jährlich aufgebracht werden, so Robert Veltmann, Ge-schäftsführer der Organisation GEBEWO. Vor eineinhalb Jahren habe man beim zuständigen Staatssekretär der Senats-verwaltung finanzielle Unterstützung für das Projekt nachge-fragt. Diese sei abgelehnt worden. Dass der Berliner Senat für die Unterbringung einer Gruppe von Flüchtlingen, über die lange in den Medien berichtet worden war, gerade 136 000 Euro bereitgestellt habe, zeige, dass finanzielle Zuwendun-gen offensichtlich auch mit der medialen Aufmerksamkeit zu tun hätten, die ein Gruppe auf sich zöge.

D e r S e n a t f ü h l t s i c h n i c h t z u s t ä n d i g

Auch andere Hilfsorganisationen beklagen seit Längerem, bei der Versorgung und Unterbringung wohnungsloser EU-Bürger vom Berliner Senat alleine gelassen zu werden. Ul-rike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erz-bistum Berlin, kritisierte kürzlich zum wiederholten Male den Rückzug des Senats aus der finanziellen Unterstützung der medizinischen Ambulanz für Nichtversicherte am Zoo. Sie warf dem Senat vor, er fühle sich nicht zuständig für die medizinische Versorgung nicht krankenversicherter EU-Bürger.

Obdachlosigkeit bedeute für die Menschen, die zu ihnen in die Beratung kämen, häufig ein individuelles Scheitern, das sie als eigene Unfähigkeit interpretierten, sagt Marie-Therese Reichenbach. »Vielen ist es höchst peinlich, dass sie geschei-tert sind.« Häufig blockiere sie das, Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen, viele verlören jegliche Zuversicht. »Immer wieder sehen wir Menschen, die voller Schwung und Motivation in Berlin ankommen und innerhalb von wenigen Wochen kaum wiedererkennbar sind.«

Sein Eindruck sei, es gebe für die Gruppe der in der Ob-dachlosigkeit gelandeten Arbeitsmigranten »keinen Plan« von Seiten der Politik, so Robert Veltmann. Auch nach Jah-ren hätten sich Bund und Länder nicht auf diese Menschen eingestellt. Bei den Beitrittsgesprächen vor der großen EU-Osterweiterung damals habe man vor allem die Vorteile der Freizügigkeit im Blick gehabt. Mit dem Nicht-Gelingen von Migration habe niemand gerechnet. »Bei der EU-Osterwei-terung dachte man damals an Märkte und Waren, soziale As-pekte hat man außer Acht gelassen.«

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201322 | TAUFRISCH & ANGESAGT K u l t u r t i p p s

skurril, famos und preiswert!Kulturtipps aus unserer RedaktionZ U S A M M E N S T E L L U N G : L a u r a

1 MUSIK

»Anna Netrebko«Eine Operndiva feiert den Geburtstag Verdis: Signierstunde mit Anna Netrebko am 27. November im »Kulturkunsthaus Dussmann«. Ob auf der Opernbühne, im Konzertsaal oder bei Benefizgalas – Anna Netrebko gelingt es immer wieder, die Menschen mit ihrer Musik zu berühren und ihnen ein Lächeln zu entlocken. Mit ihrem neuen Album »VERDI« zeigt sie ihre gewachsene interpretatorische Erfahrung und ihre sich wandelnde Stimme – und sie leistet ihren ganz persönlichen Beitrag zum 200. Geburtstag von Giuseppe Verdi.

Am 27. November, um 19 Uhr - Eintritt frei!

Dussmann Friedrichstraße 9010117 Berlin

Info & Bild: www.kulturkaufhaus.de3 AUSSTELLUNG

»Seezeichen!« Leuchttürmen und Feuerschiffen auf der Spur: Das Deutsche Technikmuseum zeigt ab dem 5. November die Sonderausstellung »Seezeichen! Schlaglichter auf die Orientierung vor deutschen Küsten«. Anlass ist das 100-jährige Jubiläum des preußischen Seezei-chenversuchsfeldes in Berlin-Fried-richshagen. Originale Exponate wie Glasoptiken und Messgeräte sowie Archivalien und Fotografien beleuchten auf knapp 70 Quadrat-metern die Entwicklung des deutschen Seezeichenwesens.

Noch bis 31. August 2014

Deutsches TechnikmuseumTrebbiner Straße 9 10963 Berlin

Tel.: 030 / 9 0 254–0 Fax: 030 / 90 254–175

Info & Bild: www.sdtb.de

2 KONZERT

»Adventskonzert«Die Turmbläser St. Nikolai fanden sich im Sommer 2000 zur gemeinsamen Arbeit zusammen. Seitdem veranstalten sie regelmäßig Konzerte, wie das Adventskonzert. Hervorgegan-gen ist das Ensemble, das ausschließlich aus Amateurmusi-kern besteht, aus einem Auswahlchor des Landesposaunen-werkes. Die Formation wurde inzwischen um einen Hornis-ten erweitert. Insgesamt besteht das Ensemble aus vier Trompeten, einem Horn, vier Posaunen und einer Tuba. Werke von Johann Sebastian Bach, Alexandre Guilmant und anderen sowie Weihnachtslieder aus aller Welt. Neben drei bis vier Konzerten im Jahr – darunter das traditionelle Adventskonzert in der St. Nikolai-Kirche Berlin-Spandau – in denen vorrangig anspruchsvolle Literatur für großes Blech-bläserensemble gespielt wird, musizieren die Turmbläser regelmäßig in den Gottesdiensten der Gemeinde.

Am 8. Dezember, um 18 Uhr - Eintritt frei!

St. Nikolai-KircheNikolaikirchplatz10178 Berlin

Info & Bild: www.turmblaeser-nikolai.de

4 GREENPEACE

»Arctic 30«In Berlin informieren Greenpeace-Aktivisten auf dem Schiff »Beluga II« über die Arktis-Kampagne und über die »Arctic 30«. Eine Ausstel-lung an Bord des Schiffes bietet Einblick in die Hintergründe der Arktis-Kampagne. Am 18. September hatte der russische Geheimdienst 28 Aktivisten sowie zwei freie Journalisten während eines friedlichen Protests an der Ölplattform Prirazlomnaya festgenommen. Russland erhebt Anklage gegen die »Arctic 30« wegen Piraterie und »Rowdytums«. Jeden Donnerstag gibt es zudem spannende Vorträge an Bord des Schiffes. Zum Zuhören und Besichtigen der Ausstellung sind Passanten, Besucher, Interessierte und Unterstützer herzlich eingeladen.

Ausstellung geöffnet täglich von 13 bis 18 Uhr.

Vortragsreihe auf der »Beluga II«, immer donnerstags um 18 Uhr:28.11.2013 »Ölverschmutzung der Nord- und Ostsee«12. Dezember: »Unterstützung für die Arctic 30 – die Arbeit in Russland« 19.12.2013 »Die Kegelrobbe: Das größte Raubtier Deutschlands«

Die »Beluga II« liegt am Schiffbauer-damm 20 (am »Berliner Ensemble«) in 10117 Berlin.

Info & Bild: www.greenpeace.de

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VORSCHLAGENSie haben da einen Tipp? Dann

senden Sie ihn uns an:[email protected]

Je skurriler, famoser und preiswerter, desto besser!

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 23 K u l t u r t i p p s

7 MÄRCHEN

»Märchenhütte«Am 1.Dezember startet die siebte Märchenhüttensaison auf dem Bunkerdach im Berliner Monbijou-park. Dann öffnen zwei urig-schöne Holzhäuser aus den polnischen Wäldern ihre Pforten, um für drei Wintermonate Kinder und Erwachsene mit Märchen zu beglücken. Gleich zwei Premieren stehen im Dezember auf dem Programm. Bei Glühwein, Bratap-fel, heißen und kalten Köstlichkei-ten werden erst die Füße wieder warm und dann die Gemüter erhitzt. Denn die Hüttenmärchen haben es in sich: Mit Witz, Tempo und einer grimm’schen Intensität spielt sich das Ensemble auf originelle Art durch die Volksmär-chen. Die urtümlichen Dramolette bieten Vergnügen, Grusel und Verträumtheit. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen werden hier bezaubert oder verhext – je nachdem, zu welcher Tages- oder Nachtzeit man erscheint.

Märchenhütte 1.12.2013 - 2.3.2014

Premiere 6.12. 20 Uhr: »Der Tannen-baum« & »Die Prinzessin auf der Erbse«Märchen für Kinder ab 4 Jahre: Mi bis Fr 10 und 16.30 Uhr; Sa/ So 15, 15.30, 16.30 und 17 Uhr, Preise: ab 4 Euro Märchen »nur für Erwachsene«: Di bis So 19.30, 20, 21 und 21.30 Uhr; Fr/ Sa 22.30 Uhr, Preise: ab 9 Euro

Karten: 030 – 2 888 66 999

Märchenhütten »Jacob« & »Wilhelm«Monbijoupark vis-à-vis Bode-Museum10117 Berlin

www.maerchenhuette.de

6 LESEBÜHNE

»OWUL – Ohne Wenn Und Laber«Dirk Bernemann, Bestseller-Autor des Unsichtbar Verlags, der Periplaneta Goodseller-Autor Thomas Manegold und NonCommercial-Musikant Daniel Morgenroth, auch bekannt als ältester Deutschrock-Newcomer Deutschlands, präsentieren ihre allmonatliche Lesebühne OWUL ab September 2013 in der Z-Bar in Berlin Mitte. Dort werden sie von nun an jeden vierten Dienstag des Monats Texte und Musik darbieten, die neben den Zwerchfellen der Zuschauer auch andere Organe stimulieren werden. Neben den drei Akteuren wird immer ein Gast zugegen sein. Die Lese-bühne war zuvor in Berlin Lichtenberg aktiv und konnte, durch ihren Hang zu Problemliteratur und politischer Unkorrektheit, neue Akzente setzen. Jetzt, endgültig angekommen im Zentrum der Meinungsmache und des Wohlstandes, wird OWUL nicht mehr aufzuhalten sein. OWUL steht für »Ohne Wenn und Laber«.

Am 26. November, um 21 Uhr - Eintritt: fünf Euro

Z-Bar Berlin, Bergstrasse 2, 10115 Berlin

Info & Bild: www.owul.wordpress.com

8 WEIHNACHTEN

»Lucia Weihnachtsmarkt«In der »Kulturbrauerei« in Pankow startet am 25. November wieder der »Lucia Weihnahctsmarkt«! Die Besucher freuten sich 2012 über einen Markt, der gemütlich, kuschelig, sinnlich, romantisch, warmherzig und behaglich war. So soll es auch 2013 sein. Gewidmet ist der Lucia Weihnachtsmarkt den nordischen Ländern. Lucia, die Lichtbringerin, wird in Schweden und inzwischen in vielen anderen Ländern der Welt jährlich am 13. Dezember gefeiert. Sie wird verehrt, lässt Träume wachsen, weckt Sehnsüchte, schenkt Hoffnung und gibt den Sorgenden ein Stück Wärme und Geborgen-heit. Attraktionen: Ein nostalgi-sches Kettenkarussell und eine kleine Ritterburg, Weihnachts-mann-Thron mit Wunschbriefkas-ten und sieben Schwedenfeuer, winterliches Kunstobjekt »Open-Air-Mantel-Heizung«.

Vom 25. 11. bis 22. 12. - Eintritt freiFamilienprogramm an den Advents-Sonntagen 1.12. & 8.12. & 15.12. & 22.12. in der »Alten Kantine« von 16 bis 18 Uhr.Vom 25.11. - 22.12.2013, Montag bis Freitag von 15 - 22 Uhr und Sonnabend & Sonntag 13 - 22 Uhr

Eingänge: Knaackstr. 97, Sredzkistr. 1 und Schönhauser Allee 36-39, 10435 Berlin

Info: www.kulturbrauerei.de

5 TAG DER OFFENEN TÜR

»Abrafaxe«Zum zehnten Mal veranstaltet der »MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag« nun schon den Tag der offenen Tür im Zuhause der »Abrafaxe«. Seit mehr als 35 Jahren reisen Abrax, Brabax und Califax nicht nur um die Welt, sondern auch durch die Zeit. Sie waren schon im antiken Griechen-land, trafen Nofretete im alten Ägypten, zogen als Ritter durchs Mittelalter und trafen schon unzählige große Abenteurer und berühmte Persönlich-keiten der Geschichte. Abrax wurde dabei so manches Mal sein vorlautes Mundwerk zum Verhängnis, doch Brabax mit seinem Improvisationsgenie gelingt es meistens, allen wieder aus der Patsche zu helfen. Califax ist an solchen Abenteuern eigentlich nicht sonderlich interessiert, ihm gefällt es eher, einen Blick in die verschiedensten Küchen der Welt zu werfen und dabei sein kleines Bäuchlein zu pflegen. Die lustigen Abenteuer des »MOSAIK« werden Monat für Monat von einem Zeichnerteam in Berlin produziert. Historische Kulissen, Kostüme und kulturgeschichtliche Hintergründe finden sich nach aufwendigen Recherchen detailgenau und liebevoll umgesetzt im Heft wieder.

Am 7. Dezember, 10 Uhr - 16 Uhr - Eintritt frei!

MOSAIK - Lindenallee 5, 14050 Berlin

Info & Bild: www.abrafaxe.com

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201324 | TAUFRISCH & ANGESAGT A k t u e l l

I N FO

Clemens Meyer: »Im Stein.« S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main.

Preis 22,99 Euro

Clemens Meyer: »Im Stein«Statt einer RezensionB E R I C H T & F O T O : A n d r e a s D ü l l i c k © V G B i l d - K u n s t

Wenn der Autor Clemens Meyer liest, dann ist das ein echtes Er-lebnis. Der Mann hat Charisma und weiß, wie er seine Leser fes-

seln kann. So war es auch im Spätsommer in der Backfabrik in Pankow. Das Gewölbe war bre-chend voll und Meyers Fans hingen begierig an den Lippen des Autors, der aus seinem neuen Roman »Im Stein« vortrug. Es war überaus amü-sant und unterhaltsam, besonders gefielen mir die gekonnten Repliken von Clemens Meyer auf die Fragen aus dem Publikum. Die finden Sie an dieser Stelle statt einer Rezension:

E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e

»Die Idee, so was zu machen, hatte ich tatsächlich schon 1998, da war ich 21 Jahre alt und natürlich nicht in der Lage so einen Roman zu schreiben. Da gab es einen Zeitungsartikel, der heute noch vergilbt an einer meiner Pinnwände hängt, dazu kam noch ganz viel Anderes. Ich sammelte, re-cherchierte. Es waren schon einige Jahre, bis das reifte, bis ich mich in der Lage fühlte, mit dem Stoff etwas zu machen, das von Anfang an mehr sein sollte als eine wie auch immer geartete doku-mentarische Beschreibung von Vorgängen. Über die Jahre verschwand etwas, Anderes formte sich, Neues kam dazu. Irgendwann sagte ich mir, jetzt kannst du anfangen.«

S c h re i b e n

»Ich habe in Leipzig einen festen Schreibraum und fast das ganze Buch dort geschrieben. Fast nur nachts. Einfach aus dem profanen Grund, weil es da still ist. Es fahren keine Autos draußen rum. Nachts ist‘s ganz still, nur ein paar Läufer oder Krakeeler, die dann da rumziehen. Ich brau-che das Gefühl, dass ich der Einzige bin in so einem größeren Umkreis, der Energie bewegt. Und dann ist nachts eben nichts dort, ich kann die Rolle füllen. Mit den Worten der Sprache.«

Q u e l l e n s t u d i u m

»Eins der verrücktesten Bücher, das ich gelesen habe, hieß ›Wie man ein verdammt guter Zuhäl-ter wird und auch bleibt‹. Ganz toll. Dann habe ich Sachen wie ›Abenteuer Hure‹, die Geschichte der Prostitution in Berlin, ein Standardwerk ge-lesen. Das war sehr interessant. Ich habe ganze Mappen mit Notizen, Zeitungsartikeln. Aber ich habe auch die Ohren aufgehabt, die Augen wandern lassen und mit Menschen gesprochen, habe versucht, ein Gefühl für bestimmte Dinge zu bekommen. Ich wollte daraus eine Sprache entwickeln, die so klingt, als hätte ich mich mit meinem Diktiergerät irgendwo hingesetzt und Menschen interviewt. Das habe ich aber nicht gemacht, sondern zugehört und gesprochen.«

T h e s e n

»Es gab keine These. Eine Idee ist auch nur ein winziger Zünd-funken. Ich wollte was über uns schreiben, unsere Gesellschaft, über die Menschen, das Streben, über Sexualität, über Gier, über Märkte, über das Chaos in dem wir leben, über das Streben, den Aufstieg und Fall. Eigentlich wollte ich sämtliche große Themen der Literatur… Die Geschichte, wie der Mensch lebt. Man muss natürlich ein paar kleine shakespearische Dramen reinpacken, um das dramaturgisch irgendwie hinzukriegen. Aufstieg und Fall sind ja der Klassiker, das war eigentlich das Erste, was ich dachte... Da sind Geschichten drin, über die könnte ich jetzt stundenlang erzählen. Aber bestimmt keine Thesen!«

Fe m i n i s m u s

»Feminismus spielt im Buch nicht wirklich eine Rolle. Ich fand es viel interessanter, dass es auch in Romanen Frauen gibt, die die Machtverhältnisse umdrehen. Die sagen: ›Leute kommen zu mir, und ich mache mit denen ein Geschäft. Die geben mir unglaublich viel Geld und ich nehme dieses Geld. Die wollen was von mir, und ich will was von denen. Und ich nehme mir das.‹ Es gibt furchtbar schlimme Dinge in diesem Markt Prostitution, die unvorstellbar sind. Aber es gibt auch eine ganz große Anzahl von Frauen, die sagen: ›Ich mache das aus Gründen, die nur mich was angehen. Ich habe mich aus freien Stücken dafür entschieden, das zu machen.‹ Die Gründe, seien es materielle Not oder was auch immer, die sind so vielfältig. Wenn das Feminismus ist, dann hab ich mich damit beschäftigt. Das ist eine zweischneidige Sache, das ist mir bewusst. Aber ich habe ja kein Sachbuch geschrieben, sondern einen Roman, ein Kunstwerk, und das sollte für sich selbst sprechen. Und deswegen wünsche ich jetzt allen einen guten Abend!«

Clemens Meyer liest und beantwortet Fragen seiner Fans

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 25 A k t u e l l

I N FO

Clemens Meyer: »Im Stein.« S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main.

Preis 22,99 Euro

Chanukka – Licht und FreiheitEin jüdisches Fest in unserer StadtB E R I C H T : M a n f r e d W o l f f

Wann immer in der mehr als dreitausend jäh-rigen Geschichte das jüdische Volk von sei-nen Unterdrückern befreit wurde, entstand daraus ein Fest, das in den darauffolgenden Zeiten bis auf den heutigen Tag begangen

wird. Pessach erinnert an die Befreiung aus der ägyptischen Fronherrschaft, Purim feiert die Beendigung der Verfolgung durch den persischen Minister Haman und Chanukka die Be-freiung von der seleukidischen Besetzung Israels. Diese kol-lektive Erinnerung war und ist ein wesentlicher Grundpfeiler für den Bestand des jüdischen Volkes.

Wa r u m C h a n u k k a ?

Im Jahr 164 v. u. Z. gelang es der Widerstandsgruppe der Mak-kabäer, die griechische Fremdherrschaft, die seit Alexander dem Großen bestand, zu besiegen. Zur Wiederherstellung des jüdischen Staates gehörte auch die Reinigung und neue Weihe des Tempels. Die Griechen hatten dort einen Zeus-Altar aufgestellt. Zum Tempelinventar gehörte die Menora, ein Leuchter, dessen Licht niemals erlöschen durfte. Nun fand sich aber nach der Übernehme des Tempels nur noch ein Fässchen mit geweihtem Öl, das man ausschließlich für den Leuchter benutzen durfte; das hätte nur für einen Tag gereicht. Die Herstellung von geweihtem Öl durch die Ho-hepriester dauerte aber acht Tage. Da geschah dann, so die Überlieferung, das Wunder, dass diese geringe Ölmenge doch den Leuchter acht Tage brennen ließ, bis neues geweihtes Öl zur Verfügung stand. Bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr

70 n.u.Z. durch Titus wurde die Erinnerung an die neue Weihe im Tempel gefeiert. Erst mit dem Beginn der Diaspora hielt das Fest seinen Einzug in die Synagogen und Haushalte.

W i e w i rd C h a n u k k a g e fe i e r t ?

Das wichtigste Merkmal des Festes ist der achtarmige Chanukkaleuchter, der das achttä-gige Wunder symbolisiert. Dieser Leuchter hat noch einen neunten Arm für den „Diener“ (Sc-hammes), eine Kerze, mit der die acht Kerzen angezündet werden, erst eine, dann zwei, bis schließlich am achten Tag alle Kerzen brennen. In diesem Jahr beginnt Chanukka am 28. No-vember. Weil jüdische Feste immer am Vorabend des Feiertags beginnen, wird also am Abend des 27. November nach Sonnenuntergang das erste Licht angezündet. Steht der Leuchter im Haus, soll er am Fenster stehen, damit die Welt Anteil an der Freude des Festes hat.

Chanukka ist kein biblisches Fest. Es zu fei-ern ist keine der 613 Pfl ichten, die Juden zu be-achten haben, wenngleich im Segensspruch über die Kerzen gesagt wird, dass Gott das Chanuk-kafest geboten habe. Chanukka ist vor allem ein Gemeinde- und Familienfest, um das sich allerlei Bräuche entfaltet haben. Schon auf der Festtafel sind fast alle Gerichte symbolbehaftet. So wird Milchiges serviert in Erinnerung an Judith, die den griechischen General Holofernes mit Käse fütterte, ehe sie ihn trunken machte und dann den Kopf abschnitt. In Öl gebackene Speisen erinnern an das Ölwunder im Tempel. Da gibt es Kartoffelpuffer mit Apfelmus (Latkes) und in Fett gebratene Pfannkuchen.

Vor allem aber ist Chanukka heute ein Fest für die Kinder. Sie erhalten kleine Geldge-schenke, allerdings mit dem Hinweis, dass sie damit auch wohltätige Zwecke angehen sollen. Weil Chanukka in die Vorweihnachtszeit mit ih-rem Geschenke- und Konsumrausch fällt, fällt das natürlich auch auf dieses Fest zurück. Das Fest wird acht Tage lang gefeiert. Man geht an diesen Tagen seiner Arbeit nach, die Kinder ge-hen zur Schule, aber der Abend gehört in der Familie der Feier.

C h a n u k k a i n B e r l i n

In Berlin leben wieder über 12 000 jüdische Mitbürger mit uns und feiern Chanukka. Es ist ein schöner Brauch geworden, dass am Bran-denburger Tor ein großer Chanukka-Leuchter aufgestellt wird, damit alle Leute in der Stadt an der Freude dieses Festes teilhaben können. Wo anders wäre dieses Symbol der Befreiung, des Bekenntnisses zu den Werten Gerechtigkeit, Gedankenfreiheit und Religionsfreiheit besser aufgehoben als an diesem Ort? Wir erhalten mit dem Chanukkaleuchter von unseren jüdischen Mitbürgern nicht nur eine weitere Attraktion geschenkt. Wir dürfen mit ihnen vor allem die Freude an der wiedergewonnen Freiheit teilen.

Chanukka-Fest am 9. Dezember 2012 in Potsdam (Quelle: www.synagoge-in-potsdam.de)

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201326 | TAUFRISCH & ANGESAGT S p o r t

01 Extrem fokussiert: Der Ballartist Timo Boll

02 Chinesisches Gigantenduell: Olym-piasieger Zhang Jike (li.) verliert gegen Youngster Fan Zhendong (re)

03 Das deutsche Duell gewinnt Dimitrij Ovtcharov (li.) gegen Timo Boll (re.)

Dima, Timo & das WunderkindDer 16jährige Chinese Fan Zhendong dominiert die »German Open« im TischtennisB E R I C H T & F O T O S : A n d r e a s D ü l l i c k © V G B i l d - K u n s t

Mit diesem Sieger hatte niemand ge-rechnet. Schließlich gingen bei den »Berlin Open« im Tischtennis Stars der Szene wie Zhang Jike (China),

Vladimir Samsonov (Weißrussland) und die Deutschen Boll und Ovtcharov an den Start. Doch den Sieg in der Berliner Max-Schmeling-Halle holte sich der gerade einmal 16 Jahre alte Fan Zhendong aus China. Schon im Viertelfi-nale setzte er das erste Achtungszeichen, als er ziemlich souverän seinen Landsmann Zhang Jike ausschaltete. Der ist immerhin Olympiasie-ger von London und die aktuelle Nummer 4 der Tischtennis-Weltrangliste. Im Halbfinale dann setzte sich Fan nach hartem Kampf gegen den EM-Zweiten Vladimir Samsonov mit 4:2 Sätzen ganz knapp durch.

C h i n e s i s c h e M a u e r u n b e z w i n g b a r

Im Finale versuchte dann der Europameister Di-mitrij »Dima« Ovtcharov (Nr. 5 der Weltrang-liste), den stämmigen Wunderknaben zu stoppen. Das misslang ihm aber deutlich. Fan Zhendong schickte die neue deutsche Nummer 1 mit 4:1-Sät-zen (13:11, 11:7, 6:11, 11:1, 11:9) von der Platte. Gerade mal einen Satz konnte »Dima« gewinnen! » Mir hat es ein wenig an Reaktionsschnelligkeit gefehlt«, resümierte Ovtcharov nach der klaren Niederlage. »Fan hat unglaublich schnell gespielt, ich konnte nur selten die Initiative übernehmen. Vor einem Jahr kannte ich ihn noch gar nicht.«

Das stimmt allerdings nicht, denn »Dima« hatte bereits im Juli in der chinesischen Superliga gegen den dreifachen Junioren-Weltmeister verloren. Trotzdem war Ovtcharov mit seiner Turnierleistung zufrieden: »Ich hatte eine sehr harte Auslosung und so viele hochkarätige Gegner wie noch nie.« Das wiederum stimmte in der Tat: Zweimal stand Dima sehr knapp vor dem Aus. Im wahrscheinlich hochklassigsten Spiel des Turniers be-wies er Nervenstärke und besiegte den bärenstarken Japaner Shiono Masato.

Fan Zhendong, der neue Superstar, hatte eine Woche zuvor schon die »Polish Open« gewonnen – als jüngster Sie-ger eines World-Tour-Turniers. An weitere harte Duelle mit Fan werden sich die deutschen Asse Ovtcharov und Boll (Nr. 6 der Weltrangliste) wohl gewöhnen müssen. Denn das die Chinesen den Jungen in Richtung Olympia 2016 neben ihren Stars Ma Long, Xu Xin, Wang Hao und Zhang Jike als absoluten Topspieler aufbauen werden, daran sollte nie-mand zweifeln.

O v t c h a ro v g e w i n n t d e u t s c h e s P re s t i g e - D u e l l

Ovtcharov entschied allerdings das Duell um die europäische und deutsche Spitze für sich: Im Halbfinale besiegte er nach einem 1:2-Satzrückstand seinen Landsmann Timo Boll doch noch mit 4:2. Allerdings täuscht das Ergebnis ein wenig da-rüber hinweg, wie eng es zwischen den beiden besten deut-schen Spielern war. Von einer Wachablösung zu sprechen ist deshalb auch ziemlicher Quatsch, denn Timo Boll wird sicher noch ein paar Jahre auf demselben hohen Niveau spielen wie »Dima«. Den Ehrgeiz dazu hat Boll allemal: »Entscheidend war heute, dass ‚Dima’ mich im vierten Satz mit der Auszeit etwas aus dem Rhythmus gebracht hat. Ich war bis dahin ganz

01

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 27 S p o r t

gut in Fahrt und stabil am Tisch und er schon et-was verzweifelt. In der Mitte des Spiels habe ich zu viele einfache Punkte abgegeben. Das darf ich mir gegen ihn nicht leisten. Der Rekord-Euro-pameister war dennoch zufrieden: »Ich bin aber auf einem guten Weg. Ich wollte hier vor allem zeigen, dass ich wieder konkurrenzfähig bin. Das ist mir gelungen.«

B o l l / Fr a n z i s k a s i e g e n i m D o p p e l

Dem kann man nur beipflichten. Schließlich holte sich Timo Boll mit seinem neuen Partner Patrick Franziska den Sieg im Doppel. Im Finale bezwangen sie die Taiwanesen Chiang Hung-Chieh/Huang Sheng-Sheng. Patrick Franziska freute sich nach dem Sieg riesig: »Wir haben zum ersten Mal zusammengespielt und auch vorher kaum trainiert. Ich finde, wir passen gut zusam-men. Die Abstimmung können wir noch verbes-sern. Es ist toll, mit Timo zu spielen.«

D e u t s c h e s K ü ke n s e t z t A c h t u n g s z e i c h e n

Die erst 16-jährige Nina Mittelham hat bei ihrem ersten großen World-Tour-Turnier überhaupt nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Die an Nr. 138 der Weltrangliste geführte Mittelham ent-zauberte u. a. Rumäniens zweifache Doppel-Eu-ropameisterin Elizabeta Samara in sechs Sätzen. Dabei dominierte sie das Spiel und war beweg-lich, spielte taktisch clever und abgezockt. Erst im Achtelfinale kam dann gegen die japanische Topspielerin Ai Fukuhara (14. der Weltrangliste) das Aus. »Ich habe hier ohne Druck gespielt, denn ich hatte bei meinem ersten großen World-Tour-Turnier ja nichts zu verlieren.«

DT T B - Fü h r u n g s e h r z u f r i e d e n

»Für uns waren es sehr erfolgreiche und sehr aufschlussreiche Wettkämpfe«, bilanzierte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig zum Abschluss des Weltcups. »Wir haben deut-lich gemacht, welches hervorragende Potenzial und welche ausgezeichneten Perspektiven der deutsche Tischtennissport hat. Für Rio sehe ich deshalb gute Chancen, dort wieder die Chinesen anzugreifen.« Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) freute sich über mehr als 12 000 Zuschauer und deren enorme Begeisterung: »Wir kommen gerne auch mal zu Europa- oder sogar Weltmeisterschaften hierher. Die Halle wäre jedenfalls tauglich dazu. Die Voraussetzungen sind bestens.«

02

03

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201328 | TAUFRISCH & ANGESAGT S p o r t

Alba Berlin marschiertBerlins Basketballer fegen zurzeit alles von der PlatteB E R I C H T & F O T O : J e a n n e t t e

Was für ein Spiel! Mit dem End-stand von 94:74 beendete der Basketball-Bundesligist »Alba Berlin« am 10. November die Sie-

gesserie des Titelfavoriten »Bayern München«. In der ausverkauften »O2-World« brodelte es kräftig, der Großteil der 14 500 Zuschauer trieb mit ohrenbetäubendem Lärm die »Alba«-Spieler zur Höchstleistung an und schien die »Bayern«-Spieler regelrecht zu lähmen. Das junge Team von Trainer Sasa Obradovic zeigte sich unbeein-druckt von der bisherigen Spielstärke der »Bay-ern«, die sieben Siege in Folge aufzeigen konn-ten. Das schnelle und zeitweise sehr aggressive Spiel wurde von »Alba« durch starke Rebounds und Fastbreaks von Redding, Hammond und Stojanowski dominiert. Bayern, allen voran Topscorer Malcolm Delaney, glänzte im Offen-sivspiel, wirkte aber zunehmend fahrig und hatte zeitweise Probleme mit der Treffsicherheit. Das erste Viertel bot ein nach Punkten ausgegliche-nes Spiel, mit hervorragenden Aktionen von »Al-bas« Jan-Hendrik Jagla, Clifford Hammond und David Logan. Auf »Bayerns« Seite starteten dann Nihad Djedovic und Malcom Delaney durch und so endete das Viertel mit 23:19 für Berlin.

Im zweiten Viertel verbesserte »Alba« seine De-fense (Abwehr) und hielt vor allem »Bayerns« Delaney in Schach. Wie in allen vier Vierteln waren die Berliner den Münchnern in den Re-bounds überlegen und konnten sich mit einem Buzzer Beater (Korbwurf kurz vor Schlusssi-rene) von Vojdan Stojanovski mit 50:36 abset-zen. Nach der Halbzeit schienen die Bayern die Oberhand zu gewinnen. »Alba« hatte an Treff-sicherheit verloren, kassierte in den ersten zwei Minuten gleich vier Teamfouls und ließ die »Bay-ern« bis auf neun Punkte an sich heran. Vor allem Delaney warf sich erfolgreich durch die Berliner Abwehr. Dank der Offensivrebounds und Fast-breaks von Uros Slokar (für verletzten Leon Ra-dosevic) ging »Alba« mit 65:53 ins letzte Viertel.

Mit Beginn des vierten Viertels stieg der Lärm-pegel fast ins Unermessliche. Durch aggressive Deckung und wieder gefundene Treffsicherheit arbeitete sich »Alba« nach und nach einen kaum noch zu schlagenden Vorsprung heraus. Die »Bayern« hatten dem nur noch wenig entgegen-zusetzen, ließen sich Bälle wegnehmen und ver-gaben viele Treffer. Unter den Standing Ovations der begeisterten Fans machte der Buzzerdreier von David Logan die Sensation perfekt – »Alba Berlin« besiegte »Bayern München« mit 94:74. ALBA-Trainer Sasa Obradovic zum überra-

schenden Sieg: »Wir haben das Spiel von Beginn an dominiert. Das war ein großer Schritt in unse-rer Entwicklung.« Bayern-Coach Svetislav Pesic dagegen musste kritisch resümieren: »Es war ein exzellentes Spiel von ALBA.«

Ein wenig leid taten einem die neuen »Bayern«-Spieler, darunter der letzjährige Most Value Player (MVP – Wertvollster Spieler) der Liga John Bryant, Heiko Schaffartzik, Nihad Djedo-vic und Yassin Idbihi, die letzte Saison von den »Alba«-Fans noch bejubelt wurden und nun bei jedem ihrer Ballkontakte ein wahres Pfeifkonzert auslösten. Nach der von »Bayern«-Manager Uli Hoeneß großzügig finanzierten Einkaufsrunde von Trainer Svetislav Pesic vor Saisonbeginn sind vor allem die Berliner Fans persönlich an-gefressen. Vier Spieler wechselten von »Alba« zu »Bayern« und das hatte, neben den Abgängen weiterer Spieler, eine komplette Umstrukturie-rung des Berliner Teams zur Folge. Dies scheint gelungen zu sein, fällt die bisherige Bilanz mit vier Siegen und zwei Niederlagen in der BBL durchaus positiv aus. Der Sieg gegen den Titel-favoriten stärkt zusätzlich das Selbstbewusstsein der zumeist sehr jungen Spieler.

Grundsätzlich erfährt man als Zuschauer jedes Spiel in entspannter und fairer Atmosphäre, was

»Bayern München« in Gastspielen wohl zukünf-tig nicht mehr erleben wird. Das Ansehen des Basketballklubs hat gelitten und die Spieler soll-ten sich ein dickes Fell zulegen, da nicht nur in Berlin die finanzielle Übermacht kritisch gesehen wird. Die Gefahr, dass die Basketball Bundes-liga (BBL) zu einem Geschäft wird, in dem der schnöde Mammon mehr zählt als der Sport und die Fans zur Einnahmequelle degradiert werden, ist groß. Loyalität und Zusammengehörigkeits-gefühl von Team und Fans spielen eine ebenso große Rolle wie die im Vergleich zum Fußball erschwinglichen Ticketpreise. Alles in allem bleibt ein fader Beigeschmack und der bekannte Song der »Toten Hosen« hält nun auch Einzug in die BBL: »Ich habe nichts gegen München, ich würde nur nie zu den Bayern gehen.«

A l b a s e t z t E r fo l g s s e r i e fo r t

Zwei Tage nach der Gala gegen den »FC Bayern« besiegte »Alba« im Eurocup das Team von Mons-Hainaut auswärts mit 77:57 und behauptete da-mit die Tabellenführung in ihrer Gruppe. Am 16. November entschieden die Albatrosse mit einer dominanten Vorstellung dann auch noch das Spitzenspiel gegen »ratiopharm Ulm« in der O2 World vor über 11 000 Zuschauern mit 102:74 für sich. So kann es weitergehen!

Die O2 World kochte beim sensationellen Kantersieg der »Albatrosse«

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strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 AUS DER REDAKTION | 29 R a t g e b e r

ALLGEMEINE RECHTSBERATUNG

Rechtsanwältin Simone KrauskopfJeden Montag von 11.00 – 15.00 Uhr

im Kaffee Bankrott bei mob e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Bei Bedürftigkeit wird von der Rechtsanwältin ein Beratungsschein beantragt. Bitte die entsprechenden Nachweise mitbringen. (z.B. ALG II-Bescheid)

I N FO

Mehr zu ALG II und SozialhilfeDer neue Leitfaden ALG II/Sozialhilfe von A–Z (Stand Juli 2013)

› erhältlich für 11 EUR im Büro des mob e.V., Prenzlauer Allee 87, oder zu bestellen bei: DVS, Schumanstr. 51, 60325 Frankfurt am Main,

› Fax 069 - 740 169

› www.tacheles-sozialhilfe.de › www.erwerbslosenforum.de

Fristen bis 31.12.2013 nicht versäumenR A T G E B E R : J e t t e S t o c k f i s c h

» 5 6 P ro z e n t - R e g e l u n g «

Diese Regelung tritt ein, wenn das Jobcenter Zahlungen für einen ganzen Monat zurück for-dert. In der Regel handelt es sich dabei um die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses. Im Rat-geber wurde die Arbeitsaufnahme in der Serie »Darlehen« behandelt.

Die »56 Prozent-Regelung« ist im § 40 Abs.4 Satz 1 SGB II vorgeschrieben. Das bedeutet: Fordert das Jobcenter für einen oder auch mehrere Mo-nate das Alg II für den ganzen Monat zurück, dür-fen 56 Prozent der Bruttokaltmiete (Miete plus Betriebskosten, ohne Heizung) nicht zurückge-fordert werden.

Beispiel 1: Klaus hat einen Alg II-Anspruch von 382 Euro Regelleistung plus 400 Euro Miete (300 Euro Miete plus Betriebskosten und 100 Euro Heizkosten), insgesamt 782 Euro. Am 1.11.2013 nimmt er eine Arbeit mit 1 085 Euro Nettoeinkommen auf. Erste Lohnzahlung am 30.11.20113. Das Jobcenter hatte schon am 1.11.2013 für November Hartz IV gezahlt und fordert dieses nun zurück. Klaus ist nicht mehr hilfebedürftig, weil er mit drei Euro über dem Anspruch auf Hartz IV liegt. Berechnung: 382 Regelleistung plus 400 Euro Miete plus 300 Euro Erwerbstätigenfreibeträge = 1082 Euro. Von den gezahlten 782 Euro MUSS das Jobcenter 56 Prozent der 300 Euro Bruttokaltmiete, also 168 Euro heraus rechnen. Es darf für November so-mit nur 614 Euro zurückfordern.

Beispiel 2: Thomas wohnt eine Etage über Klaus und zahlt Miete in gleicher Höhe wie dieser. Tho-mas nimmt eine Arbeit mit 1 080 Euro netto auf. Mit der o.g. Berechnung liegt Thomas hier um zwei Euro unter dem Alg II-Anspruch. Er ist so-mit weiter hilfebedürftig. Das Jobcenter fordert für November 780 Euro von den gezahlten 782 Euro zurück. Bei der Rückforderung hat Thomas keinen Anspruch auf die Minderung um die 168 Euro.

Im Vergleich hat Klaus rechnerisch für Novem-ber ein Erwerbseinkommen von 1 085 Euro plus 168 Euro, also 1 253 Euro. Thomas, der fünf Euro weniger verdient, bekommt lediglich zwei Euro Alg II dazu. Klaus würden die 168 Euro

auch erlassen, wenn er 3 000 Euro verdienen würde. Es kann sich auch um mehrere Monate handeln, weil die Mitteilung der Arbeit vom Jobcenter lange nicht bearbeitet wurde. Fakt ist, dass beide ungleich behandelt werden.

Rechtsanwalt Siegfried Eidinger hat in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass er einen Mandanten in einem in einem ähnlichen Fall vertritt. Das Bundessozialgericht hat die Revi-sion wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen; Entschei-dung vom 17.10.2013 – B 14 AS 183/13 B-.

Niemand kann voraussagen, wie das Gericht entscheiden wird. Für den Fall, dass das Gericht eine positive Entschei-dung trifft, sollten Betroffene gegen eine Rückforderung ohne Berücksichtigung teilweiser Mietkostenanrechnung, ähnlich dem Beispiel von Thomas, Widerspruch einlegen. Sollte die Widerspruchsfrist von einem Monat um sein, kann ein Über-prüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt werden. Um mögli-che Ansprüche für 2012 zu sichern, muss dies bis 31.12.2013 erledigt werden. Hier kann dem Widerspruch oder Überprü-fungsantrag ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens bis zur Ent-scheidung des BSG gestellt.

Wer nach diesem Ratgeber feststellt, dass er zwar durch Ein-kommen nicht mehr hilfebedürftig ist, jedoch bei einer Rück-forderung die »56 Prozent-Regel« vom Jobcenter »übersehen« wurde, geht ebenso vor, jedoch ohne Antrag auf Ruhen des Verfahrens, denn er hat schon jetzt einen Rechtsanspruch da-rauf.

B E I T R A G S S C H U L D E N B E I K R A N K E N K A S S E N

Zum 01.08.2013 trat das »Gesetz zur Beseitigung von sozi-aler Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenver-sicherung« in Kraft. Es sieht den (möglichen) Schuldenerlass ab April 2007 für Betroffene vor. Für gesetzliche und private Krankenversicherungen gibt es verschiedene Regelungen. Wer solche Schulden hat, muss sich bei der Krankenkasse melden, bei der er zuletzt versichert war.

ENTSPRECHENDE ANTRÄGE MÜSSEN BIS ZUM 31.12.2013 GESTELLT WERDEN. Der Deutsche Caritas-verband hat dazu einen ausführlichen Inforeader herausge-geben unter dem Link: www.harald-thome.de/media/files/CV-Erlass-von-Beitragsschulden-8.10.13.pdf Zum gleichen Thema Infos unter www.bundesministerium.de oder Link: www.harald-thome.de/media/files/Schreiben-BMG-Bei-tragsschuldenerlass-18-9-13.pdf und dem Bürgertelefon (030) 340 60 66-01

Page 30: SchönerWohnen - Ausgabe 24/2013 des strassenfeger

strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 201330 | AUS DER REDAKTION K o l u m n e

Karikatur: Andreas Prüstel

Aus meiner SchnupftabakdoseK O L U M N E : K p t n G r a u b ä r

»Mehr Demokratie wagen!« war mal die Parole bei Willy Brandts erster Regierungserklärung. Viele, die das damals hörten, begannen Pläne zu schmie-den. Mehr Demokratie konnte doch nur bedeuten, dass das Volk nun selbst alle Hebel der Herrschafts-

instrumente in die Hand nimmt. Keine Bedenkenträger und Geschäftsordnungsakrobaten konnten dann den revolutio-nären Elan der Massen bremsen. Jeder hätte die Chance, seine Vorstellungen von einer besseren und gerechteren Welt in Gesetze zu gießen. Die unzufriedenen Massen wür-den hinwegfegen, was ihr Leben zur Qual macht, ihre Ent-faltungsmöglichkeiten fesselt, überhaupt alles, was nicht in den Kram passt. Revolution!

Volksentscheid war das Zauberwort, mit dem das alles ge-schafft werden sollte. Zum offenen Aufstand, wie ihn einige linke Gruppen gern angezettelt hätten, fehlte wohl den Bür-gern der Mut. Aber so ganz klammheimlich mit dem Stimm-zettel in der Wahlkabine könnten sie »denen da oben« schon zeigen, was sie von ihnen und ihrer Politik halten. Alles sollte besser werden, denn die Bürger wissen ja selbst am besten, was gut für sie ist. Das Grundgesetz sieht das nicht vor, das lässt sich jedoch ändern, wenn man die Sache mit mehr Demokratie ernst nimmt.

Nun wird auch in den Koalitionsverhandlungen über Volks-entscheide auf Bundesebene gemunkelt. Sollen sie ruhig ma-chen, es wird sich nichts ändern. Das habe ich aus den Volks-entscheiden, die wir bisher hatten, gelernt: Sie bestätigen nur das, was es ohnehin schon gibt. Bloß keine Veränderungen. Die Deutschen können keine Revolution, schon gar nicht, wenn die ihren gemütlichen Alltag stört. Wir sind ein Volk von Nimbys (not in my backyard, auf Deutsch: nicht in meinem Vorgarten, weil der uns mit seinen Gartenzwergen lieber ist als den Amerikanern ihr Garten hinter dem Haus).

Wenn in Zukunft Volksentscheide wirklich mal erfolgreich sein sollen, damit die Bürger spüren, dass ihr Wille etwas gilt, soll man zuerst eine Grundgesetzänderung zur Abstim-mung stellen. Als neuer Artikel 1 wird ins Grundgesetz der

Paragraph der alten mecklenburgischen Landesverfassung eingefügt: »Allens bliwwt bi’n Ollen.« Ich bin sicher, das gibt eine 95prozentige Zustimmung.

Wohin das führt, wenn man Neues zur Abstimmung stellt, ha-ben uns gerade die Bayern vorgemacht. Kein Winterolympia in München und Umgebung. Dabei könnten die sich so was leisten. Da war natürlich sofort wieder unser Bürgermeister auf dem Plan und schwärmte von Olympia 2024 in Berlin. Man konnte ihn sogar schon sehen, wie er den Start trainiert, aber nur für kurze Strecken, für lange und große Vorhaben ist er ja sowieso Spezialist. Ich frage mich aber ernsthaft, ob er in elf Jahren noch eine Starterlaubnis erhält …

Spannender wäre es geworden, wenn er Berlin als Austra-gungsort der Winterolympiade 2022 vorgeschlagen hätte. Bes-ser als Sotschi wäre das sicher allemal geworden. Wir haben jede Menge Eisbahnen für Schnell- und Kunstlauf, Hockey bei O2, Rodeln am Potsdamer Platz oder Kreuzberg, Biathlon im Olympiastadion, Langlauf im Grunewald, Alpin am Teufels-berg (irgendwo liegt sicher noch der Lift herum!) und Skisprin-gen gibt es in Bad Freienwalde. Unsere Hotels werden sicher auch den Ansprüchen der Funktionäre des IOC genügen.

Wo ich nun schon beim Winter bin – es soll ja nach Meinung einiger keinen Weihnachtsmarkt mehr geben. Wintermarkt soll das dann heißen. Ich denke, wer solche Ideen ausbrütet, der soll auch kein Weihnachtsgeld bekommen. Winter- oder Schlechtwettergeld gibt es nur für Bauarbeiter. Wie ich diese Kreativitätshelden kenne, soll dann sicher nur für die ande-ren das Weihnachtsgeld gestrichen werden. Die Unternehmer werden einen solchen Vorschlag sicher mit Freuden aufgreifen. Die sparen eine Menge. Wovon die übrigen am Jahresanfang ihre Versicherungsprämien und die Wohnungsnebenkosten bezahlen sollen, steht auf einem anderen Blatt. Es wird dann auf jeden Fall ein besinnliches Weihnachten. Oder sollen wir alle auch Winterfest sagen?

Lasst uns, solange es noch geht, eine schöne Adventszeit ge-nießen. Ich wünsche es allen!

Page 31: SchönerWohnen - Ausgabe 24/2013 des strassenfeger

Vorschau

s t r a s s e n fe g e r N r. 2 5

Speis & Trankerscheint am 9. Dezember 2013

WEIHNACHTSMARKT LIEBENBERG

PATENSCHAFT AN EINEM SCHWEIN

COMIC: »KANN DEN KOCHEN SÜNDE SEIN?«

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es der Initiative bereits seit drei Jahren, Obdachlose über die kalten Wintermo-nate mit Kleidung zu versorgen. Die Stift ung zeigt, dass Charity nicht nur für Sektempfänge mit Häppchen und lange Ziff ern auf überdimensionierten Schecks steht, sondern möchte Ge-meinnützigkeit und Engagement – ins-besondere für junge Menschen – wie-der zur Herzensangelegenheit machen.Red.

› www.essensmarke.org

› www.friendswbenefits.de

Wer zwischen dem 18. November und 22. Dezember bei Mustafas Gemüsekebap isst, kann einen weiteren Kebap kaufen. Dafür erhält der Kunde eine spezielle Münze, die er einem Obdachlosen oder Bedürft igen schenken kann. Dieser kann sich dann einen Gemü-sekebap am Mehringdamm 32, der Adresse von Mustafa‘s, abholen und damit ein warmes Essen sichern. Der Preis der Münze beträgt für den Kunden extakt der eines Gemüsekebaps. »Wir wollen zunächst herausfi nden, wie die Kunden, aber vor allem auch die Bedürft igen das Angebot wahrneh-men. Wenn wir zufrieden sind, kann sich die Aktion zu einem ganzjährigen Projekt entwickeln, das sich auch wunderbar auf andere Bereiche in der Gastronomie übertragen lässt«, erklärt Felix Lyß von der Stift ung »Friends with Benefi ts«, die das Projekt etablieren möchte. Also: Wer eine Essensmarke erhält, kann diese bei Mustafa’s Gemüsekebap am Mehringdamm (U-Bhf. Mehringdamm) eintauschen und dafür einen Dö-ner erhalten. Einfach in die Personenschlange stellen, Marke abgeben und dafür einen Döner bekommen. Die Essensmarke sieht aus wie hier abgebildet.

»Friends with Benefi ts« ist eine Stift ung von jungen Menschen für junge Menschen, die sich mit sozialen Problemen wie Obdachlosigkeit beschäft igt. Mit »One Warm Winter – Das Leben ist kein U-Bahnhof« gelingt

MITMACHENDu willst selbst einen Artikel schreiben oder dich anderwei-tig an der Redaktionsarbeit des strassenfeger beteiligen? Dann komm zur öffentlichen Redaktionssitzung!Jeden Dienstag 17 Uhr

Kaffee Bankrott, Prenzlauer Allee 87

Mehr Infos unter: 030 - 419 345 91

strassenfeger | Nr. 24 | Nov-Dez 2013 AUS DER REDAKTION | 31

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ImpressumH E R AU S G E B E R mob – obdachlose machen mobil e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 467 946 11 | Fax.: 030 - 467 946 13

V O R S I TZ E N D E Dr. Dan-Christian Ghatt as, Lothar Markwardt, Andreas Düllick (V.i.S.d.P.)

C H E F R E DA K T E U R Andreas Düllick

R E DA K T I O N E L L E M I TA R B E I TRedaktionelle Mitarbeit: Astrid Baty, Bernhardt, Andreas Düllick, Laura F., Guido Fahrendholz, Detlef Flister, rwf, Jeannett e, Jutt a H., Jan Markowsky, Christoph Mews, Boris Nowack, OL, Andreas P., Manuela P., Andreas Prüstel, Urszula-Usakowska-Wolff , Manfred Wolff

T I T E L B I L D Zelte vor dem Roten Rathaus (Montage: Ins Kromminga, Idee: Andreas Düllick)

K A R I K AT U R E N Andreas Prüstel, OL

D E S I G N V O R L A G E Thekla Priebst

S ATZ U N D L AYO U T Ins Kromminga

S C H R I F T E N Karmina Sans (mit freundlicher Genehmigung von typetogether), Life

B E L I C H T U N G & D RU C K Union Druckerei Berlin

R E DA K T I O N S S C H LU SS 20. November 2013R E DA K T I O N Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 419 345 91 | [email protected]

A B O - KO O R D I N AT I O N & A N Z E I G E Nmob – obdachlose machen mobil e.V.Telefon: 030 - 419 345 91

AdressenT R E F F P U N K T K A F F E E B A N K ROT TPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 447 366 91 Öff nungszeiten: Mo bis So 8.00 – 20.00 UhrZeitungsverkauf: bis 20.00 Uhr

N OT Ü B E R N A C H T U N GPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 419 345 93Öff nungszeiten: 17.00 – 8.00 UhrAnmeldung: 17.00 – 23.00 Uhr

T RÖ D E L P O I N T B E I M O B E .V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinMontag bis Freitag 8.00 – 18.00 UhrTelefon: 030 - 246 279 [email protected]

W W W. ST R A S S E N F EG E R .O RG

Namentlich genannte Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es war nicht möglich, bei al-len Bildern die Urheber festzustellen. Betroff ene melden sich bitt e bei uns. Für unverlangt eingesandte Fotos, Manuskripte oder Illustrationen übernehmen wir keine Haft ung.Der strassenfeger ist off en für weitere Partner. Interessierte Projekte melden sich bitt e bei den Herausgebern.

Vo r l e t z t e S e i t e

Page 32: SchönerWohnen - Ausgabe 24/2013 des strassenfeger

Ein Dach über dem Kopf

Die Aktion »Ein Dach über dem Kopf« wurde vom Verein mob – obdachlose machen mobil e.V. gestartet, um Menschen, die in tiefer Not und ohne eigene Bleibe sind, wirksam helfen zu können. Damit wir diese Menschen dauerhaft unterstützen können, benötigen wir Ihre Hilfe.

EINMALIG Ja, ich möchte für eine Woche einem Menschen

Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle 14 EUR

Ja, ich möchte für zwei Wochen einem Menschen Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle 28 EUR

Ja, ich möchte für einen Monat einem Menschen Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle 60 EUR

PARTNERSCHAFT Ja, ich möchte einem Menschen dauerhaft

Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle monatlich 60 EUR

Ja, ich möchte die Aktion Ein Dach über dem Kopf regelmäßig unterstützen und zahle monatlich EUR (mindestens 3 EUR)

Bitt e schicken Sie mir eine Spendenbestätigung zu.

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Einzugsermächtigung (Die Einzugsermächtigung gilt bis auf Widerruf)

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Bitt e senden Sie den Coupon an : »Ein Dach über dem Kopf« c/o mob e.V.,Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00 | Konto 328 38 - 01Kennwort: »Ein Dach über dem Kopf«

Foto: r.Werner Franke

Heiko verkauft den strassenfeger und benötigt auch Ihre Hilfe!