Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 1
Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting,
Organverträgen und Fusionen
Nr. 1 vom 26. November 2012
Inhaltsübersicht
Aufsatz:
Schubert, Das Verhältnis von Abfindung, Ausgleich und Verzinsung beim Squeeze-
out, S. 3
Aktuelle Entscheidungen zu Spruchverfahren:
Spruchverfahren Verschmelzung HamaTech AG: OLG München erhöht Abfindung -
Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag der Singulus Technologies Aktien-
gesellschaft ab, S. 17
Squeeze-out-Spruchverfahren Dachziegelwerke IDUNAHALL AG, S. 19, HBW
Abwicklungs AG i.L., S. 20, Jil Sander AG, Aditron AG, S. 21, Salamander AG
Laufende Spruchverfahren:
INFO Gesellschaft für Informationssysteme AG, S. 22, TDS Informationstechnologie
AG, Solarparc AG, Bausparkasse Mainz, S. 23
Ankündigungen von Strukturmaßnahmen:
Mannheimer Aktiengesellschaft Holding, S. 23, SCA Hygiene Products SE, S. 25,
F. Reichelt Aktiengesellschaft, Dyckerhoff AG
Workshop:
Tools zur Berechnung des Basiszinssatzes, S. 27
Spruchverfahren aktuell
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
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Vorwort
Liebe Leser, über die zahlreichen Bitten, in den Verteiler unserer neuen elektronischen Zeitschrift Spruchverfahren aktuell (kurz: SpruchZ) aufgenommen zu werden, haben wir uns gefreut. Offenkundig besteht ein erheblicher Bedarf an einer spezialisierten Informationsquelle zu Spruchverfahren. In unserer Zeitschrift wollen wir Alles bringen, was mit Spruchverfahren und Fragen der Unternehmensbewertung zu tun hat und „fit to print“ ist. Die Redaktion freut sich über die Zusendung von Fachbeiträgen (wie den nachfolgenden Aufsatz von Dr. Theo Schubert), über Kommentare, natürlich auch über einschlägige Gerichtsentscheidungen und über Seminar- und Veranstaltungshinweise. Mit dem pdf-Format wollen wir die Vorzüge beider „Welten“ verbinden: Wie ein klassisches Print-Medium ist die Zeitschrift – anders als ein Blogbeitrag – einfach zitierfähig (Zitiervorschlag: SpruchZ Jahrgang, Seite). Mit der elektronischen Form ist nicht nur eine schnelle Veröffentlichung und ein kostengünstiger Versand, sondern auch eine Verlinkung möglich. Mit einem Klick kann man eine E-Mail öffnen, ein Youtube-Video anschauen oder ein Berechnungsprogramm öffnen.
Die Redaktion
Die Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt und
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Das Verhältnis von Abfindung, Ausgleich und Verzinsung beim Squeeze-out
Anmerkungen zur Entscheidung des BGH i.S. Wella vom 19.4.2011, Az. II ZR 237/091
von RA/StB Dr. Theo Schubert, M.C.L. Univ. Mich. USA, Freiburg
I. Sachverhalt
Anspruch auf eine Dividende hat nur derjenige, der am Tag der Auszahlung, d.h. in
der Regel am Tag nach der Hauptversammlung, Eigentümer der Aktie ist. An diesem
Tag wird die Dividende gezahlt für das vorangegangene abgeschlossene
Geschäftsjahr (meist Kalenderjahr). Z.B. könnte am 7.5.2012 die Dividende für das
Geschäftsjahr vom 1.1.2011 – 31.12.2011 beschlossen werden und am 8.5.2012 wäre
sie dann für die Zahlung fällig. Derjenige, der seine Aktien vor dem 8.5.2012 verkauft,
erhält keine Dividende, auch nicht anteilig, weil diese in vollem Umfange
demjenigen zusteht, der Eigentümer am Stichtag ist.
Der BGH hatte zu entscheiden, ob gleiches auch für den Ausgleich gilt, der im Falle
eines bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zu zahlen ist,
wenn der Aktionär seine Aktien kurz vor dem Hauptversammlungstermin in Folge
eines Squeeze-outs verliert. Wegen des abweichenden Wirtschaftsjahres lagen die
Daten bei der Wella etwas anders: Strittig war die Frage, ob die am 12.11.2007
infolge des Squeeze-outs aus der Gesellschaft ausgeschiedenen außenstehenden
Aktionäre noch einen Anspruch haben auf den Ausgleich für das Geschäftsjahr
1.7.2006 – 30.6.2007 und für das laufende Geschäftsjahr vom 1.7.2007 bis zur
Eintragung des Squeeze-outs am 12.11.2007. Die Hauptversammlung, an der der
Ausgleich laut Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag fällig werden sollte,
war am 23.1.2008. Der BGH hat dieses verneint.
Der Sachverhalt der vorliegenden Entscheidung ist typisch und wird in der Zukunft die
Regel sein. Denn das Datum der Hauptversammlung lag so, dass sie erst kurz nach
der Eintragung des Squeeze-outs ins Handelsregister abgehalten wurde. Ob dies
reiner Zufall war oder nicht, kann unentschieden bleiben. Allerdings wird man nicht
verkennen können, dass den beteiligten Gesellschaften insoweit bezüglich der
Reihenfolge der Daten ein gewisser Einfluss gegeben ist.
1 BGHZ 189, 261 – 274; ZIP 2011, 1097; DB 2011, 1385; AG 2011, 514; BB 2011, 1742.
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II. Steht der Ausgleich für die Zeit vom 1.7.2006 – 12.11.2007 den außenstehenden
Aktionären zu oder dem Hauptaktionär?
Die Entscheidung des BGH berührt die aus Sicht des Autors zentrale Frage, ob es
angemessen ist, den außenstehenden Aktionären für die Zeit vom 1.7.2006 –
12.11.2007 noch den Anspruch auf Ausgleich zu gewähren oder ob der Ausgleich für
diese Zeit der Hauptaktionärin zusteht, nur am Rande. Die Entscheidung stellt nur fest,
dass sich aus dem Vertrag ergibt, welche Rechte die außenstehenden Aktionäre
haben, soweit nicht gesetzliche Mindestbestimmungen einzuhalten sind2. Der
gesetzliche Mindestausgleich ist in § 304 AktG geregelt. Danach muss der Ausgleich
angemessen sein. Aus Sicht des Unterzeichners kann dies nichts anderes bedeuten
als dass der Ausgleich der Höhe nach angemessen sein muss und dass die Zeit, für
die er gezahlt wird, d. h. Anfang und Endzeitpunkt, ebenfalls das Erfordernis der
Angemessenheit erfüllen muss3. Es gibt eine Reihe indirekter Hinweise in der
Entscheidung, dass auch der BGH davon ausgeht, dass für den genannten Zeitraum
der Ausgleich nicht dem Hauptaktionär gebührt, sondern den außenstehenden
Aktionären. Als solchen Hinweis wertet der Unterzeichner die Tatsache, dass der BGH
die Frage erörtert, dass der Ausgleich für die fragliche Zeit im Börsenkurs enthalten sei
und dass der Ausgleich für die fragliche Zeit auch im Ertragswert enthalten sei. Diese
Erörterungen wären unnötig, wenn der BGH von vornherein davon ausgeht, dass
den außenstehenden Aktionären für die genannte Zeit ein Ausgleich gar nicht mehr
zusteht. Auch der Hinweis des BGH auf die Entscheidung des OLG Köln v. 8.10.20094
deutet in diese Richtung. In dieser Entscheidung wird besonderer Wert darauf legt,
dass im Falle des Squeeze-outs die außenstehenden Aktionäre eine volle
Entschädigung erhalten und dass notfalls die gezahlte Squeeze-out-Abfindung den
geschuldeten Ausgleich mitenthalten muss.
Hätte der BGH die genannte Frage vorab entschieden, dann wären die weiteren
Fragen sehr viel leichter zu beantworten gewesen. Hätte er die Frage verneint, dann
hätte es weiterer Untersuchungen nicht bedurft. Es käme für dieses Verfahren nicht
darauf an, ob im Börsenkurs oder im Ertragswert eine vollständige oder teilweise
Ausgleichszahlung erfasst ist. Das wäre dann ein Problem der Ermittlung der Höhe der
Abfindung, gegebenenfalls wäre der Börsenkurs oder der Ertragswert zu korrigieren.
Hätte er sie bejaht, so wäre nur noch zu prüfen gewesen, welchem außenstehenden
Aktionär im Falle des Besitzwechsels während dieser Zeit der Ausgleich zusteht und in
welcher Form er zu gewähren ist.
2 Vgl. BGH a.a.O. Rn 19. 3 Auch in der Literatur fokussiert sich die Diskussion auf die Frage, welche rechtlichen
Argumente zur Begründung der verschiedenen Lösungen zur Verfügung stehen, nicht
darauf, welche Antwort wirtschaftlich richtig erscheint (vgl. Emmerich in
Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. § 304 Rn. 21 a und 75; Veil in
Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 37; Mennicke/Leyendecker, BB 2010, 1426;
Bödeker/Fink, NZG 2010, 296; a.A. Dreier/Riedel, BB 2009, 1822; Meilicke, AG 2010, 561;
Wackerbarth, EWiR 2010, 377; für die Zeit bis zum Übertragungsbeschluss Koppensteiner in
KK-AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 7). 4 OLG Köln v. 8.10.2009 – 18 U 57/09, AG 2010, 336.
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Der Ausgleich ist Ersatz für den Verlust des Gewinnbezugsrechtes und für die
Beeinträchtigung der aus der Mitgliedschaft folgenden Herrschaftsrechte. Der Verlust
des Gewinnbezugsrechtes erfasst die volle Zeit bis zum Tage der Eintragung des
Squeeze-outs. Gleiches gilt für die Beeinträchtigung der Herrschaftsrechte, auch
wenn in dieser Zeit nur eine Hauptversammlung stattgefunden hat, nämlich diejenige
ca. ein Jahr vor Eintragung des Squeeze-outs.
Abzuwägen ist daher, ob es angemessen ist, dass der Hauptaktionär den Gewinn
des Geschäftsjahres vom 1.7.2006 – 30.6.2007 an sich abführt und dann auch an-
schließend noch den Ausgleich zusätzlich kassiert, der am 23.1.2008 für diesen
Zeitraum gezahlt wird. Die außenstehenden Aktionäre erhalten im Vergleich dazu
keinerlei wie auch immer geartete Vergütung für den genannten Zeitraum, wenn
man die Frage verneint, dass die außenstehenden Aktionäre in Form von einer
erhöhten Abfindung, oder in Form von Zinsen eine Ersatzleistung bekommen.
Sieht man diese Frage unter diesem Gesichtspunkt, dann käme es auf die Frage,
wann der Ausgleich fällig wird, im Normalfall nicht an. Es könnte ruhig dabei bleiben,
dass der Ausgleich jeweils fällig wird am Tage der Hauptversammlung im Folgejahr,
so wie die Dividende. Man müsste dann lediglich die Frage prüfen, ob im Falle der
Beendigung des Unternehmensvertrages durch Squeeze-out die Gesellschaft
verpflichtet ist, nach der nächsten regulären Hauptversammlung an die
Abfindungsempfänger den anteiligen Ausgleich für die offene Zeit zu bezahlen.
Wenn die Angemessenheit der Ausgleichsregelung dies erfordert, dann muss diese
gezahlt werden, unabhängig davon, ob es im Vertrag vorgesehen ist oder nicht. Wie
der BGH zu Recht ausführt, ist der Vertrag zu ergänzen, soweit er die gesetzlichen
Mindestanforderungen nicht beinhaltet.
Der BGH hat Recht, dass in den Verträgen und so auch hier zwar eine Klausel für die
unterjährige Beendigung des Gewinnabführungsvertrages enthalten ist. Fast alle
Verträge sehen für diesen Fall vor, dass ein anteiliger Ausgleich zu zahlen ist. Es ist
formal auch richtig, dass dieser Fall für den Squeeze-out nicht gilt, weil der
Unternehmensvertrag fortbesteht. Wirtschaftlich gesehen sind aber beide Fälle für
den außenstehenden Aktionär völlig identisch. Aus Sicht des Unterzeichners hätte
sich der BGH intensiver mit der Frage auseinander setzen müssen, was unter dem
Gesichtspunkt der Angemessenheit hätte vereinbart werden müssen, nicht so sehr
mit der Frage, was vereinbart worden ist.
Letzteres lag deshalb nahe, weil in der Literatur von namhafter Seite die Meinung
vertreten wird, dass unabhängig von der Fälligkeit in den hier diskutierten Fällen die
außenstehenden Aktionäre Anspruch haben auf Ausgleich für die gesamte Zeit bis
zum Tage der Eintragung des Squeeze-outs im Handelsregister5. Von dieser Seite wird
weiterhin die Meinung vertreten, dass eine abweichende Meinung im
Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag unzulässig ist6. Dies wird damit
5 So Paulsen in Mü-Ko AktG 3. Aufl. § 304 Rn 135. 6 So Paulsen in Mü-Ko AktG 3. Aufl. § 304 Rn 136.
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begründet, dass die Verkürzung der Abfindung für den strittigen Zeitraum zu einer
Unangemessenheit der Abfindung führt. Es soll daher im Folgenden überprüft
werden, welche Argumente für die BGH-Entscheidung sprechen und welche
Argumente für die geschilderte Literaturmeinung angeführt werden können.
II. Freiwillige Veräußerung und Squeeze-out vergleichbar?
Der BGH stützt seine Entscheidung u. a. auf die Überlegung, dass der Ausgleich als
Ersatz für die Dividende in der Rechtsprechung gesehen wird und daher der
Ausgleichsberechtigte keinen Anspruch darauf hat, besser gestellt zu werden wie der
Dividendenempfänger der abhängigen Gesellschaft7. Diese Argumentationskette
berücksichtigt aus Sicht des Unterzeichners folgende Punkte nicht:
Praktisch jeder Kleinaktionär kauft eine Aktie in der Hoffnung, sie eines Tages wieder
mit Gewinn verkaufen zu können. Die Parteien des Unternehmensvertrages haben
das gegenteilige Ziel, die Aktie dem außenstehenden Aktionär möglichst billig
abzunehmen. Die vorliegende Entscheidung eröffnet dazu weitere Gestaltungs-
möglichkeiten.
Die zu besprechende Entscheidung bekennt sich zu der langjährigen Recht-
sprechung des BGH, dass während der Dauer des Unternehmensvertrages jeder
außenstehende Aktionär einen Anspruch auf den jährlichen Ausgleich hat8. Nimmt
man das wörtlich, dann muss sichergestellt werden, dass die Summe aller
Ausgleichszahlungen der Dauer des Unternehmensvertrages entspricht.
Die Problematik besteht nun darin, dass die Ausgleichszahlung oder Dividende nicht
wie ein Zinscoupon auf täglicher Basis abgerechnet wird, sondern jeweils im
Folgejahr für das vorangegangene Jahr an einem bestimmten Stichtag ausgezahlt
wird. Bei einer freiwilligen Veräußerung ist dies kein Problem, denn jeder kann sich frei
entscheiden, ob er die Aktie vor dem Stichtag, an dem die Dividende fällig ist,
verkaufen möchte oder lieber erst danach. Er wird dies von seinen jeweiligen
Kurserwartungen abhängig machen. Im Falle des Squeeze-outs hat der außen-
stehende Aktionär keinen Einfluss, weder auf die Tatsache, dass ein Squeeze-out
beschlossen wird noch auf die Tatsache, wann er eingetragen wird. Hier bestimmt
die Antragsgegnerin, zu welchem Zeitpunkt die Wegnahme der Aktie erfolgt.
Deshalb ist diese Situation keineswegs vergleichbar mit der des Aktionärs, der seine
Entscheidung zum Veräußerungszeitpunkt frei wählen kann. Darauf geht die
Entscheidung nicht näher ein.
7 OLG Köln NZG 2010, 225; OLG Hamm BB 2010, 2199; zustimmend Bödeker/Fink NZG 2011, 816
(817); dieselben NZG 2010, 296 (297); Mennicke/Lyendecker BB 2010, 1426 ff; a.A.
Dreier/Riedel; BB 2009, 1822 (1824); Wackerbarth EWiR 2010, 310; Müller-Michaels BB 2011,
1744 (1745). 8 Vgl. Rn 11 m.w.N.
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Es liegt nahe, die Frage zu prüfen, ob nicht an der nächsten Hauptversammlung der
Ausgleich für den strittigen Zeitraum bis zur Eintragung des Squeeze-outs gezahlt
werden muss, um die gesamt Periode der Dauer des Vertrages abzudecken. Um
erkennen zu können, ob die Summe der Ausgleichszahlungen den gesamten
Zeitraum der Gültigkeit des Unternehmensvertrages abdeckt, ist zu fragen, wann und
für welche Zeit die erste Ausgleichszahlung erfolgte. Die Antwort ist eindeutig. Der
erste Ausgleich wird nach der Hauptversammlung gezahlt, die nach dem ersten
Geschäftsjahr angefallen ist, in dem der Unternehmensvertrag wirksam geworden ist.
Beim Gewinnabführungsvertrag ist die Rückwirkung auf den Beginn des
Geschäftsjahres, in dem der Gewinnabführungsvertrag durch Eintragung im HR
wirksam geworden ist, nicht nur steuerlich9, sondern nach h. M. auch
gesellschaftsrechtlich zulässig10. Die Rückbeziehung ist in der Praxis der Regelfall. Beim
Beherrschungsvertrag ist die Rückwirkung gesellschaftsrechtlich nicht zulässig. Das
Weisungsrecht beginnt erst mit Eintragung des Vertrages im HR. Aber auch hier wird
die erste Ausgleichszahlung im Folgejahr bezahlt für das vorangegangene
Geschäftsjahr. In der Zeit danach erfolgt beim Gewinn-abführungs- wie auch beim
Beherrschungsvertrag die Zahlung stets im Nachhinein für das vorangegangene
Geschäftsjahr.
Wird dann der Ausgleich für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr und den
Teilabschnitt des laufenden Geschäftsjahres bis zur Eintragung des Squeeze-outs
nicht bezahlt, dann ist ein wesentlicher Teil der Laufzeit des Vertrages nicht von der
Ausgleichszahlung abgedeckt. Der BGH sieht dies wohl ähnlich. Ohne es
ausdrücklich auszusprechen, wofür er einen Ersatz sucht, prüft er jedoch, wie die
empfundene Lücke zu schließen ist. Er meint, was fehlt steckt in der Abfindung,
unabhängig ob diese aus dem Börsenkurs abgeleitet wurde oder aus dem
Ertragswert.
Zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass im Normalfall der Aktionär das, was
ihm am Ende aller Tage an Dividende fehlt, weil die Dividende immer erst mit
Verzögerung ausgezahlt wird, spätestens bei der Liquidation der Gesellschaft als
Liquidationserlös erhält. In der vorliegenden Situation ist dies anders, da der Aktionär
mit dem Squeeze-out endgültig ausscheidet und keine weiteren Zahlungen zu er-
warten hat.
III. Höhere Abfindung als Ersatz für Ausgleich?
Es ist der Entscheidung zu entnehmen, dass der BGH den Anspruch auf den noch
nicht fälligen Ausgleich auch deshalb verneint, weil er davon überzeugt ist, dass der
außenstehende Aktionär das ihm Zustehende automatisch erhält, weil die fehlende
Ausgleichszahlung für das vorangegangene Geschäftsjahr und für das anteilige
9 Vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG. 10 BGHZ 122, 211 (223), OLG Düsseldorf AG 1996, 473 (474), MüKo AktG/Altmeppen § 291 Rn
144.
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laufende Geschäftsjahr jeweils in der Abfindung für den Squeeze-out enthalten ist
oder zumindest enthalten sein sollte11.
1. Austauschbarkeit von Abfindung und Ausgleich
Diese Überlegung setzt voraus, dass Ausgleich und Abfindung untereinander
austauschbar sind, sodass eine entsprechend höhere Abfindung eine fehlende
Ausgleichszahlung ersetzen kann. Diese Austauschbarkeit ist aber nicht gegeben12.
Denn der Ausgleich steht dem Fruchtziehungsberechtigten zu. Dies betont der BGH
in der Entscheidung selbst13. Demgegenüber gebührt die Abfindung dem Inhaber
des Stammrechtes. Diese genannten Berechtigungen fallen im Normalfall
zusammen, aber schon beim Nießbrauch an der entsprechenden Aktie besteht das
Fruchtziehungsrecht dem Nießbraucher zu, während das Stammrecht beim
Nießbrauchgeber verbleibt. Gerade im Zusammenhang mit Vor- und Nacherbschaft,
Verpfändungen etc. ist das Auseinanderfallen von Stammberechtigten und Frucht-
ziehungsberechtigten häufig bei Aktien. Deshalb ist darauf zu achten, dass jeder das
seine erhält. Eine Austauschbarkeit ist nicht gegeben.
Eine Austauschbarkeit von Abfindung und Ausgleich verbietet sich zumindest in
Altfällen wie Wella auch aus steuerlichen Überlegungen. Nach dem Halb-
einkünfteverfahren werden Ausgleich und Kursgewinne völlig unterschiedlich
besteuert.
Die Überlegung, dass fehlende Teile des Ausgleiches abgegolten werden durch eine
entsprechend höhere Abfindung nach dem Unternehmensvertrag oder für den
Squeeze-out, wirft eine Reihe weiterer Probleme auf: Wie erhalten diejenigen
Aktionäre die volle ihnen zustehende Gesamtvergütung, wenn sie gezwungen
waren, ihre Anteile noch vor der endgültigen Festsetzung der Abfindung zu
veräußern. Sie haben keinen Anteil an dem in der Abfindung angeblich enthaltenen
Mehrbetrag. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die endgültige volle Abfindung oft
erst nach mehr als einem Jahrzehnt feststeht. Solange dauern oft Spruchverfahren.
Die Formel, dass durch die Abfindung alles nachgeliefert werden muss, was eventuell
vorher an Ausgleichszahlungen fehlt, bringt für viele Personengruppen keine Lösung.
Ist eine Bank verpflichtet, einen entsprechenden Kunden auf die geschilderte
Problematik hinzuweisen, um ihn vor Schaden zu bewahren?
2. Ausgleich im Aktienkurs enthalten?
Bewertungsstichtag für die Festsetzung der Höhe der Abfindung wegen des Squeeze-
outs war im vorliegenden Fall der 13./14.12.2005. Die Verzögerung vom Bewertungs-
stichtag (= HV, auf der der Squeeze-out beschlossen wurde) bis zur Eintragung war
bedingt durch eine Anfechtungsklage. Demzufolge richtete sich die Mindest-
11 Vgl. Rn 24. 12 Im Ergebnis a. A. OLG Köln NZG 2010, 225. 13 So auch ausdrücklich der BGH Rn 9.
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abfindung nach dem maßgeblichen Börsenpreis im Vorfeld zu diesem Stichtag. Die
Entscheidung meint nun, dass bei der Bemessung der Abfindung nach dem
Börsenkurs die strittigen Ausgleichsbeträge im Börsenwert eingepreist sind und damit
durch die Abfindung für den Squeeze-out abgegolten sind. Strittig sind im vor-
liegenden Fall die Ausgleichszahlungen für den Zeitraum vom 1.7.2006 bis zum
30.6.2007 (vorangegangenes Geschäftsjahr) und vom 1.7.2007 bis zum 12.11.2007
(laufendes Geschäftsjahr bis zur Eintragung des Squeeze-outs). Leider gibt die
Entscheidung keinerlei Begründung dafür, weshalb im Börsenkurs im Vorfeld vom
13./14.12.2005 die auf die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 12.11.2007 entfallenden
Ausgleichszahlungen bereits eingepreist sein sollen. Nach bisheriger Auffassung sind
im Börsenkurs allerhöchstens anteilige, der Vergangenheit zuzurechnende
Dividenden- oder Ausgleichsbestandteile enthalten, ähnlich der Berechnung der
Zinsansprüche von Anleihen, nicht aber zukünftige zu erwartende Zahlungen.
Worauf der BGH wahrscheinlich abzielt, ist Folgendes: Der Börsenkurs am
Bewertungsstichtag für die Squeeze-out-Abfindung, d.h. am 13./14.12.2005, kann
beeinflusst sein von der Tatsache, dass am nächsten Tag der Ausgleich für das voran-
gegangene Geschäftsjahr fällig wird. Dieser Ausgleich steht aber den außen-
stehenden Aktionären zu, da sie in der Vergangenheit Aktionäre waren. Diese
Zahlung ist der Ausgleich für das entgangene Gewinnbezugsrecht des
abgeschlossenen letzten Geschäftsjahres. Denn bereits der erste Ausgleich wird
immer im Nachhinein für das vorangegangene Geschäftsjahr bezahlt (siehe oben).
Der Gedanke einer solchen Verrechnung der eventuellen Überhöhung der Squeeze-
out-Abfindung mit der fehlenden Ausgleichszahlung verbietet sich auch deshalb,
weil auch der BGH den Ausgleich des Jahres 2006/2007 problemlos zugesprochen
hätte, wenn die Eintragung des Squeeze-outs nur einige Wochen später erfolgt wäre.
Die Frage, ob eventuell der Börsenkurs zum 13./14.12.2005 zu hoch war, wäre im
Zusammenhang mit dem Ausgleich gar nicht aufgetaucht. Ein geringfügig
unterschiedlicher Zeitpunkt der Eintragung des Squeeze-outs kann nach Ansicht des
Unterzeichners nicht dazu führen, dass der Fruchtziehungsberechtigte den Ausgleich
für ein ganzes Jahr weniger erhält, als wenn die Eintragung einige Wochen früher
erfolgt ist. Im Extremfall würde es ja nur um eine Differenz des Eintragungsdatums von
einem Tag gehen.
Wenn man davon ausgeht, dass in dem Börsenkurs vom 13./14.12.2005 eine
korrekturbedürftige Erwartung eines Ausgleichs für das vorangegangene
Wirtschaftsjahr eingepreist ist, dann muss man, um die Abfindung zu bestimmen,
diese Ausgleichserwartungen aus dem Kurs herausrechnen, um die angemessene
Abfindung zu bestimmen. Es handelt sich insoweit nicht um ein Problem der
Festsetzung des Ausgleiches vom 1.7.2006 bis zum 12.11.2007. Dies war auch die
bisherige Sichtweise der Rechtsprechung, soweit sie davon ausging, dass der Börsen-
preis für die Abfindung durch Erwartungen auf den Ausgleich verzerrt gewesen ist14.
14 Vgl. LG Stuttgart v. 21.4.2008 – 34 AktE 5/05 KfH, zweifelnd jedoch OLG Stuttgart v.
14.09.2011 – 20 W 7/08, ablehnend OLG Stuttgart AG 2010, 510 m.w.N.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
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Wenn man der hier vertretenen Meinung folgt, dass eine eventuelle Verzerrung des
Kurses am Bewertungsstichtag nichts mit der Bestimmung des Ausgleichs zu tun hat,
braucht man für die Bestimmung des Ausgleichs auf die Frage, ob und in welcher
Höhe eine Verzerrung vorliegt, nicht eingehen. Da der BGH dies aber anders sieht, sei
folgender Hinweis erlaubt: Die Entscheidung verweist ausdrücklich auf die Stollwerk-
Entscheidung15. Gemäß der Stollwerk-Entscheidung ist nicht auf den Börsenkurs drei
Monate vor dem Bewertungsstichtag abzustellen, sondern auf den Kurs, der sich
ergibt aus den gewichteten durchschnittlichen Börsenkursen vor Ankündigung des
Squeeze-outs. Das war im Falle Wella die Zeit vom 8.6.2005 bis zum 7.9.2005. Eine
Einpreisung des vollen Ausgleichsanspruchs in diesen Kursen ist nicht zu erwarten, da
mit einer Zahlung ja erst auf der Hauptversammlung des Folgejahres gerechnet
werden konnte.
Man muss dabei sehen, dass es sich bei der angeblichen Einpreisung der zu
erwartenden nächsten Ausgleichszahlung um ein theoretisches Modell handelt, dass
mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Schon vor dem hier maßgebenden
Referenzzeitraum zur Ermittlung des Börsenkurses zur Bestimmung der Abfindung war
in der Literatur16 eine lebhafte Debatte im Gange, ob es unter den hier vorliegenden
Umständen noch eine anteilige Ausgleichszahlung gibt. Börsenteilnehmer, die mit
einem Squeeze-out rechneten, haben daher bei der "Einpreisung" wegen dieses
Risikos Abstriche gemacht.
Hinzu kommt, dass die Stollwerk-Entscheidung durch die Vorverlegung des Referenz-
zeitraumes für die Berechnung des maßgeblichen Börsenkurses dem Hauptaktionär
die Möglichkeit gibt, sich nachträglich für einen Zeitraum zu entscheiden, in dem die
Aktienkurse besonders niedrig lagen. Wer es nicht besonders eilig hat, kann daher in
Ruhe abwarten, bis die Kurse sich dorthin entwickelt haben, wo der Squeeze-out
besonders billig zu haben ist. Die maßgeblichen Kurse sind naturgemäß beeinflusst
durch die Informationspolitik der Gesellschaft. Dies betrifft sowohl die zeitlichen
Aspekte der Veröffentlichungen wie auch die Textgestaltung (halb leeres Glas/halb
volles Glas). Diese Gestaltungsmöglichkeit sollte man nicht unterschätzen. All dies
führt zu besonders niedrigen Durchschnittskursen am Bewertungsstichtag. Die
Vorstellung, dass in diesem noch ein anteiliger Ausgleichsposten für die Abfindung
enthalten ist, ist nicht nachvollziehbar.
Sicher ist eines, dass nach der Entscheidung des BGH die Börsenteilnehmer in Zukunft
wissen, dass sie voraussichtlich für das letzte abgelaufene Wirtschaftsjahr und für die
nächsten 8 Monate des Folgejahres keine Ausgleichszahlung erhalten werden, da es
in der Regel den Gesellschaften gelingt, das Timing von Hauptversammlung und
Eintragung des Squeeze-outs so zu steuern, dass eine Ausgleichszahlung für das letzte
abgeschlossene Wirtschaftsjahr und das laufende Wirtschaftsjahr nicht zu zahlen ist.
Damit scheidet aber auch eine Einpreisung einer erwarteten Ausgleichszahlung aus.
Denn die Börsenteilnehmer zahlen nur für Dividenden bzw. Ausgleichszahlungen, die
15 Vgl. BGHZ 186, 229. 16 S. Anm. 3 a; ähnlich wie hier: Müller-Michaels BB 2011, 1744 (1745).
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mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Die Rechtsprechung muss sich
bewusst sein, dass sie mit ihren Entscheidungen auch die künftigen Börsenkurse
bestimmt, sodass in Zukunft das Argument, dass der Ausgleich in den Börsenpreisen
enthalten ist, nicht mehr zutreffen kann.
3. Ausgleichsanspruch als Teil des Ertragswertes
Die Entscheidung postuliert, dass die Abfindung auch dann die Entschädigung für
die fehlenden Ausgleichszahlungen enthält, wenn sie nach der Ertragswertmethode
ermittelt worden ist17. Darüber hinaus geht die Entscheidung auf diese Feststellung
nicht weiter ein, da im vorliegenden Fall für den Squeeze-out die Abfindung auf der
Basis des Börsenkurses festgesetzt wurde von der Beklagten. Das Spruchverfahren ist
noch in I. Instanz beim LG anhängig. Ob das Gericht den Ertragswert eventuell über
den Börsenkurs anhebt, ist nicht abzusehen. Sollte dieser Fall eintreten, dann käme es
darauf an, ob der Ausgleich im Ertragswert enthalten ist.
Unklar ist, wie die fehlenden Ausgleichszahlungen für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum
12.11.2007 Eingang in die Ertragswertberechnung gefunden haben sollen. Der
Bewertungsgutachter hat die Planerträge der Jahre 2005/2006 bis 2010/2011 für
jedes Jahr in der gleichen Weise ermittelt.
Die angebliche Doppelerfassung soll sich nach den Ausführungen in der Literatur18
aus folgendem Gesichtspunkt ergeben:
"Die tatsächliche Zahlung des Ausgleiches für das erste Planjahr führt zu einem
Liquiditätsabfluss, den der Bewertungsgutachter nicht berücksichtigen konnte, weil er
nicht wusste, ob es zu dieser Zahlung kommt oder nicht."
Diese in der Literatur vertretene Meinung kann heutzutage nicht mehr als Be-
gründung der Einpreisung der fehlenden Ausgleichsbeträge in den Erwerbspreis
herangezogen werden. Denn spätestens seit Inkrafttreten des SpruchG ist durch § 5
Nr. 1 SpruchG entschieden, dass die Obergesellschaft Schuldner des Anspruches auf
Ausgleichzahlung ist19. Da die abhängige Gesellschaft nicht Schuldner der Aus-
gleichszahlung ist, kann es bei ihr keinen Liquidationsabfluss geben. Soweit in
einzelnen Unternehmensverträgen vorgesehen ist, dass der Ausgleich von der
Gesellschaft zu leisten ist, so tut sie dies stets nur auf Rechnung der Obergesellschaft,
sodass sie diese Auslagen ersetzt bekommt.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die oben erwähnte Begründung der Literatur in
aller Regel nur Korrekturen des Ertragswertes im Bereich weniger Prozent zur Folge
haben kann. Dies hängt damit zusammen, dass die Zahl der außenstehenden Aktien
beim Squeeze-out immer unter 5 % liegt, meist in einer Höhe zwischen 1 % und 2 %.
17 Vgl. Rn 24. 18 Vgl. Popp AG 2010, 3. 19 Vgl. Meilicke in Heidel Aktienrecht 3. Aufl. § 304 Rn 8 m.w.N.
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Die darauf entfallende Verzinsung führt zu einem Betrag, der in aller Regel im
Unschärfebereich jeder Unternehmensbewertung liegt.
Der BGH übersieht bei seiner Überlegung, der Ausgleich des vorangegangenen
Jahres könnte im Ertragswert enthalten sein, Folgendes: Im Falle des
Unternehmensvertrages wird der Gewinn des vorangegangenen Jahres an dessen
Ende in vollem Umfange abgeführt an die Obergesellschaft. Damit steht für die
Unternehmensbewertung ein ganzer Jahresgewinn weniger zur Verfügung.
Entsprechend niedriger fällt der Ertragswert aus20. Anders ist es allerdings, wenn kein
Unternehmensvertrag besteht: Ohne Unternehmensvertrag bleibt der ganze Gewinn
sowohl des Vorjahres als auch der anteilige Gewinn des laufenden Jahres bis zum
Bewertungsstichtag im Unternehmen, wenn der Squeeze-out-Beschluss vor der
Hauptversammlung gefasst wird.
Dies zeigt, dass insoweit zwischen Unternehmensverträgen mit Gewinnabführung und
reinen Beherrschungsverträgen unterschieden werden müsste, wenn sich die
Sichtweise des BGH durchsetzt.
Der BGH sah keinen Anlass, sich mit der Problematik weiter zu beschäftigen. Deshalb
wird man abwarten müssen, wie er entscheiden wird, wenn er aufgerufen ist, einen
Fall zu entscheiden, in dem es tatsächlich auf die Frage ankommt, ob im Ertragswert
bereits Ausgleichszahlungen enthalten sind.
IV. Berücksichtigung eines vorangegangenen Anfechtungsverfahrens
Am Ende meint die Entscheidung, es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben,
dass nicht der Hauptaktionär, sondern die anfechtenden Aktionäre die Verzögerung
zu verantworten haben21. Es ist nicht erkennbar, in welcher Weise dies erfolgen soll.
Wäre gemeint – wovon der Unterzeichner nicht ausgeht – dass dies zum Nachteil der
außenstehenden Aktionäre berücksichtigt werden könnte, so stellen sich folgende
Fragen: Ist es angemessen, jemandem Nachteile in einem anderen Rechtsstreit
zuzufügen, weil er gesetzlich geregelte Rechtsbehelfe wahrgenommen hat? Weiter
würde sich die Frage ergeben, warum die Vielzahl der außenstehenden Aktionäre,
die keinerlei Kontakt haben zu dem oder den Anfechtungsklägern, auch davon
betroffen sein sollen. Sie haben keinerlei Einfluss auf die ohne ihr Wissen
durchgeführten Anfechtungsverfahren.
V. Andienung der Aktien vor Eintragung des Übertragungsbeschlusses
Die zu besprechende Entscheidung verweist die Kläger auf die Möglichkeit, ihre
Aktien der Obergesellschaft vor Eintragung des Squeeze-outs anzudienen22. Die
20 Vgl. OLG Köln v. 8.10.2009 – 18 U 57/09, AG 2010, 136; Meilicke, AG 2010, 561 (564). 21 Vgl. Rn 29. 22 Vgl. Rn 29.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 13
Annahme der Abfindung aus dem Squeeze-out ist vor der Eintragung nicht möglich.
Gemeint ist daher die Abfindung aus dem Unternehmensvertrag.
Diese Möglichkeit ist in vielen Fällen mit erheblichen Nachteilen für den betroffenen
Aktionär verbunden. Vor allem, wenn zwischen Bewertungsstichtag des Unter-
nehmensvertrages und Bewertungsstichtag des Squeeze-outs ein langer Zeitraum
liegt (z. B. 30 oder 40 Jahre), so ist die Abfindung nach dem Squeeze-out um ein
Vielfaches höher als die Abfindung aus dem Unternehmensvertrag. Die Verweisung
auf die Annahme der Abfindung aus dem Unternehmensvertrag ist daher für den
betroffenen Aktionär nicht sehr hilfreich.
VI. Entscheidung über die Dauer der Zahlung des Ausgleichs und der Verzinsung im
Spruchverfahren
Es ist davon auszugehen, dass die vorliegende Entscheidung des BGH die Diskussion
des Themas nicht beenden wird. Es ist in diesem Zusammenhang zu überlegen, ob
bei der in der Diskussion vorherrschenden engen Verbindung zwischen Ausgleich und
Abfindung und Verzinsung nicht auch die Frage, für welche Zeiträume der Ausgleich
gegebenenfalls ergänzt durch eine Verzinsung geschuldet wird, in das
Spruchverfahren gelegt werden sollte23. Der Sachverständige des Spruchverfahrens
kann am schnellsten und zuverlässigsten klären, ob die fehlenden
Ausgleichszahlungen im Unternehmenswert "eingepreist" sind oder nicht. Das Gesetz
sieht hier keine Abgrenzung vor. Nach Ansicht des Unterzeichners ist die
Angemessenheit des Ausgleiches und der Verzinsung nicht nur definiert durch die
zahlenmäßige Höhe, sondern auch durch den Zeitraum, für den dieser Ausgleich
und/oder eine Verzinsung zu zahlen ist, soweit dies für alle Aktionäre strittig ist.
Insoweit besteht eine Streitgenossenschaft für alle Aktionäre, die nur einheitlich
entschieden werden kann.
Bedauerlicherweise verzichten die meisten Spruchgerichte auf eine Aussage zur
Verzinsung mit dem Hinweis, dass diese sich aus dem Gesetz ergäbe. Dies führt dazu,
dass Fragen über die Dauer der Ausgleichs- und oder Zinszahlungen nur durch
Leistungsklagen jedes einzelnen betroffenen Aktionärs geklärt werden können. Aus
Sicht der Antragsgegnerin im Spruchverfahren ist dies zu begrüßen: Die inter-omnes-
Wirkung der Entscheidung des Spruchverfahrens greift dann insoweit nicht. Die Zahl
der Anspruchsteller sinkt dadurch erheblich. Im vorliegenden Fall führt dies zu dem
Ergebnis, dass der BGH bereits über die Frage nachdenkt, ob die Ausgleichszahlung
im Ertragswert oder Börsenwert enthalten ist, bevor überhaupt der angemessene
Börsenwert bzw. Ertragswert gerichtlich festgestellt wurde.
23 Ebenso Meilicke, AG 2010, 561 (565).
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 14
VII. Anspruch auf Zinsen
Die aufgrund des Unternehmensvertrages geschuldete Abfindung ist nach § 305 Abs.
3 Satz 3 AktG zu verzinsen mit früher 2 %, jetzt 5 % über dem Basiszinssatz. Der BGH hat
entschieden, dass es nicht sein kann, dass der Gesetzgeber zusätzlich zum Ausgleich
eine volle Verzinsung dem außenstehenden Aktionär gewähren wollte und hat
deshalb die Verrechnung der entfallenden Ausgleichszahlung mit den
Abfindungszinsen vorgeschrieben24. Das Verhältnis zwischen Ausgleich und
Abfindungszinsen hat der BGH in weiteren Entscheidungen dahingehend präzisiert,
dass dem Aktionär der jeweils höhere Betrag für jedes Geschäftsjahr zusteht, je
nachdem, ob dies der Ausgleich oder die Zinsen sind25. In diesem Zusammenhang
hat der BGH betont, dass Ausgleich und Verzinsung dem selben Ziel dienen, für den
jeweiligen Referenzzeitraum eine angemessene Fruchtziehung zu ermöglichen.
Bei dieser Sachlage überrascht es, dass der BGH die Verzinsung nach § 305 Abs. 3
Satz 3 AktG in seiner Entscheidung gar nicht anspricht. Wahrscheinlich ist dies
dadurch bedingt, dass die Kläger keine Verzinsung verlangt haben.
Die Verzinsung hat für die vorliegenden Fälle den Vorteil, dass sie pro rata temporis
erfolgt. Anders als Dividenden und Ausgleich werden Zinsen nicht erst am Datum der
HV fürs vorangegangene Geschäftsjahr fällig, sondern werde laufend taggenau
ermittelt.
Die Problematik der Verzinsung liegt nun aber darin, dass die Abfindung für den
Squeeze-out nach dem Gesetz erst zu verzinsen ist ab Eintragung des Squeeze-out im
Handelsregister. Die Verzinsung des Abfindungsanspruches lt. Squeeze-out beginnt
erst am Tage, an dem der hier diskutierte Zeitraum endet.
Der Aktionär hat aber bei der hier interessierenden Konstellation auch einen
Anspruch auf die Abfindung aus dem vorhergegangenen Unternehmensvertrag, da
das Spruchverfahren nach dem Unternehmensvertrag noch läuft. Soweit sich der
Aktionär für die Annahme des Abfindungsangebotes nach dem Unternehmens-
vertrag entscheidet, steht ihm unstrittig die Verzinsung dieser Abfindung bis zum Tage
der Zahlung des Abfindungsbetrages zu.
Meistens ist die Abfindung nach dem Unternehmensvertrag niedriger als die
Abfindung aus dem Squeeze-out. Es besteht daher ein lebhaftes Interesse des
betoffenen Aktionärs, die Verzinsung der Abfindung nach dem Unternehmensvertrag
auch dann in Anspruch nehmen zu können, wenn er sich letztendlich für die
Abfindung nach dem Squeeze-out entscheidet.
Der Gedanke einer Verzinsung auf der Basis der Abfindung für den
Unternehmensvertrag, auch dann, wenn diese Abfindung nicht angenommen wird,
24 BGH v. 16.9.2002 – II ZR 284/01 (Rütgers AG) = BGHZ 152,29. 25 Vgl. BGH v. 10.12.2007 – II ZR 199/06 = BGHZ 174,378.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 15
sondern stattdessen die Abfindung aus dem Squeeze-out angenommen wird, liegt
jedoch aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des BGH nahe. Mit der
Jenoptik-Entscheidung26 hat der BGH entschieden, dass es sich beim
Abfindungsanspruch des einzelnen Aktionärs nicht um ein wertpapiermäßiges
Mitgliedschaftsrecht handelt, sondern vielmehr um einen schuldrechtlichen
Anspruch auf der Grundlage des Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungs-
vertrages gegen das herrschende Unternehmen. Dazu führt der BGH in der Jenoptik-
Entscheidung Folgendes aus:
"Das hat zur Folge, dass der Veräußerer mit der Übertragung der Aktie und der damit
verbundenen Beendigung seiner – bis dahin beeinträchtigten – Mitgliedschaft zu-
gleich das individuelle Abfindungsoptionsrecht verliert und statt seiner der Erwerber
der Aktie, sofern er zu dem (potentiellen) Kreis der Aktionäre gehört und deswegen
durch Beherrschungssituationen seines Mitgliedschaftsrechts betroffen sein kann,
wiederum eine eigene nicht abgeleitete Abfindungsbefugnis erlangt."
Dies wird in der Literatur dahingehend gedeutet, dass jeder Aktionär für die Dauer
seiner Besitzzeit den Anspruch auf den Ausgleich oder Dividende und/oder
Verzinsung hat. Bis zur Jenoptik-Entscheidung war angenommen worden, dass noch
nicht erfüllte Ansprüche oder Anwartschaften auf Dividenden oder Ausgleich
und/oder Verzinsung bei Verkauf als mitgliedschaftliche Rechte auf den Erwerber
übergehen. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu dieser Frage noch nicht vor.
Folgt man den Stimmen in der Literatur27, dass der jeweilige Eigentümer
fruchtziehungsberechtigt ist für die Dauer seiner Eigentümerstellung an der Aktie und
dies auch den Anspruch auf die Zinsen beinhaltet, so wären den Klägern im Falle
Wella sowohl für das vorangegangene Geschäftsjahr wie auch für das laufende
Geschäftsjahr entsprechende Zinsen aufgrund des Unternehmensvertrages
zuzusprechen, soweit kein Anspruch auf Ausgleich bestand. Sie wären also im
Wesentlichen mit ihrer Forderung erfolgreich gewesen.
Auch praktische Überlegungen sprechen sehr dafür, den jeweiligen Eigentümer und
damit jedem Aktionär die Verzinsung für die Dauer seiner Eigentumsstellung
zuzusprechen. Denn im Falle Wella sind beide Spruchverfahren sowohl das wegen
des Unternehmensvertrages als auch das Spruchverfahren wegen des Squeeze-outs
nicht abgeschlossen. Die Aktienurkunden wurden nach allgemein üblicher Methode
ohne nähere Nachfrage aus dem Depot der Aktionäre ausgebucht. Da somit die
meisten Aktionäre noch keine Entscheidung getroffen haben, ob sie die Abfindung
aus dem Unternehmensvertrag oder die Abfindung nach dem Squeeze-out
annehmen wollen, steht noch gar nicht fest, wer den Anspruch auf Verzinsung hat,
wenn ausschließlich die Aktionäre, die sich für die Abfindung nach dem
Unternehmensvertrag entscheiden, Anspruch auf die Verzinsung haben. Eine solche
26 Vgl. BGH v. 8.5.2006 – II ZR 27/05 = NJW 2006, 3146. 27 Stephan in Schmidt Lutter Kom. z. AktG § 304 Rn 40; derselbe § 305 Rn 123; ebenso
Bungert/Bednarz BB 2000, 1865 (1866); a.A. LG Dortmund Urteil v. 22.9.2010 – 20 O 5/10 –
nicht rechtskräftig.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 16
Entscheidung kann aber schlechterdings von den Aktionären jetzt noch nicht
gefordert werden, da beide Spruchverfahren noch nicht abgeschlossen sind und sie
das Recht haben, zunächst das Ergebnis des jeweiligen Verfahrens zu kennen, bevor
sie eine Entscheidung abgeben für die Abfindung nach diesem Verfahren
entschädigt werden zu wollen.
VIII. Ergebnis
Wenn der Ausgleich für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr und/oder das
anteilige laufende Geschäftsjahr nicht bezahlt wird, weil die Aktionärstellung vor der
"Fälligkeit" dieser Zahlung endet, so ist die geschuldete Ausgleichszahlung nicht
vollständig erbracht.
Die Verrechnung dieser fehlenden Ausgleichszahlung mit einer Überkompensation
bei der Abfindungsleistung ist unzulässig.
Die Wahrscheinlichkeit, dass in den Börsenkurs bzw. in den Ertragswert Bestandteile
des Ausgleichs eingepreist sind, ist sehr gering und wird in Zukunft noch geringer sein.
Soweit jedoch im Einzelfall eine Erhöhung des Börsenkurses oder des Ertragswertes
durch Einpreisung von Ausgleichserwartungen von der Antragsgegnerin behauptet
werden, ist sie hierzu beweispflichtig. Eine eventuelle Korrektur hat jedoch
ausschließlich Einfluss auf die Höhe der Abfindung. Die Höhe des angemessenen
Ausgleiches wird dadurch nicht berührt.
Es wäre prozessökonomisch wünschenswert, wenn im Spruchverfahren auch darüber
entschieden würde, für welche Zeiträume die Zahlung eines Ausgleiches geschuldet
wird und für welche Zeiträume und in welcher Höhe ein ergänzender Zinsanspruch
hinzutritt. Dann müssten diese Fragen nicht in einzelnen Leistungsklagen geklärt
werden.
Wie oben unter Ziff. 3 aufgeführt, lässt sich die aufgezeigte Problematik unter
Einbeziehung der Zinsen problemlos lösen. Denn infolge der Jenoptik-Entscheidung
des BGH ist davon auszugehen, dass jedem Aktionär für die Dauer seiner Besitzzeit
der Zinsanspruchs aus der Abfindung des Unternehmensvertrages zusteht. Dies gilt
unabhängig davon, für die Annahme welcher Abfindung (aus dem
Unternehmensvertrag oder aus dem Squeeze-out) sich der Aktionär letztendlich
später entscheidet.
Bei der Diskussion der schwierigen und komplexen Materie sollte eines nicht
übersehen werden: Es kommt weniger darauf an, was die Parteien vereinbaren
wollten, als darauf, was sie vereinbaren mussten, damit Abfindung und Ausgleich
angemessen sind28. Denn der Unternehmensvertrag ist nicht eine auf freier
Verhandlung beruhende Vereinbarung, sondern er ist eine Enteignung von privater
28 Vgl. Rn 19 ("gesetzliche Mindestbestimmungen sind einzuhalten").
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 17
hoher Hand, die aus rechtstechnischen Gründen in Vertragsform gekleidet wurde.
Denn die Obergesellschaft kann ihn auch gegen den Willen der abhängigen
Gesellschaft mit Hilfe ihrer Hauptversammlungsmehrheit durchsetzen29.
Aktuelle Entscheidungen zu Spruchverfahren
Spruchverfahren Verschmelzung HamaTech AG: OLG München erhöht
Abfindung - Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag der Singulus
Technologies Aktiengesellschaft ab
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Im Spruchverfahren zu der Verschmelzung der HamaTech AG auf die Singulus
Technologies AG konnten die Antragsteller in der zweiten Instanz einen Erfolg
erzielen. Während das Landgericht Nürnberg-Fürth die Anträge noch
zurückgewiesen hatte, setzte das Oberlandesgericht (OLG) München eine Zuzahlung
in Höhe von EUR 0,79 je HamaTech-Aktie fest (Beschluss vom 26. Juli 2012, Az. 31 Wx
250/11).
Der Verschmelzungsvertrag sah ein Umtauschverhältnis von 9 HamaTech-Aktien in 2
Singulus-Aktien vor. Dieses Umtauschverhältnis hielt das OLG für unzureichend. So
dürfe der Aktienkurs der HamaTech-Aktien nicht außer Acht gelassen werden. Der
Schutz der Minderheitsaktionäre gebiete es, sicherzustellen, dass sie jedenfalls nicht
weniger erhalten, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt
der Maßnahme erhalten hätten. Bei konzernverbundenen Unternehmen sei das
herrschende Unternehmen in der Lage, das Umtauschverhältnis zu Lasten der
außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft zu verschieben. Daher sei
es zur Wahrung der Eigentumsrechte der Minderheitsaktionäre geboten, den
Börsenwert der übertragenden Gesellschaft als Untergrenze für deren Bewertung
heranzuziehen.
Die Antragsgegnerin reichte gegen die OLG-Entscheidung Verfassungsbeschwerde
ein und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie macht geltend,
ohne den Erlass der beantragten Anordnung entstünden ihr irreversible Nachteile.
Der angegriffene Beschluss verpflichte sie, auf die 1.840.785 Aktien der HamaTech
AG insgesamt EUR 1.454.220,15 nebst Zinsen zu zahlen. Erweise sich die
Verfassungsbeschwerde als zulässig und begründet, stehe ihr zwar ein Anspruch auf
29 Vgl. Röhricht, ZHR 162 (1998), 249 (257).
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 18
Rückzahlung der geleisteten Nachzahlungen zu. Während die Nachzahlung mehr
oder weniger automatisch über die Depotbanken erfolge, müsse sie den
Rückforderungsanspruch gegenüber jedem einzelnen Aktionär durchsetzen. Anzahl
und Identität der HamaTech-Aktionäre seien ihr nicht bekannt.
Diesen Antrag wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 17.
September 2012 zurück (Az. 1 BvR 1786/12). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung
durch das BVerfG komme nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen in Betracht
als die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Fachgerichte.
Insbesondere seien, wenn eine einstweilige Anordnung zur Abwendung eines
geltend gemachten schweren Nachteils erstrebt werde, erheblich strengere
Anforderungen an die Schwere des Nachteils zu stellen. Die Beschwerdeführerin
habe keinen hinreichend schweren Nachteil geltend gemacht. Der große Aufwand
einer etwaigen Rückforderung der baren Zuzahlung in einer großen Zahl von
Einzelfällen sei für eine Aktiengesellschaft für sich gesehen kein solcher schwerer
Nachteil. Diese Folge gründe letztlich im System der Rechtsschutzgewährung. Die
Beschwerdeführerin sei wie andere Prozessbeteiligte auch gehalten, das Risiko ihres
Prozessverhaltens auch insoweit abzuschätzen und die entsprechenden
Konsequenzen zu tragen.
Im Übrigen merkt das BVerfG an, dass die Singulus Technologies Aktiengesellschaft
erst einmal gar nicht zu zahlen habe. Das Gericht gibt den Tipp, zunächst eine
Leistungsklage der ehemaligen HamaTech-Aktionäre abzuwarten:
„Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführerin Möglichkeiten zur Verfügung
stehen, die von ihr besorgten Nachteile abzuschwächen oder ihren Eintritt
hinauszuzögern. Die Nachzahlung ist im Anschluss an die angegriffene
Entscheidung nicht zwingend - wie die Beschwerdeführerin meint - "mehr oder
weniger automatisch über die Depotbanken" zu leisten. Wenn die
Beschwerdeführerin die festgesetzte Nachzahlung nicht von sich aus leistet,
bedarf es gemäß § 16 SpruchG einer Leistungsklage der
nachzahlungsberechtigten Aktionäre. Die hier angegriffene gerichtliche
Entscheidung ist kein Vollstreckungstitel (vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz,
Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 11 SpruchG Rn. 3; Emmerich, in: Emmerich/
Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 11 SpruchG Rn. 4;
Klöcker, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 16 SpruchG Rn. 2; Kubis, in:
Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2010, § 11 SpruchG Rn. 5;
Vollhard, in: Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 11 SpruchG
Rn. 4; Weingärtner, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2011,
§ 16 SpruchG Rn. 1). Wartete die Beschwerdeführerin eine Leistungsklage der
nachzahlungsberechtigten Aktionäre ab, erhielte sie auf diesem Weg die
notwendigen Informationen, um nach einem eventuellen Erfolg der
Verfassungsbeschwerde die Rückforderung zu bewerkstelligen.“
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 19
Squeeze-out-Verfahren Dachziegelwerke IDUNAHALL AG: OLG Düsseldorf
erhöht Abfindung auf EUR 697,75
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
In dem Spruchverfahren zu dem Squeeze-out der Minderheitsaktionäre bei der
Dachziegelwerke IDUNAHALL AG, 46514 Schermbeck, hat das OLG Düsseldorf den
Barabfindungsbetrag auf EUR 697,75 erhöht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli
2012, Az. I-26 W 11/11 AktE). Die Hauptaktionärin, die Röben Tonbaustoffe GmbH,
hatte lediglich EUR 337,45, d.h. weniger als die Hälfte, geboten.
Interessant sind die Entscheidungsgründe aufgrund der Argumentation des OLG zu
dem Meinungsstreit, ob bei einer beherrschten Gesellschaft für die Barabfindung
lediglich ein "verrenteter Ausgleichanspruch" anzusetzen ist oder nicht. Nach
Überzeugung des OLG Düsseldorf berechnet sich die Barabfindung nicht anhand der
Kapitalisierung des festen Ausgleichs (hier aus einem bereits 1983 abgeschlossenen
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag), sondern nach dem Unter-
nehmenswert zum Zeitpunkt des Squeeze-out. Bereits nach dem Wortlaut des § 327b
Abs. 1 Satz 1 AktG müsse die Barabfindung "die Verhältnisse der Gesellschaft zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen" (S. 17 unter
Hinweis auf OLG München, ZIP 2007, 375). Auch handele es sich bei einem Squeeze-
out und einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag um zwei selbständige
Strukturmaßnahmen, bei deren "Vermischung" es zu Abgrenzungs- und
Wertungswidersprüchen kommen könne.
Auch bei der Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ergäben
sich Schwierigkeiten, da es bei der Ermittlung der (Bar-)Abfindung, aber nicht bei der
Höhe des Ausgleichs berücksichtigt werde (S. 18). Im Übrigen verlöre der
Minderheitsaktionär mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen nicht nur seinen
Anspruch auf die jährliche Dividende/den Ausgleich, sondern seine gesamten
mitgliedschaftlichen Rechte (die ebenfalls durchaus einen "Wert" hätten). Die
Barabfindung sei daher etwas anderes und "mehr" als ein verrenteter
Ausgleichsanspruch.
Darüber hinaus sei häufig unklar, welcher Zeitraum für das Bestehen eines
Unternehmensvertrags zugrunde gelegt werden solle. So würden Beherrschungs- und
Gewinnabführungsverträge regelmäßig zunächst für fünf Jahre geschlossen und
seien dann jährlich kündbar (S. 19). Die Unterstellung, dass die
Unternehmensverbindung dauerhaft bestehen bleibe, sei wenig überzeugend.
Ferner bestünde die Möglichkeit, die Höhe der Barabfindung durch die Planung einer
Auflösung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu beeinflussen und
zu manipulieren. Auf einen ggf. auf jahrzehntealten Unternehmensdaten
beruhenden Barwert könne es nicht ankommen, wenn es einen sich am aktuellen
Ertragswert orientierenden Börsenwert gebe.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 20
Spruchverfahren Squeeze-out bei HBW Abwicklungs AG i.L. nach
Beschwerderücknahme abgeschlossen
In dem Spruchverfahren zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der
HBW Abwicklungs AG i.L. (früher: Hofbrauhaus Wolters AG) hatte das LG Hannover
die Barabfindung von EUR 210,- auf EUR 280,- angehoben (Beschluss vom 22. August
2012, Az. 23 AktE 149/10).
Die Hauptaktionärin, die zum InBev-Konzern gehörende InBev Germany Holding
GmbH, hatte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingereicht. Auf eine
entsprechende gerichtliche Anregung hin hat sie diese Beschwerde allerdings mit
Schriftsatz vom 6. November 2012 zurückgenommen. Damit bliebt es bei der
gerichtlichen Anhebung auf EUR 280,- je HBW-Aktie.
* * *
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Jil Sander AG: OLG Hamburg lehnt
Erhöhung ab
In dem Spruchverfahren zum Squeeze-out der Minderheitsaktionäre bei der Jil
Sander AG, Hamburg, hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) mit Beschluss
vom 15. August 2012 (Az. 13 W 41/10) Beschwerden mehrerer Antragsteller
zurückgewiesen. Es bleibt damit bei dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom
23. August 2010 (Az. 417 HKO 92/08), das eine Erhöhung der von der
Antragsgegnerin, der Violine S.a.r.l., angebotenen Barabfindung abgelehnt hatte.
Nach Ansicht des OLG müsse der von der Antragsgegnerin im Frühjahr 2006 an die
Firma PRADA gezahlte Kaufpreis nicht weiter ermittelt werden. Auch die
anschließende Veräußerung der Jil Sander AG an die Onwards Holding für unstreitig
EUR 232 Mio. (einem Vielfachen der Squeeze-out-Bewertung) im September 2008
(unmittelbar nach Durchführung des Squeeze-outs) ist nach Auffassung des OLG
ohne Belang. Dem Wert der Marke "Jil Sander" komme nur im Rahmen des
Ertragswertes, aber nicht darüber hinaus Bedeutung für die Bewertung des
Unternehmens zu (S. 12). Der Basiszinssatz sei zutreffend auf 4,16% geschätzt worden.
Der Ansatz einer allgemeinen Marktrisikoprämie von 5% sei nicht zu beanstanden (S.
15).
56 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: Vorsitzender Richter am OLG a.D. Dr. Helmut Büchel
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Hogan Lovells International LLP
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 21
Squeeze-out-Kandidaten
der Financial Times
Deutschland (FTD v.
26.11.2012, S. 17):
- Colonia Real Estate
- Deutsche Postbank
- Dyckerhoff
- Hymer
- Schuler
Spruchverfahren Squeeze-out bei Aditron AG geht in die Verlängerung
Das Landgericht Düsseldorf hat in dem seit 2003 laufenden Spruchverfahren zur
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Aditron AG, Düsseldorf, auf die
Rheinmetall AG den Barabfindungsbetrag mit Beschluss vom 29. August 2012 von
EUR 26,50 deutlich auf EUR 36,44 heraufgesetzt (Az. 33 O 126/06 AktE). Gegen diese
Entscheidung hat die nunmehr von der Kanzlei Gleiss Lutz vertretene
Hauptaktionärin, die Rheinmetall AG, sofortige Beschwerde eingelegt. Das
Oberlandesgericht Düsseldorf führt das Beschwerdeverfahren unter dem
Aktenzeichen I-26 W 25/12 (AktE).
* * *
Spruchverfahren Squeeze-out bei der Salamander AG: Landgericht Stuttgart
lehnt Erhöhung der Barabfindung ab
Das Landgericht Stuttgart hat in dem seit neun Jahren laufenden Spruchverfahren
zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Salamander AG, Kornwestheim,
eine Erhöhung des Barabfindungsbetrags abgelehnt (Beschluss vom 16. Oktober
2012, Az. 32 AktE 8/03 KfH). Der ursprünglich von der Hauptaktionärin angebotene
Barabfindungsbetrag in Höhe von EUR 22,71 war durch einen gerichtlichen Vergleich
vom 20. Dezember 2002 (vor Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses) auf EUR 26,- je
Salamander-Aktie erhöht worden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Ulrich
Fritzlen kam auf einen Wert von EUR 25,13 je Aktie.
22 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Bongen, Stuttgart
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner:
Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 22
Laufende Spruchverfahren
Spruchverfahren zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out INFO
Gesellschaft für Informationssysteme AG
In dem zweiten Spruchverfahren zu einem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
(nach dem Pilotverfahren PROCON MultiMedia AG) hat das Landgericht Hamburg
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht a.D. Helmut Büchel, Hamburg, als
gemeinsamen Vertreter bestimmt (Az. 412 HKO 111/12). 45 ausgeschlossene
Minderheitsaktionäre der INFO Gesellschaft für Informationssysteme AG hatten
Spruchanträge gestellt. Die die Firmierung der Gesellschaft fortführende
Antragsgegnerin (bislang: INFO Gesellschaft für Informationssysteme Holding
Aktiengesellschaft) wird von der Rechtsanwaltskanzlei DLA Piper UK LLP, Köln,
vertreten.
* * *
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der TDS Informationstechnologie AG
Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der TDS
Informationstechnologie AG wird vom LG Stuttgart unter dem führenden
Aktenzeichen 31 O 50/12 KfH SpruchG geführt (SCI AG u.a. ./. Fujitsu Services
Overseas Holding Ltd.). Insgesamt 72 Antragsteller hatten um eine gerichtliche
Überprüfung des Abfindungsbetrags gebeten. Zum gemeinsamen Vertreter hat das
LG Stuttgart Herrn Rechtsanwalt Ulrich Wecker, Stuttgart, bestimmt. Die
Antragsgegnerin, die zum Fujitsu-Konzern gehörende Fujitsu Services Overseas
Holding Ltd., London, wird von der Rechtsanwaltskanzlei TaylorWessing, München,
vertreten.
* * *
Spruchverfahren Squeeze-out bei der Solarparc AG
Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Solarparc AG,
Bonn, wird vom Landgericht (LG) Köln unter dem Aktenzeichen 91 O 64/12 geführt
(Zürn u.a. ./. SolarWorld AG). Das LG Köln hat Herrn RA Dr. Rainer Klocke, Köln, zum
gemeinsamen Vertreter bestellt. Es gibt 61 Antragsteller. Verfahrensbevollmächtigte
der Antragsgegnerin SolarWorld AG sind die Rechtsanwälte Schmitz Knoth, Bonn.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 23
Spruchverfahren Squeeze-out bei der Bausparkasse Mainz AG
Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Bausparkasse
Mainz AG wird beim Landgericht Koblenz unter den Aktenzeichen 2 HK O 69/12
SpruchG u.a. geführt. Es sind mehrere Anträge nach dem Spruchverfahrensgesetz
eingereicht worden; die Verfahren sind bislang noch nicht verbunden worden. Das
Landgericht hat Herrn Rechtsanwalt Dr. Martini, 56073 Koblenz, zum gemeinsamen
Vertreter bestellt. Die Antragsgegnerin, die INTER Krankenversicherung AG, wird von
den Rechtsanwälten SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Frankfurt am Main, vertreten.
Ankündigungen von Strukturmaßnahmen
Mannheimer Aktiengesellschaft Holding: Verlangen der deutsche internet
versicherung aktiengesellschaft nach § 62 Abs. 1 und Abs. 5 UmwG i.V.m. §§
327a ff. AktG
Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG
Bestätigung und Konkretisierung der Absicht der deutsche internet versicherung
aktiengesellschaft zur Herbeiführung eines Ausschlusses der Minderheitsaktionäre der
Mannheimer Aktiengesellschaft Holding und Absicht der div, als Abfindung den
Betrag festzulegen, der sich entsprechend § 5 Abs. 1 WpÜG-Angebotsverordnung als
Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor der Bekanntmachung der Absicht der
Verschmelzung ergibt.
Die deutsche internet versicherung aktiengesellschaft, Dortmund, ('deutsche internet
versicherung ag'), ein Unternehmen des Continentale Versicherungsverbundes,
hatte der Mannheimer Aktiengesellschaft Holding, Mannheim, ('MAG') mit Schreiben
vom 16. Juli 2012 mitgeteilt, in Verhandlungen über den Abschluss eines
Verschmelzungsvertrages zwischen der MAG als übertragender Gesellschaft und der
deutsche internet versicherung ag als übernehmender Gesellschaft eintreten zu
wollen; der Verschmelzungsvertrag solle die Angabe enthalten, dass im
Zusammenhang mit der Verschmelzung ein Ausschluss der übrigen Aktionäre
('Minderheitsaktionäre') der Gesellschaft nach § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG i.V.m. §§
327a AktG erfolgen soll.
Nach dem Umwandlungsgesetz kann im Zusammenhang mit einer sog.
Konzernverschmelzung ein Squeeze-Out durchgeführt werden, wenn einer
übernehmenden Aktiengesellschaft - wie hier der deutsche internet versicherung ag
- mindestens 90% des Grundkapitals der übertragenden Aktiengesellschaft gehören
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 24
('Hauptaktionär') und die Hauptversammlung der übertragenden Aktiengesellschaft
binnen drei Monaten nach Abschluss des Verschmelzungsvertrages die Übertragung
der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen angemessene
Barabfindung beschließt.
Die deutsche internet versicherung ag hält derzeit unmittelbar 58.824.319 der
insgesamt 63.080.000 auf den Namen lautenden Stückaktien der MAG; dies
entspricht - unter Berücksichtigung der Absetzung der 2.436 eigenen Aktien der MAG
gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 UmwG - ca. 93,26% des Grundkapitals der MAG. Damit
gehören der deutsche internet versicherung ag Aktien in Höhe von
mehr als neun Zehntel des Grundkapitals der MAG, sodass die deutsche internet
versicherung ag als übernehmende Gesellschaft im Rahmen der Verschmelzung
zugleich Hauptaktionär der MAG als übertragender Gesellschaft gemäß § 62 Abs. 5
Satz 1 UmwG ist.
Die deutsche internet versicherung ag hat mit heutigem Schreiben an die MAG ihre
vorgenannte Absicht bestätigt und konkretisiert. In diesem Zusammenhang hat sie
die MAG darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie die MAG zeitnah im Anschluss an den
Abschluss des Verschmelzungsvertrages - der am 24. Oktober 2012 beabsichtigt ist -
auffordern werde, eine außerordentliche Hauptversammlung auf einen Termin
einzuberufen, der nicht später als drei Monate nach dem geplanten Termin des
Abschlusses des Verschmelzungsvertrages liegt, und den Tagesordnungspunkt der
Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der MAG
auf die deutsche internet versicherung ag gegen Gewährung einer angemessenen
Barabfindung gemäß § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. § 327a ff. AktG auf die Tagesordnung
zu setzen. Die deutsche internet versicherung ag hat mit heutigem Schreiben an die
MAG ferner mitgeteilt, sie gehe derzeit - vorbehaltlich der Ergebnisse der
Angemessenheitsprüfung durch den gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfer -
davon aus, dass der anteilige Ertragswert je Stückaktie der MAG auf der Grundlage
der Bewertungsgrundsätze des IDW unter dem durchschnittlichen Börsenkurs der
letzten drei Monate vor Bekanntmachung der Absicht der Verschmelzung liegen
werde. Die deutsche internet versicherung ag beabsichtige daher, als Abfindung
den Betrag festzulegen, der sich entsprechend § 5 Abs. 1 WpÜG-
Angebotsverordnung als Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor der
Bekanntmachung der Absicht der Verschmelzung, in deren Zusammenhang ein
Ausschluss der Minderheitsaktionäre erfolgen solle, ergebe. Dieser betrage nach
Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 3,73 EUR je Stückaktie der
MAG. Die deutsche internet versicherung ag gehe derzeit davon aus, dass die
Barabfindung auf 3,73 EUR je auf den Namen lautender Stückaktie der MAG mit
einem anteiligen Betrag des Grundkapitals in Höhe von 1,00 EUR festgelegt werde.
Mannheim, den 19. Oktober 2012
Der Vorstand
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SCA Hygiene Products SE: SCA Group Holding B.V. übermittelt Squeeze-out
Verlangen
Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG
Die SCA Group Holding B.V., Amsterdam/Niederlande, hat dem Vorstand der SCA
Hygiene Products SE heute das Verlangen gemäß § 327a AktG übermittelt, die
Hauptversammlung der SCA Hygiene Products SE über die Übertragung der Aktien
der Minderheitsaktionäre auf die SCA Group Holding B.V. gegen Gewährung einer
angemessenen Barabfindung beschließen zu lassen.
Die SCA Group Holding B.V. hält unmittelbar 6.851.067 Stückaktien der Gesellschaft
und damit 96,6% am Grundkapital der Gesellschaft.
München, den 21. November 2012
SCA Hygiene Products SE
Der Vorstand
* * *
F. Reichelt Aktiengesellschaft: Barabfindung für Squeeze-out in Höhe von EUR
386,17 je Stammaktie und EUR 428,52 je Vorzugsaktie an der F. Reichelt AG
festgelegt
Ad-hoc-Meldung nach § 15 WpHG
Die Fedor Holding GmbH, Zossen, hat dem Vorstand der F. Reichelt
Aktiengesellschaft ("Gesellschaft") heute mitgeteilt, dass sie die Barabfindung für die
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an der Gesellschaft auf die Fedor
Holding GmbH als Hauptaktionärin auf EUR 386,17 je Stammaktie und EUR 428,52 je
Vorzugsaktie festgelegt hat. Sie bestätigt und konkretisiert damit ihr mit Schreiben
vom 8. Oktober 2012 übermitteltes Verlangen gemäß § 327a AktG auf Herbeiführung
einer entsprechenden Beschlussfassung der Hauptversammlung.
Der Übertragungsbeschluss soll in einer außerordentlichen Hauptversammlung der
Gesellschaft gefasst werden, die für den 28. Dezember 2012 geplant ist.
Hamburg, im November 2012
Der Vorstand
* * *
Squeeze-out bei der Dyckerhoff AG? - Buzzi Unicem erhöht Beteiligung auf
über 95%
Buzzi Unicem hat am 23. November 2012 einen Vertrag geschlossen, der bis zum 30.
November 2012 ausgeführt wird. Er betrifft den Erwerb von Stammaktien und von
Vorzugsaktien der Dyckerhoff AG und hat zur Folge, dass sich die Gesamtbeteiligung
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
SpruchZ 2012 Seite 26
an der Dyckerhoff AG auf 96,6% des Grundkapitals (98,1% der Stammaktien und
95,2% der Vorzugsaktien) beläuft.
Buzzi Unicem hat unter Berücksichtigung dieses Vertrages im laufenden
Geschäftsjahr insgesamt 20.499 Stammaktien und 1.347.951 Vorzugsaktien der
Dyckerhoff AG zu einem Gesamtkaufpreis von etwa 71,7 Millionen Euro erworben.
Mit dem Überschreiten der 95%-Grenze des Grundkapitals der Gesellschaft kann
Buzzi Unicem die Übertragung aller Aktien der übrigen Aktionäre auf den
Hauptaktionär (Squeeze-out) verlangen. Laut Ad-hoc-Mitteilung von Dyckerhoff hat
Buzzi Unicem noch keine Entscheidung über die Ausübung dieses Rechts getroffen.
___________________
Deutsches Anleger Fernsehen: Interview zu Squeeze-out-Kandidaten
Das Deutsche Anleger Fernsehen (DAF) hat Herr Klaus Schlote von der Solventis
Wertpapierhandelsbank zum Thema Squeeze-out interviewt. Der Beitrag mit dem
Titel „Squeeze-out-Gewinne: Die heißesten Kandidaten“ ist bei youtube abrufbar:
http://www.youtube.com/watch?v=Dai1vH4F6tM
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1
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Workshop
Tools zur Berechnung des Basiszinssatzes
Ein u. a. für Spruchverfahren hilfreiches
Angebot ist das Berechnungstool unter
www.basiszinskurve.de. Auf der von der
Basiszinskurve GbR Wissenschaftszirkel
Kapitalkosten, Frankfurt am Main, erstellten
Webseite kann man den Basiszinssatz
gemäß IDW nach der Svensson-Methode zu
einem gewählten Stichtag kostenlos
ausrechnen lassen. Ergänzt wird die Seite
mit einer Darstellung von Bewertungs-
anlässen und des theoretischen Hinter-
grunds.
Die Firma FORENSIKA VALUE Corporate
Finance GmbH, Berlin, bietet mit ihrem
BaseRateGuide, abrufbar unter
http://www.forensika.de/basiszinssatz/basisz
inssatz_v1.html, ebenfalls kostenlos die
Möglichkeit, den Basiszinssatz zu einem
Stichtag und als 3-Monats-Mittel zu
berechnen.
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