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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016 SpruchZ 2016 Seite 28 Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting, Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten Nr. 2/2016 vom 30. Dezember 2016 ISSN 2195-7274 Inhaltsübersicht Laufende Spruchverfahren: AXA-Spruchverfahren, S. 29; Curanum AG, S. 29; DAB Bank AG, S. 30; NTT Com Security AG, S. 31; Süd-Chemie, S. 31 Abgeschlossene Spruchverfahren Schwarz Pharma AG, S. 32 Literatur zu Spruchverfahren Neuauflage des Berliner Kommentars zum SpruchG - Interview mit Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier, S. 34 „Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Knoll Fall 11: „Sensitivitätsanalyse“ von Abfindungen durch Variation der verwendeten Parameter, S. 37 Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ ). Sie erscheint jeweils nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an den Herausgeber: [email protected] Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen. Spruchverfahren aktuell

Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 2/2016

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 28

Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting, Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten

Nr. 2/2016 vom 30. Dezember 2016 ISSN 2195-7274

Inhaltsübersicht

Laufende Spruchverfahren:

AXA-Spruchverfahren, S. 29; Curanum AG, S. 29; DAB Bank AG, S. 30; NTT Com Security AG, S. 31; Süd-Chemie, S. 31

Abgeschlossene Spruchverfahren

Schwarz Pharma AG, S. 32

Literatur zu Spruchverfahren Neuauflage des Berliner Kommentars zum SpruchG - Interview mit Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier, S. 34

„Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Knoll

Fall 11: „Sensitivitätsanalyse“ von Abfindungen durch Variation der verwendeten Parameter, S. 37

Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt

und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ). Sie erscheint jeweils

nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an

den Herausgeber: [email protected]

Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine

umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen.

Spruchverfahren aktuell

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 29

Laufende Spruchverfahren

Sachstand in den AXA-Spruchverfahren Das Landgericht Köln hat den Beteiligten in den Spruchverfahren

Az. 82 O 130/07 - SdK u.a. ./. AXA S.A. (Squeeze-out bei der Kölnischen Verwaltungs-AG für

Versicherungswerte - KVAG)

Az. 82 O 135/07 - Obert u.a. ./. AXA S.A. (Squeeze-out bei der AXA Konzern

Aktiengesellschaft)

Az. 82 O 137/07 - Laudick u.a. ./. AXA Konzern AG (Squeeze-out bei der AXA

Lebensversicherungs Aktiengesellschaft)

auf Antrag der jeweiligen Antragsgegnerin die Frist zur Stellungnahme zu den mehrere tausend

Seiten umfassenden gerichtlichen Gutachten von Niethammer, Posewang & Partner (NPP) bis 28.

Februar 2017 verlängert. Entscheidungen in den genannten Verfahren dürften daher erst frühestens

in der zweiten Jahreshälfte 2017 ergehen.

In dem Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der AXA Konzern Aktiengesellschaft kommt NPP in

dem Gutachten zu deutlich höheren Werten als von der Hauptaktionärin zunächst angebotenen EUR

134,54 für jede Stamm- bzw. Vorzugsaktie (nachgebessert auf EUR 144,69 je Stammaktie und EUR

146,24 je Vorzugsaktie). Nach den Berechnungen von NPP beträgt die angemessene Barabfindung

EUR 237,74 je Stammaktie und EUR 238,77 je Vorzugsaktie.

Die KVAG war zum Zeitpunkt des Squeeze-outs mit 25,63% an der AXA Konzern AG beteiligt. Diese

Beteiligung an der AXA Konzern AG stellte den wesentlichen Vermögensgegenstand der KVAG dar.

_______________

Verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out bei der Curanum AG: LG München I hebt Barabfindung auf EUR 3,13 an (+ 3,3%) In dem Spruchverfahren zu dem auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Curanum AG am

19. Dezember 2014 beschlossenen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out hat das LG München I

mit Beschluss vom 2. Dezember 2016 die Barabfindung auf EUR 3,13 festgesetzt und damit

geringfügig um EUR 0,10 angehoben. Der Nachbesserungsbetrag ist ab dem 14. Februar 2015 mit 5

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der

außergerichtlichen Kosten der Antragsteller hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Bei den mündlichen Verhandlungen am 18. Februar 2016 und 23. Juni 2016 hatte das Gericht die

gerichtlich bestellte Abfindungsprüfer von Moore Stephens (jetzt ADKL AG), Herrn Wirtschaftsprüfer

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 30

Wolfram Wagner und Frau Wirtschaftsprüferin Pia Brandenstein, angehört. Des Weiteren hatten die

Prüfer auf Bitte des Gerichts ergänzende Stellungnahmen mit Alternativberechnungen vorgelegt.

Die Planungen sind nach Auffassung des Gerichts nicht zu korrigieren, wobei es auf vielen Seiten

insbesondere die besonderen Marktverhältnisse beim "betreuten Wohnen" diskutiert (S. 33 - 67).

Das LG München I hält eines (Auf-)Rundung des Basiszinssatzes (zum Stichtag 1,9%) auf 2% für

zulässig (entgegen etwa OLG Frankfurt am Main). Das Gericht spricht sich für eine einheitliche

Festlegung des Basiszinssatzes für den gesamten Beurteilungszeitraum aus (d.h. keine gesonderte

Ausweisung für das jeweilige Planjahr).

Das Gericht hat den Risikozuschlag nach Steuern auf 2,03% geschätzt. Es setzt dabei eine

Marktrisikoprämie von 5% nach Steuern und einen aus einer Peer Group abgeleiteten Beta-Faktor

von 0,4 an. Der mit 1% angesetzte Wachstumsabschlag im Terminal Value müsse nicht erhöht

werden (S. 91).

Gegen den Beschluss kann innerhalb von einem Monat Beschwerde eingereicht werden.

LG München I, Beschluss vom 2. Dezember 2016, Az. 5 HK O 5781/15 Coriolix Capital GmbH u.a. ./. Curanum AG 88 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Andreas Wirth, 80331 München Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Curanum AG (früher: Korian Deutschland AG): Rechtsanwälte White & Case, 60323 Frankfurt am Main

_______________

Spruchverfahren zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der DAB Bank AG: Entscheidungsverkündung am 30. Juni 2017 Das Landgericht München I hat am 9. Dezember 2016 die Verhandlung zu dem

verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out der Minderheitsaktionäre der früheren DAB Bank AG

fortgeführt und die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer, Herrn Wirtschaftsprüfer Johannes

Wedding und Frau Wirtschaftsprüferin Catherine Dentler, c/o Wedding & Cie. GmbH

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sowie Frau Dr. Anke Nestler, c/o VALNES Corporate Finance GmbH,

weiter angehört. Themen waren u.a. die Ermittlung des Zinsüberschusses, Marketingaufwendungen

für Neukundengewinnungen, der Eigenhandel der DAB Bank AG bei "günstigen

Marktgegebenheiten", die Entwicklung der Personalaufwendungen, Abschreibungen, der

Wachstumsabschlag, der angesetzte Beta-Faktor, die Marktrisikoprämie und die Zusammenarbeit

zwischen Consorsbank und DAB Bank.

Eine Entscheidung in dieser Sache soll am Freitag, den 30. Juni 2017, 9:00 Uhr, verkündet werden.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

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LG München I, Az. 5 HK O 13182/15

Coriolix Capital GmbH u.a. ./. DAB Bank AG (nunmehr: BNP Paribas S.A. Niederlassung

Deutschland)

94 Antragsteller

gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Ernst Graßinger, München

Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin: Rechtsanwälte Clifford Chance, 40215 Düsseldorf

_______________

Spruchverfahren zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der NTT Com Security AG

Nach Ablauf der Antragsfrist hat das Landgericht München I alle zulässigen Spruchanträge zu dem

Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der NTT Com Security AG im Rahmen der Verschmelzung

auf eine Zwischenholding zu dem führenden Verfahren unter dem Aktenzeichen 5 HK O 10044/16

verbunden. Eine gerichtliche Überprüfung wurde von insgesamt 64 Antragstellern beantragt.

Zur Bekanntmachung des Squeeze-outs:

http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/06/bekanntmachung-des-squeeze-outs-bei-der.html

LG München I, Az. 5 HK O 10044/16 Kollrus, H. u.a. ./. NTT Security AG 64 Antragsteller Antragsgegnerin: NTT Security AG (bislang: NTT Communications Deutschland AG)

_______________

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Süd-Chemie AG:

Entscheidungsverkündung am 28. April 2017

In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Süd-Chemie AG hat das

Landgericht München I am 8. Dezember 2016 die Sache mündlich verhandelt. Dabei wurde der

gerichtlich bestellte Sachverständige, WP/StB Dipl.-Kfm. Andreas Creutzmann, IVA VALUATION &

ADVISORY AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, zu seinem Gutachten angehört (siehe

hierzu http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/12/verhandlungstermin-im-squeeze-out.html).

Der Sachverständige soll bis zum 31. Januar 2017 noch eine ergänzende Stellungnahme bei Gericht

einreichen. Dabei soll er u.a. Alternativberechnungen mit folgenden Zinssätzen vornehmen:

Basiszinssatz 3,0% vor Steuern, Marktrisikoprämie 4,5% und 5,0% jeweils nach Steuern,

Wachstumsabschlag 1,5% und Betafaktor entsprechend dem Sachverständigengutachten (0,98).

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde auf Freitag, den 28. April 2017, 9:00 Uhr,

bestimmt.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 32

LG München I, Az. 5 HK O 26513/11 SdK e.V. u.a. ./. Clariant AG 87 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Andreas Wirth, 80331 München Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Clariant AG: Rechtsanwälte White Case LLP, 60323 Frankfurt am Main

Abgeschlossene Spruchverfahren

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Schwarz Pharma AG beendet: Auch das OLG Düsseldorf lehnt Erhöhung ab In dem Spruchverfahren zu dem am 8. Juli 2009 beschlossenen Squeeze-out der Minderheits-

aktionäre bei der Schwarz Pharma AG, Monheim, hatte das Landgericht Düsseldorf mit Beschluss

vom 28. November 2013 eine Erhöhung des von der Antragsgegnerin, der UCB GmbH, angebotenen

Barabfindungsbetrags abgelehnt. Die Hauptaktionärin hatte EUR 111,44 je Aktie angeboten, etwas

mehr als zu dem 2007 abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (EUR 104,60

je Aktie).

Die dagegen von mehreren Antragstellern eingelegten Beschwerden hat das OLG Düsseldorf

nunmehr mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 zurückgewiesen. Das Verfahren ist damit

abgeschlossen.

Das OLG verweist in seiner Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen des Landgerichts

(siehe hierzu http://spruchverfahren.blogspot.de/2013/12/squeeze-out-shwarz-pharma-ag-lg.html).

Für die Barabfindung beim Squeeze-out sei auch nicht der Barwert der Ausgleichszahlungen nach

dem 2007 geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag maßgeblich. Auch ange-

sichts des Beschlusses des BGH vom 12. Januar 2016 (Az. II ZB 25/14, AG 2016, 359 ff.) halte das OLG

an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass sich die Höhe der Barabfindung regelmäßig nicht auf

der Basis des Barwerts des Ausgleichs aus dem früheren Beherrschungs- und

Gewinnabführungsvertrag berechne. Vielmehr bilde auch in diesem Fall der Unternehmenswert zum

Zeitpunkt des Squeeze-out-Beschlusses die Grundlage der Barabfindung. Dies gelte auch dann, wenn

die kapitalisierte Ausgleichszahlung zu einem höheren Wert führen würde (vgl. OLG Düsseldorf,

Beschluss vom 15. November 2016, Az.- I-26 W 2/16 (AktE) und weitere Entscheidungen).

LG Düsseldorf, Beschluss vom 28. November 2013, Az. 33 O 175/09 AktE 84 Antragsteller, davon 7 Beschwerdeführer gemeinsamer Vertreter: RA Folker Künzel, 40589 Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, UCB GmbH: Rechtsanwälte Hengeler Mueller, 40213 Düsseldorf

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 33

Delisting-Fälle

SdK zum Delisting-Fall KWG Kommunales Wohnen In ihrer Pressemitteilung zum "Schwarzbuch Börse 2016" hebt die Aktionärsvereinigung SdK den

Delisting-Fall KWG als besonders negativ hervor:

"Mit der KWG Kommunales Wohnen enthält das diesjährige Schwarzbuch einen besonders erwäh-

nenswerten Delisting-Fall aus dem Entry Standard. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung

am 7. Oktober wurde mit den Stimmen des Großaktionärs die Umwandlung in eine GmbH

beschlossen. Die Höhe der Barabfindung war von der Gesellschaft selbst ermittelt worden, da kein

geprüfter Halbjahresabschluss vorlag. Die KWG weigerte sich zudem, den Prüfbericht vor der

Hauptversammlung zu veröffentlichen, und war auf dem Aktionärstreffen trotz zahlreicher Anträge

der Anleger nicht bereit, die Unterlagen an die Eigentümer zur Mitnahme auszuhändigen."

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 34

Literatur zum Thema Spruchverfahren

Neuauflage des Berliner Kommentars zum SpruchG

SpruchG – Spruchverfahrensgesetz Kommentar

Von Dr. Peter Dreier, Rechtsanwalt, Dr. Michael Fritzsche, Rechtsanwalt, und

Dr. Ludger C. Verfürth, LL.M., Rechtsanwalt

unter Mitarbeit von Heiko Antczak, Rechtsanwalt, und Dr. Volker Schulenburg, Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

2., völlig neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage 2016, XVII, 544 Seiten, € (D) 96,–

ISBN 978-3-503-16654-1

http://www.esv.info/978-3-503-16654-1

Verlagstext des Erich Schmidt Verlags (ESV):

Seit der Erstauflage des Berliner Kommentars SpruchG hat sich das Spruchverfahrensgesetz mehrfach

geändert. In der 2. Auflage haben die Autoren das Gesetz grundlegend neu kommentiert. Besonders

die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung hat sich weiterentwickelt und wurde in die

Kommentierung vertiefend eingearbeitet. Zudem finden Sie eine Analyse der praktischen Bedeutung

des Spruchverfahrens. Weiterhin werden Ihnen Möglichkeiten gezeigt, wie das Verfahren ohne

Änderungen des SpruchG noch effektiver gestaltet werden kann, ohne den erforderlichen

Aktionärsschutz dadurch zu mindern.

Interview mit dem Autor RA Dr. Peter Dreier:

„Das Spruchverfahren kann Minderheitsaktionären noch einen effektiven Rechtsschutz gewähren” Das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren spielt eine wichtige Rolle im Spannungsfeld zwischen

den Hauptgesellschaftern einer AG und deren Minderheitsaktionären. Ob dieses Verfahren seinen

Ansprüchen gerecht wird, beantwortet Dr. Peter Dreier im Interview mit der ESV-Redaktion.

Herr Dr. Dreier, wodurch unterscheidet sich das Verfahren zum gesellschaftsrechtlichen Spruch-

verfahren, kurz: SpruchG, von dem echten streitigen Verfahren der ZPO?

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

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Peter Dreier: Im Spruchverfahren gilt der eingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz. Das heißt, die

Parteien müssen schon vortragen, wie im Zivilprozess. Letztlich klärt aber das Gericht den

vorgetragenen Sachverhalt von Amts wegen auf.

Viel Bewegung gab es in den letzten Jahren beim Schutz von Aktionären. In welchem Verhältnis

stehen die aktienrechtlichen Anfechtungsklagen und das SpruchG grundsätzlich zueinander?

Peter Dreier: Anfechtungsklagen sind faktisch bedeutungslos geworden. Der Gesetzgeber gestattet

sogar die Eintragung von offensichtlich rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlüssen in das

Handelsregister. Eigentlich sollte mit der Anfechtungsklage verhindert werden, dass Minderheits-

aktionäre Strukturmaßnahmen verhindern können. Nun haben die Vorstände fast Narrenfreiheit und

können tun und lassen, was sie wollen. Das ist im Hinblick auf den Aktionärsschutz nicht zu

rechtfertigen. Im Gegensatz dazu kann das Spruchverfahren dem Minderheitsaktionär als letzte

Bastion noch einen effektiven Rechtsschutz gewähren.

Ein häufiger Kritikpunkt vor Einführung des SpruchG war die überlange Verfahrensdauer von bis zu

22 Jahren im Einzelfall. Konnte das SpruchG die Verfahrensdauer verkürzen?

Peter Dreier: Das neue Gesetz hat im Ergebnis zu einer signifikanten Reduzierung der

Verfahrensdauer geführt. So beträgt die Verkürzung z.B. nach einer Studie von Hensel-

mann/Munkert/Winkler/Schrenker knapp vier Jahre. Damit geht aber auch eine Verkürzung des

Rechtsschutzes für die Minderheitsaktionäre einher.

Was bewirkt diese Verkürzung des Rechtsschutzes?

Peter Dreier: Vor allem sollte man bei Unplausibilitäten des Vortrags der Hauptaktionäre erwarten,

dass das Gericht insoweit einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer einschaltet. Dies wird meiner

Meinung nach viel zu wenig getan. Die Gerichte begründen dies oft mit zeitlichen Aspekten. Dennoch

gibt es genug Möglichkeiten, unabhängige Prüfer zeitnahe zu befragen.

Welche kurzfristigen Möglichkeiten der Befragung meinen Sie?

Peter Dreier: So könnte man z.B. einen virtuellen Datenraum schaffen. Dieser wird schon bei der

Due-Diligence-Prüfung praktiziert. Damit wäre eine sichere Zusammenarbeit an gemeinsamen

Dokumenten möglich. Das heißt, der Angemessenheitsprüfer wird verpflichtet, dem Gericht alle

Daten zur Verfügung zu stellen, die er hat. Diese Daten stellt das Gericht dann dem jeweils

beauftragten Prüfer zur Verfügung, der selbstverständlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Ein

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

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effektiver Datenaustausch sollte heutzutage nicht das Problem sein und ermöglicht angemessene

Antwortzeiten.

Viele Gerichte tendieren - z.B. beim Squeeze-Out – oft dazu, bei der Unternehmensbewertung

ausschließlich auf den Börsenkurs abzustellen. Als Begründungen dienen oft die Vereinfachung und

die Schnelligkeit der Wertermittlung. Sie sehen diesen Ansatz als besorgniserregend an: Spiegelt

denn der Börsenkurs nicht den aktuellen Marktwert wieder?

Peter Dreier: Der Börsenkurs hat keine Aussagekraft. In diesen fließen nur Einschätzungen von

Analysten oder Statements von Vorständen ein. Das tatsächliche know how bleibt dabei völlig unbe-

rücksichtigt. Gleiches gilt für Zukunftserträge und diese fließen ausschließlich dem Hauptaktionär zu.

Demgegenüber hat aber auch der Minderheitsaktionär ein quotales wirtschaftliches Eigentum an der

jeweiligen Gesellschaft. Dieses verfassungsrechtlich geschützte Eigentum wird dem Minderheits-

aktionär beim Squeeze out genommen. Nur eine Ertragswertermittlung, z.B. nach dem IDW S1-

Standard, kann hier einen angemessenen Ausgleich schaffen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für den Gesetzgeber, das Verfahren nach dem SpruchG effektiver

zu gestalten?

Peter Dreier: Man sollte vor allem die bisherigen angesprochenen Möglichkeiten besser ausnutzen

und mehr Gutachten erstellen lassen.

Auch ist im Augenblick dem gemeinsamen Vertreter nach der neueren BGH-Rechtsprechung ein

Beschwerderecht verwehrt. Dieser vertritt die Minderheitsaktionäre. Ein solches Beschwerderecht

halte ich für sinnvoll, um der zweiten Instanz nicht die Kompetenz zu nehmen.

Sinnvoll wäre auch eine Art Mehrheitsvergleich. Stimmt z.B. die Mehrheit einem Vergleich zu, so

kann das Gericht dazu einen Gutachter beauftragen und bei Angemessenheit des Vergleichs einen

einfachen entsprechenden Beschluss fassen. Dies würde verhindern, dass z.B. zwei oder drei

Minderheitsaktionäre sinnvolle Lösungen blockieren können.

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Bemerkenswerte Befunde © Prof. Dr. Leonhard Knoll

Bemerkenswerte Befunde - Fall 11: „Sensitivitätsanalyse“ von Abfindungen durch Variation der verwendeten

Parameter

Einige nicht abzusehende Umstände haben es ermöglicht, dass die Reihe „Bemerkenswerte Befunde“

nun doch ohne Unterbrechung in der SpruchZ fortgesetzt werden kann. Wir beginnen mit einer

Betrachtung, die sich an eine bereits erfolgte DCF-Bewertung anschließt und nicht vernachlässigbare

„Ausrutscher“ enthält.

Im Prüfungsbericht zu einem Squeeze Out steht hinsichtlich der Bestimmung des für die ewige Rente

angesetzten Wachstumsabschlags von 0,5%:

„Aus einer Analyse von 22 Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit von fünf Ober-

gerichten ergibt sich eine Verteilung von sechs Bewertungsfällen mit Wachstumsabschlägen

von unter 1,0 % (bis 0,5 %), von weiteren zehn mit genau 1,0 % und von sechs Fällen über 1,0

% (bis 1,5 %). Das vorliegend angesetzte Wachstum liegt also innerhalb der Bandbreite von

möglicherweise vergleichbaren Fällen.“

Später liest man dann im Kapitel „Sensitivitätsanalyse“ u.a. die folgenden Passagen:

„Da zumindest langfristig ein positiver Zusammenhang zwischen Unternehmenswachstum

und Unternehmensrisiko besteht, sind in der nachfolgenden Tabelle diese Bewertungs-

parameter gegenüber den bei der Bewertung angesetzten Ausprägungen nach oben wie nach

unten variiert und verschiedene Kombinationen einander gegenübergestellt.

In der folgenden Tabelle werden Kombinationen von Wachstumsrate und unverschuldetem

Betafaktor im Hinblick auf deren Einfluss auf den Wert je Aktie der … in Beziehung gesetzt:

Die aus der Variation dieser Parameter resultierenden Werte je Aktie liegen in einer

Bandbreite von € 19,82 bis € 29,38.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

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Berücksichtigt man den oben genannten Zusammenhang zwischen Unternehmenswachstum und Unternehmensrisiko und betrachtet ausschließlich Kombinationen aus gleichgerichteten Variationen, reduziert sich die Bandbreite für den Unternehmenswert je Aktie auf € 22,61 bis € 24,86.“

a) Ist der langfristige positive Zusammenhang zwischen Unternehmenswachstum und -risiko zwangsläufig, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass vorliegend nur das inflations-bedingte Wachstum adressiert ist?

b) Was muss sich der Prüfer im Hinblick auf das von ihm in der Tabelle untersuchte Intervall von Wachstumsraten vorwerfen lassen?

Lösungen:

a) Das Wachstum hängt von mehreren Faktoren, wie bspw. auch den Finanzierungsmöglichkeiten

ab, die hier offensichtlich c.p. gelten sollen (Bezug auf unverschuldete Betafaktoren).

Problematisch ist dies insbesondere bei der Inflationsrate, die bei alternativem Ansatz prima

facie keinen eindeutigen Bezug zum Risiko hat. Die propagierte Aussage adressiert zudem Risiko

in einem undifferenzierten und damit unsystematischen Sinn. Selbst wenn man sich höheres

Wachstum im Sinne einer höheren Inflationsüberwälzung von der Beschaffungs- zur Absatzseite

nur durch ein in diesem Sinne höheres Risiko erkaufen könnte, ist es also durchaus nicht

zwangsläufig, dass dies auch für das systematische (Kovarianz-)Risiko gilt, das durch den Beta-

Faktor zum Ausdruck kommt.

b) Die alternativen Abfindungen betreffen Werte, die teilweise nicht einmal mehr in der

„Bandbreite möglicherweise vergleichbarer Fälle“ gemäß dem Zitat liegen. Daher hätte er in der

Dimension „Wachstumsabschlag“ seiner Tabelle wenigstens die Bandbreite von 0,5% bis 1,5%

verwenden sollen, denn ganz unabhängig davon, ob ein Leser die zitierte Bandbreite der

Gerichtsentscheidungen für sinnvoll erachtet, muss dies doch für den Prüfer gelten: Wie hätte er

sie sonst in seinem Text anführen dürfen?

Fazit: Prüfungsberichte können auch im Bereich nach der originären Wertermittlung

durchaus lesenswert sein!

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2016

SpruchZ 2016 Seite 39

Zeitschrift und Dokumente auf http://de.slideshare.net/SpruchZ

Impressum

______________________

Zeitschrift

Spruchverfahren aktuell

(SpruchZ)

5. Jahrgang

ISSN 2195-7274

Herausgeber:

Interessengemeinschaft

Spruchverfahren (IG Spruch),

c/o Rechtsanwaltskanzlei

ARENDTS ANWÄLTE,

Perlacher Str. 68,

D - 82031 Grünwald

(bei München)

Bestellungen bitte an die E-Mail-

Adresse: [email protected]

Redaktion/Mitarbeiter: [email protected]

RA Martin Arendts, M.B.L.-HSG

(presserechtlich verantwortlich),

RA Dr. Peter Dreier,

Prof. Dr. Leonhard Knoll

(„Bemerkenswerte Befunde“)

c/o ARENDTS ANWÄLTE, Perlacher Str. 68, D - 82031 Grünwald

© 2016 für eigene Beiträge bei den

Autoren.