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Special Wein, Kulturschätze und reichlich gutes Essen An Bulgariens Goldstrand herrscht eitel Sonnenschein. Dafür ist er berühmt und darauf bildet man sich in der Balkanrepublik zu Recht etwas ein. Aber man ist auch stolz auf den Rest des Landes. Damit die Botschaft „Auch das Hinterland ist eine Reise wert“ sich in den Köpfen der europäischen Reisenden festsetzt, wirft man allerhand gewichtige Pfunde in die Waagschale. Dille, Dille und Nasdrave! „Das wird eine Völlerei werden“, hatte mir eine balkanerfahrene Freundin vor der Abreise gesagt. Sie hat sich nicht geirrt. Die bulga- rische Küche ist reichhaltig, man isst lieber viel zu viel, als nur zu viel, und es geht deftig zu. Neben den Bergen von gegrilltem Fleisch und Würsten machen die überschaubaren Beilagen ihrem Namen alle Ehre. Für bunte Farbtupfer auf dem Tisch sorgen die reichhal- tigen Salatteller, die dann auch den Nähr- stoffhaushalt im Gleichgewicht halten. Das Lieblingsgewürz der Bulgaren ist die Dille und die wird reichlich verwendet. An Dill-Erdäpfel gewöhnt man sich schnell, zu Hause gibt’s dann wieder Petersilie. Zu einem guten Essen gehört ein guter Trunk und sowohl mit den lo- kalen Bieren als auch mit dem heimischen Wein braucht man nicht hinter dem Berg zu halten. Die opulenten Festmahle werden be- gleitet von regelmäßigen Nasdrave-Wünschen und lokalem Schnaps – am Besten vor und nach dem Essen. Prestige-Objekt Wein Früher war Bulgarien ein Massenlieferant von Wein für die gesamte Sowjetunion. Das ist schon ein paar Jahre her und die Umorientie- rung Richtung Qualitätsmarkt ist in vollem Gange. Unterstützt mit EU-Fördermitteln in- vestieren die Winzer kräftig in moderne Kel- ter- und Abfüllanlagen. Auch im Weinberg ist einiges im Wandel: Um auf internationalem Niveau punkten zu können, werden populäre Rebsorten wie Chardonnay, Merlot oder Ca- bernet Sauvignon neu angepflanzt. Aber auch in Thrakien erfahren einheimische Sorten, wie der charaktervolle und würzige Mawrud, wie- der mehr Aufmerksamkeit. Guter Wein ist ein Synonym für gutes Leben und entsprechend wird er zelebriert. Prominente Künstler oder Industrielle haben in Weingüter investiert und inmitten der Rebstöcke eindrucksvolle Bou- tique-Hotels errichtet. Mit Wellness-Oasen und gehobener Küche lockt man die Haute- volée aus den Städten auf‘s Land. Manche wohlhabende Gäste lagern im wohl tempe- rierten, hauseigenen Keller ihre privaten Weinkollektionen. Das Credo bei den profes- sionell organisierten Weinproben, dass in Bul- garien europäische Spitzenweine produziert werden, glaubt man gerne. Thrakien, eine jahrtausendealte Kulturlandschaft Das Gebiet des heutigen Bulgarien war immer eine spannende Schnittstelle. Der Volks- stamm der Thraker besiedelte schon in vor- christlicher Zeit diesen Knotenpunkt zwi- schen Europa und Asien und stand in regem Austausch mit Griechen, Persern und den Steppenvölker Eurasiens. Noch sind nicht alle Geheimnisse dieses sagenhaften Volkes ge- löst, immer wieder machen Archäologen spek- takuläre Entdeckungen. Erst im Jahr 2000 wurde das thrakische Kult-Zentrum Chetin- yovata mogila ausgegraben. Die sechs rie- sigen Tempel gelten als größte jemals ent- deckte thrakische Königsgrabstätte mit Mausoleum. Beim Blick vom Tempelberg aus über die weite Landschaft entdeckt man ringsum weitere Hügel, die menschgemacht aussehen. Man kann sich leicht vorstellen, dass es hier noch einiges zu entdecken gibt. Die wohl eindrucksvollste archäologische Stätte des Landes ist die Felsenstadt Perpe- rikon, die sich über einen ganzen Bergrücken zieht. Hier liegen viele Lagen Geschichte übereinander: Steinzeitsiedlung, Thraker- schloss, Bischofssitz und nicht zuletzt der historische Ort des berühmten Tempels des Dionysos. Vom Altar des Tempels orakelte man die großen Eroberungen und den Ruhm für Alexander den Großen ebenso wie den Aufstieg des ersten römischen Kaisers Gaius Julius Caesar. B U L G A R I E N Plovdiv – Bulgariens zweite Metropole Die Römer haben in Bulgarien viele Spuren hinterlassen. In Plovdiv, der zweitgrößten Stadt des Landes, prägen ein Amphitheater und die Überreste eines Circus Maximus noch heute das Bild der Stadt. Die Besiedlung der drei Hügel, auf denen Plovdiv liegt, geht zu- rück bis in die Steinzeit. Thraker, Hellenen und Römer nutzten die strategische Lage am Transport-Korridor über den Balkan und fe- stigten die Rolle der Stadt als Schnittstelle zwischen Ost und West. Ihre Bedeutung als wichtiges Zentrum des Landes wird beim Bummel durch die Altstadt deutlich. Das En- semble reicher Kaufmanns-Häuser aus der Zeit des Ottomanischen Reiches zählt zum kulturellen Welterbe der UNESCO. Für die Bulgaren hat Plovdiv eine besondere Bedeu- tung als Ausgangspunkt der Nationalen Wie- dergeburt. In der selbstbewussten Stadt ent- wickelte sich erstmals eine eigenständige bul- garische Kirche, die bald zur Grundlage für eine bulgarische Nation wurde und damit die Unabhängigkeit von den Türken einläutete. Sofia – geschichtsträchtige Hauptstadt Nach der Unabhängigkeit wurde Sofia zur neuen Hauptstadt gewählt. Die Stadt zählt zu den ältesten kontinuierlich bewohnten Sied- lungen in Europa. Auf den Resten der thra- kischen Siedlung Serdica errichteten die Rö- mer die Stadt Ulpia Serdica, die unter Kaiser Trajan zu einer wichtigen Metropole des Rö- mischen Reiches wurde. Die starken Befesti- gungsanlagen des militärisch wichtigen Ortes konnten allerdings nicht die Besetzung durch Hunnen, Goten, Slawen und schließlich der Türken verhindern. Ihre Bedeutung hat die Stadt jedoch nie verloren. Zwischen den brei- ten Boulevards reihen sich Sehenswürdig- keiten aneinander. Das wohl berühmteste Wahrzeichen ist die Alexander-Newski-Kathe- drale mit ihren weithin sichtbaren goldenen Kuppeln. Dem russischen Nationalheiligen ge- widmet, ist sie heute Sitz des bulgarischen Pa- triarchen. Nahezu winzig wirkt dagegen die Bo- yana-Kapelle am Fuße des Vitosha-Gebirges, etwas außerhalb der Stadt. In ihrer Bedeutung steht sie dem großen Pendant keinesfalls nach. Die Fresken aus dem 13. Jahrhundert sind einzigartig und wurden von der UNESCO als Teil des Welterbes der Menschheit aner- kannt. Lebenswert ist die Stadt aber nicht nur wegen ihrer Kulturschätze und der lebhaften Theater-Szene. Bewohner und Besucher schät- zen die Lage am Fuß dreier Gebirgsketten, die über ein ausgedehntes Netzwerk von Wander- wegen verfügen und im Winter hervorragende Skigebiete aufweisen. Der Plan bulgarischer Politiker, eine direkte Metrolinie zwischen Flughafen und Lift zu bauen, wurde allerdings bis auf weiteres auf Eis gelegt. Marcus Bauer Informationen Das 4-Sterne Wein- und Spa-Hotel Todoroff lädt regelmäßig Künstler ein, zum Thema Wein und Kunst zu arbeiten. www.todoroff-hotel.com Für die Weinproben im Weingut Starosel hat man im hauseigenen Spa-Hotel einen anti- ken Tempel nachgebaut. Dort wird man in die Kunst der Weinverkostung eingeführt. http://starosel.com Das Soli Invicto Hotel im Weingut Miroglio er- hebt sich aus der Landschaft wie Schloss Ca- melot. Die umliegenden Weinberge laden zum Wandern ein. www.soliinvicto.bg Transport, Transfers, Reiseleitung, Hotelbu- chungen, Besichtigungen in Bulgarien organi- siert die Agentur Vakancia. http://en.vakancia.bg Einen direkten Draht zu Land und Leuten bietet der Bulgarische Verband für Alternativen Tou- rismus BAAT. www.baatbg.org Weltrekord: 14 Meter hoch ist die Marien-Statue in Haskovo Einzigartig: Die früh-christlichen Fresken im Boyana-Kloster Monumental: Die gewaltige Alexander-Newski Kathedrale in Sofia In Bulgariens Weinkellern lagert fässerweise vorzüglicher Wein Deftig: Fleisch mit Fleisch und ein wenig Beilage © Marcus Bauer © Bulgarisches Tourismus-Ministerium © Marcus Bauer © Marcus Bauer © Marcus Bauer © Marcus Bauer 9 8

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Wein, Kulturschätze und reichlich gutes Essen An Bulgariens Goldstrand herrscht eitel Sonnenschein. Dafür ist er berühmt und darauf bildet man sich in der Balkanrepublik zu Recht etwas ein. Aber man ist auch stolz auf den Rest des Landes. Damit die Botschaft „Auch das Hinterland ist eine Reise wert“ sich in den Köpfen der europäischen Reisenden festsetzt, wirft man allerhand gewichtige Pfunde in die Waagschale.

Dille, Dille und Nasdrave!„Das wird eine Völlerei werden“, hatte mir eine balkanerfahrene Freundin vor der Abreise gesagt. Sie hat sich nicht geirrt. Die bulga-rische Küche ist reichhaltig, man isst lieber viel zu viel, als nur zu viel, und es geht deftig zu. Neben den Bergen von gegrilltem Fleisch und Würsten machen die überschaubaren Beilagen ihrem Namen alle Ehre. Für bunte Farbtupfer auf dem Tisch sorgen die reichhal-tigen Salatteller, die dann auch den Nähr-stoffhaushalt im Gleichgewicht halten. Das Lieblingsgewürz der Bulgaren ist die Dille und die wird reichlich verwendet. An Dill-Erdäpfel gewöhnt man sich schnell, zu Hause gibt’s dann wieder Petersilie. Zu einem guten Essen gehört ein guter Trunk und sowohl mit den lo-kalen Bieren als auch mit dem heimischen Wein braucht man nicht hinter dem Berg zu halten. Die opulenten Festmahle werden be-gleitet von regelmäßigen Nasdrave-Wünschen und lokalem Schnaps – am Besten vor und nach dem Essen.

Prestige-Objekt WeinFrüher war Bulgarien ein Massenlieferant von Wein für die gesamte Sowjetunion. Das ist schon ein paar Jahre her und die Umorientie-rung Richtung Qualitätsmarkt ist in vollem Gange. Unterstützt mit EU-Fördermitteln in-vestieren die Winzer kräftig in moderne Kel-ter- und Abfüllanlagen. Auch im Weinberg ist einiges im Wandel: Um auf internationalem Niveau punkten zu können, werden populäre Rebsorten wie Chardonnay, Merlot oder Ca-bernet Sauvignon neu angepflanzt. Aber auch in Thrakien erfahren einheimische Sorten, wie der charaktervolle und würzige Mawrud, wie-der mehr Aufmerksamkeit. Guter Wein ist ein Synonym für gutes Leben und entsprechend wird er zelebriert. Prominente Künstler oder Industrielle haben in Weingüter investiert und

inmitten der Rebstöcke eindrucksvolle Bou-tique-Hotels errichtet. Mit Wellness-Oasen und gehobener Küche lockt man die Haute-volée aus den Städten auf‘s Land. Manche wohlhabende Gäste lagern im wohl tempe-rierten, hauseigenen Keller ihre privaten Weinkollektionen. Das Credo bei den profes-sionell organisierten Weinproben, dass in Bul-garien europäische Spitzenweine produziert werden, glaubt man gerne.

Thrakien, eine jahrtausendealte KulturlandschaftDas Gebiet des heutigen Bulgarien war immer eine spannende Schnittstelle. Der Volks-stamm der Thraker besiedelte schon in vor-christlicher Zeit diesen Knotenpunkt zwi-schen Europa und Asien und stand in regem Austausch mit Griechen, Persern und den Steppenvölker Eurasiens. Noch sind nicht alle Geheimnisse dieses sagenhaften Volkes ge-löst, immer wieder machen Archäologen spek-

takuläre Entdeckungen. Erst im Jahr 2000 wurde das thrakische Kult-Zentrum Chetin-yovata mogila ausgegraben. Die sechs rie-sigen Tempel gelten als größte jemals ent-deckte thrakische Königsgrabstätte mit Mausoleum. Beim Blick vom Tempelberg aus über die weite Landschaft entdeckt man ringsum weitere Hügel, die menschgemacht aussehen. Man kann sich leicht vorstellen, dass es hier noch einiges zu entdecken gibt. Die wohl eindrucksvollste archäologische Stätte des Landes ist die Felsenstadt Perpe-rikon, die sich über einen ganzen Bergrücken zieht. Hier liegen viele Lagen Geschichte übereinander: Steinzeitsiedlung, Thraker-schloss, Bischofssitz und nicht zuletzt der historische Ort des berühmten Tempels des Dionysos. Vom Altar des Tempels orakelte man die großen Eroberungen und den Ruhm für Alexander den Großen ebenso wie den Aufstieg des ersten römischen Kaisers Gaius Julius Caesar.

B U L G A R I E N

Plovdiv – Bulgariens zweite MetropoleDie Römer haben in Bulgarien viele Spuren hinterlassen. In Plovdiv, der zweitgrößten Stadt des Landes, prägen ein Amphitheater und die Überreste eines Circus Maximus noch heute das Bild der Stadt. Die Besiedlung der drei Hügel, auf denen Plovdiv liegt, geht zu-rück bis in die Steinzeit. Thraker, Hellenen und Römer nutzten die strategische Lage am Transport-Korridor über den Balkan und fe-stigten die Rolle der Stadt als Schnittstelle zwischen Ost und West. Ihre Bedeutung als wichtiges Zentrum des Landes wird beim Bummel durch die Altstadt deutlich. Das En-semble reicher Kaufmanns-Häuser aus der Zeit des Ottomanischen Reiches zählt zum kulturellen Welterbe der UNESCO. Für die Bulgaren hat Plovdiv eine besondere Bedeu-tung als Ausgangspunkt der Nationalen Wie-dergeburt. In der selbstbewussten Stadt ent-wickelte sich erstmals eine eigenständige bul-garische Kirche, die bald zur Grundlage für

eine bulgarische Nation wurde und damit die Unabhängigkeit von den Türken einläutete.

Sofia – geschichtsträchtige HauptstadtNach der Unabhängigkeit wurde Sofia zur neuen Hauptstadt gewählt. Die Stadt zählt zu den ältesten kontinuierlich bewohnten Sied-lungen in Europa. Auf den Resten der thra-kischen Siedlung Serdica errichteten die Rö-mer die Stadt Ulpia Serdica, die unter Kaiser Trajan zu einer wichtigen Metropole des Rö-mischen Reiches wurde. Die starken Befesti-gungsanlagen des militärisch wichtigen Ortes konnten allerdings nicht die Besetzung durch Hunnen, Goten, Slawen und schließlich der Türken verhindern. Ihre Bedeutung hat die Stadt jedoch nie verloren. Zwischen den brei-ten Boulevards reihen sich Sehenswürdig-keiten aneinander. Das wohl berühmteste Wahrzeichen ist die Alexander-Newski-Kathe-drale mit ihren weithin sichtbaren goldenen Kuppeln. Dem russischen Nationalheiligen ge-

widmet, ist sie heute Sitz des bulgarischen Pa-triarchen. Nahezu winzig wirkt dagegen die Bo-yana-Kapelle am Fuße des Vitosha-Gebirges, etwas außerhalb der Stadt. In ihrer Bedeutung steht sie dem großen Pendant keinesfalls nach. Die Fresken aus dem 13. Jahrhundert sind einzigartig und wurden von der UNESCO als Teil des Welterbes der Menschheit aner-kannt. Lebenswert ist die Stadt aber nicht nur wegen ihrer Kulturschätze und der lebhaften Theater-Szene. Bewohner und Besucher schät-zen die Lage am Fuß dreier Gebirgsketten, die über ein ausgedehntes Netzwerk von Wander-wegen verfügen und im Winter hervorragende Skigebiete aufweisen. Der Plan bulgarischer Politiker, eine direkte Metrolinie zwischen Flughafen und Lift zu bauen, wurde allerdings bis auf weiteres auf Eis gelegt. Marcus Bauer

Informationen Das 4-Sterne Wein- und Spa-Hotel Todoroff lädt regelmäßig Künstler ein, zum Thema Wein und Kunst zu arbeiten. www.todoroff-hotel.comFür die Weinproben im Weingut Starosel hat man im hauseigenen Spa-Hotel einen anti-ken Tempel nachgebaut. Dort wird man in die Kunst der Weinverkostung eingeführt. http://starosel.comDas Soli Invicto Hotel im Weingut Miroglio er-hebt sich aus der Landschaft wie Schloss Ca-melot. Die umliegenden Weinberge laden zum Wandern ein. www.soliinvicto.bgTransport, Transfers, Reiseleitung, Hotelbu-chungen, Besichtigungen in Bulgarien organi-siert die Agentur Vakancia. http://en.vakancia.bgEinen direkten Draht zu Land und Leuten bietet der Bulgarische Verband für Alternativen Tou-rismus BAAT. www.baatbg.org

Weltrekord: 14 Meter hoch ist die

Marien-Statue in Haskovo

Einzigartig: Die früh-christlichen Fresken

im Boyana-Kloster

Monumental: Die gewaltige Alexander-Newski

Kathedrale in Sofia

In Bulgariens Weinkellern lagert fässerweise vorzüglicher Wein Deftig: Fleisch mit Fleisch und ein wenig Beilage

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