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awo.org 54. JAHRGANG HEFT 6 NOVEMBER/DEZEMBER 2009 G 11394 13. Dezember 1919 – 13. Dezember 2009: 90 Jahre Arbeiterwohlfahrt

AWO Magazin | Ausgabe 06-2009 | Leseprobe

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Leseprobe AWO Magazin, Ausgabe 06-2009

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54. JAH RGANG H E F T 6 NOVE M B E R/DE Z E M B E R 2009

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13. Dezember 1919 – 13. Dezember 2009:

90 Jahre Arbeiterwohlfahrt

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BL ICKPUNKT

Rainer BrückersBundesvorsitzender

„Nun geht mein Vorschlag mit Billigung des Parteivorstandes da-hin, daß wir innerhalb der Parteiorganisation eine sozialdemo-kratische Wohlfahrtspflege konstituieren. Ich schlage vor, daßwir zunächst eine Zentralinstanz schaffen, einen Ausschuß, unddaß wir dann im Rahmen unserer Bezirke, Landes- und örtlicheOrganisationen, Wohlfahrtsausschüsse, bilden, zu denen wir aI-le die Personen hinzuziehen, die in der Wohlfahrtspflege tätigsind, in der kommunalen Wohlfahrtspflege oder in den ver-schiedensten halbamtlichen und amtlichen Wohlfahrtsvereinen.Ich bitte Sie, in den nächsten Tagen schon zur Gründung solcherWohlfahrtsausschusse der Partei zu schreiten (...).

Mit diesen beinahe nüchtern daherkommenden Ausführun-gen von Marie Juchacz vor dem SPD-Parteivorstand am 13.Dezember 1919 begann eine Erfolgsgeschichte sozialer Ar-beit in Deutschland. Dies darf man angesichts der 90-jährigenGeschichte der AWO auch einmal selbst und mit angemesse-nem Stolz so sagen. Nahe am Menschen, das war der An-spruch von Marie Juchacz und ihrer Mitstreiterinnen und Mit-streiter – bis heute ein Wesensmerkmal der AWO!.

Praktizierte Solidarität für die Menschen lässt sich nur mitden Menschen schaffen. Es ist unser Anliegen, den MenschenTeilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen oder sie zu ver-bessern. Dafür treten wir mit unseren sozialen Dienstleistungenwie auch mit den unzähligen ehrenamtlichen Projekten ein.Klar ist aber auch: Die Zukunftstauglichkeit unseres Verbandesund seiner Dienstleistungen ist kein Selbstläufer. Unsere Mit-gliedschaft etwa muss sich dauerhaft verjüngen; wir müssenneue und andere Angebote für all jene machen, die sich durch-aus bürgerschaftlich bei der AWO engagieren wollen, diesaber derzeit aus vielerlei Gründen nicht tun. Gelingt dies nicht,bricht ein wesentliches Fundament unseres Wirkens 'weg'. Ein90-jähriger Geburtstag ist sicher kein Anlass, um schwarz zumalen. Dies würde auch nicht zur AWO passen. Er kann – beiallem Stolz über das Erreichte – jedoch Anlass sein, kurz in sichzu gehen und das bisherige Wirken und die Wege in die Ver-bandszukunft auch ein wenig selbstkritisch zu reflektieren.

Den Tag der Gründung selbst begehen wir – nach unserergroßen Feier im August diesen Jahres in Dortmund – in einemkleineren Rahmen am 13. Dezember 2009 im Marie Juchacz-Saal des Berliner Reichstagsgebäudes. Er soll thematisch dasfrauenpolitische Engagement von Marie Juchacz und ihrer Mit-streiterinnen gewidmet sein.

Gestatten Sie noch eine persönliche Anmerkung. Für dasvorliegende Heft bin ich zum letzten Mal als Herausgeber desAWOmagazins tätig. Ich möchte mich bei Ihnen, liebe Leserin,lieber Leser, sehr herzlich für Ihre Treue bedanken. Mir hat dasMagazin und seine Entwicklung in all den Jahren seit meinerÜbernahme der Geschäftsführung des Bundesverbandes imJahre 1992 immer wieder Freude bereitet. Ab dem 1. Januar2010 wird der neue Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler quaFunktion Herausgeber des Magazins. Es würde mich freuen,wenn Sie ihm, der Redaktion und der AWO weiter wohlgeson-nen bleiben. Vielen Dank!

IN DIESER AUSGABE

Impressum25

Publikationen24

Rätsel34

Ländermagazin26

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Titel: AWO Bundesverband e.V.

AWO aktuell4

Report16

Internationales22

Foto

: AW

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90 Jahre AWOTitel12

90 Jahre AWO – das Fest in Dortmund

Oase in der Wüste: Die AWO SyltKlinik

Wolfgang Stadler wird neuer Bundesvorsitzender

Schüler- und Jugendwettbewerb der AWO

AWO Bundesverband zertifiziert

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„Soziale Arbeit und nichtGeschwafel hält dieGesellschaft zusammen“ Die AWO feierte ihren 90. Geburtstag in Dortmund. Zahlreiche Stände, Bühnen und Aktionen zeigten: Der Verband wird am 13. Dezember 2009 zwar 90 Jahre alt, aber er ist immer noch jung und nahe am Menschen.

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Zwei Tage lang hat die AWO ihren 90. Ge-burtstag mit einem großen Bürgerfest in derDortmunder Innenstadt gefeiert. Tausende Men-

schen amüsierten sich mit Leckerem und Lustigem anzahlreichen Info-Ständen rund um die Reinoldikirche.Auf der großen Bühne gab es Rock-Klassiker mit derUnder Cover Crew und Dixie-Jazz der Pilspickersund einen 'Geierabend Spezial' mit dem bissigenCharme von Ruhrgebietskabarett. Im DortmunderRathaus war eine Woche lang eine multimedialeAusstellung über die 90 bewegten und bewegendenJahre der AWO zu sehen.

Zugleich, „weil die AWO nicht einfach mal hilft,sondern ein Konzept für Hilfe zur Selbsthilfe hat unddie Ursachen sozialer Probleme angeht“, wie SPD-Chef Franz Müntefering sagte, stellten die Gliederun-

gen des traditionsreichen Verbandes die Fülle ihrersozialen Angebote 'von der Wiege bis zur Bahre'dar und zeigten die Arbeit der mehr als 14.000AWO-Einrichtungen. „Diese Arbeit, und nicht sozia-les Geschwafel hält die Gesellschaft zusammen“, zi-tierte AWO Präsident Wilhelm Schmidt in seiner Fest-rede das sozialdemokratische Dortmunder UrgesteinGünter Samtlebe.

Einige Antworten waren auf dem Geburtstagsfestzu sehen, hören, spüren: „Vor 90 Jahren hatten dieAWO-Gründer die große Idee, dass Solidarität sichorganisiert und der Sozialstaat gestaltet werdenmuss, dass der Gesellschaft nicht mit Almosen undSuppenküchen geholfen wird, sondern mit sozialenRechten und gleichen Chancen“, sagte Müntefering.Mit einem „mulmigen Gefühl“ probierte der SPD-

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Chef den Erdbebensimulator von AWO Internatio-nal, die weltweit Katastrophenopfern beim Wieder-aufbau unterstützt.

„Auch wenn die AWO einer der größten sozia-len Dienstleister in Deutschland ist, sind wir kein ge-wöhnlicher Wohlfahrtskonzern“, betonte AWO-ChefRainer Brückers. „Tatsächlich sind wir mit unserenmehr als 400.000 Mitgliedern und mehr als100.000 ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen undBürgern die größte soziale Bewegung Deutschlands.

Denn die AWO gestaltet mit einem klaren Konzeptund unerschütterlichen Grundwerten nicht nur Hilfezur Selbsthilfe und bindet mit ihrer sozialen ArbeitMillionen Menschen in die Gesellschaft ein, sondernwir bekämpfen auch die gesellschaftspolitischen Ur-sachen von Ausgrenzung, Armut und Not.“

Konkret forderte etwa der jetzige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier:„Wir müssen neu denken: Pflegeberufe dürfen nichtdie Billig-Jobs des Arbeitsmarktes sein. Deshalb

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kämpfen wir gemeinsam für Mindestlöhne – aber siedürfen nicht der Maßstab sein, sondern fairer Lohnfür alle!“

Zugleich dankte Steinmeier den „vielen stillenHelden des Alltags“, die tagtäglich „unseren Sozial-staat umsetzen und lebendig gestalten, denn dabeigeht es ja nicht nur um Gesetze, Formulare und Be-willigungsbescheide, es geht auch um menschlicheZuwendung und Solidarität. Ohne Ihr Engagementwäre unsere Gesellschaft ärmer und kälter – deshalb

brauchen wir Sie, brauchen wir die AWO“, sagteSteinmeier auf dem großen Platz rund um die Reinol-dikirche.

„Machen Sie mit, damit Deutschland mensch-licher wird“, forderte AWO Präsident Schmidt dasPublikum auf. „Wir wollen und müssen uns immerwieder einmischen in die sozialpolitische Gestaltungunserer Gesellschaft“, sagte er in seiner Festrede.Dank des Engagements der AWO Mitglieder und eh-renamtlichen Helfern sei es der AWO gelungen, „im-

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Mach mit – sei fit! Getreu diesem Mottoturnte, sprang, hüpfte und tanzte Dr. Hil-de Hoppel, tierische Bewegungsexper-

tin, auf der 90 Jahr Feier der AWO in Dortmundauf der Bühne und im eigens mitgebrachten Be-wegungsparcourts. Ihr zur Seite Dr. Schnupperals Experte für die Vorsorgeuntersuchungen vonKindern und Jugendlichen.

Frau Dr. Hoppel ist eine fitte Häsin – sie fährtviel Rad, nimmt die Treppen, nicht den Fahrstuhl,läuft gerne durch die Gegend und wenn sie zulange gesessen hat, macht sie Kniebeugen, umwieder richtig wach zu werden. Ihr macht es ein-fach Spaß, aktiv zu sein. Und diesen Spaß turntDr. Hoppel nun in AWO Kindertageseinrichtun-gen vor!

Mit dem Motto 'Kinder in Form. Gemeinsambegeistern, zusammen bewegen' veranstaltet dieAWO in ihren Kindertagesstätten Aktionstage zurFörderung gesunder Bewegung.

Zum Besuch in der Kita bringt Dr. Hoppel tolleSpiele mit. Gemeinsam sollen die Kinder und die fitte Häsin viel Spaß beim Toben, Rennen,

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Dr. Hoppel auf der 90 Jahr Feier in Dortmund

AWO Referent Matthias Ritter-Engel (2.v.l.) bei der Präsentation von Dr. Hoppel in Dortmund.

Hüpfen, Tanzen haben. Die Fitnessspiele machennicht nur gute Laune; 'Dampfablassen', Klettern,Klatschen, Springen, rückwärts Laufen und sichim Kreise drehen tut den Kindern auch körperlichrichtig gut! Sie bleiben gesund, fühlen sich wohlund trainieren ihre Beweglichkeit und Geschik-klichkeit.

Text: engFoto: Georg Oligmüller

Weitere Infos:,Kinder in Form. Gemeinsam begeistern, zusammen bewegen’ sowie das fitte Angebot von Dr. Hoppel finden Sie unter www.dr-hoppel.de oder schreiben Sie eine E-Mail an [email protected]

Dr. Hoppel ist eine Initiative des AWO Bundesverbandes e.V.

Dr. Hoppel wird gefördert durch das Bundes-ministerium für Gesundheit, In Form und derGlücksspirale

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mer wieder nah an den Menschen zu sein“ und alsLobbyverband für die, die sonst keine Lobby haben,„elementare Grundlagen der Sozialgesetzgebungauf den Weg zu bringen“. So gilt die AWO als Er-finderin der Pflegeversicherung, die nun in vielenLändern nachgeahmt wird. Aktuell sei es „nicht zu er-tragen, dass inzwischen 7,5 Millionen Menschenvon ihrer harten Arbeit nicht leben können – des-wegen ist die AWO ein Motor im 'Bündnis Mindest-lohn' und hat erfolgreich den Mindestlohn in der Pfle-ge auf den Weg gebracht“, sagte Schmidt. Ange-sichts der steigenden Lohnarmut, die zu skandalöserKinderarmut führt und in Altersarmut mündet, „enga-gieren wir uns im Bündnis Kindergrundsicherung undkämpfen gegen die Folgen der Bildungsmisere – esist ein menschlicher Skandal und nicht hinnehmbar,dass jedes Jahr 70.000 junge Menschen ohne Schul-abschluss bleiben“. Nach all den Sonntagsredenmüsse die Politik „endlich alle Einrichtungen für Bil-dung und Erziehung kostenlos anbieten“. Damit dieDiskrepanz zwischen Arm und Reich nicht die Ge-sellschaft zerreißt, „treten wir mit Nachdruck dafürein, die Sozialversicherung solidarisch zu gestaltenund zu einer Bürgerversicherung auszubauen“, sag-te Schmidt.

„Fortschritt hat immer dazu geführt, dass ge-quietscht wird“, meinte Franz Müntefering, doch un-beeindruckt davon seien in einer solidarischen Ge-sellschaft „alle in der Pflicht und alle im Recht, damitniemand sich klein machen muss, wenn er Hilfebraucht.“ Der SPD-Chef betonte: „Die Menschen sindnicht alle gleich, aber alle sind gleich viel wert.“ Des-halb sei auch ein Nationaler Aktionsplan für behin-derte Menschen nötig, „wir wollen keine Integration,wir wollen eine inklusive Gesellschaft“, sagte Münte-fering. Der Bund und die Länder müssten mehr für dieKommunen tun, denn der Sozialstaat müsse als sozi-ale Stadt gestaltet werden. „Eine soziale Gesellschaftist das, was vor Ort stattfindet – es ist all das, wasdie AWO macht“, sagte Müntefering und genossden Applaus der großen Menge vor der Reinoldikir-che. Er gratulierte der 90jährigen AWO: „Glück auf!Ihr könnt stolz auf Euch sein!“

Text: Karin DeckenbachFotos: Georg Oligmüller

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