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lernenwillmehr.at WissenPlus | Sprachsensibler Unterricht Sprechen fördern Die Fishbowl-Methode als Möglichkeit zur Unterstützung der bildungssprachlichen Interaktionskompetenz im Fachunterricht 1. Zum Thema Im schulischen Alltag sind Klassen-, Gruppen- oder Partnergespräche, Präsentationen und Vorträge, aber auch verschiedene Sprechgenres, etwa eine Erzählung, ein Bericht oder eine Diskussion, allgegenwärtig. Im Zuge der Reifeprüfung sowie im Berufsalltag wird von den Schülerinnen und Schülern erwartet, dass sie über eine umfassende Sprechkompetenz verfügen. Gleichzeitig ist es aber nicht von der Hand zu weisen, dass im Unterricht häufig Aktivitäten dominieren, die sich dem Rezipieren und Produzieren von schriftlichen Texten widmen (Eriksson-Hotz 2019: 213). Beobachtungen aus dem Bereich Deutsch-als-Zweitsprache zeigen, dass die Kompetenzbereiche Schriftlichkeit und Mündlichkeit zwar im wechselseitigen Austausch stehen, jedoch jeder Bereich für sich angemessen gefördert werden muss, damit sich eine nachhaltige Entwicklung auf Seiten der Schülerinnen und Schüler einstellen kann (Schmölzer-Eibinger 2008: 54). Insofern rückt der vorliegende Artikel erstmals das bildungssprachlich ausgerichtete Sprechen bzw. dessen Förderung im Fachunterricht in den Fokus. Ausgehend von den sprachwissenschaftlichen Grundlagen sowie damit verbundenen Herausforderungen für die Schülerinnen und Schüler ist es das Ziel dieses Beitrags, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Sprechförderung durch die Perspektive des sprachsensiblen Unterrichts zu einem Mehrwert im Fachunterricht führen kann. Dafür werden entsprechende Methoden vorgestellt. Anhand der Fishbowl-Methode soll abschließend konkret verdeutlicht werden, wie im betriebswirtschaftlichen Fachunterricht der ersten Jahrgangsstufe Sprechen sprachsensibel umgesetzt und gefördert werden kann. 1.1 Sprachwissenschaftliche Grundlagen WissenPlus © LERNEN WILL MEHR! Mai 2020 | Autorin: Petra GRIESHOFER, B.Ed.Univ. M.Ed. -1-

BUCHFÜHRUNGSPFLICHT GEMÄSS ... · Web viewSB-Nr.: 190990 mit digi4schoolISBN: 978-3-7068-6001-7Auflage 2019200 Seiten, broschiert, vierfärbig BW und Projektmanagement HLW I Jetzt

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Sprechen fördernDie Fishbowl-Methode als Möglichkeit zur Unterstützung der

bildungssprachlichen Interaktionskompetenz im Fachunterricht

1. Zum Thema

Im schulischen Alltag sind Klassen-, Gruppen- oder Partnergespräche, Präsentationen und Vorträge, aber auch verschiedene Sprechgenres, etwa eine Erzählung, ein Bericht oder eine Diskussion, allgegenwärtig. Im Zuge der Reifeprüfung sowie im Berufsalltag wird von den Schülerinnen und Schülern erwartet, dass sie über eine umfassende Sprechkompetenz verfügen. Gleichzeitig ist es aber nicht von der Hand zu weisen, dass im Unterricht häufig Aktivitäten dominieren, die sich dem Rezipieren und Produzieren von schriftlichen Texten widmen (Eriksson-Hotz 2019: 213). Beobachtungen aus dem Bereich Deutsch-als-Zweitsprache zeigen, dass die Kompetenzbereiche Schriftlichkeit und Mündlichkeit zwar im wechselseitigen Austausch stehen, jedoch jeder Bereich für sich angemessen gefördert werden muss, damit sich eine nachhaltige Entwicklung auf Seiten der Schülerinnen und Schüler einstellen kann (Schmölzer-Eibinger 2008: 54).

Insofern rückt der vorliegende Artikel erstmals das bildungssprachlich ausgerichtete Sprechen bzw. dessen Förderung im Fachunterricht in den Fokus. Ausgehend von den sprachwissenschaftlichen Grundlagen sowie damit verbundenen Herausforderungen für die Schülerinnen und Schüler ist es das Ziel dieses Beitrags, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Sprechförderung durch die Perspektive des sprachsensiblen Unterrichts zu einem Mehrwert im Fachunterricht führen kann. Dafür werden entsprechende Methoden vorgestellt. Anhand der Fishbowl-Methode soll abschließend konkret verdeutlicht werden, wie im betriebswirtschaftlichen Fachunterricht der ersten Jahrgangsstufe Sprechen sprachsensibel umgesetzt und gefördert werden kann.

1.1 Sprachwissenschaftliche Grundlagen

Sprachkompetenz wird in die Kompetenzbereiche Schriftlichkeit und Mündlichkeit unterteilt. Ersterer umfasst das Lesen und Schreiben, zweiterer das Hören und Sprechen (Rösch 2011: 173). Auf Basis der grundlegenden Unterscheidung von mündlich und schriftlich geprägter Sprache baut die Theorie von Sabine Schmölzer-Eibinger auf. Diese rückt die sogenannte Sprachbasis ins Zentrum, die sämtliche Kenntnisse in allen für die Sprachkompetenz relevanten Bereichen umfasst (2008: 51). Für die schriftlich und mündlich geprägten Teilbereiche wählt Schmölzer-Eibinger die Fachbegriffe Textkompetenz und Interaktionskompetenz. Während die Textkompetenz den „produktiven und rezeptiven Umgang […] mit schriftsprachlich geprägter Sprache“ (2008: 52) bezeichnet, bezieht sich die Interaktionskompetenz auf das „Verstehen und Äußern von mündlich geprägter, situativ verankerter Sprache“ (2008: 52).

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Die zitierte mündlich geprägte und situativ verankerte Sprache wird im Schul- und Unterrichtskontext üblicherweise in zwei Richtungen gedacht, und zwar in Richtung des monologischen Sprechens oder in Richtung des dialogischen Sprechens (Eriksson-Hotz 2019: 208). Unabhängig von der konzeptionellen Ausrichtung lässt die prägnante Definition Schmölzer-Eibingers die wichtigsten Merkmale mündlich geprägter Sprache erkennen. Michael Becker-Mrotzek (2015; zit. nach Eriksson-Hotz 2019: 210f.) beschreibt diese Definition im folgenden 7-teiligen Kriterienkatalog näher:

1. Hörerinnen und Hörer sowie Sprecherinnen und Sprecher sind gleichzeitig anwesend.

2. Alle beteiligten Parteien arbeiten an einem gemeinsamen Thema.

3. Die Interaktion erfolgt mündlich. Insofern sind alle partizipierenden Akteurinnen und Akteure permanent dazu aufgefordert, hörend zu rezipieren, in Anlehnung daran unmittelbar zu planen und schließlich mündlich zu produzieren.

4. Der Kontext, in den die Interaktion eingebettet ist, gibt die Rollen der Akteurinnen und Akteure, die Handlungserwartungen und den kommunikativen Zweck vor.

5. Der Ablauf der sprachlichen Äußerungen sowie der Wechsel der Sprecherinnen und Sprecher ist klar geregelt.

6. Mündliches Kommunizieren umfasst auch, die jeweilige Identität in die Interaktion einzubauen sowie eine Beziehung zu den anderen an der Interaktion beteiligten Parteien aufzubauen.

7. Mündliche Kommunikation ist in ihrer grundlegenden Konzeption temporär. Insofern sind Sprecherinnen und Sprecher dazu angehalten, das Verständnis sowohl mittels verbaler Mittel (etwa Wiederholungen oder Zusammenfassungen) als auch para- und nonverbaler Mittel (etwa Gestik oder Betonung) zu fördern.

Diese kurze Zusammenstellung der Merkmale unterstreicht die eingangs erwähnte Not-wendigkeit, Mündlichkeit als eigenständigen Kompetenzbereich wahrzunehmen, da neben den sprachstrukturellen Fähigkeiten (u.a. die Beherrschung des Fachwortschatzes oder die Bildung korrekter Sätze) insbesondere kommunikativ-pragmatische Kompetenzen gefordert sind, die im Bereich der Schriftlichkeit nicht in dieser Form und in diesem Ausmaß benötigt werden (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 71).

Als Basis sämtlicher Sprachbildungsprozesse im Unterricht wird häufig das Kompetenzmodell von Michael Becker-Mrotzek verwendet. Dieses hält fest, dass kompetentes Sprechen sowohl explizites als auch prozedurales Wissen braucht. Explizites Wissen umfasst dabei sprachliche Kenntnisse, institutionelles Wissen zu bestimmten Abläufen sowie die individuell geprägten Einstellungen zur Kommunikation. Im Gegensatz dazu enthält das prozedurale Wissen die Fähigkeit zur Formulierung, zur Interpretation des Gesagten und auch Kenntnisse zu Handlungsroutinen innerhalb der mündlichen Kommunikation (Becker-Mrotzek/Brünner 2004: 32).

1.2 Herausforderungen im Kontext von Schule und Unterricht

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Sprachsensibler Unterricht basiert, wie bereits in den vorhergehenden Beiträgen dieser WissenPlus-Rubrik dargelegt, auf der Annahme, dass sich der Komplexitätsgrad des Sprachgebrauchs je nach Kontext verändert. Schülerinnen und Schüler erlernen im familiären Umfeld alltägliche Kommunikationsmuster und dazugehörige Erwartungen und Anforderungen. Diese Kompetenzen erweisen sich im bildungssprachlichen Setting des schulischen Fachunterrichts allerdings als ungenügend. Von den Lernenden wird dabei, wie auch im Kompetenzbereich der Schriftlichkeit, eine höhere sprachliche Komplexität erwartet und eingefordert1 (Rösch 2011: 176). Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Lernende ein Fremdheitsgefühl sowohl in Bezug auf die bildungssprachlichen Themen als auch auf die Organisationsweise derartiger Sprechanlässe empfinden. Im schlimmsten Fall äußerst sich dieser Umstand in einer gehemmten Einstellung zum Sprechen im Unterricht (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 80).

Wie auch in anderen Teilbereichen sprachlicher Kompetenz zeigen verschiedene groß angelegte Studien, wie etwa PISA, auch in Bezug auf das Sprechen eine Verbindung zum sozioökonomischen Hintergrund. Schülerinnen und Schüler der Primarstufe, die zu Hause mehr mündliche Interaktion erhielten, konnten auch mehr sprechbasiertes Vorwissen aufbauen. Die Konsequenz dessen war letztlich, dass die Passung zwischen der Schulsprache und dem Sprachniveau der Lernenden beim Eintritt in das Schulsystem besser war als bei Kindern, die auf ein kommunikationsärmeres soziales Umfeld angewiesen waren (Eriksson-Hotz 2019: 216). Diese Ergebnisse verweisen auf ein unbedingt nötiges Bewusstsein seitens der Lehrpersonen, Interaktionskompetenz einerseits nicht als selbstverständlich zu verstehen und andererseits, die divergierenden Kompetenzniveaus innerhalb einer Lerngruppe als Normalfall anzuerkennen.

Valide Studien zur Interaktionskompetenz von Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vorhanden. Im deutschsprachigen Raum gibt es jedoch erste Pilotstudien für den Übergang von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II, die als erste Richtschnur für das Wissensniveau verwendet werden können. Im Zuge dieser Untersuchungen hat sich gezeigt, dass rund 75 Prozent der Getesteten in der mündlichen Kommunikation problemlos zwischen Dialekt und Standardsprache wechseln können. Die Lexik und Syntax erweisen sich als altersadäquat und situationsangemessen, para- und nonverbale Mittel können gezielt zur Verständnissicherung eingesetzt werden.

Bezogen auf das monologische Sprechen sind die Schülerinnen und Schüler in der Lage, wichtige Informationen aus einem Inputtext zu entnehmen und diese adressaten-orientiert zu strukturieren und zu präsentieren. In dialogischen Interaktionssituationen können Lernende ihre Meinung angemessen äußern und begründen sowie auf die anderer Gesprächspartnerinnen und -partner eingehen, sodass ein Gespräch von sich aus weitergeführt werden kann. Ergeben sich Konfliktsituationen, zeigen die Schülerinnen und Schüler die Tendenz einer gemeinsamen Lösungs- bzw. Kompromissfindung (Eriksson-Hotz 2019: 220).

1.3. Förderansätze und dazugehörige MethodenKompetente Sprecherinnen und Sprecher zeichnen sich einerseits durch die Situationssteuerung aus. Diese bezieht sich auf die Analyse und Interpretation der 1 siehe dazu den Beitrag Sprache im Fach von Mai 2018: https://wasjetzt.net/wissenplus-sprache-im-fach/

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jeweiligen Gesprächssituation, wodurch in weiterer Folge weiterführende Handlungsschritte und Handlungsalternativen abgeleitet werden können. Andererseits sind kompetente Sprecherinnen und Sprecher aber auch zur sogenannten Prozesssteuerung in der Lage. Das bedeutet, mit den anderen an der Interaktion beteiligten Parteien zu kooperieren, um das Gespräch zu organisieren, das entsprechende Thema zu bearbeiten und schließlich die Beziehung untereinander zu gestalten (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 74; Lepschy 2002: 52).

Um diese vielschichtigen und komplexen Entwicklungsziele zu erreichen, wird in der Förderung der Sprachkompetenz zwischen Repräsentationsmethoden und Bearbeitungsmethoden differenziert. Wichtig für eine nachhaltige Förderung der Interaktionskompetenz ist, diese Unterscheidung nicht als Entweder-Oder zu verstehen, sondern als wechselseitige Ergänzung (Lepschy 2002: 52).

1.3.1 RepräsentationsmethodenAls Repräsentationsmethoden werden Fördermaßnahmen zusammengefasst, die für die Lernenden authentische Kommunikationssituationen arrangieren und die es dabei auch ermöglichen, selbst Handlungsroutinen auszuprobieren (Lepschy 2002: 55). Folgende Methoden werden diesem Teilbereich zugeordnet.

Simulationen und Rollenspiele: Diese Methoden ermöglichen es, konkrete und oftmals auch prototypische Gesprächssituationen zu erleben. Gleichzeitig wird den Lernenden dabei aber auch die Chance gegeben, einen dynamischen Handlungsverlauf mit allen an der Interaktion beteiligten Parteien zu gestalten. Insofern greifen diese Methoden einen der herausforderndsten Aspekte der mündlichen Kommunikation auf, indem die Schülerinnen und Schüler bereits in diesem geschützten Rahmen dazu angehalten sind, Gesprächsbeiträge hörend zu verstehen, zu interpretieren und schließlich eigene Sprechbeiträge zu produzieren. Je nach Kompetenzniveau der Lernenden kann die Rollenbeschreibung der Akteurinnen und Akteure gesteuert werden, indem entweder mit einer fixen Zuschreibung oder einer freien Interpretation gearbeitet wird (Lepschy 2002: 55ff.).

Strukturierte Kommunikationsübungen: Während Simulationen und Rollenspiele eine Gesprächssituation in ihrer Gesamtheit in den Blick nehmen, fokussieren strukturierte Kommunikationsübungen einzelne relevante Bereiche. Hierbei zählen etwa Übungen zum aktiven Zuhören, zur Verständnissicherung, zum Argumentieren oder zu Fragetechniken im Gespräch. Die Intention dieses Zuganges ist es, Gesprächssituationen kleinschrittiger zu erarbeiten. Sollte es nötig sein, können derartige Übungen auch von einer konkreten Situation losgelöst werden, sodass die Schülerinnen und Schüler sich ausschließlich auf den jeweiligen Sprachbereich konzentrieren (Lepschy 2002: 58).

Fallbesprechungen: Erweist es sich als zielführend, eine konkrete Gesprächssituation ohne persönliche Involviertheit zu erarbeiten, können sogenannte Fallbesprechungen von bereits bestehenden Interaktionssituationen realisiert werden. Dieser Zugang eignet sich in besonderem Maße, wenn ein Problem innerhalb der Gesprächssituation lokalisiert und von verschiedenen

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Perspektiven aus erörtert werden soll. Die Distanz der Schülerinnen und Schüler zur Situation kann dazu beitragen, dass Handlungsalternativen und Lösungswege leichter erarbeitet werden, als dies im Rahmen von Simulationen und Rollenspielen samt persönlicher Involviertheit der Fall ist (Lepschy 2002: 59).

Transkripte: Im Bedarfsfall können audio-visuelle Fallbesprechungen durch die Verschriftlichung einer konkreten Gesprächssituation unterstützt werden. Der Vorteil liegt vor allem darin, die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes kurzzeitig aufzuheben und so die Aufmerksamkeit der Lernenden bewusst auf den Sprachgebrauch und die Interaktion zwischen den Akteurinnen und Akteuren zu lenken. Nicht von der Hand zu weisen ist bei Transkripten allerdings der hohe Planungsaufwand und die Gefahr, dass dieser Extra-Zoom dazu führt, dass sich die Lernenden in Details verlieren. Fallbesprechungen und Transkripte haben ihren didaktischen Nutzen in der mentalen Planung von Gesprächssituationen. Sie eignen sich jedoch nicht, wenn Schülerinnen und Schüler kommunikative Handlungsroutinen praktisch erproben sollen (Lepschy 2002: 60).

1.3.2 BearbeitungsmethodenBearbeitungsmethoden sind analytische und reflexive Ansätze zur Ergänzung der Repräsentationsmethoden. Wie bereits erwähnt, sollen sich beide Teilbereiche komplettieren, sodass Schülerinnen und Schüler Handlungsroutinen und –alternativen in der mündlichen Kommunikation nicht nur durch die praktische Erprobung, sondern auch durch Analyse und Reflexion ausbauen können (Lepschy 2002: 62f.). Folgende Methoden eignen sich zur kognitiven Bearbeitung von Gesprächssituationen.

Feedback: Gerade im Lernprozess erweist es sich als zielführend, wenn die Lernenden sich, am besten unterstützt durch Leitfragen oder vordefinierte Kriterien, im Rahmen einer Gesprächssituation gegenseitig beobachten und einander dann konstruktive Rückmeldungen geben. Das Ziel dieser Methode ist, Selbst- und Fremdwahrnehmung in Beziehung zueinander zu setzen, wodurch letztlich das Bewusstsein für das eigene kommunikative Handeln angeregt werden soll. Ohne Zweifel steckt hinter diesem Ansatz eine längere Vorlaufzeit. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, weder beleidigend noch beschönigend zu sprechen, sondern konstruktiv und lösungsorientiert. Ist dieses Teilziel erreicht, kann bereits von einem Fortschritt ausgegangen werden, insofern die Lernenden dadurch den Grundstein für die nötige Toleranz von anderen Meinungen sowie die Kritikfähigkeit gelegt haben (Lepschy 2002: 63f.).

Situationsanalyse: Die Situationsanalyse ist eine Methode, um wesentliche Faktoren einer konkreten Gesprächssituation zu untersuchen. Dazu zählen die Analyse des Themas, des Anlasses und des Ziels, der Personenkonstellation und der Identitätsschaffung, der kommunikativen Absichten, des Ortes und der Zeit. Die Intention der Situationsanalyse ist es, die Eckpunkte einer Gesprächssituation abzustecken und anhand dessen auf Diskrepanzen zu schließen. Beispielsweise können die Analyse des Gesprächsziels und der Personenkonstellation Rückschlüsse auf mögliche Zielkollisionen der einzelnen Gesprächsparteien geben (Lepschy 2002: 65f.).

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Prozessanalyse: Die Prozessanalyse richtet den Fokus auf die Gesprächsorganisation, die Erarbeitung des Themas und die Beziehungsgestaltung, um mögliche Probleme zu verorten und in weiterer Folge Handlungsalternativen zu entwickeln. Hierbei ist es unbedingt nötig, kriteriengeleitet zu arbeiten und Schülerinnen und Schülern entsprechende Analyseinstrumente zur Verfügung zu stellen. Prozessanalysen arbeiten stark abstrahierend, indem sie die Brücke von einer Metaebene hin zur kognitiven Dimension einer Gesprächssituation schlagen. Insofern erweist sich diese Methode als die herausforderndste in dieser Zusammenstellung. Eingesetzt werden sollte diese daher auch nur bei fortgeschrittenen Lernenden (Lepschy 2002: 66ff.).

2. Didaktische Tipps und HinweiseUnabhängig davon, welche Methode für die Sprachförderung im Fachunterricht gewählt wird, ist es von essentieller Bedeutung, dass den Schülerinnen und Schülern im Zuge der Aufgabenstellung eine motivierende, konkrete und insbesondere fachlich realistische Situation präsentiert wird (Rösch 2011: 177). Mit Ausnahme der strukturierenden Kommunikationsübungen wäre das Lernziel aus sprachsensibler Perspektive verfehlt, wenn Sprechanlässe im Fachunterricht thematisch gesehen im luftleeren Raum schweben.

Wie auch anhand der Methoden im Unterkapitel 1.3 dargelegt, sollte im Fachunterricht eine Sprechkultur entwickelt werden, indem einerseits sowohl Sprechanlässe geschaffen und diese andererseits auch analysiert und reflektiert werden. Außer Zweifel steht, dass ein derartiges Vorgehen mehr Zeit für die Planung und vor allem die Durchführung beanspruchen wird. Nichtsdestotrotz kann das konsequente Handeln der Lehrpersonen in dieser Hinsicht zu einer nachhaltigen Weiterentwicklung der Interaktionskompetenz der Lernenden beitragen. Hingewiesen werden soll in Bezug auf die Planung darauf, dass viele Schulbücher, wie auch jene des MANZ-Verlages, bereits eine umfassende Anzahl an Aufgabenstellungen beinhalten, die sich mit einem überschaubaren Mehraufwand von der schriftlichen Bearbeitung zur mündlichen transferieren lassen. Die zentrale Gelingensbedingung dabei ist das Bewusstsein der Fachlehrerinnen und Fachlehrer für die Relevanz und Notwendigkeit einer sprachsensiblen Förderung der Interaktionskompetenz (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 78).

Sprechanlässe sollen, insbesondere in den unteren Jahrgangsstufen, in ein stressfreies und fehlertolerantes Setting eingebettet werden (Rösch 2011: 177). Wie anhand der obenstehenden Merkmale mündlicher Kommunikation verdeutlicht, ist Sprechen bzw. Miteinander-Sprechen auch immer ein Akt der Selbstoffenbarung. Neben den sprachlichen und kognitiven Anforderungen erweist sich dieser Umstand oftmals als eine große Hemmschwelle für die Schülerinnen und Schüler. Daher gelten sowohl ein gutes Klassenklima (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 80) als auch die strikte Einhaltung und Einforderung von Gesprächsregeln als Gelingensbedingungen für erfolgreiche Sprechanlässe im Fachunterricht (Rösch 2011: 178).Um einen nachhaltigen Lerneffekt zu erzielen, müssen Sprechanlässe regelmäßig und dauerhaft im Fachunterricht verankert werden. Hierbei bietet es sich an, je nach Kompetenzstand der Lernenden in Intervallen bestimmte Unterrichtszeiten für die Interaktionskompetenz zu reservieren (Rösch 2011: 177). In diesem Zusammenhang sei

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auch darauf verwiesen, fachbezogenes Sprechen im Idealfall von der ersten Schulstufe an in den Unterricht zu integrieren, sodass die Lernenden diesen Themenbereich in seiner umfassenden Komplexität wahrnehmen und durchdringen können.In Bezug auf das fachrelevante Sprechen bzw. die Förderung nimmt die Lehrperson einen besonderen Stellenwert ein, da ihr in diesem Zusammenhang die Rolle des Vorbildes zukommt. Ein aktives Vorleben von Interesse und Aufmerksamkeit der fachspezifischen Sprache gegenüber begünstigt die Entwicklung des Sprachbewusstseins sowie die Motivation zum Sprechen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 138).

3. SchulbuchbezugBetriebswirtschaft HAK ILos geht‘sGrundlagen für das Abenteuer WirtschaftSB-Nr.: 190990 mit digi4schoolISBN: 978-3-7068-6001-7Auflage 2019200 Seiten, broschiert, vierfärbig

BW und Projektmanagement HLW IJetzt geht‘s los!Grundlagen von Wirtschaft und Unternehmen verstehenSB-Nr.: 190991 mit digi4schoolISBN: 978-3-7068-6005-5Auflage 2019184 Seiten, broschiert, vierfärbig

4. Übung zum Thema: Gruppendiskussion mittels der Fishbowl-MethodeWie in den theoretischen Ausführungen erläutert, erweist sich sprachsensible Sprechförderung im Fachunterricht insbesondere dann als zielführend und nachhaltig, wenn die Schülerinnen und Schüler einerseits die Möglichkeit zum Sprechen bekommen, sie diese Gesprächssituationen andererseits aber auch analysieren und reflektieren können. Die Methode Fishbowl ermöglicht es vor diesem Hintergrund, beide Dimensionen miteinander zu verbinden, indem Schülerinnen und Schüler sowohl eine

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Gesprächssituation in Form eines Rollenspiels selbst erleben können als auch mittels Beobachtungen Distanz aufbauen können, um verstärkt analytisch und reflektierend zu arbeiten.

Fishbowls sind so konzipiert, dass eine ausgewählte Anzahl von Lernenden sowie gegebenenfalls eine Moderatorin bzw. ein Moderator einen Innenkreis bilden und sich über ein Thema austauschen bzw. dieses kritisch diskutieren. Die analytische Perspektive ist insofern vertreten, als die übrigen Schülerinnen und Schüler einen Außenkreis um die Gesprächsakteurinnen und –akteure bilden und diese Kommunikationssituation beobachten. Speziell für fortgeschrittene Lernende eignet es sich, den inneren Gesprächskreis um einen sogenannten open chair zu erweitern. Dieser ermöglicht es, dass die Beobachterinnen und Beobachter bei Bedarf ihre Rolle tauschen und kurzfristig zu einer aktiven Gesprächspartei werden (Baumfeld/Plicka 2005: 72ff.).

Als praktisches Beispiel für eine sprachsensible Fishbowl-Diskussion wird das betriebswirtschaftliche Thema Verpackung gewählt, das sich in den Büchern Los geht’s (HAK I; S. 78) bzw. Jetzt geht’s los! (HLW I; S. 84) in den Themenbereich der Kaufverträge eingliedert. Bewusst wird ein Beispiel aus der ersten Jahrgangsstufe gewählt, sodass hier der Grundstein für die fachbezogene Interaktionskompetenz gelegt werden kann, die im Idealfall in den weiteren Jahrgangsstufen systematisch erweitert und perfektioniert wird. Anhand dieser Aufgabe lässt sich zudem verdeutlichen, dass die Schulbücher bereits durch die Art der Vermittlung und die Aufgabenstellungen die Basis für die sprachsensible Umsetzung legen. Im vorliegenden Beispiel werden zum einen die Perspektive der Unternehmen, der Umwelt und der Kunden und Kundinnen samt der jeweiligen Argumentation abgebildet, zum anderen erweist sich Übung 4.25 derart flexibel konzipiert, dass die angebotenen Leitfragen sowohl schriftlich als auch mündlich bearbeitet werden können.

Für die sprachsensible Umsetzung in der Unterrichtspraxis empfiehlt sich ein dreigliedriger Aufbau von Vorbereitung, Durchführung und Reflexion der Fishbowl-Diskussion zum Thema Verpackungen. Ein Stundenausmaß von zwei bis drei Einheiten sollte realistisch sein, sodass die Lernenden die Möglichkeit erhalten, sich mit den Unterrichtsinhalten sowohl in fachlicher als auch in sprachlicher Hinsicht ohne Zeitdruck auseinandersetzen zu können.

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4.1 Vorbereitung der DiskussionUm die Fishbowl-Interaktion möglichst gut vorzuentlasten, sollte eine Warm-up-Phase angesetzt werden, innerhalb derer sich die Schülerinnen und Schüler mit ihren jeweiligen Aufgaben für die Fishbowl-Diskussion vertraut machen und auseinandersetzen.2

4.1.2 Der Fishbowl-InnenkreisFür die Schülerinnen und Schüler des Fishbowl-Innenkreises wurde eine sprachsensible Gesprächsvorbereitung entwickelt.3 Dabei soll zuerst die Rollenbeschreibung festgehalten werden und welche Einstellungen, Werte und Überzeugungen sich jeweils durch die Perspektive der Unternehmen, der Umwelt oder der Konsumenten ergeben. Im zweiten Schritt werden in Anlehnung an die Rollenbeschreibung Argumente für die später folgende Diskussion entwickelt.

Abb. 1: Verpackung aus verschiedenen Perspektiven (aus: Jetzt geht‘s los!, S. 84)

Hierbei erweist sich die Aufgabenstellung im Schulbuch als Unterstützung, da die in Abbildung 1 gezeigte Tabelle sowie die in Übung 4.25 angeführten Leitfragen (siehe Abb. 2 unten) erste Anhaltspunkte geben. Gerade für ungeübte Lernende erweist es sich als zielführend, im Rahmen dieser Vorbereitungsphase in Teams oder Kleingruppen mögliche Argumente zu erarbeiten. Geachtet werden sollte in diesem Zusammenhang auf die drei Bestandteile eines guten und stichhaltigen Arguments: Behauptung – Begründung – Beispiel. Den letzten Vorbereitungsschritt bildet schließlich die Überlegung, welches individuelle Gesprächsziel erreicht werden soll. Sinn und Zweck dieser Vorbereitungsarbeit ist es nicht, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Gesprächsanteile auswendig lernen und in der Fishbowl-Diskussion starr von 2 Sollte in der konkreten Praxissituation eine sprachsensible Vorentlastung des Gesprächsthemas nötig sein, bieten sich Übungen zur Aktivierung des Fachwortschatzes, wie beispielsweise das im Beitrag von Februar 2020 vorgestellte Concept-Mapping, an. Je nach fachlichem Kompetenzstand der Lernenden kann auch bei sprachsensiblen Sprechanlässen Scaffolding angewendet werden, um die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen (siehe dazu die Beiträge Scaffolding I und Scaffolding II von März und Mai 2019: https://wasjetzt.net/wissenplus-scaffholding-im-fach/ und https://wasjetzt.net/wissenplus-bildungssprachliche-unterstuetzung-mit-scaffolding-teil-2/).3 Zusatzdokument „Gesprächsplanung_Innenkreis“

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sich geben. Vielmehr geht es im Sinne einer strukturierenden Kommunikationsübung (Lepschy 2002: 58) darum, dass sie einen ihrer Rolle entsprechenden mentale Plan haben, der ihnen zum einen Sicherheit für die mündliche Kommunikation geben und andererseits eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf dynamische Lösungswege gewährleisten soll, wenn in weiterer Folge verschiedene Perspektiven und Argumente an das Thema herangetragen werden.

4.1.2 Der Fishbowl-AußenkreisUm das Setting der Fishbowl zur Förderung der Interaktionskompetenz bestmöglich zu nutzen, bietet es sich an, die im Außenkreis situierten Beobachterinnen und Beobachter in zwei Gruppen zu teilen. Ermöglicht wird dadurch sowohl eine Situationsanalyse als auch ein Feedback (Lepschy 2002: 63–66). Für beide Gruppen wurde jeweils ein Kriterienraster erstellt. Jener zum Feedback4 sieht in Anlehnung an die in Kapitel 1.1 festgehaltenen Merkmale mündlicher Kommunikation (Becker-Mrotzek 2015; zit. nach Eriksson-Hotz 2019: 210f.) vor, dass die Lernenden eine Mitschülerin bzw. einen Mitschüler im Innenkreis hinsichtlich der jeweiligen Argumentation, des Zuhörverhaltens sowie des Aufgreifens anderer Gesprächsbeiträge, der Rollenerwartung und des Identitätsaufbaus sowie verschiedener Ansätzen zur Verständnissicherung beobachten. Anhand dieser Kategorien soll die Aufmerksamkeit bewusst sowohl auf sprachliche als auch auf die pragmatisch-kommunikativen Fertigkeiten der Sprecherinnen und Sprecher gerichtet werden. Die Konzeption des Rasters sieht im Sinne der Erarbeitung von Handlungsalternativen vor, dass für jeden Bereich zuerst positive Aspekte genannt werden, gefolgt von negativen Beobachtungen. Abschließend sollen sich die Lernenden im Außenkreis der Fishbowl Gedanken darüber machen, welche Verbesserungsmöglichkeiten sich daraus realisieren lassen.Der vorgestellte Raster versucht, relevante Teilaspekte kompetenten Sprechens abzudecken. Insbesondere ungeübte Beobachterinnen und Beobachter könnten unter Druck geraten, wenn sie vier verschiedene Bereiche parallel analysieren und reflektieren müssen. Daher ist die Konzeption des Rasters als Zielvorgabe zu verstehen. Im Rahmen der praktischen Umsetzung kann dieser im Sinne der inneren Differenzierung adaptiert werden, indem gerade bei ersten fachbasierten Sprechanlässen nur einer oder zwei Bereiche zur Beobachtung herangezogen werden. Im Umkehrschluss ist es aber genauso möglich, die vorgegebenen Kategorien näher auszudifferenzieren, wenn die Schülerinnen und Schüler im Beobachten und Feedback-Geben bereits geübter und dementsprechend kompetenter sind. Im Hinblick auf die Klassengröße und die damit verbundene Organisation der Beobachtung erweist sich die Fishbowl-Methode als sehr flexibel. Je nach konkreter Situation ist es möglich, eine 1:1-Konstellation zwischen der sprechenden und der beobachtenden Partei herzustellen. Ebenso denkbar, und für die Reflexionsphase besonders interessant, ist, wenn gerade in größeren Klassen mehrere Lernende im Außenkreis eine Mitschülerin/einen Mitschüler beobachten und Feedback geben.

Während sich das reflexive Feedback auf eine Person und deren kommunikatives Verhalten im Innenkreis der Fishbowl fokussiert, bezieht sich die Situationsanalyse auf die strukturellen Bedingungen der Interaktionssituation in ihrer Gesamtheit. Der dazu

4 Zusatzdokument „Kriterienraster_Feedback“

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erstellte Kriterienraster5 regt dazu an, den Gesprächsanlass, die Personenkonstellation(en), deren Gesprächsziele sowie kommunikative Absichten zu beobachten und zu analysieren. Im Zuge der Bearbeitung sollen die Schülerinnen und Schüler Zusammenhänge und andere Auffälligkeiten skizzieren, bevor in einem nächsten Schritt wiederum Überlegungen zu möglichen Handlungsalternativen angestrebt werden. Diese Beobachtungsaufgabe erweist sich ebenso als herausfordernd. Wie auch in Bezug auf das Feedback angemerkt, besteht auch hier die Möglichkeit zu differenzieren, indem die Beobachtungskriterien eingeschränkt oder unter den Schülerinnen und Schülern aufgeteilt werden.

4.2 Durchführung der DiskussionIm Zentrum der Durchführung stehen die Diskussion per se sowie die Beobachtung dieser Gesprächssituation. Eingeplant werden sollten dafür zwischen 30 und 60 Minuten (Baumfeld/Plicka 2005: 73). Im Innenkreis sollten zwischen drei und sechs Personen miteinander diskutieren (Baumfeld/Plicka 2005: 73). Neben dem klassischen Muster „eine Perspektive – eine Person“ ist es auch denkbar, zwei-Personen-Teams zu bilden. Der Vorteil dieses Zugangs liegt klarerweise darin, dass sich die Schülerinnen und Schüler in ihrer Argumentation gegenseitig unterstützen können.

Abb. 2: Leitfragen zur Diskussion (aus: Jetzt geht’s los!; S. 84)

Da die Aufgabenstellung im Schulbuch bereits Leitfragen anbietet, erweist es sich für die praktische Umsetzung als zielführend, wenn eine Moderatorin bzw. ein Moderator das Gespräch leitet. In sprachsensibler Hinsicht sind hierbei mehrere Lösungsansätze denkbar. Werden fachbezogene Sprechanlässe erstmalig praktisch erprobt, sollte diese Rolle von der Lehrperson eingenommen werden, um durch das bereits erwähnte Rollenvorbild einen Kompetenzzuwachs auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu erwirken (Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 22012: 138). Haben die Lernenden ein angemessenes Kompetenzniveau erreicht, spricht nichts dagegen, diese Steuerung an sie

5 Zusatzdokument „Kriterienraster_Situationsanalyse“

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zu übergeben und als Lehrperson eine dezentrale Position einzunehmen (Rösch 2011: 178).

4.3. Reflexion der DiskussionIm Rahmen der Reflexion der Diskussion zur Verpackung aus verschiedenen Perspektiven sollen schließlich sowohl fachliche als auch sprachliche Erkenntnisse zusammengetragen werden. Für die konstruktive Aufarbeitung von Selbst- und Fremdwahrnehmung bietet sich hierbei in besonderem Maße der think-pair-share-Ansatz an (Baumfeld/Plicka 2005: 73). Fokussiert werden sollte einerseits der Austausch zwischen den Beobachterinnen und Beobachtern im Außenkreis und den dazugehörigen Sprecherinnen und Sprechern im Innenkreis, andererseits aber auch jener der beiden Beobachtungsgruppen, um mögliche kommunikative Verknüpfungspunkte zwischen der individuellen und der globalen Ebene der Gesprächssituation aufzuzeigen. Insbesondere für die sprachsensible Dimension im Fachunterricht ist es von zentraler Bedeutung, am Ende dieser sprechbasierten Unterrichtssequenz plenumsbasiert take-home-messages festzuhalten, die wiederum zum Vorwissen weiterer fachspezifischer Sprechanlässe werden (Baumfeld/Plicka 2005: 74).

5. LiteraturBaumfeld, Leo/Plicka, Petra (2005): Großgruppeninterventionen: Das Praxishandbuch.

Online unter: https://www.partizipation.at/fileadmin/media_data/Downloads/literatur/GI-Handbuch.pdf [11.04.2020].

Becker-Mrotzek, Michael/Brünner, Gisela (2004): Der Erwerb kommunikativer Fähigkeiten: Kategorien und systematischer Überblick. In: Becker-Mrotzek, Michael/Brünner, Gisela (Hg.): Analyse und Vermittlung von Gesprächskompetenz. Frankfurt: Peter Lang, S. 29-46.

Budde, Monika/Riegler, Susanne/Wiprächtiger-Geppert, Maja (22012): Sprachdidaktik. Berlin: Akademie Verlag GmbH.

Eriksson-Hotz, Brigit (2019): Der Lernbereich Sprechen im Fokus: Verortung – Entwicklungskontexte – Leistungsmessung. In: Ender, Andrea/Greiner, Ulrike/Strasser, Margareta (Hg.): Deutsch im mehrsprachigen Kontext: Sprachkompetenzen begreifen, erfassen, fördern in der Sekundarstufe. Hannover: Klett/Kallmeyer, S. 207-228.

Lepschy, Annette (2002): Lehr- und Lernmethoden zur Entwicklung von Gesprächsfähigkeit. In: Brünner,Gisela/Fiehler, Reinhard/Kindt, Walther (Hg.): Angewandte Diskursforschung: Methoden und Anwendungsbereiche (Band 2). Radolfzell: Verlag für Gesprächsforschung, S. 50-71.

Rösch, Heidi (2011): Deutsch als Zweit- und Fremdsprache. Berlin: Akademie Verlag.Schmölzer-Eibinger, Sabine (2008): Lernen in der Zweitsprache: Grundlagen und

Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen (Europäische Studien zur Textlinguistik Band 5). Tübingen: Narr.

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