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 gefangenen info unsere solidarität gegen ihre repression feb./märz 2010 nr. 353 preis brd: 2 € preis ausland: 2,70 € www.gefangenen.info Der 18. März und die Internationale Rote Hilfe (IRH) Italien: Gefangenenkollektiv „Aurora“ ist gegründet worden ► Zur Kommunikation mit den Gefangenen / Ge fangenenbriefe

Gefangenen Info #353

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8/6/2019 Gefangenen Info #353

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gefangenen infounsere solidarität gegen ihre repression

► feb./märz 2010 ► nr. 353  ► preis brd: 2 € ► preis ausland: 2,70 € ► www.gefangenen.info

► Der 18. März und dieInternationale Rote Hilfe (IRH) 

► Italien: Gefangenenkollektiv „Aurora“ ist gegründet worden

► Zur Kommunikation mit denGefangenen / Gefangenenbriefe

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Liebe Leserinnen und Leser,

diese Ausgabe steht wieder im Zeichen des 18. März, dem Tag der politischenGefangenen. Wir möchten uns an dieser Stelle zunächst bei den Gefangenenbedanken, die uns aus diesem Anlass Briefe geschrieben haben. Diese habenwir gerne aufgenommen und abgedruckt. Briefe, die es aufgrund der schi-kanösen Kontrollen noch nicht geschafft haben, in unseren Briefkästen an-zukommen, werden wir natürlich in der kommenden Ausgabe unterbringen.

Mittlerweile wurden wir über den anstehenden Prozess gegen unsere Zei-tung in Kenntnis gesetzt. Dieser findet am 21. April 2010 vor dem AmtsgerichtTiergarten in Berlin statt. Näheres dazu und zu unserer Mobilisierung gegendie Einschüchterungs- und Zensurversuche könnt ihr auf Seite 6 nachlesen.Eine erfreuliche Nachricht in diesem Kontext ist der Freispruch der Inter-netzeitung „scharf-links“, die wegen derselben Verleumdungsklage zu 12.000Euro Strafe verdonnert werden sollte.

Und ebenfalls im selben Kontext steht der Schwerpunkt dieser Ausgabe. Dennneben den laufenden §129b-Verfahren in Stuttgart-Stammheim und Düssel-dorf, der geplanten Auslieferung von Faruk Ereren (sein Bild haben wir aufunserer Titelseite platziert) und der Kriminalisierung der Gegenöffentlichkeitin Form von Verleumdungsklagen beginnt am 11. März 2010 in Düsseldorf einweiterer §129b-Prozess. Und damit nicht genug; die Solidaritätsbewegung

sieht sich mit massiver Repression konfrontiert. Kurz vor unserem Redak-tionsschluss fand erneut eine bundesweite Repressionswelle statt, bei derwieder zwei Personen wegen angeblicher Mitgliedschaft in der DHKP-C ver-haftet wurden. Wir haben versucht, den uns zur Verfügung stehenden Platzmit den wichtigsten Informationen zu füttern.

Aus aktuellem Anlass haben wir dem Appell gegen das Gewerkschaftsver-bot der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft FAU auf Seite 9 Platz ein-geräumt. Da im Zuge der sozialen und ökonomischen Krise Arbeitskämpfean Heftigkeit zunehmen werden, werden sich auch die Repressalien gegen(Noch-)Beschäftigte mehren. Diese Entwicklung wollen wir als GI-Redaktionim Auge behalten, ohne dass sich allerdings der Charakter dieser Zeitschriftdadurch grundlegend verändern wird. Hinter den Knastmauern sind Arbeits-zwang und Niedrigstentlohnung Alltag; Elemente dieses Knastalltags werden

offensichtlich mehr und mehr „vergesellschaftet“.

Neben zwei Texten in unserer internationalen Rubrik, die das Thema Folterbehandeln, haben wir aus Italien die erste Erklärung des kommunistischenGefangenenkollektivs Aurora abgedruckt. Dem Kollektiv gehören die revoluti-onären Gefangenen aus dem PC-pm Prozess an. Des weiteren kündigen wirmit einem Interview den Stuttgarter Antifa-Prozess und mit einem redaktio-nellen Beitrag den Prozess gegen die österreichischen TierrechtlerInnen an.

Wir bedanken uns schließlich noch bei Eva Haule, die uns für unsere Aktivi-täten zum 18. März in Berlin ihre „Fotos gefangener Frauen“ zur Verfügunggestellt hat und die wir auf unserer Seite 20 ankündigen.Wir verbleiben mit herzlichsten, solidarischen Grüßen und beenden unserVorwort mit unseren Parolen für den diesjährigen 18. März:

Knastkampf ist Klassenkampf!Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!

Die Redaktion

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestraße 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beiträge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2€. Ein Jahresabonnement kostet 25,20€ (Förderabo 28,00€), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestel -lungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70€. Ein Jahresabonnement kostet 28,40€ (Förderabo 31,20€), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestraße 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist. „Zur-Habe-Nahme“ ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushändigung zurückzuschicken.

e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

2 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

►  vorwort ► inhalt dieser ausgabe

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Der 18. März und die InternationaleRote Hilfe (IRH)

Schwerpunkt

Die EU-Terrorliste und die Folgen

§129b-Prozesse gegenmigrantische Linke gehen weiter

Freispruch für Scharf-Links

Prozess gegen Gefangenen Infoam 21. April 2010

Staatssterror gegen Migrant_innen

Inland

Interview zumStuttgarter Antifa-Prozess

Faktisches Gewerkschaftsverbot

gegen die FAU

International

Türkei: „Null Toleranz!“?

Guantanamo/USA: Musikfolter

Griechenland: Doppelte Bestrafung

Honduras:Ermordung einer Basisaktivistin

Österreich: Prozessauftakt gegen die

TierrechtlerInnen am 2. März 2010

Italien: Gründung desGefangenenkollektivs Aurora

Frankreich: Für die Freilassung derGefangenen aus Action Directe

Kurzbericht zurBaskenland Aktionswoche

Gefangene

Zur Kommunikation mit Gefangenen

Briefe aus den Knästen

Feuilleton

Ankündigungen

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feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 3

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

In dieser Informations- und Diskussionsveran-

staltung wollen wir ein Projekt der weltweit or -ganisierten Linken vorstellen, das seit einigenJahren auf ein gesteigertes Interesse stößt:die Internationale Rote Hilfe (IRH).

In dem vorgesehenen Dia-Vortrag werden wir die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichteder IRH in ihren verschiedenen Etappen vor -stellen und nachzeichnen. Dabei werden wir die Gründung der IRH Anfang der 20er Jahredes 20. Jahrhunderts beleuchten, die vor demHintergrund der verstärkten staatlichen Ver -folgung von vor allem kommunistischen Par -

teien und proletarisch-revolutionären Bewe-

gungen erforderlich wurde. Die Notwendigkeitder Bildung von proletarischen Schutz- undSolidaritätsorganisationen wurde in der Pha-

se des weltweiten revolutionären Aufbruchsnach dem Ende des Ersten Weltkrieges(1914-1918) für die radikale Linke existenziell.Die Gründung der IRH el in den Zeitraumzweier epochaler Wendepunkte: auf der einenSeite stand der Sturz des Zarismus in Russ-

land, der anschließende Bürgerkrieg und dieStabilisierung der proletarischen Rätemachtunter der späteren Führung der Bolschewiki.Auf der anderen Seite keimten vor allem inSüdosteuropa klerikal-reaktionäre und fa-

schistische Tendenzen auf. Der Aufstieg desitalienischen Faschismus mit dem „Marschauf Rom“ im Oktober 1922 ist dabei nur dasbekannteste Beispiel.

Bei unserer Darstellung werden wir zwingendauf das Wechselverhältnis zwischen der sich1919 konstituierenden KommunistischenInternationale (Komintern) und der IRH ein-

gehen, deren Gründung auf dem IV. Komin-

tern-Kongress 1922 beschlossen wurde. DieKomintern, die nach dem Zusammenbruchder Zweiten Internationale aufgrund des So-

zialchauvinismus und der Taktik des Burg-

friedens der sozialdemokratischen Parteien

vor und während des Ersten Weltkrieges alsSammelbecken für die radikale linke Oppo-

sition erforderlich wurde, wirkte direkt auf diePolitik der IRH ein bzw. zurück. Dementspre-

chend war das Ende der Komintern 1943 zu-

gleich das Ende der IRH.

Im Rahmen der Veranstaltung versuchen wir die programmatischen und konzeptionellenGrundlagen der IRH zu streifen. Insbesonde-

re werden wir das Spannungsfeld zwischender proklamierten Einheitsfrontpolitik der IRHund der zwischenzeitlichen Sozialfaschismus-

rhetorik problematisieren. Ebenso stelltendie diversen organisatorischen Schwächeneinzelner IRH-Sektionen ein Hindernis in der alltäglichen Antirepressionsarbeit dar.

Des weiteren wollen wir einen Überblick über einzelne international getragene Kampagnengeben, die in direkter Verbindung zu Repres-

sionswellen gegen die organisierte Linke inverschiedenen Ländern standen.

Der Anlass dieser Veranstaltung zur IRH istder Tag des politischen Gefangenen, der 18.März. Dieser wurde auf Beschluss der IRH zueinem alljährlich stattndenden internationa-

listischen Solidaritätstag mit den politischen,revolutionären und proletarischen Gefange-

nen in aller Welt erklärt. An diese Traditionknüpfen wir mit dieser Veranstaltung als Netz-

werk Freiheit für alle politischen Gefangenenan.

Im Rahmen der Veranstaltung eröffnen wir 

eine thematisch passende Ausstellung mitGefangenenportraits, die uns von der Foto-

gran und ehemaligen RAF-Gefangenen, EvaHaule, zur Verfügung gestellt wurden.

Vernissage und Informations-/Diskussi-onsveranstaltung:

Der 18. März und die Internationale RoteHilfe (IRH) /Eva Haule: Bilder gefangener Frauen

Donnerstag, 18. März 2010, 19.30 Uhr Cafe Kohi/Galerie Kraftwerk

Rungestr. 20, 10179 Berlin

Veranstalter:Netzwerk Freiheit für alle politischenGefangenen - Berlin

Der 18. März und dieInternationale Rote Hilfe (IRH) 

18. März Aktionskalender 

Informationsveranstaltung zu den §129b Pro-

zessen in Düsseldorf und Stuttgart15. März 2010, 19.00 Uhr Infoladen, Ludwigstr. 37, 06110 HalleVeranstalter: Rote Hilfe OG Halle,Gefangenen Info

Informationsveranstaltung: Antiknastarbeit16. März 2010, 21.00 Uhr AZ Conni, Rudolf Leonhard Str. 39, 01097Dresden, Veranstalter: Rote Hilfe OG Dresden,Gefangenen Info

Gefangenenunterstützung17. März 2010, 20.00 Uhr JG-Stadtmitte, Johannisstraße 1407743 Jena, Veranstalter: Rote Hilfe OG Jena,Gefangenen Info

Vernissage und Informations-/Diskussionsver -anstaltung: Der 18. März und die InternationaleRote Hilfe (IRH) /

Eva Haule: Bilder gefangener FrauenDonnerstag, 18. März 2010, 19.30 Uhr Cafe Kohi/Galerie KraftwerkRungestr. 20, 10179 BerlinVeranstalter: Netzwerk Freiheit für allepolitischen Gefangenen - Berlin

Gefangenenunterstützung18.März 2010, 20.00 Uhr LiWi (Lichtwirtschaft), Stockartstraße 1104277 Leipzig, Veranstalter: Rote Hilfe OGLeipzig, Gefangenen Info

Diskussionveranstaltung über Grenzen undMöglichkeiten des Hungerstreiks

Donnerstag, 18. März 2010, 21.00 Uhr Schnarup-Thumby, Scharnweberstrasse 38Friedrichshain, 10247 BerlinVeranstalter: ABC Berlin

Vokü- und Infoabend zum bevorstehenden§129b-Prozess gegen anatolische Linke inDüsseldorf Freitag, 19. März 2010, 19.00 Uhr Stadtteilladen „Lunte“ in Neukölln,Weisestr. 53, 12049 BerlinVeranstalter: Netzwerk Freiheit für allepolitischen Gefangenen - Berlin

Die §129b-Gefangenen, ihre Haftbedingungenund die Prozessverläufe

Freitag, 19. März 2010, 19:30 Uhr Kölibri, Hein Köllisch Platz 12, 20359 Ham-

burg. Veranstalter: AntirepressionsgruppeHamburg, Netzwerk Freiheit für alle politischenGefangenen - Hamburg, Projekt RevolutionärePerspektive (PRP)

Film: Bambule / Diskussion mit ehemaligenGefangenenMontag, 22. März 2010, 20.00 Uhr New Yorck 59, Mariannenplatz 2Kreuzberg, 10997 BerlinVeranstalter: ABC Berlin

Informationsveranstaltung zum §129-Prozessin Düsseldorf Dienstag, 30. März 2010, 19.30 Uhr Linkes Zentrum, Corneliusstraße 10840215 Düsseldorf Veranstalter: Rote Hilfe OG Düsseldorf,Alerta Netzwerk

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4 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

„...Obwohl es ein „Anti-Terror-Verfahren“ ist,geht es hierbei nicht um die Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands. Es geht

um die Verteidigung Ankaras in Düsseldorf,einem Folter- und Mörderregime und des-

sen Freiheiten. Die gleiche Freiheit oder die„westlichen Werte“ werden auch genauso amHindukusch verteidigt. So benennen sie ihrenKrieg...“ (Cengiz Oban, JVA Bochum)

In den politischen Prozessen gegen anato-

lische Linke in Deutschland kommt nun einneuer Paragraph zum tragen, dessen Vor -gabe die sog. EU-Terrorliste ist. Es handeltsich hierbei um eine Liste, die allein auf denInformationen aus den verschiedenen eu-

ropäischen Geheimdiensten beruht und innichtöffentlicher Sitzung vom EU-Ministerrat

beschlossen wird.

Menschen, die z.B. Spenden für politischeGefangene oder gar soziale Projekte sam-

meln, können so, wie die Angeklagten CengizOban, Ahmet Istanbullu und Nurhan Erdem imdemnächst beginnenden Prozeß kriminalisiertwerden. Allein ein Umstand wie dieser, im Zu-

sammenhang mit dem Vorwurf der Mitglied-

schaft in der DHKP-C soll nun reichen, dieseMenschen langfristig hinter Gitter zu stecken.Der §4 Abs.4 des Außenwirtschaftsgesetzesstellt genau das unter Strafe. Der Strafumfangkann bei gemeinschaftlichem Verstoß bis zu15 Jahren Haft betragen. Dies geht somit weit

über das Strafmaß hinaus, um dass es bei ei-ner alleinigen Verurteilung nach §129b geht.

So reicht die Tatsache, dass die DHKP-C auf der EU-Terrorliste steht aus, um Menschendenen keine wirkliche Straftat zur Last gelegt

werden kann, einfach wegzusperren. Eineverbindliche rechtliche Prüfung, inwieweitGruppen und Einzelpersonen „zurecht“ auf 

der Liste stehen ist nicht vorgesehen. Ge-nauso wie Abwägungen im Sinne des Völker -rechts, ob eine Organisation z.B. sich Mittelnlegitimer Selbstverteidigung gegen ein Ter -rorregime bedient. Wie willkürlich solche Zu-

schreibungen sind zeigt der Umgang mit demsüdafrikanischen ANC und den Irakisch-Kur -dischen Organisationen wir der PUK. BeideParteien wurden zu Beginn ihrer Aktivitäteninternational als „terroristisch“ eingestuft undzwischenzeitlich als Befreiungsorganisati-onen geführt. Mittlerweile sind sie an der Re-

gierungsmacht in ihren Ländern beteiligt.

Selbst das höchste europäische Gericht, der 

europäische Gerichtshof, dessen Entschei-dungen für Regierungen und nationale Ge-

richte bindend sind, kritisiert das Verfahrender Erstellung der EU-Terrorliste als unde-

mokratisch und ausserhalb jeder juristischenKontrolle. Nationale Gerichte haben keineMöglichkeit gegen die Listung vorzugehen,selbst wenn betroffene Menschen, in ihrenelementarsten Menschenrechten beschnittenwerden.

Der Sonderermittler des Europarats Dick Mar -ty beschrieb in einer Stellungnahme 2007,was die Aufnahme in die Terrorliste konkretbedeutet: Die Betroffenen wurden nicht ver -

ständigt sondern erfuhren davon, wenn sieüber ihr Bankkonto verfügen wollten oder eine Grenze überschritten. Es gab keine An-

klage, keine ofzielle Benachrichtigung, keinrechtliches Gehör, keine zeitliche Begren-

zung und keine Rechtsmittel, gegen diese

Maßnahme. Wer einmal auf der Liste steht,hat kaum mehr eine Chance auf ein norma-

les Leben. Er ist quasi vogelfrei, wird politischgeächtet, wirtschaftlich ruiniert und sozialisoliert. Dazu kommen Überwachungs- undErmittlungsmaßnahmen, nicht nur gegen diegelisteten Personen sondern auch gegenderen gesamtes Umfeld. Das kann auch Per -sonen betreffen, die ohne ihr eigenes Wis-

sen in geschäftlichen oder privaten Kontaktmit gelisteten Personen oder Organisationengeraten. Die Betroffenen tragen schon heuteein erstmal noch unsichtbares Stigma. Wennselbst Teile des EU-Apparats wie Herr Martyund der Europäische Gerichtshof kein gutesHaar an der EU-Terrorliste lassen, wie kannes sein dass in Deutschland migrantische Lin-

ke auf dieser Grundlage angeklagt werden?

Die Anwort gibt der sog. „Rechtsstaat“, in demer seine eigenen Prinzipien so offensichtlichüber Bord wirft, dass hinter dieser Fassadedas zum Vorschein tritt, was diesen Staat ge-

schichtlich geprägt hat und was heute wieder mehr und mehr zum Thema wird.

Es wird hier ein Grad politischer Justiz er -reicht, dass dem Feindstrafrecht entspricht.Freund und Feind sind klar auszumachen.Der gemeinsame Kampf mit dem Folterre-

gime der Türkei gegen aus guten Gründennach Deutschland immigrierte Linke wirdgrenzübergreifend durchexerziert. Die gutenBeziehungen zum NATO-Partner Türkei unddie gemeinsame wirtschaftliche und politischeZusammenarbeit werden gepegt, auch wennsich der deutsche Staat mit Folterern gemeinmacht.

Nicht zuletzt werden Folterspezialisten, wieder Chef der Istanbuler Anti-Terror-Abteilung,als Zeugen der Anklage zu den §129b-Prozes-

sen in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf eingeladen. Heute geht es erstmal „nur“ umin Deutschland lebende Migrant_innen. Wenndie Bundesanwaltschaft aber mit diesen An-

klagepunkten durchkommt, kann demnächsteine Spendensammlung von Internationa-

list_innen mit fortschrittlichen oder andern-

orts von Repression betroffenen Projektenausreichen, um lange Jahre weggesperrt zuwerden. Jeder Beitrag für die Prozesskosteneines Gelisteten, ob durch eine Spende oder die Veranstaltung einer Soliparty könnte dann

kriminalisiert werden. Öffentliche Aktionenwie das Sammeln von Geld für die sandi-nistische Revolution in den 80ern, die damalsals „Waffen für El Salvador“-Kampagne unter anderem in der TAZ beworben wurden, wärenheute Grund genug alle Beteiligten (inkl. denpresserechtlich Verantwortlichen der TAZ)

 jeder materiellen Lebensgrundlage zu berau-

ben. (red.)

„Wenn das von der Bundesanwaltschaft ange-

strebte Vorgehen in diesem Prozess in einer Art Präzedenzurteil bestätigt würde, bestehtdie Gefahr, dass damit jegliche unerwünschtepolitische Arbeit oder nanzielle Interaktion

ohne angemessene juristische und demokra-

tische Kontrolle kriminalisiert werden könnte.“(Auszug aus einer Pressemitteilung der An-

wältinnen von Cengiz Oban)

Die EU-Terrorliste und die Folgen....über die Manifestierung desFeindstrafrechts in Deutschland

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feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 5

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Vor den Staatsschutzsenaten der Oberlan-

desgerichte in Stuttgart-Stammheim und inDüsseldorf laufen seit 2007 bzw. 2009 zwei§129b-Prozesse gegen migrantische Linke.Den Angeklagten wird die Mitgliedschaft inder in Deutschland und der Türkei verbote-

nen DHKP-C vorgeworfen. Seit 2002 stehtdiese Organisation, die für einen revolutio-

nären Umsturz in der Türkei kämpft, auf der „EU-Terrorliste“. Eine Liste die jetzt, zur Er -öffnung des dritten §129b-Prozesses wegenDHKP-C-Mitgliedschaft Mitte März in Düssel-

dorf in ein besonderes Blickfeld gerät. DenAngeklagten Cengiz Oban, Ahmet Istanbulluund Nurhan Erdem werden über die Mitglied-

schaft in der DHKP-C hinaus strafbare Hand-

lungen im Zusammenhang mit dem §34 AWG(Außenwirtschaftsgesetz) vorgeworfen. DieVorwürfe bezüglich den Verstößen gegen dasAWG basieren auf der „EU-Terrorliste“, daden darauf gelisteten Organisationen nan-

zielle Transaktionen untersagt sind. Diese Li-ste, auf der sich etwa 50 Einzelpersonen undOrganisationen benden, wird vorwiegenddurch Geheimdienstinformationen erstelltund wird vom EU-Ministerrat in nicht-öffent-licher Sitzung abgesegnet (siehe auch S.4).

Personen, die sich auf dieser Liste bendenhaben keinerlei rechtliche Handhabe dage-

gen vorzugehen! Die Einführung des §129bin der BRD bildet in diesem Zusammenhangein weiteres Mittel zur grenzüberschreitendenVerfolgung politisch mißliebiger Gruppen. Nur auf Entscheidung des Justizministeriums hinwerden Ermittlungen nach §129b eingeleitetsomit entschieden, ob Personen als „Mit-glieder in einer ausländischen terroristischenOrganisation“ verfolgt werden.

Der §129b- Prozessin Stuttgart-Stammheim

Die momentan stattndenden §129b-Pro-

zesse sind gleichförmig von der Willkür des juristischen Personals geprägt. Ähnlichkeitenzur parteilichen Prozessführung der Staats-

schutzsenate der siebziger und achziger Jahre, die damals unter anderem die Ge-

fangenen aus der RAF aburteilten sind keinZufall, sondern Systemimmanent. Den be-

sondere Bezugsrahmen bilden die deutsch-türkischen Beziehungen. In beiden Verfahrenfußen große Teile der Anklage auf Aussagenvon Folterern und Gefolterten, die größten-

teils schriftlich eingebracht werden oder wiein Stammheim erlebt, auf wenig glaubwür -dig vorgetragenen Einlassungen eines psy-

chisch kranken Doppelagenten, der für dentürkischen Geheimdienst (MIT), sowie denVerfassungsschutz (VS) tätig war. Unterfüttertwerden die Aussagen durch juristisch nichtnachprüfbare, von VS und Geheimdienstenzusammengetragene Materialien, die den

Nachweis erbringen sollen, das die Angeklag-

ten Aufgaben in Sinne der DHKP-C ausge-

führt haben.Trotz der dünnen Beweislage in den Prozes-

sen, kam es letztes Jahr in Stammheim schonzu Verurteilungen auf der Grundlage des§129b. Die drei gesundheitlich, teilweise starkangegriffenen Gefangenen Mustafa Atalay, Il-han Demirtas und Hasan Subasi, die währendihrer ganzen Untersuchungshaftzeit von biszu 3 Jahren unter Isolationshaftbedingungenverbracht hatten, wurden vom Gericht zu

einem Deal genötigt, der ihnen die Möglich-

keit gab sich gesundheitlich wiederherzustel-len. Im Falle des herzkranken GefangenenMusafa Atalay war die Situation lange Zeit le-

bensbedrohlich. Durch nichtdenunziatorischeEinlassungen, die Gericht und Verteidigungaushandelten, konnte für die Gefangenen einniedrigeres Strafmaß erreicht werden. Die Ur -teile, auf der Grundlage des §129b lagen zwi-schen 2 Jahren und 8 Monaten und 5 Jahren.Unter Anrechnung der U-Haftzeit wurden dieReststrafen zur Bewährung ausgesetzt. Ge-

gen die beiden Angeklagten Ahmet D. Yükselund Devrim Güler läuft der Prozess in Stamm-

heim noch weiter.

Mittlerweile wurde zum zweiten Mal un-ter Protest der Anwälte der Leiter der Anti-Terror-Abteilung der Polizei Istanbul Serdar Bayraktutan als Zeuge geladen. Gegen ihnliegen mehrere Anzeigen wegen Folter vor.In einer Presseerkärung vom 18.01.2010 kri-tisierte PRO ASYL die Praxis des Gerichtsdiesen Zeugen ungeprüft vorzuladen. „EineAbschöpfung von unter Folter zustande ge-

kommenen Informationen darf es in einemRechtsstaat nicht geben,“ erklärte MareiPelzer, rechtspolitische Referentin von PROASYL. Die deutsche Justiz dürfe Folter nichtlegitimieren, indem sie für Folter Verantwort-liche als Zeugen anhöre. Es handele sich

um „Früchte eines vergifteten Baumes“, diein einem Rechtsstaat nicht geerntet werdendürfen. Auch die MdB Ulla Jelpke weist in re-

gelmäßigen Abständen auf die Aufweichungdes grundgesetzlichen Folterverbotes hin. Sowerden Folterstaaten und deren Folterer wieder Leiter der Istanbuler Polizei noch ermutigtund Foltergeständnisse legitimiert.

Der Prozeß in Düsseldorf - Faruk Ererendroht die Abschiebung in die Türkei

Da Faruk Ereren, Angeklagter im Düsseldor -fer §129b-Prozeß sich auch nach über einemJahr quälenden Prozeßalltags nicht auf ei-

nen Deal einließ und umfangreich von sei-nem Aussageverweigerungsrecht Gebrauchmachte, agiert der 2. Strafsenat des OLG Düs-

seldorf auf einer sehr dünnen Beweislage, diewie im Stuttgarter Prozeß auch auf Aussagenvon Folterern und geheimdienstlichem „Be-

weismaterial“ basiert. Nun droht Faruk aktuelldie Abschiebung in die Türkei! Am 29.1.2010fasste der 2. Strafsenat des OLG Düsseldorf den Beschluss, dem Auslieferungsersuchender Türkei zuzustimmen. Am 6.2. 2010 erhieltder Verteidiger von Faruk den Beschluss undes bleibt eine vierwöchige Frist, um Verfas-

sungsbeschwerde einzulegen.Bei einer Auslieferung an die Türkei droht Fa-

ruk Ereren systematische Folter, menschen-

unwürdige Behandlung und lebenslänglicheIsolationshaft, welche die Schwelle zur un-

menschlichen und erniedrigenden Behand-

lung erreicht und daher mit Art. 3 MRK unver -einbar ist.Es gibt sehr viele Urteile in Deutschland ge-

gen türkische politische Aktivisten, deren Aus-

lieferung an die Türkei aber stets abgelehntwurde, mit der Begründung, dass es für siedie Aussetzung unter systematische Folter in türkischen Gefängnissen bedeuten würde.Faruk Ereren wörtlich: „Was mich erwartetwenn ich in die Türkei ausgeliefert werdensollte, ist Repression, Folter und Haft bis zum

Tod.“Alle noch inhaftierten türkischen §129b-Ge-

fangenen sind weiterhin Isolationshaftbedin-

gungen ausgesetzt. Sie verbringen 23 Stun-

den auf der Zelle. Ihre Post wird überwachtund zensiert. Der Besuch von Prozeßbeo-

bachter_innen und Menschen aus dem solida-

rischen Umfeld wird ihnen fast ausnahmslosverwehrt. Faruk Ereren schrieb zur Knastsitu-

ation der §129b-Gefangenen: „Das ist weißeFolter, mit dem Ziel uns zu zermürben“.

Neuer §129b-Prozeß in Düsseldorf -Anklage auf Grundlage desAußenwirtschaftsgesetzes (§34 AWG)

Im nächsten Prozeß, der am 11. März in Düs-

seldorf beginnen soll, legt die Bundesstaats-

anwaltschaft noch eins drauf. Den Angeklag-

ten Cengiz Oban und Ahmet Istanbullu werdenVerstöße gegen §34 AWG in Zusammenhangmit einer vermeintlichen Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen. Die konkreten Vorwür -fe betreffen allerdings fast ausschließlich dieArbeit in legalen Kulturvereinen, Solidaritäts-

arbeit zur menschenrechtswidrigen Situationin türkischen Gefängnissen und nanzielleUnterstützung politischer Gefangener.Der §34 AWG bestraft jeden Verstoß ge-

gen wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen

im Zusammenhang mit der „EU-Terrorliste“.Sie wurde die im Zuge des EU-weit verab-

schiedeten „Rahmenbeschlusses über denTerrorismus“ eingeführt. Als Argument dientedamals, nach „9/11“ der Kampf gegen islami-stische Gruppen. Aber schon von Anfang anstanden bewaffnet kämpfende Gruppen wiedie FARC und ETA , inkl. vielen mittlerweileverbotenen Organisationen der baskischenLinken, die vom spanischen Staat der ETAzugeschlagen werden und eben die DHKP-Cauf der Liste. Die Rechtanwältin Anni Puesbeklagte die Tatsache, dass es bei diesemAnklagekonstrukt nicht mehr den nationalenStrafgerichten obliegt, zu überprüfen ob eine

Organisation „terroristisch“ ist oder nicht. Umdie Mitgliedschaft von Cengiz Oban, AhmetIstanbullu und Nurhan Erdem in der DHKP-C zu beweisen, wurde ebenfalls der Chef der Istanbuler „Anti-Terror“-Abteilung, Serdar Bayraktuktan, als Zeuge benannt. (red.)

§129b-Prozesse gegenmigrantische Linke gehen weiter

Neuer Prozeß, neues Konstrukt -

Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz 

Weitere Infos: www.no129.info

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6 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Freispruch fürScharf-LinksAm 16. Februar 2010 wurde die Online-

Redakteurin Edith Bartelmus-Scholich vomAmtsgericht Krefeld freigesprochen. Sie istdie presserechtlich Verantwortliche des On-

line-Portals „Scharf-Links“ und hatte wegeneines Artikels auf der Seite ohne jegliche Vo-

rankündigung einen Strafbefehl in Höhe von12.000 Euro erhalten.

Verleumdungsklage des OLG Düsseldorf 

Das OLG Düsseldorf warf Edith Bartelmus-Scholich vor, einen Prozessbericht der RotenHilfe Düsseldorf-Mönchengladbach zum§129b-Verfahren gegen den türkischen Mi-granten Faruk Ereren veröffentlicht zu haben,

mit der sich diese zur Beugehaft gegen denZeugen Nuri Eryüksel äußerte. Der verant-wortliche Richter im Verfahren gegen FarukEreren fühlte sich durch den Inhalt des Pro-

zessberichts beleidigt und strengte Verleum-

dungsklagen gegen die Publikationsorgane„Scharf-Links“ und „Gefangenen Info“ an.

„Blind in Beugehaft“

In dem inkriminierten Text „Blind in Beuge-

haft“, welcher auch im „Gefangenen Info“Nr. 348 veröffentlicht wurde, wurde ein Ver -handlungstag im §129b-Prozess gegen FarukEreren beschrieben. Nuri Eryüksel hatte es

abgelehnt, über die Strukturen der türkischenExilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Ge-

richt bestand aber auf seine Zeugenaussageund erließ dann die Beugehaft, die noch imGerichtssaal vollstreckt wurde. Dieses Vor -gehen sorgte unter den Prozessbeobachte-

rInnen für besondere Empörung, weil Nuri

mehrere Jahre in türkischen Gefängnissen

inhaftiert war und dort auch gefoltert wurde.Er hat mittlerweile auch als Spätfolge der Fol-ter sein Augenlicht verloren. Die Verhängungder Beugehaft wurde dann 4 Wochen später aufgehoben und vom BGH als rechtswidrigkassiert! Die ProzessbeobachterInnen der Roten Hilfe Düsseldorf-Mönchengladbachschreiben in ihrem Bericht dem zuständigenRichter nach der Verkündung der Beugehafteine Bemerkung zu, die von vielen Ohrenzeu-

gen als zynisch empfunden wurde. Dort sollder Richter mit Verweis auf Nuris Erblindungerklärt haben, dass er vielleicht in der Beu-

gehaft zur Besinnung komme. Der Richter bestreitet diese Äußerung. Mehrere Prozess-

beobachterInnen, darunter ein Anwalt und einVertreter des Komitees für Grundrechte kön-

nen sich an eine von ihnen als zynisch emp-

fundene Äußerung des Richters erinnern. ImProzess gegen Bartelmus-Scholich spielte di-ese Frage allerdings (leider) keine Rolle.

Der Prozesstag gegen „Scharf-Links“

Über 30 solidarische Prozessbeobachte-

rInnen konnten mit verfolgen, wie die An-

geklagte Edith Bartelmus-Scholich und ihr Anwalt die Verleumdungsklage zerpückten.Eine Verleumdung im Sinne der Anklageliegt erst dann vor, wenn die verantwortliche

Redakteurin wissentlich falsche Aussagenverbreitet hätte. Die angestrengte Verleum-

dungsklage über den von allen Seiten alsüberdimensional bezeichneten Geldbetragvon 12.000 Euro ging ins Leere, da die Be-

troffene Online-Redakteurin weder der Ur -sprung der inkriminierten Meldung war, nochselbst bei dem im Bericht behandelten Pro-

zesstermin anwesend war. Selbst die Staats-

anwaltschaft kam nicht umhin auf Freispruchzu plädieren. Von dieser Tatsache ausgehendist es zwar immer noch möglich aber eher un-

wahrscheinlich, dass die Staatsanwaltschaftein Revisionsverfahren anstrebt.

Die Stimme gegen die §129b-Verfahrenerheben!

Die §129b-Verfahren werden bisher in vorwie-gend linken Kreisen diskutiert und es existiertdarüber hinaus praktisch keine Wahrneh-

mung in der Öffentlichkeit. Und doch gingder Prozess gegen Faruk Ereren bisher nichtreibungslos über die Bühne: Es gab enga-

gierte ProzessbeobachterInnen, die es sichnicht nehmen ließen, den Gefangenen zugrüßen, auch wenn die Gerichtsordnung esverbietet. Dafür ließ der vorsitzende Richter ein Dutzend ProzessbesucherInnen über eineStunde in den Zellen des Gerichtsgebäudeseinsperren und unternahm später nichts ge-

gen die prügelnden Justizpolizisten (sieheGI 348). Ulla Jelpke, in ihrer Eigenschaft als

MdB der Linkspartei, besuchte den Prozessund schrieb einen Brief an die verantwort-liche NRW-Justizministerin, in der sie dieAuslieferung von Faruk Ereren an die Türkeiverhindern will. Genauso sind die Prozessbe-

obachterInnen und die Soligruppen, die regel-mäßig Öffentlichkeit herstellen und alle, dieden isolierten Gefangenen schreiben, „Sandim Getriebe“. Und darauf können die Gerichtewie im Fall des Prozessberichts „Blind in Beu-

gehaft“ empndlich reagieren. Gerade in die-

sem Fall, der kaum Öffentlichkeit erfährt, gabes vom OLG Düsseldorf kein Ansinnen auf eine Gegendarstellung, stattdessen wurdendie Publikatiosorgane mit einer saftigen Geld-

strafe substantiell angegriffen. Auch wenn imFall von „Scharf-Links“ ein Freispruch erwirktwerden konnte, macht der Fall klar, das unbe-

queme BerichterstatterInnen und solidarischeAktivistInnen in den politischen Verfahrenschnell selbst von Repression betroffen seinkönnen. Doch von Repression lassen wir unsnicht einschüchtern! (red.)

Weitere Infos: www.scharf-links.de

Prozess gegen das Gefangenen Info am 21.04.2010Nachdem Edith Bartelmus-Scholich im Ver -fahren wegen der Verleumdungsklage gegendas Online-Portal „Scharf-Links“ freigespro-

chen worden ist, ist dem presserechtlichenVerantwortlichen unserer Zeitung, WolfgangLettow, der Prozesstermin gegen das „Ge-

fangenen Info“ bekannt gegeben worden. Der Prozess ndet am 21.04. vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten statt.

Darum werden wir kriminalisiert

Die Gründe der Anklageerhebung sind, wiebeim Verfahren gegen „Scharf-Links“, die

Verbreitung des Prozessberichts „Blind inBeugehaft“ durch das GI Nr. 348. Eine Pas-

sage, die sich auf eine Aussage des vorsit-zenden Richters bezog, wurde darin krimi-nalisiert (siehe Text oben). Wir denken, dassdie Kriminalisierung unserer Zeitung auch im

Zusammenhang mit unserer umfassendenÖffentlichkeitsarbeit zu den §129b-Prozes-

sen und zur politischen Gefangenschaft imAllgemeinen zu sehen ist und von den Re-

pressionsbehörden Möglichkeiten zur Krimi-nalisierung eines solches Publikationsorgansgerne wahrgenommen werden. Seit Beginnder §129b-Prozesse haben wir versucht eineGegenöffentlichkeit zu schaffen und den Ge-

fangenen eine Plattform zu bieten. Wir sindständig bestrebt, die uns zur Verfügung ste-

henden Möglichkeiten der Vermittlung gezieltund effektiv zu nutzen und wollen den anste-

henden Prozess gegen das Gefangenen Info

ebenfalls dafür zu nutzen, die politischen An-

liegen der Solibewegung stark zu machen.

Das Gefangenen Info behält seinen Kurs

Das Gefangenen Info und seine Mitarbeite-

rInnen werden sich nicht den Mund verbietenlassen. Einschüchterunsversuche, Angriffeund Zensur werden uns nicht davon abbrin-

gen, weiter diese und andere Staatsschutz-

prozesse zu thematisieren. Im Gegenteil: wir 

sehen um so mehr die Notwendigkeit, unsereArbeit zu intensivieren und die Solidarität zuverbreitern. Solidarität wird unsere Antwortauf ihre Repression sein.

Unterstützt das Gefangenen Info!

Wir werden mit verschiedenen Aktivitätenzum anstehenden Prozess mobilisieren undrufen die solidarische Öffentlichkeit dazu auf,dem Prozess kritisch beizuwohnen.Ankündigungen und aktuelle Entwicklungenwerden wir über diese Zeitung und die Home-

page www.political-prisoners.net bekannt ma-

chen. Unsere Solidarität gegen ihre Repres-

sion!Gefangenen Info

Prozesstermin: 21. April 2010, 12.30 Uhr Amtsgericht Tiergarten (Berlin)Turmstr. 91, Raum 769

In eigener Sache:

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feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 7

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Berlin: Christian P. sitzttrotz festen Wohnsitzes undfesten Arbeitsplatzes seitdem 1. Mai 2009 - seit mehr als 8 Monaten - in der JVAMoabit in U-Haft. Das sindzwei Monate mehr, als die

gesetzlich festgeschriebenemaximale Haftzeit für Unter -

suchungshäftlinge beträgt. Er wurde mit demVorwurf, mehrere Flaschen geworfen zu ha-

ben trotz spärlicher Beweise in erster Instanzzu zwei Jahren und 6 Monaten verurteilt undwartet auf seine Berufungsverhandlung. Eswird dazu aufgerufen, Protestmails und Post-karten zu schreiben. (red.)

Berlin: Das Verfahren ge-

gen Christoph T. wird wie-

der aufgenommen. Chri-stoph wurde am 17. Juni2009 mit dem Vorwurf der 

KFZ-Brandstiftung festge-

nommen. Nachdem dieser zunächst freigelassen undim Juli 2009 wieder inhaftiert

wurde, saß er knapp 100 Tage in U-Haft bisein chemisches Gutachten ihn entlastete under zwischenzeitlich freigesprochen wurde.Trotz der Bestätigung des Gutachtens durchein neueres BKA-Gutachten beginnt am 02.März 2010 um 9 Uhr im Landgericht Berlinein Verfahren gegen ihn. (red.)

Frankfurt am Main: Am22. Februar 2010 wurdeein 49-jähriger mit dem Vor -

wurf festgenommen, sie-

ben Brandanschläge verübtsowie Roland Koch (CDU)eine Bombenattrappe ge-

schickt zu haben. Er soll alsEinzelgänger unter dem Na-

men „Bewegung Morgenlicht“ unter anderemAnschläge auf zwei Banklialien, einen Dro-

geriemarkt und eine Zeitarbeitsrma verübthaben. Die Anschläge richteten sich gegenDumping-Löhne und Zeitarbeit. Mit welcher Anklage gegen ihn ermittelt wird, ist bislangunklar. (red.)

Flensburg: In Flensburghat der Prozess gegen eineFriedensaktivistin begon-

nen. Die Aktivistin hatte sichan die Gleise gekettet, umeinen Bundeswehrtrans-portzug aufzuhalten. DieBahn hatte der jungen Frau14.000 Euro in Rechnung

gestellt, da sie bewusst die Trennung der Gleise in Kauf genommen habe und dadurchdie Kosten entstanden seien. Die Aktivistinbetonte mehrmals die Verstrickungen der Bahn mit der Bundeswehr und deutete auf die Rolle der Bahn als Transporteur der Bun-

deswehr hin. Die Entscheidung des Gerichtswird erst am 10. März 2010 verkündet wer -den. (red.)Weitere Infos: http://www.militarismus-jetzt-stoppen.de.vu/ehen.

Kurzmeldungen bundesweit 

Zu Protesten kommt es derzeit wegen der dro-

henden Ausweisung von Faruk Ereren, demanatolischen Linksaktivisten, gegen den seitüber einem Jahr wegen angeblicher Mitglied-

schaft in einer »terroristischen Vereinigung imAusland« vor dem Oberlandesgericht (OLG)Düsseldorf ein Prozess nach Paragraph 129bdes Strafgesetzbuches läuft. Bundesweit ha-

ben in den letzten Wochen verschiedene Akti-onen stattgefunden, die maßgeblich von demFreiheitskomitee organisiert wurden. Neben

diesen Aktivitäten dauert die wöchentlicheProtestkundgebung am Kölner Dom, die vor rund einem Jahr begann, ebenfalls an. Auchin Österreich und Schweden versammeltensich Protestierende vor den dortigen deut-schen Botschaften.Am Morgen des 24. Februar 2010 kam es nunvorwiegend in den Räumen der AnatolischenFörderation in Duisburg, Köln, Dortmund,Nürnberg, Stuttgart, Berlin, Wuppertal, Ham-

burg sowie in Schweden und weiteren Nach-

barländern zu Hausdurchsuchungen. Begrün-

det wurden die Durchsuchungsbeschlüsse mitRädelsführerschaft. Zwei Personen, denen ineiner Pressemeldung des GBA (Generalbun-

desanwaltschaft) die Zugehörigkeit zur „Rück-front der DHKP-C in Europa“ zugeschriebenwird, wurden im Rahmen der Razzien ver -haftet. Den Verhafteten Ünalkaplan D. undAlaattin A. wird zudem „schwere räuberischeErpressung“ bzw. „Einschleusen von Auslän-

dern“ vorwegorfen.Auch Räume von Privatpersonen wurdendurchsucht und zwar die Räumlichkeiten der Personen, deren Personalien von der Polizeibei den Soliaktionen gegen die Abschiebungvon Faruk Ereren festgestellt worden waren.Die Räumlichkeiten der Anatolischen Förde-

rationen in Wuppertal wurden durchsucht,ohne dass VertreterInnen der Förderation

zugegen waren, erst nachdem Polizeibeam-

te in das Haus eingedrungen waren, wurdenVereinsmitglieder verständigt. In Wuppertalwurden zwei PC‘s, auf denen ausschließlichKinderlme gepeichert waren, und ein Notiz-

blatt beschlagnahmt. (red.)

Aus einer Protestnote:

Die Anatolische Föderation ist mit ihren Ver -einslokalen und Kulturzentren in sämtlichenStädten Deutschlands seit Jahren aktiv undamtlich eingetragen, und sie bietet vor allemMenschen aus der Türkei soziale, politischeund kulturelle Kontaktmöglichkeiten. (...) Siewar bereits in der Vergangenheit mit den Raz-

zien des deutschen Staates, die vollkommenrechtswidrig stattfanden, konfrontiert. Vor 

über einem Jahr wurden die Vorsitzende der Anatolischen Föderation, Nurhan Erdem, so-

wie die beiden Mitglieder Cengiz Oban undAhmet Istanbullu in Deutschland verhaftet. Ab11. März beginnt vor dem OLG Düsseldorf der Prozess gegen sie. Sie sind auch angeklagt,weil sie sich für die Rechte der hier lebendenMigranten eingesetzt haben.Sie haben die neuen Ausländergesetze öffent-lich kritisiert und sind gegen Hartz IV aktiv ge-

wesen. Die Aktionen beinhalteten Infostände,offene Diskussionsveranstaltungen und De-

monstrationen. Mit den erneuten staatlichenÜbergriffen wird wieder einmal eine starkeSelbstorganisation anatolischer Menschen in

Deutschland nahezu für vogelfrei erklärt.Viele anatolische Menschen werden gleichdoppelt benachteiligt. Einmal, weil ihre linkepolitische Identität in Deutschland unterschla-

gen wird. Doch zusätzlich noch, wenn sie sichpolitisch betätigen und sich mit den politischVerfolgten in der Türkei solidarisieren. Insbe-

sondere die Mitgliedsvereine und Mitglieder von der Anatolischen Förderation sind regel-mäßig einer Stigmatisierung durch den Ver -fassungsschutz sowie polizeilicher und ge-

richtlicher Verfolgung ausgesetzt.Es muss den hier lebenden anatolischen Mit-bürgerinnen und Mitbürgern endlich ermögli-cht werden, sich ohne das Damoklesschwert

der Abschiebung in den Folterstaat Türkei,ohne die Drohung Geld- und Haftstrafen auf demokratische Weise für eine gerechte Türkeieinzusetzen. (Quelle: GI-Redaktion; Büro ge-

gen Rassismus und Militarismus, Düsseldorf)

Staatsterror gegenMigrant_innenZwei weitere Verhaftungenund Hausdurchsuchungen bei der Anatolischen Föderation

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8 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Am 19. April 2010 geht der Prozess gegenHansi, Danny, Gökhan, Murat, Hasan, Ali undErdal vor dem Stuttgarter Landesgericht inseine Revision.Den Antifaschisten wird in zweiter Instanzgemeinschaftliche schwere Körperverletzung

vorgeworfen. Wir sprachen mit einem der An-

geklagten über den Hintergrund und den ak-

tuellen Stand des Verfahrens.

Gefangenen Info: Du bist einer der insgesamt sieben Angeklagten im Stuttgarter Antifa-Prozess. Kannst du uns kurz etwas zu eurer Festnahme und zum Hintergrund der Anklageberichten?

Angeklagter: Am 17.02.2007 fand in der Sta-

diongaststätte des VfL Sindelngen ein NPD-“Faschingskonzert“ mit dem faschistischenLiedermacher Frank Rennicke statt. Ein regi-onales Antifa Bündnis mobilisierte kurzerhand

zu Gegenaktivitäten zur Verhinderung des als„nationalen Balladenabend“ angekündigtenNazi-Konzerts. Vor Ort sahen sich die Ge-

gendemonstranten einem massiven Polizei-aufgebot gegenüber, wurden durch die Stra-

ßen gejagt und bekamen Platzverweise.Später am Abend wurden wir nach einer Ver -folgung durch die Polizei gestoppt, aus demAuto heraus verhaftet und direkt auf die Wa-

che gebracht.Konkret wird uns vorgeworfen an Angriffengegen 5 Nazis, auf dem Parkplatz vor der Gaststätte in der das Konzert stattfand, be-

teiligt gewesen zu sein und ihnen Prellungen,Schürfwunden und eine Platzwunde zugefügt

zu haben. Also im genauen Wortlaut: „ge-

meinschaftliche schwere Körperverletzung“und „Vergehen der Gefährdung des Straßen-

verkehrs“.Auf der Wache wurden wir nicht über unse-

re Rechte aufgeklärt, zwei Personen wurdenSpeichelproben abgenommen, zwei Autosbeschlagnahmt, einer Person direkt, einer anderen wenige Tage später im Zuge einer Hausdurchsuchung widerrechtlich der Füh-

rerschein entzogen.Wichtig ist zu sagen, dass bei der Verhaftungund beim Verhör selbst nur drei Personen dieAussage verweigert haben, eine Person hattesogar umfangreich ausgesagt – und dass bei

sieben Angeklagten, die alle aus der linkenSzene kommen.

GI: Kannst du uns über den ersten Prozess,der am 8. und 22. September 2009 stattfand,und das Urteil berichten?

A: Zuerst ist zu sagen, dass der Prozess erst 11/2 Jahre nach der Festnahme stattfand. DiePersonen denen die Führerscheine entzogenwurden hatten also über diese gesamte Zeitauch keine Fahrerlaubnis.Während der Pro-

zesstage, der Beweisaufnahme und der Zeu-

genverhöre konnte zu keinem Zeitpunkt einekräftige Beweiskette, sondern nur Indizien er -stellt werden, die darauf hinführten, dass wir als Antifaschisten und von unserer Vita her eventuell ins Täterbild passen könnten.Im Gegenteil war es eher so, dass die aussa-

gekräftigen Beweise, wie zum Beispiel DNA-Abgleiche, uns von der Anklage frei sprachen.So stimmte die DNA unserer Speichelprobenicht mit der DNA, die an den Sachen am Tat-ort gefunden wurde, überein. Darüber hinauskonnte kein Beweis erbracht werden, dass

die Personen, die im Auto, Kilometer weitweg vom Tatort, von der Polizei angehaltenwurden - also wir - die selben sein sollen, wiediejenigen, die die Nazis angegriffen hatten.Es konnte noch nicht mal der Beweis erbrachtwerden, dass überhaupt einer von uns an der Tat beteiligt gewesen war.Trotz alledem wurden wir nach den Aussagender bekannten NPD-Aktivisten Marcel Hecht,Thorsten Langer, Florian Leitner und ThomasPreß am 22.09.2008 vor dem AmtsgerichtBöblingen mit den Worten des Richters: „Ichhabe zwar keine Beweise, aber ich bin davonüberzeugt, dass Sie an der Tat beteiligt wa-

ren“, verurteilt.

Konkret wurden drei von uns zu einer Haft-strafe von 16 Monaten und vier von uns auf Bewährung verurteilt (in drei Fällen auf 9Monate, in einem Fall auf 10 Monate ausge-

setzt.) Darüber hinaus kostete uns das Ganzebis jetzt schon im Schnitt pro Person 1400 €an Anwaltskosten.

GI: Einer der Angeklagten, Murat, saß vor wenigen Monaten bereits im Stammheimer Knast. Gökhan, ebenfalls einer der Angeklag-ten, und sein Freund und Antifaschist Ümit sind bis heute dort inhaftiert. (siehe GI Nr.352) Kannst du uns etwas zu den Hintergrün-den berichten?

A: Im Oktober letzten Jahres kam es zu An-

griffen auf Nazis in Stuttgart-Zuffenhausen.Zwei Wochen (!) nach dem Vorfall wurdemorgens die Wohnung von Murat von der Po-

lizei gestürmt und er wurde auf direktem Wegnach Stammheim gebracht. Erst nach dreiWochen, am 29.10., wurde er aufgrund feh-

lender Beweise gegen eine Kaution von 3000 € freigelassen. Ihm wird schwere Körperver -letzung vorgeworfen.Dazu muss man auch sagen, dass seine An-

klage und Inhaftierung auf Aussagen von Na-

zis beruht, denen von der Stuttgarter Polizeimehrere Bilder bekannter kurdischer Antifa-

schisten vorgelegt wurden.Bei den Genossen Gökhan und Ümit ist der Kriminalisierungsversuch noch fadenschei-niger. Sie wurden mit einer unpolitischenAnklage, aufgrund eines Telefongespräches,inhaftiert und sitzen nun seit dem 11.12.09 im

Knast. Bei Gökhan bedeutet dies, dass ein  jahrelanger antifaschistischer Aktivist bereits6 Monate vor Prozessbeginn hinter Gitterngebracht werden konnte.

GI: Nun zum anstehenden Verfahren. Es sind mehr Zeugen geladen und doppelt so vieleVerhandlungstage angesetzt. Womit erklärst du dir das besondere Interesse der Staatsan-waltschaft an eurer Verurteilung?

A: Ich habe den Eindruck, dass der gesamteProzess gegen uns der Stuttgarter Staatsan-

waltschaft sehr wichtig ist. Dass es ihnen nichtnur um eine Verurteilung von uns, sondernvielmehr um eine öffentliche Verurteilung desmilitanten antifaschistischen Widerstandesgeht. Ich meine als der Prozess gegen uns losging, waren überall in der regionalen PresseVeröffentlichungen erschienen und darüber hinaus hatte jede und jeder in der linken Sze-

ne davon mitbekommen.Während der ersten Prozesstage waren auchim Gerichtssaal sehr viele Leute anwesend,

die sich mit uns solidarisierten und ihren Pro-

test gegen unsere Verurteilung nicht nur imGerichtssaal, sondern auch durch Kundge-

bungen vor dem Amtsgericht und Spontande-

monstrationen deutlich machten.Ich denke, man kann schon sagen, dass diegesamte linke Szene ein Auge auf diesenProzess hatte und auch jetzt haben wird, unddass die Staatsanwaltschaft das genauso gutweiß.

GI: Gibt es jetzt noch etwas, was dir wichtig ist, zu sagen?

A: Was man vielleicht immer leicht vergisst,

ist, dass die Anklage und die Prozesse, auchwenn wir noch nicht endgültig verurteilt sind,bereits jetzt Auswirkungen auf uns hatten.Wenn der Prozess am 19.April beginnt, dannsind bereits 3 Jahre seit unserer Festnahmevergangen. Drei Jahre, in denen die bevor -stehenden Urteile und der etwaige Haftantrittund die Bewährungsstrafen in unseren Hin-

terköpfen immer präsent waren.Sei es bei der Frage, inwieweit man sichnoch politisch betätigt, weil man sich bei jeder Demo oder anderen Aktionen immer fünfmalüberlegt, was ist, wenn man wegen irgend-

was mitgenommen wird.Oder sei es bei der persönlichen Lebenspla-

nung. Einige von uns haben nicht mehr län-gerfristig geplant, weil sie dachten, sie müs-sen vielleicht eh bald in den Knast. Sei es,dass einer sein Studium abgebrochen hat,oder dass man sich nicht mehr auf persön-

liche Beziehungen, Freundin etc. einlässt.Umso wichtiger ist deshalb die Unterstützungund die Solidarität von Genossinnen und Ge-

nossen für uns.

GI: Vielen Dank für das Interview.

Prozesstermine: Mo, 19.04, Di, 20.04,Mo, 26.04., Di, 27.04., Mo, 10.05.,Di 11.05.2010 jeweils um 9 Uhr vor demLandesgericht, Urbanstr. 20 in Stuttgart.

Interview zum StuttgarterAntifa-Prozess

Weitere Infos: http://www.antifaprozess.blogspot.com

Schreibt Gökhan Aygün und Ümit Bal

JVA Stuttgart StammheimAspergerstr. 6070149 Stuttgart

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8/6/2019 Gefangenen Info #353

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feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 9

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland  ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Gießen: Im Dezember 2009kam es in der Nähe vonGießen zu einem Anwerbe-

versuch des Verfassungs-

schutzes. Der Betroffenebeendete sofort das Ge-

spräch. Dieser Versuch reiht

sich in mehrere Versuchedes VS der letzten Monaten

ein, Personen für Spitzeltätigkeiten zu gewin-

nen. Mit der Aussicht auf nanzieller Entloh-

nung, versuchen die Schergen des Verfas-

sungsschutzes immer wieder Personen auf ihre Seite zu ziehen. Lasst euch nicht anquat-schen! (red.)

Berlin: Mitte Februar 2010kam es in Berlin zu Miss-

handlungen durch die Poli-zei an einem 21 Jahre altenVietnamesen. Die Beamtenzerrten ihn in ihr Auto, fuh-

ren ihn nach Schönebergund schlugen ihn auf einemAckerfeld mehrfach brutal

nieder. Während sie ihn rassistisch belei-digten, traten sie ihm mehrfach gegen denKopf. Die Beamten sagten, er habe sich beieiner missglückten Flucht verletzt. Allerdingskonnten zwei Frauen, die den Vorfall beo-

bachtet hatten, die Misshandlung durch diePolizei bestätigen. Der Vorfall reiht sich einin eine Vielzahl von rassistischen Übergriffenseitens der Berliner Polizei. (red.)

Dresden: Im Vorfeld desNaziaufmarsches in Dres-

den kam es zu zahlreichenHausdurchsuchungen ge-

gen linke Projekte. BeiRazzien in Dresden undBerlin wurde u.a. das Mo-

bilisierungsmaterial gegenden Naziaufmarsch be-

schlagnahmt. Auch die Internetseite www.dresden-nazifrei.com wurde durch dieStaatsanwaltschaft in Dresden zensiert. Mitder Aktion sollte der Aufruf zur Blockade desAufmarsches kriminalisiert werden. Letztlichhatte die Aktion der Polizei eher einen mobi-lisierenden Effekt und zahlreiche Solidarisie-

rungen zur Folge. Der Naziaufmarsch wurdeletzlich erfolgreich blockiert und verhindert.(red.)

Stuttgart: In Stuttgart wur -den zwei Aktivisten vomAmtsgericht Stuttgart zuhohen Strafen verurteilt. Ih-

nen wurde vorgeworfen imKontext des bundesweitenKrisen-Aktionstages am17. September 2009 Far -beier gegen die Deutsche

Bank in Stuttgart geworfen und somit einenSachschaden von 20.000 Euro verursacht

zu haben. Einer der Verurteilten muss 750Euro (75 Tagessätze), der andere 1350 Euro(90 Tagessätze) bezahlen. Dazu sollen der enstandene Schaden ersetzt und die Pro-

zesskosten bezahlt werden. (red.)

Kurzmeldungen bundesweit 

Wir betreten als Redaktion des GefangenenInfo (GI) mit diesem dokumentierten Beitragdes „Solidaritätskomitees für gewerkschaft-liche Freiheit“ zum faktischen Verbot der an-

archo-syndikalistischen Gewerkschaft FAU inBerlin Neuland.Erfreulich war, dass am 20. Februar 2010etwa 600 Menschen in Berlin für die Vertei-digung der Gewerkschaftsfreiheit demons-

trierten. Ein Zeichen der Solidarität, das sichhoffentlich im weiteren Verlauf der Auseinan-

dersetzung verstärken lässt. (red.)

Appell an alle Mitglieder und Funktionäreder Gewerkschaften, an alle Anhänger/innen des Grundrechtes zur Bildung freier und unabhängiger Interessenorganisati-

onen der abhängig BeschäftigtenFür die Verteidigung des Koalitionsrechts- Aufhebung des Verbots gewerkschaft-licher Betätigung für die FAU Berlin In den letzten Jahren haben deutsche Arbeits-gerichte immer wieder versucht, das eh schonbeschränkte Koalitionsrecht in Deutschlandweiter einzuengen. 2007 traf es die Gewerk-

schaft deutscher Lokomotivführer (GdL),der wegen der „enormen Schadenshöhen“Streiks im Fern- und Güterverkehr verbotenwurden. Und wer hat noch den Überblick über all die Fälle, bei denen Unternehmer mit ge-

richtlichem Segen versucht haben, durch sog.

Verdachtskündigungen die gewerkschaftlicheArbeit im Betrieb zu ersticken?Diese unternehmergefällige Arbeitsrechts-

sprechung hat jetzt einen neuen Höhepunkterreicht: Gerichte in Berlin haben massiv ineinen Tarifkonikt im Berliner Filmtheater „Babylon“ eingegriffen. Zuerst untersagte dasLandesarbeitsgericht der anarcho-syndika-

listischen Gewerkschaft Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union Berlin (FAU) den Aufruf zu einem Boykott ihres Unternehmers, desKinobetreibers Neue Babylon GmbH. Hier -zu hatten sich die Belegschaftsvertreter imKampf gegen ihre Hungerlöhne entschlos-

sen, nachdem der Geschäftsführer des Kinos

  jegliche Verhandlungen ablehnte. In einer Einstweiligen Verfügung erklärten die Richter,dieses gewerkschaftliche Kampfmittel steheder FAU Berlin nicht zur Verfügung, da siekeine Tarifmächtigkeit besitze. Die Einstwei-lige Verfügung des LAG wurde dann in einer neuen Einstweiligen Verfügung auf Antragdes Kinos noch weiter verschärft. Darin ver -bot das Landgericht der FAU Berlin, sich wei-terhin Gewerkschaft oder Basisgewerkschaftzu nennen und sprach damit faktisch ein Ver -bot gewerkschaftlicher Betätigung gegen sieaus. Für den Fall, dass die FAU Berlin nichtin allen ihren Publikationen den Eindruck be-

seitige, sie mache gewerkschaftliche Arbeit,

drohen ihren Sekretären ein Ordnungsgeldvon 250.000 € oder sechs Monate Haft. DieBerliner Arbeitsrechtsentscheide betreffennicht nur die FAU. Sie gehen alle an.Nach ILO (Internationale Arbeitsorganisation)-Leitlinien und gemäß der Sozialcharta der 

EU ist eine Organisation eine Gewerkschaft,wenn sie von abhängig Beschäftigten freiwilliggebildet wurde, Gegner frei und sozialmächtigist. All dies trifft für die FAU im Konikt um denHaustarifvertrag im Kino Babylon zu. Ebendeshalb hat das Unternehmen auch die Ge-

richte bemüht. Wegen fehlender Sozialmäch-

tigkeit auf überbetrieblicher Ebene stellt dasGericht jedoch die Gewerkschaftseigenschaftder FAU Berlin in diesem Haustarifkonikt nunin Frage. Würde eine solche Argumentationzu europäischem Recht, wären wichtige Teileder real existierenden Gewerkschaften in Ita-

lien und Großbritannien illegal. Auch alle inBranchen organisierten Gewerkschaften, dienur in bestimmten Betrieben tatsächlich hand-

lungsmächtig sind, werden nun bedroht, weil

sie auf Branchenebene faktisch nicht durch-

setzungsfähig sind. Und die Bildung neuer Gewerkschaften in gewerkschaftlich nichtorganisierten neuen Branchen im Kampf vonBetrieb zu Betrieb wird damit völlig verhindert.Ebenso die Bildung allgemeiner Gewerk-

schaften, deren Tariffähigkeit vielleicht nur inanderen, als den umkämpften Branchen be-

steht.In einer Zeit, in der Arbeitsverhältnisse im-

mer prekärer werden, der gewerkschaftlicheSchutz und die Tarifbindung in vielen Bran-

chen oder Regionen schwindet, brauchen dieabhängig Beschäftigten jedoch mehr denn jeverlässliche Rechte, um sich dieser Entwick-

lung kollektiv zu widersetzen. Das Recht, sichin Gewerkschaften eigener Wahl zusammen-

zuschließen ist dafür von fundamentaler Be-

deutung. Die aktuelle Arbeitsrechtsprechungerweist sich immer mehr als Versuch, diesesgrundlegende Recht einzuschränken, seineAusübung zu erschweren und letztlich zu ver -eiteln.In Deutschland besteht das Gros der arbeits-rechtlichen Normen aus Richterrecht stattaus gesetzlich xierten Normen, d. h. dasArbeitsrecht entwickelt sich ständig und istbeeinussbar. Deshalb appellieren wir an dieMitglieder und Funktionäre, an die gewerk-

schaftlichen Gliederungen und Vorstände der 

Gewerkschaften und besonders der DGB-Gewerkschaften; deshalb appellieren wir analle Anhänger/innen des Grundrechtes zur Bildung freier und unabhängiger Interessen-

organisationen der abhängig Beschäftigten:Verhindert, dass aus dieser Einstweiliger Verfügung endgültiges Recht wird. Übt Soli-darität, auch wenn ihr mit der gewerkschafts-

politischen Orientierung der FAU nicht ein-

verstanden seid. Es geht um gemeinsameGrundrechte, die nur gemeinsam verteidigtwerden können. Unterschreibt und verbreitetdiesen Aufruf, mobilisiert eure gewerkschaft-lichen Gremien, meldet euch in Unterneh-

men, in Medien und in der Politik zu Wort.

Skandalisiert die Urteile der Berliner Gerichte.

Solidaritätskomiteefür gewerkschaftliche FreiheitBerlin, 14.02.2010

Faktisches Gewerkschaftsverbot gegen die Freie ArbeiterInnen Union(FAU) in Berlin

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10 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international  ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Nicht selten sehen wir uns hier in der BRD mitÄußerungen seitens der Behörden und Poli-tiker konfrontiert, wonach die Türkei nun eindemokratischer Staat sei und niemand mehr wegen seiner/ihrer politischen Anschauungunterdrückt werde. Seien es Ersuche um po-

litisches Asyl oder eben politische Prozesse,wo wir immer wieder aufs Neue gegen jeneAuffassung ankämpfen müssen. Aktuell droht

die Auslieferung des politischen GefangenenFaruk Ereren in die Türkei, zu dessen Situ-

ation wir auch in dieser Ausgabe näher ein-

gegangen sind. Doch wie sieht die Lage inder Türkei tatsächlich aus? Hat sich die „NullToleranz gegen Folter“-Haltung, die die Re-

gierungspartei AKP (Partei für Gerechtigkeitund Aufschwung) seit Jahren propagiert, indie Realität umsetzen lassen? Es reicht einüchtiger Blick auf die Statistiken und Be-

richte sämtlicher Menschenrechtsorganisa-

tionen und Zeitungen der Türkei, um festzu-

stellen, dass Folter weiterhin praktiziert wirdund Folterer nicht zur Verantwortung gezogenwerden. Doch müsste das nicht auch den ver -

antwortlichen Instanzen in der BRD geläugsein?Müsste es! Ist es auch, allerdings stellenAnsprüche auf Demokratie- und Menschen-

rechtsebene nicht den maßgeblichen Faktor für ihre Zusammenarbeit dar. Denn maßgeb-

lich und ausschlaggebend sind gemeinsamewirtschaftliche, militärstrategische Interessen,die dann mitunter dazu führen, dass die re-

pressiven Charakterzüge des FolterstaatesTürkei sich in in der Gestalt der BRD zeigen.

Politische Justiz besteht fort

Die in den vergangenen Jahrzehnten kriti-

sierten DGM‘s (Staatssicherheitsgerichte),die die Militärgerichte der Junta ersetzt hat-ten und hauptsächlich für politische Prozessezum Einsatz kamen, wurden mittlerweile ineinigen Aspekten überarbeitet und bestehenheute als ACM‘s (Schwurgerichte) fort. Auch

wenn ofzielle Instanzen behaupten, dass po-

litische Prozesse mit den DGM‘s abgeschafftworden seien, sprechen Zahlen und Fakteneine andere Sprache. Was z.B. die DGM‘svon Diyarbakir in 14 Jahren nicht vollbringenkonnten, schaffen die ACM‘s in nur 4 Jahren.Laut Tageszeitung „Evrensel“ vom 10. Febru-

ar 2010 lag die Zahl der Minderjährigen, diezwischen 1983 und 1997 vor den DGM‘s ver -

urteilt werden sollten bei 2.601. Die Zahl der Minderjährigen, die vor den nun seit 4 Jahrenbestehenden ACM‘s verurteilt werden sollen,liegt bei über 2.400!Die damals vor den DGM‘s begonnen Verfah-

ren wegen Folterfällen werden heute vor denACM‘s fortgesetzt. Symbolisch für diese Ver -fahren, bei denen die Folterer in Permanenzgeschützt werden, steht der Foltermord anEngin Ceber, der am 28. Oktober 2008 wegeneiner Kundgebungsteilnahme in Istanbul fest-genommen und innerhalb von nur 10 Tagenzu Tode gefoltert worden war. Exemplarischfür die Auffassung, die Folter praktiziert undFolterer schützt, ist die Aussage des Anwalts

eines angeklagten Obervollzugsbeamten indiesem Fall: „Auch wenn Engin Ceber durchmeinen Mandanten geohrfeigt worden seinsollte, wie es die Gefangenen behaupten, sofällt dies nicht unter Folter.“ Der CHD (Fort-schrittlicher JuristInnenverband) erklärtedazu, dass „die Regierung sich damit be-

gnügt hat, Ratschläge zu geben, anstatt Re-

chenschaft von den Folterern zu verlangen.Engin Ceber wurde genau 9 Tage lang von47 Wärtern und drei Direktoren systema-

tisch gefoltert.“ Die Tageszeitung „Hürriyet“schrieb in einem Artikel mit dem Titel „Im En-

gin Ceber-Prozess machen sie sich über unslustig“ am 23. Februar 2010: „Zuerst sind die

Tonbandaufnahmen der Zeugen verschwun-

den. Danach waren die Zeugen nicht mehr da. Keiner der 33 beschuldigten Polizisten istfestgenommen worden. Man hat sich damitbegnügt, ihnen eine ‚Anti-Aggressions-Schu-

lung‘ zu geben.“ Laut Bericht des Inspektors

vom Istanbuler Polizeipräsidium seien Strafengegen diese 33 Polizisten überüssig.Ali Tekin, Vater von Engin Ceber, berichtetevon permanenter Polizeirepression. Er erklär -te: „Unsere ganze Familie hat ihren Nachna-

men ändern lassen. Ich glaube nicht, dass der Prozess zu Ende gehen wird. Ich habe keinenGlauben mehr an die Justiz. Die Polizei übtRepression gegen die Zeugen aus, damit sienicht zum Prozess erscheinen.“Das Gerede von „Null Toleranz gegen Folter“hat sich im Laufe der Jahre zu einer unglaub-

würdigen, ja sogar lächerlich anmutenden,hohlen Phrase verwandelt, die nichts mitden realen Verhältnissen in der Türkei zu tunhaben kann. Die Einhaltung der Menschen-

rechte und der eigenen Rechtssprechungorientiert sich nach den Interessen der herr -schenden Elite innerhalb des Machtgefügesder türkischen Oligarchie.Außer einigen Marionetten und Accessoirshat sich nichts Fundamentales an dem Sy-

stem verändert, als dass sich am Umgangmit der politischen Opposition etwas ändern

könnte.

Null Toleranz gegenüber der revolutionären Bewegung

Wenn der Begriff „Null Toleranz“ fällt, dannist dieser nicht im Zusammenhang mit Folter,sondern im Zusammenhang mit der revoluti-onären Bewegung zu sehen. Die massivstenAngriffe, welche die Ausmaße von Massaker erreichten, fanden immer und gezielt gegen

 jene statt, die zu unterdrückten und aufstän-

dischen Bevölkerungsteilen oder politischenGegnern des Staates gehörten. Und dieseLinie setzt sich ohne Unterbrechungen fort.

Angefangen bei der genozidartigen, militä-rischen Niederschlagung des kurdischen Auf -stands in Dersim 1938 bis in die Gegenwart,wo Polizei, Militärs und Konterguerilla Hand inHand etliche Verbrechen an der Bevölkerungbegangen haben. Im Zentrum des Faden-

kreuzes standen dabei immer jene Kräfte, diedas System an sich in Frage stellten.Die Liste der Verbrechen, die vom Staatsap-

parat der Türkei in Auftrag gegeben wurden,ist zu lang, als das wir diese auch nur ansatz-

weise hier dokumentieren könnten. Hinwei-sen möchten wir aber abschließend auf diegezielten Ermordungen revolutionärer Gefan-

gener in den türkischen Gefängnissen.

1995 wurden drei Gefangene im Buca Ge-fängnis von Izmir, 1996 vier Gefangene imÜmraniye Gefängnis von Istanbul und zehnGefangene im Diyarbakir Gefängnis, 1999wiederum zehn Gefangene im Ulucanlar Ge-

fängnis von Ankara ermordet. Zwischen 2000und 2007 sind über 120 Gefangene währendund nach der militärischen Erstürmung von20 Gefängnissen getötet worden und sind beiHungerstreiks ums Leben gekommen.Gefängnismassaker, die von vorsitzendenRichtern der §129b-Prozesse als „gewöhn-

liche Polizeieinsätze“ bezeichnet werden.Uns verwundert die Begriffswahl allerdingsnicht. Richter, die Folterer der türkischen Ge-

heimdienste vors Gericht zerren und derenAussagen verwerten, um politische Flücht-linge ihren Henkern auszuliefern, können beiuns keine weitere Verwunderung mehr her -vorrufen. (red.)

„Null Toleranz!“?Landschaften repressiver Verhältnisse: Folter und Repression sindweiterhin fester Bestandteil der Politik des Staatsapparates der Türkei.

Page 11: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

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Irland: Die Verwaltung der 26 Counties Süd-Irlands willden Gefangenen der Con-

tinuity IRA ihren eigenenFlügel im Hochsicherheits-

gefängnis von Portlaoise,Co. Laois, verweigern. Dies

ist ein weiterer Schritt, denirisch-republikanischen Wi-

derstand zu kriminalisieren. Die IRA Gefan-

genen kämpfen seit Generationen für dasRecht auf Anerkennung des Status als poli-tischer Gefangener/Kriegsgefangener, sowiefür einen eigenen Flügel. (red.)Weitere Infos: www.irish-solidarity.net

Serbien: Die seit Septem-

ber 2009 inhaftierten sechsGenossInnen der ASI wur -den am 17. Februar 2010aus der U-Haft entlassen.Ihnen wird vorgeworfen, ei-

nen Molotowcocktail gegendie griechische Botschaft inSerbien geworfen zu haben

und sich damit einer „kriminellen Handlungim Internationalen Terrorismus“ strafbar ge-

macht zu haben. Ungeachtet dessen, dasssich bereits eine andere Gruppe zu dieser Tat bekannt hat, geht ihr Prozess nun am 23.März 2010 weiter. Ihnen drohen Haftstrafenvon 3 bis 15 Jahren. (red.)Weitere Infos: www.syndikalismus.tk

Philippinen: Am 1. Febru-

ar 2010 wurden auf denPhilippinen ungefähr 40

Mediziner und Gesundheits-

beamte von 300 schwer be-

waffneten Polizeibeamtender Militärpolizei mit Gewaltverhaftet. Die Mediziner nahmen an einer Fortbil-

dung auf einem Bauernhof teil. Den Verhaf -teten wird vorgeworfen, sie sollen der NeuenVolksarmee (NPA) angehören, die seit 1969mit zahlreichen Anschlägen als militärischer Arm der Kommunistischen Partei der Philip-

pinen kämpft. Dieser Vorfall reiht sich ein ineine Vielzahl von Repressionsschläge gegenfortschrittliche Kräfte auf den Philippinen.(red.)

USA: Fred Hampton Jr. Istfrei! Der afro-amerikanischeJournalist Fred Hampton Jr.wurde gestern freigespro-

chen. Er hatte 2009 als er -ster über den Mord an demafro-amerikanischen Oscar Grant durch die Bahnpolizeiin Oakland, California, be-

richtet. Wenige Tage nach dem Mord hattensich in der Bay Area militante Proteste gegendiese rassistische Polizeigewalt gebildet. Der linke Journalist wurde daraufhin festgenom-

men. Er wurde schwer misshandelt und be-

schuldigt, den Riot angestiftet zu haben. Der Polizist Johannes Mehserle, der Oscar Grantermordete, wurde bis heute nicht verurteilt.(red.)

Kurzmeldungen international

In Spiegel online vom 22. Oktober 2009 ndetsich eine Beschreibung der Musikfolter, wiesie in Guantanamo praktiziert wird und woge-

gen jetzt prominente US-Musiker wie PearlJam und R.E.M. protestieren. Einige Zitatedaraus:

„‚Disco‘ hieß der spezielle Ort, an dem die

Gefangenen von Guantanamo mit Musikzermürbt wurden. Die Folter bestand in der permanenten Wiederholung verschiedenster Songs in brachialer Lautstärke. Zum Einsatzkamen alle möglichen Genres: Neben HeavyMetal und Pop auch Kinderlieder wie ‚I LoveYou‘ von Barney the Dinosaur. Text: ‚I loveyou, you love me/ We‘re a happy family!‘Aus bisher veröffentlichten Dokumenten undden Aussagen von ehemaligen Guantanamo-Gefangenen geht hervor, dass unter anderemTitel von AC/DC, Britney Spears, den BeeGees und Marilyn Manson abgespielt wurden,um Terrorverdächtige gefügig zu machen.Auch Häftlinge in Geheimgefängnissen der 

CIA seien lauter Dauerbeschallung ausge-setzt worden, sagte Jayne Huckerby vomin New York ansässigen Zentrum für Men-

schenrechte und weltweite Gerechtigkeit. Auseinem geheimen CIA-Dokument vom Dezem-

ber 2005 geht demnach hervor, dass lauteMusik oder weißes Rauschen benutzt wurde,um Geräusche zu verschleiern und die Kom-

munikation unter Gefangenen zu verhindern.Im Dezember 2008 waren es Musiker wieJames Lavelle von U.N.K.L.E., Tom Morel-lo von Rage Against the Machine und Mas-

sive Attack gewesen, die auf Konzerten mitSchweigeminuten gegen den grausamen Ein-

satz ihrer Lieder protestiert hatten.

Jetzt organisiert sich der Musikerprotestnoch einmal neu, mit einer gut orchestriertenKampagne zur Schließung von Guantanamo.Pearl Jam, R.E.M., Trent Reznor von NineInch Nails und weitere Künstler schlossensich der am Dienstag gegründeten NationalCampaign to Close Guantanamo an.Dauerbeschallung mit extrem lauter Musik istnicht nur ein effektives Foltermittel, im Kriegdient sie seit Jahrhunderten auch zur Stei-gerung der Aggression und zur Hebung der Truppenmoral. Während man etwa in der Oktoberrevolution Balladen sang, im Zwei-ten Weltkrieg Volkslieder schmetterte oder imVietnam-Krieg Rock‘n‘Roll hörte, stöpseln in

modernen Kriegen die Soldaten ihre iPods indie Musikverstärker ihrer Panzer ein und be-

schallen die Schlachtfelder.“

Ob sich der Spiegel in gleicher Weise als Pro-

testplattform hergeben würde, wenn es nicht

um Guantanamo und den populären Schlies-

sungsvorsatz von Obama ginge, sondern umden ganz normalen Alltag in den imperialis-

tischen Superknästen? Dass sich hinter denschönen Reden blanker Zynismus verbirgt,zeigt die Neubestimmung von Guantanamoals Auffang- und Abschiebelager für haitischeErdbebenüchtlinge, gegen die sich die USA

präventiv abschottet.

Tatsächlich wurde seit den 1960er Jahren inden USA und der BRD nicht nur über Reizent-zug (sensory deprivation, perceptual depriva-

tion) und ihren Einsatz als Foltermittel gegenGefangene geforscht, sondern auch über Reizüberutung. Bekanntlich gibt es gros-

se individuelle und kulturelle Unterschiede,welches Maß an Intensität und Variabilitätvon Sinnesreizen für das psychische Gleich-

gewicht von Menschen optimal ist. Die einenbrauchen Hintergrundmusik oder einen stän-

dig laufenden Fernsehapparat, um sich wohlfühlen und konzentrieren zu können; für ande-

re ist das bereits im Alltag eine Zumutung. Esist bekannt, dass der deutsche Staatsschutzbei Gefangenen aus RAF und Widerstand in-

dividuell herauszunden versuchte, wer eher durch Reizentzug und wer eher durch Reizü-

berutung fertiggemacht werden könnte.Bei der Dauerbeschallung mit lauter Musikwirken verschiedene Faktoren zusammen:Einerseits handelt es sich natürlich um Fol-ter durch Reizüberutung. Dazu kommt aber die Monotonie der ständigen Wiederholunggleicher Musikstücke: Dadurch wird nichtnur überutet, sondern auch die Variationder zugeführten Reize eingeschränkt, wasin der Forschung perceptual deprivation ge-

nannt wird. Also eine doppelte Manipulationder Reizzufuhr! Abgesehen davon sind für die meisten Menschen bestimmte Musik-

richtungen an und für sich eine Zumutung,weshalb die ausgesuchten Musikstücke ausdiesem Grund eine zusätzliche Belastungdarstellen können. Bei Guantanamo-Häftlin-

gen dürfte schliesslich westliche mainstream-Musik auch als ideologischer Angriff auf ihreKultur und Religion wirken.

Einmal mehr müssen wir feststellen: DenSchützern und Schützerinnen des marodenkapitalistischen Systems ist keine Gemeinheitzu horrend und ausgeklügelt, um nicht gegen

tatsächliche oder vermeintliche Staatsfeindeeingesetzt zu werden. Wer immer Gefahr läuft, ins Gefängnis zu kommen, sollte ihreMethoden kennen, um vorbereitet zu sein undsie besser bekämpfen zu können.

MusikfolterDr. med. Ralf Binswanger,

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Zürich

Page 12: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

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12 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

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Das griechische Gesetz ist eindeutig: Wer eine bestimmte, von der Höhe der Strafe ab-

hängige Zeit „abgesessen“ hat, hat alle zweiMonate das Recht auf ein paar Tage außer -halb der Knastmauern. Ein entsprechender Antrag kann nur abgelehnt werden, wennvorauszusehen ist, dass der Beurlaubte sei-ne temporäre Freiheit zur erneuten Begehung

von Straftaten oder zur Flucht nutzen wird.Über den Antrag entscheidet ein dreiköpgesGremium, bestehend aus zwei Verantwort-lichen der Gefängnisverwaltung und einemStaatsanwalt. Früher wurde über jeden Antragmit Stimmenmehrheit entschieden. Im Herbstletzten Jahres jedoch beschloss die damalsamtierende Regierung der Nea Dimokratia,dass jeder Antrag nur noch mit Zustimmung

des Staatsanwaltes bewilligt werden kann.Seitdem scheint die Ablehnung von Urlaubs-

anträgen die Regel geworden zu sein.Im Fall der seit Sommer 2002 in unterirdischer Kleingruppenisolation als Mitglieder der grie-

chischen Stadtguerillaorganisation 17N ein-

gesperrten Gefangenen wiegt die Verwei-gerung des Rechts auf Hafturlaub doppelt

schwer. Für die 6 zu lebenslangem GefängnisVerurteilten läuft die Knastzeit bis zum Rechtauf Antragsstellung zwar erst im Sommer ab.Der Umgang mit den Anträgen ihrer Mitgefan-

genen aber lässt darauf schließen, dass auchihnen das Recht auf ein paar Tage außerhalbder Knastmauern verweigert werden wird.Bis zum Juli 2009 hatte der zu 25 Jahren ver -urteilte Vassilis Xiros vier Anträge auf ein paar 

Politischen Gefangenen in Griechenland wird unter Verweis auf “Schwere der Schuld” Hafturlaub verweigert 

Heike Schrader, Athen

Tage Freiheit bewilligt bekommen. Jedesmalhatte er sich strikt an die Auagen gehaltenund war pünktlich ins Gefängnis zurückge-

kehrt. Jeder Antrag war mit den Stimmen der Gefängnisverwaltung gegen die Stimme der Staatsanwaltschaft bewilligt worden. Seinebeiden seit der Gesetzesänderung gestelltenAnträge dagegen wurden von der Staatsan-

waltschaft abgelehnt. Als Begründung hießes unter anderem, die Natur der von ihm ver -

übten Verbrechen lege nahe, dass er seinenHafturlaub zum Begehen gleichartiger Straf -taten nutzen würde. Eine Unterstellung, diewie der gleichfalls angeführte Zweifel daran,dass seine hochbetagten Eltern für die recht-zeitige Rückkehr ins Gefängnis Sorge tragenkönnen durch das Verhalten von Vassilis Xi-ros bei den vergangenen Hafturlauben wider -legt wird.Der von Vassilis Xiros gegen die staatsan-

waltliche Entscheidung eingelegte Einspruchliegt seit über einem Monat beim zuständigenGericht von Piräus. Sollte auch dies negativentscheiden müssen zwei Monate vergehen,bis der Gefangene einen neuen Antrag stellen

kann. Auch die Aussicht auf eine Verlegungaus den Isolationsbedingungen in ein Land-

gefängnis, wo die Gefangenen tagsüber inder Landwirtschaft arbeiten und nur abends indie Zelle zurück müssen, wird Vassilis Xirosso versperrt. Eine positive Entscheidung über die Verlegung aufs Land wird in der Regelvom Verhalten des Antragstellers beim Haft-urlaub abhängig gemacht.

Doppelte Bestrafung

Am Mittwoch, den 24. Februar, kam es inHonduras zu einem Mordanschlag auf die Ba-

sisaktivistin Claudia Brizuela. Claudia war inder Gewerkschaft aktiv und die Tochter vonPedro Brizuela, einem Funktionär der Natio-

nalen Widerstandsfront (FNRP). Als sie dieTür öffnete, wurden ihr drei Kugeln in denKopf geschoßen – sie starb auf der Stelle.Claudia hinterlässt zwei kleine Kinder im Alter von zwei und acht Jahren.Der Anschlag ereignete sich im Vorfeld einer 

von der FNRP organisierten Großdemonstra-

tion gegen die sog. Wahrheitskommission,die als Zwischenstation auf dem Weg zur Straffreiheit aller am Staatsstreich und der anschliessenden brutalen Verfolgung beteili-gten Kriminellen gewertet wird. Es ist davon

auszugehen, dass der Anschlag von parami-litärischen Todesschwadronen verübt wordenist, die gezielt von der Regierung eingesetztwerden, um die Opposition blutig niederzu-

schlagen.Seitdem Porrio Lobo am 28. Januar 2010 dieRegierung übernommen hat, ist Claudia be-

reits die dritte Person, die unter solchen Um-

ständen ermordet wurde. Vornehmlich Frauensind in letzter Zeit von Repression betroffen.So wurden einige Frauen telefonisch bedroht

und ihnen der Tod von ihren Kinder oder an -

deren Verwandten angekündigt. Eine Frauwurde von einem Fahrzeug verfolgt, währendeine weitere so heftig geschlagen wurde,dass sie ein Auge und mehrere Zähne verlor und eine Wirbelsäulenverletzung davontrug.

Dabei knüpft die heutige Repression in Hon-

duras an eine jahrzehntelange blutige Tradi-tion des Staatsterrorismus an. Während in

den 80er Jahren des letzten Jahrhundertsder Staatsterrorismus mit Hilfe von paramilitä-

rischen Gruppen kollektive Massaker durch-

führte und Führer der Opposition ermordete,richtet sich die Repression heutzutage vor -nehmlich gegen BasisaktivistInnen.Vor allem AktivistInnen der FNRP, aus Ge-

werkschaften und anderer Basisorganisati-onen sind Ziel der Repressionsorgane. DieOrganisation Rel-UITA schrieb dazu: „Diehonduranischen Geheimdienste verfolgen dieStrategie, durch die öffentliche, fast medien-

gerechte, Tötung von Basisaktivistinnen und –aktivisten Angst und Schrecken zu verbrei-ten, wobei sie – bisher – die bekanntesten

Persönlichkeiten der Opposition ausgesparthaben. Diese Strategie hat zum einen dasZiel, eine “Jagd niedriger Intensität” zur Ein-

schüchterung der Bevölkerung einzuführen,und dabei zum anderen möglicherweise wei-tergehenden nationalen und internationalenReaktionen, wie sie auf die Tötung von be-

kannteren Persönlichkeiten folgen würden,aus dem Weg zu gehen.“

Diese Strategie macht sich in erster Linie ineinem weitverbreiteten Angstgefühl innerhalbder Bevölkerung bemerkbar, was durch diegezielte Desinformation der Regierungskreiseüber die Medien geschürt wird.

Die Organisation REL-UITA ruft die internati-onale Gemeinschaft dazu auf, umgehend en-

ergisch zu reagieren und die Ermordungen zuverurteilen. (red.)

Honduras: Ermordungeiner Basisaktivistin

vorne zu erkennen: Vassilis Xiros

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8/6/2019 Gefangenen Info #353

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USA: US-Terrorliste sorgtfür Einreiseverbote. Bereitsmehrmals wurde Autorenund Künstlern die Einrei-se in die USA verweigert,die auf einer sogenannten„No-Fly-Liste“ stehen, auf 

der „Terrorverdächtige“ ver -merkt sind. Nach Angabenvon US-Sicherheitsbeamten betraf dies alleinim letzten Jahr 19.000 Menschen. Wer genaudarunter fällt, bleibt ebenso unklar, wie dieKriterien, die bei dem Prozedere angewandtwerden. (red.)

Frankreich: Das Strafvoll-zugsgericht hat sich für denoffenen Vollzug für GeorgesCipriani ausgesprochen.George Cipriani war Mili-tanter der Action Directe, der bereits seit 23 Jahren unun-

terbrochen im Knast sitzt.Der offene Vollzug ist eine

vorgeschriebene Etappe vor einer Strafaus-setzung auf Bewährung. Die Staatsanwalt-schaft hat, wie erwartet, sofort Widersprucheingelegt. Erst im letzten Jahr wurde für Je-

an-Marc Rouillan der offene Vollzug nach nur einem Monat wieder ausgesetzt, nachdem er ein Interview gegeben hatte. (red.)

Frankreich:George IbrahimAbdallah, der seit 25 Jahrenwegen bewaffneter Aktionenfür die FARL (BewaffneteRevolutionäre Libanesische

Fraktionen) eingesperrt ist,verweigerte vor Gericht dieAbgabe seiner DNS, da er sie schonmal abgegeben

habe. Dafür wurde er im Dezember 2009bereits zu drei Monaten Beugehaft verurteilt.Bei einem erneuten Prozesstag im Februar 2010 sagte er ungebrochen, dass auch nach„26 Jahren Haft seine antiimperialistischeÜberzeugung intakt“ sei und er die Abgabeverweigere. Die Staatsanwaltschaft forderteerneut drei monatige Beugehaft. Das Gerichtwird sein Urteil am 1. April 2010 fällen. (red.)

Frankreich: Verhaftungenin Paris. Am Nachmittag des16. Februar 2010 kam eszu Festnahmen von sechsPersonen und zu Haus-durchsuchungen in Paris,bei denen Computer undFlugblätter beschlagnahmtwurden und gezielt nach

Kleidungsstücken gesucht wurde. Währenddes Gewahrsams seien Fragen zu Soliak-

tivitäten der letzten zwei Monate gestelltworden. Den mittlerweile nur noch vier In-

haftierten wird Sachbeschädigung sowie die„Zerstörung durch Sprengstoff und Brandstif -

tung“ vorgeworfen. Sie sollen mit dem Branddes Abschiebeknastes von Vincennes sowiezu Soli-Aktivitäten wie Spaziergängen, Be-

setzungen oder Sabotageaktionen in Verbin-

dung gebracht werden. (red.)

feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 13

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Kurzmeldungen international

Ein Rückblick Der feststehende Prozessauftakt hatte einenlängeren Vorlauf: Am 21. Mai 2008 stürmtenSpezialeinheiten der Polizei gegen 6 Uhr min-

destens 23 Wohnungen bzw. Vereinslokaleim gesamten Österreich. Die BewohnerInnenwurden spiellmreif mit gezogenen Waf -fen aus dem Schlaf gerissen, anschließendmachten sich BeamtInnen der Kriminalpolizeian die Durchsuchungen der Wohn- und Ver -einsräumlichkeiten.Als Begründung für die Hausdurchsuchungenund das martialische Auftreten der Repres-

sionsbehörden musste der Vorwurf der “Bil-dung einer kriminellen Organisation” gemäߧ278a StGB, sowie verschiedene Straftatbe-

stände wie Sachbeschädigungen, Brandstif -tungen etc. herhalten. Gegen zehn Personen,bei denen Hausdurchsuchungen stattgefun-

den haben, lagen Haftbefehle vor. Begründetwurde der Erlass der Untersuchungshaft mitden juristischen Winkelzügen der „Verdunke-

lungsgefahr und Tatbegehungsgefahr“.Die Verhafteten wurden aus ihren Woh-

nungen entweder direkt in das Polizeianhal-tezentrum Rossauer Lände überstellt, oder zuvor noch in Polizeistationen festgehalten.Danach wurden alle zehn nach Wiener Neu-

stadt verlegt und dort im Laufe von drei Tagender Haftrichterin vorgeführt. Ohne Mitteilung

an die RechtsanwältInnen wurden einige der Inhaftierten am 28. Mai auf zwei weitere Ge-

fängnisse in Wien-Josefstadt und Eisenstadtverlegt.Einerseits sollten laut der Staatsanwaltschaftdie angeblichen “KomplizInnen” voneinander getrennt und isoliert werden, andererseitswurde hier die Zerstreuung der Proteste undDemos vor den Knästen wohl zumindest ein-

berechnet.Die Untersuchungshaft wurde für die Aktivi-stInnen mehrmals verlängert. Angebote von-

seiten des Gerichts, durch eine Distanzierungvom Tierrechtsaktivismus oder die Heraus-

gabe ihrer PGP-Passwörter freizukommen,

wurden von allen Inhaftierten abgelehnt. Der Großteil der Betroffenen verweigert bis heutedie Aussage.Am 13. August 2008 kam der erste der zehnInhaftierten frei, als sich ein Untersuchungs-

richter erstmals von der Position der Staats-

anwaltschaft entfernte und die “Tatbege-

hungsgefahr” in seinem Fall als nicht gegebenansah. Die Staatsanwaltschaft erhob Rechts-

mittel gegen die bedingte Freilassung. In wei-terer Folge musste sie sich allerdings AnfangSeptember 2008 der Weisung der übergeord-

neten Oberstaatsanwaltschaft Wien beugenund auch die restlichen neun Inhaftierten frei-lassen. Völlig überraschend stellte diese fest,

dass die zu erwartende Haftstrafe “außer Ver -hältnis” zur bereits verbüßten U-Haft stünde.Eine Argumentation, die vor allem in Anbe-

tracht der Strafandrohung von sechs Monatenbis zu fünf Jahren bei einer Verurteilung nach§278a sehr ungewöhnlich scheint. Es darf 

spekuliert werden, dass das amtliche Vertrau-

en in die vorhandene „Indizien- und Beweis-

lage“ für eine Verurteilung nach § 278a StGBnicht allzu ausgeprägt war.Nach 105 Tagen Untersuchungshaft, unzäh-

ligen globalen Solidaritätsbekundungen wieDemonstrationen, Tierbefreiungen, Kletter -aktionen etc. befanden sich die AktivistInnenwieder auf freiem Fuß.Selbst in der bürgerlichen Öffentlichkeitwurden kritische Stimmen gegenüber denHaftgründen laut, insgesamt gab es ein er -staunliches und zum Großteil wohlwollendesMedienecho für die ehemals als „Öko-Terro-

risten“ titulierten AktivistInnen aus der Tier -rechtsbewegung. Auch die parlamentarischeFraktion der Partei der Grünen stellte sichmitten im Wahlkampf demonstrativ hinter dieGefangenen. Auf dem Weg zum Prozess Im August 2009 ist bei den zehn ehemals in -

haftierten TierrechtlerInnen der Strafantrageingetroffen. Und damit ist klar, sie alle wer -den sich vor Gericht wegen der „Bildung undMitgliedschaft in einer Kriminellen Organisa-

tion“ (§ 278a StGB) verantworten müssen.Im Februar wurde durch die Medien bekanntgegeben, dass noch gegen drei weitere Per -sonen Anklage erhoben wird.

Zum Prozess sind allein um die 120 Bela-

stungszeugInnen geladen. Darunter bendensich Dutzende Beschäftigte von tierausbeu-

tenden Unternehmen, gegen die es in denletzten 15 Jahren Demos oder Aktionen gab.Den Rest der BelastungszeugInnen stellenErmittlungsbeamtInnen staatlicher Verfol-gungsbehörden. Mit der großen Anzahl anZeugInnen sorgt der ermittelnde Staatsan-

waltschaft dafür, dass der anstehende Pro-

zess über ein lange Zeitspanne gehen wird.Dies bedeutet für die Angeklagten nicht nur,dass sie in dieser Zeit keinem geregelten Le-

ben nachgehen können. Es bedeutet auch,dass sie unabhängig von dem kommenden

Urteil allein wegen der immensen Anwäl-tInnenkosten vor dem nanziellen Bankrottstehen.Am 2. März 2010 wird der Prozess gegen13 politische AktivistInnen in der Wiener Neustadt beginnen. Er soll (konservativ ge-

schätzt) mehrere Monate dauern und an dreiVerhandlungstagen pro Woche stattnden.Zum Prozesstag wird von den unterstüt-zenden Soli-Komitees und Gruppen zu einemglobalen Aktionstag aufgerufen. Am Samstagvor Prozessbeginn wird in Wien eine Groß-

demonstration erwartet, die ein deutlichesSignal setzen soll, dass die Angeklagten über die Prozessdauer hinweg mit einer breiten in-

ternationalen Solidarität rechnen dürfen.(Antirep 2008/red.) Aktuelle Infos unter:www.antirep2008.lnxnt.orgwww.antirep278a.blogsport.de

Zum Prozessauftakt am 2. März 2010gegen AktivistInnen aus der Tierschutz-und Tierrechtsbewegung in Wien

Page 14: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

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14 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Mit dem Ende der Prozessperiode (Prozessu.a. gegen Mitglieder der KommunistischenPartei politisch-militärisch (PCp-m) in Italien,Anm. GI) erachten wir die Phase als beendet,in der wir, obwohl gefangen, uns zu der drau-

ßen geführten politischen Schlacht im Sinneder Bejahung und Kontinuität (des revolutio-

nären Kampfes, Anm. GI) verhalten haben. In

  jener Phase haben wir die bürgerlichen Ge-richtssäle zur Behauptung der allgemeinenZiele und des Inhalts der Auseinandersetzungbenutzt, indem wir den von uns vorangetrie-

benen Projektversuch vertreten haben: näm-

lich zum Aufbau der Kommunistischen Parteiin der zur siegreichen Führung des revolutio-

nären Prozesses historisch notwendigen Formund Eigenschaft beizutragen; was im Konzeptbzw. in der Praxis der politisch-militärischenEinheit als konkrete Form der revolutionärenPolitik zusammengefasst wird. RevolutionärePolitik und die Aktion der Partei denieren sichim Rahmen der Entwicklung der Klassenauto-

nomie und der politischen Kernauseinander -

setzungen und Knotenpunkte.Diese unsere Verantwortungsübernahme hatdann zur politischen Auseinandersetzung umunsere Geschichte geführt: der Operation desPräventions- und Repressionsstaates gegendie revolutionäre Instanz (im Sinne von Initiati-ve, Anm. GI) hat sich ein starkes solidarischesLager aus der Klassenbewegung entgegenge-

setzt. Hunderte von Unterstützungsinitiativen,von einfachen Schriften auf den Mauern der Metropolen und die Organisierung von Soli-daritätsversammlungen und -komitees bis zur Unterstützung von Arbeitern aus den Fabriken,in denen einige von uns gearbeitet haben. Dasalles stand uns zur Seite, während wir uns inden bürgerlichen Gerichten zu unserer Identi-tät und Praxis bekannten. Die so entstandeneEinheit hat in den Apparaten der Konterrevolu-

tion, die auf unsere Kriminalisierung und folg-

lich Isolierung setzten, starke Beunruhigungausgelöst.Zu dieser Einheit haben auch jene Genos-

sInnen stark beigetragen, die sich dem ge-

meinsamen Feind nicht gebeugt haben, ob-

wohl sie nicht zur Organisation gehören undebenfalls verhaftet wurden. Monat für Monathaben die in der Solidaritätsstruktur vereintenBewegungsteile durch einen dialektischen Pro-

zess mit der revolutionären Instanz (Initiative,Anm. GI) ein politisches Faktum geschaffen:Dadurch blieb diese (revolutionäre Initiative,

Anm. GI), obwohl getroffen, nicht isoliert. Ins-

besondere, weil sie die Präsenz des revoluti-onären Weges inmitten des Klassenkampfeserneut bestätigen und auf die Ebenen der De-

batte und des Bewusstseins der Klasse einwir -ken konnte.

Während der politischen Auseinandersetzungim Gerichtssaal bestand die Notwendigkeitund Priorität in der Bekräftigung der allgemei-nen Ziele und Inhalte des von uns vorangetrie-

benen Projektversuchs. Nun geht es uns un-

ter der Aufrechterhaltung dieser Angelpunktedarum, den neuen Kontext (der anstehenden  jahrelangen Haftzeit, Anm. GI) anzunehmen

und unsere Militanz neu auszurichten.Folg-lich haben wir entschieden, uns als KollektivKommunistischer Gefangener zusammen zuschließen. Dieser Entscheid ist kein Ausdruckpolitischer Diskontinuität, da die allgemeinenZiele und Inhalte, an denen sich unsere Aktionorientiert, noch immer dieselben sind; vielmehr wurde dieser getroffen, um zur Denierung der Diskontinuität unserer Beitragsweise gelangenzu können.Das Gefängnis ist ein Kontext, der präziseGrenzen setzt, aber nicht als „schwarzes Loch“begriffen werden darf, wo wir dem Kampf ent-rissen wären. Das Gefängnis ist Teil der Aus-

einandersetzung. Vielmehr noch, je schärfer 

die Auseinandersetzung wird und auf dieKräfteverhältnisse zwischen den Klassen ein-

wirkt, umso präsenter wird das Gefängnis.Und sobald sich der revolutionäre Prozessentfaltet, werden Gefängnisse und Repressionerst recht zur massiven Erscheinung. DieseTendenz manifestiert sich mit immer größerer Intensität in dem Maße, in dem die Krise der kapitalistischen Produktionsweise ihre Folgenproduziert.Die immer schwereren Einschränkungen, diedas imperialistische Bürgertum im Versuch der Überwindung seiner Krise der ArbeiterInnen-

klasse und dem Proletariat auferlegt und weiter auferlegen wird, werden immer stärker die mitder Klassenauseinandersetzung zusammen-

hängenden Themen beleben. In dieser Ausei-nandersetzung werden sich die AktivistInnennach und nach von den Ketten der bürger -lichen Legalität befreien; vor allem wird sichdie Erkenntnis von der Notwendigkeit der pro-

letarischen Revolution und der Entwicklung der Auseinandersetzung durchsetzen. Nur auf die-

sem Terrain des tendenziellen Machtkampfeskann sich erstens das Proletariat vereinen; undkönnen die vielen partiellen Kämpfe (die sonstzur Ohnmacht verurteilt sind) zum Erfolg ge-

führt werden. Nur über diesen Weg kann zwei-tens das Bürgertum besiegt werden.Es ist eine Auseinandersetzung, in der Ge-

fängnis und Repression zum immer gebräuch-

licheren Instrument werden, um die revolu-

tionären Instanzen (Initiativen, Anm. GI) zubeugen und zu vernichten, die beabsichtigensich mit der Klassenbewegung in ein dia-

lektisches Verhältnis zu setzen. Auf diesemTerrain sind der Widerstand der gefangenen

Militanten und ihre Verteidigung des revoluti-onären Prozesses der Hauptgegenstand der Auseinandersetzung. Das wird von all den Mit-teln bestätigt, die wir alle kennen und die zur Erpressung von Kapitulation, Verrat und Ver -leugnung eingesetzt werden. Die Bandbreiteder repressiven Mittel reicht bis zur psycho-

physischen Folter, wie sie im Art. 41. des (ita-

lienischen, Anm. GI) Gefängnisregimes festge-

schrieben ist.

Der Staat stuft die repressiven Mittel als sehr wichtig ein, um die revolutionäre Bewegungvon innen zu bekämpfen und zu zerschlagen.Vor allem in einer Phase der Krise, wie in der aktuellen, wo auch kleinere Bezugspunkte (re-

volutionärer Politik, Anm. GI) für das Proletariatgroßen strategischen Wert annehmen können.Für KommunistInnen im Gefängnis wird es im-

mer mehr zu einem Imperativ, zu widerstehen,revolutionäre Positionen zu vertreten und sichden Erpressungen und der Repression nicht zubeugen. Wobei es nicht nur um die Sache der Bezeugung der politischen Identität geht, son-

dern vielmehr um die konkrete Teilnahme ander Entwicklung des revolutionären Prozesses.

Das ist das Hauptziel, weswegen wir unszum Kollektiv Kommunistischer Gefangener zusammengeschlossen haben. Ein Ziel, dassich in den, wenn auch eingeschränkten, sodoch vielfältigen Interaktionen mit der revoluti-onären Bewegung und der Klassenbewegungkonkretisiert. Insbesondere werden wir zur Debatte, zur Analyse- und Studierarbeit über die Themen generellen Interesses beizutragenversuchen; auch mit Übersetzungen von Ma-

terial aus der internationalen kommunistischenBewegung und den fortgeschrittenen revolutio-

nären Erfahrungen.Dazu beabsichtigen wir uns als Kommunistenauf theoretischer Ebene weiterzubilden, im

Versuch, unser Verständnis des Marxismus-Leninismus-Maoismus und der Geschichte der kommunistischen Bewegung zu verbessern,indem wir Studiengruppen und Seminare för -dern werden. Wir erachten es auch als wichtig,uns mit der sogenannten Gefängniswelt aus-

einander zu setzen und uns auf ihre Kämpfezu beziehen. Es gibt viele Gründe, aus ihr einentscheidendes Glied der Klassenrepressions-maschine, was der bürgerliche Staat eigentlichist, zu machen.Das alles in Zeiträumen und mit Methoden, diewir nach und nach denieren werden. Folglichwerden wir, wie schon getan, die günstigenGelegenheiten zu erfassen versuchen, um unsmit den möglicherweise entstehenden Kampf-und Protestbewegungen zu solidarisieren. Desweiteren werden wir mit den Initiativen undKampagnen der Anprangerung, der Gegen-

information und Agitation in einen Austauschtreten.All das im Bewusstsein, dass die Auseinander -setzung und die Lösung der politischen Kno-

tenpunkte, um die Richtung des strategischenPlanes neu zu denieren und den revolutio-

nären Prozess wieder aufzunehmen, Sacheder revolutionären Bewegung, ihrer Avantgar -den sind. Wir versuchen unsere Picht zu tun,indem wir widerstehen und die revolutionäreFahne an der Gefängnisfront hochhalten.

Collettivo Comunisti Prigionieri „L‘Aurora“

Bortolato Davide, Davanzo Alfredo, LatinoClaudio, Sisi Vincenzo, Toschi Massimiliano

Siano-Catanzaro 20. Januar 2010

Gründung des Gefangenenkollektivs Aurorawww.rhi-sri.org 

Page 15: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

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Am Samstag den 20. Februar fanden in Bor -deaux, Fresnes und Toulouse Kundgebungenfür die Freilassung der Genossen aus ActionDirecte statt.

In Fresnes versammelten sich ca. hundertDemonstrantInnen vor dem Gefängnis, indem Jean-Marc Rouillan derzeit inhaftiert ist.Sie kamen aus Nordfrankreich, aus Clermont-Ferrand, Béeziers, Périgeux, Paris und Um-

gebung, Belgien und Deutschland.Folgende Gruppen waren vertreten: Libérez-Les, Solidarité et Liberté, Secours RougeBelgique, Freundinnen und GenossInnen der AD Gefangenen Frankfurt-Paris, NLPF, NPA,

Militante aus dem libertären Spektrum, Men-

schen, die seit vielen Jahren Solidaritätsarbeitmachen und viele GenossInnen, die kamen,um ihre Solidarität zu zeigen. Die Kundge-

bung verwandelte sich in eine Demonstrationrund um den Knast, um dahinter auf Fenster -höhe der Gefangenen zu sein.Parolen wurden gerufen: „Libération des Mi-litants d‘Action directe! Freilassung der Mi-litanten aus Action directe! „23 Jahre Knast,23 Jahre Widerstand! Schluss mit der Erpres-

sung zum Abschwören. Bedingungslose Frei-lassung!“, „Lasst Cipriani raus! Lasst Rouillanraus!“, „ Mauer um Mauer, Stein um Stein,zerstören wir alle Gefängnisse!“

Die Gefangenen konnten diese Parolen hörenund schrien ihre Revolte zu den Demonstrie-

renden hinüber. Die Kampagne für die Frei-lassung der Militanten aus Action Directe gehtmit zahlreichen Konzerten, Filmvorführungen,Kundgebungen,... weiter, die überall in Frank-

reich stattnden.

Obwohl wir zu wenige waren, war die De-

monstration recht kämpferisch und die Polizeihielt sich zurück.

feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 15

Palästina: Ahmad Sa‘adatwurde erneut in ein an-

deres Gefängnis verlegt- von einem Isolationstraktin einen anderen. Sa‘adatwurde 2002 verhaftet undbendet sich seitdem unter 

strengster Isolationshaft. Inden letzten Monaten wurde

Sa‘adat bereits mehrmals in andere Gefäng-

nisse verlegt, was für ihn eine erheblicheBelastung bedeutet. Die PFLP (Volksfrontfür die Befreiung Palästinas) bezeichnete dieVerlegung als einen Angriff auf alle Palästi-nenserInnen und verwies darauf, dass seineBefreiung ein Ziel für alle PalästinenserInnensein müsse. (red.)

Italien: Am 20. Januar 2010wurden Constantino Virgi-lo und Manolo Morlacchi(Foto) in Rom bzw. Genf 

festgenommen. Ihnen wirdvorgeworfen, Mitglieder der „Neuen Roten Brigaden“ zusein, die sich 2006 zu einemfehlgeschlagenen Anschlag

bekannt hatten. Bereits im Juni 2009 wurden5 Personen in diesem Zusammenhang fest-genommen. Nach ihrer Vernehmung wurdendie zwei Verhafteten ins Gefängnis nach SanVittore verlegt. Wann der Prozess gegen siebeginnt ist bislang unklar. (red.)

Italien: Am 23. Februar 2010 kam es in mehrerenStädten Italiens zu mehr als

20 Hausdurchsuchungen imanarchistischen Spektrum.Es wurden Informations-

materialien wie Flugblätter und ähnliches beschlag-

nahmt, sowie die Computer des Radios Black Out in Turin. Grund für dieDurchsuchungen waren Angriffe auf Räum-

lichkeiten der faschistischen Lega Nord undden Verdacht auf Gründung einer kriminellenOrganisation. (red.)

Baskenland: Im Basken-

land reißt die Repressions-

welle nicht ab. Binnen einenMonats kam es in den OrtenOndarroa, Deba, Mutriku,Villabona, Hernani, Segura,Deusto, Gerona, Algorta,Oiartzun, Getxo und Bilbaozu ca. 25 Verhaftungen und

zu mehreren Razzien, wobei von der spa-

nischen und französischen Polizei Spreng-

stofager ausgehoben worden seien, dieder ETA zugerechnet werden. Ein weiteresSprengstofager sei in Portugal entdeckt undausgehoben worden. Den Verhafteten wirdu.a. die Mitgliedschaft in der baskischen Un-

abhängigkeitsorganisation ETA vorgeworfen.

In mehreren Fällen wurden die Verhaftetenwährend der Incommunicado-Haft gefoltertund erlitten u.a. schwere Verletzungen wieKnochenbrüche. Einige der Gefolterten wur -den bereits in Krankenhäuser verlegt. (red.)

Kurzmeldungen international

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international  ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Unter dieser Forderung fand, vom 06.02 biszum 13.02.2010, die internationale Solidari-tätswoche zum wiederholten Male statt. Dem

Aufruf der linken Organisation „Askapena“folgend, kam es in 18 europäischen und la-

teinamerikanischen Ländern zu mehren So-

lidaritätsveranstaltungen und Protestkundge-

bungen.Grund für die Aktionswoche ist die Verschär -fung des politischen Koniktes zwischen der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegungund der spanischen sowie französischen Re-

gierung. Seit dem Sommer letzten Jahres hatdie Repression gegen linke AktivistInnen unddie politischen Gefangenen zugenommen.Die Illegalisierung der Fotos der Gefangenen,das Verbot von Solidaritätsdemonstrationen,die Verhaftung von linken PolitikerInnen, Ge-

werkschafterInnen, JournalistInnen und Ak-

tivistInnen aus der Jugendbewegung, sowiederen Misshandlung und die neue Verord-

nung zur Durchsuchung der Angehörigen beiGefangenenbesuchen sind nur einige Bei-spiele dieses Ausnahmezustandes.

In diesem Kontext veranstalteten „EH Lagu-

nak - Freundinnen und Freunde des Basken-

landes“ und das „Netzwerk Freiheit für allepolitischen Gefangenen“ in Berlin mehrereVeranstaltungen. Die Berliner Solidaritätswo-

che begann mit der Vorführung des Filmes„Der permanente Ausnahmezustand“ undeiner Vokü mit baskischem Essen. Eine In-

foveranstaltung berichtete über die Situati-on der baskischen Gefangenen in den spa-

nischen Knästen. Den Abschluß bildete eineProtest- und Solidaritätskundgebung vor der spanischen Botschaft. Bei dieser versammel-ten sich am 12. Februar, bei Schnee und Eisam stillsten Örtchen von Berlin, rund 50 Per -sonen, die ihre Solidarität mit dem Basken-

land lautstark demonstrierten.

In den gehaltenen Redebeiträgen wurde öf -fentlich die spanische Repressionspolitikangeklagt, die Solidarität mit den politischenGefangenen zum Ausdruck gebracht und diebaskische Forderung nach Selbstbestimmungstark gemacht.Auch die sogenannte „Incommunicado“ Haftwurde problematisiert. Nach spanischemRecht können Festgenommene in der Un-

tersuchungshaft für mehrere Wochen isoliertwerden, ohne ein Recht auf Besuch oder ei-nen Anwalt. Besonders in dieser Zeit werden,laut Berichten von Betroffenen, die berüch-

tigten Foltermethoden wie das Simmulierenvon Erstickung u.ä. durchgeführt.

Zeitgleich zu der Aktionswoche in Berlinfanden auch in anderen deutschen Städ-

ten, wie Düsseldorf, Gießen, Braunschweig,Hamburg, Hannover, Magdeburg, Nürnbergund Stuttgart ebenfalls Solidaritätsveranstal-tungen statt. (red.)

Freiheit für das Baskenland

Für den Sozialismus!

Für die Freilassungder Gefangenen ausAction Directe

www.action-directe.net 

Page 16: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

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16 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier  ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Antirepressionsarbeit hat viele Gesichter,ob es nun Informationsveranstaltungen, De-

monstrationen oder andere Aktionen zumThema Repression und Eingesperrte sind.Ein wichtiger Gesichtspunkt dieser Arbeit, der direkte Kontakt zu den Inhaftierten, kommt lei-der oft zu kurz.Doch gerade dieses Gebiet ist unheimlichwichtig, zum einen für die Weggesperrten,zum anderen für uns, da der Knast einweiterer Schauplatz des Klassenkampfesund der Auseinandersetzung mit den Herr -schenden ist. Viele sind hinter Gittern wegen„Eigentumsdelikten“, weil sie sich aufgrund ih-

rer Klassenlage und den damit verbundenenLebensbedingungen „Nebenverdienstmög-

lichkeiten“ schaffen mussten oder ohne deut-schen Pass keinen Zugang zu legalen Ein-

nahmequellen haben. Andere weil sie aktivgegen das kapitalistische System kämpfen.

Es hat sich zwar ein bisschen was bewegt be-

züglich der Notwendigkeit der direkten Ausei-nandersetzung mit Gefangenen, aber trotz-dem ist die Parole „Drinnen und draußen, einKampf!“ noch nicht Realität für die (radikale)Linke.Wie sind diese Blockaden aufzulösen?Ich denke, es ist wichtig, auf einige Problemeund Fragen einzugehen.Wir sind zur Zeit mit einer stark zunehmendenRepression konfrontiert. Die Widerstandsbe-

kämpfung im Inneren wird also immer weiter ausgebaut und verschärft, um z.B. die deut-schen Kriegseinsätze abzusichern.Genossinnen und Genossen meiden nicht nur 

Prozesse, da sie Angst vor der Erfassung ha-ben, sondern lehnen Kontakt mit verhaftetenGefährtInnen wegen der Erfassung ab.Schauen wir uns diese Beispiele mal genauer an: was ist für die Weggesperrten in solchenSituationen wichtig? Unsere Solidarität!Die Frage für uns ist doch die: wie können wir unsere Verbundenheit mit den Eingekerkertenzeigen? Wie können wir diese Situation für uns alle umdrehen, um unsere Vorstellungendurchzusetzen?Wichtig ist, uns nicht von den Repressions-

organen abschrecken und bestimmen zulassen, sondern von unserem Bedürfnis nachSolidarität auszugehen.

Cengiz Oban, der wegen § 129b wegege-

sperrt ist, schreibt am 31. Juni 2009 dazu:„Briefe sind für Gefangene nicht wegzuden-

ken, auch eine Postkarte, einzig und alleinmit einem Gruß ist die kleinste auch größteFreude für den Gefangenen... Mit der Inhaf -tierung geht es doch genau darum, nämlichdie Solidarität und die Kollektivität zu durch-

brechen. Da, wo die Solidarität herrscht, kannes keinen Egoismus geben. So stark die Kol-lektivität wächst, so schwach wird auch dieKonkurrenz...“

Wichtig dabei ist, dass die Auseinander -

setzungen mit den Gefangenen möglichstgemeinsam vor- und nachbereitet werden.Möglichst Kontakt zu den Angehörigen, An-

wältInnen, anderen BriefschreiberInnen auf -nehmen und auch seine eigenen Zusammen-

hänge in diese Arbeit einzubeziehen. So steht

mensch nicht allein vor dieser Situation undso konstituiert sich draußen auch ein kollek-

tiver Prozess.

„Genau das ist auch der Schutz und die Bar -rikade vor der Verelendung. In diesem Punkttreten die § 129a/b in Kraft und es ist der Versuch, die Solidarität zu durchbrechen. Un-

sicherheit und Angst sollen sich verbreiten.Angst vor Knast und Angst vor Erfassung. So-

bald mensch verknastet ist, geht es weiter mitder Isolation. Da, wo doch die Kollektivität einMedikament für die Krankheitssymptome desSystems ist, so ist es auch ein unverzichtbaresMedikament gegen die Isolation.“(Cengiz)

Wir können deshalb Antirepressionsarbeitnicht losgelöst von Gefangenen betreiben,denn das wäre nichts anderes als Stellvertre-

terpolitik. Wir müssen vielmehr mit den Ein-

gekerkerten zusammenarbeiten und unserePraxis auch nach ihren Bedürfnissen ausrich-

ten. Es muss uns darum gehen, die Stimmeder Eingesperrten nach draußen zu tragenund ihnen einen Raum zu schaffen, wo siesich artikulieren können.Das heißt aber nicht, dass wir alles schlucken,was Gefangene so von sich geben. Wir müs-

sen sie kritisch und solidarisch hinterfragen,so wie es in „Freiheit“ unter uns eigentlichauch laufen sollte.Zum Schluss noch was zur Frage, ob wir mitInhaftierten nur solidarisch sein sollten oder mit ihnen zusammen die tagtägliche Unter -drückung bekämpfen sollten.

Es ist natürlich die Entscheidung von jedemEinzelnen, wie sie bzw. er sich entscheidet.Einige Gefangene, die wegen § 129b wegge-

sperrt sind, fassen den Begriff der Solidaritätweiter: Faruk Ereren, dem die Abschiebung indie Türkei droht, meint sinngemäß, führt denKlassenkampf und dann ändert es auch dieLage im Knast. Oder Nurhan Erdem meint,von den Paragrafen 129 sind alle betroffen,die für eine freie Gesellschaft kämpfen unddeshalb ist eine Auseinandersetzung mit ih-nen mehr als nur Solidarität, sondern auchKampf um die eigene Befreiung.

Hier noch ein paar praktische Tipps:

● Legt auf Veranstaltungen Postkarten undAdresslisten aus und fordert die Besucher_in-

nen auf, den Gefangenen zu schreiben● Schreibt Postkarten und Briefe, legt Brief -marken für die Inhaftierten dazu● Berichtet ihnen in Briefen von Infoveran-staltungen, die ihr macht● Schickt Grußadressen an die Wegge-

sperrten● Macht das Schreiben „an die drinnen“ zueinem Teil eurer Praxis● Thematisiert das Thema auf Veranstal-tungen und Demos

Nachbemerkung:

Mir ist bewusst, dass auf Grund der Platzbe-

grenzung alle Punkte nur fragmentarisch an-

gesprochen werden konnten. Ich stehe aber für Veranstaltungen zur Verfügung, um dieThematik zu vertiefen.

Zur Kommunikation mit GefangenenWolfgang, Mitarbeiter des Gefangenen Infos

Aus einem Brief von Ahmet Düzgün Yüksel:Der Vogel „Boran“ symbolisiert in der Türkei dieWiderstandstradition in den Gefängnissen.

Eine Karikatur von Günther Finneisen. SeineKarikaturen, von denen wir bereits einige ab-

druckten, gab es auch schon als Postkartenserie

Diesen Brief von Cengiz Oban, der ein TonSteine Scherben-Zitat enthält, erhielten einigeGenossInnen als Neujahrskarte.

Page 17: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

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  Thomas Meyer-Falk:Wehrhafter Widerstand hinter Gittern

Beitrag für Veranstaltungen zum 18. März desNetzwerks Freiheit für alle politischen Gefan-

genen

Auch wenn heute größere Aktionen wie An-

fang der 90‘er Jahre im bayrischen Straubing,als Gefangene auf das Dach des Zuchthauseskletterten, letztlich nicht mehr vorkommen,gibt es in jedem Gefängnis Einzelne, die sichwehren. In aller Regel ist dieser Widerstandlegalistisch, das heißt, er sprengt nicht diegesetzlichen Schranken- aber selbst jene, diesich innerhalb dieser Schranken verteidigen,werden dann oftmals von der Anstalt unter Druck gesetzt: Angefangen bei besondersakribischen Zellenrazzien, anlässlich derer dann wirklich alles entfernt wird, was nur geht(während dem Zellennachbarn all das Zeugsbelassen wird, denn dieser schwimmt ja bravim Strom mit).

Fortgesetzt durch wenig subtile Bemer -kungen, wie: „Sagen sie mal, sie wollen dochbestimmt vorzeitig entlassen werden, oder aber Vollzugslockerungen, wenn es soweitist.!?“ und andere Strategien mehr. Direktephysische Bedrohung dürfte die absoluteAusnahme sein. Das ist heute auch nichtmehr notwendig; aus Chile gibt es Untersu-

chungen, daß zu Zeiten der Diktatur der Ein-

satz physischer Folter im selben Maße ab-

nahm, wie sich psychologische Strategien alsmindestens ebenso wirkungsvoll, wenn nichtgar noch wirkungsvoller erwiesen (welchedann noch den Vorteil hatten keine sichtbaren

Spuren zu hinterlassen).

Und so ist auch heute in Deutschland der zu-

sammengetretene Gefangene die Ausnahme;Rollkommandos, wie sie noch vor 30 Jahrenim Einsatz waren, die dann auch schon we-

gen Mordes vor Gericht gestellt wurden, (sogeschehen 1975, als Wärter vom LandgerichtMannheim wegen Mordes an einem 25-jäh-

rigen Gefangenen verurteilt wurden) sind nur noch ganz partiell im Einsatz.So kann dann der Gefangene auch keine kör -perlichen Wunden als Beweis für seine Miss-

handlungen mehr vorweisen, denn psycholo-

gische Strategien hinterlassen ihre Spuren in

der Seele.

Zu mal heute jede Anstaltsleiterin und jeder Anstaltsleiter schwören würde, daß in der 

  jeweiligen Anstalt jeder Insasse, jede In-sassin „korrekt“ behandelt wird - und in der bürgerlichen Gesellschaft nden Gefangeneseltener Menschen die ihnen glauben (undwenn, dann schallt es ihnen entgegen: „Rechtgeschieht‘s Euch, ihr kriminelles Gesindel“).Und deshalb ist es von solch grundlegender Bedeutung jene Gefangenen die sich wehrenzu unterstüzen, sie nicht alleine zu lassen.

Der Tag für die Freiheit der politischen Ge-

fangenen sollte auch helfen, den Blick auf alldie anderen Gefangenen zu richten, so meineÜberzeugung.

Denn was wäre gesellschaftlich gewonnen,kämen zwar alle politischen Gefangenen frei,

bliebe aber das Heer der übrigen Menschenhinter Gittern? Wäre das dann wirklich einebessere Gesellschaft in der wir leben?

Herzschlagende und kämpferische Grüße,

Thomas Meyer- Falkwww.freedom-for-thomas.de

► Schreibt den Gefangenen!Thomas Meyer-Falk, JVA Bruchsal, Z. 3117,Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal

  Werner Braeuner:Grußwort an die KonferenzenSehnde, 7. Februar 2010

Als Angehöriger der Bewaffneten Plane-

tarischen Streitkräfte/Unidentizierbarekämpfende Subjekte, möchte ich die Teil-nehmerInnen der Konferenz des NetzwerkFreiheit für alle politischen Gefangenen, diesich zum 18. März und im Gedenken an die

Niederschlagung der Pariser Commune ver -

sammelt haben, mit größter Herzlichkeit grü-

ßen.

Schlagen sie uns nieder, stehen wir auf, wie-

der und immer wieder. Mit jedem neuerlichenAufstand werden wir entschlossener und stär -ker, die kollektive Erinnerung dient uns kämp-

fenden Subjekten als Ausbildungslager, wowir lernen zu obsiegen.

Humangenetiker erzählen von 300.000 Jah-

ren, in denen unsere Art, der Homo Sapiens,sich erfolgreich wider mannigfache Schwie-

rigkeiten und Katastrophen behauptet hat,

kämpfend, im Kampf. Waren jene Schwierig-keiten und Katastrophen allesamt natürlichenUrsprungs, sehen wir uns erstmalig mit einer von unserer eigenen Art herbeigeführten Ka-

tastrophe konfrontiert, ihr Name ist Lohnarbeit& Kapital, kapitalistische Produktionsweise.Das von Lohnarbeit & Kapital über den ge-

samten Planeten errichtete Terror-Regimebedroht unsere Art, jeden Einzelnen und jedeEinzelne von uns, mit Auslöschung und Ve-

nichtung.Auch mit dieser neuartigen Bedrohung wer -den wir fertig werden, ohne Name, Anschriftund Gesicht ist sie letzlich nicht gefährlicher als irgendeine der anderen überstandenen

Katastrophen, Kapitalismus ist mitnichteneine übernatürliche Macht. Die verwundbareStelle des Ungeheurs ist der ihm auferlegteZwang, menschliche Arbeit mit dem Mittel desZwangs in Wert zu setzen, in Kapital und Pro-

t zu verwandeln. Gelingt ihm dies nicht, wirdes unweigerlich fallen müssen. Kapitalismusist die Medusa im antiken Mythos, deren Leib,deren Ort der Verwertung aufgeschlitzt wer -den musste, um sie zu töten. Mit der Gefahr erwachsen die Mittel, ihr zu begegnen, und sowachsen unsere Kampfkraft und das Vertrau-

en in uns und unsere Art. Es ist wahr, there isno alternative:

Kampf oder UntergangNieder mit Staat, Zwang und RepressionFreiheit für alle, die von Lohnarbeit & Kapitalgefangen sindAufstand, Sturm auf die BastilleKommunismus jetzt!

Werner Bräuner 

► Schreibt den Gefangenen!Werner Braeuner, JVA Sehnde,Schnedebruch 8, 31319 Sehnde

  Cengiz Oban:Brief vom 21. Januar 2010

Lieber..., Deinen Brief vom 31.12. habe icham 13.1. samt Beilagen bekommen... Dei-ne Post Nr. 11 vom 19.1. ist beschlagnahmtworden. Die Gründe hierfür wurden mir nichtmitgeteilt, um den Inhalt nicht zu offenbaren.(Anmerkung vom Abtipper: der besagte Brief vom 19.1. enthielt 4 Beilagen: Artikel aus demND und jungle world zu §129b, ein Flyer zueiner §129b-Veranstaltung am 21.1. in Ham-

burg, sowie eine Abschlussresolution zumSymposium gegen Isolationshaft in London.Und zwei Sätze, aus denen zu entnehmenwar, das ein bundesweites Treffen zu §129b

in Wuppertal stattndet und die Bestätigungseiner Post, die erst nach 7 Wochen ankam.)Seit der Anklageerhebung sind ofziell 9Briefe beschlagnahmt worden. Acht durchden Strafsenat, der den Prozess gegen unsführen wird und einer vom Strafsenat, der für Faruk (Ereren) zu ständig ist.Hinzu kommen noch zwei „verlorene“ Briefeund ein weiterer Brief, von dem ich lediglicheine Kopie erhielt. Hierzu gibt es noch keineofzielle Stellungnahme durch den Senat. Esgibt bestimmt noch mehr Briefe, die beschlag-

nahmt wurden oder noch werden. Ich erfahredavon Wochen oder Monate später.Ich habe natürlich eine eigene Meinung zu

diesem Ganzen und werde dieses auch nichttatenlos über mich ergehen lassen. In diesemBrief möchte ich mich jedoch nicht hierüber auslassen, sondern einfach nur durch einigeBeispiele aufzeigen, dass Begriffe wie Mei-nungsfreiheit, oder demokratischer und sozi-aler Rechtsstaat nur noch inhaltlose Hüllensind. Wo auch Wahrheit, Argumente und der Verstand keinen Platz mehr haben, da siedurch autoritäre und willkürliche Haltung ver -drängt werden.Wie du weißt, wurde das „Gefangenen-Info“350 wegen eines abgedruckten Briefes vonNurhan (Erdem), nicht ausgehändigt. Begrün-

det wurde das damit, dass diese Zeilen mich

„beeinussen“ könnten.Bevor sie etwas beschlagnahmten, verlangtensie eine Stellungnahme, die ich selber schriebund fristgerecht abschickte. Sie besagte, dassich den Brief kenne und somit die Beschlag-

nahme nicht berechtigt ist. Die Antwort darauf war: Mein Anspruch hätte sich schon erledigtund somit sei das Recht auf Widerspruchgegenstandslos. Ein schönes Beispiel dafür,dass Richter sich aus ihrer Machtfülle herausüber das Recht und über die Grundsätze vonWahrheit und Gerechtigkeit hinwegsetzen.Das ist aber noch nicht alles. Mir sollte die Ko-

pie der ganzen Zeitschrift, außer dem Brief,zugeschickt werden. So lautet der richterliche

Beschluss.Ich erhielt sie jedoch nicht. Nur die erste undzweite Seite des GI‘s wurden kopiert und mir zugeschickt. Ich bin verärgert. Es kocht in mir.Sie halten sich noch nicht einmal an ihre ei-genen Beschlüsse. Es ist erniedrigend und

feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 17

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8/6/2019 Gefangenen Info #353

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18 ► gefangenen info ► feb./märz 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier  ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

zynisch.Vier Briefe von mir wurden mit der Begrün-

dung, sie könnten über meine „politischenund weltanschaulichen Einstellungen Auf -schluss geben“ beschlagnahmt. Das heißt,diese Briefe sind wegen meinen Meinungs-

äußerungen einbehalten worden. Dies ist einVersuch der Einschüchterung und Verhinde-

rung von Meinungsfreiheit. In meinem Brief Nr. 4 hatte ich geschrieben, dass ich zumJahrestag des Massakers in den türkischenGefängnissen einen viertägigen Hungerstreikmachen werde, was ich auch getan habe. Siehaben mit Zwangsernährung gedroht. So wiees in der alten, „guten“ Zeit (während der Hun-

gerstreiks der Gefangenen aus der RAF, der Abtipper) üblich war.Heute habe ich einen Beschluss darüber er -halten, dass mir der „Mauerfall“ von Nov/Dez2009 nicht ausgehändigt wird. Der Inhalt ließe„eine Gefährdung der Ordnung in der JVA be-

fürchten“.

Lieber.., ihr Isolationsprogramm setzen sienun mit noch mehr beschlagnahmten Briefen,durch Drohungen und Erpressungen fort. Siewerden sich mit diesen Brief vielleicht belei-digt und auch verhöhnt fühlen. Das sind aber die Tatsachen. Nichts hiervon ist frei erfundenoder erlogen. Es musste einfach raus. Bezüg-

lich ihrer Drohungen, das macht mir nichtsaus. Im Gegenteil, desto hartnäckiger undentschlossener wird mensch. Das ist auchgut so. Denn es geht nicht um die Strafe, diemensch kriegt. Es geht um viel mehr, um dieFreiheit des Willens, um die Würde, um dieeigene Selbstachtung, um die politische Iden-

tität, um die Gerechtigkeit, um die Wahrheit,um das Recht, um den Sieg und um noch viel

mehr....Um Kinder, um Frauen, um Männer,um die Menschlichkeit...

Venceremos, lieber..!

Bis bald...Cengiz Oban

► Schreibt den Gefangenen!Cengiz Oban, JVA Bochum, Krümmede 3,44791 Bochum

  Günther Finneisen:Brief vom 10. Januar 2010 in

Bezug auf einen Artikel in GI 351

Moin, moin...Na, wie ist es? Hoffe doch sehr gut.Klar habe ich das Info schon genau gelesen.Nicht nur in eigener Sache.Ich habe da meine Meinung nicht geändertwegen der neuen Form. Es ist mehr eine Illus-

trierte vom Outt her. Auch so manche Neue-

rungen, wie z.B. die klaren Kurzmeldungen.Ist schon einen Gang anders, als noch zu denAngehörigen Zeiten. Besser, zumal die Infosnach wie vor einen hohen Informationswerthaben.Aber ich will jetzt keinen Honig verschmieren,

nd nur so, dass man das ruhig mal sagenkann. Ebenso ist es keine Kritik oder sowas,mir el nur auf, dass immer mehr betont wird(wie auch gerade du es in meiner eigenenSache betont hast), dass die 2/3 Entlassungabgelehnt wurde.

Sorry, aber ist das nicht längst normal? Weilich kenne nicht mal mehr einen, der einenkennt, der 2/3 gekriegt hat; und ich kenneund höre ja so einiges. Gut klar, irgendwo hörtman ab und zu, dass es solche Sachen nochgeben soll. Aber das klingt schon so schönwie im Märchen. Eben damit die Hoffnungnicht ausstirbt und das „brave Verhalten“ da-

für bleibt.Sicher würde ich keinem raten, es nicht dochzu versuchen, beantragen kann man es ja. Ko-

stet ja nichts, man macht eine Stadtrundfahrtzum Gericht, was man ja sonst auch mehr alsselten tut, kriegt schriftlich was man für Einer ist usw., das hat doch schon mal was.Jedenfalls meine ich, dass der Festabgangschon mehr als das Normale ist, eben auchim Trend der Zeit, zumal man dann ja eh dieFührungsaufsicht obendrauf kriegt und somitweitere Kontrolle ausgeübt wird, wie bspw.bei einer Bewährung versucht wird. Also beidenen die hier bleiben müssen, in diesemLande. Und wenn es die nicht gäbe, die ab-

geschoben werden, da ist kurz vor 2/3 ja nochnormal. In Niedersachsen war Abschiebungschon nach der Halbstrafe üblich. Die tabel-larische Durchschnittshaftzeit wäre erkennbar höher, wenn Häftlinge, die zu lebenslänglichverurteilt sind, nicht schon nach 10-12 Jahrenabgeschoben werden.Es ist jedenfalls schon was zum Schmunzeln,eben Galgenhumor, wenn hier drinnen Neu-

ankömmlinge davon träumen, dass sie nach15-18 Jahren entlassen werden, obwohl siezu lebenslänglich verurteilt und mit Schwereder Schuld und Sicherungsverwahrung hier gestrandet sind.Mit hier meine ich diesen Stationsteil im „Si-cherheitsstrakt“, den habe ich seit Monaten

für mich alleine. Weiß gar nicht mehr wielange? War es ein halbes oder ein dreiviertelJahr? Nur zwei Tage war mal jemand hier. Ob-

wohl sie noch soviel von der Realität hier imKnast mitkriegen, träumen sie trotzdem wei-ter. Irre, wie das funktioniert.Daher war ja hier auch das Gemotze so groß,als Christian (Klar) aus Bruchsal nach 26 Jah-

ren wegen „6 Morde“ rauskam, aber sie we-

gen einem immer noch drin sind und andereauch schon länger als 26 Jahre drin sind. Ha,das ist keine Bewertung von mir, sondern nur Beobachtung. Bei sowas ist eben im Knastder Futterneid groß, wieso darf der und ichnicht.

Ich habe immer noch meinen K(r)ampf mit Mi-nisterium und Strafvollzugkammer am laufen.Wegen dem Gutachter, der angeblich vorgibt,die Aufhebung meiner Einzelhaft zu prüfen.Da gibt es was neues, denn sie wollen einenAnderen namens Leygraf von der Uni Duis-

burg einsetzen.Ansonsten schicke ich spaßeshalber malwieder einen Entlassungsantrag raus, der sich auf BGH 1-353/70 beruft; dort heißt es,das es grundsätzlich nicht zu Schutzaufga-

be eines modernen Strafrechts gehört, dasein Verurteilter sinnlos seine Strafe absitzenmuss. Man gönnt sich ja sonst nix und denenauch nicht...

Also genug gesabbeltbis dann- Finni

► Schreibt den Gefangenen!Günther Finneisen, Trift 14, 29221 Celle

  Devrim Güler:Brief zu Thematisierung vonHaftbedingungen

Lieber ..., gewohnheitsgemäß grüße und um-

arme ich Dich ganz herzlich. ...Den Leserbrief in der „Jungen Welt“ bezüg-

lich der Silvesterkundgebung hatte ich in der Zeitung gelesen; es gab auch vor Stammheimeine Kundgebung von FreundInnen. Ich habesie zwar weder sehen noch hören können,aber die abgeschossenen Raketen habendas Fenster, aus dem ich rausgeguckt habe,erreicht, so dass ich von ihrer Anwesenheiterfuhr. Auf die Gefühle, die man dabei empn-

det, werde ich vorsichtshalber nicht eingehen,da es sonst zu sentimental werden könnte- jedenfalls war es erfreulich, den Gruß der FreundInnen mittels abgeschossener Rake-

ten erhalten zu haben...Natürlich hast du Recht in dem Punkt, dass dieHaftbedingungen, die wahrlich unmenschlichsind und eine hinterhältige Form des Folternsdarstellen, ernst genommen werden sollten;meine Bedenken jedoch sind, dass eine per -manente Thematisierung dieses Problemsohne die erforderlichen (aus welchen Grün-

den auch immer) Solidaritätskundgebungenaußerhalb der Mauern, zu einem uner -wünschten Bild beitragen könnte. Einem Bildder Gleichgültigkeit der FreundInnen draußengegenüber ihren gefangenen GenossInnen,denen in diesem Kunstwerk unweigerlich eineohnmächtige Opferrolle zuteil werden würde.Wenn die Kräfteverhältnisse eine gewich-

tige Solidaritätsarbeit nicht hergeben, wie esderzeit der Fall ist, sollte man sich über dieNützlichkeit einer Dauerthematisierung der Isolationsfolter vielleicht mehr Gedanken ma-

chen. Ich meine, dass so ein Bild (wie obengeäußert) mehr... zur Distanzierung unter unsförderlich sein würde, der hochbeschworenenSolidarität und dem Kampf jedenfalls nicht...Deine Kritik zu den Bezeichnungen der Pro-

zesse als Farce und Theater scheint Folgedes theoretischen Fensters zu sein, aus demwir traditionsbewusst rauszugucken pegen.Dieses Fenster kann aber unter Umständenzu eng werden, so dass man sich der Weis-

heit „Die Theorie ist grau, der Baum des Le-

bens jedoch grün“ (oder so ähnlich) besonnenfühlen muss. Warum sollten sich Klassenju-

stiz und ihre Bezeichnung als Kasperlethe-

ater ausschließen, zumal es sich zutreffend

um Alibiveranstaltungen gegen linke Kräftehandelt, in denen selbst die eigenen Regelnund Maßstäbe missachtet und verspottet wer -den?!Wie kann ein Prozess, mit dem Ziel, anti-faschistische Kräfte zum Zwecke ihrer Ein-

schüchterung und Marginalisierung unbedingtzu verurteilen, mit einer „zu erwartenden“rechtlich-juristischen Ernsthaftigkeit vonstat-ten gehen? Eine Veranstaltung, bei der es we-

der um Wahrheitsndung noch um Gerech-

tigkeitsausübung geht, von der Vertuschungder Wahrheit ganz zu schweigen, sollte manschon nach Belieben benennen dürfen; der diesbezüglichen Kreativität der FreundInnen

sollten keine Grenzen gesetzt werden...Lieber ..., mit herzlichen Grüßen... Devrim

► Schreibt den Gefangenen!Devrim Güler, JVA Stuttgart Stammheim,Asperger Str. 60, 70439 Stuttgart

Page 19: Gefangenen Info #353

8/6/2019 Gefangenen Info #353

http://slidepdf.com/reader/full/gefangenen-info-353 19/20

„Wieviel sind hintern Gittern, die wir draußen brauchen!“Politische Gefangene -Sendung zu Repression und WiderstandFreundeskreis Lokal-Radio e.V.

Zur Bettfederfabrik 3, 30451 Hannover 

Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis19 Uhr.Zu empfangen per Livestream über:www.radioora.de

 jeden Freitagvon 19 bis 20 Uhr auf Radio - FSK -FM 93,0 MHz / 101,4 MHz (im Kabel)livestream: www.fsk-hh.org/livestream

mail: [email protected]: 040 - 432 500 46Postbox: Redaktion K&J c/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

feb./märz 2010 ◄ gefangenen info ◄ 19

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene  ► feuilleton  ► kurzmeldungen

Solidarity is a.... - benet compilation for the

strasbourg prisoners (Doppel-CD)

Von vielen Menschen schon vergessen, kümmern sichSolidaritätsgruppen aus Berlin, Dresden und Rostock ge-

meinsam mit Politaktivisten aus dem Badischen um Öffent-lichkeitsarbeit und die Betreuung der Gefangenen aus denNato-Protesten im April letzen Jahres. Mehrere der damalsInhaftierten wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen verur -teilt. Noch immer sitzen drei Antimilitaristen in Haft.Auf der Soli-CD nden sich neben einer durchaus span-

nenden internationalen Mischung von szenebekannten Hip

Hop, Folk, Dancehall, Ska und Punkbands wie Guts PieEarshot, Irie Revoltes, Across the Border, Yok nden sich,vor allem auf der zweiten CD auch viele unbekannte Bands,die im Rahmen der Mobilisierung und Unterstützung der Proteste Konzerte gaben. Das Propagieren einer selbst-organisierten, radikalen Kultur des Musik-selber-machensund der selbstorganisierten Konzerte ist seit Jahrzehntenein Baustein des Widerstands gegen politische Missstände.

Im 36-seitigen Booklet kommen bis auf eine kurze Einleitung allein die in Straßbourg inhaf -tierten Gefangenen zu Wort. Sie äußern sich in ihren Texten zu politischen Fragen, über denGefängnisalltag und die freudigen Reaktionen auf die Solidarität von draußen. Der Gewinn,der beim Verkauf der CD‘s erzielt wird, iesst vollständig in die wichtige Antirepressionsarbeit.Mehr Informationen zur CD: solidarity.blogsport.de, zu bestellen unter: [email protected]

Gegnerbestimmung - Sozialwissenschaft im Dienst der 

„inneren Sicherheit“

ISBN: 978-3-89771-499-1Preis: ca. 13.80 Euro, ca.160 SeitenErscheint voraussichtlich Mai 2010 beim Unrast Verlag

Die Verfassungsschutzbehörden haben sich nach dem Ver -schwinden der DDR zum Teil neu aufgestellt. Neben ihrenKernaufgaben, dem mit vielfältigen Methoden betriebenenBeschaffen von Gegner-Informationen, mischen sie ver -stärkt in der Forschungs-, Bildungs- und Wissenschafts-

landschaft mit. Die hier vorgestellte scheinbare Offenheitimpliziert eine Reihe von diskursiven Winkelzügen, mitdenen der aktuelle Behördenauftrag mit den Weihen desAkademismus unsichtbar gemacht werden soll. Das vorlie-

gende Buch geht einigen dieser gut organisierten Operati-onen nach. Die Autoren Markus Mohr und Hartmut Rübner 

zeigen, wie der Verfassungsschutz in Zeiten zufällig knapper Kassen für sozialwissenschaft -liche Fachbereiche an den Universitäten aus Dummheit oder aus Kalkül der so Adressiertenneue Bündnispartner für seine Politik gewinnt, die durch seinen gesetzlichen Auftrag festge -

schrieben sind.

§129a/b – Eine zweihundertjährige Rechtswidrigkeit

Broschüre des Tayad Komitees

Nachdem die Broschüre bereits seit einiger Zeit auf türkischerschienen ist, hat das Tayad-Komitee zusammen mit demFreiheitskomitee eine Broschüre über die Geschichte undBedeutung der §§129 auch auf deutsch veröffentlicht. In der Broschüre werden die Paragraphen in einen Kontext in diegenerelle reaktionäre Entwicklung in Europa gestellt und in

Verbindung mit der Prekarisierung von großen Teilen der Gesellschaft gebracht, die das Potenzial des Widerstandeswieder vergrößern. Es wird auf die Frage eingegangen, wel-che Ziele der Staat mit der Kriminalisierung verfolgt und wa-

rum in erster Linie die DHKP-C im europäischen Maßstabangegriffen wird. Auch auf die Rolle, die dabei die Bezie-

hungen zwischen der Türkei und Deutschland spielen, wirdeingegangen. Weitere Schwerpunkte der Broschüre sind

neben den Fakten zu den §129, §129a und §129b, auch die Einschränkungen von grund-

legenden Rechten, die diese mit sich bringen, sowie die außergewöhnliche Prozeßführung.Alles in allem ein runder Überblick über die Funktionen und die Bedeutung der §§129 mit ei -ner Einbettung in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext. Auch wenn die Analysen bzw. dieSchlussfolgerungen aus den Darstellungen sicherlich zu diskutieren sind, liefert die Broschüreein Grundwissen über die Paragraphen und stellt die Qualität der Repression in einem klarenLicht dar. Zu beziehen ist die Broschüre über gut sortierte Infoladen oder ihr schreibt eine E-

Mail an uns und wir vermitteln euch den Kontakt.

Spanien/Katalonien: Wandbild mit denMotiven politischer Gefangener.

Hildesheim: Im Rahmen der Kampagne für Mumia Abu-Jamal entstand dieses Wandbild.

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8/6/2019 Gefangenen Info #353

http://slidepdf.com/reader/full/gefangenen-info-353 20/20