Gefangenen Info #345

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    |feb./mrz 2009|preis: 1,50 |nr. 345 |www.political-prisoners.net

    Schwerpunkt:Tag der politischen Gefangenen

    Palstina:Willkr, Folter und Erniedrigung

    Inland:129 und 129b Prozesse

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    Inhaltsverzeichnis

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    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Infohervorgegangen, welches im Hungerstreik der poli-tischen Gefangenen 1989 entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle poli-tischen Gefangenen und FreundInnen.

    V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Stadtteilladen Luntee.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvor-behalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des Ab-senderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt wor-den ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung imSinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen

    nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem Absen-derIn mit dem Grund der Nichtaushndigung zurck-zuschicken.Redaktionsanschrift:Gefangenen Info, c/o Stadtteil-laden Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 Berlin

    E-Mail: [email protected]: Einzelpreis: 1,50. Ein Jahresabonne-ment kostet 29,90 (Frderabo 33,20), Buchlden,Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestel-lungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieendauf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

    2 | Gefangenen Info | Feb./Mrz 2009

    Liebe Leserinnen und Leser,

    ihr haltet mittlerweile die 345. Ausgabe des Gefangenen Infos in euren Hnden. Dawir mit der Neustrukturierung des Gefangenen Infos, sowohl was den Inhalt abervor allem was die organisatorischen Aspekte wie Vertrieb und Finanzierung angeht,eine Menge Arbeit zu erledigen und wir mit nanziellen Problemen zu kmpfen hat-ten (und haben), konnte die Februar-Ausgabe des Gefangenen Infos leider nichterscheinen und wurde deswegen mit der Mrz-Ausgabe zusammengelegt. Trotzaller Probleme werden wir weiterhin mit viel Energie und Motivation an das Projekt

    herangehen und uns um das monatliche Erscheinen des Gefangenen Infos bem-hen. Denn gerade in Zeiten von zunehmender Repression gegen die revolutionreLinke nimmt die Bedeutung einer Zeitung, die versucht den Kampf innerhalb undauerhalb der Knastmauern zu verbinden, immer weiter zu. Die Solidarittsarbeitmit unseren Gefangenen betrachten wir als festen Bestandteil unserer politischenAktivitten. Und das Gefangenen Info stellte und stellt - mit seinen formulierten An-sprchen und seiner Praxis - weiterhin einen integralen Faktor innerhalb der Antire-pressions- und Solidarittsarbeit dar. Wir versuchen, diesem Anspruch gerecht zuwerden.

    Die Reaktionen, die wir bezglich der neuen Konzeption des Gefangenen Infoserhalten haben, sind durchweg positiv ausgefallen und haben uns weiteren Auf-trieb gegeben. Devrim Gler, einer der fnf Gefangenen aus dem 129b Prozess in

    Stuttgart-Stammheim (ihr ndet auf Seite 8 einen aktuellen Bericht zu dem Prozess)schrieb zum Beispiel: Das neue Gefangenen Info hat mich regelrecht vom Stuhlgehauen. Ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob es in seiner bisherigen Form he-rausgebracht werden knnte. Wenn man dann so ein Exemplar erhlt, welches vormir liegt, wird einem bewusst, dass die Mglichkeiten der GenossInnen drauen garnicht so begrenzt sind, wie man manchmal annimmt. Gnther Finneisen, der seitmittlerweile 14 Jahren in Isolationshaft sitzt und dessen Zeichnung unseren Feuil-letonteil auf Seite 19 schmckt, war im ersten Moment richtig geblendet, pltzlichalles so schn bunt hier. Doch der Eindruck bleibt ja noch lnger, und das nicht nurwegen der Farben. Also das ist schon wie eine andere Hausnummer!Nichtsdestotrotz gab es auch Kritikpunkte, die wir gerne aufnehmen und versuchenzu verbessern. Wir freuen uns natrlich auch weiterhin ber eure Anmerkungen,Kritik und vielleicht auch Wnsche dahingehend, was ins Gefangenen Info rein soll

    also schreibt uns.

    Die aktuelle Ausgabe hat aus gegebenem Anlass den 18. Mrz den Tag der poli-tischen Gefangenen zum Schwerpunkt. Mit unserem Text Unterdrckung durchAusbeutung wollen wir einen Impuls bezglich der notwendigen Auseinanderset-zung mit Antirepressionsarbeit, den Umgang mit unseren Gefangenen und dem 18.Mrz leisten. Wie bereits erwhnt, freuen wir uns ber eure Meinung und Beitrgenzum Thema.

    Darber hinaus freuen wir uns, dass die Antifaschistin Andrea wieder frei ist. Nacheiner 14-monatigen Haftstrafe, die sie in der JVA Pankow ableisten musste, wurdesie am 30. Januar 2009 entlassen. An dieser Stelle unsere herzlichsten und solida-rischen Gre.

    Und ganz im Sinne unseres aktuellen Beitrags zum Tag der politischen Gefangenenverbleiben wir mit;

    Gemeinsam gegen Ausbeutung und UnterdrckungKnastkampf ist Klassenkampf

    Die Redaktion

    E-Mail: [email protected] | www.political-prisoners.net

    2 Vorwort

    Unterdrckung durch Ausbeutung

    Ein Beitrag zum 18. Mrz

    Mosaiken von Paolo NeriTermine zum 18. Mrz

    Das Jahr 1977Die Schleyer-Entfhrung

    Aktuelles zumStammheimer 129b-Prozess

    DHKP-C Verfahren in Dsseldorf

    Isolationshaft gegen Nurhan,Cengiz und Ahmet

    Zur Lage des Antifaschisten Chri-stian / Brief von Mustafa Atalay

    Gegen das neue Versammlungs-gesetz in Baden-Wrttemberg

    Freiheit fr Samieh Jabbarrin!

    PM des RA Hoffmannzum mg-Verfahren

    Willkr, Folter und ErniedrigungDer Alltag der palstinensischenGefangenen

    Cuban Five verurteilen dieisraelische Aggression in Gaza

    Repressionsschlgein der Schweiz

    Bericht zum 7. InternationalenSymposium gegen Isolation

    Nachruf - H. H. Thompson

    Folterprozess in Istanbul

    Strafantrge im PC p-m Prozess

    Solidaritt mit den revolutionrenGefangenen in Frankreich

    Neuerscheinungen /Zeichnungen aus den Knsten

    Schwerpunkt:18. Mrz - Tag derpolitischen Gefangenen

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    International

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    Feuilleton

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    In Anbetracht der Tatsache, dass Solidari-tt weder im Falle von Polizeibrutalitt, beiRepressionsschlgen oder Verhaftungenzu beginnen hat, noch nach Antirepressi-onskampagnen enden darf, mchten wirmit diesem Text einen Beitrag zum anste-henden 18. Mrz - dem Tag der politischenGefangenen - leisten und darauf hindeuten,dass der Kampf fr die Befreiung der poli-tischen und sozialen Gefangenen unweiger-lich und unmittelbar mit dem Klassenkampfund der damit verbundenen berwindungder bestehenden Verhltnisse zusammen-hngt.

    Aus welchen Verhltnissenresultieren Repressionund politische Gefangenschaft?

    Das kapitalistische System konfrontiert unsalle - sei es im Trikont oder in den impe-rialistischen Zentren - mit seinen Manah-men zur Herrschaftssicherung tagtglich

    mit Repression. Weltweit fhrt die neokolo-niale Ausbeutungspolitik, die im Trikont anden wirtschaftlichen Abhngigkeitsverhlt-nissen besonders deutlich wird und Armutund Elend fr den Groteil der Bevlkerungbedeutet, zu Unterdrckung, welche sichwiederum am deutlichsten an den Milit-rinterventionen, Ausnahmezustnden und- wenn die imperialistischen Interessendurch die neokolonialen Regime nicht mehrgewahrt werden knnen - imperialistischenAngriffskriegen festmachen lsst. Die Nie-derschlagung antiimperialistischer und re-volutionrer Befreiungskmpfe im Trikont

    ist somit nicht nur Anliegen und Sache derneokolonialen Regime, sondern ebenso derimperialistischen Staaten, welche dort ihreInteressen wahren mchten. Es ist nichtgrundlos, dass sich die BRD an Kriegsein-stzen in Afghanistan, Libanon, Horn vonAfrika sowie an der Kriminalittsbekmp-fung an der Kste Somalias beteiligt undin anderen Lndern aktiv ist. Dabei scheintder mediale Vorwand, den Terrorismus be-kmpfen und die Demokratie verteidigenzu wollen, langsam ausgereizt zu sein. Zuoffensichtlich sind die dahinter stehendenwirtschaftlichen Interessen.

    Der 11. September 2001, der den geeig-neten Anlass lieferte, Angriffskriege gegenden Irak und gegen Afghanistan zu recht-fertigen, stellte mit seinen Konsequenzenin Form von innerer Aufrstung und Geset-zesverschrfungen auch einen massiven

    Angriff gegen die politische Opposition undgegen die Klassenkmpfe in den imperi-alistischen Zentren dar. Beispiele fr dieAngriffe gegen soziale Kmpfe sind die so-ziale Kontrolle wie berwachungskameras,neue Ordungs- und berwachungsgesetzesowie die allgemeine Repression gegenArbeitskmpfe. Aufzufhren wren dazudas Anti-Streik-Gesetz, das in Italien zurKriminalisierung fhrt, mehrere Streiks, wiez.B. die der EisenbahnerInnen und Matro-sInnen, die in Frankreich als illegal deklas-siert wurden, Verfolgung von Streikpostenin Belgien sowie neue restriktive Gesetzebezglich Streiks in der BRD.Bezeichnend - aber nicht verwunderlich -ist, dass Manahmen hinsichtlich innererAufrstung und Terrorismusbekmpfungbereits vor den Angriffen auf das WTC unddas Pentagon in Planung waren. Es erklrtschlielich, dass sich die herrschende Klas-se ber die allgemeine Krise ihres Systemsim Klaren ist und weitergehende Manah-

    men zur Sicherung ihrer Herrschaft als not-wendig erachtet. Aber es ist nicht nur derrepressive Prventivcharakter der Manah-men; auch eine qualitative Intensivierungder Repression ist sichtbar. Die angeblicheBedrohung durch den internationalen Ter-rorismus sorgte u.a. fr einen Rahmenent-scheid auf EU-Ebene, welche neben einerweiter gefassten Denition des BegriffsTerrorismus auch einen Rahmen zur An-gleichung von europischen Anti-Terror-Gesetzen und eines europischen Haft-befehls schuf. Des weiteren schufen sichdie USA und die EU neben einer engeren

    Zusammenarbeit so genannte Schwar-ze Listen, auf denen vordergrndig isla-mistische Personen und Organisationenaufgefhrt sind, allerdings gleichermaeneine ganze Reihe nationaler und sozialerBefreiungsbewegungen enthalten wie z.B.die Revolutionren Streitkrfte Kolumbiens(FARC), die Revolutionre Volksbefreiungs-partei-Front (DHKP-C) oder die Volksfrontzur Befreiung Palstinas (PFLP). Als einBeispiel fr die Folgen dieser Entwicklungmchten wir den 2002 in der BRD verab-schiedeten Gesetzesparagraphen 129bnennen (der allerdings ebenfalls lange vor

    dem 11.9. als Gesetzesentwurf vorlag). Die-ser ergnzte die 129 und 129a dahinge-hend, dass nun auch Personen und Orga-nisationen des Terrorismus bezichtigt undverurteilt werden knnen, auch wenn siein der BRD keine strafbaren Handlungen

    durchgefhrt haben sollten. Faktisch exeku-tiert die BRD mit dem 129b die Verfolgungpolitischer Oppositioneller und Revolutio-nre stellvertretend fr Folterstaaten wiez.B. der Trkei und beweist damit, dass dieHerrschaftssicherung reaktionrer Regimedes Trikonts gleichbedeutend ist mit derSicherung der Interessen imperialistscherMonopole und das Gerede von Demokra-tie und Menschenrechten nichts anderes istals eine Farce.

    Der Kampf der politischen Gefangenenist kein Kampf, der zwischen vierWnden stattfindet.

    Der Widerstand gegen die Folgen der Aus-beutungs- und Unterdrckungsverhltnisseund der Kampf fr die berwindung dererfordert in seiner Konsequenz groe Opfer.Die Gefangenschaft ist allerdings neben derErmordung und des Exils wohl mitunter dasSchwerwiegendste.

    Hinsichtlich der Frage der Denition vonpolitischen Gefangenen mchten wir aufdie Kommission fr die Rote Hilfe Inter-national (RHI) verweisen. In ihrem Pro-gramm deniert sie politische Gefangeneals alle RevolutionrInnen, die wegen ih-ren politischen und politisch-militrischenAktivitten gefangen sind, ebenso alle Ar-beiterInnen, BuerInnen, Arbeitslose, Stu-dentInnen, Jugendliche und Frauen ausden Volksmassen und andere, die verfolgtund eingeknastet wurden im Rahmen desantikapitalistischen und antiimperialis-tischen Kampfes.

    Bei der Bercksichtigung des internationa-len Rahmens der Thematik sticht ins Auge,dass es unterschiedliche Kmpfe und Wi-derstnde sind, aus deren Folge politischeGefangenschaft hervorgeht.Politische Gefangene in den imperialis-tischen Zentren stammen mehrheitlich ausnationalen Befreiungsbewegungen und aussozialrevolutionren Kmpfen. Jedoch istdas Spektrum an Kmpfen, aus denen diepolitischen Gefangenen stammen, breiter,da hierbei auch die Gefangenen aus denantifaschistischen und antirassistischenBewegungen zu bercksichtigen sind.

    Letztere erhlt wegen der sozialen undpolitischen Migration, die durch die Aus-beutung des Trikonts entsteht, eine bishernicht ausreichend thematisierte Bedeutung.Nicht zuletzt deshalb, weil die EU-Staatenauch in diesem Bereich eine Angleichung

    Unterdrckung

    durch AusbeutungEin Beitrag zum 18. Mrz -Tag der politischen Gefangenen

    Foto: Plakataktion in Magdeburg

    schw

    erpunkt

    Aus welchen Verhltnissenresultieren Repressionund politische Gefangenschaft?

    Der Kampf der politischen Gefangenenist kein Kampf, der zwischen vierWnden stattfindet.

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    schwerpunkt

    sogenannter Auslndergesetze umsetzenund die Frage aufwerfen lsst, ob die rassi-stische Politik der Ausgrenzung und Diskri-minierung nicht bereits als Apartheidpolitikgedeutet werden kann.Im Gegensatz dazu fordert der organisierteWiderstand im neokolonialen Trikont weit-aus mehr politische Gefangene, die sichaus weitaus breiter geschichteten Kmp-fen und Widerstnden zusammensetzen.Whrend der Groteil der politischen Ge-fangenen einen Hintergrund im antiimperi-alistischen und antikolonialen Widerstandaufweist, benden sich unzhlige Gefan-gene aus Arbeits-, Studenten- und Bauern-bzw. Landlosenkmpfen in den Knsten.Was die politischen Gefangenen weltweitgemeinsam haben, sind ihre progressivmotivierten politischen Handlungen, wegendenen sie eingesperrt wurden. Der Um-stand, von der Bildflche verschwundenzu sein, bedeutet allerdings nicht, dass sieaufhren, politische Subjekte zu sein. ImGegenteil; die gefangenen AktivistInnenbewahren auch hinter den Mauern ihre po-litische Identitt und benden sich darberhinaus tagtglich in direkter Konfrontationmit dem Knastregime, was ebenfalls alsein Terrain des Klassenkampfes begriffenwerden muss. Die politischen Gefange-nen, die sich zwangslug auf diese Kon-frontation einstellen mssen, setzen ihrenKampf im Rahmen ihrer Interventionsmg-lichkeiten fort. So organisieren sie mit ihrenKollektiven Gefngniswiderstnde wie z.B.Hungerstreiks, die sich aufgrund der unter-drckerischen Knastregime zumeist gegenschlechte Haftbedingungen und Folter (blu-

    tiger und weier [Isolationshaft] Folter) rich-ten. Auch in der BRD hat es in der Vergan-genheit groe Widerstnde in den Knstengegeben; u.a. die 10 kollektiven Hunger-streiks der Gefangenen aus der RAF (RoteArmee Fraktion) und aus dem antiimperia-listischen Widerstand, welche auch immervon sozialen Gefangenen untersttzt undmit eigenen Forderungen gefhrt wurden.Was die direkte Konfrontation mit der Re-pressionsmaschinerie bedeutet, wurdedabei mehr als deutlich: Hungerstreiks ko-steten 1974 Holger Meins (RAF) und 1981Sigurd Debus das Leben. Dass die Kon-

    frontationsebene je nach Stabilitt bzw. La-bilitt der bestehenden Ordnung variierenkann, zeigen Gefngniswiderstnde in an-deren Lndern auf, wo Gefngnismassakerund kollektive Hungerstreikwiderstndehunderten, ja sogar tausenden politischenGefangenen das Leben kosten. Allein dieHungerstreik- bzw. Todesfastenwiderstn-de revolutionrer Gefangener in der Trkeiforderten seit dem Militrputsch 1980 ber140 Menschenleben.Fr das Funktionieren der Solidarittsbe-wegungen auerhalb der Knste ist dabeinotwendig, die Gefangenen als das zu be-

    greifen, was sie sind; kmpfende, politischeAktivistInnen in den Hnden des Repressi-onsapparates. Aus diesem Grund wre esauch verantwortungslos, sie aus dem Kampfauszublenden. Genauso wie die Thema-tisierung der politischen Gefangenen zur

    Arbeit der Solidarittsbewegungen gehrt,so ist die Einbeziehung dieser Gefangenenund ihrer Aktionen in den tagespolitischenKampf, der drauen stattndet, unverzicht-bar und notwendig. Dass der Kampf mit derGefangenschaft nicht beendet ist, sondernan der Gefngnisfront weitergeht, zeigenuns neben den bereits erwhnten Beispie-len der Gefngniswiderstnde auch dieInterventionen politischer Gefangener intagespolitische Ereignisse. So beteiligensich politische Gefangenenkollektive mitunterschiedlichen Widerstandsformen anden Kmpfen drauen und beziehen nichtselten soziale Gefangene in diese mit ein.

    Der 18. Mrz - Klassenkampfund politische Gefangene

    Da hinter der Parole Freiheit fr alle poli-tischen Gefangenen weitaus mehr stecktund ber eine pragmatisch klingende For-mulierung hinausgeht, als auf den erstenBlick erkennbar ist, mchten wir diesesetwas vertiefen. Denn unter Bercksichti-gung des Faktes, dass Rechte nicht erbet-telt, sondern erkmpft werden, erschlietsich, dass das herrschende System diepolitischen Gefangenen nicht freiwillig frei-lassen wird. So unlogisch das wre, so er-nchternd ist die Realitt; nur eine starkeBewegung auerhalb der Knste wird inder Lage sein knnen, die Freiheit der po-litischen Gefangenen zu erwirken. Alleinaus diesem Grund muss der Kampf um dieBefreiung der politischen Gefangenen einintegraler Bestandteil des Klassenkampfessein. Bereits die Initiative Libertad! bemerk-

    te in ihrem Aufruf 1992, dass eine inter-nationale Kampagne fr die Freiheit derpolitischen Gefangenen nur greifen kn-ne, wenn sie auch das Ziel hat, das Un-terdrckungs- und Knastregime insgesamtzu brechen. Auch wenn diese konkreteInitiative die berwindung der nationalenGrenzen - zumal Bewegungen in ande-ren Lndern andere Tage, wie z.B. 19.6.(1986; Jahrestag des Gefngnismassakersin Peru, bei dem 300 Gefangene ermordetwurden) oder 19.-22.12. (2000; Jahrestagdes Gefngnismassakers in der Trkei,bei dem 28 Gefangene ermordet wurden),

    als Kampftag fr die politischen Gefange-nen vorsehen - nicht verankern konnte,so schaffte sie es, den 18. Mrz auf bun-desweiter Ebene als Tag der politischenGefangenen zu etablieren, was unter dengegebenen Verhltnissen nicht geringge-schtzt werden darf.Hinsichtlich seiner Bedeutung wollen wirzunchst kurz auf den historischen Kontextdes 18. Mrz eingehen, einen Bezug zumTag der Commune herstellen und somitauch den ersten Versuch der Umsetzungeiner klassenlosen Gesellschaft benennen.Der 18. Mrz hat seine historischen Wur-

    zeln im Aufstand der Pariser Commune am18. Mrz 1871. Das vom kapitalistischenAusbeutungssystem unterjochte franz-sische Proletariat erhob sich gegen die un-terdrckerische Staatsmacht, die Marx inden Schriften seines Werkes Brgerkrieg

    in Frankreich als ffentliche Gewalt zurUnterdrckung der Arbeiterklasse, eine Ma-schine der Klassenherrschaft bezeichnete.Damit wurde erstmals in der Geschichte inParis das vorherrschende parlamentarischeSystem durch eine in allen gesellschaft-lichen Bereichen geltende Rtedemokratieersetzt: so waren von da an alle Richter, Be-amte, Polizisten whl- und abwhlbar, Po-litiker im herkmmlichen Sinne existiertennicht mehr, stattdessen wurden die Vertre-terInnen aus den Reihen der ArbeiterInnenund Soldaten direkt gewhlt. Die politischeVertretung, welche die Commune bildete,war jederzeit neu bestimmbar und - wie allearbeitenden Schichten - erhielten sie dendurchschnittlichen Arbeiterlohn. Die Pari-ser Commune, die 71 Tage lang die Stadtkontrollierte, wurde durch die Armee derVersailler Regierung und unter Billigungaller europischen Regierungen blutig nie-dergeschlagen. Die Bilanz der Brutalitt be-lief sich auf rund 30.000 Tote und 38.000Gefangene.Der 18. Mrz als Tag der Commune, dereinen konkreten Klassenkampf zum An-lass hatte, wurde im Januar 1923 vomZentralkomitee der historischen IRH (Inter-nationale Rote Hilfe) zum InternationalenKampftag fr alle revolutionren politischenGefangenen und Verfolgten erklrt. DasEntstehen der IRH 1922 war eng mit denvon den ausgebeuteten Klassen gefhrtenBefreiungskmpfen gegen die kapitali-stische Herrschaft verbunden und sah dieUntersttzung der Opfer des Klassen-kampfes und der internationalen Befrei-ungsbewegungen der Werkttigen in allen

    kapitalistischen, kolonialen und halbkoloni-alen Lndern, unabhngig ihrer Partei- undOrganisationszugehrigkeit (Paragraph 2des Status der IRH 1928) vor. Die IRH be-griff sich als strmungsbergreifende aberklar klassenbewusste Organisation, welchesich darber hinaus als das beste Mittelzur Verwirklichung der proletarischen Ein-heitsfront verstand. Ihre Arbeit umfasstepolitische, juristische, nanzielle und mo-ralische Untersttzung der revolutionrenGefangenen und deren Angehrigen. Siesetzte sich fr die internationale Vernetzungund Koordinierung der Solidaritt mit den

    Gefangenen ein und agierte nicht defen-siv, sondern organisierte neben der mate-riellen und moralischen Untersttzung derGefangenen auch offensive Kmpfe gegenFaschismus, weien Terror in Russlandund fr politisches Asyl. Dementsprechendhielt sie im 3. Plenum des EK der IRH fest,dass die IRH nicht eine philanthrophische(menschenliebende) Hilfsorganisation sei,welche nur nach der Schlacht eingreife,sondern aktiven Anteil an den Kmpfen derArbeiterklasse und der unterdrckten Natio-nen nehme, wie auch im Kampfe gegen dieKriegsvorbereitungen. Die IRH stellte 1943

    ihre Arbeit ein.Anfang des neuen Jahrtausends griffenTeile der revolutionren Linken die Idee ei-ner Internationalisierung der revolutionrenAntirepressionsarbeit auf. Der Formierungs-prozess in Form des Aufbaus der Roten

    er . rz - assen ampun po t sc e e angene

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    Hilfe International (RHI), begann im No-vember 2000. Diese Initiative orientiert sichan der historischen IRH und stellt zum An-deren einen Neuanfang einer koordinierten,internationalen Gefangenensolidaritt dar,die sich weiterhin im Aufbau bendet. Dievielen seit 2000 entfalteten Kampagnenund Aktivitten begleiten den internationa-len Diskussionsprozess der RHI, so dasseine vielversprechende Wechselwirkungzwischen Theorie und Praxis entsteht.

    Internationale Klassensolidarittaufbauen und verteidigen!

    Da sich der Widerstand gegen Repressionauch bereits in der Vergangenheit als ge-eignetes Feld fr strmungsbergreifendeFrontbildungen bewhrt hat, sollte dieseheute ebenfalls mehr als bercksichtigtwerden. Obwohl die objektiven sowie sub-

    jektiven Gegebenheiten andere waren, alssie es heute sind, gibt es doch auch heutedie Notwendigkeit, sowohl auf nationaler,als auch auf internationaler Ebene die Ko-ordinierung und Vernetzung voranzutreibenund dies nicht zuletzt deshalb, weil auch daskapitalistische System in ihrer gegensei-tigen Kooperation in Bezug auf Repressioninsbesondere auf EU-Ebene und darber

    hinaus lngst die Grenzen eingerissen hatund gemeinsam gegen den Widerstand vonunten nicht nur reagiert, sondern im pr-ventiven Sinne agiert. Dabei sind alle Ma-nahmen explizit dahingehend ausgerichtet,den Prot und die Herrschaftsverhltnissezu sichern und auszubauen. Knast im Be-sonderen sowie Justiz im Allgemeinen ha-ben im Kapitalismus eine klare Funktion.So dienen die repressiven Mittel dazu, zuverhindern, dass sich die Massen die vomSystem erzeugten Bedrfnisse eigenstn-dig aneignen und nehmen, was sie zumLeben bentigen. In diesem Sinne stellt dieJustiz im Kapitalismus ein unverzichtbaresInstrument zur Herrschaftssicherung - alsoKlassenjustiz - dar. Die Knste dienen alleindiesem Zweck. Das kapitalistische Systembenutzt das Inhaftierungsmodell hauptsch-lich dazu, zum einen die politischen Gefan-genen zu neutralisieren, sie einzuschch-tern und zu brechen und zum anderen diesozialen Gefangenen unter dem Vorwandder Resozialisierung zu bestrafen und indie Produktions- und Ertragskette wiedereinzugliedern. Dabei ist die Ausbeutung derArbeitskraft hier in der BRD seit langem einZwang fr jeden Strafgefangenen. Die all-mhliche Umsetzung von Knastmodellen,in denen die Gefangenen direkt und unter

    Zwang in diese Kette eingebunden werden,zeigen sich uns bereits seit vielen Jahrenin den USA, wo ein Groteil der KnstePrivatunternehmen unterstehen und dieGefangenen als Zwangsarbeiter eingesetztwerden.All diese Entwicklungen sowie die perspek-tivischen Mglichkeiten von Zusammen-arbeit und Vernetzung mssen von unsals revolutionrer und radikaler Linken be-rcksichtigt werden. Der Knastkampf ist einKlassenkampf und sollte somit fester Be-standteil unserer Theorie und Praxis sein.So sollte die Solidaritt mit den politischenGefangenen als Teil der internationalenKlassensolidaritt verstanden werden, dersich die berwindung der Verhltnisse alsperspektivisches Ziel setzt, die revolutio-nren Gefangenen als Teil der Bewegungdrauen versteht, sie in die eigenen Kmp-fe integriert und die politischen und sozialenGefangenen in ihren Kmpfen untersttzt!

    FREIHEIT FR ALLE SOZIALENUND POLITISCHEN GEFANGENEN!

    HOCH DIE INTERNATIONALEKLASSENSOLIDARITT!

    Redaktion

    Internationale Klassensolidarittaufbauen und verteidigen!

    Anlsslich der Austellung der Mosaiken vonPaolo Neri, die im Rahmen des 18.Mrz inStuttgart, Hamburg und Bremen stattndet,mchten wir im Folgenden den Knstlerselbst zu Wort kommen lassen.

    Ich bin im Norden der Toscana an der Gren-ze zu Ligurien geboren. Als Jugendlicherbesuchte ich das Kunstgymnasium in Car-rara, das ich wegen meiner Verhaftung nichtbeendet habe. Danach wurde ich zu zweiJahren und einem Monat Haft verurteilt we-gen Mitfhrens und Besitz von Sprengstoff,

    das war im Jahr 1976. Damals war die au-erparlamentarische Linke am brodeln, undnicht nur sie. Illegale Praktiken waren weitverbreitet und ein Teil dieser Linken traf dieEntscheidung, sich zu bewaffnen. Whrendmeiner Haft wurde ich beschuldigt, Mitglied

    der Brigade Dante Di Nanni zu sein. DanteDi Nanni war eine legendre Persnlichkeitder italienischen Resistenza, ein junger Ar-beiter und Stadtguerillero der GAP [Gruppodazione partigiana - Partisanenaktions-gruppe, die kommunistischen Partisanenim Zweiten Weltkrieg]. Der Prozess endete

    mit dem Freispruch aller Angeklagten auerUmberto Catabiani, der am 24. Mai 1982 ineinem zweiten Feuergefecht mit der Polizeigettet wurde, whrend er sich beim erstenFeuergefecht noch hatte aus der Affre zie-hen knnen.Anfang der achtziger Jahre wurde ich durchVerrat wieder verhaftet (die Saison derVerrter hatte gerade begonnen) und an-geklagt, Mitglied der toskanischen Kolon-ne der Roten Brigaden (PCC - KmpfendeKommunistische Partei) zu sein. Nach ca.einem Jahr Untersuchungshaft wurde ichfreigelassen, weil die Fristen der Untersu-

    chungshaft abgelaufen waren. Beim Pro-zess vor dem Schwurgericht in Florenz wur-de ich zu fnf Jahren Haft verurteilt, dochbevor das Urteil rechtskrftig wurde, floh ichnach Frankreich. Ich versteckte mich in Pa-ris, wo ich kurze Zeit spter das Pech hatte,in eine Razzia im Umfeld der italienischenExilanten zu geraten. Die franzsischePolizei hielt mich 4 Tage gefangen, dannsteckten sie mich in ein Flugzeug und ber-gaben mich am Flughafen von Turin ihrenitalienischen Kollegen. Diese versuchtenzunchst mich zum Singen zu bringen undbrachten mich dann ins Gefngnis. (Damals

    war Luigi Scalfaro Innenminister, der heu-te ein Verteidiger der aus den Werten derResistenza entstandenen Verfassung ist).Nach Verbung der Strafe ging ich nachHause zurck, arbeitete in den verschie-densten Berufen vom Maurer bis zum LKW-

    Mosaikenvon Paolo Neri

    Termine zum 18. Mrz:

    PAOLO NERI AUSSTELLUNGEN:Stuttgart: 11.3. - 13.3.2009Waldheim Gaisburg, Obere Neue Halde 1Hamburg: 15.3. - 18.3.2009Centro Sociale, Sternstrae 2Bremen: 19.3. - 22.3.2009Galerie Cornelius HertzRichard Wagner Str. 22

    DEMONSTRATIONEN:Hamburg, Fr. 20.3. 17 UhrNeue Groe BergstraeBerlin, Sa. 21.3. 13 UhrS+U Bahn Schnhauser Allee

    INT. KONGRESS IN BERLIN:Sa. 21.3. 15 UhrHaus der Demokratie, Greifswalder Str. 4Infos: www.political-prisoners.net

    VERANSTALTUNG IN HAMBURG:Fr. 27.3. 19.30 UhrCentro Sociale, Sternstr. 2

    Thema: Neues Versammlungsgesetz

    Weitere Termine:www.political-prisoners.netwww.18maerz.de

    Fahrer, ich war Anstreicher, Maler, Fliesen-leger, Mosaikknstler, und wer wei, wasich noch alles machen muss. Doch meineLeidenschaft fr das Zeichnen, die Malerei,also Kunst im allgemeinen Sinne (die wah-re Kunst, nicht die angediente) hat mich nielosgelassen, auch nicht in den Isolationszel-

    len, sie hat mich vielmehr aufrecht erhaltenund ich muss ihr danken, wenn ich durchge-halten habe und weiterhin durchhalte.

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    i

    nland

    Die Schleyer-Entfhrung

    Anlsslich der Freilassung von Christian Klar verffentlichen wir einen Artikel ber die Zeit,in der Christian als Illegaler in der RAF aktiv war. Der Text wird in zwei Teilen erscheinen.Der zweite Teil, in dem die 26 Jahre geschildert werden, die er im Knast weggesperrt war,

    wird in der nchsten Ausgabe abgedruckt.

    Einige Richtigstellungenzu Christian Klar

    Nach 26 Jahren und 1 Monat ist Christianendlich seit Freitag, den 19. Dezember2008 wieder auf freien Fu. Auch an dieserStelle wnschen wir ihm alles Gute.In diesem Beitrag wird speziell auf die Zeit

    eingegangen, als Christian als Illegaler inder RAF aktiv war - gerade weil diese Zeitdurch den herrschenden Diskurs weiterhindiffamiert wird. Darber hinaus geht derText genauer auf seine Knastzeit, mit denan ihm angewendeten Sonderhaftbedin-gungen ein. Diese werden von den Verant-wortlichen bis heute geleugnet bzw. ver-schwiegen.Insgesamt geht es bei dem Text um einigeRichtigstellungen zur ofziellen Geschicht-schreibung, die fr jngere Menschen ge-dacht ist, die angefangen haben zu kmp-fen und auch fr die, die lter sind, aber den

    Kampf fr eine freie und emanzipatorischeGesellschaft nicht aufgegeben haben!

    Das Jahr 1977

    Christian hatte sich 1976 der RAF ange-schlossen. Warum er zur RAF ging erklrteer am 4. Dezember 1984 whrend des Pro-zesses in Stuttgart-Stammheim:Nach den Verhaftungen 1972 und nach derAktion in Stockholm (Botschaftsbesetzung1975 durch das Kommando Holger Meinsder RAF, mit dem Ziel, 26 Gefangene zu be-freien) hatte der sozialdemokratische Staat

    jedesmal noch seine Bewltigungsver-suche auf die Hoffnung ausgerichtet, diesevollstndige Negation des Kapitalsystemsdurch die Guerilla und den Bruch, den sieaufriss, wieder zuzuschmieren. Es sollteeine Episode bleiben, die an ein paar Typenhngt, historisch gebunden an die Aktuali-tt des Vietnam-Kriegs (...) damit die Mg-lichkeit zu revolutionrem Kampf hier keineOrientierung wird. Wir sind 76 an dem Zielzusammengekommen, das Guerilla-Projektzu vertiefen und dem politisch bestimmtenBruch in der Metropole durch die Fortset-zung des Kampfes Kontinuitt zu geben;

    diesen Bruch unumkehrbar zu machen,weil er die Bedingung dafr ist, den revoluti-onren Prozess in Gang zu setzen. DiesesZiel der Neuformierung der Guerilla 77 ha-ben wir mit dem Kampf um die Gefangenenverbunden (...)

    Bis zum Jahr 1977 hatten vier Gefangeneaus der RAF die Haft nicht berlebt: Am9. November 1974 starb Holger Meins anden Folgen systematischer Unterernh-rung whrend eines Hungerstreiks gegendie Vernichtungshaft. Ein knappes halbesJahr spter, am 4. Mai 1975, starb SiegfriedHausner bei dem Transport von Stockholm

    nach Stuttgart-Stammheim. Er sollte trotzschwerer Brandverletzung, die er sich beider Botschaftsbesetzung in Stockholmzuzog und trotz attestierter Transportunf-higkeit nach Stammheim geflogen werden.Im gleichen Jahr starb Katharina Hammer-schmidt an einem Krebsgeschwulst, dasder Knastarzt bersehen hatte. Am 8. Mai1976 wurde Ulrike Meinhof tot in ihrer Zellein Stuttgart-Stammheim aufgefunden. Of-ziell und medienwirksam wurde Ulrikes Todals Selbstmord dargestellt.

    Im Mrz 1977 begannen die politischen

    Gefangenen den vierten Hungerstreik, demsich im Laufe der Zeit bis zu 100 Gefan-gene anschlossen. Sie forderten u.a. dieAbschaffung der Isolation, der entspre-chenden Trakte und die Zusammenlegungvon mindestens 15 GenossInnen. Wh-rend in den Knsten der Kampf an Strkegewann, wurde auch drauen weiterhinoffensiv vorgegangen: Am 7. April wurdeder Generalbundesanwalt Buback von demRAF-Kommando Ulrike Meinhof erschos-sen. Buback war als oberster Anklger derRepublik direkt verantwortlich fr die Haft-bedingungen, somit auch fr die verstor-

    benen Gefangenen. Weiterhin wollte dieRAF mit der Aktion verhindern, dass weitereGefangene dem Knast zum Opfer fallen.Am 28. April 1977 wurden Andreas, Gudrunund Jan-Carl nach dem 2 Jahre andau-ernden Prozess in Stuttgart-Stammheim zueiner lebenslnglichen Freiheitstrafe verur-teilt. Nachdem die Justiz ein Einlenken beider Zusammenlegungsforderung signali-sierte, wurde der Hungerstreik zwei Tagespter am 30. April beendet.

    Die Schleyer-Entfhrung

    Die Entfhrung von Jrgen Ponto, demVorstandsvorsitzenden der Dresdner Bankund Berater des damaligen Bundeskanz-lers Helmut Schmidt, scheiterte und Pontowurde dabei erschossen. Als Reaktion aufdiese Aktion wurden die Haftbedingungen

    der Gefangenen wieder verschrft. Die Ge-fangenen wehrten sich mit einem erneutenHungerstreik, den sie nach 26 Tagen ohneErfolg abbrachen.

    Am 5. September 1977 entfhrte dasKommando Siegfried Hausner der RAFden hchsten Kapitalistenmultifunktionr

    Hanns-Martin Schleyer. Das Kommandoforderte die Freilassung von 11 Gefangenenaus der RAF. Schleyer sollte freigelassenwerden, wenn die Gefangenen in ein Landihrer Wahl ausgeflogen werden wrden.Schleyer war zu diesem Zeitpunkt Prsi-dent des Bundesverbandes der deutschenIndustrie (BDI) und des Bundeverbandesder Arbeitgeberverbnde (BDA). Des wei-teren Vorstandsmitglied von Daimler-Benz.Er war somit einer der mchtigsten Persn-lichkeiten in der BRD (Boss der Bosse),mit einer allerdings von den Medien oftverschwiegenen bzw. verharmlosten Nazi-

    karriere. Mit 16 Jahren war er bereits dernationalsozialistischen Bewegung beige-treten. Als Leiter des NS-Studentenwerkswar er an der Gleichschaltung der Universi-tten und der Entfernung der jdischen undantifaschistischen StudentInnen beteiligt.Spter wurde er Leiter des Prsidialbrosim Zentralverband der Industrie fr Bhmenund Mhren und war dort fr die wirtschaft-liche Eingliederung des tschechoslowa-kischen Industriepotentials in die deutscheKriegswirtschaft zustndig.

    Trotz Schleyers Fhrungsposition war die

    Bundesregierung bzw. die von ihr einge-richteten Krisenstbe zu keiner Zeit be-reit, auf den vorgeschlagenen Austauscheinzugehen. Schleyer sollte gefunden undbefreit werden. Es wurde nach auen hineine totale Nachrichtensperre verhngt. Au-erdem wurde die Kontaktsperre fr die zir-ka 100 politischen Gefangenen eingefhrt:Jeglicher Kontakt, auch zu den AnwltInnenwurde untersagt, Radios und Zeitungenwurden entzogen. Die Gefangenen warendamit gnzlich dem Staat ausgeliefert, dersogar in Erwgung zog, Gefangene zu er-schieen. Das forderten nicht nur Reaktio-

    nre wie der damalige bayerische Minister-prsident Franz-Josef Strauss, BubacksNachfolger Rebmann, sondern auch seinsozialdemokratischer Kollege Heinz Khn.Auch der damalige Bundeskanzler HelmutSchmidt forderte indirekt die Erschieung

    Das Jahr 1977Einige Richtigstellungenzu Christian Klar

    Das Jahr 1977

    e c eyer- nt rung

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    Feb./Mrz 2009 | Gefangenen Info | 7

    von Gefangenen mit Aussagen wie derStaat muss daraufhin mit aller notwendigenHrte antworten oder ich bitte die Herren,doch jetzt auch einmal exotische Gedankenauszusprechen, was wir machen sollen.Gleichzeitig wurde die totale Fahndungeingeleitet. So wurden an wichtigen Ver-kehrsknotenpunkten Datenfunkstationenaufgestellt, ber die alle vorbeifahrendenKraftfahrerInnen im Alter zwischen 20 - 35Jahren ber Interpol abgefragt wurden. DasBKA verlangte Vertragsdurchschlge vonallen in der BRD gekauften PKWs und inKln wurden alle Stromabnehmer auf ihrepolizeiliche Meldung hin berprft.Da die Bundesregierung auf Zeit spielte,wurde von einem palstinensischen Kom-mando am 13. Oktober die Lufthansa-maschine Landshut mit 86 Passagierenwhrend eines Fluges von Mallorca nach

    Frankfurt entfhrt. Es wurde die Freilassung

    der 11 Gefangenen der RAF gefordert unddie Freilassung von zwei Gefangenen derPopular Front for the Liberation of Palesti-ne (PFLP) aus trkischen Gefngnissen,sowie ein Lsegeld von 15 Millionen US-Dollar, welches an die Freigelassenen ge-zahlt werden sollte.Die Regierung lehnte die Freilassung kate-gorisch ab. In der Nacht zum 18. Oktoberwurde die Landshut in Somalia auf demFlughafen von Mogadischu durch einen An-griff der GSG9, einer Bundesgrenzschutz-einheit, gestrmt. Die 4 Mitglieder desKommandos wurden, bis auf eine schwer

    Verletzte, gettet.

    Die Flugzeugentfhrung wurde 1982 vonder RAF selbst kritisiert:(...) Es war das erste mal, das ein Kom-mando einer Befreiungsbewegung direkt indie Auseinandersetzung hier eingegriffenhat, den Kampf in der Metropole zu seinerSache gemacht hat. ber die taktisch undstrategisch falschen Bestimmungen dieserAktion, die der BRD erst die Chance gege-ben haben, selbst in die Gegenoffensive zugehen, ist viel geredet worden. Die Verant-wortung dafr liegt ganz bei uns.

    Es war unser Fehler, die Entscheidung,die aus dem Krfteverhltnis nur hier fallenkann, weil es um die Gefangenen geht, diefr den Kampf hier stehen, und weil es da-rum ging, die BRD zu isolieren, nicht in derMetropole selbst zu suchen, sondern die

    Zuspitzung in einen der jungen National-staaten zu verlagern. Im Zusammenhangmit einer Aktion aus der Metropole, mit demZiel der Polarisierung in der Metropole, denBruch zwischen Volk und Staat, musste dasMittel - Flugzeugentfhrung - gegen denganzen Angriff kippen, weil es die, die indem Flugzeug saen, zwangslug in diegleiche Objektsituation gedrckt hat, wie esder imperialistische Staat sowieso und im-mer mit den Menschen macht - worin aberdas Ziel einer revolutionren Aktion gebro-chen ist(...)Das soll nur kurz erwhnt werden, da einehemaliger Gefangener aus der RAF, Karl-Heinz Dellwo, in der Zeitschrift Konkret vomJanuar 2009 immer noch so tut, als sei ereiner der wenigen aus der ehemaligen RAF,der die Flugzeugentfhrung aus dem Jahre1977 kritisierte.

    Am Morgen des 18. Oktober wurden Andre-

    as Baader und Gudrun Ensslin tot, Jan-CarlRaspe und Irmgard Mller schwerverletzt inihren Zellen aufgefunden. Jan starb weni-ge Stunden spter. Sofort wurde die ofzi-elle Version des Selbstmordes verbreitet,obwohl erhebliche Unstimmigkeiten in dendann folgenden Untersuchungen aufge-deckt werden konnten. Andreas soll diePistole angeblich selbst festgehalten ha-ben, obwohl ein Gutachten aussagt, dassder Schuss aus einem Abstand von 30-40cm abgefeuert worden ist und die Pistoleimmerhin 17 cm ma. Gudruns Leichnamzeigte zahlreiche leichte Verletzungen und

    Blutergsse. Zum Teil werden diese Quet-schungen damit erklrt, dass der Krpernach der angeblichen Selbsterhngunginfolge von Todeskrmpfen heftig gegenharte Gegenstnde gestoen sei. Dies warallerdings nicht mehr zu rekonstruieren, dadie Beamten die Tote sofort abgebundenhatten. Ebenso wie bei Ulrike Meinhof wur-de auch hier ein Histamintest, der darberAuskunft gibt, ob ein lebender oder bereitstoter Mensch aufgehngt wurde, unterlas-sen.

    Irmgard sagte als einzige berlebende:

    Fr uns war klar, Selbstmord ist nicht Sa-che. Wir sind entschlossen zu kmpfen.Ich habe mir die Verletzungen nicht selbstbeigebracht. Irmgard hatte geschlafen undwar erst auf dem Transport ins Kranken-haus aus ihrer Bewutlosigkeit aufgewacht.

    Nach 21 Jahren Knast kam Irmgard imHerbst 1993 endlich frei.

    Am 19. Oktober 1977 ging bei der Redakti-on einer franzsischen Zeitung ein Schrei-ben der RAF ein, in dem mitgeteilt wurde,wo sich der tote Schleyer bendet.

    Am Ende berlebten 4 von den 11 Gefan-genen, die befreit werden sollten, die Haftnicht. Am 12. November 1977 wurde IngridSchubert im Gefngnis Mnchen-Stadel-heim tot aufgefunden. Fr den Staat war esnatrlich auch Selbstmord. Alle Menschenund Initiativen, die diesen und die anderenSelbstmorde ffentlich in Frage stellten,wurden kriminalisiert. So wurde die staat-lich verordnete Wahrheit, die bis heutenie objektiv bewiesen werden konnte, zurgesellschaftlichen Wahrheit, die sich ber

    die brgerlichen Medien in die Kpfe der

    Menschen fra.

    Die Repressionswelle weitete sich auchauf die Solidarittsbewegung aus und sowurden nach dem 18. Oktober 1977 ca. 40Menschen verhaftet. Es handelte sich da-bei um Rechtsanwlte, Menschen, die Ge-fangene besucht hatten, DruckerInnen undAktive aus Solidarittsgruppen. Die radikaleLinke, ob nun bewaffnet oder unbewaffnet,kam trotz der harten Repressionschl-ge und der Medienhetze aus der Talsohleheraus und wurde bis Ende der achtzigerJahre ein starker Faktor im Bereich des an-

    timilitaristischen Kampfes, von Hausbeset-zungen, autonomen Frauenkmpfen undder Anti-AKW- sowie der Gefangenenbe-wegung.Die RAF verfasste 1982 unter den TitelGuerilla. Widerstand und antiimperialis-tische Front ein Strategiepapier. Unter demEinfluss des Frontpapiers gab es vielepolitisch-militrische Initiativen, sowohl miteinheimischen Militanten und Stadtgueril-lagruppen, als auch mit der franzsischenAction Directe und den italienischen RotenBrigaden.

    Der zweite Teil des Textes folgt in der nch-sten Ausgabe.

    Redaktion

    Stencilaktion in Stuttgart vom 18. Oktober 2008

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    Aktuelles zu denDHKP-C Prozessen in der BRD

    Aktuelles zumStammheimer 129b-Prozess

    Der Prozess luft nun schon seit dem 17.Mrz 2008. Die Verhandlungstage laufensehr schleppend. Wir versuchen hier in allerKrze den aktuellen Stand des Verfahrenszusammenzufassen und die aktuellen Infor-mationen wiederzugeben.Im Stammheim-Prozess luft zurzeit immernoch die Beweisaufnahme. Der Hauptbe-lastungszeuge Hseyin Hiram wird weitervernommen, ebenso seine Ehefrau, seinSchwager und dessen Lebenspartnerin.Hiram selbst wird noch mehrere Male alsZeuge auftreten, denn aus seinen Aus-sagen sind zu wenige Informationen he-rauszuholen. Er hatte bei den letzten Ver-handlungsterminen wieder Ausbrche, beidenen er die Gefangenen beschimpfte undauch handgreiflich werden wollte. Dies wur-de von JVA-Beamten verhindert.Das psychologische Gutachten, welchesDr. Seiffert von ihm anfertigen sollte, istnoch immer nicht fertiggestellt. DiesesGutachten ist deshalb so relevant, weil esviele Ungereimtheiten in den Aussagen vonHiram bezglich seiner Geheimdienstttig-keiten und seines Erinnerungsvermgensgibt. Wenn das Gutachten erstellt ist, kannendlich geklrt werden, ob Hiram sich nichterinnern kann oder nicht erinnern will. Es istsehr verwunderlich, dass er bei dem The-ma Geheimdienste immer ausweicht oder

    behauptet, dass er sich an nichts erinnernkann. An kleine Details kann er sich abererinnern, wenn sie nichts mit diesem The-ma zu tun haben, so kann er sich beispiels-weise an die Farbe eines PKW genau erin-nern. Die meisten Aussagen, die er bis jetztgemacht hat, sind widersprchlich, doch dieBAW und der Strafsenat sind immer nochbemht, Hiram als glaubwrdigen Zeugendarzustellen.Der Strafsenat hat jetzt drei Verhandlungs-tage pro Woche angeordnet, Montag,Dienstag und Freitag. Dies wurde auf Druckder Verteidigung so eingerichtet.

    Die fnf Gefangenen sitzen jetzt seit mehrals 27 Monaten in Untersuchungshaft. DieSituation von Mustafa Atalay verschlechtertsich zusehends. Es gab auch keine Hafter-leichterung, obwohl sie jetzt schon mehrals zwei Jahre festgehalten werden. In denBriefen, die Mustafa schreibt, erwhnt erimmer, dass er sich kontinuierlich schlech-ter fhlt, dass ihm die Klte in der Zelle zuschaffen macht und das er immer strkereSchmerzen hat.Fr alle fnf Gefangenen gelten Sonder-haftbedingungen innerhalb der Untersu-chungshaftregelung, die sie psychisch und

    physisch belasten. Dazu kommt noch derDruck an den mittlerweile drei Verhand-lungstagen in der Woche. Mustafa hattevor Gericht seinen Lebenslauf geschildertum klar zu stellen, dass Folter in der Trkeigngige Praxis ist und hat seine eigenen

    Erfahrungen vor Gericht geschildert. Erwollte auch nochmals herausstellen, dasser schwer krank ist und dringend eine an-gemessene rztliche Behandlung braucht;sonst wird er in Gefangenschaft sterben.Ein Rechtshilfe-Ersuchen, das die Gefan-genen gestellt hatten, wurde noch am glei-chen Verhandlungstag zurckgewiesen.Die Angeklagten hatten auf diesem Wegversucht, einen Anwalt aus der Trkei nachDeutschland zu holen, damit die Rechts-lage dort besser beleuchtet werden kann.Die Rechtssituation in der Trkei spielt einemagebliche Rolle in dem Prozess, da Ge-stndnisse aus der Trkei in dem Verfahrenverwendet werden sollen. Allerdings mussman erwhnen, dass der Strafsenat die Fol-ter in der Trkei, die es faktisch gibt, nichtanerkennt. Daher ist es nicht verwunderlich,dass dieser Antrag abgelehnt wurde.Allgemein wurden von Anfang an alle An-trge der Verteidigung - Verteidigungsan-trge inbegriffen - abgelehnt, vor allemwenn es um BKA-Beamte ging. Einige vondiesen Beamten haben sich in ihren Aus-sagen widersprochen oder sie wollten zubestimmten Sachverhalten keine Angabenmachen. Dies hatten sie meist mit ihrer Aus-sagegenehmigung begrndet.Momentan werden BKA Beamte vernom-men, die bei der Verhaftung der Angeklag-ten beteiligt waren. Sie werden zu den Um-stnden der Verhaftungen, der technischenberwachung und den anderen Ermitt-

    lungsergebnissen befragt. Ebenso wird dieRolle der Geheimdienste auseinanderge-nommen. Dabei ist die ZusammenarbeitHirams mit dem deutschen Verfassungs-schutz, sowie dem trkischen Geheimdienstein wichtiger Punkt, aber auch welche Rolleandere Behrden spielen, wie zum BeispielINTERPOL. Auch Zeugen aus der Trkeisollen nun vernommen werden, allerdingsist bis jetzt keiner von ihnen vor Gerichterschienen, da ihre Ladungen vermutlichnicht angekommen sind. Das zgert denFortgang der Verhandlung hinaus, denn derSenat besteht auf die Vernehmung dieser

    Zeugen. Die meisten hatten in der Trkeibelastende Aussagen gemacht und diesebrauchen der Senat und die BAW dringend.Die Prozesstermine sind bis Mitte Mai 2009angesetzt und verffentlicht. Die Anwltegehen aber davon aus, dass sich der Pro-zess bis zum Ende des Jahres hinziehenwird. In den kommenden Prozesstagen wirdHseiyn Hiram nochmals als Zeuge vorge-laden und weitere BKA-Beamte vernom-men werden. Demnchst soll dann auchdas psychologische Gutachten ber Hiramals Beweismittel eingebracht werden.

    Alle Informationen zum Stammheim-Ver-fahren und anderen anstehenden Prozes-sen unter: www.no129.info

    Prozessbeobachtung des

    Komitee gegen 129

    Foto: Faruk Ereren vor Gericht

    Foto: Stammheim-Prozess

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    Feb./Mrz 2009 | Gefangenen Info | 9

    DHKP-C Verfahren in DsseldorfFaruk Ereren angeklagt nach 129b

    Am 15. Januar 2009 begann vor dem frStaatsschutzprozesse errichteten Hoch-sicherheitsgebude des Oberlandesge-richts Dsseldorf neben dem in Stuttgart-Stammheim laufenden 129b-Verfahren

    ein weiteres 129b Verfahren gegen dieDHKP-C (Revolutionre Volksbefreiungs-partei-Front). Dem 54-jhrigen Angeklag-ten Faruk Ereren wird u.a. vorgeworfen,im Zentralkomitee der Organisation ttiggewesen zu sein und wird fr zahlreicheTtungsdelikte, Brand- und Sprengstoffan-schlge in der Trkei verantwortlich ge-macht. Der Prozess wurde vorerst auf 52Verhandlungstage terminiert.Die Staatsanwaltschaft verlas am erstenProzesstag im Einzelnen die Anschlgein der Trkei, zu denen sich die DHKP-C bisher bekannt hatte. Dabei stellen dieAnklagepunkte, die sich auf Aktionen inder Trkei beziehen, die Grundlage fr dieAnklage nach dem 2002 erlassenen 129b

    dar, welche im Gegensatz zum 129a die Bettigung fr eine terroristische Verei-nigung im Ausland unter Strafe stellt.Faruk Ereren, der bereits am 8. April 2007in Hagen festgenommen wurde und sich biszum Prozessauftakt ca. 20 Monate unterstrengen Isolationsmanahmen in Untersu-chungshaft befand, erklrte bereits in denersten Tagen whrend seiner 9-teiligen Ver-teidigungsrede, dass die Anklageschrift derStaatsanwaltschaft fern von jeder Seriosittsei. Dazu erklrte Ereren, dass die Ankla-ge, die vom Staatsapparat der Trkei vor-bereitet wurde, ohne jegliche Hinterfragungbezglich Sachlichkeit und Logik bernom-men worden sei. Anschlieend unterstricher, dass die BRD den undemokratischen,faschistischen Staatsapparat der Trkeiuntersttze. Er fhrte einige Beispiele frundemokratische Praktiken und Massakerauf. Ereren deutete auf den Widerspruchzwischen dem Imperialismus und den Vl-kern der Erde hin und erklrte, dass dieVlker schlielich siegen wrden und des-wegen der antifaschistische Kampf legitim

    Isolationshaft gegenNurhan, Cengiz und Ahmet

    Nurhan Erdem, Cengiz Oban und AhmetIstanbullu wurden am 5. November 2008im Zuge einer landesweiten Repressions-welle in Nordrhein-Westfalen verhaftetund sind seitdeminhaftiert. Sie sindnach 129b wegenMitgliedschaft inder Revolutionren

    Volksbefreiungs-partei-Front (DH-KP-C) angeklagtund ihnen wird u.a.vorgeworfen, alsGebietsverantwort-liche fr die Orga-nisation ttig ge-wesen zu sein undSpendengelder ge-sammelt zu haben.Alle drei Gefangenen benden sich derzeitin Isolationshaft. Um die Haftbedingungenzu schildern, zitieren wir aus einem Brief

    von Nurhan Erdem: () Es gibt immernoch Briefe, die ich nicht erhalten habe:Von meinem Ehemann und meiner Schwe-ster. () Ich bin in Einzelhaft. Ich darf mitkeiner Gefangenen Kontakt haben. BisFreitag wurde meine Tr durch zwei Be-amte geffnet. Am Freitag, den 16.1., kamein Gerichtsbeschluss, dass das ffnendurch zwei Beamte aufgehoben wordenist. Bis Freitag war das so, egal wo ich hin-gehe, mussten zwei Beamte dabei sein.Zur Psychologin konnte ich zum Beispielnicht. Oder zum Sport. Ich habe nur eineFreistunde, den Rest der 23 Stunden bin

    ich in meiner Zelle. () Allein sein ist dasSchlimmste. An sowas kann man sich nichtgewhnen. Es ist sehr hart, ohne Menschenzu sein. Es sind jetzt bei mir ber 9 Wochenund sogar fr mich ist es sehr hart. ()Cengiz Oban schrieb in einem seiner Briefe:

    () Ich sitze hier in Isolationshaft. Sitze 23Stunden in der Zelle und habe Kontaktsper-re zu anderen Gefangenen. Die Zelle ist un-gefhr 7 Quadratmeter gro. Ich hatte fastzwei Monate in einem Kg von zirka 30Quadratmeter Einzelhofgang. Es gab eini-ge Schikanen von Seiten der Wrter. Nach-

    dem meine Zeitungen von Vortagen weg-genommen wurden, meine Zelle whrendmeines Hofgangs verwstet wurde und

    meine Sachen beschdigt wurden, habe ichmit einem Hungerstreik darauf geantwortet.Nach neun Tagen hatten wir ein Gesprchund es hat sich alles normalisiert. Die Wr-ter sind jetzt ziemlich nett und freundlich.Seit dem 16. Januar darf ich auch auf einemSportplatz meine Freistunde verbringen, woich auch Sport betreibe. Soweit geht es mirganz gut. Ein Fernseher und Bcher, dievor mehr als 3 Wochen in der JVA ankamenund einfach nur in der Kammer warteten,wurden mir auch am zweiten Tag meinesHungerstreiks ausgehndigt. ()

    Mit der Forderung nach Freiheit fr Nurhan,Cengiz und Ahmet hat das Freiheitskomi-tee eine vielseitige Kampagne begonnen,bei der die Infostnde, die jeden Samstagvor dem Klner Dom aufgestellt werden,vorerst die zentrale Aktivitt darstellen. Ne-

    und notwendig sei.Ereren erklrte auerdem: Das Urteil, dassbei diesem Prozess gesprochen werdenwird, verfgt eigentlich ber keine Bedeu-tung. Entscheidend ist das Urteil, das dieGeschichte fllen wird. In verschiedenenhistorischen Etappen wurden Tribunalegegrndet, welche ber Volksfhrer urteil-ten, die fr den Fortschritt der Menschheitkmpften. Auch fr sie wurden Sonderge-setze eingefhrt und Strafen verhngt. DieGeschichte hat sie freigesprochen und jene,die ber sie urteilen wollten, verurteilt. DasGesetz der Geschichte wird sich auf dieseWeise fortsetzen.

    Der Prozess ist vorerst bis zum 26. Juni2009 angesetzt und ndet jeweils mitt-wochs, donnerstags und freitags ab 9.15Uhr im Prozessgebude des Oberlandes-gerichts, Kapellweg 36, 40221 Dsseldorfstatt.

    Neue Adresse: Faruk Ereren, JVA Dssel-dorf, Ulmenstr. 95, 40476 Dsseldorf

    ben verschiedenen Protestaktionen, die inverschiedenen Lndern angelaufen sind,hat das Komitee eine Postkartenkampagnegestartet und ruft die fortschrittliche ffent-lichkeit zur Untersttzung auf. In ihrer er-sten Erklrung schrieben das Komitee berdie Gefangenen: Sie versuchten mittels

    Informationsveran-staltungen, Demons-trationen und Pres-seerklrungen dieMenschen aus der

    Trkei ber die HartzIV- und AuslnderII-Gesetze zu infor-mieren und sensibili-sieren. Zu ihren Ver-gehen gehrte auch,dass sie gegen Nazisprotestierten. (...) Diedeutsche Staatsan-waltschaft fordert mitdiesem Terrorismus-

    vorwurf jahrzehntelange Gefngnisstrafen,indem sie sich auf den 129b bezieht, weilsich die Angeklagten gegen den faschi-

    stischen Terror in der Trkei stellen undauf 129a, weil sie gegen den Nazi-Terrorin der BRD protestieren, sich gegen anti-demokratische Gesetze, wie das Hartz IVund das Auslnder II-Gesetz stellen undfr demokratische Rechte und Freiheitenkmpfen. Dieser Prozess, der unter denVorwrfen der Staatsanwaltschaft erffnetwurde, ist kein Anti-Terrorprozess, sondernein politischer Prozess. (...) Doch es gibteine universelle Realitt und diese mssteauch die Rechtsgrundlage sein: Faschis-mus und Tyrannei sind Verbrechen an derMenschheit; und das Recht auf Widerstand

    gegen Menschheitsverbrechen ist nicht nurlegitim sondern eine Pflicht. (...)

    Kontakt zum Freiheitskomitee:

    [email protected]

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    10 | Gefangenen Info | Feb./Mrz 2009

    Zur Lage des inhaftiertenAntifaschisten Christian

    Christian S. ist weggesperrt, weil er sichgegen 2 Nazi-Demos gewehrt hat.Er wurde krzlich in den offenen Vollzugder JVA Pltzensee verlegt. Fr die Be-reichsleitung der Haftanstalt in der LehrterStrae war dies die geeignetste Mglich-

    keit, ihn als unbequemen Gefangenen los-zuwerden.Trotzdem stellt diese Verlegung keinewirkliche Hafterleichterung dar, denn:1.) Christian htte schon im August 2008nach Verbung von 2/3 der Haftzeit frei-gelassen werden mssen2.) Christian muss auerhalb der Anstaltarbeiten, um die Chance zu wahren, dem-nchst auf Bewhrung vorzeitig entlassenzu werden. Wenn er nicht arbeitet, muer alles absitzen und danach tritt Fh-rungsaufsicht ein. Mit strengen Regeln derFhrungsaufsicht sollen ehemalige Gefan-

    gene diszipliniert werden, die nicht auf Be-whrung entlassen wurden. Der Verstogegen die Fhrungsaufsicht ist eine Straf-tat und wird selbst mit bis zu einem JahrHaft bestraft. Z.B. ist es mglich in denKnast zu kommen, weil man umzieht oderdie Arbeit hinschmeit oder Kontakte zuPersonen hat, die einem untersagt wordensind. Und das alles, obwohl die eigentlicheStrafe komplett verbt wurde.Jedenfalls arbeitet Christian nunmehr fr80-120 Euro im Monat jeden Tag 8 Stun-den. Er muss sich von den 120 Euro mo-natlich selbt ernhren, sein BVG Ticket

    kaufen und alle anderen Ausgaben tragen.Offener Vollzug bedeutet keine klei-ne Freiheit, sondern die Gefangenenmit Zwang einer totalen kapitalistischenVerwertungslogik auszuliefern. Wer dasnicht ertrgt, kann flchten oder in dengeschlossenen Vollzug zurck verlegtwerden; kommt aber der Freiheit dadurchauch nicht nicht nher.Falls sich nicht noch mehr Druck fr Chri-stian entwickelt, wird er erst regulr am13. November 2009 entlassen.

    Brief von Mustafa Atalay zuseiner Situation

    Die trkischen Briefe von Mustafa be-ntigen meist lnger, bis sie ankommen.Mustafa schreibt auch Briefe auf deutschund englisch, wobei er sich erst im Knastdie deutsche Sprache angeeignet hat:Lieber... Ich bekam deinen Brief vom30.1. am 10.2. Danke. Ich erwarte den Be-such von Peter. O. Chotjewiz am 4.3. Dieletzten zwei Tage war das Wetter ziemlichkalt. Das tat meinem Herzen nicht gut undverursachte mehr Schmerzen. Ich konnte

    deshalb nicht am Hofgang teilnehmen.Der Prozess geht nach 2 Wochen Ge-richtsferien am 2. Mrz weiter. Ich wn-sche dir alles Gute.Tschs Mustafa

    Seit einigen Monaten dauern die Ausei-nandersetzungen um die geplante Ver-schrfung des baden-wrttembergischenVersammlungsgesetzes an. Der von Innen-minister Rech (CDU) eingebrachte Geset-zestextentwurf soll zuknftig die gesetzliche

    Grundlage fr berwachungsmanahmen,repressive Auflagen und Verbote darstellen.Durch die Fderalismusreform knnen Bun-deslnder seit 2006 eigene Versammlungs-gesetzgebungen verabschieden. Bayernnahm hierbei eine Vorreiterrolle ein undverabschiedete 2008 als erstes Bundeslandein eigenes Versammlungsgesetz. Baden-Wrttemberg zieht nun nach und andereBundeslnder u.a. Niedersachsen arbeitenan eigenen Entwrfen. Die Tendenz ist inallen Fllen klar erkennbar: Mit massivenEinschnitten soll das Grundrecht auf Ver-sammlungsfreiheit ausgehhlt werden.

    Nach den Plnen der Landesregierung inBaden-Wrttemberg sollen Versammlungs-leiterInnen als verlngerter Arm der Polizeifungieren. Auerdem sollen OrdnerInnenim Vorhinein registriert und berprft wer-den. Darber hinaus knnen OrdnerInnenvon der Polizei als ungeeignet abgelehntwerden. Was dabei die Kriterien sind, alsungeeignet eingestuft zu werden, ist un-klar und liegt in der Hand der Polizei. Durchdie Verschrfung sollen zahlreiche ber-wachungsmanahmen eingefhrt oderrechtlich legitimiert werden, die letztlich dieDurchfhrung von Demonstrationen, Kund-gebungen, Veranstaltungen oder hnlichemdeutlich erschweren.Die massivsten Einschnitte bringt das Ge-setz fr Versammlungen im geschlossenenSaal mit sich. Auch hier soll zuknftig dasVersammlungsgesetz in vollem Umfangzum Einsatz kommen. Die Polizei kann zu-knftig auch hier auf die Benennung vonVersammlungsleiterInnen und OrdnerInnenbestehen und diese dann als ungeeignetablehnen. So macht der Versammlungs-

    leiter sich beispielsweise strafbar, wenn erGewaltbereitschaft nicht rechtzeitig er-kennt und nicht geeignet darauf reagiert.Wie umfassend das neue Versammlungs-gesetz zuknftig auch in Versammlungenin geschlossenen Rumen eingreift, zeigt

    allein die Tatsache, dass zuknftig der Poli-zei ausreichend Platz bei Veranstaltungeneingerumt werden muss.ber 100 Gruppen und Organisationenhaben das Gesetz als vllig inakzepta-bel abgelehnt und die Proteste gegen dieVerschrfung untersttzt. Mehr als 10 000Menschen waren u.a. im Mannheim, Stutt-gart, Freiburg und Tbingen gegen die Ver-schrfungen auf der Strae. Auch im br-gerlichen Spektrum regt sich Widerstand.Selbst die (regierende) FDP hat den Geset-zestext als nicht tragbar zurckgewiesen.Innenminister Rech begegnete dem auf-

    kommenden Widerstand mit Integrations-versuchen und kndigte an, leichte nde-rungen an dem Gesetzestext vorzunehmen.In einem Blockadeaufruf heit es dazu: Mitoder ohne Schnheitskorrekturen, wir leh-nen dieses Gesetz als Mittel zur gewaltt-tigen Unterdrckung gesellschaftlicher Aus-einandersetzung von vorne bis hinten ab!Zwar hat Ende Februar das Bundesverfas-sungsgericht das bayrische Versammlungs-gesetz in groen Teilen als verfassungswid-rig erklrt, was sich auch auf das geplantebaden-wrttembergische Gesetz auswirkenwird, dennoch ist weiterhin zu erwarten,dass die Gesetze in (verbal) abgeschwch-ter Version verabschiedet werden. Aucheine abgeschwchte Version wird ein ele-mentarer Einschnitt in die Demonstrations-freiheit bedeuten, gegen die es vorzugehengilt.

    Weitere Informationen unter:

    www.versammlungsrecht2009.tk

    www.blockieren.tk

    Gegen das neue Versammlungsgesetz inBaden-Wrttemberg!

    Am 10. Februar 2009, dem Tag der KnessetWahl in Israel, wurden in der zweitgrtenarabischen Stadt in Israel mehrere hundertMenschen, darunter auch Samieh Jabba-rin und Ibrahim Mahajneh, verhaftet. Beigewaltttigen bergriffen der Polizei, desMilitrs und sogenannter mass oppressi-on units wurde unser Freund und Genos-se Samieh verhaftet, der mehrere Jahre inDeutschland lebte. Er war mit uns gemein-sam innerhalb der linken Bewegung aktivund ist fr uns alle ein wichtiger und gelieb-

    ter Genosse!Als er wieder nach Palstina ging, hat erdort eine bedeutende Rolle bei der Organi-sierung der rmeren Bevlkerungsschichtgegen die Enteignung und Vertreibung ausihren Husern durch israelische Baurmen

    gespielt. Er war auch an der Organisati-

    on der Konferenz in Haifa beteiligt, in deres um das Rckkehrrecht der palstinen-sischen Flchtlinge und um die Grndungeines skularen und demokratischen pal-stinensischen Staates ging.Nachdem er verhaftet wurde, steht er nununter Hausarrest und muss elektronischeFufesseln tragen.Auch wenn wir hier in Deutschland leben,so ist es notwendig sich mit dem Kampf derpalstinensischen Bevlkerung zu solidari-sieren und alles zu tun, um die fortschritt-lichen Krfte dort zu untersttzen.Wir fordern seine Freiheit und die Freiheit

    fr alle politischen Gefangenen und Frei-heitskmpfer, die sich gegen Besatzungund Krieg fr eine befreite solidarische Ge-sellschaft einsetzen!

    Einige von Samiehs GenossInnen

    Freiheit frSamieh Jabbarrin!

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    Feb./Mrz 2009 | Gefangenen Info | 11

    Kurzmeldungen:

    Stuttgart: Am Donners-tag, den 19.02.2009 ging inStuttgart-Stammheim derProzess gegen ThomasK. zu Ende. Ihm wurdeursprnglich die Mitglied-schaft und die Rdelsfh-

    rerschaft in den RZ (Revo-lutionre Zellen) vorgeworfen. Nach einerEinlassung wurde der Prozess auf nur we-nige Tage beschrnkt und der Vorwurf aufRdelsfhrerschaft fallengelassen. ThomasK. wurde zu zwei Jahren auf Bewhrungverurteilt.Prozessberichte, sowie einige Pressebe-richte sind zu nden auf:www.freilassung.de/prozess/thomas.html

    Berlin: Kurdische Migran-tInnen protestieren miteinem Hungerstreik ge-

    gen das syrisch-deutscheRckabnahmeabkommenabgelehnter Asylbewer-berInnen tglich vor demInnenministerium in Alt-

    Moabit. Das Abkommen ist seit Januar2009 in Kraft und syrische MigrantInnen(etwa 7000) erhalten Aufforderungen durchdie Auslnderbehrde, die sie zur Ausrei-se auffordert. Untersttzt werden sie bis

    jetzt vom Flchtlingsrat Berlin und von derLinkspartei.

    Remscheid: Der offene

    Brief der 53 Flchtlingeaus Remscheid mit derForderung, die Anwesen-heitskontrollen einzustellenund die berwachungs-kameras abzuschaffen,fhrte nach dem zweiten

    Gesprch mit dem Stadtdirektor zu eini-gen Lockerungen wie z.B. die Auszahlungder Leistungen in bar, statt in Gutscheinenoder die vierteljhrliche Aushndigung derKrankenscheine. Auch wird Flchtlingen,die keine Arbeitserlaubnis haben, gemein-ntzige Arbeit organisiert werden.

    Stuttgart: Das StuttgarterAmtsgericht hat zwei Akti-vistInnen aufgrund der De-monstration am 05.07.2008in Stuttgart verurteilt.Einem Aktivisten wurdegefhrliche Krperverlet-zung an einem Polizeibe-

    amten und einer Aktivistin Beleidigungvorgeworfen. Obwohl der aussagende Po-lizist zugab, mit seinem Schlagstock direktauf die Hnde und den Kopf des Aktivistengezielt zu haben, wurde dieser zu 5 Mona-

    ten auf zwei Jahre Bewhrung, sowie 60Stunden Arbeitsstunden verurteilt. Die Ak-tivistin, die bei der Demo verletzt ins Kran-kenhaus musste, wurde zu 15 Arbeitsstun-den verurteilt.

    Befragung des Vizeprsidenten des BfVim mg-Verfahren fr die Anklage er-gebnislos - Aussage eines angeblichenV-Mannes nicht berprfbar

    Pressemitteilung zumBerliner 129-Prozess

    Am 26. Verhandlungstag des zur Zeit beimStaatsschutzsenat des Berliner Kammerge-richts gefhrten Prozesses wegen Mitglied-schaft in einer kriminellen Vereinigung mili-tante gruppe, wurde heute am 25. Februar2009 der Vizeprsident des Bundesamtes

    fr Verfassungsschutz Hans Elmar Rem-berg als Zeuge gehrt.In dem langwierigen Verfahren hat der Se-nat mittlerweile einen Groteil der Beweis-aufnahme zu der angeklagten versuchtenBrandstiftung abgeschlossen und wolltenun mit dem hochrangigen Zeugen zumHauptkomplex der Mitgliedschaft berge-hen. Bis zum heutigen Tage ist vllig unklar,ob tatschlich eine einheitliche, organisa-torisch verbundene Gruppierung militantegruppe besteht, oder ob verschiedeneGruppierungen unter diesem Namen aufge-treten sind, noch ist klar, ob die in diesemProzess Angeklagten Mitglieder einer sol-chen Gruppe waren.Der Zeuge Remberg sollte zu drei von ihmbzw. dem Prsidenten des BundesamtesFromm ausgestellten sogenannten Behr-denzeugnissen befragt werden. Besondersbrisant war ein solches Zeugnis in demangegeben wurde, nach einer dem BfV vor-liegenden, vertraulichen und unbesttigtenInformation sollten die Angeklagten der mi-litanten gruppe angehren. ber diesenPersonenkreis hinaus solle es noch weitereMitglieder der militanten gruppe geben.

    Der Informationsgeber wrde seitens desBfV als im Allgemeinen zuverlssig berich-tend und nachrichtenehrlich eingestuft.Der Vizeprsident des BfV gab an, die Be-wertung der Informationen eines V-Manneswrde anhand des persnlichen Eindrucks,der Qualitt und Validitt der von diesembis dahin erhaltenen Informationen und auf-grund dessen Motivation fr die Zusammen-arbeit vorgenommen. Zu all diesen Umstn-den wolle und drfe er allerdings aufgrundseiner beschrnkten Aussagegenehmigungkeinerlei Angaben machen. Er selbst habediese berprfung des V-Mannes nichtvorgenommen und drfe auch nicht sagen,welche Mitarbeiter insoweit ttig gewordenseien. Die Bewertung der Angaben desV-Mannes sei daher fr das Gericht nichtberprfbar.Aus Sicht der Verteidigung ist hiermit of-fensichtlich, dass der Beweiswert des Be-hrdenzeugnisses bzgl. dieses V-Mannesgleich Null ist.Fragen zu den beiden weiteren, von demZeugen selbst ausgestellten Behrden-zeugnissen, die die Mitgliedschaft derAngeklagten in zwei politischen Gruppenbetrafen, konnte der offensichtlich schlechtvorbereitete Zeuge grtenteils nicht be-antworten. Im wesentlichen berief er sichdarauf, dass er sich gegebenenfalls erstumfangreich in die Aktenlage einarbeitenmsse.Die Verteidigung hat bereits mehrfach kriti-siert, dass in dem gesamten Verfahren im-mer wieder belastende Informationen desBundesamtes fr Verfassungsschutz andas BKA bzw. die Bundesanwaltschaft ge-

    geben wurden, die ungeprft benommenwurden. Diese Vorwrfe haben sich mit derheutigen Zeugenbefragung besttigt.Es konnte am heutigen Tage nicht heraus-gefunden werden, ob die mit der Anklageprsentierte Aussage des V-Mannes mehrist als das Ergebnis eines belanglosen Knei-pengesprchs oder wilde Vermutungen.

    Berlin 25. Februar 2009

    Rechtsanwalt Alexander Hoffmann

    SPENDEN:

    Die Soliarbeit fr die von den129-Verfahren Betroffenen kostetviel Geld. Deshalb sind wir auf Spen-den angewiesen. Bitte spendet reich-lich. Auch kleine und/oder regelm-ige Betrge sind gern gesehen.

    Rote Hilfe e.V.Bank: Berliner BankKonto-Nr.: 718 9590 600BLZ: 100 200 00

    Verwendungszweck: Repression31.7.2007IBAN: DE78 1002 0000 7189 5906 00BIC: BEBEDEBB

    SOLIDARITTMITAXEL,OLIVERUNDFLORIAN!

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    12 | Gefangenen Info | Feb./Mrz 2009

    Es wre besser diese Gefangenen imToten Meer zu ersufen - wenn dasmglich wre, weil das der tiefstePunkt der Welt ist. - Avigdor Lieber-man (rechtsradikaler Prsidentschafts-kandidat und wahrscheinliches Mitgliedder nchsten israelischen Regierung)Auerhalb der stndigen militrischenAuseinandersetzung zwischen derhochgersteten israelischen Armeeund den Palsinensern, die sich mitrelativ primitiver Bewaffnung den stn-digen Attacken Israels erwehren, istdie Situation der palstinensischenGefangenen der strkste Indikator frdie Situation in den palstinensischenAutonomiegebieten. Kein Thema illus-triert Israels Verweigerung der Frei-heitsrechte fr die palstinensischeBevlkerung eindringlicher als die Situ-ation der Gefangenen dort.Die PalstinenserInnen haben diehchste Rate an Gefangenen in derWelt. Etwa 20% der palstinensischenBevlkerung in den besetzten Gebieten

    wurde bereits einmal im Leben verhaf-tet. Zur Zeit wird die Zahl der palsti-nensischen Gefangenen auf ca. 11.000geschtzt. Ausgangspunkt sind dieAngaben einer israelischen Menschen-rechtsorganisation aus dem Herbst2007. Israel hlt allein ber 1000 Ge-fangene in Administrativhaft. Das heit,dass diese Gefangenen ohne konkretenTatvorwurf, Anklage und Prozess inhaf-tiert wurden. Diese Art der Haft kannbis zu 6 Monaten dauern. In dieserZeit haben sie kaum Chancen auf einerechtstaatlich vorgesehene Verteidi-gung und Berufungsmglichkeiten.Die Behauptung Israels, dass die Ge-fangenen zum Schutz der Sicherheitihrer Bevlkerung inhaftiert werden,ist mit nichts zu belegen. Im Gegen-teil: Der grte Teil der Gefangenenhat sich keiner direkten Straftat schul-dig gemacht. Sie werden aufgrundvon Meinungsdelikten, friedlichen Wi-derstandshandlungen, oder einfachwegen der Tatsache, dass sie Palsti-nenserInnen sind, inhaftiert. Das isra-elische Zentrum fr Menschenrechtein den besetzten Gebieten BTselembermerkte dazu: Sicherheit wird aus-

    serordentlich weit definiert, so dassgewaltfreie Rede und politische Aktivi-tt als gefhrlich erachtet werden(...).Dies steht in krassem Widerspruch zumRecht auf Rede- und Meinungsfreiheit,das nach internationalem Recht garan-

    tiert wird. Wrden dieselben Standardsinnerhalb Israels angewandt, wre dieHlfte der Likud-Partei in administra-tiven Arrest.Viele der PalstinenserInnen werdenlaut Amnesty International in Anhal-tezentren (Lagern) und Gefngnissengehalten, die nicht einmal humanitrenMindeststandards entsprechen. Es wirdihnen routinemig das Besuchsrechtverweigert. Zahlreiche Menschen-rechtsorganisationen beschuldigtenIsrael regelmig der Folter durchschwere krperliche Gewalt, Schlafent-zug, Schein-Ersticken, Erniedrigungenund die Verweigerung von Nahrung,Wasser, und Zugang zu sanitren Anla-gen. Alle Formen von Folter verstoengegen internationales Recht. In Israelist die Folter (von Palstinensern) aberimmer noch gesetzlich erlaubt, auchwenn das Oberste Gericht 1999 einigeFoltermethoden verbot.Menschenrechtsorganisationen erho-ben auch nach dem israelischen Ein-

    marsch in den Gazastreifen schwereVorwrfe gegen die Militrfhrung we-gen ihres Umgangs mit den, whrendder Militroffensive gefangenen Pal-stinenserInnen. Nach Aussagen isra-elischer Anwlte wurden Gefangeneviele Stunden, manchmal sogar Tage inErdlchern eingesperrt, wo sie gefes-selt und mit verbundenen Augen fest-gehalten wurden. Auch Minderjhrigeseien solchen Bedingungen ausgesetztworden. Im Widerspruch zu interna-tional geltenden Regeln wurden vieleGefangene in direkter Nhe zu Pan-zern und Kampfzonen festgehalten. Eshabe Flle von extremer Gewalt undErniedrigung durch israelische Solda-ten gegeben, zu denen die Menschen-rechtsorganisationen weitere Berichteankndigten. Das Schreiben der ins-gesamt 7 Organisationen, unter ihnenBTselem, der israelische Zweig der

    rzte fr Menschenrechte, sowie dieGruppen Yesh Din und Adalah, sttztsich vor allem auf gesammelte Zeu-genaussagen. Es richtete sich an denMilitrrichter General Avichai und Ge-neralstaatsanwalt Meni Mazus.Zu Beginn des Einmarsches in Gaza

    fragte die Menschenrechtsorganisati-on HaMoked, ob Israel Gefangene ausGaza im geheimen Gefngnis Anlage1391 festhalte.Die Existenz der Anlage 1391 wurdein November 2003 bekannt. Normaler-

    weise wurde das Gefngnis zur Unter-bringung von nicht-palstinensischenarabischen Gefangenen benutzt. An-gesichts der steigenden Anzahl derGefangenen whrend der zweiten In-tifada wurden auch Palstinenser dortinhaftiert. Als HaMoked damals nachdem Aufenthaltsort von vermisstenpalstinensischen Gefangenen suchte,mussten die israelischen Behrden zu-geben, dass sie an diesem geheimenOrt festgehalten werden. Wegen derZustnde, die dort herrschten, bezeich-neten israelische Zeitungen die Anlage1391 als Israels Guantanamo Bay.Einer der bekanntesten palstinen-sischen Gefangenen, der Generalse-kretr der PFLP (Volksfront fr dieBefreiung Palstinas) Ahmad Saadat,wurde wie schon in der letzten Ausgabedes Gefangenen-Infos erwhnt, am 25.Dezember letzten Jahres zu 30 JahrenHaft verurteilt. Entgegen den Begrn-dungen fr seine Festnahme, war dieihm vorgeworfene Tatbeteiligung an

    der Ttung des rechtsradikalen Ex-Tou-rismusministers Zeevi nicht Bestandteildes Urteils gegen ihn. Seine Positioninnerhalb des palstinensischen Wi-derstands gegen die Besatzung muss-te, ohne das ihm konkrete Taten nach-gewiesen wurden, als Begrndung frdie lange Haftstrafe herhalten. Saadatselbst erkannte weder das Urteil nochdas israelische Militrgericht, dass ihnverurteilte, an.

    Das ist euer Gericht und ihr habt dieMacht, den Prozess zu zelebrieren undmich zu verurteilen auf der Basis eurerListen (der offiziellen und der inoffizi-ellen) von Anklagepunkten, ihr knntein Urteil diktieren, das vom politischenund von Sicherheitsapparaten, die hin-ter dem Prozess stehen, vorbereitetwurde. Aber auch ich besitze einenWillen, der von der Rechtmigkeit un-serer Sache und den Absichten unseresVolkes gespeist wird, jegliche Entschei-dung dieses Scheingerichts zurckzu-weisen. (Ahmad Saadat vor Gericht)

    Englischsprachige Kampagnenseite frdie Freilassung Ahmad Saadats:http://www.freeahmadsaadat.org/

    Quellen: Neues Deutschland, 2.02.09,GAB (Gesellschaft fr sterreichisch-arabische Beziehungen, www.saar.at),www.antiimperialista.org, ISM-Germa-ny (www.ism-germany.net)

    Willkr, Folter und ErniedrigungDer Alltag der palstinensischen Gefangenen

    Ein Beitrag von Anderslautern

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    Feb./Mrz 2009 | Gefangenen Info | 13

    Kurzmeldungen:

    Im Rahmen der Proteste gegen das Welt-wirtschaftsforum (WEF) gab es am 17.01.09in Zrich einen Farbanschlag gegen die In-vestmentbank UBS. Whrend der anschlie-enden Grokontrolle nahm die Polizeizwei Jugendliche fest. Die beiden Jugend-lichen verweigerten konsequent die Aussa-ge und wurden, um Aussagen zu erpressen,in Beugehaft genommen. Nach fast 2-w-chiger willkrlicher und schikanser Haftwurden die beiden am 30.01.09 entlassenund von zahlreichen FreundInnen, Genos-

    sInnen und Angehrigen lautstark begrt.

    Im gleichen Zeitraum fhrte die Bundes-kriminalpolizei mit einem Groaufgebotam 20.01.09 bei Martin, einem Genossendes Revolutionren Aufbaus, eine Haus-durchsuchung durch. In der Folge wurdeMartin festgenommen, weil angeblich imMietshaus, in dem er wohnt, irgendwo einRucksack mit Brandstzen gefunden wur-de. Ohne die Mglichkeit, seinen Anwaltzu informieren und der Anhrung vor demHaftrichter, wurde Martin in Untersuchungs-haft genommen. Weiter verweigerten die

    Untersuchungsbehrden dem Anwalt dieAkteneinsicht und machten so jeglicheVerteidigung unmglich! Martins Anwaltreichte Klage beim Bundesgericht ein, daszu seinem Gunsten entschied und die Ver-weigerung der Akteneinsicht und der An-

    hrung rgte. Martin musste erneut einemHaftrichter vorgefhrt werden und wurdeam 26.02.09 nach ber 1 Monat Untersu-chungshaft wieder auf freien Fu gesetzt.Mit dem angeblich gefundenen Inhalt desRucksacks wurde Martin niemals kon-frontiert. Bereits am 06.05.2008 fhrte dieBundeskrimimalpolizei zwei massive Haus-durchsuchungen gegen Mitglieder des Re-volutionren Aufbaus durch. Auch damalsdienten angebliche Sprengstoffdelikte alsVorwand, welche im Nachhinein nie konkre-

    tisiert worden sind.

    Derzeitig zeichnet sich ein erneuter Versuchder Bundesanwaltschaft ab, Mitglieder desRevolutionren Aufbaus zu kriminalisieren.In einer Pressemitteilung teilte der leitendeErmittlungsrichter Zingle mit, die Bundes-anwaltschaft habe nach Abschluss einesgerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrensnun bei ihm die Erffnung einer Voruntersu-chung gegen Exponenten des so genann-ten Revolutionren Aufbaus beantragt.Auch in diesem Verfahren verweigern dieBehrden jegliche Akteneinsicht.

    Mehr zum Fall von Martin, seiner Haft sowieder Solidaritt von drinnen und drauenunterwww.aufbau.orgNheres zur schikansen Beugehaft derbeiden Jugendlichen unterwww.rjz.ch

    Repressionsschlge in der SchweizKurzer berblick ber die derzeitige Entwicklung

    Solidarittsbotschaftan die palstinensische Bevlkerung

    Wir empnden tiefen Schmerz und unend-liche Emprung ber das kriminelle Massa-ker an der palstinensischen Bevlkerung.Uns fehlen die Worte diesen Holocaust zubeschreiben. Der Tod unschuldiger Kinder,Frauen und Mnner sowie die Zerstrungihrer geliebten Heimat sind Verbrechen ge-

    gen die Menschlichkeit und erzeugen einetiefe Schuld, fr die jemand bezahlen muss- die Regierung Israels, die Regierung derVereinigten Staaten, welche die erstereuntersttzen, und der weltweite Imperialis-mus.Aus fnf Gefngnissen aus dem Innerender Vereinigten Staaten verurteilen wirdieses Verbrechen mit unserer ganzenKraft. Wir fordern, dass diese Barbarei so-fort beendet wird und senden unsere ganze

    Liebe und Untersttzung an die geliebtenpalstinensischen Menschen. Wir sind miteuch heute und immer. Eine Sache, dieuns zutiefst ber unsere Gefangenschaftschmerzt ist die, dass wir nicht viel fr euchtun knnen, fr eure Sache, fr euer Volk.Aber wir hoffen, dass wir bald physisch beieuch sein knnen. Die Welt muss sich ver-einen und die israelische Regierung, dieRegierung der Vereinigten Staaten und die

    imperialistischen Regierungen die Verur-sacher des Holocausts verurteilen.

    Stoppt den Krieg und die Massaker!Lang lebe das palstinensische Volk!Venceremos!

    The Cuban Five (Antonio Guerrero,

    Rene Gonzales, Fernando Gonzales,

    Ramon Labanino, Gerardo Hernandez)

    Cuban Five verurteilen dieisraelische Aggression in Gaza

    Chile: Die Mapuche-Ge-fangene Patricia Troncosohat Anfang Februar ihrenHungerstreik nach 112 Ta-gen beendet, nachdem dieRegierung ein Dokumentunterzeichnete, das dieVerbung der restlichen

    Haftzeit im offenen Vollzug vorsieht. Tron-coso, eine von ca. 40 Mapuche-Gefange-nen, war noch nach dem aus der Pinochet-Zeit stammenden Anti-Terror-Gesetz zu 10Jahren Haft verurteilt worden. Sie soll aufindigenem Land Feuer gelegt haben, aufdem sich Holz- und Papierrmen befanden.

    gypten: Am 06.02.09wurde der 26-jhrige poli-tische Aktivist Philip Rizkvon dem gyptischen Si-cherheitsdienst entfhrt.

    Zusammen mit 14 anderenhatte er an diesem Tag aneiner Mahnwache aus So-

    lidaritt mit Gaza teilgenommen. Nach sei-ner Vernehmung wurde er in einen Klein-bus gezwungen und an einen unbekanntenOrt in Cairo gebracht. Inzwischen wurdedas Haus seiner Familie durchsucht undpersnliche Gegenstnde beschlagnahmt.ber seinen Aufenthaltsort, seinen Ge-sundheitszustand oder ber die Behand-lung die er erfhrt ist nichts bekannt.

    Spanien: Nach 15 Jahren

    Haft und Folter wurde derAntifaschist Manuel Car-mona Tejedor am 16.02.09aus dem Topas-Gefngnisin Salamanca freigelassen.Er war ein politischer Ge-fangener aus der GRAPO

    (Antifaschistische Widerstandsgruppen des1. Oktober) und war 1994 verhaftet worden.Whrend seiner Knastzeit schrieb er meh-rere politische Artikel ber konomie undAntifaschismus. Er htte bereits vor 1 Jahrfreigelassen werden mssen, wurde aller-dings widerrechtlich festgehalten.

    Trkei: Der im F-Typ Ge-fngnis von Izmir Kiriklarinhaftierte revolutionreGefangene SleymanErol hat aufgrund der Iso-lationshaft am 23.02.09einen Selbstmordversuchunternommen, indem er

    sich die Pulsadern aufschnitt. Die Gefan-genenhilfsorganisation TAYAD protestiertegegen die Isolationshaft und rief das Justiz-ministerium dazu auf, das im Januar 2007zugestandene Recht auf 10-stndige Zu-

    sammenkunft in den F-Typen umzusetzen.Die Zusammenkunft von 10 Stunden wurdeam 22.01.2007 nach 7 jhrigen Todesfa-sten vom Justizministerium im Erlass 45/1zugestanden, ohne dass der Erlass umge-setzt wird.

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    14 | Gefangenen Info | Feb./Mrz 2009

    In der letzten Ausgabe des Gefangenen In-fos haben wir den ersten Teil des Berichtsber das Symposium gegen Isolation miteinem ausfhrlichen Hintergrundberichtber die Gefngnismassaker in der Trkeiverffentlicht. Das Symposium ndet jedesJahr im Zeitraum vom 19. bis 22. Dezem-ber statt, da im Jahr 2000 in dieser Zeit in

    einem staatlichen Angriff 28 revolutionreGefangene ermordet, verbrannt und etli-che schwer verletzt worden sind. Um demMassaker zu gedenken, fhren politischeGefangene aus verschiedenen Lndern

    jedes Jahr vom 19. bis 22. Dezember ei-nen Hungerstreik durch. In diesem Jahrbeteiligten sich Jos Fernandenz Delga-do, Gabriel Silva da Pombo, Ilhan Yelku-van, Ahmet Dzgn Yksel, Devrim Glerund 11 soziale Gefangene (BRD), AvniEr (Italien), Marco Camenisch (Schweiz),Gefangene der PCE(r)/GRAPO (Spanien)und Gefangene der DHKP-C (Trkei) in

    mindestens 7 Gefngnissen. Aus verschie-densten Lndern kamen Grubotschaften.Jedes Jahr kommen linke, demokratischeund revolutionre Gruppen und Personenzusammen, um sich ber die Repressions-entwicklungen in den verschiedenen Ln-dern auszutauschen und ber gemeinsamePerspektiven im Kampf gegen Repressionund Imperialismus zu diskutieren. Im Fol-genden dokumentieren wir, soweit es unsaus sprachlichen Grnden mglich war, zu-sammengefasst ihre Beitrge:

    2. Tag / Samstag, 20. Dezember 2008

    II. Wie knnen wir unsere Grundrechteund Freiheiten verteidigen?Beitrge der Anwlte aus sterreich,Baskenland und der Trkei

    sterreich: RA Dr. Lennart BinderDer Anwalt Dr. Lennart Binder vertritt die An-geklagten des ersten Terrorprozesses insterreich. Das Ehepaar gyptischer Her-kunft soll die Internetplattform Globale Is-lamische Medienfront (GIMT) mit Informa-tionen zur Situation in Afghanistan und imNahen Osten betrieben haben, die sich auf

    islamische Widerstandskmpfer bezieht.Basis der Anklage nach 278b (Mitglied-schaft in einer terroristischen Vereinigung)bilden bersetzungsarbeiten diverser Texteund die Nutzung der Internetplattform zuihrer Verbreitung. Die 21-jhrige Mona S.

    weigert sich ihren Gesichtsschleier abzu-nehmen und wurde deswegen aus ihremeigenen Prozess ausgeschlossen. Sie solldiverse Texte bersetzt haben - u.a. An-sprachen von Bin Laden - und wurde zu 22Monaten Haft verurteilt. Der 22-jhrige Mo-hammed M. soll im Internet zu Anschlgenauf die Fussball-EM 2008 aufgerufen haben

    sowie bei Drohvideos mitgewirkt haben,die sterreich und Deutschland zum Ab-zug ihrer Truppen aus Afghanistan zwingensollten. Er wurde zu 4 Jahren Haft verurteilt.Laut Anklage soll GIMT den propagandi-stischen Arm der Al-Qaida darstellen. EineVerbindung oder Zusammenarbeit wird nichtnachgewiesen; von der Anklage letztlichauch gar nicht behauptet. Die ideologischeNhe der Angeklagten, das Transportierender sympathisierenden Inhalte sowie derDrohungen (ohne Nachweise konkreterPlanungen) ber das Internet reichten aus,um eine Mitgliedschaft zu konstruieren. Es

    gebe berhaupt keinen Beweis, dass dieAngeklagten den Terrorismus (tatschlich)untersttzt haben knnten kritisiert Rechts-anwalt Binder. Er kritisiert auch scharf dieEinsetzung der Online-Fahndung, fr die esin sterreich bisher keine rechtliche Grund-lage gibt. Wegen formaler Mngel wurdendie Urteile durch den Obersten Gerichtshofam 28.08.08 aufgehoben und am 12.11.08neu aufgerollt.(Die Neudurchfhrung des Prozesses en-dete mittlerweile am 12.02.09 mit der Be-sttigung der Urteile vom ersten Prozess;sie stehen unter Berufung; Anmerkung der

    Redaktion)

    Baskenland: RA Iratxe Urizar (Basque Ob-servatory of Human Rights)Die Rechtsanwltin Iratxe Urizar schildertdie aktuelle Situation der baskischen Ge-fangenen in Spanien. Nach dem Tod vonFranco herrscht in Spanien angeblich De-mokratie, doch die Realitt spricht eine an-dere Sprache. Bei Verhaftungen passiert esoft, dass keiner von dieser Verhaftung wei,die Person tagelang verschwunden ist, bisirgendwann die Familien informiert werdenknnen. Fast alle politischen Gefangenen

    erfahren systematische Folter in Form vonWassertauchen, Elektroschocks, Verge-waltigungen und psychische Folter. Es wirdgezielt gegen baskische politische Gefan-gene vorgegangen, denn die baskischeBewegung kmpft fr Unabhngigkeit und

    Sozialismus im Baskenland. Etwa 1% derbaskischen Bevlkerung war in ihrem Le-ben schon einmal inhaftiert oder bendetsich in Haft. Derzeit gibt es 766 baskischepolitische Gefangene, welche durch dieStreuungspolitik ber das ganze Landverteilt und von ihren Familien und Ge-nossInnen isoliert werden. Die Lnge der

    Hchststrafe wurde vom spanischen Staataktuell von 30 auf 40 Jahre erhht. Bisherkonnten lebenslnglich verurteilte Gefange-ne unter bestimmten Bedingungen nach 18Jahren Haft entlassen werden. Jetzt gilt dieHchststrafe von 40 Jahren ohne die Mg-lichkeit der Herabsetzung. Davon betroffensind vor allem ETA-Beschuldigte.Zurzeit sind 190 baskische Gefangene voneiner schweren Krankheit betroffen, dassind etwa 25% der baskischen Gefange-nen. Sie mssen unbedingt raus aus demKnast! Schwer erkrankte Gefangene ms-sen zwar nach spanischem Recht aus der

    Haft entlassen werden, aber in der Pra-xis sieht es meist so aus, dass sie erst 1Monat bevor sie sterben ins Krankenhausentlassen werden. Die Solidaritt mit denpolitischen Gefangenen ist im Baskenlandgro, es nden zahlreiche Demonstrationenfr ihre Freiheit statt. In nahezu jedem Dorfgibt es Komitees, die sich um die Belangeder politischen Gefangenen kmmern undSpenden sammeln. Im Juni 2009 wird es imBaskenland eine Konferenz zur Situationder politischen Gefangenen geben, zu derRechtsanwltin Urizar herzlich einldt.

    Trkei: RA Selcuk Kozagacli (Vorsitzenderdes progressiven AnwltInnenverbandes)Der Rechtsanwalt Selcuk Kozagacli be-richtete ber die repressive Situation in derTrkei. Folter ist in der Trkei zwar gesetz-lich verboten, doch bleibt die angewandteFolter in der Trkei straffrei. Die Gerichtebeziehen sich hierbei auf frhere Urteile,nach denen die Anwendung angemes-sener Gewalt in bestimmten Situationenlegitim ist. Verwiesen sei hier auf die Ankla-gen gegen die 1615 Polizisten, die bei demGefngnismassaker im Jahr 2000 Waffen indie Gefngnisse geschmuggelt haben. Die

    Prozesse sind bis heute nicht erffnet. Nach10 Jahren - im Jahr 2010 - sind sie verjhrt.Dies ist nur ein Beispiel von Hunderten. DieAussicht auf Durchsetzung der elemen-tarsten Menschenrechte auf juristischerEbene sieht sehr schlecht aus, Folter und

    Zweiter Teil des Berichts vom

    7. Internationalen Symposium gegen Isolationvon der Roten Hilfe OG Magdeburg& dem Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen

    2. Tag / Samstag, 20. Dezember 2008

    www.ipai-isolation.info

    internat

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #345

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    Feb./Mrz 2009 | Gefangenen Info | 15

    Morde sind politisch gewollt. Gesetze, dievor Folter schtzen sollten, haben nur aufdem Papier Bestand. Wir mssen zurckzum Politischen kommen und gemeinsamauf internationaler Ebene gegen die kapi-talistischen Verhltnisse kmpfen. Kein im-perialistischer Staat, kein Gericht und keinKonzern hat ein Interesse daran, unsereRechte durchzusetzen und zu schtzen.Es sind gerade diejenigen, die unter demDeckmantel humanistischer InterventionenMassenmorde betreiben, gegen die kur-dischen Befreiungsbewegungen, im Irakoder in Afghanistan. Deshalb ist es abso-lut notwendig, durch politischen Kampfum Vernderungen und Gerechtigkeit zukmpfen, seine Strukturen besser zu orga-nisieren und die internationale Solidaritt zustrken.

    III. Der Kampf und die Situation der poli-tischen Gefangenen international

    Gaza, Palstina: Vertreterin der Develop-mental Women Studies AssociationDurch eine Videoschaltung konnten wirdie Ablehnung des Visums durch die Be-satzungsmacht Israel von Dr. Mariam AbuDaqa, der Vorsitzenden der Developmen-tal Women Studies Association, durchbre-chen. Diese Organisation untersttzt ausder Haft entlassene Frauen, die hug ge-sellschaftlich ausgegrenzt werden. Durchnanzielle Hilfe, Therapiemglichkeiten undUnterricht untersttzen sie die Frauen. Siemachen bergriffe in Gefngnissen ffent-lich und versuchen durch Anwlte auf juri-stischer Ebene Rechte durchzusetzen.

    In Gaza lebt die Bevlkerung in einer au-erordentlichen Situation. Sie sind von See,der Luft und dem Land belagert es gleichteinem riesigen Gefngnis. Es gibt momen-tan mehr als 11.000 politische Gefangene.Rechte, die den PalstinenserInnen aufinternationaler Ebene zugesichert wurden,brechen nach und nach weg. Das passiertin der Stille der Welt. Die ofzielle Welt un-tersttzt die israelische Apartheidpolitik undgibt ihnen Rckendeckung. Was mit unsgemacht wird, kann sich wirklich niemandvorstellen. Es gibt insgesamt 70.000 Frei-gelassene, Dr. Daqa ist eine von ihnen. Sie

    kennt die Situation der Gefangenschaft inden israelischen Knsten und die Situationnach der Haft als Frau sehr gut. Kinder wer-den in den Gefngnissen geboren und vonihren Mttern getrennt. Frauen werden ver-gewaltigt, regelmig verprgelt und durchsexuelle Bedrohungen versucht zu erpres-sen. Verbote auf Toilette gehen zu knnen,Schlafentzug, Ausdrcken von Zigarettenauf ihren Krpern, Schlge, schlechte me-dizinische Versorgung gehren zum Alltag.Innerhalb der Gefngnisse gibt es keineMglichkeiten fr Ausbildung und Studium,aber dafr Zwangsarbeit. Wer diese verwei-

    gert, hat mit schlimmen Konsequenzen zurechnen. Viele Frauen werden nach ihrerEntlassung von ihren Familien nicht mehrakzeptiert und ihre Ehemnner verlassensie. Als Folge sind viele Frauen desillusi-oniert und haben starke psychische Pro-

    bleme. Um therapeutischeHilfe in Anspruch zu neh-men, fehlt ihnen das Geld.Die Autonomiebehrde