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 gefangenen info unsere solidarität gegen ihre repression |  juli 2009 | preis: 2 € | nr. 348 | www.political-prisoners.net

Gefangenen Info #348

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gefangenen infounsere solidarität gegen ihre repression

|  juli 2009 | preis: 2 € | nr. 348 | www.political-prisoners.net

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Inhaltsverzeichnis

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Infohervorgegangen, welches im Hungerstreik der poli-tischen Gefangenen 1989 entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit für alle poli-tischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info,Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestraße 53, 12049 BerlinEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbe-halt ist die Zeitung solange Eigentum der/des Absen-derIn, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist.„Zur-Habe-Nahme“ ist keine Aushändigung im Sinnedes Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht

persönlich ausgehändigt, ist es der/dem AbsenderInmit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschi-cken.Redaktionsanschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteil-laden Lunte e.V., Weisestraße 53, 12049 BerlinE-Mail: [email protected]: Einzelpreis: 2 €. Ein Jahresabonne-ment kostet 29,90€ (Förderabo 33,20€), Buchläden,Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungenerhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf dasKonto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

2 | Gefangenen Info | Juli 2009

Liebe Leserinnen und Leser,

wie unser Vorwort beginnt auch unsere aktuelle Ausgabe mit dem §129b-Verfahrenin Düsseldorf gegen Faruk Ereren, welches auch den Schwerpunkt dieser Nummer darstellt. Wie viele von euch vielleicht mitbekommen haben, wurden Prozessbesu-cherInnen, die am 27. Mai 2009 ihre Solidarität mit dem Gefangenen Faruk Ererenbekundeten, von Sicherheitskräften in den Zellen unterhalb des Gerichtssaalesbrutal misshandelt. Wir möchten mit unseren Beiträgen auf das Ausmaß und dieQualität der Repression eingehen, die nun auch außerhalb der Mauern den Grad

der Folter erreicht haben dürfte. Wir freuen uns, dass sich die Solidaritätsarbeit vonder Brutalität nicht einschüchtern lässt und ihre Mobilisierung zu den anstehendenVerhandlungstagen kontinuierlich fortsetzt.

Darüber hinaus berichten wir über zwei weitere Staatsschutzprozesse in Berlin undStuttgart-Stammheim. Insbesondere im Berliner mg-Verfahren bahnt sich aufgrunddes unerwarteten Erscheinens von aktuellen Erklärungen der militanten gruppe(mg) eine neue Entwicklung an, da die (mg) darin erklärt, vom RepressionsschlagEnde Juli 2007 unberührt geblieben zu sein und dass sie sich mittlerweile aufgelösthabe. An dieser Stelle wünschen wir den Betroffenen des Verfahrens Axel, Oliver und Florian viel Kraft und Ausdauer im weiteren Verlaufe dieser Justizfarce.Anlässlich der neuerlichen Desinformationskampagne hinsichtlich der ErmordungBenno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 veröffentlichen wir einen Beitrag, in dem wir 

etwas „Licht ins Dunkel“ bringen wollen und auf die Hintergründe dieser Kampganeeingehen, welche bei weitem kein Einzelfall ist.

In unserem internationalen Teil widmen wir uns den aktuellsten und dringlichstenThemen, wobei wir aus Platzgründen wie immer einige Beiträge aussortieren muss-ten. Der Beitrag des griechischen Gefangenen Savvas Xiros, in dem er die massen-haft praktizierte Verabreichung von Medikamenten in griechischen Gefängnissenschildert, soll gleichzeitig einen neuen Diskussionsansatz liefern. Uns ist bekannt,dass dies kein explizit „griechisches Phänomen“ ist, sondern es auch in der BRDHinweise dafür gibt. Vielleicht gelingt es uns, dieses Thema in den kommenden Aus-gaben zu vertiefen und mehr Informationen über diese und vielleicht auch andereMethoden der repressiven Knastpolitik herauszuarbeiten.

Bereits in den letzten Ausgaben haben wir über die Situation der Gefangenen

Ahmad Sa‘adat und Mumia Abu-Jamal zu berichtet. Anlässlich des Hungerstreiksvon Sa‘adat und der zugespitzten Situation in Mumias Angelegenheit, möchten wir ein weiteres Mal in unserem Vorwort dazu ermuntern, diese Gefangenen in ihremWiderstand zu unterstützen. Auch bendet sich in dieser Ausgabe ein weiterer Be-richt über eine politische Gefangene, die sich in einer lebensbedrohlichen Situationbendet. Güler Zere wird in der Türkei trotz ihres Tumors nicht freigelassen undsomit dem Tod ausgesetzt. Auch in ihrem Fall ist die Schaffung von Öffentlichkeitdringend erforderlich.

Abschließend möchten wir uns bei Lara Melin bedanken, die uns eines ihrer Fotosfür unsere Seite 20 zur Verfügung gestellt hat und mit ihrem Begleittext gleichzeitigeinen Diskussionsbeitrag für unsere aktuelle Debatte geliefert hat.

Wie immer sind dann noch auf Seite 19 und themenbezogen auf verschiedenen Sei-ten dieser Nummer die aktuellen Gefangenenadressen abgedruckt. Schreibt ihnenund bezieht sie in eure Praxis mit ein.

Solidarität ist unsere Waffe!

Die Redaktion

E-Mail: [email protected] | www.political-prisoners.net

Vorwort

Folter und Misshandlungin Düsseldorf 

Ein Gedächtnisprotokoll

Blind in Beugehaft

Aufruf zur Prozessbeobachtung

Brief von Faruk Ereren

Prozessdelegation beimStammheimer §129b-Prozess

Erklärung von Ahmet D. Yüksel

Bilder von Gefangenen:Damals wie heute nicht erlaubt

Ein deutscher Polizist- Kurras und der 2. Juni 67

22 politische Gefangene in Berlin

Aktuelle Entwicklungenim mg-Verfahren in Berlin

Nach 50 Prozesstagen:Bundesanwaltschaft ist blamiert

Massenweise Verabreichungvon Medikamentenin griechischen Gefängnissen

Pressekonferenzder Bewegung Pro Amnistia

Mit Tumor im F-Typ

Mailand: Urteile gegen PC p-m

Ahmad Sa‘adat im Hungerstreik

Mobilisiert für Mumia

Diskussionsbeitrag vonThomas Meyer-Falk

Lara Melin: „Die Institution Knastin Frage stellen“

Schreibt den Gefangenenaus unserer Bewegung

Foto: „Ausbruch“, Lara Melin

Schwerpunt:Folter und Misshandlungin Düsseldorf 

Inland

International

Gefangene

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Juli 2009 | Gefangenen Info | 3

Wir erinnern uns an Informationsveranstal-tungen, die wir vor einigen Jahren hinsicht-lich des Exports von Isolationsgefängnissen- des Stammheim-Modells - gemacht hatten.Es handelte sich dabei um die in der Türkeieingeführten Isolationsgefängnisse desTyps F. Bezüglich der viel diskutierten Fra-ge, ob sich denn die Türkei nicht in einemDemokratisierungsprozess bende undsich die Kluft zwischen Türkei und der BRDnicht langsam aufhebe, gab ein türkischer Rechtsanwalt sinngemäß zum Besten,dass es aber nicht die Türkei sei, die sichder BRD nähere, sondern umgekehrt. „Baldwerden wir es sein, die Menschenrechts-

delegationen zu euch entsenden müssen“,fügte er damals noch schmunzelnd hinzu.Und wer sich bisher die Mühe gemachthat, die Staatsschutzprozesse in Stuttgart-Stammheim oder Düsseldorf zu besuchen,der/die wird ganz eindeutig erkannt haben,dass ein Folterstaat wie die Türkei durchdeutsche Senate bestens vertreten werdenkann und dass ihre Geheimdienste in ihrer Kollaboration ebenfalls bestens funktionie-ren. Lang und ausführlich haben wir bisher über jene Prozesse berichtet.Auch für jene VerfechterInnen der Men-schenrechte, die in der BRD und der EU

den „Hort der Demokratie“ zu erblickenschienen, sollte sich die Phrase von „Demo-kratie und Freiheit“ spätestens seit dem an-gebrochenen Jahrtausend zu einer leerenHülle verwandelt haben. Die BRD führt seitüber 10 Jahren wieder Krieg und die Sym-bole für den „internationalen Kampf gegenden Terrorismus“ stellen nicht „Demokratieund Freiheit“, sondern Guantanamo, Fallu-ca und Abu Ghraib dar. Sie stellen Islamo-phobie, die Ausschaltung von Grundrechtenund -freiheiten, systematisch erzeugte Ter-rorhysterie und Sicherheitswahn dar. Undes wäre verkehrt, die Anti-Terror-Gesetze,

Schwarzen Listen und die dazugehörigenStaatsschutzprozesse auszusparen. Dennzu deutlich sind ihre Verbindungslinien. Der Krieg ndet nicht mehr nur am „Hinduku-sch“ statt, sondern vor unserer Haustür und

 jedeR ist einE potentielleR TerroristIn.

Anwendung von Folter 

Unseren Schwerpunkt in dieser Ausgabebilden die Ereignisse rund um den §129bProzess gegen Faruk Ereren, der seit dem15. Januar 2009 vor dem OLG Düsseldorf stattndet. Mal ganz davon abgesehen,dass der Prozess für sich schon mehr alsgenügend Fragen aufwirft (siehe auch dieFebruar/März Ausgabe des GefangenenInfos), haben einige Ereignisse und Vor-kommnisse in den letzten Monaten nichtnur bei uns, sondern auch bei einigen ande-ren für Wirbel gesorgt und viele Fragen auf-geworfen. Die Übergriffe der Polizei auf die

Prozessdelegation am 27. Mai 2009 sowiedie Inhaftierung des in der Haft erblindetenZeugen Nuri Eryüksel, um aus ihm Aussa-gen zu erpressen, machen nicht nur denCharakter der Justiz und ihre Funktion alsHandlanger des türkischen Staates noch-mals deutlich, sondern bringen darüber hi-naus die Thematik Folter (und wie sie durchdie deutsche Justiz ausgeübt wird) wieder auf die Tagesordnung. Um nicht missver-standen zu werden: Dass die BRD nie vonFolter abgelassen hat, sondern durchwegszu ihr greift und darüber hinaus „sterile Fol-termethoden“ wie die Isolationshaft weltweit

exportiert, ist bei uns Konsens. Dabei hatdie weiße Folter in Form von Isolationshaftseine blutige Epoche nach Außen hin abge-löst und ndet bis heute seine Verwendung.Des weiteren sind der Isolationshaft nichtnur die politischen Gefangenen ausgesetzt,sondern sie stellt auch eine der gängigenDisziplinarbestrafungen für soziale Gefan-gene dar.

Wird die Anwendung von Folter ofziell wei-terhin abgelehnt und verurteilt, so werdengleichzeitig Menschen, die eine Parole ineinem Gerichtssaal rufen, von PolizistInnen

nieder- und blutiggeschlagen; so wird einMann, der bereits 17 Jahre Gefangenschaftin der Türkei und der BRD ausgesetzt war,in dieser Zeit schwer gefoltert wurde undseitdem blind ist, eingesperrt, weil er sichbei einer verfahrensirrelevanten Frage auf 

sein Recht zur Aussageverweigerung beruft – einzig und allein mit dem Zweck, ihn zubrechen oder zu vernichten. Oder was für einen Zweck hat eine solche Maßnahmesonst? Und wie könnte es anders bezeich-net werden als mit Folter? Dass all das ineiner Zeit passiert, in der die Diskussion umdie Verwendung von Foltergeständnissenwieder auf der Tagesordnung ist und Fol-tergeständnisse in zahlreichen Prozessenbereits als Beweismittel verwendet werden,rundet das Gesamtbild nur noch weiter ab.Faruk Ereren schrieb bezeichnenderweisedazu in seinem Brief: „Ich hatte das Gesichtder Militärjunta vom 12. September (1980,

Putsch in der Türkei; Anm. d. Red.) in der Türkei vor Augen. Und jetzt sehe ich diesesGesicht in der so hoch gelobten Demokra-tie.“ Und wir erblicken dieses Gesicht insämtlichen Briefen, die wir aus den Isolati-osnzellen erhalten.

Repression kannuns nicht einschüchtern

Folter gehört nicht der Historie oder aus-chließlich einer anderen Geographie an.Dass die repressiven Maßnahmen in Formvon Folter und Misshandlung ihren Zweck

nicht erfüllen, sondern eine intensivere Be-schäftigung unsererseits mit dem Prozesszur Folge haben werden, möchten wir andieser Stelle hervorheben. Das leitet sichallein schon von unserem Verständnis vonInternationalismus und Solidarität ab.

In unserem Schwerpunktteil wollen wir inerster Linie die angesprochenen Ereignisseund den aktuellen Verlauf des §129b-Pro-zesses in Düsseldorf dokumentieren. Wir denken jedoch, dass eine weitergehendeAuseinandersetzung mit Folter, Beugehaftund mit Polizeigewalt notwendig ist und

geführt werden muss – gerade in Zeiten, indenen Repression und Gewalt immer mehr zum Lösungsansatz für die Herrschendenwerden.

Redaktion

nwen ung von o ter 

epress on annuns n c t e nsc üc tern

Folter und Misshandlungin Düsseldorf 

SCHW

ERPUNKT

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4 | Gefangenen Info | Juli 2009

13 Besucher kamen am Mittwoch früh zumProzess, um sich mit dem Angeklagten Fa-ruk Ereren solidarisch zu zeigen, ihm Kraftund Stärke für sein Verfahren zu geben undum zu verhindern, dass der Prozess ab-seits der Öffentlichkeit stattnden kann undder §129b Stück für Stück etabliert werdenkann.

Bereits zu Beginn reckten wir Faruk dieFaust entgegen, um ihn zu begrüßen. So-fort rügte der Vorsitzender Klein uns, dasswir so etwas im Gerichtssaal zu unterlassenhaben und wir wenn wir schon demonstrie-ren wollen, dies draußen tun sollen.

Nachdem der Zeuge Nuri Eryüksel, der in

der BRD während seiner Haftzeit erblindetist, über mehrere Stunden von dem Bun-desanwalt Heise, zu seinem (und nicht zuFaruk E.) politischen Lebenslauf ausgefragtwurde, beschloss der Vorsitzende des Se-nats gegen 12.45 Uhr die Mittagspauseanzusetzen, die bis um 14.15 Uhr gehensollte.

Daraufhin riefen wir, unter Klatschen undmit geballten Fäusten, die Parole „Freiheitfür Faruk“. Beim Versuch das Prozessge-bäude zu verlassen, wurden wir von Beam-ten und verschlossenen Türen daran gehin-

dert und zurück in den Gerichtssaal geführt.Dort wurde nach 10 minütigen Nachschla-gen in Gesetzesbüchern von dem etwascholerisch anmutenden Klein beschlossen,dass 9 der 13 Prozessbesucher in eine Zel-le kommen sollten und zu Beginn des Pro-zesses wieder vorgeführt werden sollten.Daraufhin wurden wir von Justizbeamtenund PolizistInnen in den Keller des Gebäu-des geführt. Wir verlangten bereits auf demWeg mehrmals, dass wir unser Recht auf einen Telefonanruf wahrnehmen wollen,was uns wiederholt verweigert wurde. Vor einer geiesten Sammelzelle angekommen

blieben wir stehen und verlangten wiede-rum unseren Anwalt anrufen zu wollen, wasuns mit einem „Das dürft ihr ja gleich“ be-antwortet wurde. Nachdem wir darauf hin-wiesen, dass in der Zelle wohl kaum ein Te-lefon vorhanden sein dürfte, wurden wir mit

Gewalt in die Zelle gedrückt. Als wir dannden Namen und den Dienstgrad des Beam-ten wissen wollten, der Gewalt angewendethatte, wurde mit Gewalt versucht, die Türezu schließen. Im Hintergrund sah man, wiesich der enge Gang immer mehr mit Beam-ten füllte. Mittlerweile standen die Beamtensehr gedrängt vor dem Eingang und Poli-zisten der Einsatzhundertschaft aus Duis-burg standen mit angezogenen Handschu-hen unmittelbar vor uns.Wir wurden geschlagen und es wurde im-mer wieder versucht uns in die Zelle zuschieben. Ein Besucher wurde dort voneinem Polizisten gekratzt, so dass an seiner Brust eine 6cm lange Schnittwunde klaffteund blutete. Nach mehrmaligem Einfordern

der Namen derjenigen, die mit Gewalt ge-gen uns vorgegangen waren, ging auf ein-mal das Licht aus. Die Beamten drangen indie Zelle ein, schlugen uns u.a. ins Gesicht,zogen an den Haaren, warfen uns mit Ge-walt um. Als das Licht wieder anging, lageneinige auf dem Boden und den Beamtengelang es, die Türe zu schließen.

Nach einer knappen halben Stunden ka-men die Beamten wieder und wollten dieFrauen in eine eigene Zelle versetzen. Wir forderten, gemeinsam in der Sammelzellebleiben zu wollen. Daraufhin wurden die

Frauen an den Haaren gezogen, auf denBoden gedrückt, am Boden liegend auf sieeingeschlagen und sie mit Gewalt aus der Zelle geschleppt. Zwei Beamte, die wohldas Gefühl hatten, sich endlich ausleben zudürfen, taten sich dabei besonders hervor.Bezeichnenderweise wurden uns die Na-men von ihnen nicht gegeben, sondern un-sere Frage danach meist mit Beleidigungenoder Bedrohungen beantwortet. Währendeinige Polizisten versuchten, die anderenzurückzuhalten und dabei einen von uns andie geieste Wand schleuderte, verschlepp-ten die Beamten die Frauen in eine andere

Zelle. Als wir den Namen des Polizisten, der bereits an seiner Uniform einen Bluteckhatte, vehement einforderten, wurde einer von uns auf den Boden gedrückt und von 5Polizisten mit Knien auf beiden Armen, auf beiden Beinen und auf dem Rücken, sowie

einer behandschuhten Hand im Gesichtfestgehalten. Währenddessen wurde einer Frau ins Gesicht geschlagen, woraufhin dasGesicht mit Blut überströmt war. Dabei elenvon dem bereits erwähnten Beamten Kom-mentare wie „am liebsten würde ich dir deinGesicht zerschmettern“, oder „wenn du jetztnicht ruhig bist, dann bekommst du richtigeine“. Einigen wurden Handschellen oder Kabelbinder angelegt. Der Besucher, der bereits die Wunde an der Brust abbekom-men hatte, hatte zwei blutende Schrammenin seinem Gesicht abbekommen. Danachwurden die Türen geschlossen und weder auf Rufe noch auf Klopfen, geschweigedenn auf den Notrufknopf reagiert – dassverletzte Personen in den Zellen waren, in-

teressierte die Beamten anscheinend nichtsonderlich.

Ab 14.30 Uhr wurden wir dann einzelndem Richter vorgeführt. Sichtlich mitge-nommen und teilweise mit Blut überströmtwurde berichtet, was sich nur wenige Me-ter unter ihren Stühlen abgespielt hat, wasmit Entsetzen, aber ohne Konsequenzenentgegengenommen wurde. Alle Besucher bekamen wegen Störung einer Gerichtsver-handlung ein Ordnungsgeld von 100 Euro,sowie einen Verweis aus dem Prozessge-bäude.

Während wir draußen auf alle warteten undversuchten, durch eine Anwältin die Namender prügelnden Polizisten zu erfahren, fuh-ren an uns verdunkelte Kastenwägen vor-bei. Die PressevertreterInnen, die alle beidem zeitgleich stattndenden „SauerlandProzess“ waren und von uns angesprochenwurden, ob sie vielleicht nicht etwas darü-ber berichten wollen, waren zwar entsetzt,konnten „aber nichts machen“.Trotz allem blieb der Vorfall nicht unbeach-tet: Sevim Dagdelen, Mitglied des Bundes-tages der Linken, hat angesichts diesesVorgehens der Polizei eine Anfrage ge-

startet und besuchte eine Woche darauf den Prozess. Darüber hinaus gab es vonverschiedenen Seiten Solidaritätsbekun-dungen.

Einige ProzessbesucherInnen

    S    C    H    W    E    R

    P    U    N    K    T

Am Mittwoch, den 27. Mai 2009, prügelten Polizisten und Justizbeamte auf Besucher des §129bProzesses gegen Faruk E. ein, der seit dem 15. Januar 2009 vor dem OLG Düsseldorf stattfindet.

Ein Gedächtnisprotokoll

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Juli 2009 | Gefangenen Info | 5

  Faruk Ereren: Brief an dieBetroffenen des Angriffesvom 27. Mai 2009

Liebe ...,

ich weiß nicht, wie ich meine Haltung zu denEreignissen des 27.5. ausdrücken soll ...Ich bin wütend, ich bin traurig, ich bin be-sorgt und aber auch geehrt.Vorrrangig hat mich sehr beeindruckt, dassIhr alle zu Gericht gekommen seid, ummeine Freiheit zu fordern. Vielen Dank! Ichgrüße jede Genossin und jeden Genossenund sende ihnen meinen Dank. Da die An-griffe auf Euch nicht zu übersehen waren,habe ich energisch dagegen protestiert.Freiheitsforderungen zu unterdrücken, denKampf um Freiheit niederschlagen zu wol-len ist ein Zeichen von Ohnmacht und sinn-

lose, vergebliche Mühe.Wer will WIE diese Forderung zum Schwei-gen bringen?Unsere Menschenmünder und Nasen blutigzu schlagen, Ohrringe herausreißen - dassind Grausamkeiten. Ich hatte das Gesicht

der Militärjunta vom 12. September in der Türkei vor Augen. Und jetzt sehe ich diesesGesicht in der so hoch gelobten Demokra-tie, diese Form der Auseinandersetzung hatmich gelehrt und uns allen gezeigt, dass die

EU sich auf einem sehr unsicheren Weg be-wegt. Wohin ist die EU Demokratie? Wohindas Recht ... Das war ein warnendes Bei-spiel.Ich begrüße, dass die Genossinnen undGenossen keinen Schritt gewichen sind,den Kopf nicht gebeugt haben. Ich küsseallen die Stirn (dies ist in der Türkei eine vä-terliche Geste; Anm. der Übersetzerin).Ich bitte darum, allen persönlich meine Ge-nesungswünsche zu überbringen.Bleibt gesund und stark!

Solidarische Grüße

Faruk Ereren

JVA Düsseldorf Ulmenstr. 95, 40476 Düsseldorf www.no129.info

Schreibt Faruk Ereren

Zu Lehrstunden in Sachen Klassenjustizund institutionalisiertem Rassismus entwi-ckelt sich das Verfahren nach Paragraph129b StGB vor dem 2. Strafsenat am OLGDüsseldorf. Verhandelt wird dort gegen Fa-ruk Ereren, der sich nach dem Militärputschin der Türkei am 12. September 1980 zumaktiven Widerstand entschloss, deshalbwar er dort langjährig in Haft, wurde gefol-tert, unter anderem wurden Scheinhinrich-tungen an ihm vollzogen.Hier in Deutschland wirft man ihm Mitglied-

schaft in führender Position in der verbote-nen Volksbefreiungsfront/partei (DHKP-C)vor. Während BKA Zeugen vorgeben wich-tige Tatsachen nicht zu kennen, werden tür-kische Linke als Zeugen vor Gericht genöti-gt jedes einzelne Detail, und sei es auch 20Jahre her, genau dazulegen.

Am letzten Verhandlungstag im Monat Junibrachte dies der Zeuge des BKA - ein Kri-minalhauptkommissar- auf den Punkt: EinSchwerpunkt der §129b-Verfahren seiendie „Personenbeweise“ aus türkischenGerichtsurteilen und diese stützen sichauf „Aussagen des Beschuldigten“ in der Türkei. In diesem Zusammenhang spracher wortwörtlich von „so genannten Mißstän-den in türkischen Gefängnissen“. Der BKA-Beamte berücksichtigte die Tatsache nicht,dass die Türkei regelmäßig wegen ihrer Informationsgewinnung durch Folter auchvom Europäischen Gerichtshof verurteiltwird.

Sich genau erinnern musste allerdings der Zeuge Nuri E. am Vortag. Die Bundesan-waltschaft wollte detaillierte Angaben wel-che Bücher und Broschüren die DHKP-Cvor einem Jahrzehnt bei ihren Schulungeneinsetzte - unter anderem wurde der Zeu-ge Nuri E. auch nach den Herausgebernbefragt. Über eine Stunde lang dauerte diediesbezügliche Befragung durch die BAW„auch nach der DHKP-C Bibliothek“.

Schwierig für Nuri E. ist in diesem Fall seineBehinderung: Er ist seit seiner 17 jährigenInhaftierung in der Türkei durch Folter er-blindet. Nur wenige Tage später wurde Nuridann zwecks Aussageerzwingung noch imGerichtssaal verhaftet.

Adresse des Gerichts:OLG Düsseldorf Kapellweg 36, 40221 Düsseldorf 

Freiheit für Nuri!Freiheit für Faruk!Weg mit §129,a,b!

Rote Hilfe

Düsseldorf/Mönchengladbach/Neuss

Vor dem OLG Düsseldorf begann am15.1.2009 der Prozess gegen Faruk Ereren.Auf 256 Seiten wirft man dem 54-jährigenFaruk E. in der Anklageschrift Mitgliedschaftin führender Position in der verbotenen Re-volutionären Volksbefreiungsfront (DHKP-C) vor. Verantwortlich will der Ankläger ihnfür Anschläge in der Türkei in der Zeit von1993 bis 2005 machen. Am 2. Juli wurde imRahmen dieses Prozesses den Prozessbe-obachter_innen wieder einmal die deutsche„Rechtstaatlichkeit“ vor Augen geführt.Nuri Eryüksel verbüßte insgesamt 17Jahre inDeutschland und der Türkei in Haft wegen an-geblicher Mitgliedschaft in der DHKP-C. Wäh-rend der Haft in der Türkei wurde Nuri regel-mässig gefoltert, infolge dessen er erblindete.An diesem 2. Juli musste Nuri bereits zumfünften Mal als Zeuge aussagen. Doch an-hand der Gesprächsverläufe und Fragestel-

lungen festigt sich der Eindruck, dass es hier nicht um Wahrheitsndung geht, sondern umdie Verdächtigung und Ermittlungen sowohlgegen den Zeugen als auch gegen anderePersonen.Bei einer für den Prozess völlig unrelevantenFrage nach Nuris Beziehung zu einer Personnamens Fikret, machte er von seinem Aus-sageverweigerungsrecht Gebrauch, um sichnicht selbst der Strafverfolgung auszusetzen.Desweiteren wies er darauf hin, dass in denfünf Prozesstagen nur selten Fragen zum ei-gentlichen Verfahren gekommen seien.Doch der Richtersenat drohte, nach vorher-gegangenen Antrag der Bundesanwaltschaft

(BAW), mit einem Ordnungsgeld von 1000Euro und 1 Monat Beugehaft, weil man dieRechtmässigkeit der Ausssageverweigerungnicht anerkannte. Doch dies stieß beim Zeu-gen verständlicherweise auf Unverständnis. Er wiederholte seine Beden-ken und berief sich erneut auf sein Recht auf Ausssageverweigerung. Nach zwei viertel-stündigen Beratungen des Richtersenats ver-kündete dieser, dass die Verweigerung wider-rechtlich sei und verhängte 500 Euro Bußgeldund bis zu drei Monate Beugehaft. Besonderszynisch bemerkte der Vorsitzende Richter des2. Strafsenates, „für Nuri sei die Beugehaftwohl ein wirksames Mittel um sich zu besin-

nen, denn er sei ja erblindet“.Nuri wurde noch im Gerichtssaal abgeführtund bleibt vorerst bis zum nächsten Pro-zesstermin, der aufgrund einer sog. „Som-merpause“ des OLG erst für den 3. Augustangesetzt ist, in Haft.Der Prozess beginnt um 12 Uhr am OLG Düs-seldorf, Kapellweg 36.Hiermit rufen wir zu Solidaritätsbekundungensowohl für Nuri Eryüksel als auch für FarukEreren auf!

Adresse für Protestschreiben:MinisterinRoswitha Müller-Piepenkötter,

Martin-Luther-Platz 4040212 Düsseldorf Telefax: 0211/8792-300

Rote Hilfe

Mönchengladbach/Düsseldorf/Neuss

Nuri Eryüksel:Blind in Beugehaft

Kommt zumDüsseldorfer§129b-Prozessam 3. August 2009um 12 Uhr

Faruk Ereren

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6 | Gefangenen Info | Juli 2009

1. Wir 5 Gefangene haben seit März 2008Prozess und sind wegen des §129b an-geklagt. Wir benden uns seit zweieinhalbJahren unter verschärften Isolationshaftbe-dingungen in Untersuchungshaft.2. In dieser Zeit habe ich in meiner Eigen-schaft als türkischer Rechtsanwalt zweiPresseerklärungen verfasst, die aber vonden zuständigen KontrollrichterInnen ange-halten worden sind. Die erste habe ich imAugust letzten Jahres geschrieben und siekam nie an. Die zweite ist auch schon seit

6 - 8 Wochen überfällig.3. Die Anwaltspost, d.h. die Korrespondenzzwischen meinen Anwälten und mir, dauertauch mindestens 6 - 8 Wochen. Oder „ver-schwindet“ völlig. Zum Beispiel schickte mir mein Anwalt ein „EU-Menschenrechtsfor-

mular“. Dieses sollte ich ausfüllen, damit esdann an das zuständige Gericht in Straß-burg geschickt werden kann.Inzwischen sind 2 Monate vergangen undich habe das Formular immer noch nicht.Hat der deutsche Staat Angst davor, dassdas Gericht sich mit meiner Klage befassenmüsste?4. Wegen „Sicherheitsbedenken“ haben wir keine Möglichkeit, uns in einem Knastkran-kenhaus untersuchen zu lassen. Ich warte

zum Beispiel seit 6 Monaten darauf, mich inAsperg untersuchen zu lassen.Es handelt dabei um eine Endoskopieunter-suchung, die mir untersagt wird. Von demVerbot sind auch Mustafa Atalay und IlhanDemirtas betroffen. Die anderen beidenFreunde - Devrim Güler und Hasan Suba-si - sind davon noch nicht betroffen, da sienoch relativ gesund sind.5. Wegen der „Sicherheitsmaßnahmen“müssen wir uns mindestens zweimal täglichnackt ausziehen. Ebenso an Prozesstagen.Wir bezeichnen dieses Demütigung als Fol-ter.

6. Die ersten eineinhalb Jahre waren wir völlig isoliert, das bedeutet keinen Kontaktzu anderen Gefangenen. Seit März 2008haben wir täglich eine Stunde Hofgang mitsozialen Gefangenen. Die restliche Zeitsind wir weiterhin allein auf der Zelle.

7. Wir erhalten keine türkischen Musik-CDs,wie zum Beispiel von Grup Yorum...8. Eigentlich haben wir unsere „Strafe“ hin-ter uns, denn in Regel werden Menschenwegen „DHKP-C Mitgliedschaft maximal zuzweieinhalb bis drei Jahren verurteilt.Zusätzlich zählt die Zeit in der Untersu-chungshaft als Isolationsfolter doppelt.Dass wir aber weiterhin inhaftiert sind, be-trachten wir daher als Geiselhaft.Alles was ich hier verfasst habe, ist nichts

als die Wahrheit. Der deutsche Staat aber fürchtet sich davor, das diese Fakten ansTageslicht kommen...

 Ahmet Düzgün Yüksel, türkischer An- 

walt in Stuttgart-Stammheim inhaftiert.

Anmerkungen:Post in türkischer Sprache dauert mehr als vier Wochen, bis sie durch die Zensur kommt. Deshalb hat Ahmet seinen Text indeutscher Sprache niedergeschrieben. Daer aber diese nicht so perfekt beherrscht,bat er um Überarbeitung.

Erklärung vonAhmet D. Yüksel

vom 8. Juni 2009

JVA Stuttgart StammheimAsperger Str. 60, 70439 StuttgartInfos: www.no129.info

Schreibt Ahmet Düzgün Yüksel

Auf den Aufruf der „Plattform für die Frei-heit von Mustafa Atalay“ hin besuchte eineinternationale Prozessdelegation am 7.Juli 2009 den seit März letzten Jahres lau-fenden §129b-Prozess in Stuttgart-Stamm-heim. Den dringenden Anlass für dieseInitiative stellt die gesundheitliche Verfas-sung des Gefangenen Mustafa Atalay dar.Die Prozessdelegation bestehend aus demSchriftsteller Peter O. Chotjewitz (besuchteMustafa Atalay in der Haft), Dr. med Ralf Binswanger (Psychoanalytiker; erstellteeine Analyse der gerichtlichen Gutachtenüber Mustafa Atalay), Christian Herrgesell

(Gefangenenenbeauftragter vom Komitee

für Grundrechte), Carsten Ondreka (JungeWelt), Peter Nowak (Neues Deutschland)und TeilnehmerInnen aus verschiedenenStädten der BRD, Belgien und der Schweiz,versammelte sich gegen 9.00 Uhr vor demOberlandesgericht und führte dort zunächsteine kurze Kundgebung durch. Nach der Parole „Freiheit für alle politischen Gefan-genen“ begab sich die Delegation gegen9.30 Uhr in den Stammheimer Prozessbun-ker. In gewohnter Manier fand auch nachüber 100 Verhandlungstagen eine gründ-liche Leibesvisitation am Eingangsbereichstatt. Sämtliche Gegenstände wurden ab-genommen und in Schließfächern verstaut.Das Mitführen von Stift und Papier zwecksNotizen war ebenfalls weiterhin untersagt.Und, wie üblich wurden die Personalaus-weise bzw. Pässe ebenfalls abgenommenund kopiert.Der Verhandlungstag begann mit der Anhö-rung eines Zeugen vom Landeskriminalamt(LKA), welcher durch die Verteidigung unddie Angeklagten zur Telefonobservation be-fragt wurde. Der LKA-Beamte verwickeltesich in Widersprüche, woraufhin die Vertei-digung einen Antrag auf wörtliche Protokol-lierung beim Senat stellte. Dieser wurde wieüblich abgelehnt.Nach einer Unterbrechung für Mustafa Ata-lay, der seine Medikamente einnehmenmusste, und einer längeren Mittagspause,verlas der Senat eine Erklärung der DHKC(Revolutionäre Volksbefreiungsfront).Im Anschluss an diese Erklärung führteneinige ProzessbesucherInnen eine Pro-testaktion im Saal durch: sie standen auf und legten ihre T-Shirts frei, auf denen die

Parole „Weg mit §§129“ zu lesen war. Der 

Versuch der Sicherheitskräfte, die Prote-staktivistInnen vom Rest der Delegation zuisolieren, scheiterte, wodurch die Gruppegeschlossen den Saal verlassen konnte. ImWarteraum vor dem Saal erschien unerwar-tet der vorsitzende Richter und warnte vor der „Gefährlichkeit der T-Shirts“ und sprachdavon, dass dies ein rechtsstaatliches Ver-fahren sei. Er wurde in seiner Rede mehre-re Male unterbrochen und das Verfahren alsFarce lanciert.Der Prozess setzte sich damit fort, dassder Angeklagte Ahmet Düzgün Yüksel ei-nen Befangenheitsantrag gegen den Se-nat stellte, da es in den vergangenen Mo-naten zu Gesprächen zwischen Teilen der Verteidigung, Bundeswaltschaft und Senatbezüglich einer möglichen Abtrennung vonVerfahren gekommen sei, bei denen nichtalle Verteidiger gleichermaßen in die Ge-spräche einbezogen worden seien. Über diesen Antrag und die damit verbundeneweitere Zuständigkeit des Senats wird vo-raussichtlich am 20. Juli ein Kontrollgerichtentscheiden.

Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, Dr.med. Ralf Binswanger, Christian Herrge-sell vom Komitee für Grundrechte, CarstenOndreka von der Jungen Welt und eineVertreterin der Plattform für die Freiheit vonMustafa Atalay beteiligten sich am darauf-folgenden Tag an einer Pressekonferenzim Stuttgarter DGB-Gebäude, wo sie ihreEindrücke schilderten und Erklärungen ab-gaben.

Infos:

www.freemustafa.blogspot.com

www.no129.info

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Prozessdelegationbeim Stammheimer129b-Prozess

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Juli 2009 | Gefangenen Info | 7

Kurzmeldungen:

Berlin: Im Untersuchungs-gefängnis für Jugendlicheam Kieferngrund in Berlin-Lichtenrade kam es am04.Juli 2009 zu einer Re-volte, bei welcher Teile der Einrichtung zu Bruch gin-gen und auch Feuer gelegt

wurde. 15 Gefangene sollen gegen 19.30Uhr begonnen haben in ihren Zellen Ein-richtungsgegenstände zu zerstören, sowieauch die Verglasung der Fenster. In einer Zelle wurde Feuer gelegt. Alle anderen der insgesamt 65 Jugendlichen beteiligten sich,indem sie Lärm verursachten. Von den Ju-stizbeamten und der Justizsenatorin wurdedie Aktion der Jugendlichen mit den Wor-ten „das Wetter sei der Hauptgrund für denAusbruch des Aufstandes“ abgetan.Quelle: www.abc-berlin.net

Bochum: Der seit 30 Jah-ren in der BRD lebendeHalil Koparan wurde am16. Juni 2009 im Schnell-verfahren in die Türkeiabgeschoben. Halil hattemit einem vierwöchigenHungerstreik gegen seine

Abschiebung gekämpft und war zusätzlichseit dem 20. April 2009 unter verschärftenBedingungen in der JVA Bochum eingekna-stet. Aus dem selben Gefängnis heraus in-formierte uns u.a. Cengiz Oban über seineSituation. In der Türkei wurde Halil Koparan

gleich verhört und soll trotz seines hohenAlters noch zum Militärdienst eingezogenwerden. Die Ausweisung beruht auf einer Verurteilung zu sechseinhalb Jahren Ge-fängnis wegen eines versuchten Banküber-falls. Mit dem Geld aus dem Überfall wollteer seinem kranken Bruder in der Türkeihelfen, der dort aufgrund seiner politischenTätigkeiten eingeknastet ist.

Neustadt a. d. Weinstras-se (Rheinland Pfalz):Erfolgreiche Klage gegenmassive Einschränkungen

des Demonstrationsrechts:Im Prozessurteil vom 19.Mai 2009 hat das Verwal-tungsgericht Neustadt fest-

gestellt, dass eine Reihe von Auagen, diedie Stadt Neustadt anlässlich einer linkenDemonstration gegen Polizeigewalt am 31.Mai 2008 erlassen hatte, rechtswidrig wa-ren. Das Gericht stellte fest, dass „beson-dere Auagen“ nur zulässig sind, wenn voneiner konkreten, tatsächlich erwiesenenGefährdung ausgegangen werden müs-se, und keineswegs dazu da wären „jededenkbar abstrakte Gefahr“ abzuwehren.

Zudem gebe es „keine Picht OrdnerInneneinzusetzen“ und „für die Feststellung der Identität der OrdnerInnen durch die Polizei“fehle jede Ermächtigungsgrundlage im Ver-samlungsgesetz.

Dass US-Präsident Barack Obama Mitte Maiverkündete, Fotos von gefolterten Häftlin-gen im Irak und in Afghanistan nicht zu ver-öffentlichen, ist bekannt. Die Bilder könntenUS-Soldaten in Gefahr bringen und „anti-amerikanische Stimmungen schüren“, mein-te Obama.Nicht so bekannt ist vielen aber, dass auchhier in der BRD Fotos von Gefangenen ausder RAF vor über 20 Jahren nicht veröffentli-cht werden durften.

Wir werden im Folgenden genauer auf dieGründe der Ablehnungen eingehen, auf dieGründe des Staates, der sich übrigens als„freiheitlichster Staat auf deutschem Boden“begreift. Es soll dabei vor allem verdeutlichtwerden, was die Herrschenden damit be-zweckten: Fotos von politischen Gefangenenwurden als „mitgliedschaftliche Bestätigungin der RAF“ betrachtet.Das OLG Düsseldorf dazu im April 1987:„Es besteht die naheliegende Gefahr, dassin der Haftanstalt gefertigte Lichtbilder in (...)Broschüren und sonstigen Schriften über die Haftbedingungen und über die Ziele der ‚RAF‘ verbreitet werden und dadurch der Pro-paganda für die Ziele der ‚RAF‘ Vorschub ge-leistet wird (...) diese gleichzeitigen und kon-zentrierten Vorgänge (Fotos von Gefangenenaus der RAF und aus dem Widerstand) le-gen nahe, dass nicht nur rein persönlichesund privates Interesse den Angeklagten (...)zu seinem Antrag bewogen haben, sonderndass die Lichtbilder letztlich auch den Zwe-cken der terroristischen Vereinigung dienensollen.“ Oberlandesgerichte (OLGs) sindpolitische Sondergerichte mit speziell aus-gebildeten RichterInnen. Sie bestimmen undkontrollieren neben der Prozessführung auchdie Haft- und Besuchsbedingungen und die

anwaltlichen Kontakte.Selbst die UNO hat diese Haftbedingungen,die 9 Gefangene nicht überlebt hatten, alsFolter bezeichnet. Es besteht für die Verant-wortlichen die Gefahr, dass durch eine Bro-schüre samt Fotos die Lage der Inhaftierteneiner größeren Öffentlichkeit bekannt wird,was bekanntlich ein erster Schritt zu Aufhe-bung dieser Haftsituation sein kann.Auf rein „persönlich“ sollen die Bilder der Ge-fangenen reduziert werden, damit nicht breitnach draußen dringt, was in den Knästenpassiert. Fotos dokumentieren oft auch dieHärte der Haft, die bekanntlich an nieman-dem der Weggesperrten spurlos vorbei geht.

Haftbedingungen sind nur begreifbar im Kon-text mit den politischen Zielen der Gefange-nen, was das OLG mit Propaganda für dieZiele der RAF abtut. Die politischen Gefan-genen sollten als rein persönliche, privateIndividuen reduziert, umgepolt, umgewandelt

und zerstört werden. Zusätzlich soll damitverhindert werden, dass ihre Intention, für eine freie und kommunistische Gesellschaftim internationalen Kontext zu kämpfen, nichtnach draußen dringen soll.OLG Frankfurt Juni 1987: „Die Bilder Inhaf-tierter sind nämlich u.a. geeignet (...), diezwecks Motivierung von Sympathisanten beiZusammenlegungsforderungen zum Einsatzzu kommen.“

Selbst Gutachter des Gerichts hatten dieZusammenlegung von interaktionsfähigenGruppen von mindestens 15 Gefangenen ge-fordert. Dass diente dazu, die Isolationshaftbesser zu „ertragen“ und war auch ein besse-rer Schutz vor Übergriffen.Viele Gefangene aus der RAF blieben ge-trennt von ihren GenossInnen. Kleinstgrup-pen von 5 Inhaftieren blieben die Ausnahme.Selbst den Inhaftieren blieb es verwehrt, Bil-der von ihren gefangenen GenossInnen zuerhalten. Aus einer Anhalteverfügungen desAnstaltleiters der JVA Stammheim, 1988:„Das dem Schreiben angeschlossene Fotodes terroristischen Gewalttäters Pohl dient

offensichtlich der Vertiefung der Verstrickungder Empfängerin in ihre Bandenmitgliedschaftzur RAF und schadet dem Vollzugsziel.“

 Was hat das mit heute zu tun?

Auch heute werden Bilder zum Beispiel vonbaskischen Gefangenen auf öffentlichenPlätzen von der Polizei entfernt.Zurück zu den unterschlagenen Fotos durchden US-Präsidenten:Für Human Rights Watch geht die „eigent-liche Gefahr nicht von dem Wissen aus, dasses Missbrauch gegeben hat“, sondern dassdie Verantwortlichen nicht zur Rechenschaftgezogen würden.Auch in der BRD sind die zuständigen Stel-len in der Justiz und den Ministerien nie zur Verantwortung gezogen. Die Isolationshaftwird weiterhin praktiziert wie zum Beispiel inStuttgart-Stammheim gegen die 5 türkischenLinken, gegen die seit über einem Jahr ein§129b-Verfahren geführt wird.Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, der inden siebziger Jahren Andreas Baader undheute Mustafa Atalay in Stammheim be-suchte, beschreibt die Bedingungen für die5 türkischen Linken: „Teilweise sind die heu-tigen Angeklagten schlechter dran. Sie haben

keinen Umschluss und müssen 23 Stundenallein in der Zelle oder wie Mustafa Atalay inder Krankenstation verbringen.“Wie empndlich die Justiz auf Widerstand ge-gen Isolation und weitere §129b-Schaupro-zess reagierte, zeigte sich kürzlich vor demOLG Düsseldorf, als die Verantwortlichenim Juni ProzessbeobachterInnen verprügel-ten, kurzfristig einsperrten und auch zu Ord-nungsgeld von 100 Euro verdonnerten, weilsie es gewagt hatten, sich mit dem streng iso-lierten Gefangenen Faruk Ereren mit Parolenund erhobenen Fäusten zu solidarisierenund damit auch das herrschende Ritual der reibungslosen Aburteilung von Widerstand

durchbrachen.Der Kreis schließt sich, denn auch heutesteht es weiterhin an, Widerstand gegen di-ese Entwicklung zu leisten.

Redaktion

as hat das mit heute zu tun?

Bilder von Gefangenen:

Damals wie heute nichterlaubt

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Gleichzeitig zu den initiierten Jubelarienzum 60. Jahrestag der BundesrepublikDeutschland wurde ein geschichtlichesMonstrum aus dem Hut gezaubert, das sei-ne Spur nach der üblichen Skandalisierunga la BILD durch die Feuilletons fast aller Printmedien zog. Karl Heinz Kurras, nieverurteilter Mörder Benno Ohnesorgs, wur-de durch die Recherche eines Trupps der ZDF-Nachrichtenredaktion, pünktlich zuden Identikationstiftungsfeierlichkeiten zur Staatsgründung, als Stasi-Spitzel und Mit-glied der SED enttarnt. Das Wühlen in denSTASI-Aktenbergen der Birthlerbehördehatte einen Erfolg gebracht. Die Möglich-keit, die Verantwortung für ein Verbrechenloszuwerden, was als Schatten, scheinbar untilgbar, auf der sonst so glorreich hoch-gehaltenen Geschichte der BRD lag. EinVerbrechen, dass dem deutschen Staatbeinahe eine ganze Generation gekostethätte. Eine Generation, die teilweise erstJahre später, durch Zuckerbrot und Peit-sche, wieder eingefangen werden konnte.Zumindest größtenteils.

Schon aus den ersten Reaktionen wurdeklar, zu welchem Zweck die neuen Erkennt-nisse benutzt werden sollten. Aus demBerliner Polizisten, der über Jahrzehntegerade von den konservativen und sozial-demokratischen Parteigängern in Staat und

Justiz gedeckt wurde, wurde in den Augendesselben Klientels ein Stasi-Mörder, der 

  jetzt endlich abgeurteilt werden sollte. Of-fensichtlich stand für sie nie die Tat zur Be-urteilung, sondern die politische Verortungdes Schützen. Die haltlosen Spekulationenaus allen Lagern in Richtung Auftragsmordder Stasi wurden durch ständige Wiederho-lung zum gängigen Erklärungsmuster. Eineöffentlich(-rechtlich) anerkannte Wahrheits-vermutung, sozusagen.

Um hinter dieses Spiel schauen zu können,sollten wir zurückschauen:

WAS GESCHAHEIGENTLICH AM 2. JUNI?

Ein ausländischer Diktator, der in den Medi-en und der Klatschpresse wohlgelitten war und beste wirtschaftliche Beziehungen zur BRD unterhielt, besuchte Berlin. Im Zugeder schon längst fortgeschrittenen Politisie-rung der Studierenden und einer sich gera-de entwickelnden Subkultur gab es, geradein Berlin, eine starke Mobilisierung gegendiesen Diktator, dem Schah von Persien.Studierende PerserInnen an deutschen

Universitäten vermittelten ihren deutschenKommilitonInnen die Realität unter der ira-nischen Diktatur.

Die Proteste gegen den Schahbesuch wur-den aber brutal niedergeschlagen. Zum

ersten Mal in der bundesdeutschen Ge-schichte, arbeiteten deutsche Polizistenbei der Demonstrationsbekämpfung mitden Schlägertrupps eines ausländischenGeheimdienstes (des iranischen SAVAK)zusammen. Die Iraner, später als Jubel-perser bezeichnet, waren für das Grobezuständig: das blindwütige Draufhauen mitHolzlatten, Schlagstöcken und Stahlrohren.Bundesdeutsche Beamte in Zivil, unter ih-nen auch K-H. Kurras von der Abteilung 1für Staatsschutz (BRD) bildeten kleine Ein-heiten, die einzelne DemonstrantInnen ge-zielt herausgriffen und nicht weniger brutalzusammenschlugen. Später bei der Auö-sung der großen Demonstration am Abend,prügelten die Polizei und die Kollegen der SAVAK ebenfalls gemeinsam. Bei dieser,später als Fuchsjagd bezeichneten Poli-zeiaktion, während der die Demonstrantengejagt und durch das Abschneiden vonFluchtwegen in die Enge getrieben wurden,elen zwei Schüsse. Einer davon traf Ben-no Ohnesorg von hinten und tödlich.

DER FREIBRIEF

„Ihre Vorgesetzten werden sich auch dannfür sie einsetzen, wenn sich bei der nach-träglichen taktischen und rechtlichen Prü-fung Fehler herausstellen sollten.“ (Innen-senator Wolfgang Büsch vor dem Einsatz

am 2. Juni an Polizeipräsident Duensing)

Auch in der Nachschau der Ereignisse andiesem Tag…Angefangen davon, dass schon im VorfeldFreibriefe für die beteiligten Polizisten ver-teilt wurden, gefolgt von der menschenver-achtenden Polizeitaktik, bis zur Verschlei-erung dieser Tat, ist es nicht möglich, dieSchüsse des K.-H. Kurras als Tat einesEinzelnen zu begreifen. Die Jagd auf De-monstrierende, die später in zwei Schüs-sen kulminierten, war Folge der deutschenAußen- und Innenpolitk, sowie der „Bild“-

Zeitungshetze gegen die StudentInnen-bewegung und der dadurch ausgelöstenHemmungslosigkeit bei ihrer Bekämpfung.

Was die Studierenden und den sich bilden-den Underground am meisten aufbrachte,war nicht die Tatsache, dass Schüsse e-len. Sondern die Gründlichkeit, mit der dieUmstände der Tat verschleiert wurden.In drei Prozessen gelang es wegen ver-schwundener Beweismittel, manipulierter Zeugenaussagen und der Staatsraison desJustizpersonals nicht, Kurras auch nur we-gen „fahrlässiger Tötung“ zur Rechenschaft

zu ziehen. Die politisch Verantwortlichenentledigten sich ihrer Verantwortung durchRücktritte, auf die keine Anklagen folgten.In sämtlichen Erklärungen der linken Grup-pen und Organisationen, von SDS, der RAF oder der Bewegung 2. Juni, standen

8 | Gefangenen Info | Juli 2009

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    n    l    a    n    d Ein deutscher Polizist

- Kurras und der 2. Juni ‘67von Carsten Ondreka

„Di e Zu k u n f t g e wi n n t ,

we r d i e Er i n n e r u n g

f ü l l t , d i e Be gr i f f e

p r ä g t u n d d i e Ve r -

g a n g en h e i t d e u t e t “

(Mi c h a e l St ü r me r ,

Sp r i n g e r - Ko l u mn i s t

u n d n a t i o n a l k o n s e r -

v a t i v e r Hi s t o r i k e r ).

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10 | Gefangenen Info | Juli 2009

Die Repressionswelle hat in den letztenWochen in Berlin einen neuen Höhepunkterreicht. Die politische und wirtschaftlicheKrise führt zu wütenderen Protesten auf De-monstrationen, aber auch in den vielfältigenFormen des Alltagswiderstands.Der Staat reagiert darauf mit verstärkter Repression: 19 Menschen wurden am undum den 1. Mai verhaftet. Der Berliner Er-mittlungsausschuss hat die Zahlen aufge-schlüsselt.Zwei wurden bei den Walpurgisnachtfei-ern am Vorabend des 1 Mai, 1 Person beiden Protesten gegen den NPD-Aufmarschin Köpenick und 16 am Abend des 1. Maiin Kreuzberg festgenommen. Sieben der Festgenommenen fallen unter das Jugend-strafrecht und sind in Plötzensee inhaftiert,die anderen sitzen in Moabit.Am 21.Mai wurde eine weitere Person miteiner Spontandemonstration gegen Gentri-zierung in Berlin-Prenzlauer Berg verhaf-tet. Auch er sitzt in Moabit.

Einer der Festgenommenen wird von demRechtsanwalt Sven Lindemann verteidigtDie Haftbedingungen seines Mandaten ent-sprechen der bei Untersuchungshäftlingenüblichen Norm, 23 Stunden Einschluss undeine Stunde Hofgang, erklärt er. Bei allenGefangenen gibt es noch keine Anklage-schriften, daher sind auch alle Spekulati-onen über juristische Vorwürfe, wie sie auchin Teilen der Berliner Linken verbreitet sind,nutzlos und kontraproduktiv. Die Solidari-tätsgruppen brauchten in diesem Jahr län-ger als in den Vorjahren, bis es die erstenKnastkundgebungen gab. Am5. Juni gab

es die Kundgebung vor der JVA-Moabit,am 12.Juni vor der JVA Plötzensee. BeideKundgebungen waren schwach besucht,besonders die letzte. Dadurch konnte diePolizei ihre Macht völlig ausspielen. Sogehört in Berlin zu den Auagen bei denKnastkundgebungen regelmäßig, dass esverboten ist, die Gefangenen via Lautspre-cherwagen zu grüßen. Dass ist nicht nur eine weitere Einschränkung des Demons-trations- und Kundgebungsrechts, sondernauch eine weiterer Schritt zur Isolation der Gefangenen. Schließlich gehört zu denZwecken der Kundgebungen, den Gefan-

genen zu vermitteln, dass sie nicht verges-sen wurden.Besonders bei der Kundgebung vor demJugendknast Plötzensee wollte die Polizeisogar verbieten, dass vom Lautsprecher-wagen durchgesagt wird, dass die Gefan-

genen „nicht“ gegrüßt werden. Wegen stän-diger Polizeischikane und um angesichtsder wenigen TeilnehmerInnen Festnahmenzu vermeiden, wurde die Kundgebung nachca. 1. Stunde aufgelöst.

Solidarität mit Alexandra R.

Deutlich mehr Menschen beteiligten sicham 10. Juni an einer Solidaritätskundge-bung mit Alexandra R., die im Frauenknastin Berlin-Pankow sitzt. Während der Kund-gebung wurden die Gefangenen und spe-ziell Alexandra gegrüßt und auch die Laut-stärke von Musik und Redebeiträgen war so

hoch, dass es auch im Knast gehört werdenkonnte. .Alexandra R. wurde am 18.05. mit demVorwurf der versuchten Brandstiftung inder Nähe eines Autos festgenommen undam nächsten Tag wegen „nicht-dringenden-Tatverdacht“ wieder aus dem Polizeige-wahrsam entlassen. Am 20.5. wurde siewegen des gleichen Tatverdachts erneutfestgenommen und ist seitdem inhaftiert.Die Soligruppe „Freiheit für Alexandra“ siehteinen Zusammenhang zwischen einer me-dialen Hetzkampagne und der Inhaftierung.Mehrere Berliner Boulevardzeitungen und

LokalpolitikerInnen von Union und FDP hat-ten nach der ersten Entlassung von einemVersagen der Politik gesprochen und dasshat scheinbar gewirkt. Mittlerweile gabes im Fall Alexandra R. eine mehrstündigHausdurchsuchung in der Wohnung vonBekannten von Alexandra R. Es wird alsoweiter ermittelt.Ein Haftprüfungstermin wurde am 12. Junikurzfristig von der Verteidigerin von Ale-xandra R. der Rechtsanwältin Martina Arndtzurückgezogen, um nicht in die dreimona-tige Sperrfrist zu fallen. So kann jederzeitein neuer Termin anberaumt werden. Jetzt

bleibt Alexandra aber erst einmal weiter imGefängnis.

Verhalten der Linken

Auffallend ist die zögerliche Haltung der Lin-

ken in der Gefangenenfrage, die eben dazuführte, dass es mehr als 5 Wochen dauerte,bis die erste Knastkundgebung stattfand.Es wurde aber kaum mobilisiert. Flyer undPlakate fehlten vollständig, was auch dieschlechte Beteiligung erklärt. Es wurde vonSolidaritätsgruppen auch schon kritisiert,dass von den mobilisierungsfähigen Grup-pen, die auch zur Revolutionären 1.Mai-Demonstration aufgerufen haben, wenigUnterstützung für die Gefangenen kommt.Auch wird dann das Argument bemüht, mankönne die Anklageschrift nicht und mankönne und wolle nicht mit Allem und jedensolidarisch sein. Das verkannt aber, dasseine politische Solidarität mit den Inhaftie-ren überhaupt nicht aussagt, wie man zuden Delikten steht, die ihnen vorgeworfenwerden. Es gibt noch nicht einmal eine An-klageschrift, geschweige eine Verurteilung.Also müssen die Gefangenen selbst nachbürgerlichen Maßstäben als unschuldiggelten. Daher ist es umso unverständlicher,dass auch in der Linken teilweise offengeäußert wird, erst einmal die juristischenUntersuchungen abwarten zu wollen. Daswäre aber eine Kapitulation linker Gefange-nensolidarität. Aber nicht nur draußen auchdrinnen gibt es viele Unklarheiten.

So ist nicht klar, wie sich die Gefangenenverhalten und ob sie aktive Solidarität inihrem Fall wollen. Weil eben nicht alle Ge-fangenen in politischen Gruppen oder ihremUmfeld aktiv waren, ist der Kontakt auchschwierig. Bei einen Jugendlichen habendie Eltern Anwälte besorgt, die nicht mitdem Ermittlungsausschuss kooperieren.

Ob die Betroffenen den Anwalt akzeptieren,ist nicht klar, weil es schwer ist, Kontakteherzustellen.Bald könnte ein weiterer Gefangener in Ber-lin dazu kommen. Anfang Mai wurde ein inBerlin wohnender Mann zu einer Haftstrafevon 15 Monaten ohne Bewährung verurteilt,weil er bei der einer Demonstration im Früh-

 jahr angeblich an einem Polizeiauto gerüt-telt hat. Die belastenden Fotos stammenvon einem Demoteilnehmer, der scheinbar nichts besseres zu tun hatte, als die Fotosunbearbeitet auf You-Toube stellte. Selbstdie Gesichter wurden nicht unkenntlich ge-

macht. Diese kostenlose Polizeiarbeit solltenoch einmal Anlass zu einer klaren Positiongegen ein solch unverantwortliches Verhal-ten sein.

Da bis jetzt noch keine vollständigen Na-men der Gefangenen bekannt sind, setzteuch bitte mit diesen Anti-Repressionsgrup-pen in Verbindung:

[email protected] 

[email protected]

[email protected] 

[email protected]

Verhalten der Linken

Solidarität mit Alexandra R.

Fotos: Björn Kietzmann

22 Politische Gefangene in Berlinvon Peter Nowak     i

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Buchungsnummer 354/09/3Arkonastraße 56, 13189 Berlinwww.free-alexandra.tk

Schreibt Alexandra Remus

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Juli 2009 | Gefangenen Info | 11

Wir dokumentieren eine Erklärung aus Ber lin:

Neue Erklärung der „militanten gruppe”stellt §129-Verfahren in Frage

Wenn am 15. Juli 2009 vor dem Berliner Kammergericht der 50. Prozesstag im

§129-Verfahren gegen drei Berliner statt-ndet, wird ein zentraler Anklagepunkt der Bundesanwaltschaft zerfallen.Die Angeklagten Axel H., Florian L. undOliver R. sollen im Sommer 2007 Brand-sätze unter Bundeswehrfahrzeuge gelegthaben. Die Bundesanwaltschaft (BAW)ordnete den versuchten Brandanschlagder „militanten gruppe” (mg) zu, weil keinDementi der mg erfolgte - entgegen ihrer Gepogenheiten. Darauf stützt die Bun-desanwaltschaft ihre Anklage nach §129(Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereini-gung).

Die „militante gruppe” (mg) erklärte in ihremneuen Papier, dass der versuchte Brand-anschlag auf Bundeswehr-LKW nicht vonihnen geplant und ausgeführt wurde. Durchdie erfolgten Festnahmen sei die mg nichtgetroffen worden.

Die Beweisaufnahme hat in neun Mona-ten keinerlei Beleg erbracht, dass einer der Angeklagten in der „militanten gruppe”organisiert war. Im wesentlichen waren esdie Veröffentlichungen der „mg”, auf die dieAnklage ihre bisherige Strategie aufbaute,

nicht zuletzt um das Strafmaß in die Höhezu treiben. Nun aber dürfte es der BAWschwerfallen, den Anklagepunkt „Mitglied-schaft in der militanten gruppe” überhauptaufrecht zu erhalten ohne ihre eigenen Er-mittlungsergebnisse zu durchkreuzen.Schon ein weiterer zentraler Punkt der An-klage wurde während des Prozessverlaufswiderlegt. Die Aussage eines angeblichenV-Manns des Bundesamts für Verfassungs-schutz, auf den sich die Anklage nach §129stützte, hatte bereits im April 2009 ihren Be-weiswert eingebüßt.

Arthur Schüler, Sprecher des Einstellungs-bündnisses: „Konsequenz dieses Verfah-rens kann nur eins sein: Die sofortige Ein-stellung.”

www.einstellung.so36.net 

Nachdem sich bereits im April ein Beweis,auf den sich die Anklage stützte (die Aus-sagen des angeblichen V-Mannes des Ver-fassungsschutzes), als inhaltsleer erwiesenhat, bröckelt die Konstruktion der Anklageimmer mehr. Denn während sich der Senatund die Bundesanwaltschaft im Berliner mg-Verfahren noch immer abmühen, diedrei Antimilitaristen Axel, Florian und Ollizu verurteilen, hat sich die militante gruppe(mg) in der Zeitschrift „radikal“ zu Wort ge-meldet und einen zentralen Anklagepunktder Bundesanwaltschaft in Luft aufgelöst.

Zur Erinnerung: Mit Hilfe des §129 wird denDreien vorgeworfen „Mitglieder einer krimi-nellen Vereinigung“ - konkret der militantenGruppe - zu sein. Hintergrund dessen istder Vorwurf, dass die drei Angeklagtenim Sommer 2007 in Brandenburg/HavelBrandsätze unter Bundeswehrfahrzeugegelegt haben sollen. Die BAW hat denversuchten Brandanschlag der „militantenGruppe“ (mg) zugeschrieben, da entgegender Gepogenheiten – so die stichhaltigeArgumentation der BAW – diese kein De-menti veröffentlichte.Das fehlende Dementi stellt dabei nach wie

vor die Basis der Anklage dar, da währendder 9 Monate andauernden Beweisaufnah-me – die mittlerweile abgeschlossen ist –keinerlei Beleg dafür erbracht werden konn-te, dass auch nur einer der Angeklagten inder (mg) organisiert sei. Die Anklage stütztesich neben den inhaltsleeren Aussagendes V-Mannes des Verfassungsschutzesim wesentlichen auf die Veröffentlichungender (mg). Da es seit knapp 2 Jahren keineStellungnahme der (mg) gab – so die Argu-mentation – wurde seitens der BAW sogar verlautet, dass die mg durch den Prozessgetroffen und zerschlagen worden sei.

Entgegen des vermeintlichen Wunschden-

kens der BAW hat sich die (mg) nun in der neuen Nummer der „radikal“ zu Wort gemel-det und erklärt, dass der versuchte Brand-anschlag auf Bundeswehr-LKWs in Bran-denburg/Havel nicht von ihnen geplant unddurchgeführt worden sei. Stattdessen be-kennt sie sich gleichzeitig im selben Text zu3 Anschlägen im Februar resp. März diesenJahres auf ein Arbeitsamt und ein Sozialge-richt in Berlin und auf mehrere Fahrzeugeder Bundeswehr in Burg. Sie erklärte, „Wir haben keinen Bock mehr darauf, dass Ge-nossInnen mit uns wohlwissend fälschlich

in Verbindung gebracht und mit dem bour-geoisen Paragrafenzeugs überzogen wer-den.“ Weiter erklärte sie, „dass damit (mitdem Prozess in Berlin; Anm. d. Ver.) die(mg) weder personell getroffen und schongar nicht zerschlagen wurde. Die Schwa-droneurInnen der Harms-Griesbaum-Bande(HGB) und des Ziercke-Stadls müssen haltnachsitzen und sich noch mehr anstrengen,um uns zu lokalisieren.“(Zitate aus demInterview mit der (mg); veröffentlicht in der radikal Nummer 161) Dadurch bricht einewesentliche Stütze der Anklage weg. Arthur Schüler, Sprecher des Einstellungsbünd-

nisses sagte hierzu: „Konsequenz diesesVerfahrens kann nur eins sein: Die sofortigeEinstellung.”Die weiteren Prozesstage werden entschei-dend für den weiteren Verlauf des Verfah-rens sein und ob die BAW und der Senatden Schauprozess bis zur gewünschtenKonsequenz einer Verurteilung weiterfüh-ren können.

Quellen:http://einstellung.so36.nethttp://home.arcor.de/radi161

Redaktion

SPENDEN:

Die Soliarbeit für die von den§129-Verfahren Betroffenen kostetviel Geld. Deshalb sind wir auf Spen-den angewiesen. Bitte spendet reich-lich. Auch kleine und/oder regelmä-ßige Beträge sind gern gesehen.

Rote Hilfe e.V.Bank: Berliner BankKonto-Nr.: 718 9590 600

BLZ: 100 200 00Verwendungszweck: Repression31.7.2007IBAN: DE78 1002 0000 7189 5906 00BIC: BEBEDEBB

SOLIDARITÄT MIT AXEL,OLIVER UND FLORIAN!

Aktuelle Entwicklungenim mg-Verfahren in Berlin

Nach 50 Prozesstagen:

BAW ist blamiert

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12 | Gefangenen Info | Juli 2009

1. Einleitung

In meinem neuen Buch versuche ich zu skiz-zieren, wie die Gefangenen in den Gefäng-nissen Griechenlands mit Medikamenten mitdenen ihr Erkenntnisvermögen herabgesetztwird, manipuliert werden. (Savvas Xiros,Εξ Υπογυίου (wörtl.: improvisiert, proviso-risch), Verlag A. Romero, 2009. Bisher nur auf griechisch erhältlich. Bei den in diesemText kursiv gesetzten Stellen handelt es sichum Zitate aus dem Buch.) Hilfreich beimSchreiben waren meine Erfahrungen mit der Verabreichung von Psychopharmaka „unter Zwang und zur Beugung des Willens“ wäh-rend meines 65 Tage langen Aufenthaltesauf der Intensivstation, wo moderne medi-kamentöse und andere Verhörmethodenangewendet wurden. (Anmerkung d. Übers.:Savvas hat diese 65 Tage Verhör auf der 

Intensivstation in einem Buch beschrieben,das auch auf deutsch erhältlich ist: SavvasXiros, “Guantanamo auf griechisch - zeit-genössische Folter im Rechtsstaat”, Pahl-Rugenstein-Verlag, 13,90 Euro) Ebenfallshilfreich waren die Erfahrungen aus der Einnahme anderer Medikamente, die mir imZuge von 13 Operationen seit der Explosionder Bombe in meinen Händen im Sommer 2002 bis heute verabreicht wurden.Absicht des Buches ist die Weitergabe einer persönlichen Erfahrung an andere Gefange-nen, in der Hoffnung, dass sich daraus eineDiskussion oder zumindest ein Nachdenken

über die Verabreichung von Psychopharma-ka in den Gefängnissen und vor allem über deren Ausmaß und die Richtung, die dieseangenommen hat. Momentan entwickelt sichdie Verabreichung von Psychopharmaka, imEinklang mit den transatlantischen Wertenund ökonomischen Auffassungen, denensich auch die medizinische Wissenschaftunterordnet, zur hauptsächlichen Metho-de der Bewachung. Dieser Praxis wird mitder falschen aber allgemein verbreitetenÜberzeugung, dass „die Einnahme vonSubstanzen eine der Charakteristiken der Gefangenen darstellt und ausschließlich ih-rem eigenen Willen entspringt“ ein Alibi ver-

schafft. Dabei wird ignoriert, dass der Willeder Gefangenen täglich und auf vielfältigeWeise durch ein Gefängnissystem genötigtwird, das als hauptsächliches Ziel die Zerstö-rung ihrer Persönlichkeit und die Herausbil-dung eines Charakters nach vom Gefängnis

vorgegebenen Muster hat. Danach ist der ideale Gefangene allgemein der mit denwenigsten Ansprüchen. Und die wenigstenAnsprüche hat ein willenloser und deswegenbeliebig manipulierbarer Gefangener.Zur Beibehaltung dieser Praxis trägt auchdie in der Regel unbewusst herrschendeAuffassung bei, nach der Gefängnis nichtnur die Beschneidung der Freiheit bedeutet- wie es vom Gesetz vorgegeben ist und auf dem Papier steht - sondern vielmehr eineGefängnis-Hölle, die umso wirkungsvoller zur Abschreckung gegenüber mutmaßlichenGesetzesbrechern dient, je härter und un-menschlicher ihr Durchmachen ist. Eine Lo-gik der exemplarischen und vernichtendenStrafe als Lehre und zur Unterwerfung der Übrigen, eine Logik, die zwar nicht ausge-sprochen, aber lautlos in der Gesellschaftverbreitet wird, um stillschweigende Duldung

oder höchstens vage Proteste gegenüber Praktiken, wie der hier dargestellten zu er-reichen.Ein realistischer Blick auf Aufbau und Ab-lauf moderner Gefängnissysteme in denentwickelten Ländern führt mühelos zudem Schluss, dass ihre Existenz in dieser Form ohne die Verabreichung von Psycho-pharmaka nicht möglich wäre. Nicht die be-schränkte, in Ausnahmefällen verabreichte,legale-offene und notwendige, sondern dieillegale-heimliche und massenweise Medi-kation, eine Praxis, die den Grundstein der Bauweise heutiger Gefängnissysteme bildet.

Es gibt also Ausgangpunkte, die Möglichkeitund vor allem triftige Gründe auf jede Weiseeinen derartig starken und gleichzeitig sen-siblen Punkt des Systems anzugreifen.

 2. Feststellungen

Aus einer ganzen Reihe von Beobachtungenhat sich ergeben, dass neben vorbeugender Medikation zu ruhigen Zeiten mit Hilfe vonPsychopharmaka eine allgemeine Ruhig-stellung von geringer Intensität aufrecht-erhalten wird, die allerdings bei der Gefahr eines Aufstandes und in „Ausnahmezustän-den“, wie z.B. während poli tischer Prozesse,

gigantische Ausmaße annimmt. „Diese Pra-xis ist in den medizinischen Unterlagen desGefängnishospitals im Gefängnis Korydal-los aufgezeichnet. In den dortigen Büchernsind für Anfang Februar 2004 ungefähr 450Gefangene verzeichnet, denen Psychophar-

maka verabreicht wurden. Innerhalb einesMonats, genau während der Hungerstreikder politischen Gefangenen gegen ihre Haft-bedingungen am Laufen war, hat sich die-se Zahl fast verdreifacht, so dass von etwa2500 Gefangenen die Anzahl der „Kranken“von einem Fünftel auf die Hälfte der Gefan-genen anstieg. Keine epidemiologische oder andere Untersuchung kann einen derartigenAnstieg psychisch Kranker innerhalb einesderartig kurzen Zeitraums erklären - wassollte ein derartig erschütternder Auslöser gewesen sein können - es bleibt also nur die ohne Zögern verabreichte biochemischeRuhigstellung, um ein etwaiges Übersprin-gen zu verhindern.“ Die meisten Substanzenwerden heimlich und massiv über die Le-bensmittel und das Wasser verabreicht. „ Für die Verabreichung von Substanzen, ohnedass der Gefangene davon Kenntnis nimmt,

wird der Weg über die Gefangenenernäh-rung gewählt. Einige Substanzen werden imTrinkwasser aufgelöst. Bei einem Versuch,bei dem etwa 4,5 Liter Wasser bei niedrigenTemperaturen (auf der Heizung) langsamverdampft wurden, verblieb eine nicht un-erhebliche Restmenge einer dicküssigenbraungelben Flüssigkeit, die einen Geruchzwischen Lack und unbenutztem Plastik(z.B. Frischhaltefolie) aufwies. (...) StarkeSubstanzen, wie leichte oder starke Beru-higungsmittel werden mit den „besondersgutem“ Essen verabreicht, mit zusätzlichenverlockenden Delikatessen, regelmäßig oder 

aus besonderem Anlass, zu Zeiten, in deneneine erhöhte Ruhigstellung erforderlich ist.Das wurde erkannt als eine Katze nach demVerzehr eines Sonntagsessens völlig lethar-gisch wurde. Auch wenn man sie woandershinbrachte, schlief sie weiter, ohne sich zuwehren. Das gleiche Phänomen wurde beianderen Anlässen auch bei anderen Katzenbeobachtet.

Mit dem Brot verabreichte Substanzen wur-den anhand des Verhaltens von Taubennachgewiesen. Im Hof für den Ausgangwerden oft Brotkrumen für die Vögel aus-gestreut. Tauben, die quicklebendig landen,

erinnern, kaum dass sie vom Gefängnisbrotgefressen haben, an schwindelige Hühner.Es bereitet ihnen große Schwierigkeiten zuiegen, sie stoßen vor die Mauern und dieZäune, da die verabreichte Substanz dieErweiterung der Pupillen (Mydriasis) verurs-

1. Einleitung

. Feststellungen

Massenweise Verabreichungvon Medikamenten

in griechischen Gefängnissen

    i    n    t    e    r    n    a    t

    i    o    n    a    l

Offene oder auch heimliche Medikation in Gefängnissen ist ein Thema, das sicherlich nicht nur Griechenland betrifft. Für dievon Savvas angeregte Diskussion und den Austausch von Erfahrungen bietet sich das Gefangenen Info als Plattform an.Damit können sowohl Schwierigkeiten eines Austausches über Briefe (Sprache, Zustellung) vermieden, als auch gewährlei-stet werden, dass alle Beteiligten und Interessierten immer alle Beiträge lesen können. Zuschriften zum Thema bitte direktan das Gefangenen Info schicken. Diese werden dann in der jeweils folgenden Ausgabe veröffentlicht.

Übersetzung: Heike Schrader

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Juli 2009 | Gefangenen Info | 13

acht. Bezeichnenderweise werden von Ge-fangenen und Vorbeikommenden innerhalbund in der Umgebung des Gefängnisses vonKorydallos täglich tote Tauben gefunden. Dieheimliche Verabreichung von Substanzenlässt sich auch statistisch belegen, da beo-bachtet wurde, dass die Gefangenen nichtan Erkältungen oder andere für die Bevöl-kerung übliche Krankheiten leiden sondernan Symptomen einer Übermedikation wie:

Überfunktion der Leber (medikamentöse He-patitis), Unterfunktion der Nieren, für die Jah-reszeit seltene Infektionen, Hautkrankheiten,Allergien und Herzinfarkte oder Schlaganfäl-le. […]. Die massenweise und langjährigeMedikation dieser Substanzen hat aufgrunddauerhafter und innerer Ödeme als Folge,dass insbesondere Organe (Lunge, Nieren,Gehirn) geschädigt werden, während diedurch sie hervorgerufenen Herzrhythmuss-törungen für die überdurchschnittlich hoheAnzahl an Herz- und Schlaganfällen in denGefängnissen verantwortlich sind.“ .

 3. Methode der Abhängigkeit

„(...) eine langjährige Medikation trägt beiGesunden und Kranken genau wie die Un-terlassung einer individuellen, zeitlich undquantitativ abgestimmten NichtbehandlungLetzterer“ zur Ausbildung von Ausschlägen,Hauterkrankungen oder anderen anschei-nend unerklärbaren Symptomen bei. In sol-chen Fällen wird im Gefängnis eine Medikati-on eingeleitet, theoretisch „mit Zustimmung“des Empfängers. Dazu trägt in besonderemMaße die Praxis des Gesundheitsdienstesund hier insbesondere der neurologischenund psychiatrischen Abteilung bei. Für je-

den neuen Gefangenen, der bei Auftretender ersten Beschwerden und Symptome dieKrankenstation aufsucht, wird ein Kranken-blatt angelegt in dem als Diagnose die Stan-dardeinschätzung, nach der das Problempsychologisch sei, festgehalten wird. Da-nach wird er mit eigener Zustimmung einer Behandlung unterzogen, die ihn von Medi-kamenten abhängig macht. Auf diese Weiseund mit der Verabreichung selbst schwacher Beruhigungsmittel entzieht sich das Gefäng-nis jeder Verantwortung sogar im Falle einesTodes (Überdosis, Aspirationstod (Einatmenfester oder üssiger Stoffe), Lungenödem,

o.a.).“ Ein Drittel der etwa 13.000 Gefan-genen in griechischen Gefängnissen wurdewegen Verstößen gegen das Betäubungs-mittelgesetz verurteilt. „Die eingesperrtenSüchtigen, insbesondere die Abhängigen,deren Anzahl allerdings unter der wegenDrogendelikten Weggesperrten liegt, bildendas ideale Alibi der Gefängnisse für Todes-fälle aufgrund von Übermedikation. Unter ihnen gibt es auch die meisten Opfer, denndie Giftigkeit (Toxizität) der im Gefängnis ge-nommenen Drogen addiert sich zu der der von ihnen unwissentlich eingenommenenMedikamente.

4. Mobilisierung auch der Wissenschaft

Beim Zentralen Nervensystem und demErkenntnisvermögen ist es „das hauptsäch-liche Ziel, das Reaktionsvermögen zu beein-trächtigen und zu verlangsamen, was als er-

ste sichtliche Folge ein Unvermögen, sich zukonzentrieren und sofort Entscheidungen zufällen aufweist.“ Für die Verschleierung undLegalisierung der biochemischen Ruhigstel-lung werden teilweise bekannte Syndromeder Psychiatrischen Wissenschaft herange-zogen, die willkürlich verallgemeinert undteilweise sogar verdreht werden. Ein psychi-atrischer Gutachter gab vor Gericht in Bezugauf die massenhaft auftretenden Symptome

an: „Die lassen sich natürlich absolut damiterklären, dass er (der Autor) Häftling ist.Mindestens die Hälfte der Inhaftierten habenderartige Symptome.“(Anmerkung des Autors: Der Zynismus, mitder vom System Psychiatrie und Pharmako-logie benutzt wird, um bekannte-vorhandeneSyndrome (Verhaltensweisen) auszudehnenund bei einer Menge von 6500 und mehr Eingesperrten zu erzeugen, die keine Mög-lichkeit zur Verteidigung haben, ist bewun-dernswert. Auch wenn jemand einwendet,dies geschehe unabhängig von der Ver-abreichung oder nicht Verabreichung vonPsychopharmaka, so ist aus den ofziellenHaftbedingungen, als psychologische Folgenur die massenhafte Wut erklärbar, aber keine derart ausgerichtete Abweichung (z..B.massenhafte Unfähigkeit zur Konzentration)derartigen Ausmaßes .Folglich liegen dieUrsachen dafür in den undeklarierten Haft-bedingungen.)“ Auf diese Weise entstehteine rassistische Sichtweise nach der eseinerseits selbstverständlich erscheint, dassein Gefangener sich widerspruchslos zu fü-gen hat und andererseits davon ausgegan-gen wird, dass er von niedriger Bildung undmit einem Unvermögen ausgestattet ist, dieihn automatisch und unbesehen zu den für 

die Gesellschaft Unbrauchbaren und Erfolg-losen gehören läst.

5. Psychotrope Auswirkungen

„Für einen Besucher, der die Gefangenenunberührt von den herrschenden Vorurteilenbetrachtet, wird die Beeinträchtigung des Er-kenntnisvermögens im Allgemeinen deutlichdurch Verhaltensweisen wie: Selbstaufgabe(Interessenlosigkeit, Zögerlichkeit), Hebender Stimme im Gespräch (oberächlicheThemen, kein Realitätssinn), Verlangsa-mung von Gehen und Reaktionen (verringer-

te Reexe) und beim Beantworten von Fra-gen, Forderungen hinsichtlich drittklassiger Angelegenheiten oder kurzzeitiger Probleme(Schwäche beim Setzen von Präferenzen)“.Unter den Einwirkungen auf das ZentraleNervensystem werden beobachtet: „ Min-derung des kritischen Bewusstseins unddes kreativen Denkens. In extremen Fällendieses Symptoms funktioniert das Gehirnnur unkreativ wiederholend (repetierend),hauptsächlich auf Grundlage des im Lang-zeitgedächtnis Gespeicherten, während jedeInitiative von Unsicherheit gehemmt wird. Indiesem Fall braucht es für jede Entscheidungentweder einen ‚Ratgeber’ oder übermäßig

viel Zeit, sonst wird aus der augenblicklichenLaune heraus entschieden. Auf Einwändekönnen nur schwierig Argumente gefundenwerden - fehlendes kreatives Denken - waszu Gereiztheit und wütenden Reaktionenführt, die zur schrittweisen Herausbildung

eines unbekannten künstlichen Ichs beitra-gen.“

„Die Herabsetzung des kritischen Bewusst-seins und die Konzentrationsschwäche inVerbindung mit der Schwächung des unmit-telbaren und Kurzzeitgedächtnisses, führenzu Unwillen und Ungeduld bei Gesprächenüber Themen, die Initiativen oder Entschei-dungen erfordern und zu ständigem Unter-

brechen des Gesprächspartners, im Versuchzu verhindern, dass ein Argument wieder aus dem Gedächtnis verschwindet. Dashat Gereiztheit, Unverständnis und Miss-verständnisse zur Folge, weil in diesem Fall  jeder nur seine eigene Stimme hört. DieseSymptome erstrecken sich nicht auf gang-bare und eingewurzelte Themen (z.B. dasWetter oder jeder andere vorherbestimmteDialog), die kein kreatives Denken benötigenund beschränken so die Gesprächsthemenmit der Folge einer durchdachten modernenunsichtbaren Isolation. (...) Dieser spezi-sche erzeugte psychische Zustand und dieUnkenntnis der tatsächlichen Möglichkeitenund Schwächen führt zu hitzig und unü-berlegt gefassten Entscheidungen, die zu-künftige Entscheidungen vorherbestimmen,damit man nicht als wankelmütig angese-hen wird. Ein Zurücknehmen derartiger Ent-scheidungen, nachdem einem deren Folgenbewusst geworden sind - ein langwieriger Prozess - hängt von der Ausgeprägtheit deseigenen Egoismus ab.

„Die oben geschilderte Methode passt voll-ständig zur Logik der Entwickler der zeitge-nössischen Gefängnisse und Weißen Zellen;zur illegalen Logik der perden Rache - im-

mer mit humanistischer Umhüllung - aber auch der skrupellosen Ausbeutung ihrer Fol-gen, ob diese nun als bekannte Syndromeauftreten, wobei die Verantwortung demOpfer zugeschoben wird, oder ob sie mitpsychiatrischen Begriffen nach der Art einesPhysiognomisten (Anmerkung d. Übers.:Physiognomik ist eine Pseudowissenschaftbei der anhand von körperlichen Merkma-len auf den Charakter eines Menschen ge-schlossen wird.) ausgelegt werden, - wie esin Deutschland mit Ulrike Meinhof geschah,als bei ihr ein Geschwulst im Gehirn festge-stellt wurde - wobei jedem Gefangenen ein

Hang zum Gesetzesbruch als unveränder-liche Eigenschaft zugeschrieben wird: ‚alsoverfügt jeder Gefangene über niedere In-stinkte und bendet sich so zu Recht mit bi-ochemischen Mitteln von der Realität isoliertoder jeder Reaktionsmöglichkeit beraubt unddas Gemeinwesen betrachtet ihn zu Rechtals niederes Wesen’. Eine Logik, die in der für jeden, aus welchem Grund auch immer er gefesselt die Gefängnistore passiert, herr-schenden rassistischen Auffassung endet,eine Auffassung, die auf die eine oder ande-re Art auch der Gesellschaft aufgezwungenwird.“

3. Methode der Abhängigkeit

5. Psychotrope Auswirkungen

4. Mobilisierung auch der Wissenschaft

Savvas XirosDikastikes Filakes Korydallou181 22 Athens-Piraeos, Griechenland

Savvas Xiros‘ Adresse

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14 | Gefangenen Info | Juli 2009

Zaldibia, Baskenland: Gegen dieKriminalisierung der Solidarität mit denbaskischen politischen Gefangenen

„… Wir wollen, dass Herr Lopez klar ver-steht, dass wir tausende Bürgerinnen undBürger sind, die solidarisch mit den bas-kischen Gefangenen sind … Es gibt poli-tische Gefangene, weil es einen Koniktgibt, und solange es Gefangene gibt, wer-den wir ihre Fotos in Strassen und Bars,an Landstrassen und an anderen Orten imganzen Baskenland aufstellen …“

Die Bewegung Pro Amnistia bekräftigt auf ihrer Pressekonferenz in Zaldibia, dass siesich von der Solidarität mit den baskischenpolitischen Gefangenen nicht abbringenlassen wird: “Jedes Foto reektiert den poli-tischen Konikt.”In den vergangenen Wochen hatte die bas-kische Polizei Ertzaintza in verschiedenenOrten die Fotos baskischer Gefangener 

entfernt, die dort seit Jahren an Strassenangebracht sind, um die Solidarität der Bevölkerung zu zeigen. Sprecher von ProAmnistia erklären: „Die Entscheidung der spanischen Regierung, die Solidarität mitden baskischen Gefangenen zu krimina-lisieren, ist nichts Neues. In den letztenJahren wurden tausende Bürgerinnen undBürger verfolgt, weil sie für die Rechte der baskischen politischen Gefangenen auf dieStraße gehen.“Die Polizei geht verstärkt gegen Solida-ritätsaktionen mit den baskischen poli-tischen Gefangenen vor. Mahnwachen und

Kundgebungen werden teilweise verboten,Teilnehmer drangsaliert, Aktivistinnen undAktivisten bei friedlichen Aktionen festge-nommen, weil sie über die Situation der Ge-fangenen aufklären. Ultrarechte Organisati-onen greifen Familien und Freunde immer wieder auf dem Weg zum Besuch von Ge-fangenen an, bewerfen Busse mit Steinenoder stechen Reifen auf. Polizeikontrollen,Provokationen und Schwierigkeiten durchdie Gefängnisleitung ergänzen die Aggres-sionen.

Spaniens Kreuzzug

gegen die Solidarität

„In (…) seinem Kreuzzug gegen die Solidari-tät stellte (der Sondergerichtshof) AudienciaNacional (in Madrid) letzten Herbst 27 bas-kische Bürgerinnen und Bürger, Aktivisten

der Bewegung Pro Amnistia, vor Gericht. 24wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. (…)Sie behandeln Solidarität als Terrorismus(…). Dahinter steht das Ziel, das Kollektivder baskischen politischen Gefangenen zubrechen. Im diesem Sinne verstehen wir die Kampagne gegen die Fotos der Gefan-genen. Sie versuchen das auf der Straßeund natürlich auch in den Gefängnissen.Diese Woche begannen die politischenbaskischen Gefangenen in Algeciras einenHygienestreik, um gegen die unmensch-lichen Haftbedingungen zu protestieren.Zeitgleich durchsuchte die baskische Po-lizei Ertzaintza nachts in Donostia (span.:San Sebastian) Wohnungen, um Fotos vonGefangenen zu beschlagnahmen.“

Unmenschliche Haftbedingungen

Das Strafsystem gegen baskische Gefan-gene weicht stark von den gesetzlich vor-geschriebenen Regeln des Strafvollzugs ab

und ist dazu gedacht, das Gefangenenkol-lektiv zu brechen. 28 der 764 Gefangenenhaben ihre Strafe komplett verbüßt undwerden trotzdem nicht entlassen. Weitere170 baskische Gefangene bleiben in Haft,obwohl sie ¾ ihrer Strafe hinter sich haben,eine Zeit, nach der man in Spanien aus demGefängnis typischerweise auf Bewährungentlassen wird. Schwer kranke politischeGefangene werden nicht entlassen. DiePolitik der Zerstreuung, d.h. der Verteilungbaskischer politischer Gefangener auf Ge-fängnisse in ganz Spanien und Frankreich,wird seit über zwanzig Jahren praktiziert.

Algeciras ist beispielsweise über 1000 kmvom Baskenland entfernt.

„Wir sind tausende“

Dieser Tage kündigte Patxi Lopez, der neueLehendakari (Ministerpräsident) der Bas-kischen Autonomen Gemeinschaft (CAV)an, „die Räume zu schließen, in denen der Terrorismus noch straos agieren kann“.Lopez kam auf undemokratische Weise andie Macht - durch das Verbot der Parteiender linken Unabhängigkeitsbewegung, dieetwa 20% der Bevölkerung repräsentieren.

„Wir wissen, dass zu seinen Prioritätendie Zerschlagung der Solidarität mit denbaskischen politischen Gefangenen zählt,genauso wie die Unterdrückung jeglicher Proteste gegen die Gefangenenpolitik der Staaten (Spanien und Frankreich).

Wir wollen, dass Herr Lopez klar versteht,dass wir tausende Bürgerinnen und Bürger sind, die solidarisch mit den baskischenGefangenen sind. Wir sind tausende, dieGefangene besuchen, ihnen schreibenund an Demonstrationen teilnehmen (…).Weite Teile unserer Bevölkerung fordernein Ende der Vernichtungspolitik gegen diepolitischen Gefangenen. Die Solidaritätsbe-wegung mit den Gefangenen hat im Bas-kenland starke Wurzeln. Neue repressiveMaßnahmen werden das nicht ändern (…).“

„Wir werden ihre Fotos aufstellen (…)“

„Jedes Foto baskischer politischer Gefan-gener reektiert klar den politischen Kon-ikt, in dem unsere Bevölkerung lebt. Esgibt politische Gefangene, weil es einenKonikt gibt. Solange es Gefangene gibt,werden wir ihre Fotos in Straßen und Bars,an Landstraßen und anderen Orten in Eus-kal Herria (dem Baskenland) aufstellen. …“

Übersetzung und Kommentierung:Uschi Grandel, 16. Mai [email protected]

Solidarität mit den baskischen poli-tischen Gefangenen - einige Beispiele:

Im Januar 2009 gehen mehr als 37.000Menschen in Bilbo (span.: Bilbao) für dieRechte der 764 baskischen, politischen Ge-fangenen auf die Straße. 40 Organisationenrufen auf zum Protest gegen willkürlicheVerhaftung von Jugendlichen, Folter und

Illegalisierungen in Irunea (span.: Pamplo-na). 2000 Menschen beteiligen sich im April2009 an der Demonstration.Seit Jahren nden jeden Freitag Woche umWoche in vielen Dörfern und Städten Mahn-wachen und Aktionen zur Solidarität mit denGefangenen statt. Beteiligung am 8. Maiu.a.: Bilbo (100), Lizarra (64), Arrigorriaga(42), Mundaka (26), Deba (50), Tafalla (55),Barañain (30), Lazkao (63), Zarautz (135),Antzuola (25), Ondarroa (170), Ugao (26),Oñati (50), Soraluze (55), Iruñea (320),Etxarri-Aranatz (61), Arbizu (40), Gasteiz(416), Bera (20), Donostia (240), Zornotza

(83), Hernani (400), Getaria (30), Orereta(220), …

Freundinnen und Freunde

des baskischen Landes

www.info-baskenland.de

Unmenschliche Haftbedingungen

pan ens reuzzug

gegen die Solidarität

„Wir sind tausende“

„Wir werden ihre Fotos aufstellen (…)“

Solidarität mit den baskischen poli-tischen Gefangenen - einige Beispiele:

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Pressekonferenz derBewegung Pro Amnistia

9. Mai 2009

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Juli 2009 | Gefangenen Info | 15

Kurzmeldungen:

Baskenland: Im Basken-land ist ein weiteres Mit-glied der ETA, Jon Anza,„verschwunden“. In der vergangenen Woche hat-ten Familienmitglieder dasVerschwinden angezeigt.Anza sei am 18. April 2009

in Bayonne in einen Zug nach Toulousegestiegen und sei seitdem verschwunden.Die ETA hat sich nun in einem Schreiben zuWort gemeldet und bekannt gebeben, dassAnza Mitglied der Organisation war und amgenannten Tag ein Treffen mit der Organi-sation hatte. Bei dem Treffen kam er jedochnie an. Bis jetzt fehlt von ihm jede Spur.

Frankreich: Julien Coupatist wieder frei. Er wurde am11. November 2008 zu-sammen mit acht weiteren

Personen im Zusammen-hang mit einem großange-legten „Antiterroreinsatz“der französischen Polizei

festgenommen. Diese wollte einer (von ihr so genannten) „unsichtbaren Zelle“ auf dieSpur kommen. Julien wurde die Beteiligungan „terroristischen Sabotageaktionen“ anZügen vorgeworfen. Nach sieben Monatenim Pariser Gefängnis wurde Julien CoupatAnfang Juni wieder freigelassen. Die achtangeblichen Mitglieder der vermeintlichenZelle waren bis Anfang dieses Jahres frei-gekommen.

Türkei: Im Kindergefäng-nis Istanbul/Maltepe bega-ben sich 6 Minderjährige,die am 15. Februar 2009bei Protesten in Istanbulfestgenommen wordenwaren, Anfang Juni 2009in einen unbefristeten Hun-

gerstreik, um gegen die Folter zu protestie-ren, der sie ausgesetzt seien. Diese Infor-mation habe der 16 jährige V. B. seinemVater bei einem Telefongespräch mitgeteilt,wo er erklärt habe, dass sie den Angriffen

der Wärter ausgesetzt seien und sich einer von ihnen bereits in einer Isolationszellebende.

Norwegen: Laut der Poli-zeiberichte von 2006, 2007und 2008 wurden 5 Aus-länder mit Spritzen betäubtund anschließend abge-schoben. Weitere Auslän-der seien mit Betäubungs-mitteln wie „Stesolid“ oder 

„Nozinan“ „ruhiggestellt“ worden, um einenmöglichen Widerstand bei Abschiebungen

vorzubeugen. Diese Meldungen verursach-ten in Norwegen einen heftigen Aufschreidurch Menschenrechts- und MigrantInnen-organisationen, welche nun fordern, dassErmittlungen eingeleitet werden.

Mit Tumor

im F-TypKampagne fordert dieFreilassung von Güler Zere

Für die krebskranke Güler Zere, eine 37  jährige politische Gefangene in der Türkeiund gleichzeitig eine der Überlebenden desstaatichen Gefängnismassakers vom 19.-22. Dezember 2000, haben verschiedeneOrganisationen und Initiativen eine Kampa-gne mit der Forderung auf Gülers Freilas-sung gestartet. Das Rechtsbüro des Volkes(HHB) erklärte in einer Mitteilung, dass für Güler Zere, die im Elbistan Gefängnis anKrebs erkrankt sei, nun Lebensgefahr be-stünde. Das HHB erklärte außerdem, dass„wegen der Gefängnisbedingungen (...) ihreKrankheit zu spät festgestellt“ worden sei.Weiter heißt es: „Nachdem ihre Krankheitdiagnostiziert war, wurde ihre medizinischeBehandlung von der Gefängnisbehörde un-terbunden. Infolgedessen verschlimmertesich ihre Krankheit und Güler Zere ist inLebensgefahr geraten. Heute deuten ihreÄrzte an, dass eine 30-prozentige Wahr-scheinlichkeit für ihr Überleben besteht,

aber nur bei einer effektiv- und intensivme-dizinischen Behandlung, die ist unter Ge-fängnisbedingungen nicht gegeben. In die-sem Fall verursacht die Nachlässigkeit der Gefängnisbehörde während der Behand-lung von Güler Zere, dass ihr Krankheitszu-stand unheilbaren Stand erreicht hat. Dasheißt, die Türkei verstößt gegen die beidenArtikel ‚das Recht zum Leben‘ (Nr. 2) und‚das Verbot gegen Folter und Misshand-lung‘ (Nr. 3) der Europäischen Menschen-

rechtskonvention.“ Das HHB, dass in ihrer Erklärung darauf verwies, das laut unab-hängigen Menschenrechtsorganisationen306 Gefangene in der Türkei während ihrer Haftzeit gestorben seien, rief gleichzeitigdie Öffentlichkeit zum Mitwirken auf.

Auf Druck der Öffentlichkeit hin wurde Güler Zere anschließend in das Balcali Kranken-

haus von Adana verlegt. Nach der Verle-gung begannen Angehörige von Güler undMenschenrechtsorganisationen mit einemSitzstreik vor dem Krankenhaus, der so lan-ge laufen soll, bis Güler Zere freigelassenwerde. Vor dem Krankenhaus verlas die An-

gehörigenorganisation TAYAD eine Erklä-rung, in der es hieß: „Trotz dreier Berichteder Ärztekammer in Adana sowie der Medi-zinischen Fakultät der Cukurova Universitätwird sie immer noch in der Gefangenenzelledes Balcali Krankenhauses festgehalten.“Am 10. Juli 2009 veröffentlichte das HHBerneut eine Stellungnahme unter dem Titel„Was sich auösen und abnützen wird istnicht der Körper von Güler Zere, sondernes ist eure Justiz“ und führte fort: „Güler Zere wird nicht freigelassen, obwohl diegerichtsmedizinische Abteilung in der Cu-kurova Universität auf Ersuchen der Staats-anwaltschaft Elbistan am 22. Juni und am2. Juli zwei getrennte Berichte anfertigte,die deutlich machen, dass die Gefangeneaufgrund ihrer Krebserkrankung ‚schwer behindert ist‘, dass eine ‚Fortsetzung ihrer Haft ein Risiko für ihr Leben darstellt‘, ‚dassdie Behandlung unter Haftbedingungenunmöglich ist‘ und dass sie so schnell wie

möglich ‚freigelassen werden sollte‘. DieseBerichte wurden schlicht ignoriert. Auchdie klaren Einsprüche und Forderung zur Einhaltung der Gesetze seitens unabhän-giger juristischer Organisationen, wie der Zeitgenössische JuristInnenverband (CHD)und der JuristInnenverein (HD), sowie der Anwaltskammern von Istanbul, Adana undMersin werden ignoriert. Die Warnungender Ärzteorganisationen werden nicht ernstgenommen.“

Während bereits in verschiedenen Städtender Türkei die Kampagne für Güler breitesteUnterstützung ndet, haben Polizei- und Si-cherheitskräfte am 13. Juli 2009 erstmalsdie Angehörigen vor dem Krankenhaus an-gegriffen. Trotz des Angriffes, bei dem Trä-nengas eingesetzt wurde, dauert der Sitz-streik weiterhin an.

Quellen:www.gulerzere.org;Türkei Informationszentrum;TAYAD, www.tayad.org

Redaktion

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In der Bunker-Aula des Knastes San Vittore(Mailand) sind am 11. Juni 2009 die Urteilegegen die Angeklagten im PC p-m Prozessgesprochen worden. Vier der Angeklagtenhatten sich zur PC p-m bekannt:15 Jahre: Davide Bortolato und ClaudioLatino. 13 Jahre und 10 Monate: VincenzoSisi. 11 Jahre und 4 Monate: Alfredo Davan-zo. 11 Jahre und 1 Monat: Bruno Ghirardi.10 Jahre und 11 Monate: Massimiliano To-schi. 8 Jahre und 3 Monate: MassimilianoGaeta. 7 Jahre: Salvatore Scivoli. 3 Jahreund 8 Monate: Andrea Scantamburlo. 3Jahre und 6 Monate: Amarilli Caprio, Al-fredo Mazzamauro, Federico Salotto und

Davide Rotondi. 10 Tage Arrest: Giampie-tro Simonetto. Freispruch: Michele Magon,Alessandro Toschi und Andrea Tonello.Sie sind seit der als „Tramonto“ (Sonnen-untergang) bezeichneten Polizeioperationam 12. Februar 2007 im Gefängnis oder benden sich unter Hausarrest. Etwa 500Polizisten durchsuchten bei diesem Re-pressionsschlag über 70 Wohnungen inMailand, Padua, Triest, Turin und Zürich.Den in Mailand verurteilten Gefangenenwird die Mitgliedschaft und der Aufbau der PC p-m (Kommunistische Partei politisch-militärisch) und die Herausgabe der verbo-

tenen Zeitschrift „Aurora“ (Sonnenaufgang)vorgeworfen. Weiter wird ihnen die Zugehö-rigkeit zu einer „terroristischen Vereinigung“und „Umsturz einer demokratischen Ord-nung“ vorgeworfen.

Rückblick auf den Prozess

Sämtliche Prozesstage mussten die Gefan-genen im Gerichtssaal in Gitterkägen ein-gesperrt verbringen. Im Gefängnis warensie Einzelhaft und Isolationsbedingungenausgesetzt. Die Isolation wird auf der ganzen Welt gegen revolutionäre und Be-

freiungsbewegungen eingesetzt, um ihrenWiderstand zu brechen und Kapitulationzu erpressen. Auch die Korrespondenz mitder Verteidigung wurde durch bürokratischeSpielchen erschwert. Die unter HausarrestStehenden durften weder über Post noch

Mail korrespondieren und nur einen kleinenKreis von Angehörigen empfangen. Ausser Haus, z.B. an der Universität, wurden sieständig von zwei PolizistInnen begleitet.„Aber gerade auf diesem Terrain gab esein erstes positives Resultat: fast alle Ge-nossInnen haben sich gegenüber der Re-pression würdig verhalten, jenseits aller Un-terschiede der Position und des militantenEinsatzes. Die repressive Absicht der Ex-artikulation und Entzweiung wurde in eineGelegenheit zur Einheit und Bestätigungder revolutionären Gründe unter den Ange-klagten und unter diesen und der äußerensolidarischen Mobilisierung verkehrt. Eine

Einheit, die ermöglicht hat, die Isolation mitden von den Gefangenen vorangebrachtenHungerstreiks und den vor den Gefängnis-sen stattndenden Unterstützungsinitiati-ven von außen wirkungsvoll zu bekämpfen.

Die Aufhebung der Isolation selbst ist soerkämpft worden.“ (Aus der Erklärung „Der Revolution wird kein Prozess gemacht“,

verlesen im Mailänder Gerichtssaal am 4.Mai 2009)Die Angeklagten wurden zusammen zumehr als 110 Jahren Knast verurteilt. Siehaben mit erhobener Faust und dem Sin-gen der Internationalen auf die Verlesung

der Urteile am 11. Juni reagiert. Ein Aus-zug aus einer Erklärung der Militanten für die Konstituierung der PC p-m verdeutlicht,gegen wen sie den Prozess und das Urteilgerichtet sehen: „(...) die Wiederaufnahmedes revolutionären Prozesses (ist) nochlangsam, in ihren Anfängen. Aber es gibtsie! Und das ist die Gefahr, die der Staatbannen will, indem er schon bei seiner Ent-stehung jeden Ansatz einer revolutionärenOrganisierung zerstört, die sich mit den not-wendigen (...) Instrumenten ausrüstet, umden Klassenkampf konsequent zu entwi-ckeln.“ (Aus der Erklärung „Der Revolutionwird kein Prozess gemacht“).

Aktuelle Situation der Gefangenen

Fast alle Gefangenen wurden inzwischen inden Hochsicherheitsknast Siano-Catanzaroverlegt: Andrea Scantamburlo, Alfredo Da-vanzo, Bruno Ghirardi, Massimiliano Gaeta,Salvatore Scivoli, Massimiliano Toschi undVincenzo Sisi. Schreiben kann man ihnenauf folgende Adresse: Casa Circondariale,Via Tre Fontane 28 – 88100 Siano (CZ).Claudio Latino und Davide Bortolato sindimmer noch im Knast von Opera: Via Cam-porgnago, 40, 20090 Milano – Opera (vgl.:

Gefangenen Info Ausgabe 346).

Solidaritätsaktivitätenwegen der Urteilsverkündung

Soliaktionen für die Gefangenen gab es inZürich, wo in der Nacht vom 10. auf den11. Juni brennende Barrikaden vor demitalienischen Konsulat errichtet wurden.Solidaritätserklärungen nach der Urteilsver-kündung sind von der Roten Hilfe Interna-tional, dem Revolutionären Aufbau aus der Schweiz, dem Netzwerk für die Freiheit aller politischen Gefangenen und von anarchi-

stischen GenossInnen verfasst worden. DieErklärungen und weitere Hintergründe sindunter www.rhi-sri.org, www.aufbau.org undwww.political-prisoners.net zu lesen.

Redaktion

16 | Gefangenen Info | Juli 2009

Mailand: Urteile gegen PC p-m

Rückblick auf den Prozess

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8/6/2019 Gefangenen Info #348

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In der letzten Ausgabe des GefangenenInfo hatten wir ein Interview mit dem Ber-liner Mumia-Bündnis zur aktuellen Entwick-lung in Mumias Fall abgedruckt. Seither hatsich die Mobilisierung für Mumia Abu-Jamalintensiviert und konkretere Planungen sinderkennbar geworden.

Bundesweiter Aktionstag: Mumia 3+12

Mittlerweile gibt es den Aufruf zu einem bun-desweiten Aktionstag, am dritten Tag nachVerkündung eines Todesurteils um 12.00Uhr dezentrale Aktionen durchzuführen.

Aktuelle Informationen über die Situationvon Mumia und über die Mobilisierung:

www.freedom-now.de

www.mumia-hoerbuch.de

Mumia Infotour 

Das Berliner Mumia-Bündnis hat in Zusam-menarbeit mit der Roten Hilfe eine überre-gionale Infotour gestartet, die Anfang Julibegonnen hat. Die Infotour soll neben der Informationsvermittlung mitunter dazu die-nen, die Mobiliserung gegen eine Hinrich-tung Mumias zu stärken.Folgend die Termine:

● Freitag, 24. Juli 2009 18:30AZ, Frankenstr. 25a, 49082 Osnabrück

● Sonntag, 26. Juli 2009 17:00Alhambra, Hermannstr. 83

26135 Oldenburg

● Montag, 27. Juli 2009 19:00B5, Brigittenstr. 5, 20359 Hamburg

● Dienstag, 28. Juli 2009(Zeit/Ort werden noch bekannt gegeben)Münster 

● Donnerstag, 30. Juli 2009 19:30Kulturzentrum Paradox (gr. Saal)Bernhardstr. 10 - 12, 28203 Bremen

● Sonntag, 9. August 2009 18:30

La Datscha, Am Babelsberger Park 1514482 Potsdam

● Dienstag, 11. August 2009 19:00Cafe Wagner, Wagnergasse 2607743 Jena

Juli 2009 | Gefangenen Info | 17

Kurzmeldungen:

Peru: Um die Protestegegen die Ansiedlung vonÖlrmen auf indigenenGebieten durch die Re-gierung Alan Garcías zuunterdrücken, setzte dieRegierung Militär- undSondereinheiten ein. An

den Protesten beteiligten sich ca. 600.000Menschen. Am 05. Juni 2009 wurden bis zu40 Menschen bei einer gewaltsamen Räu-mung einer Straßenblockade durch die Po-lizei getötet. Am 11. Juni 2009 wurde, nacheiner Abstimmung im Parlament, das um-strittene Dekret bis auf weiteres außer Kraftgesetzt. Die Proteste gehen weiter.

Griechenland: Am 09. Juli2009 wurden drei Männer aus Pakistan mehr als AchtStunden auf der Polizeiwa-

che von Imi von Beamtengefoltert und erniedrigt.Sie wurden während desgesamten Zeitraumes be-

droht, nackt ausgezogen, immer wieder geschlagen, einer bekam eine Pistole andie Schläfe gedrückt. Der Sprecher der pakistanischen Gemeinde verlangte dieErmittlung und Bestrafung der beteiligtenBeamten.

Baskenland: Der inzwi-schen 51-jährige bas-kische politische Gefan-

gene Jose Mari Sagardui,genannt Gatza, hat mehr Zeit seines Lebens im Ge-fängnis verbracht als inFreiheit. Heute sind es 29

Jahre. Er ist damit der am längsten inhaf-tierte politische Gefangene Europas. Diespanische Polizei verhaftete ihn 1980. Fol-tervorwürfe, die er gegen die Polizei erhob,wurden ignoriert. Seit seiner Verurteilungwurde er insgesamt 34 Mal von einem Ge-fängnis ins nächste verlegt. Weitere Infosunter: www.info-baskenland.de

Frankreich: Am 08. Juli2009 räumte die franzö-sische Polizei zusammenmit dem örtlichen SWAT-Team gewaltsam das seitJanuar besetzte Haus „LaClinique“ in Montreuil imOsten von Paris. Wäh-

rend einer Demonstration gegen die ge-plante Räumung des Hauses stürmte diePolizei ohne Vorwarnung das Haus undzielte mit Gummischrot auf Kopfhöhe der Demonstranten und BewohnerInnen. Ein17-jähriger Jugendlicher verlor durch einen

Schuss eines Polizisten sein Auge. Allein indiesem Jahr verloren bereits drei Personendurch Gummischrot der Polizei ihre Augen.Weitere Infos unter: http://laclinique.over-blog.net.

Der Generalsekretär der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), AhmadSa‘adat, setzt seinen begonnen Hunger-streik seit Juni gegen die von der israe-lischen Gefängnisverwaltung praktiziertePolitik der Isolationshaft gegen palästinen-sische Gefangene fort.Die Lage ist ernst und verlangt eine breiteöffentliche Solidarität und Unterstützungder palästinensischen Gefangenen in denGefängnissen der Besatzer und Solidaritätmit Ahmad Sa‘adat. In dem Versuch, ihreKraft, Solidarität und Standhaftigkeit zu un-terminieren, werden die palästinensischenGefangenen in Isolationshaft gehalten undregelmäßig in andere Gefängnisse verlegt.Die zunehmenden israelischen Angriffegegen die Rechte der Gefangenen, die imLaufe vieler Jahre erkämpft wurden, be-

gannen sofort nach dem verbrecherischenKrieg gegen Gaza und werden seitdem fort-gesetzt.

Schreiben Sie Protestbriefe gegen die is-raelische Isolationspolitik an die israelischeBotschaft in ihrem Land:

http://www.mfa.gov.il/MFA/About+the+Ministry/Diplomatic+missions/Web+Sites+of+Isr aeli+Missions+Abroad.htm

Schreiben Sie auch an das InternationaleKomitee vom Roten Kreuz (IKRK). FordernSie das IKRK auf, sein Schweigen zur Si-tuation der palästinensischen Gefangenenzu beenden und sich aktiv für ihre Rechteeinzusetzen. Kontaktieren Sie das Jerusa-lemer Büro der IKRK:

 [email protected]

Schicken Sich bitte eine Kopie Ihrer Briefeund Erklärungen an [email protected]. Werden Sie jetzt aktiv für dieFreiheit von Ahmad Sa‘adat und alle palä-stinensischen Gefangenen.

Die Kampagne

zur Freilassung Ahmad Sa‘adat 

http://www.freeahmadsaadat.org/ 

[email protected] 

Ahmad Sa‘adatim Hungerstreik

Mobilisiert für

Mumia

Mumia Infotour 

Bundesweiter Aktionstag: Mumia 3+12

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8/6/2019 Gefangenen Info #348

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18 | Gefangenen Info | Juli 2009

Als ich der GI-Re-daktion zusagte,eine meiner Pho-tographien zur Verfügung zustellen, wurde ich

um ein paar be-gleitende Sätzegebeten, die mei-nen Bezug zumThema Knasterläutern. Nochwährend ich michfragte, wie es mir 

gelingen würde, ein so komplexes Themain wenige Sätze zu fassen, bekam ich dieletzte Ausgabe des GI in die Hände undlas den Auszug aus dem Brief von NurhanErdem. Ohne mich aus der Affaire ziehenzu wollen, möchte ich hier auf ihre Worte

verweisen, denn die gleichen Analysen, diegleichen Überlegungen, die gleichen Fra-gen beschäftigen mich seit Jahren. Und sowie Nurhan habe auch ich noch nicht auf alle Fragen eine Antwort gefunden.Sicher ist, dass Knast menschenunwür-dig ist. Dass Knast keine Lösung ist. Dassdie Inhaftierung von Menschen, die für soziale Gerechtigkeit und menschenwür-dige Gesellschaftsformen einstehen, eineSchande für die Gesellschaft ist. Dass dieInhaftierung von Menschen, die straffälliggeworden sind, weil das herrschende Sy-stem ihnen keinen Platz gelassen hat, ein

Armutszeugnis für die Gesellschaft ist.Doch wie sieht es aus mit Sexualverbre-chern, Gewalttätern, Ausbeutern (allen vo-ran solche mit Schlips und Kragen), etc.?Wo und wie unterscheidet man zwischenMenschen, die gewissermaßen Opfer des

Systems sind, und solchen, die höchstensOpfer ihres eigenen Egoismus, ihrer Gier und ihrer Rücksichtslosigkeit sind? Wo hörtdie kollektive Verantwortung auf, und wofängt die individuelle Verantwortung an?Wann ist Knast in diesem Zusammenhang

notwendig, selbst wenn er keine Lösungdarstellt; und wann muss man feststellen,dass eine Knaststrafe nur Symptom für dieUnfähigkeit einer Gesellschaft ist, miteinan-der statt gegeneinander zu leben?Ich würde mir wünschen, dass das GI einesolche Debatte in den folgenden Ausgabenvertieft und dass möglichst viele Betroffenesich daran beteiligen.Ergänzend möchte ich an dieser Stellenur eine Frage anschließen, die mich alsLebensgefährtin eines der Angeklagtenim sogenannten mg-Verfahren unmittel-bar betrifft. Haft wird in diesem Staat als

repressive Bestrafungsmaßnahme gegenMenschen, die vermeintlich oder tatsächlichgegen die bestehenden Gesetze verstoßenhaben, gehandhabt. Doch damit nicht ge-nug, wird auch den nächsten Angehörigen,die mit dem vermeintlichen Verstoß über-haupt nichts zu tun haben, Gewalt angetan.Wie viele, selbst nach staatlichem Gesetzund Richtspruch Unschuldige sind tagtäg-lich, über Wochen, Monate und Jahre hin-weg, mit der Abwesenheit eines naheste-henden Menschen konfrontiert und werdendamit mitbestraft? Und mit welcher Recht-fertigung? Wie viele Menschen werden so

täglich zu Geiseln der staatlichen Justizgemacht?Stellen wir gemeinsam, offensiv und kon-struktiv die Institution Knast in Frage!

Lara Melin, Photographin

Thomas Meyer-Falk: Zu„Solidarität muss praktischwerden“ vom 13. Juli 2009

In einem inhaltlich, wie auch was die For-

derungen und Anregungen betrifft ebensowichtigen wie richtigen Diskussionsbeitrag,brachte es die Redaktion es auf den Punkt,worum es in der Antirepressionsarbeit auchgeht.Dabei blickt der Beitrag über die eigene lin-ke Szene hinaus und möchte richtigerweiseauch die sozialen Gefangenen einbezogenwissen - und künftig intensiver einbeziehen.Während alte Knäste, wie der hier in Bruch-sal (Grundsteinlegung 1848!) durch ihregrauen Mauern die Gefangenen zu erdrü-cken drohen, bieten die Neubauten (wie der im Juni 2009 eröffnete Bau in Offenburg) ste-rile, kalte Hightech-Funktionsbauten, in de-nen noch deutlicher spürbar wird, dass Ge-fangene Nummern, Verfügungsmasse sind.Auch mancher Schnickschnack (so sind in

Offenburg die Zellen standardmäßig mitFernsehern ausgestattet, es gibt Stations-küchen) ändert nicht daran, dass wir hinternMauern sind. Und ob es das GefangenenInfo ist, andere Publikationen oder eben der 

persönliche Kontakt zu Menschen draußen:der Brückenschlag zwischen „drinnen“ und„draußen“ ist überlebensnotwendig. Nichtnur die Gefangenen selbst, denen der Kon-takt Kraft und Mut gibt, im Alltag durch zuhalten. Sondern meines Erachtens auch für alle in Freiheit. Einerseits damit sie einenauthentischen Einblick in den Knastalltagerhalten und vorbereitet sind, sollte es sieselbst mal erwischen; anderseits weil eineemanzipatorische Bewegung, die sich nichtum die Eingeknasteten kümmert, schon vonAnfang an verloren hätte.

JVA Bruchsal - 3113Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsalhttp://www.freedomforthomas.wordpress.com

Schreibt Thomas Meyer-Falk

    G    E    F    A    N    G    E    N    E

Lara Melin:„Die Institution Knast in Frage stellen!“

Diskussionsbeitragvon Thomas Meyer-Falk

 zum thema

knast!

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„Wieviel sind hintern Gittern, die wir draußen brauchen!“Politische Gefangene -

Sendung zu Repression und Widerstand

Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis19 Uhr.Zu empfangen per Livestream über:www.radiofora.de

Juli 2009 | Gefangenen Info | 19

GEFANGENE

 jeden Freitagvon 19 bis 20 Uhr auf Radio - FSK -FM 93,0 MHz / 101,4 MHz (im Kabel)livestream: www.fsk-hh.org/livestream

mail: [email protected]: 040 - 432 500 46Postbox: Redaktion K&J c/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

Beiträge des Gefangenen Info der Ausgabe 346 sind zu hören!

Radio CORAX aus Halle befasste sich imRahmen der Sendung „Impressum - Der linke Medienspiegel auf Radio CORAX“intensiv mit dem Gefangenen Info 346.

Zu hören ist die Sendung unter:http://medienspiegel.podspot.de/

Schreibt denGefangenen aus

unserer Bewegung!

Ahmet Düzgün YükselJVA Stuttgart StammheimAsperger Str. 6070439 StuttgartInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Ahmet IstanbulluJVA WupperalSimonshöfchen 2642327 WuppertalInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Alexandra Remus

Buchungsnummer 354/09/3Arkonastraße 5613189 BerlinInfos: www.free-alexandra.tk 

Birgit HogefeldObere Kreuzäckerstr. 460435 Frankfurt

Cengiz ObanJVA BochumKrümmede 344791 BochumInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Christian SümmermannBnr: 441/08/5JVA PlötzenseeLehrter Str. 6110557 BerlinInfos: www.freechristian.de.vu 

Devrim Güler JVA Stuttgart StammheimAsperger Str. 6070439 StuttgartInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Faruk ErerenJVA Düsseldorf Ulmenstr.95

40476 Düsseldorf Infos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Gabriel Pombo da SilvaJVA AachenKrefelder Str. 25152070 AachenInfos: www.escapeintorebellion.info

Hasan SubaşıJVA Stuttgart StammheimAsperger Str. 6070439 StuttgartInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Ilhan DemirtaşJVA Stuttgart StammheimAsperger Str. 6070439 StuttgartInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Jose Fernandenz DelgadoJVA RheinbachAachener Str. 4753359 RheinbachInfos: www.escapeintorebellion.info

Lukas Winkler JVA EbrachMarktplatz 196157 ErbachInfos: www.hausbesetzerinnensoli.de.vu 

Marco CamenischPostfach 3143CH-8105 Regensdorf 

Infos: www.rhi-sri.org 

Mustafa AtalayJVA Stuttgart StammheimAsperger Str. 6070439 StuttgartInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Nurhan ErdemJVA KölnRochusstraße 35050827 KölnInfos: www.no129.info

www.political-prisoners.net 

Rainer DittrichJVA LübeckMarliring 4123566 LübeckInfos: www.beepworld.de/ 

derroteracher/rainerdittrich.htm

Stephanie Träger JVA MünchenAm Neudeck 1081541 MünchenInfos: www.hausbesetzerinnensoli.de.vu 

Sven Mauer JVA München-StadelheimStadelheimerstr. 1281549 München

Infos: www.hausbesetzerinnensoli.de.vu 

Thomas Meyer-FalkJVA Bruchsal, Z. 3117Schönbornstraße 3276646 BruchsalInfos: www.freedom-for-thomas.de

www.freedomforthomas.wordpress.com

Werner Braeuner JVA SehndeSchnedebruch 831319 Sehnde

Anmerkungen:

Wir freuen uns, dass wir Natalja Liebich nicht mehr auf dieser Liste aufführen müssen, da sie mittler-weile freigelassen wurde.Auch der Gefangene Ilhan Yelkuvan wurde aus der Liste gestrichen, da er sich mittlerweile im offenenVollzug bendet.

Gefangenenadressen in aktualisierter Form auf www.political-prisoners.net

Aktionen im Baskenland für diebaskischen politischen Gefangenen

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