Gefangenen Info #320

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #320

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    Gefangenen InfoC 10190 16.1.2007 Preis: 1,55 320

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Christian Klar, ehemaliger Angehriger derRote-Armee-Fraktion (RAF), seit 1982 in-haftiert und 1985 zu lebenslanger Frei-heitsstrafe verurteilt, wandte sich am Sams-tag mit einer Erklrung an die Teilnehmerder diesjhrigen Rosa-Luxemburg-Konfe-renz:

    Liebe Freunde, das Thema der diesjhri-gen Rosa-Luxemburg-Konferenz Das gehtanders bedeutet so verstehe ich es vorallem die Wrdigung der Inspiration, dieseit einiger Zeit von verschiedenen LndernLateinamerikas ausgeht. Dort wird nachzwei Jahrzehnten sozial vernichtender Re-zepte der internationalen Besitzerklasseendlich den Rechten der Massen wiederGeltung gegeben und darber hinaus an ei-ner Perspektive gearbeitet.Aber wie sieht das in Europa aus? Von

    hier aus rollt weiter dieses imperiale Bnd-nis, das sich ermchtigt, jedes Land der Er-de, das sich seiner Zurichtung fr die aktu-elle Neuverteilung der Profite widersetzt,aus dem Himmel herab zu zchtigen undseine ganze gesellschaftliche Daseinsformin einen Trmmerhaufen zu verwandeln.Die propagandistische Vorarbeit leisten da-bei Regierungen und groe professionelle

    PR-Agenturen, die Ideologien verbreiten,mit denen alles verherrlicht wird, was denMenschen darauf reduziert, benutzt zu wer-den.

    Trotzdem gilt hier ebenso: Das geht an-ders. Wo sollte sonst die Kraft zu kmpfenherkommen? Die spezielle Sache drfte

    sein, dass die in Europa konomisch gera-de abstrzenden groen Gesellschaftsbe-reiche den chauvinistischen Rettern ent-rissen werden. Sonst wird es nicht mglichsein, die Niederlage der Plne des Kapitalszu vollenden und die Tr fr eine andereZukunft aufzumachen.

    Es muss immer wieder betont werden:Schlielich ist die Welt geschichtlich reifdafr, dass die zuknftigen Neugeborenenin ein Leben treten knnen, das die volleFrderung aller ihrer menschlichen Poten-tiale bereithalten kann und die Gespensterder Entfremdung von des Menschen ge-sellschaftlicher Bestimmung vertriebensind.Den Artikel finden Sie unter:http://www.jungewelt.de/2007/01-15/039.php(c) Junge Welt 2007Foto von 1992

    Dokumentiert

    Christian Klar: Das geht anders

    Demokratische Massenorganisatio-nen in der Trkei bilden

    Eine einzige

    Stimme gegenIsolation

    Es ist ein Wettlauf mit der Zeit ... Die wich-tigsten Gewerkschaften, Massenorganisa-tionen, zivilgesellschaftlichen Einrichtun-gen und Berufskammern sind Teil diesesKampfes.

    Es ist ein und derselbe Kampf, ein unddieselbe Parole: Hebt die Isolation auf, Be-endet das Sterben.

    Diese Einheit zu erzielen, hat viel an Kraft

    und Einsatz erfordert.Der Kampf gegen das Isolationsregime inden F-Typ-Gefngnissen der Trkei wirdseit 7 Jahren ohne Unterbrechung und inunterschiedlichsten Aktionsformen fortge-

    setzt. Es ist seitdem kein Tag vergangen, andem nicht international oder innerhalb der

    Trkei auf die grausamen Folgen der Isola-tionspolitik aufmerksam gemacht wurde.Doch unter dem Motto Wenn nicht dar-ber berichtet wird, lst sich das Problem vonselbst haben die Medien ihr Schweigen

    ber die Isolationsrealitt und die mittler-weile 122 Todesopfer und mehr als 600 aufDauer geschdigten Menschen im Zuge die-ses Kampfes fortgesetzt.

    Eine neue Qualitt erreichte der Wider-stand gegen Isolation insbesondere wh-rend der letzten 283 Tage (13. Januar 2007),als sich Rechtsanwalt Behic Asci in seiner

    Wohnung dem Kampf der vier Tage zuvor,am 1. Mai ins Todesfasten eingetretenenGefangenen Sevgi Saymaz anschloss undnur einen Monat spter die zweifache Mut-ter Glcan Grroglu.

    Neben namhaften KnstlerInnen und In-tellektuellen, die sich seit Monaten zu ei-nem Komitee gegen Isolation zusammen-geschlossen haben, machen auch die An-waltskammern und die trkische rztever-

    einigung, teils Zehntausende Mitgliederumfassende Gewerkschaften und Berufsor-ganisationen, mit ffentlichen ProtestenDruck auf das Justizministerium.

    Dem mehr als 1200 Tage andauernden

    Behic Asci

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    Sitzstreik von TAYAD-Angehrigen im Ab-di-Ipekci Park von Ankara kommt nun auchein wchentlicher Sitzprotest auf dem tou-

    ristenbekannten Taksim-Platz in Istanbulhinzu. Zahlreiche Massenorganisationentreffen sich dort jeden Samstag, um ein En-de der Isolationswillkr zu fordern und demSterben ein Ende zu setzen.

    Selbst dort wird mit Mitteln der Ein-schchterung eine mittlerweile allseits be-kannte Tatsache zu vertuschen versucht. Somusste der Protest am 6. Januar unter Pr-senz von Suchhunden, Mobilen Einsatz-krften und Polizeipanzern stattfinden.Mitglieder der Gewerkschaften KESK undDISK Genel-Is, die den Sitzstreik mitorga-nisiert hatten, zeigten sich wie der Rest derMasse entschlossen: Der Kampf gegen dieIsolationshaft wird andauern und nicht andieser Stelle enden.

    Das Justiz-ministerium

    verschlietsich immernoch einerLsung, indem es dielngst un-berhrbarenMassenprote-

    ste mit Dem-agogien ber-tnen will. Erlsst nach wievor durch dieMedien klin-gen, dass der

    Widerstand von der Organisation gelenktwird und sie mit der Organisation keine

    Verhandlungen eingehen knnten. Justiz-minister Cemil Cicek will sogar vom Ge-sprch des Parlamentsvorsitzenden Blent

    Arinc mit VertreterInnen verschiedenerNGOs, an dem sich am 26. Dezember auch

    die Mutter von Rechtsanwalt Asci, FaziletErdogan beteiligte, nichts gewusst haben.Arinc hatte der Delegation gegenber dieF-Typen als unmenschlich bezeichnet.

    Richtige Lsungsvorschlge sind seitens

    der Regierung noch nicht gekommen. Sieversucht die ffentlichkeit mit den WortenEs knnten Verbesserungen gemacht wer-

    den hinzuhalten. Dabei haben eine In-spektion der Trkischen rztevereinigungin den F-Typ-Gefngnissen, ebenso wie dieFolterungen und Disziplinarstrafen ge-genber Gefangenen im Jugendgefngnisin Sincan gezeigt, was es mit der Verbes-serung auf sich hat. Dennoch, die Hoff-nung auf den Sieg ber die Isolationsfolterist grer denn je.

    Dass aber der Protest gerade jetzt umsoenergischer weitergefhrt werden muss, be-schreibt Glcan Grroglu an ihrem 250.Tag des Streiks: Es stellen sich uns allengewisse Aufgaben bei der Lsung des Pro-blems. Es macht keinen Sinn, darauf zuwarten, dass es sich von selbst lst. Die Tat-sache, dass die Isolation heute zu einem ak-tuellen Thema geworden ist und sich dieRegierungsverantwortlichen hinter ihrenklassischen Demagogien und Lgen ver-stecken, zeigt deutlich, wie sehr sie sichdurch unsere Beharrlichkeit und unserenKampf in die Enge getrieben fhlen. Auchwenn unser Kampf heute eine bestimmteStufe erreicht hat, so ist das Problem nochnicht gelst. Wir sollten uns mehr denn jeanstrengen. Ich sage aus ganzer berzeu-

    gung: ,Wir werden die Isolation aufheben.

    Belgien

    Senatoren besuchenDHKC-GefangeneGegen Musa Asoglu, Skriye Akar und KayaSaz, die wegen eines DHKC Prozesses seitdem 28. Februar 2006 im belgischen Brg-ge Gefngnis inhaftiert sind, wurde eine spe-

    zielle Isolationshaft praktiziert. Am 12. De-zember 2006 hat das Revisionsgericht vonBrssel eine Entscheidung getroffen, wo-nach das Justizministerium und die Ge-fngnisleitung die Praktiken und die Bedin-

    gungen ndern mssen. Aber die eigentli-che wichtige Seite der Isolationshaft, derEinzelhofgang, wurde nicht aufgehoben. Die

    belgischen Senatoren haben sich in den letz-ten Tagen in Bewegung gesetzt, um die Be-dingungen, denen die Gefangenen ausge-setzt sind, endgltig zu verbessern.Am 20. Dezember 2006 haben die Sena-

    toren Josy Dubie von der Ecolo-Partei undClotilde Nyssens von der CDH-Partei die DH-KC-Gefangenen besucht. Die beiden Sena-toren haben Bahar Kimyongr, der sich imGefngnis in Gent befindet, und Musa Aso-glu und Skriye Akar, die sich im Gefng-nis in Brgge befinden, besucht. Weiterhinwurde bekannt, dass sich die beiden Sena-toren mit den Direktoren der beiden Ge-fngnisse getroffen htten.Auerdem wurde mitgeteilt, dass drei rz-

    te in der vergangenen Woche Asoglu undAkar besucht und diesbezglich Berichte an-gefertigt htten.

    In der ersten Januar-Woche soll hinsicht-lich der Besuche und Entwicklungen einePressekonferenz abgehalten werden.

    Musa Asoglu hat auf die Entwicklungenhin seinen Hungerstreik am 22. Dezember2006 beendet. Mit dem folgenden Brief gaber des Ende seines Hungerstreiks bekannt:

    Die Entscheidungsprozesse vom 22. Fe-bruar 2006 vor dem Brgge Gericht und vom7. November 2006 vor dem Hohen Gerichtin Gent sind ein Beweis dafr, dass diese Ge-richte keine rechtlichen, sondern politischenGerichte sind.

    Die Entscheidung am 28. Februar 2006, inder es heit; ,die Angeklagten haben viel-leicht in unserem oder einem anderen Landkeine Verbrechen begangen, aber die Orga-nisation, der sie angehren, fhrt in der Tr-kei einen bewaffneten Kampf, deshalb ver-urteilen wir die Angeklagten fr die Verbre-chen ihrer Organisation, und die Entschei-

    dung vom 7. November 2006, in der es heit;,die marxistisch-leninistische Ideologie der Angeklagten und ihrer Organisation liegtauf der Hand. Was sie gefhrlich macht, istdiese Ideologie. Deshalb verurteilen wir sie

    Trotz Repression: Protest gegen Isolationshaft wird zu einer breiten Bewegung

    Glcan Grroglu

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    im hchsten Grade , beweisen, in wessenNamen diese Gerichte errichtet wurden.

    Die antidemokratischen Krfte, die nachdem 11. September durch die weltweit durchden Imperialismus verbreitete Demagogievom ,Kampf gegen den Terror ihre Krfteentnahmen, haben sich hinter diesen Dem-agogien verkrochen und versucht, ihre Zu-sammenarbeit mit dem faschistischen Regi-me der Trkei, das unzhlige Menschheits-

    verbrechen begangen hat, zu rechtfertigen.Man hat es sogar fertiggebracht, die in derTrkei begangenen Flle von Folter, Massa-ker, Verschwindenlassen, Verbrennen bei le-bendigem Leibe, ungelste Attentate, all desRaubs von Rechten und Freiheiten usw., jasogar der Menschheitsverbrechen, in derEntscheidung vom 7. November damit zu

    begrnden, ,dieTrkei hat dasRecht, sich gegen,Terror zu vertei-digen und dieseVerste resultie-

    ren aus der Selbst- verteidigung desStaates. Somitwurde die Unver-schmtheit ge-zeigt, dies im Na-men der Justizund der VlkerBelgiens zu ver-

    teidigen.Die Verurteilung zeigt gleichzeitig, zu wel-

    chem Zweck die Anti-Terror-Gesetze dembelgischen Recht angepasst wurden unddass diese von nun an wie ein Damokles-Schwert ber all den demokratischen Rech-ten und Freiheiten schwingen. Auch wennsie eingestehen mssen, dass es keine Akti-on von uns gibt, die dem Gesetz nach derDefinition von Terror entspricht, haben sie,indem sie meinten: ,sie haben der ffent-lichkeit gegenber ,positive Kommentareber eine terroristische Organisation ge-macht und das reicht aus, das Anti-Terror-Gesetz einzusetzen, mit einer beispielhaftenEntscheidung, die jede Form der Solidarittmit den Vlkern der Erde und den demo-kratischen Kampf in den Rahmen des ,Ter-

    rors einbeziehen kann, alle demokratischenKrfte eingeschchtert und das Fundamentfr neue Angriffe gebildet.

    Die Kollaboration mit dem Faschismuslsst dahinrotten. Die Vlker Belgiens habenin den Jahren der Besatzung diese Schandemehr als genug erlitten. Und ber uns wirdversucht, diese Schande erneut ins Leben zurufen.

    Diejenigen, die uns im Namen des faschi-stischen Regimes der Trkei verurteilten,wollten die Vollstreckung durchfhren, in-dem sie Isolationshaftbedingungen prakti-zieren wollten, die den F-Typ-Gefngnissen

    des faschistischen Regimes der Trkei innichts nachstehen sollten. Unsere Gefan-genschaft, die am 28. Februar begann, wur-de durch die Isolationshaft in eine Rache-aktion umgewandelt, die alle Grenzen der

    Willkr berbot.Diejenigen, die die Beschmtheit darber

    durchleben, dass sie Fehriye Erdal nicht andas faschistische Regime der Trkei auslie-fern konnten, sind auch die Architekten derseit 10 Monaten andauernden willkrlichenIsolationshaft.

    In diesem Sinne sind unsere Haftbedin-gungen ein Teil der Isolationsfolter in derTrkei. Deshalb habe ich am 30. Oktober ei-

    nen unbefristeten Hungerstreik begonnen,um den groen Widerstand in den Isolati-onsgefngnissen der Trkei zu untersttzenund gegen die Isolationspraktiken zu prote-stieren, denen wir ausgesetzt sind. Nach derBeendigung der Lichtfolter, die praktiziertwird, indem das Licht die ganze Nacht bisin den Morgen hinein angelassen wird, undder Beendigung des Zeitungsverbots hat dasHohe Gericht von Brssel den Besuch unddie Telefonate ber die Verwandten hinausanerkannt und die Entscheidung darber,dass die Isolationshaft gegen uns nicht le-gitim ist, hat diese Politik verurteilt.

    Die belgischen Senatoren Josy Dubie undClotilde Nyssens, die mich am 20. Dezem-ber besuchten, haben mitgeteilt, dass sie alseine Delegation in die Trkei zum Besuchdes todesfastenden Behic Asci reisen undsich dort ber das Justizministerium einset-zen mchten, dass sie dies in diesem Rah-men im Senat auf die Tagesordnung brin-gen mchten und dass sie sich fr die L-sung unseres Isolationsproblems einsetzenund politische Aktivitten unternehmenmchten. Daraufhin habe ich meinen Hun-gerstreik, dessen Beweggrnde waren:

    - die Untersttzung des groen Wider-standes

    aufgrund des Beginns der Aufhebung derIsolationshaft gegen uns am 22. Dezember,dem 54. Tag, beendet, nachdem er sein Zielerreicht hat.

    Zur Verlegung der Gefangenen in die F-Typ-Isolationsgefngnisse der Trkei habendie staatlichen Krfte mit Gasbomben,Schlagstcken, Feuerwaffen die Menschenvom 19.-22. Dezember 2000 lebendig ver-brannt und 28 politische Gefangene ermor-det. Um gegen dieses Massaker zu prote-stieren, sah ich es als ntig an, meinen Hun-

    gerstreik erst am 22. Dezember zu beenden.Nicht der Kampf gegen den Faschismus,sondern die Untersttzung des Faschismusist ein Verbrechen!

    Es lebe der demokratische Kampf fr Rech-te und Freiheiten!

    Nein zur Isolationshaft, den Anti-Terror-Gesetzen und zur Kollaboration mit dem Fa-schismus!

    PS: Ich gre alle demokratischen Men-schen und Einrichtungen, die im Rahmenunseres Prozesses fr das Recht auf Mei-nungs- und Organisierungsfreiheit, gegendie Anti-Terror-Gesetze und gegen die im

    Rahmen der Isolationshaft praktizierte Will-kr und Ungerechtigkeit uns mit ihrer Ar-beit und Anteilnahme untersttzt haben.Musa Asoglu20.12.2006

    Zur Haftstuation vonSkriye Akar

    Es gibt Neuigkeiten:Am 24. Dezember wurde unsere Isolati-

    on nach einem Gerichtsurteil vom 12.De-zember aufgelockert. Somit gelten folgen-de Haftbedingungen: Normale Post: Briefe werden nicht mehr

    kontrolliert. Besuche sind nicht mehr auf Verwandtebeschrnkt, allerdings wird es noch einenMonat hinter Glas stattfinden.

    Telefonate mssen nicht auf Verwandtebeschrnkt bleiben.

    Nach 2 Monaten darf ich mit anderen Ge-fangenen zum Hofgang.Sonst bleibt die Isolation erhalten. Es gel-

    ten also immer noch Sonderhaftbedingun-gen fr uns.Skriye Akar am 27.12.06

    Schweiz

    Erdogan fhrtHungerstreik weiterErdogan befindet sich nun seit fast drei Wo-chen im Hungerstreik. Zum Hungerstreik

    entschlossen hatte er sich ursprnglich, umauf die Situation in der Trkei aufmerksamzu machen und sich mit dem Todesfastendes trkischen Anwalts Behic Asci zu soli-darisieren.

    Auszge aus ErdogansSolidarittserklrung (bersetzt ausdem Trkischen):

    Die neunmonatige Erfahrung im Gefng-nis hat mir das wahre Gesicht der F-Typ-Zellen gezeigt! Dass jeden Morgen um 6Uhr ein Wrter in die Zelle kommt, um zu

    sehen, ob ich mich erhngt habe, zeigt diepsychologische Grausamkeit der Gefng-nisse. Wenn ein ,demokratisches Land wiedie Schweiz dies so macht, dann kann mansich vorstellen, wie die Trkei vorgeht.

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    Seit 7 Jahren kmpfen die politischenGefangenen gegen die Isolationszellen. Da-bei starben 122 und 600 leiden an schwe-ren gesundheitlichen Schden. Wenn wirnicht schnell eine Lsung finden, werdennoch weitere Revolutionre sterben. DieGenossen Behic, Glcan und Sevigi befin-den sich in ihrem 237. Hungerstreiktag ein Grund mehr, uns noch strker mit denpolitischen Gefangenen zu solidarisieren.

    Die Forderungen der politischen Gefange-nen mssen akzeptiert werden!Um diesen rechtmigen Kampf zu un-

    tersttzen befinde ich mich im Hunger-streik! Whrend seines Solidarittshunger-

    streiks erfuhr Erdogan vom Hungerstreikanlsslich des Symposiums gegen Isolati-on in Athen und beschloss, seinen Streikbis zum 18. Dezember zu verlngern. Am18. Dezember beendete er seinen Hunger-streik mit den anderen Hungerstreikenden(Benedetta Galante, Costantino Ragusa, Fe-derico Bonamici, Marco Camenisch, Silvia

    Guerini und anderen, die sich vom 15. biszum 18. Dezember in einem symbolischenHungerstreik befanden).

    Nach dem Ende seines Hungerstreikswurde Erdogan zur Abklrung seines Ge-sundheitszustandes in ein Spital gebracht.Der Transport und die Behandlung verlie-fen auf eine zutiefst entwrdigende Art. Er-dogan war die ganze Zeit an Hnden undFssen gefesselt. Er wurde in der ffent-lichkeit vorgefhrt, als wre er ein Mrder.

    Als Reaktion auf diese Behandlung und sei-ne Situation im Allgemeinen entschloss ersich, den Hungerstreik weiterzufhren. Erist nicht lnger bereit, sich so behandeln zulassen.

    Erdogan befindet sich seit 10 Jahren inder Schweiz. Sein Asylverfahren kam niezu einem Abschluss. In diesen 10 Jahrenlebte er in stndiger Angst. Denn eine Ab-schiebung in die Trkei bedeutet politische

    Verfolgung und Folter. Vor einem Jahr dannkam der Schock. Erdogan wurde verhaftetund kam in provisorische Auslieferungs-haft. Mit der Begrndung Fluchtgefahrwird ihm die Befriedigung seiner elemen-tarsten Bedrfnisse verunmglicht. Beina-

    he ein Jahr nun hat Erdogan in der Isolati-on verbracht, seine Freunde knnen ihn nurfr 2-3 Stunden pro Woche besuchen.Selbst in dieser kurzen Zeit der Aufmunte-rung trennt sie eine Panzerglasscheibe voneinander. So kann Erdogan seine Freundenicht einmal mehr zur Begrung umar-men.

    Erdogan ist nicht bereit, diese Behand-lung zu akzeptieren. Er verlangt nicht, hu-maner eingesperrt zu werden, er verlangtdie ihm zustehende Freiheit.

    Gegen Erdogan liegt nichts vor, auer denkonstruierten Vorwrfen des trkischen

    Staates. Das Auslieferungsgesuch der Tr-kei ist zwar willkrlich, nicht aber zufllig;es fgt sich in die militrische Offensive ge-gen die politische Opposition in der Trkeiein. Eine Strategie, welche die systemati-

    sche Vernichtung der Aufstndischen zumZiel hat. Die Schweiz leistet ihren Beitragzu dieser Vernichtungskampagne, indemsie hier die politische Verfolgung prakti-ziert, vor der Erdogan aus der Trkei ge-flohen ist.

    Aufruf zu Solidaritts-Aktionenwhrend des Hungerstreiks!Die Kampagne fr seine Freiheit luft seit

    seiner Verhaftung am 21.2.06. Eure Solida-ritt hat ihm viel Kraft gegeben. Jetzt, fastein Jahr spter, braucht er sie mehr denn

    je. Denn die Zeit in Gefangenschaft und dieSchikanen, welche er in der Schweiz erdul-den musste, haben ihm viel abverlangt. Zei-gen wir Ihm, dass er nicht allein ist!

    Schreibt ihm Briefe, werdet aktiv undtragt euren Widerstand an die ffentlich-keit!Seine Adresse:Erdogan Elmas, Regionalgefngnis MoutierRue du Chteau 30b2740 Moutier, Schweiz

    Freiheit fr Erdogan !Keine Ausschaffungen und Auslieferungenin die Trkei!Bndnis gegen Ausschaffungen und Aus-lieferungen in die Trkei

    free-erdogan.ch.vu

    Italien

    Trkische Revolutio-nre zu 7 und 5

    Jahren Haft verurteiltAm 20. Dezember 2006 verkndete das Ge-richt von Perugia, Italien, die Urteile gegen

    Avni Er und Zeynep Kilic, die laut 270bisdes Strafgesetzbuches des internationalenTerrorismus angeklagt waren. Sie wartengemeinsam mit drei fhrenden Mitgliederndes Antiimperialistischen Lagers am 1.

    April 2004 verhaftet worden.Das Gericht befand Avni der fhrenden

    Ttigkeit in der DHKP-C fr schuldig,

    whrend Zeynep wegen Mitgliedschaft inderselben Organisation verurteilt wurde.In ihren Abschlusspldoyers erinnerten

    beide Angeklagte daran, dass ihr Kampfsich gegen das antidemokratische Regimein der Trkei gerichtet hatte, das mit demblutigen Staatsstreich von 1980 und derUntersttzung des Westens an die Machtgekommen war. Sie wiesen darauf hin, dassbis heute die zentrale Macht in der Trkeiin den Hnden der Militrs liegt.

    Zeynep erzhlte auch ihre eigene Ge-schichte: Anfang der 1990er Jahre war sie

    verhaftet und mehrmals gefoltert worden,

    nur weil sie an Studentenmobilisierungenteilgenommen hatte. Spter ging sie nachEngland, um zu studieren, setzte dort ihrenKampf fr Demokratie in der Trkei fort,konnte jedoch nie mehr in ihre Heimat

    zurckkehren, da sie dort verfolgt wordenwre.

    Sie verurteilte die italienische Justiz, diedie Anschuldigungen der trkischen Poli-zei und deren Begrifflichkeit des Terroris-mus unmittelbar bernommen hatte. Die

    Verwendung dieses Begriffs, wie ihn dieAngeklagten aus der Trkei kennen, ist in-zwischen in Italien und Europa bernom-men worden: Der Kampf fr soziale und po-

    litische Rechte, einschlielich des Rechtsauf Selbstbestimmung fr das kurdischeVolk, und gegen das oligarchische Militr-regime wird inzwischen schlicht als Terro-rismus bezeichnet. Der Richter befand denpolitischen Charakter und die Ursprngedes trkischen Regimes als nicht relevant.

    Obwohl die Urteile nicht rechtskrftig, diebeiden Revolutinre bereits seit 34 Mona-ten inhaftiert sind und weder Fluchtgefahr(wohin?) noch das Risiko der Beweismani-pulation oder der Wiederholung der Straftatbesteht, wurden die beiden nicht aus derHaft entlassen.

    Das ist die Demokratie und Gerechtigkeit,die der Westen mit seinen Bomben undSanktionen ber die ganze Welt verbreitet!

    Antiimperialistisches Lager, Italien20. Dezember 2006, (gekrzt)

    Zum Symposium in Athen

    Lautlose Art, Men-schen zu vernichten

    In Athen fand das 5. Symposium gegen Iso-lation politischer Gefangener statt. Behr-denschikane gegen Teilnehmer

    Vom 15. bis zum 18. Dezember veranstal-tete die Internationale Plattform gegen Iso-lation (IPAI) in Athen ihr mittlerweile 5.Symposium. Wie dringend das Thema ist,zeigte sich an der Besetzung der Veranstal-tung. Denn einer ganzen Reihe von Men-schen, besonders aus dem Nahen Osten, wardie Teilnahme durch brokratische Schika-nen, Willkr oder offene Repression ver-

    wehrt worden. Der in Dnemark lebendeSprecher des irakischen Widerstandes Aw-ni Al-Kalemji von der Irakischen Patrioti-schen Allianz war nur bis zum Flughafen

    von Zrich gekommen. Dort hatten die

    Tayad-Demonstration gegen Isolationshaft

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    Schweizer Behrden ihn unter dem Vor-wand eines Durchreiseverbotes am Weiter-flug nach Athen gehindert. Die in der liba-nesischen Grenzregion lebende Rechtsan-wltin des Abu-Ghraib-Gefangenen SaharMahdi war ber zwei Wochen in Bagdad,Beirut, Amman und Damaskus von einergriechischen Botschaft zur nchsten ge-schickt worden. Das ihr jedes mal fest ver-sprochene Visum hat sie am Ende nicht er-

    halten.Mehrere angemeldete Teilnehmer aus derTrkei hatte man nicht nur nicht ausreisenlassen, sondern sogar ins Gefngnis ge-steckt. Bei den Angriffen der Polizei auf ver-schiedene demokratische Institutionen inder Trkei am 7. Dezember war gezielt auchso mancher fr das Symposium angekn-digte Redner festgenommen worden.

    Trotz der auf diese Weise vermindertenAnzahl auslndischer Gste war die Veran-staltung inhaltlich breit gefchert. Wieschon in den vergangenen vier Jahrenstand der Kampf gegen die Isolation poli-

    tischer Gefangener im Vordergrund. GloriaRubac von der texanischen Bewegung zur

    Abschaffung der Todesstrafe beispielswei-se berichtete ber die Bedingungen in denTodestrakten der USA. Dort sollen Gefan-gene durch Isolation, Willkr und Mis-shandlungen dazu gebracht werden, sichselbst vllig zu vernachlssigen oder sogarumzubringen.

    Isolation ist eine lautlose Art, Menschenzu vernichten, beschrieb Anwltin BarkinTimtik vom Istanbuler Rechtsanwaltsbrodes Volkes die Situation der etwa 6000 po-litischen Gefangenen in ihrer Heimat. Beidem dort seit mehr als sechs Jahren von po-litischen Gefangenen durchgefhrten To-desfasten sind bisher 122 Menschen ge-storben, ohne dass die Regierung sich zur

    Aufhebung der Isolationsbedingungen be-reit erklrt htte. Seit sich dieser Protest-form im April auch ein Rechtsanwalt an-geschlossen hat, scheint zumindest die inder ffentlichkeit herrschende Stille berdas barbarische Gefngnissystem der Iso-lationszellen gebrochen. Angesichts desnach 260 Tagen Hungerstreik beraus kri-tischen Gesundheitszustandes des Anwal-

    tes setzen Knstler, Juristen und Intellek-tuelle sich trotz drohender Repression f-fentlichkeitswirksam fr eine Abschaffungder Isolationsgefngnisse ein.Auf dem Symposium ging es aber nicht

    nur um die Isolation einzelner Gefangener.Migrantenvertreter und Brgerrechtler er-klrten, wie mit Antiterrorgesetzgebungoder schwarzen Listen politische Organi-sationen kriminalisiert und damit isoliertwerden. Und die Sekretre der kubanischenund der venezolanischen Botschaft in

    Athen schilderten in ihren Redebeitrgen,wie USA und EU mit politischen und ko-

    nomischen Blockaden sowie dem Einsatzihrer Propagandaapparate an der Isolationganzer Lnder arbeiten.Heike Schrader, AthenErschienen in der junge Welt vom 20.12.06

    Warum sitzt der BerlinerAntifaschist Matti im Knast ?Matti wird vorgeworfen, an einer Auseinan-dersetzung mit zwei Neonazis in Lichtenbergbeteiligt gewesen zu sein. Die Neonazis tru-

    gen dabei keine schweren Verletzungen da-von. Gegen Matti wird nun wegen versuch-tem Totschlag ermittelt und er sitzt bereitsseit dem 12. Dezember in Untersuchungshaft.Polizei und Justiz setzen alles an eine harte

    Verurteilung. Bei einer Verurteilung drohenihm mehrere Jahre Haft.

    Das Berliner Boulevard-Blatt Berliner Ku-rier titelte am 1. Dezember 2006 Lichten-berg: Nazis ins Krankenhaus geprgelt. Nichtohne dezente Hme schreibe die Zeitung:Auszuteilen sind sie ja gewohnt. Aber die-se Angst am eigenen Leib zu spren? Malselbst Opfer sein? Sebastian Z. (19) und

    Freundin Stefanie P. (18) haben sich bestimmtelend gefhlt, als pltzlich die Schlger an-griffen und sie verprgelten. Pikant: Derberfall geschah auch noch in ,ihrem Kiezan der Weitlingstrae. Eine Gegend mit vie-len Treffs fr Rechte. Drei Vermummte grif-

    fen um 18.20 Uhr das szene-bekannte Nazi-Paar am U-Bahnhof Lichtenberg an.

    In der Berliner Zeitung vom selben Tag warzu den Fall folgendes zu lesen: Die unbe-kannten Tter htten ,ohne viele Worte zumachen zugeschlagen und bei dem Angriffihren Opfern nichts geraubt. ,Daher schlieenwir nicht aus, dass die Tter aus dem linkenSpektrum kommen, sagte der Polizeispre-cher.

    Stefanie P. erlitt bei dem berfall einePlatzwunde am Kopf. Sie konnte nach am-bulanter Behandlung das Krankenhaus wie-der verlassen. Sebastian Z. blieb zur sta-tionren Behandlung in der Klinik. Er erlittebenfalls eine Platzwunde am Kopf - bei ihmbesteht zudem der Verdacht der Gehirner-schtterung. Auerdem hatte er sich bei dem

    Angriff einen Finger gebrochen ...

    Was ist passiert ...Am 29. November letzten Jahres wurden diezwei stadtbekannten Neonazis und Anti-An-

    tifa-Aktivisten Stefanie P. und Sebastian Z.laut Eigenaussage von drei dunkel gekleide-ten und maskierten Personen im BahnhofLichtenberg angegriffen und leicht verletzt.Der Staatsschutz nahm sofort die Ermittlun-

    gen auf und befragte die zwei Rechtsextre-misten noch im Krankenhaus, da er den Vor-fall als politisch motiviert wertete und die

    beiden Neonazis auch beim LKA keine Un-bekannten sind.

    No-Go-Area LichtenbergDer Lichtenberger Weitlingkiez gilt beimStaatsschutz aus gutem Grund als Problem-fall. Immer wieder kommt es dort zu gewalt-ttigen bergriffen von Neonazis auf Mi-granten und politische Gegner. So wurde Mit-te Dezember eine vietnamesische Frau in der

    Weitlingstrae aus rassistischen Grnden an-gegriffen und zusammengeschlagen. An-wohner, die eingriffen, wurden vom Tter be-droht. Wenige Tage zuvor wurde ein Dner-

    Imbiss in der Weitlingstrae von Neonazisangegriffen. Die Neonazis waren in den Mo-naten zuvor schon mehrfach in den Imbisseingedrungen und hatten dabei Teile der Ein-richtung zerstrt und die Angestellten be-droht. Auch vietnamesische Blumenhndlerim Kiez werden regelmig von Rechtsextre-misten beleidigt und bedroht. Mitte Oktoberlauerten vermummte und mit Schlagwerk-zeugen bewaffnete Neonazis einem alterna-tiven Jugendlichen in der Nhe seiner Schu-le am Nldnerplatz auf. Sie misshandelten ihrOpfer, das mit schweren Verletzungen meh-rere Tage im Krankenhaus liegen musste. Ob-wohl Zeugen das Nummernschild des Flucht-autos der Neonazis notierten und der Polizeimitteilten, verliefen die Ermittlungen im San-de. Durch die Polizei wird der berfall ge-genber der ffentlichkeit verschwiegen. DieNeonazis aus dem Spektrum der freien Ka-meradschaften begreifen den Stadtteil alsihren Kiez. Seitdem nun verschiedene anti-faschistische und zivilgesellschaftliche In-itiativen im letzten Jahr eine gemeinsameKampagne gegen die rechtsextreme Hege-monie im Kiez starteten und zahlreiche In-formationsveranstaltungen und ein antiras-sistisches Straenfest veranstalteten, be-frchtet das LKA eine gewaltsame Eskalati-on zwischen Antifas und Neonazis.

    Es wird von einer drohenden Gewaltspira-le fabuliert, fr die es keine realen Belege gibtDa wird behauptet, dass die erfolgreiche In-tervention der Antifa in die No-Go-AreaLichtenberg zum gefhrlichen Pflaster ma-chen wrde. Ganz so, als ob die Gewaltex-zesse der Neonazis gegen MigrantInnen, Be-hinderte, Obdachlose, Homosexuelle undLinke dort erst mit dem Eingreifen der Anti-fa begonnen htten. Als ob diejenigen, dieden braunen Terror verhindern wollen, fr

    ihn verantwortlich seien.Diese eigentmliche These vom drohendenKrieg der Extremisten ist nichts als politischePropaganda des polizeilichen Staatschutzesbeim LKA. In der ffentlichkeit kaum be-

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    kannt ist, dass diese Teile des LKA seit Jah-ren eine private Feindschaft gegen einzelne

    Antifa-Aktivisten pflegen.So erfreut sich nicht nur die No-Go-Area

    Weitlingkiez einer besonderen Zuwendungdurch verschiedene Polizeieinheiten, sondernauch die AntifaschistInnen, die sich dort denNeonazis entgegen stellen. Straftaten, die insLKA-Schema Antifa vs. Neonazis in Lichten-berg passen, werden behrdenintern mit be-

    sonderer Prioritt behandelt. (Ganz im Ge-gensatz zu der alltglichen rassistischen Ge-walt im Kiez.) So geschah es auch in diesemFall. Kaum waren die Neonazis aus dem Kran-kenhaus mit ein paar Pflastern und Kopf-schmerztabletten entlassen worden, da tipp-te das LKA schon die erste Presseerklrung.

    Anti-Antifa-Aktivisten undAnti-Antifa-BeamteKurz danach meldeten sich die Neonazis beimLKA und meinten, dass Matti einer der An-greifer vom 30. November gewesen sei. Siewrden ihn von diversen Demonstrationen

    und Kundgebungen her kennen. Das Ver-hltnis sei so intim, dass sie ihren politischenGegner auch vermummt wieder erkennenwrden. Darber hinaus behaupteten dieNeonazis auf ihrer Internetseite, dass die An-greifer den Satz Nazischweine, wir bringeneuch um gerufen htten.

    Die Ermittler vom Staatsschutz liefenprompt zu Hochform auf und beantragten ei-nen Hausdurchsuchungsbeschluss wegen

    versuchten Totschlags gegen Mattis Wohn-gemeinschaft. Sie durchsuchten schlielicham 12. Dezember die WG und beschla-gnahmten diverse dunklen Kleidungsstckenund Sportschuhe. Htte sich das Ganze ohnepolitischen Hintergrund auf dem Pausenhofder Rtlischule oder dem Parkplatz irgendei-ner Bowlingbahn in Marzahn abgespielt, w-re sicherlich kein LKA-Beamter auf die Ideegekommen, einen versuchten Totschlag zuunterstellen. Auch wenn also alle Beteiligten(LKA, Justiz, Neonazis) wissen, dass niemand

    versucht hat, die zwei Neonazis in Lichten-berg zu erschlagen, zeigten sich Ermitt-lungsrichter und Staatsanwalt als willigeKomplizen des Staatsschutzes und stimmtendem Hirngespinst brav zu. Die eigentlicheKontrollfunktion, die die Justiz gegenberder Polizei haben sollte, wird im augenzwin-kernden Einverstndnis darber, dass es an-gesichts der angespannten Situation in Lich-tenberg mit einem Antifa-Aktivisten garan-tiert keinen Falschen trifft, auer Kraft ge-setzt.

    Antifa = Totschlger?Neben den immensen strafrechtlichen Kon-sequenzen wirkt der Tatvorwurf auf der po-litischen Seite als eine denunziatorische mo-ralische Zuschreibung an den Charakter desBeschuldigten und der Bewegung, zu der er

    gehrt. Totschlger schlagen andere Men-schen tot, sind also fies und brutal - solcheLeute sind aus guten Grnden unbeliebt. Mitdiesem Tatvorwurf soll nicht nur jede Form

    von Solidarisierung erschwert werden, son-

    dern auch der moralische Vorschuss, den dieantifaschistische Bewegung aufgrund der Le-gitimitt ihres Anliegens geniet, zerstrtwerden. Im Sinne der grundfalschen Glei-chung Linksextremisten gleich Rechtsextre-misten wird die Antifa vom Staatsschutz alsextremistische Bande potentieller Totschl-ger dargestellt. Es ist Unsinn, hier anzu-fhren, warum das Totschlagen von anderenMenschen, und seien sie noch so widerwr-

    tig, an sich indiskutabel ist und mit gutemGrund - schon aus dem eigenen Selbstver-stndnis heraus - nicht zur Praxis der Anti-fa gehrt. Dass wei natrlich auch das LKA,daher sind Sinn und Zweck der ganzenStaatsschutzaktion auch allzu offensichtlich.

    Schon im letzten Jahr versuchte sich inPotsdam eine Ermittlungsbehrde als staat-liche Anti-Antifa und klagte vier junge An-tifaschistInnen nach einer Auseinanderset-zung mit Neonazis wegen versuchten Mor-des an. In diesem Verfahren wurde der ab-surde Mord-Vorwurf genutzt, um eine Anti-faschistin ber Monate in Untersuchungshaft

    zu sperren. Das Landgericht Potsdam verur-teilte die Angeklagte Julia S. nach mehr alsfnf Monaten Untersuchungshaft schlielichzu einer Bewhrungsstrafe wegen einfacherKrperverletzung. Die eigentliche Bestrafungwurde also noch vor Prozessbeginn mittelsder dnn begrndeten Untersuchungshaft

    vollstreckt.Der Staatsschutz agiert in seiner Funktion

    als politische Polizei nach dem Motto: Be-strafe einen und erziehe Hundert. So ist auchdas Verfahren gegen Matti als ein Warnschussin Richtung Antifa-Bewegung gedacht. InBerlin versucht man offensichtlich, an Mattiein Exempel fr die Zukunft statuieren. Sofhrte der Haftrichter bei der Verhngung derUntersuchungshaft ganz offen general-prventiven Grnde auf. Ferner sei solchenStraftaten generell mit unbedingten Frei-heitsstrafen zu begegnen.

    Die Situation ist deprimierend; vor allemfr Matti. Er sitzt in U-Haft, weil zwei Neo-nazis darauf hoffen, so einen politischenGegner unschdlich zu machen. Und er sitztin U-Haft, weil der Staatsschutz versucht, die

    Antifa als Ganzes zu kriminalisieren. Dassdafr ein Unschuldiger, womglich fr Jah-re, hinter Mauern und Gittern eines Gefng-nisses verschwindet, strt natrlich weder dieNeonazis noch das LKA.Wichtig ist nun, dass Matti die bestmgli-

    che Verteidigung und Untersttzung erhlt.Beteiligt Euch an Protestaktionen und wer-det aktiv. Wir sind darber hinaus auf Eurefinanzielle Untersttzung angewiesen, umMatti einen guten juristischen Beistand zu fi-nanzieren.Spendenkonto:Rote Hilfe Berlin, Kontonummer:7189590600, Bankleitzahl: 10020000Stichwort: 12.12.2006

    Matti freut sich ber Post Wenn Ihr ihmschreiben wollt, bitte an diese Adresse. Wirleiten die Post zu ihm weiter: Stefan Jakob,Gneisenaustr. 2a, 10961 BerlinKontakt: [email protected]

    Gemeinsame Erklrung von AZADund YEK-KOM

    Razzien in kurdischenVereinen undWohnungen Fest-

    nahme von Ahmet C.Mit einem massiven Polizeiaufgebot wurdenin den frhen Morgenstunden des 10. Janu-ar die Rumlichkeiten kurdischer Vereine so-wie Privatwohnungen u. a. in Esslingen,Stuttgart, Freiburg, Ulm, Pforzheim, Frie-drichshafen und Reutlingen durchsucht undhierbei Computer, Telefone, Bustickets, Bar-geld, Vereinsunterlagen und Zeitungen be-schlagnahmt.Als Grnde fr die Razzien dienten den

    Staatsanwaltschaften und Gerichten laufen-de Ermittlungsverfahren gegen Kurden, de-

    nen vorgeworfen wird, gegen das Vereins-

    recht verstoen zu haben. Sie stnden lautDurchsuchungsbeschluss u.a. des Amtsge-richts Stuttgart - im Verdacht, Anhnger derin Deutschland seit 1993 mit einem Betti-gungsverbot belegten Arbeiterpartei Kurdist-ans (PKK) zu sein und durch ihre Aktivittendazu beigetragen zu haben, deren Strukturenaufrecht zu erhalten. Hiervon betroffen sindu. a. die Kurden Adil D. und Hseyin ., derangeblich als Verantwortlicher des PKK-Raumes Esslingen ttig gewesen sei. Ferner

    werde aufgrund von Telefonberwachungs-manahmen gegen Salman K. ermittelt, dernach Auffassung der Behrden im Zeitraum

    von Juni 2005 bis Juni 2006 als Gebiets-verantwortlicher des PKK-Gebiets Ulm ge-

    Grundlage der anhaltenden Kurdenverfol-gung ist das nach wie vor bestehende PKK-

    Verbot die Forderung nach seiner Auf-hebung bleibt aktuell

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    arbeitet haben soll. Die Durchsuchungen soder Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart wrden der Ermittlung seines bislang unbe-kannten Aufenthaltsortes und der Sicherstel-lung entsprechenden Beweismaterials die-nen.Auerdem wurde im Zuge dieser Polizei-

    aktion in einer Stuttgarter Privatwohnungdas YEK-KOM-Vorstandsmitglied Ahmet C.festgenommen.

    AZAD und YEK-KOM verurteilen die po-lizeilichen Durchsuchungsaktionen aufsSchrfste. Die seit 13 Jahren anhaltende Ver-bots- und Kriminalisierungspraxis bedeutet

    vor dem Hintergrund der grundlegenden Ver-nderungen der kurdischen Bewegung undihrer Bemhungen um politisch-demokrati-sche Konfliktlsungen eine inakzeptable Pro-

    vokation. Eine solch repressive Politik hatbisher nicht ein einziges der kurdischen Fra-ge zugrunde liegendes Problem gelst we-der in Deutschland noch in der Trkei.

    Die Versuche, die Menschen mit dem In-strument des Polizei- und Strafrechts davon

    abzuhalten, sich in ihren Vereinen fr ihre le-gitimen politischen, sozialen und kulturellen

    Anliegen und Rechte zu bettigen, waren undsind ein untaugliches Mittel. Aktivitten vonkurdischer Seite als politischen Extremis-mus oder gar als Terrorismus zu disquali-fizieren und zu diskreditieren, ist nicht nurkurz gedacht. Wir halten diese Art der Ein-schchterung und Kriminalisierung der poli-tischen Arbeit fr eine unzulssige und un-demokratische Herangehensweise gegenberder kurdischen Bevlkerung, die seit Jahr-zehnten einem massiven Verfolgungsdruckausgesetzt ist.Wir fordern eine Umkehr der herrschenden

    Politik und rufen alle demokratischen Krftedazu auf, sich dafr einzusetzen, dass die Kri-minalisierung beendet wird und sich Kurd-innen und Kurden frei und offen artikulierenknnen. Das PKK-Verbot muss aufgehobenund ein ernsthafter Dialogprozess vonseitender politisch Verantwortlichen begonnenwerden. Die Kurden sind hierzu schon langebereit.

    Dsseldorf,11. Januar 2007

    Oury Jalloh

    Demos in Dessau undBerlin

    Vor zwei Jahren verbrannte Oury Jalloh,Flchtling aus Sierra Leone, an Hnden undFen gefesselt in der Polizeiwache in Des-sau. Zum Gedenken an Oury Jalloh gingenam 2. Todestag mehrere hundert Menschenauf die Strae.

    In Dessau versammelten sich nach einer

    Demonstration rund 200 Menschen vor derPolizeiwache. Mit Sprechchren Oury Jal-loh - das war Mord unterstrichen sie ihreForderungen nach Aufklrung seiner To-desumstnde und nach einer fr alle nach-

    vollziehbaren Gerichtsverhandlung. Bisder Fall lckenlos geklrt ist, bleibt dasMord, sagte einer der Demonstranten underhielt von vielen Teilnehmern Beifall. InBerlin demonstrierten zeitgleich 500 Men-schen vom Hackeschen Markt durch Mitte.

    Zwei Jahre nach Oury Jallohs Tod sinddie damals anwesenden Polizeibeamtennoch immer im Dienst, das Dessauer Land-gericht wollte den Fall zunchst absch-lieen. Erst nach massivem ffentlichen

    Druck lie es am 2.1.07 die Hauptverhand-lung gegen den 46-jhrigen Dienstgrup-penleiter zu, die genauen Prozesstermine(voraussichtlich ab Ende Mrz) stehen nochaus.

    Zu viele Hinweise deuten zumindest aufein Mitverschulden der Polizeibeamten hin:die schweren Verletzungen Oury Jallohs(Bruch des Nasenbeins, zerstrte Trommel-felle); das trotz vorheriger Durchsuchunggefundene Feuerzeug in der Zelle; die aufPolizeifunk mitgeschnittenen rassistischen

    uerungen der Beamten und des hinzu-gezogenen Arztes; die Frage, wie der anFen und Hnden gefesselte Gefangenedie schwer entflammbare Pritsche anzn-den konnte, und nicht zuletzt die Reaktiondes Dienstleiters der Wache, der die Sprech-anlage leise und den Feueralarm mehrfachabgeschaltet hatte. (siehe: WDR-Reportage:Tod in der Zelle).

    Die Initiative zum Gedenken an OuryJalloh und die afrikanische Community inDeutschland hat durch ihre Hartnckigkeit

    viel dazu beigetragen, dass die Todesum-stnde Oury Jallohs nicht einfach vertuschtwerden konnten. Auf ihrer Konferenz in

    Dessau am Vortag der Demonstration un-terstrichen sie ihre Forde-rungen, mit denen sie denProzess begleiten werden:

    1. Wir fordern die sofortigeErffnung eines Ge-richtsverfahrens gegendie Polizisten, die amMord an Oury Jalloh be-teiligt waren, und ihre ra-sche Verurteilung undEntlassung vom Polizei-dienst.

    2. Wir fordern den Rcktrittdes Polizeiprsidentenvon Dessau.

    3. Wir fordern Entschdi-gungszahlung an die Fa-

    milie von Oury Jalloh.4. Wir fordern das Ende aller rassistischen

    Polizeikontrollen, das Ende der Polizei-brutalitt und der Ermordung vonSchwarzen.

    5. Wir fordern Gerechtigkeit fr alle Opferinstitutionalisierter Rassismus, allerSchwarzen Opfer der Polizei- undStaatsgewalt und Entschdigung fr ih-re Familien.

    Umbruch Bildarchiv 09.01.2007Fotos ber die Demonstrationen in Dessauund Berlin unter:http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildar-chiv/ereignis/070107oury_jalloh.html

    SpendenaufrufLiebe Freundinnen und Freunde, liebe Ak-tivistInnen,Wir, die Initiative im Gedenken an Oury

    Jalloh, wenden uns an Euch und Sie mit der

    Bitte um finanzielle Untersttzung.Am 7. Januar 2005 verbrannte Oury Jal-

    loh qualvoll in einer Schutzzelle in einerPolizeistelle in Dessau. Bis heute sind dieUmstnde seines Todes vllig ungeklrt. Esbestehen diverse Ungereimtheiten, die dieoffizielle Annahme eines Selbstmordes sehrstark in Frage stellen. Wie kann ein starkalkoholisierter Mensch, der an Hnden undFen auf einer schwer entflammbarenMatratze festgekettet (fixiert) ist, sich sel-ber anznden? Und das mit einem Feuer-zeug, das sich laut Durchsuchungsprotokollniemals in seiner Hosentasche befand unddas auch erst nachtrglich in die Asserva-tenliste aufgenommen wurde. Es gibt Aus-sagen von den diensthabenden PolizistIn-nen, dass der Dienstleiter die Audiober-wachung leiser stellte, weil er aufgrund derSchreie des verbrennenden Oury Jallohsnicht ungestrt telefonieren konnte. Diese

    Aussage wurde dann allerdings wieder re-vidiert. Die anwesenden PolizistInnen wur-den bislang weder zur Rechenschaft gezo-gen, noch (bis zur umfassenden Aufklrungdes Todesfalls) suspendiert. Auch eine Ent-schuldigung an die Angehrigen ist bis

    heute von offizieller Seiten nicht ergangen.

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    Vielmehr besteht die akute Gefahr, dassaufgrund der unverstndlichen Verzge-rungen und Behinderungen durch dasLandgericht Dessau es nie zu einer Ver-handlung und somit einer (mglichen) Auf-klrung des Todesfalls von Oury Jallohkommen wird. Mittlerweile wurden die Er-mittlungen gegen einer der beiden Polizi-sten eingestellt. Fr einen mglichen Pro-zess gegen den Dienstleiter forderte der

    Richter erneut (zwei Jahre nach dem ge-waltvollen Tod!) weitere Vor-Ermittlungenein. Eine unserer Meinung nach nicht nach-

    vollziehbare Entscheidung, da bereits einBrandgutachten klar stellte, dass nach Aus-bruch des Feuers den Polizisten ausreichendZeit zur Verfgung stand, um Oury Jalloh

    vor dem Feuertod zu bewahren. Hierbeiwird jedoch bereits die zentrale Frage aus-gelassen, wie es berhaupt erst zu demBrand kommen konnte.

    Der grausame Tod Oury Jallohs ist einerunter mehreren. Gesellschaftlicher und in-stitutionalisierter Rassismus sowie postko-loniale Strukturen bilden hierfr die Grund-lage. Es bedarf jetzt eines entschiedenen f-fentlichen Drucks, damit der Prozesstatschlich erffnet und mit der notwendi-gen Genauigkeit, Transparenz und Konse-quenz durchgefhrt wird.

    Um weiterhin die ntige kritische ffent-lichkeitsarbeit leisten und fr eine unab-hngige anwaltliche Vertretung in diesemFall sorgen zu knnen, mchten wir Euchund Sie um finanzielle Untersttzung bit-ten. Es ist dringend geboten der Repressi-on, Vertuschung und Straflosigkeit entge-gen zu treten und eine konsequente Auf-

    klrung und Verurteilung zu gewhrleisten.Das Schweigen brechen!Stoppt den Polizeiterror gegen Flchtlingeund MigrantInnen!

    Bittet spendet, bitten spenden Sie an:Antirassistische Initiative e.V.Kontonummer: 3039600BLZ: 10020500Bank fr SozialwirtschaftStichwort: DessauAuf Wunsch knnen Spendenquittungen

    ausgestellt werden.

    Mit solidarischen Gren,die Initiative im Gedenken an Oury Jallohhttp://oury-jalloh.so36.netmail: initiative-ouryjalloh(at)so36.netTelefon: 0176 / 25433750

    StraftheaterIm Gefangenen Info 319 haben der Gefange-ne Thomas Meyer-Falk sowie Klaus Jnsch-ke, Ex-Gefangener und heute Bediensteterder Justiz*, das weite Auseinanderklaffen von

    Anspruch und Wirklichkeit des Knastes dar-gelegt. Seit 6 Jahren eingeknasteter Anarcho,mchte ich anschlieen und Knast von derKritik der Lohnarbeit aus angehen:

    1. Knast ist Straftheater; Gefangene wie Be-dienstete sind StatistInnen dieses Theaters.

    Als Publikum ist die gesamte Gesellschaft an-visiert.

    2. Ob der Gefangene resozialisiert wer-den, hngt von Faktoren ab, die zufllig sindund allesamt auerhalb des Gefngnis liegen.Resozialisierung ist das humane Feigen-blatt des Strafens und seiner Gewaltttigkeit,dient der Beruhigung des Gewissens de Richt-erschaft.

    3. Das Straftheater Knast ist Drohung, dieihre abschreckende Wirkung aus Schdigungbis hin zu Zerstrung von Gefangenen be-zieht.

    4. Erluterung: Letztlich ist es ohne Belang,wen die Justiz und aus welchem Grund sie

    jemanden als Statisten des Straftheaters ca-stet. Grnde lassen sich finden bzw. provo-zieren. Letzteres meist auch behrdlichesHandeln, das ein als Hilfen fr die Unter-schicht getarntes subtiles Ausgrenzen bisaktives soziales Mobben /Abdrngen ist (sie-he aktuell das Fordern und Frdern) oderdurch Gesetzgebungen wie repressive Dro-genpolitik. Mehr noch haben lohnarbeitlicheProduktsweisen, die fr alle Delinquenzhaupturschliche Zerstrung langlebiger so-zialer und konomischer Lebenszusammen-hnge gar zur historischen Voraussetzung,

    weil erst solche Zerstrung Not und damitden Zwang schaffen konnte, sich der Lohn-arbeit auf Gedeih und dem Verderb zu un-terwerfen. Ohnehin muss die Drohung mitdem Verderb die Lohnarbeit stetig begleiten,

    um Arbeitsleistung maximal zu erzwingen.

    Ohne Delinquenz und Knast wre Lohnar-beit nicht optimal ausbeutbar, sei dies in Ka-pitalismus oder Sozialismus.Aus dem Gesagten ergibt sich, wer das Pu-

    blikum ist, dem das Straftheater die Peitschezeigt. Der franzsische Ex-JustizministerRobert Badinter anno 2005: Keine Gesell-schaft gewhrt ihren Gefangenen Lebensbe-dingungen, welche besser als die sind, die inden untersten sozialen Schichten vorherr-schen. Zum einen erklrt dieser Satz die ak-tuellen Verschrfungen bei den Haftbedin-gungen. Zum anderen wre die Annahme je-doch falsch, das Straftheater suche sein Pu-blikum allein bei der Unterschicht. Viel-mehr zielt Knast auf alle, indem er Warnungist, nicht in die unteren Schichten und so inden Sog des Knastes zu geraten. DasStraftheater will alle der Lohnarbeit verfg-bar und dem Staat gefgig machen.Wo knnte da Handlungsraum fr die Be-

    diensteten der Justiz bleiben? Einzelne vonihnen reagieren auf den wachsenden psychi-schen Druck, den doch verschrfende Haft-regime auch auf sie ausben, mit kindlichembis hin zu kindhaft bsartigem Gebaren. Eswird so getan, als sei Knast eine strenge, dochallzeit spielerische Erziehungsveranstaltung,Schurigeln und Trietzen von Gefangenen lu-stig-frivoler Spa. Tatschlich jedoch sitztden Bediensteten, die direkten Umgang mitGefangenen haben, der Sicherheitsdienst imNacken und kontrolliert, ob Vorgaben der Ju-stizministerien fr mehr Hrte befolgt wer-den. So laufen auch psychisch strkere Be-dienstete am kurzen Band der Justizbehr-den. Die Justizministerien wiederum redensich auf ihre politische Whlerschaft heraus,die durch harten Wegsperrvollzug vor Kri-minalitt geschtzt zu sein glaubt und nichtbegreift, dass das Gegenteil der Fall ist: Har-

    te Knastregime machen Gefangene znd-fhig. Nietzsches Bemerkung, im Zeitalterder Moderne wrden Sklaven ber Sklavenherrschen, gilt hier; ist jene Whlerschaftdoch zugleich vom Straftheater einzu-

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    schchterndes Publikum.Eine Vielzahl von Medien wird nicht m-

    de, das Straftheater Knast in die Wohnstubenzu bringen. Dass Knast dort ungern in Fragegestellt wird, ist klar: Bellt ein Hund die Peit-sche an der Wand an, die darauf wartet, ihmdas Fell zu gerben? Knast als Straftheater zubezeichnen und ihn so mit seinen wahren Na-men anzureden, wird ihn noch nicht wie einRumpelstilzchen zum Platzen bringen, nicht

    einmal wird dies Rumpelstilzchen ertappterrrten. Dazu ist es zu verrckt oder, richti-ger ausgedrckt, modern. Das Zeitalter derModerne, das der brgerlichen Revolutionund von Vernunft und Aufklrung,brachte schnell, zu Beginn des 19. Jahrhun-derts, mit der breiten Durchsetzung der Lohn-arbeit auch den Knast hervor (siehe: Micha-el Foucault, berwachen und strafen DieGeburt des Gefngnisses, Suhrkamp TB). Ge-meinsam entstanden, knnen Lohnarbeit undKnast nur gemeinsam wieder untergehen.Reformieren lsst sich beides nicht, allen-falls abmildern, und selbst das gibt der Krise

    von Arbeit und Profit nicht mehr her. Kapi-talismus lehrt, wie fugenlos Vernunft in

    Wahnsinn bergehen kann; Sozialismusauch. Das Straftheater Knast bringt diesen

    Wahnsinn als bisweilen blutiges Schmieren-stck zur alle einschchtern sollenden Dau-erauffhrung.Werner Braeuner, JVA Sehnde, Schnede-bruch 8, 31319 Sehnde, 31.12.2006

    P.S,: Der Textautor, ein im Justizjargon be-sonders gefhrlicher Krimineller, sitzt ineinem Hochsicherheitsgefngnis ein. Zuseinen Bedingung siehe Gefangenen Info316.

    * Hier irrt Werner Braeuner. Klaus Jnschke ist imBeirat der Justizvollzugsanstalt Kln-Ossendorf

    Knastdemo in BerlinIn Berlin liefen gestern Abend 250 Genos-sInnen zur JVA Moabit um gemeinsam mitden Gefangenen Silvester zu feiern.

    Zahlreiche Redebeitrge und eine ab-wechslungsreiche Musik sorgten fr einegute Stimmung unter den TeilnehmerIn-nen. Die anwesenden B.formationen hiel-ten sich im sichtbaren Hintergrund und un-terlieen die blichen Provokationen.Aus dem Aufruf der Vorbereitungsgrup-

    pe:War Knast schon immer ein System, um

    Menschen zu brechen und in letzter Kon-sequenz zu tten, spitzen sich zur Zeit die

    Verhltnisse in den Berliner Haftanstaltenauf dramatische Weise zu. Allein bis Mitte

    August hat die Wegsperrmentalitt der Ber-

    liner Justiz 16 Menschen das Leben geko-stet und damit eine traurige Hchstmarkeder letzten zehn Jahre erreicht.

    Obwohl Kriminalstatistiken einen Rck-gang der Gewaltstraftaten verzeichnen,

    steigt die Zahl der Inhaftierten kontinuier-lich. Es sind berwiegend Menschen, diewegen armutsbedingter Delikte wieSchwarzfahren, Ladendiebstahl oderSchulden zu Knaststrafen verurteilt undteilweise in den Tod getrieben werden, wiez.B. Horst H. (45), der eine Ersatzfreiheits-strafe von 40 Tagen wegen Diebstahls ab-sitzen musste und am 26. April, eine Wo-che nach seiner Inhaftierung, tot war, oder

    der 20-jhrige Fatih S., der am 4. Februarvorlufig festgenommen wurde und in derJugendstrafanstalt in U-Haft sa, bis er am5. Februar mittags tot in seiner Zelle auf-gefunden wurde. Er hatte sich mit einem

    Wollpullover am Kleiderhaken stranguliert.Isolation, Ohnmacht, Aussichtslosigkeit,

    Verzweiflung, Zwangsarbeit, totale Kon-trolle, Mangel an sozialen Kontakten, se-xualisierte Gewalt, Herrschaft und Aus-grenzung unter den Gefangenen, rassisti-sche und sadistische Schlieer Grnde, imKnast keine Perspektive mehr zu sehen, gibtes viele. Durch verschiedene Aktionen, wie

    z.B. den diesjhrigen Wahlboykott, versu-chen die Inhaftierten auf die Todesflle, dieschlechten Haftbedingungen und die man-gelnde medizinische Versorgung aufmerk-sam zu machen.

    Die als verfassungswidrig anerkanntenLebensumstnde der Berliner Gefangenenfhrten in diesem Jahr zu einem rasanten

    Anstieg von Selbstttungen und angeblichnatrlichen Todesfllen. Dem langsamerwachenden ffentlichem Interesse wurde

    von der Justizsenatorin von der Aue einRiegel vorgeschoben. Ab nun gilt Nach-richtensperre. Todesflle in den Knstenwerden nur noch auf Anfrage mitgeteilt.Dieses geschieht angeblich im Interesse derToten und ihrer Familien.

    Das ist ein ziemlich billiger und durch-schaubarer Akt, Fragen nach den Ursachender gehuften Todesflle zu bertnchenund das Interesse daran zum Schweigen zubringen. Es kann kaum im Interesse der Fa-milien der Toten sein, nicht zu klren, wel-che Umstnde zu dem Tod fhrten, ob die

    Anstalten ihre Frsorgepflicht verletztenund ob das System Knast, welches offiziellden Resozialisierungsgedanken in sich

    trgt, Menschen nur kaputt macht und teil-weise bis in den Tod treibt.Die Diskussion um Haftbedingungen und

    Mangel im System nicht in der ffentlich-keit zu fhren, heit letztendlich, sie nichtzu fhren. Hierzu soll auch die aktuelle In-formationssperre dienen. BestehendeHandlungs- und Vernderungsnotwendig-keiten werden seitens der Regierung lapi-dar mit einem Knastneubau kaschiert.

    Laut Tagesspiegel kam es am 23. und am28. Dezember erneut zu Suizidversuchen

    von Gefangenen.Durch die Nachrichtensperre zeigt die Se-

    natsverwaltung nur das sie mehr um einenImageschaden besorgt ist als um das Lebender Gefangenen.

    Sie verwaltet lediglich eine ,brisante po-litische Situation.

    Kurz vor Mitternacht erreichte die Demoden Knast. Neujahrsbotschaften in mehre-ren Sprachen in spanisch, franzsisch, ita-lienisch, trkisch, kurdisch, serbo-kroatischetc. wurden an die Gefangenen verlesen.

    Danach gab es einen Redebeitrag einesantifaschistischen Genossen, der zur kon-kreten Solidaritt mit einem aktuell inhaf-tierten Antifaschisten aufforderte. Ein Re-debeitrag eines Genossen aus Kopenhagen

    sendete von der Demo aus eine Grubot-schaft an die gefangenen AktivistInnen, diebei den Konfrontationen um das akut ru-mungsbedrohte Ungdomshuset im Kopen-hagener Stadtteil Nrrebro vom 16.Dezem-ber 2006 verhaftet wurden und sich nochimmer im Knast befinden. Ein ansch-lieender Redebeitrag thematisierte die ge-sellschaftlichen Zusammenhnge von so-zial und politisch bedingter Kriminalisie-rung und Repressionsmechanismen, denwir anschlieend dokumentieren.

    Die ganze Zeit hindurch wurden Raketenabgeschossen, kleine Feuerwerke entzndet

    und mit Fackeln jongliert.

    FREIHEIT FR LINKE POLITISCHE GEFANGENE!

    Fr die Perspektive einer Gesellschaftohne Knste!Fr die soziale Revolution!

    Redebeitrag auf der Silvesterknast-Demo

    Verselbststndigungs-tendenzen bei der Polizei

    und wie die radikale Linkedamit umgeht

    Relativ oft gibt es Folgendes zu lesen: DasLandeskriminalamt umgeht die Gesetze undobserviert missliebige Personen ohne rich-terlichen Beschluss. Die Staatsanwaltschaftberdramatisiert geringfgige Delikte, umbeispielsweise zum 1. Mai die Gerichte zuextremen Verurteilungen zu zwingen. Ju-stizvollzugsbeamte schaffen in Haftanstal-ten ihr eigenes Herrschaftsgebiet und be-handeln die Gefangenen wie Objekte.

    Die berstrapazierung der Gesetze wirdzum Normalfall. Grund genug, sich malwieder mit dem Polizeistaat zu beschfti-gen.Wofr steht eine Verselbstndigung des

    Polizeiapparates? Fr eine staatliche Ent-wicklung hin zu einem Polizeistaatsmodellund weg von einer Demokratie. Anzeichendafr sind Verselbstndigung, das heit Er-mittlungen, fr die keine rechtliche Grund-lage besteht und ohne eine Kontrollinstanz also wenn die Polizei losgelst von einemKorrektiv eigenstndig ttig wird.

    So werden beispielsweise hufig be-

    stimmte Vorwrfe von Ermittlern gegen po-litische AktivistInnen konstruiert, damitpolizeiliche Manahmen zunchst als ge-rechtfertigt erscheinen, auch wenn diesspter vom Verwaltungsgericht als rechts-

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    widrig anerkannt wird. Mangelnde Kon-trolle des Polizeiapparates kommt auch da-durch zustande, dass Dienstaufsichtbe-schwerden und Klagen vor dem Verwal-tungsgericht, eigentlich keine Konsequen-zen haben. Zumal konkrete Repressalienwie Untersuchungshaft oder monatelangeObservation nicht rckgngig zu machensind. Wenn polizeiliche Ermittler auch noch

    Richter finden, die ihnen Beschlsse undAnordnungen in die Hnde spielen und ei-ne Kontrollinstanz somit komplett ausge-hebelt wird, kann von einer Unkontrollier-barkeit durch demokratische Instanzen ge-sprochen werden.

    Immer wieder werden wir darauf ge-stoen, dass Ermittlungsbehrden, Gerich-te und Haftanstalten ihre gesellschaftlichlegitimierten Rechte und Pflichten nichternstnehmen und ber die Strnge schla-gen. Immer wieder wird in der ffentlich-keit kurz aufgeheult, wenn Missstndesichtbar werden. Wie zuletzt, als rauskam,dass die Gefangenen in der JVA-Moabit

    verfassungswidrig untergebracht sind. Ir-gendwie ungerecht wirkt es auch immer,wenn Menschen in Untersuchungshaftsterben (in diesem Jahr in Berlin nach un-ser Zhlung 17) mensch verliert den Glau-ben in die sonst unhinterfragte Legitimittder staatlichen Allmacht. Daraus entstehtmanchmal die Forderung der Kontrolle undEinschrnkung der verschiedenen Behr-den in ihrem Vorgehen.Also wird das Institutionengeflecht aus

    Interessenvertretungen und eingetragenenVereinen bemht, um die Parlamentarierauf die Probleme hinzuweisen. Falls es sichum eine wirklich moralisch verwerflicheSache handelt, wird das Problem nach vielTamtam von der politischen Ebene wiederan die Justiz abgegeben und, wenns gutluft, vielleicht auch gendert.

    Insgesamt haben die Betroffenen wie z.B.Gefangene in diesem langwidrigen Verfah-ren wenig Mglichkeiten, sich einzubrin-gen die Rollen sind verteilt und akzep-tiert. Alle, die sich in dem Geflecht und inder Herangehensweise nicht wiederfinden,

    haben auch keine Chance, ihre Belange ge-gen die allgemeingltige Ordnung durch-zusetzen. Allgemeingltig ist diese Ord-nung auch nur scheinbar denn wenn dieBelange aller Menschen nicht hinreichend

    formuliert und ffentlich vermittelt sind,kann auch nicht davon ausgegangen wer-den, dass alle damit einverstanden sind, wieGesellschaft organisiert ist. Letztlich fhrtallerdings auch die Formulierung der Pro-bleme und die Abgabe der Interessen-durchsetzung an die dafr vorbestimmtenInstitutionen meist zu nichts als rger undDegradierung.

    Schon aufgrund der vorprogrammierten

    Erfolglosigkeit, sollten wir uns daher nichtauf den herkmmlichen Weg der Dien-staufsichtsbeschwerden und der Klage vorden Verwaltungsgerichten beschrnken.

    Stattdessen ist es die Aufgabe der radi-kalen Linken, nicht nur Einzelflle als qua-

    si Betriebsunflle anzuprangern und Ver-antwortliche konkret zu benennen, sonderndas Herrschaftssystem an sich in Frage zustellen. Nicht nur die Forderung an die Par-lamente und Verwaltungsgerichte nachmehr Regulierung sollte unsere Sache sein,sondern gerade der Ruf nach mehr Solida-ritt mit den Betroffenen und Vernetzungaller, die ein Problem mit dem System ha-ben. Auf die verantwortlichen Institutionen

    muss Druck auf allen Ebenen ausgebt unddie Betroffenen in der Selbstorganisationuntersttzt werden. Die gesellschaftlich le-gitimen Kontrollinstanzen zur Unterbin-dung der Tendenz zu einem Polizeistaat rei-chen dafr bei weitem nicht aus, obgleichalle diese Instanzen mobilisiert werdenmssen.

    Die Rahmenbedingungen, um als radika-

    le Linke in dieser Gesellschaft aktiv han-deln zu knnen, mssen erst wiederzurckerobert werden. Die Selbstverstnd-lichkeit, mit der die Behrden Zugriff aufpolitische AktivistInnen nehmen, muss ih-nen genommen und Aktionsformen fernabder Parlamente, Vereine und Justizaus-schssen gefunden werden.

    Die Reaktion auf die aktuelle Entwick-lung kann nicht sein, sich in der politischen

    Arbeit aufgrund der permanenten Repres-sionsgefahr zu beschrnken. Denn Eigen-schaft einer solchen Form der Repressionund eines solchen Polizeistaates ist gerade,

    nicht das Kriminalisieren anhand von Ver-gehen, sondern die Mglichkeit, jederzeitaufgrund von Ideologie kriminalisiert zuwerden.Soligruppe Christian S.

    Rendezvous mit demGeheimdienst

    In Frankfurt (Oder) wollte derVerfassungsschutz offenbar einenlinken Aktivisten anwerben

    Seit Sommer 2006 versuchte der Verfassungs-schutz, eine Person aus der linken Szene der

    Stadt Frankfurt (Oder) fr Informantendiensteanzuwerben. Mit dieser Information sind die Ro-te Hilfe und die Soligruppe Frankfurt (Oder) jetztan die ffentlichkeit gegangen. In einem mehr-seitigen Protokoll, das unter anderem in derjngsten Ausgabe der Rote Hilfe-Zeitung abge-druckt wurde, sind die drei Gesprche, die derjunge Mann mit einem Mitarbeiter des Verfas-sungsschutzes gefhrt haben soll, ebenso auf-gelistet wie Kontakte per E-Mail oder Handy.

    Die erste Begegnung gab es demnach EndeAugust, als ein Mann vor der Arbeitsstelle desjungen Aktivisten wartete. Der Wartende habesich als Bjrn Kloppstock aus Berlin vorgestellt.

    Er sei Journalist und wolle ein Interview. Dochschon beim ersten Gesprchstermin habe BjrnKloppstock offen gesagt, dass er fr den beimBundesinnenministerium angesiedelten Ver-fassungsschutz arbeite. Der junge Aktivist soll-te in unterschiedlichen Bereichen ttig werden.So sollte er Informationen ber die AutonomeAntifa Frankfurt (Oder) und deren Verbindun-gen sowie ber die beginnenden Proteste

    gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu-sammentragen.

    Um die Gipfelgegner auszuspionieren, sollteder Gefragte an Vorbereitungstreffen des Dis-sent-Netzwerks teilnehmen. Besonderes Au-genmerk sollte er dort auf Mailverteiler undPasswrter richten, habe ihm Kloppstock ein-geschrft, heit es.

    Der Einsatz des vermeintlichen Neu-Infor-manten sollte nicht auf Brandenburg be-schrnkt bleiben. Die Teilnahme an Veranstal-tungen in anderen Bundeslndern ist den An-gaben zufolge ausdrcklich vorgesehen gewe-sen. Gleich zum Einstieg htte es das Dissent- Vorbereitungstreffen in Osnabrck gegeben.Als Gegenleistung fr die Spitzelttigkeit sol-len bis zu 500 Euro monatlich angeboten wor-den sein. Was Kloppstock nicht ahnen konnte:Der junge Mann ging nur zum Schein und inAbsprache mit politischen Freunden darauf ein.Nach dem dritten Treffen brach er dann denKontakt ab. Es ist darum gegangen, die Ar-beitsweise des Verfassungsschutzes bei Infor-mantenanwerbungen genauer kennen zu ler-nen, begrndet die Soligruppe Frankfurt(Oder) diese Herangehensweise.Auch in Potsdam und Bernau sind in der letz-

    ten Zeit Aktivisten aus linken Zusammenhn-gen auf die gleiche Weise von vermeintlichenJournalisten, die sich dann als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes entpuppten, angespro-chen worden. Ob sich die Geheimdienstler dort

    auch als Bjrn Kloppstock vorstellten, soll nochermittelt werden.Weitere Informationen unterwww.soligruppe-frankfurt.deVon Peter Nowak

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    JuristischesNeulandGesprch mit dem Juristen Fredrik Roggan,der die Verfassungsbeschwerde gegen das

    NRW-Verfassungsschutzgesetz vorberei-tet, nach dem den Verfassungsschtzerndas heimliche Hacken von privaten Com-putern ber das Internet ermglicht wur-de.

    Gegen das vom Landtag in Nordrhein-Westfalen beschlossene neue Verfassungs-schutzgesetz, das den Verfassungsscht-zern auch das Eindringen in private Com-puter ber das Internet gewhrt, will Tele-polis-Autorin Bettina Winsemann (Twister)

    Verfassungsbeschwerde einlegen (und hatdafr auch ein Spendenkonto eingerichtet).

    Das Gesetz ist als Testlauf zu verstehen,auch in anderen Bundeslndern und aufBundesebene Sicherheitsbehrden hnli-che Kompetenzen zu geben. Das wollte manbereits ohne rechtliche Grundlage auf Bun-desebene machen und hatte auch schonrichterliche Genehmigungen dafr erhal-ten, bis einem Ermittlungsrichter beim BGHbei einem Antrag Mitte November danndoch Bedenken kamen (Der Groe Bruderim privaten Computer). Die Verfassungs-schtzer aus NRW drfen nun prinzipiellauch in ganz Deutschland Computer heim-lich hacken oder Trojaner einschleusen.

    Bettina Winsemann hat Dr. Fredrik Rog-gan mit der Verfassungsbeschwerde beauf-tragt. Roggan ist Bundesvorsitzender derHumanistischen Union, Lehrbeauftragteran der Universitt Potsdam und der FHVRBerlin, (Mit-)Herausgeber des Handbuchszum Recht der Inneren Sicherheit.

    Sie bereiten eine Verfassungsbeschwerdegegen eine in NRW beschlossene Verfas-sungsschutznovelle vor. Worauf sttzt siesich?Vor allem auf zwei Punkte. In der Novel-

    le wird die verdeckte Online-Durchsuchungdurch Polizei und Verfassungsschutz lega-lisiert. Auerdem wenden sich die Be-schwerdefhrer gegen eine in der Novelleenthaltene Regelung, die es dem Verfas-sungsschutz erlauben soll, an Internetan-geboten wie Chatrooms teilzunehmen undmitzudiskutieren. Dafr gab es bislang inDeutschland keine legalen Grundlagen, inbeiden Fllen handelt sich also um einenProbelauf des Gesetzgebers in NRW. Soll-ten die Regelungen Bestand haben, bestehtdie Gefahr, dass auch auf Bundesebene hn-liche Bestimmungen eingefhrt werden.

    Mit der Verfassungsbeschwerde soll sol-chen Bestrebungen mglichst ein Riegelvorgeschoben werden.

    Wurde die heimliche Online-Durchsuchung

    von Computern nicht schon praktiziert?Tatschlich wurden diese verdeckten In-

    ternetausforschungen schon lngere Zeitbetrieben, allerdings ohne gesetzlicheGrundlage. Dieser Meinung war zumindestein Ermittlungsrichter am Bundesgerichts-hof, der am 25. November in einen Be-schluss feststellte, dass diese Online-Durch-suchungen nicht genehmigungsfhig unddaher illegal seien. Jetzt soll mit der No-

    velle in NRW diese Praxis erstmals auf ei-ne gesetzliche Grundlage gestellt werden.

    Wo sehen Sie die besondere rechtliche Bri-sanz bei der Regelung zur verdeckten Inter-netberwachung?

    Hier soll erstmals die heimliche Durchsu-chung fremder Gegenstnde legalisiertwerden. Man stelle sich nur einmal vor, wases fr einen gesellschaftlichen Aufschreigeben wrde, wenn die heimliche Durch-suchung von Wohnungen legalisiert wer-den sollte. Hier sieht der Gesetzgeber mitgutem Grund vor, dass die Durchsuchung

    offen zu erfolgen hat. Es mssen sogar neu-trale Personen hinzugezogen werden, wennder Wohnungsinhaber nicht anwesend ist.Nur so kann eine Kontrolle der Manahmegewhrleistet und jeglicher Missbrauch

    verhindert werden. Bei der heimlichen In-ternetberwachung wrden diese rechts-staatlichen Mechanismen auer Kraft ge-setzt.

    Ist die grundrechtlich geschtzte Unverletz-lichkeit der Wohnung mit der offenen Struk-tur des Internet vergleichbar?

    Es muss vor allem bedacht werden, dassheute immer mehr - auch private - Le-bensbereiche der Menschen ber das Inter-net abgewickelt oder auch hchstpersnli-che Sachverhalte auf Festplatten abgespei-chert werden. Hier zeigt sich, dass mit demheimlichen Hacken von PCs durchaus auchsolche Informationen dem staatlichen Zu-griff unterliegen, die frher nur durch Woh-nungsdurchsuchungen zu erlangen waren.

    Aber mit dem groen Aufschrei ist auchnach der NRW-Novelle nicht zu rechnen?

    Es ist sicher richtig, dass die ganz groen

    Massen heute nicht fr einen Protest gegenneue berwachungsmethoden zu begei-stern sind. Das war in den 80er Jahren zurZeit der Bewegung gegen die Volkszhlungnoch anders. Heute sind es neben den Br-gerrechtsorganisationen auch Einzelperso-nen, die sich dagegen wehren und ebenauch mittels Verfassungsbeschwerden juri-stisch dagegen vorgehen. Erfreulicherwei-se gibt es auch in Teilen der Computersze-ne eine groe Sensibilitt gegenber ber-wachungsbefugnissen.

    Halten Sie es fr realistisch, dass das Bun-

    desverfassungsgericht die Novelle kippt?Das Gericht hat mehrere Entscheidungs-mglichkeiten. Es kann die Novelle kom-plett fr nichtig erklren, wovon ich reali-stischerweise nicht ausgehe. Es kann sie

    natrlich auch fr verfassungskonform er-klren. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dassdas BVerfG einzelne Regelungen der No-

    velle fr verfassungswidrig erklrt oder mitstrengen Auflagen passieren lsst. Von demUrteil hngt natrlich auch das weitere Vor-gehen anderer Landesparlamente und desBundesgesetzgebers ab. Sollte die Novelle

    vollstndig fr verfassungsgem erklrtwerden, wre die Tr fr weitere auch bun-

    despolitische Vorste in Sachen heimlicheInternetberwachung weit offen. Je gre-re Hrden das BVerfG der heimlichen ber-wachung setzt, desto schwieriger sind sol-che Vorste. Hierin sehe ich auch eine In-tention der Novelle aus NRW. Ein Gesetz-geber prescht vor und dann wird beobach-tet, wie weit er damit kommt. Wenn er Er-folg hat, ziehen die anderen nach.

    Wann ist mit einer Entscheidung zu rech-nen?

    Das Gesetz ist erst krzlich verffentlichtworden. Die Formulierung der Verfas-

    sungsbeschwerde wird sicherlich einigeWochen in Anspruch nehmen. Wann dasGericht dann eine Entscheidung fllt, istnoch nicht abzusehen. Bei dem Urteil berden Einsatz des IMSI-Catchers dauerte esber 3 Jahre. Da die berlastung des Ge-richts in der Zwischenzeit nicht geringerwurde, ist von einer hnlichen Dauer aus-zugehen. Auerdem wird hier juristischesNeuland betreten, was eine besonders sorg-fltige Prfung erforderlich macht.Peter Nowak 03.01.2007

    Artikel-URL:http://www.heise.de/tp/r4/arti-kel/24/24358/1.html

    Legenbildungentgegentreten

    Gr Dich, Wolfgang,habe Deinen Artikel zum Jelinek-Stck undzu dessen freihndigen Ausschmckungender Sachverhalte um die Tote in Stamm-heim mit groer Freude gelesen. Legen-denbildung entgegenzutreten hilft, den

    Kampf der Stadtguerilla verstehen und indie generationenbergreifende Reihe jenerKmpfe einzuordnen zu knnen, die Men-schen berall auf dem Planeten gezwungenwaren und sind, gegen das Kapitalmonsterzu fechten, heute mehr denn je. Das Rechtauf Freilassung der letzten Gefangenen derStadtguerilla ist zu respektieren. Was Ein-zelnen genommen wird, ist fr alle verlo-ren. Fr die Rechte der letzten Gefangenender Stadtguerilla zu stehen, ist daher nichtgnnerische Solidaritt, vielmehr das vital-ste Interesse all der vielen, die aktuell vonden Logiken kapitalistischer Produktions-

    weise weltweit in Elend und Not gezwun-gen und vor der Alternative Selbstaufgabeoder Kampf gestellt sind.Werner Braeuner, JVA Sehnde, Schnede-bruch 8, 31318 Sehnde am 1.1.2007

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    Am 10. Januar jhrt sich zum zweiten Malder Umbaubeginn des Wasserturms imHamburger Schanzenpark in ein Luxusho-

    tel. Schon vor Baubeginn und auch wh-renddessen gab es diverse Demonstratio-nen, ffentliche und auch militante Aktio-nen.

    Seit ebenfalls zwei Jahren gibt es die best-bewachteste, zudem illegale (lt. Gerichtsbe-schluss) Baustelle zumindest Hamburgs. Ca.400 Platzverweise und ber 40 bis jetzt ge-fhrte Verfahren (keine einzige Verurtei-lung, fast alle endeten mit Einstellung, al-lerdings gegen Geldbue) haben sich bis

    jetzt angesammelt.Im Folgenden zwei Beitrge zum einge-

    stellten 129-Verfahren und zu zwei dem-

    nchst stattfindenden Prozessen im Zu-sammenhang mit dem Widerstand gegendieses Projekt.

    129 Verfahren in Hamburgeingestell Kriminalisierungswelle gegen den Wasser-turmwiderstand entpuppt sich als Schlagins Wasser

    Das seit Mrz 2005 gegen acht Beschuldig-te laufende Verfahren wegen Bildung einerkriminellen Vereinigung ist im Herbst ver-gangenen Jahres von der Staatsanwalt-schaft sang- und klanglos eingestellt wor-den.Am 4. Mrz 2005 gab es in Hamburg und

    Lbeck mehrere militante Aktionen gegendas Luxushotel Marriot Treudelberg , dasBezirksamt Hamburg-Eimsbttel, das Auf-sichtsratsmitglied der Patrizia AG und CDU-Schatzmeister Harald Boberg und einMvenpickhotel in Lbeck. Es kam zu Glas-bruch und farblichen Fassadenverschne-rungen. Beim Marriothotel verbrannte ein

    Carport mit mehreren elektrischen Golf-karren. Erst 4 Tage nach den Aktionen stell-te die Lbecker Polizei fest, dass es gegendas Mvenpickhotel offensichtlich 2 Ak-tionen am selben Tag gegeben hatte. Eineam frhen Abend und eine in der folgen-den Nacht.

    Zu den Aktionen in Hamburg bekanntesich die Arbeitsgruppe fr einen Kolben-fresser im Motor der wachsenden Stadt. Zueiner Aktion in Lbeck gab es eine kurzeErklrung, die am Hotel gefunden wurde.

    Nicht einmal zwei Wochen nach diesenAktionen kam es in Hamburg zu der gr-

    ten Durchsuchungswelle seit fast 10 Jah-ren. Bei 11 Hausdurchsuchungen wurden 7Beschuldigte festgenommen, Ed-behandeltund zur Abgabe von DNA-Material ge-zwungen. Eine weitere Person wurde vom

    Staatsschutz nicht zu Hause angetroffen.Diesen 8, spter 9 Beschuldigten wurde dieBildung einer Kriminellen Vereinigung und

    die Durchfhrung aller in Frage stehendenAktionen vorgeworfen.Der Hintergrund fr diesen Schnellschuss

    des Hamburger Staatsschutzes drfte prak-tisch die Festnahme von zwei GenossInnenin der Nhe des Mvenpick Hotels kurznach der ersten Aktion in Lbeck gewesensein. Nach einem Aktenvermerk hatten diebeiden vorher an einem vom Verfassungs-schutz observierten Treffen teilgenommen.Nachdem die brigen TeilnehmerInnen die-ses Treffens identifiziert worden waren,wurden kurzum alle zur kriminellen Verei-nigung erklrt.

    Der politische Hintergrund drfte aller-dings in erster Linie fr die Massivitt des

    Angriffs auf linke Strukturen in Hamburg

    verantwortlich sein. Anfangs lag das Inter-esse der Innenbehrde und des Repressi-

    onsapparates darin, den gesamten Wider-stand gegen den Umbau des Wasserturmsin ein Luxushotel totzuschweigen. Die In-nenbehrde versuchte vergeblich, der Ham-burger Presse einen Maulkorb in diesem Zu-sammenhang zu verpassen. Nach einerHufung von militanten Aktionen kam derStaatsschutz zusehends unter Druck, zumaldie Verfolgungsbehrden schon in den Jah-ren zuvor keine Ermittlungsergebnisse we-gen anderer Aktionen prsentieren konn-ten.

    Nach ber 1 Jahren nun haben alle um-fangreichen Ermittlungen, Spurenauswer-

    tungen und Observationen zu nichts ge-fhrt, was auch nur ansatzweise das Kon-strukt des Staatsschutzes htte belegenknnen. Schon wenige Tage nach denDurchsuchungen hatten die AnwltInnen

    in einer Presseerklrung geschrieben: ...handelt es sich in tatschlicher und recht-licher Hinsicht um ein Konstrukt des Ham-

    burger Staatsschutzes. Vllig unterschied-liche Aktionen verschiedener Gruppen wer-den wider besseren Wissens willkrlich zu-sammengefasst und allen Beschuldigteninsgesamt zugeschrieben.

    Dabei handelt es sich in Wirklichkeit umvoneinander vllig unabhngige Aktionenin Hamburg und Lbeck.

    Dies ergibt sich schon daraus, dass es zweiverschiedene Anschlagserklrungen gibt

    Genau diese Argumentation nimmt dieStaatsanwaltschaft in der Einstellungser-klrung auf und benutzt sie, um jetzt das

    Verfahren mglichst ohne Aufsehen ein-

    stellen zu knnen.Im Zusammenhang mit den Aktionen der

    Arbeitsgruppe Kolbenfresser in Hamburg

    hat der Staatsschutz nichts in der Hand, je-denfalls nichts, was schriftlich festgehalten

    worden ist.Wegen einer Aktion am Lbecker Mven-pickhotel, die nachts stattgefunden hat, ha-ben sie offensichtlich genauso wenig er-mittelt.

    Die Konsequenz, die die Nacht vom 3. aufden 4. Mrz 2005 nun haben wird, ist ein

    Verfahren gegen die beiden GenossInnen,die in der Nhe des Mvenpick Hotels fest-genommen worden waren.

    und ein Verfahren wegenGlasbruch am MvenpickhotelZwei Beschuldigten, die in der Nhe des L-

    becker Mvenpickhotels festgenommenworden waren, ist im November die An-klageschrift zugestellt worden. Beschuldigtwerden sie der gemeinschaftlichen ver-suchten Ntigung in Tateinheit mit Sach-

    Hamburg

    Repression gegen Wasserturmwiderstand

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    beschdigung und versuchten gemein-schaftlichen Krperverletzung in Tateinheitmit gemeinschaftlicher Ntigung Vermut-lich wird der Prozess in den nchsten Wo-chen vor dem Amtsgericht St. Georg erff-net werden.

    Kurz nach der Aktion in Lbeck warenzwei Personen von einem Hotelangestell-ten auf der Strae festgehalten worden.Nach einem kurzen Gerangel konnten sie

    den Mann loswerden. Deutlich spter wur-den die beiden jetzt Angeklagten in einerKneipe festgenommen und angeblich alsdie beiden vorher Verfolgten identifiziert.

    Nach jahrelangen Ermittlungen desStaatsschutzes kommt es also jetzt zu ei-nem Verfahren, dass im Wesentlichen aufder Aussage eines Hotelangestellten beruht.Nach der Niederlage des Repressionsappa-rates im Hinblick auf mehrere militante Ak-tionen ist dieser Prozess das einzige Ergeb-nis, das Polizei und Justiz erreichen konn-ten. Gerade weil die beiden die einzigensind, die jetzt noch beschuldigt sind, steht

    zu befrchten, dass die Staatsanwaltschaftein groes Interesse an einer Verurteilunghat, um ihre Niederlage nicht ganz so ex-trem erscheinen zu lassen.

    Die Repression wird nicht nachlassen.Ganz im Gegenteil. Gerade im Hinblick aufdie G8 Mobilisierungen sind die Ansagen

    von BKA, LKA und VS deutlich genug. Mitjeder militanten Aktion, wie zu letzt demflambierten Auto von Mirow, wchst derDruck auf den Apparat. Unser Ziel mussbleiben, sich weiter zu organisieren, umweiter politisch und praktisch intervenie-ren zu knnen und den Druck zu verstr-ken.

    Den Betroffenen von Repression und ge-rade den vier GenossInnen, die auf ihre Pro-zesse wegen Widerstand gegen das Hotelim Wasserturm warten, muss unsere prak-tische Solidaritt gelten. Achtet auf Termi-nankndigungen und kommt zu den Pro-zessen.Hamburg, Januar 2007

    Antirepressionsgruppe

    Anklagekonstrukt wegen

    WasserturmwiderstandIm Rahmen eines Ermittlungsverfahrensgegen zwei GenossInnen im Zusammen-hang mit dem Widerstand gegen den Ho-telneubau im Wasserturm ist jetzt Anklageerhoben worden. Mit der Erffnung einesProzesses ist demnach bald zu rechnen.Ausgangspunkt des anstehenden Verfah-

    rens war die vorlufige Festnahme J.s am25.11.2005 mit anschlieender Hausdurch-suchung und Beschlagnahme mehrererComputer. Als Tatvorwurf wurde gemein-

    schaftliche Sachbeschdigung und schwe-re Ntigung genannt. Behauptet wird da-bei eine Beteiligung von J. an Aktionen ge-gen Firmen, die am Bau des Luxushotels imSchanzenpark beteiligt sind, u.a. durch Ver-

    ffentlichung entsprechender Erklrungenzu den beiden Aktionen.

    Zur Erinnerung: Am 28.10.2005 wurdenauf Baufahrzeuge der Firma Engel in Ham-burg-Eimsbttel Widerstandsparolen an-gebracht und Reifen zerstochen. In derNacht vom 24./25.11.2005 wurden Reifendes Zulieferers Lebbien untere dem MottoSchade, dass Beton nicht brennt zersto-chen. Die Firma liefert Beton fr den Bau

    des Hotels im Wasserturm im Schanzen-park.Nachdem es also am 25.11.2005 wegen

    der beiden Aktionen zu einer ersten Haus-durchsuchung gegen J. gekommen war,wurde am 31.05.2006 die Wohnung einzweites Mal durchsucht. Diese zweiteDurchsuchung richtete sich gegen die Mit-bewohnerin C., die jetzt auch als Beschul-digte benannt wurde. Vorangegangen wardem zunchst eine monatelange umfngli-che Observation verschiedener politischerZusammenhnge durch den Staatsschutz.Gezielt observiert wurde das persnliche

    und politische Umfeld der beiden jetzt An-geklagten.

    Diese Observationen wurden mit groempersonellen und logistischen Aufwanddurchgefhrt. Teilweise waren mehrere Ob-servationsteams parallel unterwegs und ha-ben mehrere Personen an verschiedenenOrten gleichzeitig observiert.

    Die Anklageschrift wirft zunchst J. vor,zweimal Beihilfe zur Sachbeschdigung ge-leistet zu haben, indem er weiteren unbe-kannten Ttern zugesagt hat, die Beken-nungen zu den beiden Aktionen bei Engelund Lebbien zu verfassen und per e-mailzu verffentlichen. Diesen Umstand der

    Verffentlichung wertet die Staatsanwalt-schaft im Zusammenhang mit der Hhe desSachschadens und der Drohung gegen an-dere Firmen zustzlich als besondersschweren Fall der Ntigung.

    C. wird hingegen vorgeworfen, nur imFall der Aktion gegen Lebbien Beihilfe zurSachbeschdigung in Tateineinheit mit ei-nem Fall der besonders schweren Ntigungbegangen zu haben. Sie soll unmittelbar mitJ. und einer weiteren unbekannten Personan der Erstellung des Bekennungsschrei-

    bens zu Lebbien beteiligt gewesen sein.Durch die Observations- und berwa-chungsmanahmen will die Staatsanwalt-schaft nachweisen, dass J. in beiden Fllendie Bekennungsschreiben per E-mail ausffentlichen Internet-Cafs versandt hat.Darber hinaus will die Anklagebehrdeber bei der Durchsuchung beschlagnahm-tes handschriftliches Material im Falle der

    Aktion gegen Lebbien auch eine AutorIn-nenschaft von J. und C. beweisen. Konkretgeht es um einen handschriftlichen Zettel,der weitgehende inhaltliche bereinstim-mung mit dem Text der Bekennungs-E-mail

    aufweist. Mehrere Schriftgutachten einerpolizeiinternen LKA-Gutachterin sollen diebehauptete AutorInnenschaft von J. und C.belegen.

    Die zweite Hausdurchsuchung diente vor

    allem der Beibringung von vermeintlichemVergleichsschriftmaterial von C. zur Unter-mauerung der angeblichen Beteiligung vonC. am zweiten Bekennungsschreiben.

    Obwohl J. und C. trotz der umfnglichenmonatelangen Observation und Ermittlun-gen keinerlei Kontakt zu den bis heute un-bekannt gebliebenen Beteiligten an der Ak-tion gegen Engel und Lebbien nachgewie-sen werden kann, konstruiert die Staatsan-

    waltschaft eine gemeinsam abgestimmteVorgehensweise zwischen J, C. und den un-bekannten Beteiligten. J. wurde sogar in derZeit der Aktion gegen Lebbien umfnglichund gezielt observiert, ohne dass in dieserHinsicht irgendwelche Erkenntnisse ge-wonnen werden konnten. Das von derStaatsanwaltschaft behauptete gemein-schaftliche Vorgehen ist und bleibt nichtsweiter als reine Spekulation.

    Der Vorwurf der schweren Ntigung istder Versuch der Staatsanwaltschaft, zum ei-nen das Strafma in die Hhe zu treiben,aber vermutlich auch diesen Straftatbe-

    stand als Mittel umzuschreiben, um gradesolche Aktionen und vor allem das Versen-den von Erklrungen hrter bestrafen zuknnen. Die Regelbeispiele im Strafgesetz-buch, bei denen von einer schweren Nti-gung gesprochen wird sind da eindeutig,nmlich Ntigung zum Schwanger-schaftsabbruch, Ntigung zu einer sexuel-len Handlung und Ntigung unter Mis-sbrauch der Befugnisse oder der Stellungals Amtstrger. Selbst vor diesem reinrechtlichen Hintergrund entlarvt sich die

    Anklage auf jeder Ebene als willkrlichesKonstrukt.

    Nach unserer derzeitigen politischen Ein-schtzung geht es bei dem Angriff desStaatsschutzes zum einen um die Krimina-lisierung und Einschchterung des Wider-stands gegen das Hotelprojekts im Schan-zenpark. Dabei wurde in dem Verfahren ge-gen J. und C. seitens der Polizei und derStaatsanwaltschaft sogar zwischenzeitlichberlegt, eine Verbindung zu dem mittler-weile eingestellten 129-Verfahren wegenBildung und Mitgliedschaft in einer krimi-nellen Vereinigung wegen militanter Ak-tionen im Mrz 2005 gegen mehrere Lu-

    xushotels in Hamburg und Lbeck und dasBezirksamt Eimsbttel herzustellen.Doch auch so richtet sich der anstehen-

    de Prozess nicht nur gegen J. und C.. Viel-mehr ist er ein Angriff auf den Wasser-turmwiderstand insgesamt, zumal ur-sprnglich das Repressionsinteresse demgesamten ffentlich auftretenden Zusam-menhang des Freien Netzwerks zum Er-halt des Sternschanzenparks und seinempolitischen Umfeld galt.Weiterhin geht es bei dem Staatsschutz-

    angriff natrlich auch immer um die Aus-forschung der linken Szene und ihrer Struk-

    turen insgesamt. Im Frhjahr 2006 mussteder oberste Hamburger Verfassungsscht-zer Heino Vahldick ffentlich eingestehen,dass es in Hamburg schon seit lngerer Zeitso viele militante Aktionen wie sonst in kei-

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    ner anderen deutschen Stadt auer Berlingibt. Nach den Enteignungsaktionen imFrischeparadies Goedecken und dem abge-brannten Auto des Chefs des Weltwirt-schaftsinstitutes stiegen im Mai 2006 diegesamte Hamburger Presse wie auch ber-regionale Medien in dieses Thema ein. Inder Presse wurden smtliche grere undkleinere militante Aktionen der letzten Jah-re aufgelistet. Kritisiert wurden Verfas-

    sungsschutz und polizeilicher Staatsschutz,weil all diese Aktionen nicht aufgeklrtwurden und kein einziger Tter prsentiertwerden konnte. Dementsprechend gro istder Erfolgsdruck fr den Hamburger Staats-schutz in der ffentlichkeit. Von daher hatder Repressionsapparat zur Zeit ein ganzwesentliches Interesse, groangelegte Er-mittlungsverfahren gegen linke Projekteund Strukturen am Laufen zu halten. Das

    jeweilige konkrete Verfahren und der kon-krete Tatvorwurf sind relativ egal. Die Tak-tik scheint zu sein, bei jeder sich bietendenGelegenheit grere Repressionswellen zu

    starten, um bei Durchsuchungen nach demMotto Irgendwas wird sich schon finden... Zufallstreffer zu landen. EntsprechendeObservationen und ausgedehnte Telefon-und E-Mail-berwachung sollen Erkennt-nisse ber Kontakte und Querverbindungen

    von Personen und politischen Strukturenliefern, die ihrerseits dann wieder in neueKriminalisierungsversuche mnden. Dieses

    Ausspionieren von linken Strukturen mussnatrlich auch im aktuellen Kontext der an-laufenden Mobilisierung zum G-8 in Ham-burg gesehen werden.

    Das jetzt anstehende Verfahren gegen J.und C. ist in diesem Zusammenhang ein

    Angriff auf linke emanzipatorische Politikund der Versuch des Repressionsapparates,endlich ein Verfahren wegen militanter Ak-tionen zu fhren. Alle noch so umfangrei-chen Ermittlungen, berwachungs- undObservationsmanahmen haben letztlichnur zu einem fragwrdigen Konstrukt ge-gen J. und C. gefhrt. Die Anklageerhebungmit diesem Konstrukt unterstreicht das Ver-folgungsinteresse und gleichzeitig auchden ffentlichen und politischen Druck, un-ter dem der Repressionsapparat steht, end-

    lich Ergebnisse in Form von Prozessen undVerurteilungen zu prsentieren.Hamburg, Januar 2007Prozessgruppe WasserturmFreies Netzwerk fr den Erhalt des Stern-schanzenparksInfos unter: www.schanzenturm.de/

    Spendenkonten:Empfnger www.schanzenturm.deKonto-Nr. 964 049 201BLZ 200 100 20Postbank Hamburg

    Empfnger Rote Hilfe HamburgKonto-Nr. 846 102 03BLZ 200 100 20Postbank HamburgStichwort Wasserturm

    Wer die Staatsmachtzum Narren hlt ...... muss mit schmutzigen Tricks rechnenund kann froh sein, wenn er vor ein Ge-schworenengericht kommt. Unspekta-kulre Strafen im spektakulren AthenerProzess gegen drei mutmaliche Ent-

    wender von Polizeiausrstung.

    Athen.Waffenbesitz, die Herstellung von Mo-lotow-Brandstzen und Bandenbildung wa-ren die gemeinsamen Anklagepunkte gegenPanojiotis Aspiotis und Petros Karasarinis beider am 5. Januar zu Ende gegangen Gerichts-

    verhandlung. Giorgos Kalaitzidis wurde dar-ber hinaus versuchte Krperverletzung undder Raub von Polizeiausrstung vorgeworfen.

    Die Geschichte begann im Mai vergangenenJahres, als es Anarchisten bei verschiedenenStraenschlachten mit der Polizei gelang,mehrere Polizeischilde, Helme und Gasmas-

    ken zu erbeuten. Die Polizei hatte anfnglichden erfolgreichen Raub der Polizeiausrstungdementiert. Daraufhin verffentlichten die T-ter Bilder von vermummten Anarchisten mitPolizeihelmen und Polizeischilden im griechi-schen Internetportal von Indymedia.

    TerrorvorwurfZwei Monate spter nahm die Polizei GiorgosKalaitzidis und Petros Karasarinis bei dem Ver-such, die in Stcke geschnittenen Polizei-schilde zu entsorgen, fest. Bei einer Haus-durchsuchung in der Wohnung von Kalaitzi-dis fanden die Beamten auerdem vier Pisto-len, die nach Untersuchungen der Polizei al-lerdings nie bei irgendeiner Straftat benutztworden waren.

    Panajiotis Aspiotis wurde einige Tage sp-ter verhaftet, weil sich in einem von ihm ge-meinsam mit Kalaitzidis angemieteten Bank-schliefach einige Patronen fanden. NachMeinung der Staatsanwaltschaft sollte dasBankfach fr die Aufbewahrung von Waffenund Geldern aus noch zu begehenden Bank-rauben verwendet werden. Die Schliefach-mieter geben dagegen an, den Safe fr die Auf-bewahrung von gesammelten Geldern fr dieGefangenensoli angemietet zu haben.

    Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Bil-dung einer kriminellen Verreinigung ein Ver-fahren vor Berufsrichtern nach dem Antiter-rorgesetz beantragt. Der zustndige Untersu-chungsrichter entschied jedoch, dass gewalt-ttige Auseinandersetzungen mit der Polizeinoch keine terroristische Straftat darstellen,und verwies den Fall im Somm