Gefangenen Info #351

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    |nov./dez. 2009|preis: 2 |nr. 351 |www.gefangenen.info

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    Inhaltsverzeichnis

    2 | Gefangenen Info | Nov./Dez. 2009

    Liebe Leserinnen und Leser,

    mit der 351. Ausgabe des Gefangenen Infos lassen wir das Jahr 2009 hinter unsund wenden uns langsam 2010 zu. Wir sind momentan mit der Auswertung unserereinjhrigen Erfahrung als Redaktions- und Vertriebsstruktur befasst, wodurch wir inder Lage sein werden, entstandene Probleme zu erkennen, um diesen in Zukunftvorbeugen zu knnen. Alles weitere und nhere dazu erfahrt Ihr dann im kommen-den Jahr.

    Obwohl wir im Innenteil auf Seite 6 auf die Repression gegen Solistrukturen und dasGefangenen Info eingehen, mchten wir vorab mitteilen, dass Passagen des Texteszur Beugehaft gegen Nuri Eryksel (Nr. 348, Seite 5) vor der Aushndigung an die129-Gefangenen in NRW geschwrzt wurden. Cengiz Oban hat auerdem die Nr.350 des Gefangenen Infos nicht erhalten, da diese angehalten wurde. Mehr dazuschildert er in seinem Brief auf Seite 16.

    Als Schwerpunkt dieser Ausgabe haben wir uns fr die Urteilsverkndung im MG-Prozess entschieden. Wir haben eine erste kurze Einschtzung des Prozesses ver-fasst und informieren dazu ber den Aktionstag zur Urteilsverkndung und ber dieaktuellen Kriminalisierungsversuche des Verfassungsschutzes gegen das Engage-ment gegen staatliche Repression anhand der Diffamierung Inge Hgers.

    Durch die Seiten dieser Ausgabe ziehen sich bei nherer Betrachtung der Kurzmel-dungen vermehrt wieder staatliche Hinrichtungen wie Alaattin Karadag und AydinErdem in der Trkei, Jon Anza im Baskenland und der faschistische Mord an IwanChutorskoi in Russland. Neben solchen traurigen Meldungen haben wir uns auchetwas Platz (Seite 13) aufgespart fr die krebskranke Gler Zere, die nach einemlangen Kampf am 6. November 2009 freigelassen wurde.

    Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt stellen die Artikel zum Baskenland dar. Ne-ben dem Brief des baskischen politischen Gefangenen Markel Ormazabal haben wireine Meldung zur jngsten Repressionswelle untergebracht. Wir gedenken diesesThema in den kommenden Ausgaben zu vertiefen und die internationalen Initiativenfr die baskischen politischen Gefangenen in unserer Zeitung zu begleiten.

    Mit der aktuellen Ausgabe schlieen wir mit dem dritten Beitrag zunchst das Dos-

    sier zur Internationalen Roten Hilfe (IRH) und bereiten uns fr die Fortsetzung dieserTextserie vor, in der wir uns mit der im Jahr 2000 ins Leben gerufenen internationa-len Initiative zu Grndung der Roten Hilfe International (RHI) tiefer nher werden.

    Wir mchten abschlieend Mustafa Atalay, der am 13. November 2009 freigelassenwurde, alles Gute und viel Kraft wnschen. Wir hatten im Rahmen unserer Mg-lichkeiten die Initiativen zur Freilassung Mustafa Atalays untersttzt. Unseren In-formationen zufolge kann er nun endlich die notwendige medizinische Behandlungaufnehmen, die ihm seitens des Staatsschutzsenates in Stuttgart-Stammheim vorund seit Prozessbeginn am 27. Mrz 2008 verweigert worden war. Die Justizfarceselber dauert gegen Ahmet Dzgn Yksel und Devrim Gler an.

    Whrend wir nun ein weiteres Jahr hinter uns lassen wnschen wir allen, insbeson-

    dere den Gefangenen, viel Kraft und Ausdauer fr das neue Jahr:Drinnen und Drauen - EIN KAMPF!

    Die Redaktion

    E-Mail: [email protected] Homepage: www.gefangenen.info

    Vorwort

    Urteil im MG-Prozess in Berlin- eine erste Einschtzung

    Bericht zum TagX: Soliaktivitten

    zur Urteilsverkndung

    Diffamierungskampagne- Engagement gegen staatlicheRepression im Visier

    Briefe der 129b Gefangenenbelegen das Kalkl

    Zur Verhaftungvon Verena Becker (Teil 2)

    Brief des baskischen politischenGefangenen Markel Ormazabal

    Repressionsschlag gegenJugendliche der baskischenlinken Unabhngigkeitsbewegung

    Zu den Festnahmen in Italien am10. Juni 2009

    Prozessauftakt gegensterreichische Tierrechtler

    Zum Tod der Gefangenen

    Diana Blefari Melazzi

    Aus dem Gesprch mit derkolumbianischen Delegation

    Simon Trinidad: KolumbianischerGefangener in den USA

    Ahmad Saadat weiterhinin Isolationshaft

    Gler Zere freigekmpft

    Kampagnen und Kooperationender Internationalen Roten Hilfe

    Arbeitszwang und Arbeitsverwei-gerung von Thomas Meyer-Falk

    Brief von Cengiz Oban

    Brief von Devrim Gler

    Brief von Gnter Finneisen

    Buch und CD-Ankndigungen: Schneider: Tod in der Scheune Solisampler fr Mumia Hubert: Krisenreaktion

    Inland

    International

    Gefangene/ Briefe aus den Knsten

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    Feuilleton

    Schwerpunkt

    IRH/RHI Dossier (Teil 3)

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info her-vorgegangen, welches im Hungerstreik der politischenGefangenen als Hungerstreik Info 1989 entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle poli-tischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadt-teilladen Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt dieMeinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktionsind entsprechend gekennzeichnet.

    Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbe-halt ist die Zeitung solange Eigentum der/des Absen-derIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist.Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinnedes Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nichtpersnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mitdem Grund der Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    Anschrift: Gefangenen Info, c/o StadtteilladenLunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinRedaktion: [email protected]: [email protected]:Johannes Santen, RaTreuhandkontoGefangenen InfoKonto-Nr.10382200Bankleitzahl: 20010020

    Postbank HamburgBestellungen: Einzelpreis: 2 . Ein Jahresabonne-ment kostet 29,90 (Frderabo 33,20), Buchlden,Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungenerhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf dasKonto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

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    Nov./Dez. 2009 | Gefangenen Info | 3

    Der erste Show-Akt im Berliner MG-Ver-fahren ist ber die Bhne gegangen. EineAuffhrung, die keinen Applaus verdienthat. Als der Vorhang am 16. Oktober 2009gegen 14 Uhr el wurde das vorluge amt-liche Endergebnis durch den Strafsenatdes Berliner Kammergerichts genannt: Ver-sammlungsleiter Joseph Hoch erhob sichund verkndete mit leicht bebender Stim-me Haftstrafen zwischen 3 und 3 Jahrenfr die drei Angeklagten Axel, Florian undOliver. Dieses Strafma gab es fr die ver-suchte Brandstiftung an drei Bundeswehr-LKWs und vor allem fr die vermeintlicheMitgliedschaft in der klandestinen MilitantenGruppe (MG) nach 129, d.h. Mitglied-schaft in einer sog. kriminellen Vereinigung.Das Verfahren zog sich ber ein Jahr hin,

    lange 63 Verhandlungstage waren zu ab-solvieren, die allen direkt oder indirektBeteiligten vieles an Kraft und Zeit abver-langten. In diesem Sitzungsmarathon wares das nicht ffentlich erklrte, aber fr alleinteressierten ProzessbeobachterInnen of-fensichtliche Ziel, dass es am Prozessendeauf Biegen und Brechen zu einer Verurtei-lung nach 129 kommen mu. In diesemPilotverfahren im MG-Komplex mute der 129 durchgebracht werden, um so einenPrzedenzfall schaffen zu knnen. Durchdiesen drfte es ein Leichtes sein, in poten-tiellen Folgeverfahren, die in den Kontext

    des MG-Komplexes gestellt werden, nach 129 abzuurteilen, so dnn und brchig dieIndizien auch sein mgen.Auch sonst hat das Verfahren einige Ele-mente ans Tageslicht gefrdert, die zueinem ordentlichen Staatsschutzprozegehren. Die Fake-Beitrge zur Militanz-debatte, die in den Analysezimmern inMeckenheim beim BKA angefertigt undin der Berliner Szene-Zeitschrift Interimverffentlicht wurden, oder die codiertenund kostmierten BKA-BeamtInnen als siein den Zeugenstand des hochgesicher-ten Sitzungssaals 700 hereingerufen wur-

    den. berssig zu erwhnen, dass dieVerteidigerInnenrechte regelmig durchverfahrensrechtliche Tricks ausgehebelt,Akten nicht vollstndig ausgehndigt undEntlastungszeugen nicht gehrt wurden.Und auch sonst waren die Begleiterschei-

    nungen typisch. Still und leise wurdenmehrere frhere MG-Verfahren wegen of-fensichtlicher Unbegrndetheit eingestellt.Jahrelang sind Dutzende Menschen in dasFadenkreuz der Ermittlungsbehrden ge-raten, ihr politisches und soziales Lebenwurde ausgespht und in die Datenbankengegeben. Die staatlichen Behrden habenein eng gestricktes Netz ber Verdchtigegeworfen, aus dem es kein Entrinnen mehrgeben konnte.Ein klassischer Fall von Klassenjustiz, dersich nur eine rissige rechtsstaatliche Fas-sade zu geben braucht, da die zivilgesell-schaftliche Emprung weitgehend ausge-blieben ist. Wenn sie sich einmal zeigte,wurde sie prompt als Untersttzung desgewaltttigen Linksextremismus angefein-

    det, wie bei der BundestagsabgeordnetenInge Hger, die der Fraktion der Partei DieLinke angehrt und sich durch Prozebe-suche und Presseerklrungen fr die Rech-te der Angeklagten eingesetzt hat.Und jetzt? Ruhe ist eingekehrt. Man wartetauf die schriftliche Urteilsbegrndung, umdarauf den Revisionsantrag der Verteidi-gung aufbauen zu knnen. Ob es berhauptzu einer Revision kommt, ist beraus frag-lich. Es handelt sich vermutlich um keine zusehr gewagte These, dass Axel, Florian undOliver Mitte des kommenden Jahres ihrenTermin zum Haftantritt erhalten werden.

    Zu einer detaillierten Gesamteinschtzungdieses MG-Pilotprozesses ist es bis zum

    jetzigen Zeitpunkt noch zu frh. Interessantwird sein, wie sich der Begrndungszusam-menhang des mndlichen Urteilsspruchs inder schriftlichen Fassung zeigen wird undwie die AnwltInnen ihrerseits den Revisi-onsantrag formulieren. Einstweilen gilt es,das Material abzuwarten, das fr eine wirk-liche Verfahrensanalyse bentigt wird. D.h.,wir werden in den nchsten Ausgaben desGI des fteren auf den abgelaufenen MG-Prozess zu sprechen kommen.

    Ein Nicht-Pldoyer vor Gericht undeine Verteidigung des Anti-Militarismus

    Neben diesen eher ernchternden Fakten,gibt es allerdings auch einige Aspekte, diepositiv aus dem Verfahren zu ziehen sind.

    Da ist zum einen die Weigerung der Anwl-tInnen, vor dem Staatschutzsenat ein Pl-doyer zu halten. Vor dem Hintergrund wiesich der Prozess von seiten des Strafsenatsgestaltete, wre es ein Hohn gewesen,sich an dieser Posse mit dem Einhaltender prozessualen Standards zu beteili-gen. Ein mutiger Schritt., der begrndet ist:Das Schlupldoyer der Verteidigung hatden Sinn und Zweck, das bisherige Pro-zegeschehen zusammenzufassen und dieSchlufolgerungen darzulegen, die sich frdie Verteidigung daraus ergeben. Notwen-dige Voraussetzung dafr ist die Erwartung,dass das Gericht dazu bereit ist, diese Dar-legungen und Argumente anzuhren, nach-zuvollziehen und in seine Beratungen miteinzubeziehen, so die VerteidigerInnen in

    ihrer Erklrung. Weiter heit es: Angesichtdes Verfahrensverlaufs knnen wir dieseErwartung in keiner Weise mehr aufrecht-erhalten. Nur konsequent ist die abschlie-ende Formulierung der AnwltInnen: EinEinhalten formaler Spielregeln, die ihres In-haltes entkleidet sind, macht fr die Vertei-digung jedoch keinen Sinn. Wir verzichtendaher auf einen Schluvortrag.Positiv ist ebenfalls anzumerken, dass sichber das MG-Verfahren der Anti-Militaris-mus als politisches Bettigungsfeld ffent-lichkeitswirksam transportieren lie. DasBerliner Einstellungsbndnis hat in einer

    Erklrung zum Prozeausgang dazu ge-schrieben: Trotz Repression und Krimina-lisierung hat antimilitaristischer Widerstandin Deutschland whrend dieses Prozessesmehr Aufmerksamkeit und Prsenz bekom-men. Der Widerstand gegen den Krieg wirdwieder deutlich entschlossener und ge-schlossener gefhrt, ohne dass friedlicheProteste und nicht gesetzeskonformer Wi-derstand gegeneinander ausgespielt wer-den konnten.Dass die kriegfhrende Bundesregierungihre Justiz dazu anhlt, genau diesen viel-fltigen antimilitaristischen Protest mit Hilfe

    rechtlicher Mittel abzustrafen, ist und warabzusehen. Unsere Solidaritt wird unsereAntwort auf ihre Repression sein! (Red.)

    Weitere Infos unter:www.einstellung.so36.net

    schwe

    rpunktUrteil im MG-Prozess in Berlin

    eine erste Einschtzung

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    Im Rahmen des bundesweiten dezentra-len Aktionstages fanden aus Solidarittmit Axel, Florian und Olli, die wegen einerversuchten Brandstiftung an Bundeswehr-fahrzeugen als Mitglieder in der MilitantenGruppe (MG) zu Haftstrafen zwischen 3 und3,5 Jahren verurteilt wurden, in vielen Std-ten Soli-Aktionen statt. Wir dokumentierenan dieser Stelle einen berblick ber diegelaufenen Aktionen und Aktivitten:

    Berlin: Vor dem Gericht in Berlin-Moabitversammelten sich ca. 50 Leute und mach-ten eine Kundgebung. Die Polizei nahmein Transparent mit der Aufschrift Was inDeutschland brennt kann in Afghanistankeinen Schaden mehr anrichten zum An-lass die Kundgebung zu stren und zweiPersonen kurzzeitig festzunehmen. Im Ge-richtssaal wurde whrenddessen das Urteilverkndet. Wenig berraschend sah es dasGericht trotz vager Indizien als erwiesenan, dass die drei Angeklagten Mitgliederder MG gewesen seien. Als die Verurteiltenaus dem Gericht kamen wurden sie laut-stark begrt. Am Abend fand eine Demomit etwa 800 Leuten statt, viele Leute lie-fen in Ketten und es wurden viele Parolengerufen. Auf einem Hausdach wurde einTransparent mit der Aufschrift Feuer undFlamme der Repression aufgehngt undPyrotechnik gezndet. Eine Spontandemobildete sich, die jedoch schnell einkesseltwurde und sich dann auste.

    In der Nacht zum 17.10. wurden auerdemzwei Firmenwagen der Firma Imtech ange-zndet. Imtech stattet die Deutsche Marinemit klimatechnischen Systemen aus.Hamburg: Zur Soli-Kundgebung ver-sammelten sich am Abend 200 Menschenam S-Bahnhof Sternschanze. Nach denRedebeitrgen wurde eine Spontandemoangemeldet und ein Panzer aus Pappein Brand gesetzt. Die Demo zog lautstarkdurch das Hamburger Schanzenviertel.Stuttgart: Knapp 25 TeilnehmerInnen the-matisierten auf einer Kundgebung und miteinem Infotisch das Urteil und informierten

    ber die 129b-Verfahren in Stuttgart-Stammheim und Dsseldorf.In der Nhe vom Hauptbahnhof wurde au-erdem ein Transparent mit der AufschriftFeuer und Flamme der Repression! Soli-daritt ist eine Waffe aufgehngt.Leipzig: 120 vermummten Personen de-monstrierte im Leipziger Stadtteil Connewitzund zndeten bengalische Feuer. Ein Teilder Demo baute Barrikaden aus Autoreifenund Containern und steckte diese in Brand.Mehrere Gebude wurden beschdigt, wo-bei die Auswahl der Ziele nicht sonderlichgeglckt ist: u.a. traf es eine Apotheke, eine

    Einkaufspassage und eine Securityrma.Die anrckende Polizei wurde mit Steinenangegriffen und 7 ihrer Fahrzeuge besch-digt. 6 Personen wurden festgenommen.Dsseldorf: In den Abendstunden ver-sammelten sich 50 Personen zu einer lau-

    ten Spontandemo und zndeten whrend-dessen Bengalos und Rauchbomben. Eswurde eine kurze Rede verlesen. Die Poli-zei versuchte die Demo einzukesseln undnahm nach Ausung 6 Personen kurzzei-tig fest.Erfurt: In der Nacht zum 17.10. wurdenmehrere DHL-Paketstationen angegriffenund Postfahrzeuge zerstrt.Fr die Bundeswehr bernimmt die Post-Tochter DHL logistische Aufgaben wie dieFeldpost und den Transport von leichtemKriegsmaterial unter 50kg. Sie trgt zueinem funktionierenden Militrapparat beiund verdient nebenbei auch gut daran. Aufdem hinterlassenem Flugblatt wird festge-stellt: Kriminell ist das System und nichtder Widerstand - Freiheit fr Axel, Florianund Oliver!Bremen: In Bremen machten etwa 100Menschen eine Spontan-Demo. In derNacht zum 16.10. wurden Einrichtungen derPost und der DHL in olivgrn angestrichen.In der Erklrung dazu heit es: Aus Anlassdes bundesweiten Aktionstages zur Solida-ritt mit den Beschuldigten im Berliner MG-Prozess, die Kriegsfahrzeuge unbrauchbarmachen wollten, haben wir das inkriminierteThema - Widerstand gegen Krieg aufge-griffen (...).Marburg: Aus Solidaritt mit den Verurteil-ten des MG-Verfahrens demonstrierten amAbend 30 Personen spontan durch die Mar-burger Innenstadt.

    Hannover: In Hannover wurden abendsFlugbltter von den Etagen eines Einkauf-zentrums abgeworfen, in denen ber denProzess informiert wurde. Auerdem wur-den an zwei Brcken Soli-Transparente auf-gehngt und in der Stadt Wandzeitungenplakatiert.Frankfurt am Main: Rund 40 Menschendemonstrierten gegen die Urteile im MG-Prozess und gegen die willkrlichen Ver-haftungen von AnarchosyndikalistInnen inSerbien. Sie verlasen vor dem serbischeKonsulat einen Redebeitrag und beendetendie Demo mit einer Kundgebung fr Axel,

    Florian und Oliver.Freiburg: Eine kleinere Gruppe versammel-te sich am 17. Oktober aus Solidaritt mitden Verurteilten. An einer Brcke wurde einSoli-Transparent aufgehngt und eine Feu-erwerksrakete abgeschossen.Burg: Am 24. Oktober kam es in denAbendstunden in der Burger Innenstadt zueiner Spontandemo. In der Nacht wurde au-erdem das Polizeirevier mit Farbbeutelnbeworfen.Zrich: In der Nacht auf den 20. Oktoberwurde das deutsche Generalkonsulat in Z-rich mit Farbe angegriffen. In der Erklrung

    zur Aktion heit es: (...) Unsere Solidarittgilt Florian, Axel und Oliver, Mumia Abu Ja-mal, sowie allen, die im Kampf fr eine klas-senlose Gesellschaft von der Repressionbetroffen sind. Freiheit fr alle politischenGefangenen! (...) (Red.)

    Schwe

    rpunkt

    Hamburg

    Erfurt

    Leipzig

    Stuttgart

    Burg

    Dsseldorf

    Bericht zum Tag X: Soli-Aktivittenzur Urteilsverkndung im MG-Prozess

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    Nov./Dez. 2009 | Gefangenen Info | 5

    Linke Gewalt in Berlin lautet der Titel einerStudie des Landesamtes fr Verfassungs-schutz in Berlin, die im November 2009durch Innensenator Ehrhart Krting (SPD)und die VS-Landeschen Claudia Schmidder Presse vorgestellt wurde. Hintergrundist die seit Monaten heilaufende medialeBerichterstattung ber brennende Fahr-zeuge, Ausschreitungen bei Demonstrati-onen und Attacken auf Polizisten und derenEinrichtungen.Auf dieser Pressekonferenz wurde u.a. eine

    Kampagne gegen Personen losgetreten,die ber ihre ffentliche Funktion gegenoffensichtliche Verste rechtsstaatlicherNormen Stellung beziehen. Insbesonderehatten es die Vertreter der Inneren Sicher-heit Berlins auf die Bundestagsabgeord-nete Inge Hger (Die Linke) abgesehen.Diese wurde dafr gebrandmarkt, dasssie sich kritisch gegenber dem Prozede-re im Staatsschutzverfahren vor dem Ber-liner Kammergericht gegen vermeintlicheMitglieder der Militanten Gruppe (MG) perPresseerklrungen geuert hat. Dar-ber hinaus setzt sich Inge Hger als Abr-

    stungspolitische Sprecherin der FraktionDie Linke und Mitglied im Verteidigungs-ausschuss fr friedenspolitische und anti-militaristische Initiativen ein.Wie sich dieser Versuch, kritische Stimmengegen den zunehmenden Sicherheitswahnund die Auswchse staatlicher Repressionmundtot zu machen, ausdrckt, lt sichlehrbuchhaft an einem Auszug aus einemTagesspiegel-Interview vom 10.11.09 unterdem Titel VS-Chen: Es ist verheerend,linke Gewalt zu rechtfertigen ablesen:Nun hat die Juso-Vorsitzende Franzis-ka Drohsel an einer Demonstration fr

    drei mutmaliche Mitglieder der MilitantenGruppe alias MG teilgenommen, die dasKammergericht im Oktober wegen einesversuchten Brandanschlags und der Mit-gliedschaft in einer kriminellen Vereinigungverurteilt hatteFrau Drohsel hat wie jeder andere dasRecht, auf eine Demonstration zu gehen.Doch grundstzlich darf bezweifelt werden,ob es richtig ist, mit autonomen Gruppengemeinsame Sache zu machen. Zumindestsollten Parteien und Organisationen linksvon der Mitte, die sich auf die Bndnis-Politik von Linksextremisten einlassen, eine

    strikte Abgrenzung zu Gewalt vertreten. Esist verheerend, wenn Politiker das nicht tunoder sogar Gewalt rechtfertigen, wie das beider Militanten Gruppe die Bundestagsabge-ordnete der Linken, Inge Hger, getan hat.Das, was durch die VS-Chen als ver-

    heerend bezeichnet wird, ist lediglich derEinsatz fr ein anti-militaristisches Engage-ment, ein Engagement, das vor dem Hinter-grund der eskalierenden Kriegfhrung derBRD vor einer weiteren staatlichen Krimina-lisierung unsererseits als linke AktivistInnenzu schtzen sein wird.

    Dokumentiert:

    Keine Denunziation vonEngagement fr Rechtsstaatlichkeit

    Zu den uerungen der Berliner Verfas-sungsschutzchen Claudia Schmid und desBerliner Innensenators Ehrhart Krting imZusammenhang mit linker Gewalt erklrtdie Bundestagsabgeordnete der LINKEN,Inge Hger:

    Ich frage michernsthaft welchesVerhltnis der In-nensenator und dieVerfassungsschutz-chen Berlins zuden Brgerrechten

    in unserem Landhaben. In dem ge-samten Vorgehengegen vermeintlicheAngehrige der mi-

    litanten Gruppen wurden die Rechte derBetroffenen massiv missachtet. Anstatt nunzu prfen, wie rechtsstaatlichen Spielregelnwieder strker zur Geltung verholfen wer-den knnte, werde ich wegen meines Ein-tretens fr einen fairen Prozess denunziert.Es war eine gute und wichtige Lehre ausdem Dritten Reich, die Arbeit von Polizeiund Geheimdiensten zu trennen. Genau

    dieses Trennungsgebot wird jedoch zurzeitsystematisch ausgehhlt. Um davon abzu-lenken, wird nun so getan, als htte ich zumAbbrennen von Fahrzeugen aufgerufen,was schlicht Quatsch ist. Derartige Denun-ziationen mssen aufhren.Ich fordere die Verfassungsschutzchenund Innensenator Krting auf, keine wei-teren Lgen ber mich in die Welt zu set-zen. Wer Relativierung von Gewalttatenwirklich konsequent und ohne doppelteStandards thematisieren will, der sollte sichderzeit vor allem mit den Handlungen derBundeswehr und den uerungen des Ver-

    teidigungsministers zu Gutenberg ausein-andersetzen. Wer Gewalt ernsthaft ablehnt,kann die Bombardierung von Tanklastzgenund den daraus folgenden Tod von Zivilistennicht gutheien. (Red.)

    Inge Hger

    Kurzmeldungen:

    Berlin: Der BuchladenSchwarze Risse wurde am2. Oktober 2009 wiederdurchsucht: LKA-Beamtesuchten nach einem anti-militaristischen Flugblatt indem (Zitat) zu verschie-denen, auch schweren

    Straftaten zum Nachteil von Bundeswehr-angehrigen, z.B. Krperverletzungshand-lungen und Brandstiftungen aufgerufenwerde und beschlagnahmte 6 Exemplare.Dem Buchladen wird vorgeworfen, zur Ver-breitung dieses seit Monaten bekanntenFlugblatts beigetragen zu haben. (Red.)

    Stuttgart: Am 6. Oktober2009 wurde ein Stuttgar-ter Antifaschist in seinerWohnung verhaftet und 3Wochen in der JVA Stutt-

    gart-Stammheim in U-Haftgenommen, bis er am 29.Oktober gegen eine Kau-

    tion in Hhe von 3000,- wieder frei gelas-sen wurde. Ihm wird vorgeworfen, an einerAuseinandersetzung mit Nazis am 22. Sep-tember in Stuttgart-Zuffenhausen beteiligtgewesen zu sein. Die Nazis belasteten ihnauf Basis vorgelegter Bilder bei der Polizeiund deswegen wurde er in U-Haft genom-men, obwohl mehrere Personen bezeugenknnen, dass er an diesem Abend trainie-ren war. (Red.)

    Karlsruhe: Am 17. De-zember 2009 soll vor demBGH ber die Revisiondes Urteils im Fall OuryJalloh verhandelt werden.Der Flchtling Oury Jallohaus Sierra Leone war am7. Januar 2005 in einer

    Dessauer Polizeizelle lebendig verbrannt.Das Feuer soll er selbst verursacht haben,obwohl er an Hnden und Fen gefesseltwar. Trotz offensichtlicher Falschaussagender zwei angeklagten Polizisten und demVerschwinden lassen entscheidender Be-

    weise hatte das Landgericht Dessau diePolizisten frei gesprochen. (Red.)

    Berlin: Der AntifaschistTobias P. sitzt seit dem18. November 2009 in derJVA-Moabit in U-haft. Ihmwird vorgeworfen, in derNacht zum 16. Novemberin Berlin-Friedrichshainzwei Fahrzeuge in Brand

    gesetzt zu haben, Zivilpolizisten nahmenihn einige Straen entfernt fest. Kurz nachTobias Festnahme wurden die Hauspro-

    jekte Liebigstr. 14 und Liebigstr. 34 durch-sucht, in denen sein Wohnort vermutetwird, von einem Groaufgebot der BerlinerPolizei durchsucht. Die Aktion verlief ergeb-nislos. (Red.)

    Diffamierungskampagne- Engagement gegen staatliche

    Repression im Visier

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    Wir hatten jetzt endlich Akteneinsicht. Diebetreffende Passage in dem abgedrucktenArtikel Blind in Beugehaft aus der Ausga-be 348, die dem Gefangenen Info die An-zeige einbrachte, lautet:Besonders zynisch bemerkte der Vorsit-zende Richter des 2. Strafsenates, fr Nuri(Eryksel) sei die Beugehaft wohl ein wirk-sames Mittel, um sich zu besinnen, denn ersei ja erblindet (Seite 5).Nuri verbte insgesamt 17 Jahre inDeutschland und der Trkei in Haft wegenangeblicher Mitgliedschaft in der DHKP-C.Whrend seiner Knastzeit in der Trkei wur-de Nuri regelmig gefoltert, infolge des-sen er erblindete. Da Nuri die Aussage imDsseldorfer Prozess gegen Faruk Ererenverweigerte, war er im Sommer 33 Tage inBeugehaft.Die betreffenden Mitglieder des Staats-schutzsenats bestreiten jetzt schriftlich,dass der Richter Berthold Klein diese Aus-sage gemacht hat.Auch die Herausgeberin der Onlinezeitungscharf-links, Edith Bartelmus-Scholich,

    erhielt einen Strafbefehl ber 12000 Eurowegen der Verffentlichung desselben Ar-tikels. Edith hat dagegen Widerspruch ein-gelegt.Vergegenwrtigen wir uns kurz, wie dieseSchauprozesse in Stuttgart und Dsseldorfablaufen: Linke anatolische Menschen wer-den in der BRD auf Grund von Folteraussa-gen aus der Trkei verhaftet und verurteilt.Diese 6 Gefangenen hier sind durchweg23 Stunden allein in ihrer Zelle, Briefe ver-schwinden, es hagelt Besuchsverbote,ProzessbeobachterInnen werden verpr-gelt und zu Geldstrafen verurteilt.

    Alle diese Manahmen haben das Ziel,die Eingebunkerten lebendig im Knast zubegraben und die Menschen drauen ein-zuschchtern. Faruk bezeichnet diesesumfassende(s) Isolationsprogramm alsWeie Folter mit dem Ziel, uns zu zermr-ben.Das alles haben wir thematisiert. Die beidenVerfahren haben die Funktion, Menschendrauen einzuschchtern und linke Me-dienffentlichkeit mit hohen Geldstrafen zubelegen, zu kriminalisieren und sie schlus-sendlich mundtot zu machen.

    Wir lassen uns nicht einschchternund berichten weiterhin!!!Wir bedanken uns fr diesolidarische Untersttzung!!!!

    Redaktion des Gefangenen info

    Zur Kriminalisierungdes Gefangenen Infos

    inland

    Briefe der 129b Gefangenenbelegen das KalklDie BRD verteidigt den Staatsterror des trkischen NATO-Partnersund -Folterregimes mittels des Antiterrorparagraphen 129b.

    Zu den Haftbedingungen der 129b Ge-fangenen Ahmet Dzgn Yksel und De-vrim Gler in Stuttgart-Stammheim, FarukEreren in Dsseldorf, Cengiz Oban in Bo-chum, Nurhan Erdem in Kln und AhmetIstanbullu in Wuppertal haben wir mittler-weile kontinuierlich berichtet. Um die Ent-wicklungen bezglich des staatlich verord-neten Isolationsprogramms fortzusetzen,mchten wir aus Faruk Ererens Briefenzitieren:

    Deinen uerungen bezglich der Isolati-on stimme ich zu. (red. Anmerkung: Es wur-de von der Funktion gesprochen, dass die

    politische Identitt des Isolierten gebrochenwerden solle und dieses schon im Faschis-mus erprobt wurde) Es ist wie im Faschis-mus, nur die Wortwahl der gesetzlichenBegrndungen wechselte. Im Faschismushie es Schutzhaft, heute heit es Ver-dunkelungsgefahr.

    Ich habe die Post von Deniz Akkaya, Be-

    hic Asci und Sandra Bakutz nicht erhalten.Die von mir abgeschickten Briefe an IsmailKuru und Gonl Ereren sind beschlagnahmtworden.

    Ich habe den Mauerfall Nr .21 fr Juli/Au-gust 2009 erhalten. Aber mit Zensur! Aufder Seite 11 des ist bei dem Bericht Blindin Beugehaft ein Satz geschwrzt worden.Wer das gemacht bzw. angeordnet hat - ichwei es nicht. Bis heute bekam ich keinerleiBeschluss oder gerichtlichen Bescheid berdiese Manahme im Falle der Zensur desMauerfalls. Aber es erreichte mich ein Zen-surbescheid fr einen hnlichen Artikel im

    Gefangenen-Info.Das Gefangenen Info Nr. 350 fr CengizOban wurde angehalten. Er selber schreibtdazu:

    Das Gefangenen Info 350 ist ebenfalls an-gehalten worden. Als Grund wird der Briefvon Nurhan angegeben. Sie wrde Ahmetund mich zum Kampf gegen das Gerichtauffordern. Ich kenne den Brief, denn dasBGH hatte vor 2 Monaten keine Problemedamit, ihn am mich weiterzuleiten. Zur Kon-trollinstanz beim OLG Dsseldorf gibt esnatrlich viel zu sagen.Dieses Vorgehen wird bestimmt nicht das

    letzte sein. Es ist die Fortsetzung der Krimi-nalisierungswelle gegen die Anti-Represi-sonsgruppen.Ob Richter Klein oder RichterBreidling, es macht keinen Unterschied.Bezglich der Besuchsverbote mchten wiraus einer Presseerklrung der Roten Hilfe

    Dsseldorf/Neuss zitieren. Das dort doku-mentierte Verbot reiht sich ein in eine langeListe von zuvor ausgesprochenen Verbo-ten, die u.a. auch Familienmitglieder undEhepartner der Gefangenen betrafen:

    Seit Monaten werden die Verhandlungenregelmig von Katrin W. beobachtet. Im

    August beantragte Katrin eine Erlaubnis Fa-ruk E. im Gefngnis zu besuchen. Der An-trag wurde mit der Begrndung abgelehnt,sie wre durch ungebhrliches Verhaltenim Gerichtssaal aufgefallen. Am 27.5.09riefen etliche Zuschauer u.a. Katrin beimVerlassen des Gerichtssaales nach derVerhandlung Freiheit fr Faruk. Neun vonihnen wurden daraufhin mehrere Stundenim Gerichtskeller festgehalten, wo es zugewaltttigen bergriffen durch Justiz- undPolizeibeamte kam. Anschlieend wurdegegen die Besucher/innen ein Ordnungs-geld von 100 verhngt. In dem Ableh-nungsbeschluss fr die Besuchserlaubnis

    unterstellt das Gericht, dass Katrin W., trotzTrennscheibe und optische und akustischeberwachung des Angeklagten, einen Be-such zur verdeckten Nachrichtenbermitt-lung nutzen knnte. Staatsanwalt Heisegeht sogar so weit zu behaupten, dass sie

    uneingeschrnkt mit dem Angeklagten undder ihm zur Last gelegten Ttigkeit fr dieDHKP-C sympathisiert.Faruk Ereren schreibt zu einem Angebotdes Gerichts, ein Gestndnis abzulegen:

    Ja, ich msste frei sein, in Freiheit kom-men... alles andere, jede andere Entschei-dung wre in der Konsequenz Unrecht, weil

    ich in die Rechtlosigkeit gelangen wrde.Aber nicht nur das Urteil droht mir, es drohtdie Auslieferung. Am letzten Verhandlungs-tag machte der Senat ein Angebot: Wennich eingestehen wrde, dass ich gelegent-lich Schriften fr die DHKP-C verfasst habe,wrde das Urteil lauten: 3 Jahre neun Mo-nate bis 4 Jahre sechs Monate. Ich habeabgelehnt. Jetzt pltzlich besteht Ausliefe-rungsgefahr.

    Es ist deutlich: Das Kalkl der BRD liegthierbei darin, die Oppositionellen des tr-kischen Regimes auf Grundlage des 129b

    und der Isolationsfolter, der politischen Pro-zesse und der generellen politischen Verfol-gung, die dieser Paragraph ermglicht, aufeigenem Boden zu kriminalisieren und zuzerschlagen. (Red.)

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    Nov./Dez. 2009 | Gefangenen Info | 7

    Kurzmeldungen:

    Aachen: Der politischeGefangene Gabriel Pom-bo Da Silva schrieb inseinem Brief vom 16. Ok-tober 2009, dass er einenVorschlag fr einen Hun-gerstreik vom 20.12.-1.1.unterbreite. Er schireb: Ich

    fhle mich von der Idee getrieben einenHS zusammen mit anderen GefhrtInnenim Dezember zu koordinieren/machenWenn die GefhrtInnen es gut nden, wr-de ich vorschlagen einen HS vom 20.12 biszum 1.1. zu machen, ... dass in unserer Si-tuation, ..., wir nur diese Form von Kampfhaben, aufgrund der Zerstreuung der Ge-fhrtInnen in verschiedene Gefngnisse/Staaten) ,weil diese Initiative eine Ge-ste von Liebe und Widerstand beabsichtigtund nicht von Opferverhalten ist.... An demHungerstreik beteiligen sich neben Gabri-

    el bisher die anarchistischen GefangenenMarco Camenisch aus der Schweiz, JuanCarlos Rico Roriguez, Francisco Maya Ro-driguez, Honorio Gomez Alfaro und AlbertoJimenez Alba aus Spanien und Diego Pe-trissans aus Argentinien. (Red.)

    Frankfurt: Die im Rah-men der bundesweiten Bil-dungsproteste besetztenRume des Casinos aufdem Campusgelnde wur-den am 2. Dezember 2009von der Frankfurter Polizei

    unter Einsatz von Schl-gen gerumt, mehrere Personen erlittenPlatzwunden. Grund sollen Sachbesch-digungen wie Schriftzge an den Wndensein. Die Studierenden hatten ein einw-chiges Programm mit ber 70 Workshopsvorbereitet, die von StudentInnen, Dozen-tInnen und politischen Gruppen organisiertwurden. Am Abend kam es zu einer Spon-tandemo, an der sich ber 1000 Menschenbeteiligten. Sie forderten unter anderem dieRcknahme der Anzeige und die Entlas-sung des fr den Einsatz verantwortlichenUni-Rektors. Auch in den folgenden Tagen

    war die Polizeiprsenz auf dem Campusmassiv. Auch in Stuttgart kam es bei derBildungsdemo am 21. November 2009 zubrutalen bergriffen auf die friedlich geblie-bene Demonstration. (Red.)

    Burg: Da der Rechtsweg2 Jahre dauern wrde, be-ndet sich der GefangeneStefan Milde seit dem 10.Oktober 2009 im Hunger-streik. Er fordert medizi-nische Versorgung, mehrPersonal u.a. Er hat sich

    jeglichen Eingriff verbeten, was bedeutetdas ich dann verhungere erklrte er. Aucherwartet er solidarischen Druck von auen!Fr Postkarten und Briefe lautet die Adres-se: Stefan Milde, Madel 100, 39288 Burg.(Red.)

    Bei der Ver-haftung vonVerena Be-cker undGnter Son-nenberg wur-de letztererlebensgefhr-lich am Kopf

    verletzt. Er wurde dadurch in den geistigenStand eines Kleinkindes zurckgeschossen.Unter Knastbedingungen musste er elemen-tare Dinge wie Schreiben und Lesen wiedererlernen. Bedingt durch die Hirnverletzung litter unter epileptischen Anfllen. Trotz seinerVerhandlungsunfhigkeit wurde er am 26.April 1978 zu lebenslnglich verurteilt undtrotz seiner Haftunfhigkeit weitere 15 Jahreeingesperrt.Der damalige Anklger, Bundesanwalt Lam-

    pe, hatte sich fr Isolation bis zur Vergasungausgesprochen. ber 30 Jahre spter gab erzu, dass aufgrund des Gesundheitszustandesvon Gnter damals nur 2 - 3 Stunden amStck verhandelt werden konnte.Verena Becker war seit Anfang der achtzigerJahre nicht mehr Mitglied des Kollektivs derGefangenen aus der RAF. 1989 wurde siedann von dem damaligen Bundesprsidentenvon Weizscker begnadigt. Am 28. Augustdieses Jahres wurde sie wegen angeblicherBeteiligung an der Aktion gegen Buback er-neut verhaftet.Die Verhaftung wurde von den Medien gera-dezu herbeigeschrieben, womit sie ihrer Rolle

    als Fahndungs- und Polizeibltter mal wie-der gerecht wurden. Die Bild sprte VerenaBecker auf und fotograerte sie samt ihremWohnort. Focus schrieb noch in der Wochevor ihrer Verhaftung: Wann packt sie aus...?Aus Angst vor einer erneuten Verurteilung[knnte sie] ihr Wissen ber den Buback-Mordpreisgeben [] schon damals galt sie als haft-empndlich.Damit wird zugegeben, dass sie wahrschein-lich aufgrund der harten HaftbedingungenAnfang der achtziger Jahre das Gefangenen-kollektiv verlie. Gleichzeitig werden mit Hilfedes Kronzeugen Book weitere Festnahmengefordert, wie in Bild vom 1. September 2009:

    Wird jetzt auch Stefan Wiesniewski verhaf-tet? Prsentiert wird ein aktuelles Foto samtFilm, der Stefan Wiesniewski beim Einkaufenzeigt, der ins Netz gestellt wurde. Es werdenaber noch weitere Namen fr Festnahmenprsentiert von ehemaligen Militanten aus derGuerilla, die alle 15 Jahre und lnger hinterGittern waren.Obwohl sich die RAF 1998 aufgelst hat, istes Konsens bei vielen ehemaligen Gefange-nen aus der RAF, nichts zu sagen, d. h. dazuzu schweigen, wer an Aktionen beteiligt warund wie. So fremd ist dieses Verhalten auchfr die heutige Linke nicht, denn auch Annaund Arthur halten das Maul gegenber Poli-

    zei und Justiz. In Stasi-Akten soll stehen, dassVerena Becker schon Anfang der siebzigerJahre mit westdeutschen Geheimdiensten zu-sammengearbeitet haben soll. Viele Medienstrzten sich auf diese Meldung, um zu unter-stellen, dass die RAF von diversen Diensten

    unterwandert war. Was bedeuten wrde, dasssie keine authentische Bewegung gewesenist, sondern nur ein Spielball staatlicher Mch-te. In diesem Sinne uern sich jedenfallsRegina Igel und Markus Klckner in der Jun-gen Welt oder Christoph Villinger in der Jun-gle World. In der Jungen Welt gibt es, nebenvielen guten justizkritischen, aber leider hugauch verschwrungstheoretische Artikel, diealles, was links von ihrer Linie ist, diffamieren.So wurde ein Artikel, der z.B. G. FeldbauersHypothese hinsichtlich der geheimdienst-lichen Unterwanderung der Roten Brigadenwidersprach, nicht abgedruckt. Dabei handeltes sich um ein Interview von Maurizio Ferrai,der in den siebziger Jahren in den Roten Bri-gaden organisiert war, welches im Gefange-nen Info Nr. 340 abgedruckt wurde. NebenDesinformation zu linken und militanten Be-wegungen knnen solche Journalistinnen und

    Journalisten auch ganz gut von solchen Ver-schwrungstheorien leben.Einige Linke fragen, warum nach 32 Jahrenimmer noch ein staatlicher Verurteilungswillebesteht. Die Gazetten uern sich so dazu,z.B. das Hamburger Abendblatt: Nach 32Jahren soll sie ben oder die FAZ: Nichterledigt. Die Frage ist nicht einfach zu beant-worten. Die Klassenjustiz hat noch nach ber50 Jahren z.B. Erich Mielke wegen einer Po-lizistenerschieung festgenommen. Sie kn-nen die politische Dimension aus solchen Fl-len herausltern, mit der Begrndung, Mordverjhre nie. Verfolgung ndet natrlich nurbei Aktionen gegen die bestehende Ordnung

    statt.Die Angriffe der RAF stellten das staatlicheGewaltmonopol der Bourgeosie in Frage.Viele Menschen aus linken Zusammenhn-gen identizierten sich mit der RAF, wie eineunverffentlichte Umfrage aus dem Jahre1972 zeigte. Nach (ofziellen) Meinungsum-fragen erklrten fast 20 Prozent der Erwach-senen, sie wrden strafrechtliche Verfolgungin Kauf nehmen, um einen aus der RAF freine Nacht bei sich zu verstecken. 1973 erg-ab eine Schlerumfrage, dass 15 Prozent derSchler sich mit den Aktionen der RAF iden-tizieren.Selbst noch bei der Erschieung von Buback

    freuten sich viele Linke nicht nur klammheim-lich, wie die Jungle World am 3. September2009 berichtete: In einem Jugendheim in derschwbischen Provinz oss Freibier.Einige Linke reduzieren die RAF auf militanteAktionen, was aber einfach nicht stimmt.Denn die RAF stellte fr viele damals so et-was wie einen Weg zur Befreiung dar, wasnicht heit, dass alle ihre Mittel gebilligt wur-den, aber durch ihre Konsequenz und ihrenMut verkrperten sie Aufrichtigkeit und damitAnziehungskraft. Oder wie es Christoph Vil-linger in dem schon erwhnten widersprch-lichen Artikel in der Jungle World beschreibt:Im kollektiven Gedchtnis der BRD haftet

    dieser rebellische Moment der RAF bis heu-te. Wer kennt die Politiker von 1977? Fast alleJugendlichen kennen Ulrike Meinhof, AndreasBaader und Gudrun Ensslin. Dies ist auchheute sprbar, wenn bedauert wird, dass esdie RAF nicht mehr gibt. (Red.)

    Es folgt nun der zweite Teil des Beitrags

    zur Verhaftung von Verena Becker

    Medienhetze in der Bild

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    8 | Gefangenen Info | Nov./Dez. 2009

    In der gesamten Geschichte unseres Volkes,genauer whrend der letzten 500 Jahre, gabes keine Generation, die nicht den Schattendes Knasts kennengelernt htte; ein langerSchatten, der sich auf jede/n BrgerIn unseresLandes ausdehnt.Meine Generation, bekannt als die Kinder derDemokratie, hat sich der Dunkelheit diesesSchattens nicht entziehen knnen. Seit ichdenken kann, hatte ich immer FreundInnenoder GenossInnen mit irgendeinem Angehri-

    gen hinter Gittern.Es war im Jahr 1999, als ich das erste Mal einGefngnis von innen kennenlernte. Ich be-suchte den Vater meiner damaligen Freundinim Knast von Alicante (1000 Kilometer von Zu-hause entfernt). Ich war 16 Jahre alt und ihrVater wurde kurze Zeit darauf, nach 18 langenJahren Gefangenschaft, freigelassen.Ungefhr zwei Jahre spter, in einer Oktober-nacht 2000, el der Schatten auf mein Eltern-haus. In den spten Nachtstunden kam diePolizei, um meinen Vater festzunehmen. Erwurde fr 8 Monate eingesperrt und in dieserZeit lernte ich die Madrider Gefngnisse Sotode Real und Navalcarnero kennen. Mein Vater

    kam im Mai 2001 aus dem Knast und es folgteein 9 Jahre andauernder Gerichtsprozess,whrend dem zuerst eine Haftstrafe von 9 undspter dann von 7 Jahren fr ihn gefordert wur-de. Dieses Jahr ist er pltzlich freigesprochenworden. Nicht mal einen Monat nach der Frei-lassung meines Vaters, drang die Polizei, nundie Ertzaintza, das zweite Mal in unser Hausein. Der Haftbefehl war diesmal gegen michgerichtet, genau einen Tag, nachdem ich 19Jahre alt geworden war. Ich verbrachte einenNachmittag in den Verlieen der Audiencia Na-cional und wurde gegen Kaution freigelassen,mit dem Verbot, den spanischen Staat zu ver-lassen und dem Zwang, mich einmal pro Wo-che auf dem Polizeirevier zu melden.Es dauerte nicht lange, bis sie mich wiederfestnahmen. Am 5. Februar 2002 drang dienationale Polizei zum dritten Mal in einem Jahrin unser Haus ein. Ich wurde mit 5 anderen Ju-gendlichen aus Donostia festgenommen undder Grndung einer Gruppe X von Kale Bar-roka (Kale Borroka bedeutet Straenkampf.Die X-Gruppen sind eine Erndung der spa-nischen Justiz und sie sollen angeblich denStraenkampf untersttzen, Anm.) und der Mit-gliedschaft bei Segi beschuldigt. Zufllig wurdein der gleichen Nacht die Jugendorganisation(Segi) fr illegal erklrt. Der Polizeieinsatz warnichts anderes als eine Inszenierung mit demZiel, diese Nachricht aufzublasen. Whrend

    der drei Tage, die wir im Rahmen des Anti-Terrorismus- Gesetzes in Incomunicado- Haftin den Rumlichkeiten der Polizei verbrachten,zeigten wir Folter und Misshandlungen an. Ichwurde dem Richter sogar mit einem blauenlinken Auge vorgefhrt. Wir wiesen alle Be-

    schuldigungen, die gegen uns erhoben wordenwaren, von uns, aber da wir vorbestraft waren,kamen ich und ein anderer Freund in Haft: 5Tage im Gefngnistrakt fr Neuzugnge vonSoto de Real und dann direkt in den Jugend-trakt von Alcala Meco, denn wir beide warennoch 19 Jahre alt. Nach drei Wochen wurdenwir wieder gegen Kaution- entlassen undnach etwas mehr als einem Monat wurde derFall aufgrund von Mangel an Beweisen zu denAkten gelegt.

    Wie gesagt, ich kam Ende Februar aus demKnast. Segi war illegalisiert worden, aber eshatte noch keine Polizeioperation gegeben.Das fhrte dazu, dass die Polizei am 5. Mrz,zwei Wochen nachdem ich freigelassen wor-den war, zum vierten Mal anrckte, um michfestzunehmen. Doch diesmal war ich nicht zuHause. In ganz Euskal Herria (Baskenland,Anm.) wurden 11 Jugendliche festgenommenund einige Wohnungen und Lokale durchsuchtund ich wurde wieder der Audencia Nacionalvorgefhrt. Da ich gerade erst aus dem Ge-fngnis entlassen worden war, kam ich -zumditten Mal!- auf Kaution frei und wurde diesmalnoch strengeren Restriktionen unterworfen als

    zuvor.Auf dieser Grundlage verurteilten sie mich und33 andere GenossInnen im Jahr 2005. In demGerichtsprozess wurden zwei Verfahren zu-sammengefasst, das gegen Haika und das ge-gen Segi, zwei Jugendorganisationen, die vorden genannten Polizeiaktionen legal gewesenwaren. Der Prozess in der Audiencia Nacionalvon Madrid dauerte drei Monate und die Ankla-ge der Staatsanwaltschaft gegen uns lauteteMitgliedschaft in einer bewaffneten Vereini-gung in fhrender Position (14 Jahre). Von derAsociaci n de Victimas del Terrorismo (Ver-band der Opfer des Terrorismus, Anm.) wurdenwir in einer separaten Anklage des Genozidsbeschuldigt (8 Jahre). Diese letzte Anschul-digung wurde aufgrund ihrer Haltlosigkeit vorProzessende fallengelassen.Unser Makroverfahren fand im Rahmen derRegierungsstrategie alles ist ETA statt. Nachvielen Jahren des Kampfes von Polizei und Mi-litr gegen die bewaffnete Organisation, befanddie erste Regierung unter Aznar diese Mittel alsnicht ausreichend, um die Unabhngigkeitsbe-wegung zu zerschlagen. So wurde die Repres-sion auf die MLNV (Movimiento de LiberacinNacional Vasco) ausgedehnt. In Euskal Herriaexistierte und exisiert ein starkes Netz sozialerBewegungen, viele von ihnen mit demselbenpolitischen Projekt der Unabhngigkeit unddes Sozialismus. Der Staat hofft darauf, dieses

    Netz auszudehnen. Dafr bedient er sich dertrgerischen Logik, dass du, wenn du dasselbepolitische Konzept wie die bewaffnete Organi-sation verfolgst, automatisch dieser angehrst,auch wenn du nichts davon weit.Angefangen haben sie 1998 mit der Schlie-

    ung der Zeitung und des Radios Egin undseitdem sind mehr als 10 Vereinigungen undKrperschaften verboten und ihre Mitgliederfestgenommen und eingesperrt worden. Mo-mentan zhlen wir 200 Personen, die im Rah-men dieses Makroprozesses inhaftiert sindoder auf eine Verhandlung warten. Und sowurde Segi zur ersten terroristischen Organi-sation Europas, der weder Waffenbesitz nochkonkrete Gewalttaten vorgeworfen wurden.

    In dem Prozess vor der Audienia Nacional wur-den wir aufgrund von Mangel an Beweisen undder offensichlich absurden Inszenierung zuzwischen 2 und 3,5 Jahren Haft verurteilt undder Kollaboration und Mitgliedschaft in einerverbotenen (nicht terroristischen) Organisati-on fr schuldig befunden.Die Staatsanwaltschaft wartete nicht lange da-rauf, Widerspruch einzulegen, und sie war esauch, die am Ende das Strafma auf 6 Jahreerhhte und den Delikt als terroristisch ein-stufte. Damit war das politische Motiv des Pro-zesses klar: Unsere Verhandlung war die erstedes Makroprozesses und unsere Verurteilungsollte die Rechtsprechung fr die folgenden

    Prozesse festlegen.Damit Ihr eine Vorstellung habt: Der Hauptbe-weispunkt der Anklage basierte auf der Annah-me, dass die Jugendorganisation der Leitlinieeiner anderen Organisation, Ekin, folgen wr-de, der wiederum Leitung durch ETA unterstelltwurde. Und das alles, ohne dass Ekin zu die-sem Zeitpunkt schon verurteilt worden wre!Das Urteil des Gerichts wurde am 19. Januar2007 gesprochen, whrend des Verhandlungs-prozesses zwischen der bewaffneten Organi-sation und der Regierung. Einige wurden nochgenau an diesem Tag festgenommen, aber 18der Beschuldigten traten zwei Wochen spterbei einer ffentlichen politischen Veranstaltung

    in Bilbo auf, mit der wir zum x-ten Mal zeigten,dass wir uns nicht verstecken und dass ihreAnschuldigungen vllig absurd sind und sieuns nur wegen unserer politischen und ffent-lichen Aktivitten inhaftieren.Wir 18 wurden whrend der Aktion verhaftetund zum Quartier Erandio der Ertzaintzagefahren. In der Nacht brachten sie uns zumGericht von Bilbo und von dort aus, je nachunserem Heimatort, zu den unterschiedlichenGefngnissen der Comunidad Aut noma Vas-ca (Autonome Region Baskenland, Anm.). Ichwurde mit drei anderen Genossen ins Gefng-nis von Martutene nach Donosti verlegt. Wirblieben nur kurze Zeit dort; nach weniger alseiner Woche wurden alle 18 Gefangene aufunterschiedliche Gefngnisse des Staatesverstreut. Meine 5-tgige Reise, whrend derich ungefhr 10 unterschiedliche Knste pas-sieren musste, endete in Ocaa, mehr als 500Kilometer von zu Hause entfernt. brigens, imJahr 2009 ist die Zerstreuungspolitik 20 Jahrealt geworden. Eine Politik, die alle 15 Monateeine/n Angehrigen oder eine/n FreundIn dermehr als 750 politischen Gefangenen, die wirein Kollektiv bilden, auf den Straen zu denKnsten ttet (alle 15 Monate kommt ein/eAngehrige/r durch einen Verkehrsunfall aufdem oft langem Weg zum Gefngnis ums Le-ben, Anm.).Bald habe ich drei Jahre im Gefngnis Oca-a hinter mir. Es gibt permanent Knastverle-gungen der Gefangenen, und seitdem ich hierbin, habe ich schon einige Genossen kennen-gelernt. Momentan sind wir 10 baskische poli-tische Gefangene, die ich euch mit Hilfe einesFotos vorstellen werde.

    International

    Brief des baskischen politischenGefangenen Markel Ormazabal

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    Nov./Dez. 2009 | Gefangenen Info | 9

    Wir 10 sind als Gefangene ersten Grades (ge-fhrlich) eingestuft und gemeinsam mit einemarabischen Gefangenen, dem Terrorismus vor-geworfen wird, teilen wir den Isolationstrakt.4 Stunden am Tag werden wir aus den Zellengelassen, zwei morgens und zwei nachmit-tags; zwei weitere Stunden knnen wir in einenSportraum gehen, was jedoch nur an Werkta-gen zugelassen wird. Den Rest des Tages ver-bringen wir eingeschlossen in den Zellen. Da

    wir isoliert sind, haben wir keinen Kontakt zuden anderen Gefangenen. Die Zelle ist unge-fhr 11 Schritte lang und 4 breit; es gibt Bett,Klo, Tisch, Stuhl und ein paar Regalbretter. Dawir als Gefangene ersten Grades kategorisiertsind, haben wir kein Recht auf Knastaktivitten,deshalb hatte ich auch keine Ausrede, nicht zustudieren, auch wenn ich es in einer Sprachetun muss, die nicht meine ist und auch wennalles auf meine Rechnung geht. Es ist einegute Mglichkeit, die Zeit zu nutzen. Obwohlwir von der Zeit im Singular sprechen, gibt esin Wirklichkeit viele Zeiten -jeder hat die seine.Genau drin besteht der Alltag des Gefangenen-die Zeit, die uns der Knast auferlegt, dominiert

    nicht die Zeit im Inneren eines jeden Einzel-nen. Das Studieren ermglicht es mir, diesesGleichgewicht aufrecht zu erhalten. Schreiben,Lesen, Zeichnen... das Wenige, was wir tunknnen.Wir sind alle F.I.E.S.-Gefangene (F.I.E.S. stehte Fichero de Internos de Especial Segui-miento und bedeutet Kartei ber Insassen mitSonderbehandlung, Anm.), das heit, jeglicheKommunikation nach drauen wird kontrolliert,egal ob sie schriftlich, telefonisch oder ber dieBesuche luft. Alles wird aufgehoben, ber-setzt und archiviert. Die Briefe auf Spanischwerden uns nach ungefhr einer Woche aus-gehndigt, die Briefe auf Euskera (Baskisch,

    Anm.) hingegen meist erst nach einem Monat.Wir teilen den Trakt 10 Kide-s (Genossen).

    Der Erste in der hinteren Reihe von links istIaki Pujana, der nach 8 Jahren in franz-sischen Gefngnissen dem spanischen Staatausgeliefert wurde und nun insgesamt schon22 Jahre inhaftiert ist. Er ist aus Otxandio (Ara-ba), und vor Kurzem wurde ihm mitgeteilt, dasser nach der berhmten Doktrin Parot noch 8Jahre eingesperrt bleibt, bis er also 30 Jahreabgesessen hat.Koldo Hermosa aus Santurtzi (Biskaia), rechtsvon Iaki Pujana, bendet sich seit 23 Jahrenin Gefangenschaft und er ist derjenige, dersich von uns am lngsten in Ocaa I bendet.

    Eigentlich msste er schon lngst entlassenworden sein, da er seine Strafe vor drei Jahrenabgesessen hat. Neben ihm ist Iaki Gaztaa-ga aus Arrasate (Gipuzkoa) abgebildet, er sitztseit 21 Jahren und htte nach 18 freigelassenwerden mssen. Die nchsten beiden kommenaus Nafarroa. Der 63-jhrige Patxi Urrutia istimmer noch in Untersuchungshaft und ihm wirdvorgeworfen, Mitglied von Batasuna zu sein. Erkam wieder in den Knast, nachdem er an einer

    Pressekonferenz teilgenommen hatte, auf derdie Ergebnisse des letzten Verhandlungpro-zesses (2005-2007, Anm.) bekannt gegebenwurden. Eine Pressekonferenz!Der letzte in der hinteren Reihe, Xabier Golda-raz, sitzt schon mehr als 15 Jahre.Der erste in der vorderen Reihe von links binich. Ich habe bald die Hlfte der Haftzeit rumund die ganzen Verlegungen und Wechselbercksichtigend, bin ich von allen nach IakiPujana am lngsten in Ocaa I inhaftiert. Ne-ben mir sitzt Balsero, den sie im Juli aufgrundeines Prozesses, im Verlauf dessen er zu 19Jahren Haft verurteilt wurde, in das MadriderGefngnis Valdemoro verlegt haben. Seitdem

    wissen wir wenig von ihm. Rechts von Balse-ro hockt Peru Aranburu aus Lekeitio (Bizkaia).In 7 Monaten hat er seine Strafe von 5 Jahrenabgesessen. Der letzte ist Aratz Gomez, derim November 10 Jahre Knast hinter sich hat.Er kommt aus Azkaine (Zuberoa) -einer derdrei Regionen des Baskenlandes unter fran-zsischer Regierung. Sie haben ihn dort fest-genommen, als er 19 Jahre alt war -diesselbeZeit, die er in Haft verbringen muss. Es gibtnoch zwei andere Personen, die nicht auf demFoto abgebildet sind. Alberto Lopez aus Bara-ain (Nafarroa) sitzt in Untersuchungshaft undAritz Totorika aus Bilbao wird am 22. Oktobernach 5 Jahren Knast freigelassen. Er ist der

    erste Genosse, den ich die Mauern verlassensehen werde!

    Wir erleben einen po-litischen, sozialen undkulturellen Konikt,dessen grter Aus-druck der bewaffneteKampf ist. Die Regie-rungen versuchen,diesen Konikt zu ent-schrfen; sie versu-chen, ihn zu negieren.Aber es sind sie, die,durch das von denwestlichen Staatenangewendete Konzeptdes Terrorismus zurBezeichnung jeglichenbewaffneten Wider-stands, den Krieg ver-schrft haben. TotalerKrieg! Dem Autor JosMara Prez Bustero

    zufolge, tauchte diese Form der Kriegsfh-rung das erste Mal im Jahr 1864 unter demGeneral Graut whrend des AmerikanischenBrgerkriegs (1861-65) auf. Es gengte nichtmehr, siegreich aus Gefechten hervorzugehen,sondern die Zerstrung wurde auf Huser,Landgter und Straen ausgeweitet. Seitdemist der totale Krieg in jedem Kampf normal ge-worden. Dieser Krieg wird heute, wenn auch ingeringeren Dimensionen, gegen die baskischeUnabhgigkeistbewegung gefhrt. Der Siegist nicht blo in der Zerstrung von ETA zu n-den, sondern man muss auch alle politischen,

    sozialen und kulturellen Strukturen derer ver-nichten, die sich auf feindlichem Territoriumbenden.Zunehmende und globale Illegalisierung, Fest-nahmen, Angriffe auf die Infrastruktur, auf so-lidarische uerungen -sogar auf die Erinne-rungen!Angehrige, die ihre Nichte nach der Entlas-sung aus der Haft in Empfang nehmen wollen,werden festgenommen und des Terrorismus

    beschuldigt. Auf Umarmungen reagieren siemit Knppeln und Gummigeschossen. NOTIME FOR LOVE hat eine Band aus den 80erJahren gesungen. Sie verbieten Akte des Erin-nerns, Fuballspiele und sogar Kartenspieltur-niere. Und das alles mit einem auf Propagandaspezialisiertem Innenminister.Worte werden zu blutigen Attentaten und zureden, sich zu treffen oder eine andere Idee zuhaben reicht aus, um in den Knast zu wandern.Viele von uns haben den Faustschlag des Ter-rorismus in den Badewannen der Polizeirevierezu spren bekommen oder-mit Harold PintersWorten- sie haben uns mit den Kilowattstundenan den Genitalien zu Terroristen gemacht.

    Aber was kann man von einem Staat erwarten,der seine positive Jahresbilanz auf Grundlageder Zahl der Verhaftungen in diesem Jahr auf-stellt?Sie sagen, dass sie die Normalitt durch-setzten wollen, aber in den Drfern und Std-ten Euskal Herrias merkt man davon nichts. ImGegenteil, ein groer Teil der Menschen lebtin einem nicht deklarierten Ausnahmezustandund es ist kaum mglich, noch mehr politischeMissstnde unter dem Deckmantel der Demo-kratie zu verbergen.Wie lsst sich unsere Situation erklren, wennnicht mit Beispielen wie dem Verschwinden JonAnzas oder der Entfhrung und stundenlan-

    gen Folter von 6 ehemaligen Gefangenen, diezur Kollaboration mit der Polizei gezwungenwerden sollten? Oder mit der Tatsache, dassparamilitrische Gruppen und Falangisten Mi-glieder der Izquierda Abertzale (PatriotischeLinke, Anm.) bedrohen und angreifen und au-erdem Grabsteine der von ihnen selbst wh-rend des Brgerkriegs Ermordeten zerstren?Und das alles hat sich innerhalb eines halbenJahres abgespielt!

    Ach, ich knnte noch 100 Seiten mehr schrei-ben....

    Auch wenn es nur ein kurzer Abriss war, hoffeich, dass Ihr euch ein Bild (wenn auch inschwarz-wei) von der Situation machen konn-tet, in der ich mich bende!

    Revolutionre Gre und eine Umarmung analle politischen Gefangenen in Deutschland!

    Oft versperren die vier Wnde die Sicht aufdas, was sich innerhalb von ihnen abspielt,aber wie Bolvar sagen wrde:

    Wir sind wie die Sonne, unsere Strahlendringen an jeden Ort der Erde!

    FREIHEIT FR EUSKAL HERRIA!

    Ocaa, wo die Nacht vier Ecken hat,20. September 2009

    (bersetzung und Anmerkungen: E.H.)

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    10 | Gefangenen Info | Nov./Dez. 2009

    Im Vorfeld des dies- jhrigen G8-Gipfelsbei Aquila wurden achtKommunisten in Genua,Rom, Mailand, auf Sar-

    dinien und in anderen italienischen Stdtenfestgenommen und gegen mehr als 40 Per-sonen Ermittlungen eingeleitet. Neben demRepressionsschlag gegen eine Gruppe An-

    archisten, denen die Sabotage von Zugstre-cken vorgeworfen wurde, ist dies die zweitespektakulre antiterroristische Aktion desitalienischen Staates im Sommer 2009. Vierder Festgenommenen vom 10. Juni sind in-zwischen seit 6 Monaten in Untersuchungs-haft in Siano (Catanzano) im Sden Italienseingeknastet. In diesem Knast werden siewie die Gefangenen der PC p-m (Kommuni-stische Partei politisch-militrisch) von densozialen Gefangenen getrennt gefangengehalten.Die Gefangenen Gianfranco und Massi-mo aus Genua sind seit den 70er Jahren

    in der linksradikalen Szene in Italien aktiv.Gianfranco wurde als Mitglied der genue-sischen Kolonne der Brigate Rosse 1981zu 10 Jahren Knast verurteilt, weil bei einerHausdurchsuchung bei ihm ein Waffende-pot gefunden wurde, das der Brigate Rosse

    zugerechnet wurde. Massimo war in den70er Jahren Sekretr in einem Bezirksbroder PCI (Kommunistische Partei Italiens),aus der er spter austrat. Ansonsten hatteer nur kleinere Vorstrafen wegen politischenAktivitten.In den letzten Jahren organisierten Gian-franco und Massimo Proteste gegen dieKriegseinstze Italiens, gegen faschistische

    Gruppierungen und den tglich mehr in-stutionalisierten Rassismus. Auerdemmachten sie auf die zahlreichen tdlichenArbeitsunflle auf Baustellen, Hfen undFabriken aufmerksam und organisiertengemeinsam mit den Arbeiterinnen und Ar-beitern Proteste (in Italien sterben tglich 3ArbeiterInnen aufgrund miserabler Arbeits-bedingungen und fehlenden Schutzma-nahmen).Da die Festgenommenen vom 10. Juni inUntersuchungshaft sind, weit entfernt vonihren Familien und GenossInnen und siesich bisher noch nicht zu den Vorwrfen

    geuert haben, sind die vorliegenden In-formationen noch vage. Fest steht, dasssie wegen dem Vorwurf, die Brigate Ros-se rekonstruieren zu wollen, festgenom-men wurden. Bei Massimo wurden in einerGartenlaube auf seinem Grundstck zwei

    Maschinenpistolen, eine Handgranate undTexte/Diskussionspapiere zu bewaffnetenKmpfen gefunden. Auerdem soll er imBesitz einer Handykarte gewesen sein,die nicht registriert gewesen sein soll. EineHandykarte gleichen Typs wurde bei Gian-

    franco gefunden. Sergio und Alessandroaus Rom und Sardinien wurden auch inten-siv berwacht und abgehrt, sie sollen auchan Diskussionen zu bewaffneten Kmpfenteilgenommen haben und mit metapho-rischer Sprache codiert am Telefon kom-munziert haben. Bei einem von ihnen wur-de auch eine Handykarte des gleichen Typsgefunden. Die Beweise zur Rechtfertigungihrer Untersuchungshaft sind mehr als frag-wrdig. In lokalen Pressemeldungen wirdversucht, ihre Ideen und Kmpfe zu dele-gitimieren und sie politisch und moralischvorzuverurteilen.

    Erste Soli-Aktivitten wie Soli-Essen zur -nanziellen Untersttzung der Gefangenenund fr Reisekosten fr Besuche wurdenorganisiert, ein Wandplakat in Genua, in ei-nigen Stdten der ligurischen Kste entlangbis nach Carrara in der Toskana verklebt.Ein Solidartitskomitee kommunistischerund anarchistischer GenossInnen hat sichgegrndet. Das Komitee will den Prozessbegleiten, Gegeninformationen zum herr-schenden Diskurs verffentlichen, Briefeschreiben und Proteste organisieren. Siewollen keinen Appell an die Jusitz richten,da sie sich von ihr als repressives und kon-

    terrevolutionres Instrument keinen fairenProzess erhoffen, in diesem Prozess viel-mehr ein justizfrmiges Mittel zur Durchset-zung politischer Interessen sehen und dasVerfahren als politischen Prozess offensivthematisieren wollen. (Red.)

    Terrorist ist der,der verhungern lsst,

    bombardiert, verhaftetRepressionsschlag in Italien wegen Rekonstruierungder Brigate Rosse. Zu den Festnahmen vom 10. Juni,4 Gefangene weiterhin in U-Haft, Soli-Komitee gegrndet

    In den frhen Morgenstunden des 24. No-vembers kam es in den zu Spanien geh-renden baskischen Provinzen Gipuzkoa,Bizkaia, Araba und Nafarroa zu 34 Festnah-men und 92 Hausdurchsuchungen durch650 Einsatzkrfte der Polizei und der Gu-ardia Civil. Die Polizeioperation war vom

    Ermittlungsrichter der Audiencia Nacional(Sondergericht fr Terror- und Drogende-likte), Fernando Grande Marlaska, ange-ordnet worden.Einer Erklrung des Innenministeriums zu-folge, handelt es sich bei den Festgenom-men um Fhrungspersonen der im Jahr

    2001 illegalisierten JugendorganisationSEGI, die von der spanischen Justiz derbewaffneten Organisation ETA zugerechnetwird. Innenminister Alfredo Prez Rubalca-ba erklrte sich mit diesem Schlag gegendie nanzielle und logistische Struktur vonSEGI sehr zufrieden und uerte, dassdie Operation drei grundstzliche Ziele ver-folge: 1. Verhinderung des Wiederaufbaus

    der verbotenen Organisationen der ETA,2. Zerschlagung des potenziellen Nach-wuchses der ETA, 3. Kampf gegen die Stra-engewalt, die innerhalb der OrganisationETA SEGI zukomme.Alle 34 Verhafteten wurden nach Madridberstellt und in Incomunicado-Haft ge-nommen. Menschen, die dieser Art der Haftausgeliefert sind, werden 5 Tage vollstndigisoliert; AnwltInnen und rztInnen eige-nen Vertrauens haben keinen Zugang zuden Gefangenen, die Familien und Freun-dInnen werden nicht benachrichtigt. In die-ser Situation absoluter Isolation kommt es

    hug zu Folter und sexuellen bergriffen.Trotz internationaler Kritik an der Incomuni-cado-Haft durch den UN-Ausschuss gegenFolter oder verschiedene Menschenrechts-organisationen, ordnete Marlaska im Fallder 34 verhafteten Jugendlichen erneutIncomunicado-Haft an und lehnte Manah-

    men zur Prvention von Folter ab.Scheinbar nicht ohne Grund: Die Festge-nommenen, von denen mittlerweile 32 insGefngnis berfhrt und zwei auf Kautionfrei gelassen wurden, haben nach der In-comunicado-Haft in Gesprchen mit ihrenVertrauensanwltInnen Misshandlungen,Schlge, sexuelle bergriffe und psy-chische Gewalt angezeigt.

    Gegen diesen jngsten Schlag der spa-nische Repressionspolitik gingen amSamstag nach den Verhaftungen 20.000Menschen in Bilbo (Bilbao) auf die Strae.Das Motto der Demonstration Ihr werdetuns nicht stoppen! drckt dabei die vielgeteilte Einschtzung aus, dass die Fest-nahmen der Jugendlichen als Antwort desspanischen Staates auf die neue Konikt-lsungsinitiative der linken baskischen Un-abhngigkeitsbewegung zu verstehen ist.Die Initiative, die sich fr eine friedliche unddemokratische Lsung des politischen Kon-ikts einsetzt, wurde Ende November der

    baskischen und internationalen ffentlich-keit prsentiert und grundstzlich begrt,wodurch der Druck auf den spanischen undden franzsischen Staat wchst. (Red.)

    http://www.info-baskenland.de/

    http://baskinfo.blogspot.com/

    Repressionsschlaggegen Jugendliche derlinken baskischen Unab-hngigkeitsbewegung

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    Nov./Dez. 2009 | Gefangenen Info | 11

    Kurzmeldungen:

    Baskenland: SpanischePolizeieinheit soll Jon Anzaauf franzsischem Terri-torium verscharrt haben.Unter Berufung auf zuver-lssige Quellen meldet diebaskische TageszeitungGARA am 2. Oktober 2009,

    dass der seit 6 Monaten verschwundeneMilitante der ETA von auf franzsischemTerritorium operierenden spanischen Po-lizisten festgenommen wurde. Der Ver-schwundene starb whrend der illegalenVerhre und wurde an einem unbekanntenOrt verscharrt. Es ist davon auszugehen,dass eine neue Etappe von schmutzigemKrieg eingelutet wurde. (Red.)

    Marokko/Sahara: Diesahaurische Unabhngig-keitsaktivistin Aminatou

    Haidar, die am 13. Novem-ber 2009 von Marokko aufdie Kanarischen Inselnabgeschoben worden warund sich seit dem 16. No-

    vember im Hungerstreik bendet, wird dieRckreise nach Marokko weiterhin ver-whrt. Sie befand sich auf ihrer Rckreiseaus den USA und wurde auf den Kana-rischen Inseln festgehalten, weil sie auf ih-rem Einreiseticket sahaurisch als Staats-angehrigkeit angegeben hatte. Sie knneerst wieder einreisen, wenn sie sich beimKnig Marokkos entschuldigt habe. (Red.)

    USA: Die Menschen- undBrger rec h t s anw l t i nLynne Stewart wurde am17. November 2009, nachder 2006 verhngten Strafevon 28 Monaten, inhaftiert.Sie habe eine Presseerkl-rung eines Mandanten aus

    einem Terrorismusprozess weitergegebenund damit die nationale Sicherheit in Gefahrgebracht. Die Jura-Professorin MarjorieCohn dazu: Die eindeutige Botschaft der125-seitigen Begrndung des Berufungs-

    gerichts ist, dass sich AnwltInnen, die sichin der Post-9/11-ra fr ihre MandantInneneinsetzen, in Acht nehmen sollten. (Red.)

    Argentinien: ZahlreicheFamilien des Mapuche-Volkes wurden am 28. No-vember 2009 gewaltsamaus ihren angestammtenGebieten in der GemeindePaicil Antriao (Sdargen-tinien) vertrieben und ihre

    Huser zerstrt. Auf den Gebieten, in denendie groe Gemeinschaft der Mapuche lebt,

    will der vermgende US-amerikanischeUnternehmer William Henry Fischer ein rie-siges Tourismuszentrum errichten. Die Ver-teibungen geschahen unter den Augen derStaatsanwaltschaft und den Zustndigenfr die Sicherheit der Provinz. (Red.)

    spezischen Form der Isolationshaft ausge-liefert, die der sogenannte Artikel 41-bisregelt.Diese Art des Strafvollzugs beinhaltet u.a.den Einschluss der Gefangenen in einentoten, also gnzlich abgeschotteten Trakt

    sowie eine totale Kontaktsperre. Telefo-nate mit den Angehrigen sind nur alle paarMonate mglich und unterliegen strengsterKontrolle und berwachung.Dies gilt auch fr die Prozesse, die nur nochper Videoberwachung stattnden.Diana Blefari Melazzi haben diese Haftbe-dingungen seit Jahren psychisch schwerzugesetzt. Ihre Genossin Nadja Lioce zeigtesich hinsichtlich des Zustands von Dianaschon vor Jahren besorgt und ihre Anwlteund Angehrigen fhrten einen erfolglosenKampf um Hafterleichterungen.Trotz des Wissens um die schwierige Lage

    der Gefangenen, haben die Staatsschutz-und Justizorgane den Druck auf Dianaerhht. Die krzliche Verhaftung ihres Ge-nossen und ehemaligen Lebenspartners,Massimo Papini, wurden von den brger-lichen Medien aufgegriffen und als Beweisfr die Kollaboration Dianas mit den Staats-schutzorganen verkauft.Ihr Anwalt Francesco Romeo erklrte dazuin einem Pressegesprch am 3. November:Diese Anschuldigungen sind eine weitere,obszne Instrumentalisierung von Dianaund ihres Gesundheitszustandes ... sie hatmit dieser Verhaftung nichts zu tun.

    In Anlehnung an eine Parole aus der kom-munistischen Bewegung Lateinamerikas:

    Diana presente - Der Kampf geht weiter!(Red.)

    In der Nacht auf den ersten November die-sen Jahres hat sich Diana Blefari Melazziin ihrer Zelle im Sicherheitstrakt des r-mischen Knastes Rebibbia erhngt.Bei ihrer Verhaftung im Jahr 2003 erklrtesie sich den Roten Brigaden PCC zugeh-rig und wurde fr die Ermordung des Re-

    gierungsberaters Marco Biagi am 19. Mrz2002 zu lebenslnglicher Haftstrafe verur-teilt.Sie und die anderen in diesem Verfahrenverurteilten GenossInnen wurden in Hoch-sicherheitsgefngnissen inhaftiert und einer

    Zum Tod der Gefangenen

    Diana Blefari Melazzi

    waren zahlreiche erfolgreiche Kampagnender Tierrechtsszene: so konnten z.B. Pelz-farmen, Legebatterien und Tierversuchenan Menschenaffen ffentlich diskreditiertund ihr Verbot in sterreich durchgesetztwerden. Durch militante Aktionen von Di-rect Action Groups wie z.B. der ALF (Ani-mal Liberation Front) wurden Mastbetriebe,Jagdeinrichtungen, Handelsketten(die Pelz-

    mntel vertrieben) sowie Pharmakonzerneangegriffen und damit auch wirtschaftlicherSchaden verursacht. Die 10 Angeklagten,die aus unterschiedlichen Sparten der Tier-rechtsszene stammen und sich vor Fest-nahme teilweise nicht einmal untereinanderkannten(!), werden in diesem Verfahren we-niger konkrete Taten vorgeworfen, als ihreZugehrigkeit zu einer sozialen Bewegungund die hnlichkeit ihrer angestrebten po-litischen Ziele festgestellt. Fr eine Ankla-ge nach 278a Bildung einer kriminellenVereinigung reicht der Vorwurf, dass dieAngeklagten Vermgen bedroht und er-

    heblicher Einuss auf Politik oder Wirt-schaft angestrebt haben sollen. Sie sollenMitglieder der ALF sein, die in den USA aufden Terrorlisten gefhrt wird. (Red.)

    Weitere Infos:

    www.antirep2008.lnxnt.org

    Im Januar 2010 soll nun der Prozess gegendie 10 angeklagten TierrechtsaktivistInnen

    vor dem Landgericht in der Wiener Neu-stadt beginnen. Die Anklage nach 278a(Mitgliedschaft in einer kriminellen Orga-nisation) wird weiterhin aufrecht erhalten.Auch die Ladung 115 ZeugInnen der Ankla-ge machen deutlich, dass dieses Verfahrengro aufgerollt werden soll und sich mehre-re Monate hinziehen drfte.Im Mai 2008 wurden in sterreich 23 Woh-nungen von AktivistInnen der Tierrechtsze-ne und 6 Bros von Tierschutzorganisati-onen durchsucht. Vom Repressionsschlagwurde nahezu die gesamte Palette der insterreich sehr aktiven Tierrechtsszene ge-

    troffen: sowohl bei reformistisch orientiertenPersonen und Vereinen als auch bei der mi-litanten Szene zugerechneten AktivistInnenwurden Durchsuchungen durchgefhrt.10 AktivistInnen, die jetzt angeklagt sind,waren damals fr 3 Monate in U-Haft in-haftiert. Der Repression vorrausgegangen

    Prozessauftaktgegen sterreichischeTierrechtler

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    12 | Gefangenen Info | Nov./Dez. 2009

    Der folgende Text ist aus einem Gesprchentstanden, dass die Redaktion mit den dreikolumbianischen Genossen Luis Alberto Va-negas (Menschenrechtsbeauftragter der Ge-werkschaft CUT-Kolumbien), Ramiro Orjuda(Rechtsanwalt fr politische Gefangene) undMartin Sandoval (ehemaliger politischer Ge-fangener) gefhrt hat, die im Rahmen der in-ternationalen zweijhrigen Kampagne Free-dom for political prisoners in Colombia u.a.

    durch die BRD gereist sind:Die internationale Kampagne wurde voneinem Bndnis kolumbianischer Basisorga-nisationen und den aufstndischen, kmp-fenden Organisationen initiiert, die sich untereinem humanitren Konsens geeint fr dieBefreiung der Gefangenen und die interna-tionale Anerkennung des Brgerkrieges alssozialen Konikt einsetzen. Sie wird von derKommunistischen Partei Kolumbiens und derARLAC (Organisation fr Flchtlinge aus La-teinamerika) getragen und soll hier in Euro-pa die Propaganda der kolumbianischen undder US-Regierung hinsichtlich des Koniktsin dem lateinamerikanischen Land demas-kieren. Die kolumbianische Regierung fhrteinen Krieg gegen ihre Bevlkerung. Mit zweiMillionen Binnenchtlingen ist Kolumbienweltweit der Staat mit der zweitgrten Anzahlan Menschen, die im eigenen Land vertriebenwurden. Dennoch wird international nicht voneinem Brgerkrieg, sondern von einem Krieggegen die sogenannte Drogen-Guerilla, dieFARC, gesprochen.Wer hinter den Mantel der Propagandaschaut, ndet schnell heraus, dass die FARCeine 42 Jahre alte, groe Volksarmee mit po-litischen Forderungen ist, die eine starke Ver-ankerung in der Bevlkerung geniet.

    Die drei Genossen waren gekommen, umuns zu berichten, wie ein groer Teil der Ge-sellschaft unter dem Brgerkrieg leidet, dendie kolumbianische Regierung - nach wie vorauch mit paramilitrischen Einheiten - gegendie FARC fhrt. Sie betonten dabei, dass essich beim kolumbianischen Konikt um einensozialen handelt: Es ist insbesondere die Be-vlkerung, die von den Ordnungskrften ter-rorisiert wird, um der Guerrilla ihre Basis zunehmen.Jhrlich werden von den Regierungstruppenund ihren paramilitrischen Einheiten 15 000politische Morde gegen die kolumbianischeBevlkerung verbt, die oft mit Verschlep-

    pung und Folter einhergehen.Letztere hat in Kolumbien unbeschreiblicheFormen angenommen. Es kommt vor, dassdie Opfer mit Motorsgen verstmmelt, ihnendie Finger abgehackt und die Augen ausge-rissen werden. Fast immer handelt es sich

    Im Rahmen der internationalen KampagneFreedom for political prisoners in Colombiaberichtetete uns der kolumbianische AnwaltRamiro Orjuda vom Fall Simn Trinidads:

    Simn Trinidad (Simn Trinidad ist ein Nomde Guerre, sein ziviler Name lautet RicardoPalmera) wurde, wie andere Guerillakmpferauch, am 31. Dezember 2004 von der kolum-bianischen an die US-Regierung ausgeliefert.Diese verurteilte ihn im Winter 2008 fr dieBeteiligung an der Entfhrung von drei US-Brgern zu 60 Jahren Haft in amerikanischenHochsicherheitsgefngnissen.

    Diese Auslieferung verstt gegen die ko-lumbianische Verfassung, der zufolge er inKolumbien verurteilt und inhaftiert werdenmsste. Simn ist jetzt 57 Jahre alt, das heit,er wird bis zu seinem Tod im Gefngnis blei-ben. Dieser Umstand stellt einen weiteren

    Versto gegen internationales Recht dar, weiler zu lebenslanger Haft in einem fremdenLand verurteilt wurde.In seinem Gerichtsprozess sagten 35 Zeugengegen Simn aus; er selbst war der einzigeZeuge, der zu seiner Verteidigung zugelas-sen wurde. Seinen kolumbianischen Anwl-ten wurde die Einreise verweigert, ebensowie seinen Angehrigen. Bisher durfte ihn nurseine 90-jhrige Mutter besuchen.

    Simn Trinidad bendet sich in Isolationshaft,er erhlt keine Post, Zeitungen oder Bcherund hat weder Fernseher noch Radio.In dieser Situation benden sich noch zweiweitere Guerillakmpfer: Sonia (Anayibe Ro-gan) und Ivan Vargas (Luis Mendieto). (Red.)

    bei den Gefolterten um einfache Landarbeite-rInnen, denn fr die Soldaten ist jede/-r armeCampesino/-a entweder ein/-e Guerillero/-aoder ein/-e potentielle/-r UntersttzerIn derGuerrilla.Eine weitere Waffe des Staats-Terrors gegendie Bevlkerung ist das Gefngnis. Von der-zeit 7500 politischen Gefangenen in kolum-bianischen Gefngnissen sind nur ca. 1500Guerilla-KmpferInnen. Die restlichen 6000

    setzten sich aus ZivilistInnen zusammen,die hug dennoch zu Guerilleros/-as erklrtwurden. Davon sind ca. 80 % einfache Bau-ern und Buerinnen aus dem Landesinnern;der Rest ArbeiterInnen, Gewerkschaftsaktivi-stInnen, VertreterInnen der indigenen Stm-me, Intellektuelle, RechtsanwltInnen undStudentInnen.Die ZivilistInnen werden mit konstruiertenVorwrfen der Mitgliedschaft in der Guerrillaangeklagt und fr den Delito de Rebelin(Vergehen des Aufstandes) verurteilt, was imschlimmsten Fall 40 Jahre Haft bedeutet. Be-vor es zu diesen Prozessen kommt, vergehen

    jedoch zwei bis sechs, zum Teil sogar bis zuelf Jahre; das heit, viele politische Gefange-ne benden sich eigentlich in Untersuchungs-haft. Fr die Anklage-Konstrukte bedient sichder kolumbianische Staat zum Einen seiner1. 200. 000 bezahlten InformantInnen, zumAnderen werden Verurteilungen z.T. auf Ba-sis falscher Gestndnisse getroffen, die Ge-fangenen durch Folter oder das Angebot der

    Strafminderung abgerungen werden.Die Bedingungen in den kolumbianischenGefngnissen sind im Allgemeinen schlecht.Hug berleben die Gefangenen die Haftwegen schlechter Ernhrung und mangelndermedizinischer Versorgung nicht.Zudem wird auch in den Knsten Folter an-gewandt, um von den Insassen Gestndnissezu erzwingen.In dieser Situation sehen viele Gefangene

    den letzten Ausweg im Selbstmord.Aufgrund dieser Zustnde wirft die Interame-rikanische Menschenrechtskommission demkolumbianischen Staat menschenverachten-de und grausame Verhltnisse in den Gefng-nissen vor.Viele der ZivilistInnen unter den politischenGefangenen wurden bei Massenfestnahmenverhaftet. So auch Martin Sandoval, der unsvon dieser Taktik der Repression berichtete:Er wurde am 4. November 2008 in Araucitaverhaftet. Das gesamte Dorf wurde vom Mi-litr umstellt. Dann wurden er und 14 andereverhaftet und von bezahlten Informanten alsGuerilleros denunziert. Dieser Fall ist beispiel-

    haft fr die 6000 Zivilisten, die als politischeGefangene im Gefngnis sitzen.Martin Sandoval ist am 13. Mai 2009 durchinternationalen Druck frei gekommen; er un-terstreicht deshalb die essentielle Bedeutungder Rundreise, um den kolumbianischenStaat und dessen terroristisches Handeln ge-gen die Bevlkerung anzuklagen und dadurchden internationalen Druck auf diesen Staatzu erhhen.Die Anwlte der politischen Gefangenen wer-den stark berwacht: die Telefone, die Post,die Wohnungen und Bros, selbst ihre Fami-lien und Kinder. Wenn ihnen keine Konstrukteaufgezwungen werden knnen, kann espassieren, dass sie nach inofziellen Verhaf-tungen verschwinden und zu Tode gefoltertwerden.Wer in Kolumbien den Mut hat, politischeGefangene zu verteidigen, steht frher oderspter vor der Entscheidung zwischen Tod,Gefngnis oder Exil. (Red.)

    Simn Trinidad:KolumbianischerGefangener in den USA

    International

    Aus dem Gesprch mit der

    kolumbianischen Delegationim Rahmen der internationalen KampagneFreedom for political prisoners in Colombia

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    und ihm wrden der Zugang zu Fernseher,Zeitungen und anderen Informationsquellenverwehrt.Zudem wrden Saadat Familienbesuche -wie z.B. der Besuch seiner Ehefrau Abla,die ihn seit 3 Monaten nicht besuchen konn-te - und zugelassene Besuche untersagt.In diesen Verbotsmanahmen seien auchEinkufe in der Gefngniskantine und derKauf von Zigaretten inbegriffen. Seinen ein-stndigen Hofgang knne Sa adat nur mitHand- und Fuschellen durchfhren.Die Kampagne fr die Freiheit von AhmadSaadat, die in ihren Erklrungen auch andie rund 10.000 palstinensischen poli-tischen Gefangenen erinnert, ruft in ihrerErklrung vom 22. Oktober dazu auf, mitProtestschreiben das Internationale RoteKreuz an ihre Verantwortlichkeiten zu erin-nern und Protestschreiben an die lokalenVertretungen israelischer Botschaften undKonsulate zu schicken.

    Solidaritt in Istanbul

    Bei der internationalen AnwltInnenkonfe-renz, die vom Rechtsbro des Volkes HHBin Istanbul am 26./27. September 2009veranstaltet worden war und an der sichJuristInnen aus der Trkei, Venezuela, Ko-lumbien, Argentinien, Italien, Griechenland,Deutschland, Baskenland, Libanon, Palsti-na, Irak und gypten beteiligten, wurde inder Schlussdeklaration neben dem Protestgegen imperialistische Aggression in Formvon Ausbeutung, Okkupation, SchwarzenListen und Terrorismusgesetzen, die Frei-heit der politischen Gefangenen, u.a. die

    Freiheit Ahmad Saadats und der palsti-nensischen Gefangenen gefordert. (Red.)

    Die Kampagne fr die Freiheit von AhmadSaadat informierte am 22. Oktober 2009,dass die Isolationshaft gegen AhmadSaadat, Generalsekretr der PFLP (Volks-front zur Befreiung Palstinas), durch denisraelischen Militrgerichtshof in Bir Sabaum 6 Monate verlngert worden sei.Ahmad Saadat, der sich bereits seit 6Monaten in der Isolationshaft einer Spezi-alabteilung des Ramon Gefngnisses be-ndet, habe keinerlei Kontakt zu anderen

    Gefangenen. Laut Angaben seien seinepersnlichen Bcher konsziert worden

    Ahmad Saadat

    weiterhin inIsolationshaft

    Gler Zerefreigekmpft

    Die von der GefangenenhilfsorganisationTAYAD angestoene Freiheitskampagneentfaltete im Laufe der Proteste mit ent-schlossener Haltung der Angehrigen GlerZeres und revolutionr-demokratischer Ver-eine, Verbnde, Gewerkschaften, Parteien,KnstlerInnen und Intellektuelle eine Dyna-mik, die die Inhaftierung von schwerkran-ken sozialen und politischen Gefangenenim Generellen thematisierte und in Fragestellte.

    Die trkische Regierung, die sich der Kon-rontation mit diesem Thema entzog undeine Freilassung und die damit verbundenemedizinische Behandlung Gler Zeres sy-stematisch verschleppte, sah sich aufgrunddes ffentlichen Drucks gentigt, einzulen-ken und sich den Forderungen zu beugen.Die Freiheitskampagne, die Gler Zere frei-kmpfte, brachte darber hinaus mit dieserInitiative einen weiteren Stein zum Rollen;die schwerkranken Gefangenen und dieForderung nach ihrer Freilassung. Ofzi-ellen Angaben zufolge starben im Zeitraumzwischen 2000 und 2009 insgesamt 306

    Menschen in geschlossenen Anstalten derTrkei. Landesweit luft die Kampagne frdie kranken Gefangenen weiter. Die w-chentlich in Taksim-Istanbul stattndendenFreiheitsdemos benden sich nun in der 18.Woche (Red.)

    Nach einem langandauernden Kampf frdie Freilassung der krebskranken Gefange-nen Gler Zere hat der trkische Premier-minister eingelenkt. Gler Zere wurde somit

    nach einer 109-tgigen Freiheitskampagneam 06. November 2009 aus dem E-TypGefngnis von Elbistan freigelassen. Zu-sammen mit Gler Zere wurden drei weiteresoziale Gefangene aufgrund ihrer gesund-heitlichen Verfassung freigelassen.

    Kurzmeldungen:

    Palstina: Win krankerHftling ist seit vier Mo-naten in Isolationshaft imisraelischen Gefngnis. Is-raelische Gefngniswrterhalten einen palstinen-sischen Gefangenen trotzseines bedenklichen Ge-

    sundheitszustandes in Isolationshaft. Seitfast neun Jahren bendet sich der 32-jh-rige Mehraj Ibrahim aus dem Flchtlingsla-ger im Gefngnis in der Nhe von Ashke-lon. Seine Mutter konnte ihn letzte Wochebesuchen und erklrte, dass sich ihr Sohnin einem sehr kritischen Zustand bende.(Red.)

    Trkei: In der Nacht vom19. November 2009 wurdeAlaattin Karadag, Mitgliedder in der Trkei aktiven

    TKIP (KommunistischeArbeiterpartei der Trkei),laut Zeugenangaben wh-rend der Verfolgung durch

    Polizisten von einer zivilen Person auseinem Ford Transit heraus ermordet. Alaat-tin Karadag hatte sich im Jahr 2000 im Ge-fngnis am Todesfasten gegen die F-Typenbeteiligt und wurde aus gesundheitlichenGrnden freigelassen. Er hatte noch eineReststrafe von 12 Jahren und 6 Monatenoffen. (Red.)

    Trkei/Kurdistan: Wh-

    rend der landesweit, de-zentral durchgefhrten De-monstrationen aus Protestgegen die Isolationshaftgegen Abdullah calan am06. Dezember 2009 kames zu massiven Polizei-

    einstzen. Beim Polizeieinsatz in der kur-dischen Stadt Diyarbakir wurden scharfeWaffen eingesetzt, wodurch der 23 jhrigeStudent Aydin Derdem durch Schsse inden Rcken ermordet wurde. Whrend derProteste kam es laut ofziellen Angaben zumindestens 130 Festnahmen. (Red.)

    Russland: In Moskauwurde wieder ein Antifa-schist ermordet. Am 16.November 2009, wurdeder 26-jhrige AntifaschistIwan Chutorskoi hinter-hltig erschossen. Iwanorganisierte in letzter Zeit

    den Saalschutz bei antifaschistischen Kon-zerten und fhrte Kampfsporttraining frGenossen durch. Vor diesem Mord warenbereits drei Mordversuche gegen Iwan ver-bt worden. Den Rechtsextremen war er

    wohlbekannt, sein Name tauchte nebendenen von Stanislaw Markelow und NikolaiGirenko bestndig in den Todeslisten derNazis auf. In Moskau ist dies bereits dersechste Mord an Antifaschisten seit 2006durch militante Rechtsextreme. (Red.)

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    14 | Gefangenen Info | Nov./Dez. 2009

    Im dritten Teil dieser Beitragsserie wollen wireinige weitere weltweit getragene Solidari-ttskampagnen der IRH zu verschiedenenRepressionsfllen und staatsterroristischenRegimen darstellen und damit direkt an denzweiten Beitrag dieser Serie (siehe GI, Nr.350) anschlieen. Des weiteren wollen wir,wie angekndigt, einen Blick auf die inter-organisatorische Zusammenarbeit der IRHund das Verhltnis zwischen ihr und an-deren bedeutenden Hilfs- und Solidaritts-organisationen werfen. Dabei ist vor allemauf die Politik der Internationalen Arbeiter-Hilfe (IAH) einzugehen. Ein Ergebnis derinternationalen proletarischen Solidarittist die Begehung von jhrlichen Gedenk-und Kampftagen, an denen fr die Opferstaatlicher Repression und/oder kolonialerUnterdrckung mobilisiert wird. Auch diesewollen wir zumindest kurz streifen.

    Die Flle von Georgi Dimitroff

    und Ernst Thlmann in Deutschland

    Nach der Machtbertragung an den Na-zi-Faschismus war eines der Hauptar-beitsfelder der IRH die Versorgung undOrganisierung der Zehntausenden vonEmigrantInnen aus dem Nazi-Reich. Diebeiden wichtigsten Kampagnen fr kom-munistische Persnlichkeiten waren diefr Georgi Dimitroff (1882-1949), dem vomSeptember bis Dezember 1933 beim sog.Reichstagsbrandprozess eine weltweiteAufmerksamkeit widerfuhr, und fr ErnstThlmann (1886-1944) nach seiner Verhaf-

    tung im Mrz 1933 und spteren KZ-Haft.Auf Dimitroffs frhen politisch-biograschenLebensweg werden wir noch im nchstenAbschnitt zu sprechen kommen. Hier inte-ressiert uns vor allem der Reichstatgsbrand-prozess, der laut Drehbuch der Nazi-Elite zueinem entlarvenden antikommunistischenSchauprozess vor dem Leipziger Reichsge-richt werden sollte. Die Schlsselrolle warDimitroff zugedacht worden, der sich gera-de illegal in Deutschland aufhielt und einigeTage nach dem Brand, der Ende Februar1933 war, in Berlin festgenommen werdenkonnte. Neben Dimitroff standen weitere

    bulgarische Kommunisten, der Vorsitzendeder KPD-Reichstagsfraktion Ernst Torglerund der Niederlnder Marinus van der Lup-pe unter Anklage. Zunchst wurde der Pro-zess ber Lautsprecher in die StraenzgeLeipzigs bertragen. Als Dimitroff aufgrund

    seiner rhetorischen Fhigkeiten u.a. dieNazi-Gre Hermann Gring als Zeugen indie Rolle des Angeklagten drngen konn-ten, wurden die Lautsprecheranlagen abge-baut. Zudem gelang es Dimitroff die absur-de NS-Propaganda eines bevorstehendenkommunistischen Aufstands gegen dasnazistische Regime auszuhebeln. Der Ge-richtsvorsitzende besttigte die souverneProzessfhrung Dimitroffs mit der Bemer-kung: Im Ausland ist man schon der Mei-nung, dass nicht ich, sondern Sie die Ver-handlung leiten! Da es der Anklage auchnicht gelang, eine Verbindung zwischendem gestndigen van der Lbbe (wir lassenhier die diversen Theorien zur eigentlichenTterschaft des Reichstagsbrandes aueracht!) und der KPD bzw. Dimitroff selbstherzustellen, sprach das Gericht ihn folge-richtig frei.In dem Beitrag Vom Nosketerror zumHitlerfaschismus, der 1935 in dem IRH-

    Sammelband 15 Jahre weisser Terror er-schienen ist, resmiert Wilhelm Pieck denDimitroff-Prozess: Als dann die schamloseKomdie des Reichstagsbrandprozessesabrollte, verwandelte Dimitroff diesen fa-schistischen Proze, der die Diskreditierungder Kommunistischen Partei bringen sollte,in eine vernichtende politische Abrechnungmit den wirklichen Brandstiftern und mit dergesamten faschistischen Terrorherrschaft.Dimitroff zerschlug das Mrchen von denkommunistischen Putschplnen, fr die derReichstagsbrand das Fanal htte sein sol-len. Dimitroff ri Gring und Goebbels die

    Maske vom Gesicht. So erlitt der Faschis-mus vor dem Leipziger Reichsgericht eineerste schwere politische und moralischeNiederlage, die einen Umschwung in derStimmung der Massen, eine berwindungder bei einem Teil der Werkttigen durchden Sieg des Faschismus hervorgerufenenDepressiosnstimmungen und eine Str-kung der antifaschistischen Krfte zur Fol-ge hatte.Der frhere Transportarbeiter und KutscherErnst Thlmann trat im Herbst 1920 mit derlinken Mehrheit der USPD zur KPD berund zhlte auch dort als Verfechter der sog.

    Offensivtheorie zum linken Parteigel. Alseiner der Organisatoren des gescheitertenHamburger Aufstands im Rahmen des sog.Deutschen Oktober 1923, als KPD-Kandi-dat fr die Reichsprsidentenwahl 1925 undLeiter des Rotfront Kmpferbundes (RFB)

    wuchs sein Einuss in der KPD. Nach derinnerparteilichen Absetzung der ultralin-ken Parteifhrung um Ruth Fischer undArkadi Maslow wurde Thlmann 1925 alskominterntreuer Linker KPD-Vorsitzender.Auch sptere Affren zum Nachteil der KPD(z.B. der Korruptionsfall um seinen Partei-freund John Wittorf 1928) konnten ihn u.a.aufgrund der Deckung durch die StalinscheBrokratie nicht zu Fall bringen.Dennoch bestand die politische Tragdiedarin, dass die KPD nach der Machtber-gabe an die Nazis organisatorisch nichtin der Lage war, den offenen Faschismuszurckzudrngen, geschweige denn ihrenVorsitzenden vor dem Zugriff zu schtzen.Dieser erfolgte am 3. Mrz 1933. 12 Jahreverbrachte Thlmann in Einzelhaft, zuerstin Moabit, dann in Hannover und Bautzen,bevor er ins KZ Buchenwald verschlepptwurde und dort am 18. August 1944 denSS-Schergen zum Opfer el. 1936 gab es

    einen Plan, Thlmann aus der Moabiter-Haft zu befreien; dieser wurde jedoch inletzter Minute vom Exil-ZK der KPD abge-blasen. Auch die Hoffnung nach dem sog.Hitler-Stalin-Pakt 1939 nach Moskau abge-schoben zu werden, erfllten sich nicht.Um den Fall Thlmann herum entwickeltesich eine breite internationale Kampagne,die auf die Freilassung Thlmanns agita-torisch hinwirken sollte. Ein ursprnglichangesetzter Prozess gegen Thlmann kamnie zustande, offenbar aus Furcht, nachdem Dimitroff-Prozess ein weiteres Fiaskoerleben zu mssen. In der Erwartung eines

    bevorstehenden Thlmann-Prozessesheit es in der IRH-Broschre Fr dieRettung aller Opfer der Reaktion und desFaschismus von 1935 noch: Also, Genos-sen, selbst in den faschistischen Lndernkann man die Unterdrcker in Schach hal-ten. Unmittelbar vor dem Thlmann-Pro-zess (...) mssen wir uns des Prozessesgegen Dimitroff erinnern, und augenblick-lich alle Krfte mobilisieren und eine nochmchtigere Kampagne als fr Dimitroff fh-ren (...).

    Reaktionre Regime in Bulgarien

    Ein Schwerpunkt von IRH-Kampagnen inden Balkanlndern bezog sich auf die Ver-hltnisse in Bulgarien. Hintergrund war derreaktionre Staatsstreich von A. Zankowim Juni 1923 gegen die damals amtieren-

    Kampagnen und Kooperationender Internationalen Roten Hilfe (IRH)3. Teil

    IRH/RHIDossie

    rTeil3

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #351

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    Nov./Dez. 2009 | Gefangenen Info | 15

    de Regierung unter A. Stambolijski, demVorsitzenden des Bauernvolksbundes, derdie strkste Fraktion im bulgarischen Parla-ment bildete. Die Instabilitt des neuen Re-gimes sollte durch einen proletarischen Auf-standsversuch, der von der Komintern undder Bulgarischen Kommunistischen Partei(BKP) initiiert wurde, potenziert werden. Dieblutige Niederschlagung dieses Aufruhrsmarkierte allerdings eine weitere Episodeder letzten Phase des Versuchs die sozialeRevolution ber die Grenzen der UdSSRhinauszutreiben. Die BKP und insbesonde-re Georgi Dimitroff galten als der Inbegriffdes innerstaatlichen Feindes. Infolge derNiederlage im September 1923 musstenDimitroff und viele kommunistische Aktivi-stInnen exiliere