Kunst Für Alle - Ausgabe 6/2015 des strassenfeger

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  • 7/21/2019 Kunst Fr Alle - Ausgabe 6/2015 des strassenfeger

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    Straenzeitung fr Berlin & Brandenburg

    1,50 EURdavon 90 CT r

    den_die Verkuer_in

    No. 6, Mrz 2015

    WUNDERBARKunsauomaen(Seie )

    TRENDIGMurals prangenberall (Seie )

    ANREGENDKlaus Saeck

    Kuns r alle(Seie )

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    srasseneger | Nr. | Mrz | INHALT

    strassen|fegerDie soziale Sraenzeiung srassenegerwird vom Verein mob obdach-lose machen mobil e.V.herausgegeben. Das Grundprinzip des srassenegeris: Wir bieen Hile zur Selbshile!

    Der srassenegerwird produzier von einem Team ehrenamlicherAuoren, die aus allen sozialen Schichen kommen. Der Verkau des sras-senegerbiee obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen dieMglichkei zur selbsbesimmen Arbei. Sie knnen selbs enschei-den, wo und wann sie den srassenegeranbieen. Die Verkuer erhaleneinen Verkuerausweis, der au Verlangen vorzuzeigen is.

    Der Verein mob e.V. finanzier durch den Verkau d es srassenegersoziale Projeke wie die Nobernachung und den sozialen TreffpunkKaffee Bankrot in der Sorkower Sr. 139d.Der Verein erhl keine saaliche Unerszung.

    Liebe Leser_innen,diese Ausgabe heit KUNST FR ALLE. Sie ist ein wenig auchdas Produkt unserer Medienpartnerschaft mit der Akademie derKnste zur gleichnamigen Ausstellung von Klaus Staeck. Der Prsi-dent der AdK ist ein guter, alter Freund und Untersttzer des stras-senfeger. Er schlug uns vor einer Weile vor, auch bei dieser Aus-

    stellung wieder zusammenzuarbeiten. Das machen wir gern undwerden die Ausstellung im Hanseatenweg bis zum Ende am 7. Junibegleiten (S. 3). Den Bericht ber die Ausstellungserffnung am 17.Mrz und den obligatorischen Rundgang dazu finden Sie auf S16ff.

    Gleichzeitig haben wir das Thema der Ausstellung als Ausgangs-punkt fr ein paar famose Artikel und Berichte genutzt. Dazu be-gaben wir uns z. B. in der Stadt und im Land Brandenburg auf dieSuche nach der Kunst fr alle begeben. Dabei stieen wir auf sospannende und interessante Projekte wie die Kunstautomaten vonLars Kaiser (S. 4f), auf die groflchigen Wandbilder, auch Muralsgenannt, die berall in Berlin zu finden sind S. 6ff). Wir haben mitden Machern des Projekts URBAN NATION gesprochen, die ge-rade Besuch aus New York hatten. Die Brooklyn Street Artistshaben im Rahmen des Project M/7. PERSONS OF INTEREST

    in der Blowstrae einige Wnde etc. mit ihrer Street Art versch-nert (S 10ff.). Unsere ehrenamtlichen Autor_innen berichten auchdarber, wie schwierig es ist, als unbekannter Knstler auszustellenund welche Alternativen es gibt (S. 13f). Sie stellen auch die Frage:Kunst oder Kitsch (S. 15). Und wir stellen Ihnen die kongenialeKleinknstlerin Lena Binski alias Elena Bolsuna vor (S. 9).

    Auch im Magazin: Ein Kommentar zum Stand der Berliner Klte-hilfe, die zum Ende des Monats ausluft (S. 19) und ein Bericht berdie Ausgabe von Kleiderspenden aus der Kampagne ONE WARMWINTER (S.20). Unsere Redakteurin Jutta Herms berichtet auf denSeiten 24f ber Obdachlosigkeit in Nordrhein-Westfalen. Sportlichgehts bei uns diesmal um den Trainer von Hertha BSC (S. 26) unddie Handballer der Fchse Berlin (S. 27).

    Wir wnschen Ihnen viel Spa beim Lesen!

    Andreas Dllick, Chefredakteur strassenfeger

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    KUNST FR ALLEEin Kunsbegriff & kongeniale Aussellung

    Die Kunsauomaen des Lars Kaiser

    Murals in Berlin eine Sad puz sich heraus

    Die Allroundarisin Elena BolsunaUrban Naion Projec M

    Teilhabe am kulurellen Leben ohne Geld?

    Mglichkeien r unbekanne Knsler

    Kuns oder Kisch

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    TAUFRISCH & ANGESAGT

    a r t s t r a s s e n f e g e rDie Aussellung KUNST FR ALLE ein erserRundgang

    B r e n n p u n k tSuppe und Nobet? Kleiner Exkurs ber die

    Berliner Klehile

    One Warm Winer Spendenkampagne

    s t r a s s e n f e g e r r a d i oIm Daenrausch

    K u l t u r t i p p sskurril, amos und preiswer!

    S o z i a lPrvenion Wohnungslosigkei

    S p o r tPal Dardai u Herha BSC sehr gu!

    Fchse Berlin in den FinalFours

    A k t u e l lTopographie des Terrors

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    AUS DER REDAKTIONH a r t z I V - R a t g e b e rDie Gruppe der uner -Jhrigen Teil

    K o l u m n eAus meiner Schnupfabakdose

    V o r l e t z t e S e i t eLeserbriee, Vorschau, Impressum

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    Klaus Saeck, Prsiden der Akademie der Knse, neben einem Bild von Max Liebermann

    (Foo: Urszula-Usakowska-Wolff)

    stras senfeger | N r. | Mrz KUNST FR ALLE |

    KUNST FR ALLEEin Kunstbegriff und eine kongeniale AusstellungT E X T : A n d r e a s D l l i c k

    Kunst ist am Anfang erst einmal nichtsweiter als ein Produkt der Auseinan-

    dersetzung eines Knstlers mit einemStoff. Erst durch das Verlangen vonKunstliebhabern, Sammlern etc., dieses Produktzu besitzen, erlangt es einen materiellen Wert.Leider fhrt diese Lust am Sammeln oder sollteman besser sagen, die Gier, etwas sehr Schneszu besitzen dazu, dass groe Kunst oft nurnoch fr reiche Menschen verfgbar ist. Kunsthinter verschlossenen Safetren von betuchtenSammlern ist das Ergebnis. Erst im Novembervergangenen Jahres sorgte die Versteigerungzweier Warhol-Bilder des deutschen Casinobe-treibers Westspiel (im Besitz des Landes Nord-rhein-Westfalen!) fr groen Unmut. Die bei-den Bilder, Triple Elvis und Four Marlons,brachten bei Christies in New York zusammen

    120 Millionen Euro ein. Die WochenzeitschriftDIE ZEIT berichtete, dass 26 Museumschefsaus Nordrhein-Westfalen in einem Protestbriefvor einem Tabubruch durch die Veruerungder Bilder warnten. Es werde ein Przedenzfallgeschaffen, dem Kommunen, ffentliche Unter-nehmen und Gesellschaften in Zukunft folgenknnten. Damit wren der ffentliche und auchder Museumsbesitz nicht mehr sicher, befrch-ten sie. Was viel schlimmer wiegt: Wahrschein-lich sind diese Warhol-Bilder nun fr immer inden Untiefen privater Sammler verschwunden.So wie viele der schnsten und herausragendstenKunstwerke der Menschheit.

    Ein Grund mehr, eine Lanze fr das PrinzipKunst fr alle zu brechen. Diese Ausgabe desstrassenfeger ist ein Ergebnis der Medienpart-nerschaft mit der Akademie der Knste. Derenscheidender Prsident ist ein guter Freund undUntersttzer des w. Deshalb war schnell klar,dass Klaus Staeck uns im Boot haben wollte beiseiner wahrscheinlich letzten groen eigenenAusstellung (als Akademie-Prsident). Bezeich-nender Weise heit die Ausstellung von Multip-lem, von Grafiken und Aktionen aus der Samm-lung Staeck KUNST FR ALLE.

    Wie schreiben die Ausstellungsmacher so tref-fend in ihrem Begleittext zur Exposition: Wasder Knstler, Verleger, Zeitzeuge, SammlerKlaus Staeck hier erstmals umfassend ausstellt,entwirft ein Panorama der Kunst seit den 60er

    Jahren und der gesellschaftspolitischen Ge-schichte der Bundesrepublik. Wie eine Collagesind in direkter Zusammenschau mehr als 300Multiples und Grafiken zu sehen, darunter einigeder berhmtesten Objekte der Auflagenkunst,mit der Knstler wie Joseph Beuys, Hanne Dar-

    boven, Daniel Spoerri, Wolf Vostell und vieleandere seit den 1960er Jahren die Regeln desMarktes unterliefen. Postkarten und Plakate zupolitischen Aktionen, Rauminszenierungen undMaterial-Tableaus zu den einfallsreichen Initiati-ven der Selbstorganisation, von der anarchischausufernden Intermedia 69 ber alternativeKunstmessen bis zur 3. Bitterfelder Konferenz1992, dokumentieren die Vernderung derKunstwelt durch die Knstler selbst. sthetischberaus reichhaltig entfaltet sich, Fantasie undGedanken befreiend, die Vision einer fr allerezipierbaren, Ideen stiftenden Kunst im Dialogmit der Zeit. Das gefllt uns.

    Uns gefllt aber auch, dass die Akademieim Rahmen des VermittlungsprogrammsKUNSTWELTEN alle Besucher_innen zu den

    ffentlichen Fhrungen durch die AusstellungKUNST FR ALLE einldt. Der Hintergrundist laut Akademie folgender: Dieses Projektwidmet sich einer bis heute aktiven Bewegungvon Knstlern fr eine Demokratisierung derGesellschaft und des Kunstmarktes. Ausgangs-

    punkt sind die 1960er Jahre, in denen Knstlerihre Unabhngigkeit von vorhandenen Institu-tionen suchten und zugleich bezahlbare Kunstfr mglichst jeden produzierten. Mittel zurUmsetzung und Symbol fr diesen kultur- undgesellschaftspolitisch geprgten Ansatz war dasMultiple, ein in hherer Auflage vervielfltig-tes originres knstlerisches Werk, welches dieRegeln des Kunstbetriebs unterlief. Die Samm-lung Staeck ist eine der entscheidenden fr die-sen Aufbruch. Sie umfasst nicht nur die EditionStaeck, sondern auch Arbeiten von vergleichba-ren Initiativen und Verlegern.

    Groer Dank gilt brigens der Bundeszentralefr politische Bildung, die diese Ausstellung unddas Veranstaltungsprogramm gefrdert und da-mit ermglicht hat.

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    stras senfeger | Nr. | Mrz | KUNST FR ALLE

    INFO

    www.Kunsauomaen.com www.Kunsick.com hps://www.acebook.com/

    Kunsauoma?re=s

    hps://www.acebook.com/groups/1457633757844346/?re=s

    Kunst statt KippeDie wunderbaren Kunstautomaten des Lars KaiserI N T E R V I E W & F O T O S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    Jeder kennt sie Zigarettenautomaten. Einpaar Eurostcke rein, Kippen raus. Rauchento go sozusagen. Seit einigen Jahren gibt esAutomaten, die sehen diesen Kippenautoma-

    ten sehr hnlich, spucken aber etwas ganz Ande-res aus: Kunst! Lars Kaiser (40), Chef der Pots-damer Agentur Kunsttick hatte vor ein paarJahren die Idee, ihm bekannte Maler zu bitten, alteZigaretten-, Kondom- oder Kaugummiautomatenin Kunstwerke zu verwandeln. Die stellte er an-fangs vor allem in Kneipen auf. Dann hngte er sieauch an Hauswnde in Berlin, Potsdam, Neurup-

    pinVier Euro in den Mnzschlitz gesteckt undschon kann man eine kleine Pappschachtel vollmit Kunst ziehen. Wie gesagt, Kunst to go oderKunst fr alle. Kaiser sucht immer nach ausran-gierten Automaten, die seine Knstler dann auf-brezeln knnen. Andreas Dllick machte sich inBerlin und Neuruppin auf die Suche nach Kunst-automaten und sprach mit Lars Kaiser ber diesmarte Idee der Kunstautomaten.

    Wie kam es zu den Kunstautomaten?Lars Kaiser: Die Idee kam mir im Jahr 2000

    aus der Notwendigkeit heraus, fr Gste undKunden stndig kleinere und niedrigpreisigeKunstwerke als Mitbringsel und Geschenk vor-rtig zu haben und diese am besten 24 Stunden

    am Tag zur Verfgung stellen zu knnen.

    Wie war die erste Resonanz bei den Knstlern?Die anfngliche Resonanz war super, da es

    mit Freude verbunden war, kreativ Kunst auf die-ses Format zu bringen und zu begrenzen.

    Seit wann hngen die ersten Kunstautomaten?Wo hing der erste berhaupt?

    Die erste Testphase war im Jahr 2000 in mei-ner Galerie in der Eberswalder Strae 34, Berlin,dort hngt im Restaurant immer noch einer...

    Gibt es ein Prinzip, wo Ihr die Kunstautomatenhinhngt?

    Der jeweilige Ort sollte an Kunst interessiertsein, weitere Anforderungen bestehen nicht.Kunst berall :-)

    Woher bekommt ihr die Automaten?Von Automatenhndlern und Aufstellern.

    Ist jeder Kunstautomaten ein Unikat? Wer ge-staltet wie und warum?

    Ja, alle Automaten sind anders. Jeder Knst-ler kann einen oder mehrere selbst gestalten, sowie er Lust und Zeit hat.

    Wer sind derzeit die teilnehmenden Knstler?Es haben bis jetzt ca. 200 verschiedene

    Knstler teilgenommen und es kommen immerneue Knstler dazu. Eine kleine Auswahl an Na-men: Alfred Schmidt, Anke Hohmeister, Anne

    Gottwald, Bernd A. Chmura, Carmen Janosch,Christian Heinze, Christian Metzner, DagmarHintzmann, Dietrich Guertler, Eileen Pietsch,Erica Oekel, Frank Lindenberg, Frank Rexin,Gabriela Ribow, Georg Jarek, Gisela Neuen-hahn, Hans Karl Zeisel, Hans Pfeifer, HaraldKriesel, Heinz Dieter Wenzel, Horst Dieter Wie-senthal, Ima Patridge, Ingo Pehla, Julia Brm-sel, Katrin Ollroge, Klaus Dobler, Frank Lin-denberg, Magelie Grtner, Markus Laspeyres,Mathias Melchert, Mattheo M. Maaz, MennoVeldhuis, Olaf Hoffmann, Olaf Thiede, Patri-

    cia Vester, Peer Kriesel, Peter Schlangenbader,Sebastian Kommerell, Fabian Brckner, StefanMerkt, Wolfgang Liebert, Thomas Hirsch, Tors-ten Krone, Udo Hagedorn, Ulrike Tunandt, Ve-rena Holzhauser, Wieland Rdel...Was kann man aus den Kunstautomaten ziehenbzw. was ist drin in den kleinen weien Schach-teln?

    Alles was man sich vorstellen kann, was daso reinpassen knnte. Ich bin selber immer wie-der erstaunt, was sich die Knstler so einfallenlassen. Es hat auf jeden Fall immer wieder Bezugauf Ihre eigentlich groe Kunst.

    Gibt es schon Sammler der kleinen Schachteln?

    Ja es gibt schon einige Sammler und auchTauschbrsen. Z. B. auf Facebook die Gruppe,Ich habe Kunst am Automaten gezogen.

    Was habt ihr davon, was der Knstler?Die Knstler erhalten pro Werk einen Euro,

    sind deutschlandweit mit Ihren Namen vertretenund haben zustzliche echte ankommende Wer-bung. Wir von Kunstick haben eine zustzli-che Kommunikationsplattform.

    Rechnet sich das Ganze?Leider nicht wirklich, da die Automaten in

    den verschiedensten Stdte noch zu weit ausein-anderliegen und Steuer und Transport alles ver-

    schlingt

    Was muss man tun, wenn man einen Kunstau-tomaten aufhngen mchte?

    Einfach Anrufen oder eine Mail senden, mitIch will einen Kunstautomaten... dann gibt eseinen komplett kostenfrei.

    Wie ist die Resonanz bei denjenigen, wo Ihr dieAutomaten aufgehngt habt?

    Wir mussten noch keinen wieder abhn-gen, wenn einer bestellt wurde... Kunst ist abernicht immer schn, sollte auch Aufregen undHerzrasen verursachen.

    Wie lautet das Feedback der Knstler heute?Super, von Ja ich wurde Angerufen aus

    sonst wo in Deutschland, und sie haben sich

    bedankt, mich gezogen zu haben, bis jaaa, einKunde, der mich am Automaten gezogen hat, hatein Bild von mir gekauft...

    Gibt es den erfolgreichsten Kunstautomat, andem die meisten Schachteln gezogen werden?

    Wir messen den Erfolg an anderer Stelle.Aber ja, Automaten, die im Aueneinsatz sindund 24 Stunden am Tag zur Verfgung stehen,werden hufiger benutzt.

    Wie viele Kunstautomaten gibt es derzeit? Wohngen sie?

    Es gibt derzeit knapp ber 100 Stck in ganzDeutschland. Einen Link zur Liste mit einer Aus-wahl findet man im Anhang.

    Wenn Dir noch etwas ganz Wichtiges einflltEs ist ein freies Projekt, wo jeder Knstler

    teilnehmen kann!

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    & Eine unscheinbare Schachel und ihr bezaubernder Inhal:

    Kuns r jedermann

    Ein Kunsauoma in Neuruppin, Fischbnkensrae 3

    Lara Casor vom berryair in der Emsersr.129 lieb

    ihren Kunsauomaen

    & Man finde die Kunsauomaen im ffenlichen Raum von

    Berlin, Posdam, Neuruppin

    stras senfeger | N r. | Mrz KUNST FR ALLE |

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    Friedrichshain, Blick von der S-Bahn

    Brcke Warschauer Srae in Rich-

    ung Alexanderplaz

    Kreuzberg, bermales Mural an

    der Cuvry Brache

    Friedrichshain, Urban Spree,

    Revaler Srae 99, der rumnische

    Knsler SADDO bei der Arbei

    Friedrichshain, Simon-Dach-Srae

    Kreuzberg, Oppelnersrae / Schle-

    sisches Tor

    stras senfeger | Nr. | Mrz | KUNST FR ALLE

    Berlin eine Stadtputzt sich heraus...und liegt dabei voll im Trend.B E R I C H T : A n n a G o m e r | F O T O S : T h o m a s G r a b k a

    So wie Deutschland sich selbst feiert- wir sind wiederwer-, pflegt Berlin seinen Ruf als urbane, offene,kreative Stadt. Die Parole, Berlin sei die Europa-hauptstadt (!) der Street Art ist zum Gemeinplatz ge-worden. Die Kultur liebhabenden Touristenstrme,

    die ehemals als Vorboten der Gentrifizierung auf den Spurendes Prenzlauerberger Kunst-Undergrounds gezielt in den be-sagten Bezirk kutschiert wurden, sind selbststndiger gewor-den und haben ihre von Reisefhrern vorgegebenen Flussuferverlassen. Viele von ihnen- die jngeren- haben Fotokamerasdabei, die aber nicht wie frher frontal auf reprsentative Bau-ten gerichtet werden, sondern auch mal in die Hocke oder indie Schrge gehen, um die kleinen Kunstwerke festzuhalten,die in der ganzen Stadt an den unerwarteten Stellen der Hu-serwnde, in Eingngen, an S-Bahn- Pfeilern oft berraschendund doch erwartet auftauchen. Wie erwartet tauchen sie dann

    im Netz wieder auf, in den unzhligen Blogs und beim Face-book. Berliner Graffiti. Berliner Street Art.

    Aus Touristen sind zum Teil neue Stdtebewohner geworden.(Und das ist auch gut so, meint die Stadtverwaltung. Solangesie sich die Mieten leisten und neue Geschfte aufmachenknnen...) So wie sich einzelne Kreativagenturen in stetsaustauschbaren Neusprech-Phrasen beweihruchern, somchten sich viele (Neu)-Berliner sehen: Wir bewegen unsimmer im urbanen Kunstkontext. Ideen werden ganzheit-lich von der kreativen Ideenfindung bis zur praktischen An-wendung umgesetzt. Teilnehmende Knstler_innen werdendirekt und nachhaltig untersttzt. Unsere Arbeit sttzt sichauf ein breites internationales Knstlernetzwerk und guteKontakte in die lokale Kunstszene. So gibt sich die Agentur

    Riotarts auf ihrer Homepage, die im Rahmen des kommu-nal und privat finanzierten Projekts Wedding Walls eine

    Reihe Brandwnde von renommierten Knst-lern gestalten lie. Wie ein Mantra auf einemWerbeflyer der Bio Company nimmt sich dasaus, deren Filiale neuerdings auch in der ehe-malig verramschten Weddinger Mllerstraeerffnet hat: Saisonal Regional Global. (Ahja, Nachhaltig...doch Politiker_innen- Sprech?)

    Wie andere Metropolen profitiert Berlin vonder steigenden Anerkennung des konomischenStellenwerts von Kunst und Kultur () Kulturund Kreativitt sind ein Standort- und Wirt-schaftsfaktor von hoher Bedeutung. (Senats-verwaltung fr Stadtentwicklung, 2008)

    Dabei setzen die Senatsverwaltung und die Kre-

    ativwirtschaft auf reprsentative Groereignisse,Festivals und eben immer mehr auf groflchigeMurals, d. h. direkt auf die Auenmauern aufge-tragene Kunstwerke. Fr Berlin charakteristischeBrachen und Brandmauern, Narben des ZweitenWeltkriegs, sind dafr wie gemacht. Es stellt sichnur die Frage, warum in der neoliberalen Stadtauf der einen Seite gentrifiziert und platt gemachtwird und auf der anderen Seite Quartiersmanage-ments und private Initiativen Projekte durchfh-ren, bei welchen ein paar (Brand)wnde von be-kannten Knstlern bemalt werden. Die Tendenzzur Akzeptanz der Street Art ist nicht zu ber-sehen. Aber es ist auch zu beobachten, dass dievon der Stadt und kommerziellen Initiativen be-

    vorzugte Street Art selbst eine Tendenz aufweist.Und zwar hin zu groformatigen, von der Stadt-verwaltung oder Eigentmern besprochen ab-genickten, aufwendigen Murals. Hssliche graueWnde werden damit verschnert- wer kann dawas dagegen haben? Die Umgebung wird aufge-wertet, bekommt einen kreativen, weltoffenenTouch- Gentrifizierungsprozess kann beginnen,Mieten knnen bald erhht werden.

    Die Tags, stilisierte schemenhafte Namenskr-zel schwarzer New Yorker Jugendlicher, die dieZge Richtung reicher weier Viertel in denAchtzigern verunstalteten und am Anfang derStreet Art standen, haben nichts mit sthetischgeflligen Murals zu tun, die jetzt in Berlin ent-stehen. Dazwischen liegt eine lange Geschichteder Street Art. Anonyme Tags auf den Zgen ent-

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    stras senfeger | N r. | Mrz KUNST FR ALLE |

    stehen nach wie vor, auch in Berlin. Und werdennach wie vor in der breiten Bevlkerung als Aktedes Vandalismus betrachtet. Auch wenn sie inbestimmten Kreisen als Akte der Selbstermchti-gung und des Widerstands gelobt werden... Ver-

    spielt-vertrumte Stencils (Schablonen-Kunst-werke) und witzige Adbustings (Hinzufgungenund Vernderungen an Werbeplakaten und Schil-dern) - berall in der Stadt versteckt- sind nachwie vor Lieblinge des kunstinteressierten jungenPublikums. Doch auch sie mssen in saniertenVierteln immer wieder dem Massengeschmacknach Gltte weichen. Gewiss, Berlin ist gro ge-nug, ein Abenteuerspielplatz fr verschiedensteGeschmcker zu sein. Die Stadt bietet genugurbane Nischen, die Falten der Stadt so dasaufsehenerregende Berliner Kunstprojekt desfranzsischen Knstlers JR sind zu zahlreich.

    Die Kunstwerke, die an den Rndern der Stadt

    entstehen, wie damals Zeichnungen an den Rn-dern unserer Schulhefte aus vertrumter Lan-geweile, aus Trotz, aus Gedankenverlorenheit sind immer auch Ausdruck der Bedrfnisse,die anders nicht artikuliert werden knnen. Siesind Kommentare des Alltags, sie sind oft asso-ziativ, oft bissig-politisch, sie sprechen auch oftexplizit von Sehnsucht nach Glck. Diese klein-formatigen Kunstwerke, am Rande der Legalittentstanden, haben wenig mit Groprojekten zutun, wie beispielsweise dem aktuell laufendender Gewobag in der Blowstrae 97, die das Zielverfolgt, strukturschwache Stadtteile durch dieFrderung von Kulturprojekten aufzuwerten.Man mchte Gewobag glauben, dass mit Aus-stellungen im ffentlichen Raum, Workshopsund Events Gemeinschaft, ffentliche Teilhabeund kreativer Austausch gefrdert werden (sol-

    len). Dass dabei in der Zukunft die Mieten stei-gen, will man nicht hoffen, befrchtet man aber.

    Die Gentrifizierungsspirale und Ghettoisierungin Berlin sind eine Tatsache. Dass eine ehemalsunbotmige Verhaltensweise jetzt projektbezo-gen willkommen ist und zur Aufwertung der Be-zirke dient, kann man ebenfalls festhalten. WelcheRolle dabei die Kunst, im Speziellen Street Artspielen und wie sich das Stadtbild in diesem Pro-zess verndern wird, bleibt abzuwarten.

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    Mite, DDR Wandgemlde Auau der Republik

    von Max Lingner, ausgehr aus Meiner Porzel-

    lan. (heue Bundesfinanzminiserium , in der DDR

    ehemals Haus der Miniserien). Sei 1992 rg

    das Gebude den heuigen Namen nach Delev

    Karsen Rohwedder, dem zweien Prsidenen der

    Treuhandansal.

    Kreuzberg, Oranien- / Skalizer Sr.

    Kreuzberg, Mehringplaz

    (U-Bahnho Hallesches Tor)

    Friedrichshain, Simon-Dach-Srae

    stras senfeger | Nr. | Mrz | KUNST FR ALLE

    Ergnzung der Redaktion:Statement von BLU zu den bermalten Muralsan der Cuvrybrache: 2007 und 2008 habe ichzwei Wnde in der Cuvrystrae (mit Hilfe vonLutz, Artitude und seinen freiwilligen Helfern)bemalt. 2014, nachdem wir erfahren habe, wiesich das Umfeld whrend der nchsten Jahreverndern wird, fhlten wir, dass es an der Zeit

    ist, diese beiden Murals zu entfernen.

    Die Murals von BLU an der Cuvry-Brache inBerlin sind weltberhmt. Sie wurden schwarzbermalt die Kunst musste den Vernderun-gen im Kiez weichen. Auf der Cuvry-Brachesoll ein Wohnkomplex entstehen, einige derApartments sollten durch verglaste Wnde di-rekten Blick auf die Kunst von BLU gewhren.Das rotzfreche, avantgardistische Berlin sozu-sagen direkt vor den eigenen vier Wnden. Daswollte BLU anscheinend nicht zulassen Graf-fitis und Murals seien fr die ffentlichkeitgedacht. Der Mittelfinger wurde brigens biszuletzt stehen gelassen, eine letzte Botschaftan das neue Berlin. Jetzt ist alles schwarz undlediglich der Schriftzug Your City erinnert anBLU und seine Mitstreiter.

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    Die groe Kleinknslerin Lena Binski (Quelle: Lena Binski)

    stras senfeger | N r. | Mrz KUNST FR ALLE |

    INFO

    Elena Bolsuna gib jeden Diensag von 20 bis 22 Uhr Clownerie-Kurse r Profis und Laien im

    Acud-Theaer, Veeranensrae 21, 10119 Berlin

    www.lena-binski.de www.acud.de

    Mit Koffer, Charme

    und HumorGroe Kleinkunst: In ihrem Monodrama Die 7 Leben desFruleins B. lsst die Allroundartistin Elena Bolsuna dieWelt der Stummfilme auf der Bhne auferstehen.R E Z E N S I O N : U r s z u l a U s a k o w s k a - W o l f f

    L

    ena Binski, so der Knstlername der 1970 in Rigageborenen und in Berlin lebenden Elena Bolsuna,hat eine groe Gabe: Sie schafft es, ihr Publikumzu verzaubern, ohne dabei ein Wort zu verlieren.

    Die Mimin mit dem ausdrucksstarken Gesicht, denunglaublich groen Augen und der androgynen Silhouettemacht in ihren Solospielen, die an die Slapstickkomdien derStummfilmzeit anknpfen, eine gute Figur. In der One-Wo-man-Show Die 7 Leben des Fruleins B. fhrt Lena Binskivor, dass sie eine berzeugende und berzeugte Allroundartis-tin ist: Dramaturgin, Schauspielerin, Choreografin, Bhnen-bildnerin und Visagistin in einer Person.

    Eine Katze hat bekanntlich sieben Leben: Frulein B. auch.Die knapp einstndige visuelle Comedy, welche vor kurzemim Theater des alternativen Acud-Kunsthauses in Berlin-Mitte aufgefhrt wurde und hoffentlich bald wieder dort zusehen sein wird, erzhlt in sieben Szenen die Geschichte einesFruleins, dessen Trume sprichwrtliche Schume sind. Die-ses zarte und vom Schicksal nicht besonders gehtschelte We-

    sen ist oft nahe daran, sich auf der Reise durch das Diesseitsins Jenseits zu befrdern. So beginnt das Stck folgerichtig invlliger Dunkelheit, aus der Frulein B. pltzlich auftaucht,begleitet vom Rattern eines unsichtbaren Zuges und umge-ben von Schwaden einer Dampflokomotive. Frulein B., eineFrau mittleren Alters, die offensichtlich schon bessere Zeitenerlebt hat, ist eine melancholische, tragikomische und (selbst)ironische Figur. Sie trgt eine schwarze gestrickte Mtze miteiner beigen Stoffblume und ein schnes, aber auch schon indie Jahre gekommenes Abendkleid sowie ein zu diesem Out-fit passendes Tschchen. Eine pinkfarbene Federboa legt sichwie eine knigliche Krause um des Fruleins Hals. Es sindRequisiten, die darauf hinweisen, dass Frulein B. einst einevornehme und attraktive Dame gewesen sein muss, die in denbesten Kreisen verkehrte, verwhnt, bewundert und begehrt

    wurde. Vom einstigen Glanz ist wenig brig geblieben: einVogelkfig und ein Koffer als treue Begleiter der Fahrt zu denunerreichbar gewordenen Zielen wie Liebe und Glck. Immerwieder ertrumt, erhofft und angestrebt im Leben, doch nichtjedem Menschen auf Dauer gegeben.

    Weil das Frulein stets den Eindruck hat, das Leben liee sieim Stich, will sie ihm ein Ende bereiten. Doch glcklicher-weise kommt siebenmal etwas dazwischen, denn hier spieltdie Musik, in der schne Tne von Nino Rota aus FredericoFellinis Film 8 und der Polonaise Abschied von derHeimat von Micha Kleofas Ogiski mitklingen. Scheiternund hoffen, dass man das Scheitern irgendwann berwin-den kann, sind das Leitmotiv dieses nonverbalen Monodra-mas. Dass Tragik und Komik unsere Existenz gleichermaenprgen, zeigt Lena Binski, die eine groe Leidenschaft frClownerie hegt, denkbar einfach und mit viel Humor. IhreMimik und Gestik sind reduziert, klar und plausibel, genauso

    wie das Bhnenbild, bestehend aus einem Tisch, einem Stuhl,einem Briefkasten, dem besagten Koffer und Kfig, aus demder Vogel nicht rausfliegen kann, denn er ist nicht echt. Da-fr fallen pltzlich hunderte Seifenblasen von der Decke undbilden eine schimmernde Wand, die sich im nchsten Augen-blick in der Luft auflst. Ja, das ist ein schlssiges Bild frdas Glck: Es dauert zwar nur eine Weile, doch es lohnt sich,nach seinem vergnglichen Zauber zu streben und fr dieseeine Weile zu leben.

    Lena Binski, die in Riga Malerei und Theaterschauspiel stu-dierte, mit 24 Jahren ihre Heimat verlie, dann in Jerusalemund Berlin zur Pantomimin und Clownin ausgebildet wurde,

    leistet Groes in dem als Kleinkunst bezeichneten Genre: Sielsst in ihrer hinreienden und virtuos interpretierten visuel-len Comedy die Welt der Stummfilme auferstehen. Eine Welt,in der allein durch Gestik, Mimik, Krperhaltung und Bewe-gung ausgedrckt wurde, wie schn und hsslich, bunt undgrau, lustig und traurig, erhaben und gewhnlich, hoffnungs-voll und hoffnungslos das Leben doch ist. Das alles sagt Fru-lein B. ganz ohne Worte. Und jede(r) versteht, worum es geht.

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    URBAN NATIONStreetart vom Allerfeinsten in der BlowstraeI N T E R V I E W & F O T O S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    Strukturschwache Stadtteile durch Kul-turprojekte aufzuwerten, das ist dieAufgabe der Stiftung Berliner Leben.Das Projekt Urban Nation mit Sitz in

    der Blowstrae 97 in Schneberg sorgt dafr,dass Streetart- und Kunstaktionen in ganz Berlin

    verwirklicht werden. Seit 2013 ldt die UrbanNation in regelmigen Abstnden internati-onale Knstler und Kuratoren nach Berlin ein.Mit Ausstellungen im ffentlichen Raum, Work-shops und Events sollen Gemeinschaft, ffentli-che Teilhabe und kreativer Austausch gefrdertwerden. Kuratorin von URBAN Nation ist YashaYoung, Hendrik Jellema ist Vorstandsvorsitzen-der des stdtischen Unternehmens Gewobag, diedie Stiftung Berliner Leben betreibt. AndreasDllick sprach mit beiden ber aktuelle Streetartin der Blowstrae.

    sf: Wofr steht URBAN NATION?Yasha Young: URBAN NATION ist als Netz-

    werk, als Plattform fr Knstler, Projekte undNachbarschaft zu verstehen. Im Zentrum stehtdie Kunstform Streetart. Wir mchten Impulsefr eine lebendige, soziale Stadt setzen. Deswe-gen bieten wir internationalen, nationalen undlokalen Knstlern in Berlin die Chance, sich zuverwirklichen. Urbane Rume werden knstle-risch gestaltet und auf diese Weise positiv ver-ndert. Wir stehen fr Gemeinschaft, kreativenAustausch und Verstndigung.

    Hendrik Jellema: Ein zentrales Ziel von Ber-liner Leben, der Stiftung der Gewobag, ist es,Kunst und Kultur zu frdern. Die SchnebergerBlowstrae ist quirlig, jedoch durch einige nega-tive Umfeldfaktoren belastet. Der teilweise durchKriminalitt und Verschmutzung berschattete

    Kiez wird Dank URBAN NATION und seinenProject M/ strker in den Fokus der ffentlich-keit gerckt und kann sein nachbarschaftlichesPotenzial entfalten. Die Kunstaktion passt alsoperfekt hierher. Besonders glcklich sind wirber die vielen positiven Reaktionen aus demKiez: Die Bewohner freuen sich ber das Mehr anFarbe und Leben vor Ort und identifizieren sichso mehr mit ihrem Viertel. Die Nachbarn kom-men ber die Kunst miteinander ins Gesprch.

    Murals & Streetart in BerlinYasha Young: Kunst berhrt, macht nach-

    denklich, verndert die Wahrnehmung, faszi-niert oder provoziert. Sie verbindet Menschen

    und das auch abseits der geschlossenen Rumevon Galerien und Ateliers. So hat etwa die Ur-ban Art in den vergangenen Jahren Stdte aufder ganzen Welt erobert und ihre Straenzgeund Gebude in berdimensionale Leinwndeverwandelt. Und fr immer mehr Graffiti-Knstler, Zeichner und Schablonen-Knstlerist das Avantgarde orientiere Berlin the placeto be der stndige Wandel und die vielenFreiflchen der Stadt machen die Metropole sointeressant fr all jene, deren Wirkungssttteder ffentliche Raum ist.Was hat es mit dem Project M und speziellmit Project M/7 PERSONS OF INTERESTgenau auf sich?

    Yasha Young: Die Project M/-Serie ist einesunserer URBAN NATION-Projekte. Vier Mal im

    Jahr laden wir eine Gruppe international aner-kannter und junger Nachwuchs-Knstler ein, dieFassaden und Schaufenster des Wohn- und Ge-schftshauses in der Blowstrae 7 kreativ um-zugestalten. Das Haus hat nun gerade also zum

    siebten Mal ein neues ueres bekommen. JedesMal steht die Aktion unter einem anderen Motto dieses Mal ging es um Persons of Interest.Zwlf Streetart-Knstler aus Brooklyn erhieltenden Auftrag, eine deutsche Persnlichkeit alsHommage an Berlin zu portrtieren. Die iranisch-stmmigen Brder IcyAndSot haben die Fassadegestaltet: Zu sehen ist eine Mauerfallszene, ba-sierend auf einem Originalfoto. Die Werke deranderen Knstler sind in den Schaufenstern imErdgeschoss des Gebudes ausgestellt.Wo genau findet man die Bilder aus ProjectM/7?

    Yasha Young: Im Mittelpunkt von Project

    M/ steht immer der Viergeschosser in der B-lowstrae 7. Begleitet wird Persons of Interestvon einer Ausstellung in den Rumen des UR-BAN Nation-Office in der Blowstrae 97. Au-erdem wurden zahlreiche weitere Gebude inder gesamten Blowstrae knstlerisch gestaltetund machen den Straenzug als Art Meile undeinzigartige Freiluftgalerie erlebbar.Ein paar Worte zu den beteiligten Streetartists?

    Yasha Young: Alle zwlf Streetartists (Icy-AndSot, Dain, Gaia, Don Rimx, Swoon, Specter,Estaban del Valle, Chris Stain, Nohjcoley, Cake,El Sol 25) leben zurzeit in Brooklyn, New York.Sie sind international renommiert, ihre Werkesind an Fassaden und in Galerien berall auf derWelt zu sehen. Alle bewundern Berlins Streetart-Szene die viele Parallelen zur Brooklyner Szene

    aufweist und waren begeistert, fr diese Stadtsprayen zu drfen.Wer verbirgt sich hinter Brooklyn Street Art?

    Yasha Young: Brooklyn Street Art (BSA) ist

    ein einflussreiches New Yorker Label und ein Ur-ban Art Blog, gegrndet von Steven P. Harring-ton und Jaime Rojo. Ich hatte durch meine Ar-beit in NYC mit BSA die Idee fr den kulturellenAustausch Berlin/Brooklyn und konnte beide alsKuratoren fr Persons of Interest gewinnen.Wie lange wird es die Bilder auf den Wndender Blowstrae 97 etc. und 7 geben?

    Yasha Young: Bei Project M/ handelt es sichum ein temporres Projekt. Die Fassade sowiedie Schaufenster der Blowstrae 7 werden imJuni 2015 neu gestaltet genauso wie die Wndedes URBAN NATION-Office in der Blowstrae97. Dann werden auch wieder neue Kunstwerke

    in der gesamten Blowstrae entstehen einigebleiben aber auch erhalten.

    Ist Project M/8 schon in Planung?Yasha Young: Ja, Anfang Juni werden erneut

    Streetartists in der Blowstrae kreativ, ber dieVernissage von Project M/8 werden wir rechtzei-tig informieren. Basieren wird das nchste Projektauf der Idee der grenzenlosen und multikulturel-len Hoffnung aus Gemeinsamkeit und Commu-nity. Als Kurator wurde die renommierte Londo-ner Galerie Stolen Space eingeladen. Hier werdenunter anderem Shepard Fairey, Miss Van und D-Face erwartet. Lassen Sie sich berraschen. Bisdahin hlt URBAN NATION aber weitere ber-raschungen parat unter anderem ein Projekt mitdem auergewhnlichen Knstler Phlegm. Mehrwird aber jetzt noch nicht verraten!

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    INFO

    URBAN NATIONis ein Projek von Berliner Leben, der imJahr 2013 von der Gewobag ins Leben geruenen gemein-nzigen Sifung. Veranworlich r URBAN NATION isYasha Young, Leierin Kuns, Kulur und soziales Nezwerk.Hendrik Jellema is Vorsandsvorsizender von BerlinerLeben.

    Yasha Young: Leierin von URBAN NATIONYasha Young veranwore und leie Urban Naion, ihrekreaive Vision r lebenswere urbane Rume is derAnrieb r das Wachsum und die Weierenwicklung derProjeke. Young begann ihre Karriere als inernaionale

    Galerisin, war dann Migrnderin und Leierin der ersendeuschen inerdisziplinren Messe r junge Kuns undKulur Blooom in Kln. Als inernaional anerkanneKuraorin und Kunsexperin is Young ie in die inernai-onale Conemporary Ar Szene inegrier und involvier.

    ber Berliner LebenMi der Grndung von Berliner Leben im Jahr 2013 ber-nimm das sdische Unernehmen Gewobag Veranwor-ung r die koninuierliche und nachhalige Enwicklungin Berliner Bezirken. Im Zenrum der Sifungsarbeiseh die Frderung gleichberechiger Parizipaion undinerkulureller Inegraion. Berliner Leben rder Kuns,Kulur und Spor sowie Projeke r Kinder/Jugendlicheund Senioren. Vorsandsvorsizender is Hendrik Jellema.Weiere Inormaionen zur Sifung uner www.sifung-berlinerleben.de

    Karikaur: OL

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    Theaer von Uner Druck (Foo Archiv srasseneger)

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    Teilhabe am kulturellenLeben auch ohne Geld?Ja! Und nicht nur durch selber machenE R L E B N I S B E R I C H T : J a n M a r k o w s k y

    Kleine Tat- groe FolgenAls ich das erste Mal ein Nachtcaf be-sucht habe, da habe ich nur den Mantel

    ausgezogen. Ich war gewarnt worden,dass man dort selbst Schuhe mitgehen lassewrde. Die meisten Gste behielten ihre Schuhedeshalb wie ich auch an. Ich bin dann schnell ein-geschlafen. Am nchsten Morgen bemerkte icheinen Mann, der sich seine Sachen anzog, nichtnur Mantel und Schuhe. Zu meinem Erstaunenhatte er anscheinend nichts vermisst. Von da anhabe ich mich in Unterhose und T-Shirt auf dieIsomatte hingelegt. Und ich besuchte bald jeneNachtcafs, in denen neben Isomatte und Deckeauch Laken und Bettbezug ausgegeben wurden.Die ersten Monate von Februar bis April zog ichallein durch die Kltehilfe. Mit Ausklang derKltehilfe-Periode wurde ich von zwei Men-

    schen ohne festen Wohnsitz an einem Sonntagzum Theater Unter Druck, damals in der Nheder Volksbhne, eingeladen. Ich kam dort sattund zufrieden an. Mich hatte weder das Essennoch der Videofilm gereizt, den meine neuenKumpel unbedingt sehen mussten. Action istnicht mein Fall. An einer Tr war ein groes Pla-kat: Theater Unter Druck spielt.

    Der Stein kommt ins RollenIch wollte das sehen, hatte aber nicht einen Pfen-nig in der Tasche. Die Mitarbeiterin antwortetemir, dass ich Gabi fragen msse. Ich bin dannirgendwann in der Woche hin und habe Gabi ge-troffen. Sie sagte mir, dass das Theater UnterDruck statt Eintritt Austritt nehme. Ich habemir die Auffhrung angesehen. Es war inter-essant gewesen. Nun wollte ich als neugieriger

    Mensch wissen, wie so eine Produktion erar-beitet wird. Wenigstens eine Probe wollte ichmitmachen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe

    ich eingeladen wurde. Zuschauen ging nicht,Mitmachen war angesagt. Zwei junge Frauendes Weiterbildungslehrgangs Theaterpdago-gik der Hochschule der Knste (HdK) wolltenein Zirkusspektakel machen, und als ich dortauftauchte, wurden grade die Rollen gefunden.Jeder Akteur sollte sich eine Rolle im Zirkussuchen, dazu eine Biografie im Kopf haben undeine charakteristische Eigenschaft. Zum Schlussnoch eine typische Handbewegung. Wir sind dieganze Zeit im Kreis gegangen. Als die Probe zuEnde war, wurde uns mitgeteilt, wann wir unswieder sehen. Die Frage, ob ich wiederkomme,wurde gar nicht gestellt. So sind aus der einenProbe dann Jahre geworden, in denen ich The-

    ater mache. Jedes Mal wenn ich auf der Bhnestehe, nehme ich aktiv am Leben teil.

    Kulturelle Teilhabe als MacherDie beiden jungen Frauen hatten an der HdK imRahmen ihrer Ausbildung einige Produktionengezeigt. Natrlich an der HdK und auch woan-ders. Ich war jedes Mal dort, und ich habe das niebereut. Auch als sie ihre Ausbildung erfolgreichabgeschlossen hatten, wurde ich jedes Mal eingela-den. Ich habe die Einladungen alle angenommen.So konnte ich als mittelloser Mensch ohne festenWohnsitz viele interessante Produktionen sehen.

    Die Theatergruppe von Unter Druckwurde zu Festivals eingeladen, einmal auch insehemalige Gaswerk Prenzlauer Berg. Es warenviele Schlertheatergruppen dort und ich habeerfahren, dass andere Truppen mit den gleichen

    Methoden arbeiten und viele Gruppen vom Blattspielen. Das zweite Treffen war interessanter.Es war im FEZ in der Wuhlheide. Wir sind dort

    aufgetreten und gezielt angesprochen worden.Es waren Theatermacher der Schaubhne, dieuns zuerst ber den grnen Klee loben mussten,ehe einige kritische Anmerkungen kamen. Zu-letzt wurde uns Untersttzung und Kooperationangeboten. Das ist aber nicht zustande gekom-men. Es war ein interessanter Abend, und ichbin die Nacht erst weit nach Mitternacht in demNachtcaf in Neuklln angekommen. Als ichnoch einen freien Schlafplatz finden konnte, warich rundum zufrieden.

    Mein Engagement hat sich im Laufe derZeit herumgesprochen, und so konnte ich weiterinteressante Bhnenproduktionen sehen. Hhe-punkt war der Besuch einer Erzhltheaterauffh-

    rung im Theaterprobenhaus am Koppenplatz.Die Institution ist umgezogen und heit jetztTheaterhaus Mitte. Im Haus am Koppenplatzboten zwei Dozentinnen der HdK Erzhltheateran. Es wurde Eintritt verlangt, ich hatte aber keinGeld in der Tasche. Kollegenkarte wurde mirgesagt, und ich wurde eingelassen.

    Und sonst?Berlin bietet einige Mglichkeiten, Theater zubesuchen, bei denen nach der Auffhrung Spen-den gesammelt werden. Wer nix hat, muss nichtspenden. Klar. Bestimmte Wohnungslosentages-sttten erhalten Karten fr die Lange Nacht derMuseen. Die Mitarbeiter wollen sicher gehen,dass die Nutzer auch das Angebot annehmen. Ichhabe dank dieses Sponsorings in den vielen Jah-ren viele Museen entdecken knnen.

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    Der Auor Dele Fliser is auch ein kleiner Knsler, hier

    mi seiner Sammlung von Lederjacken

    (Quelle: Archiv srasseneger)

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    Kunst ist fr alle da!ber die Ausstellungsmglichkeiten unbekannter KnstlerB E T R A C H T U N G : D e t l e f F l i s t e r

    Unbekannte Knstler in Deutschlandhaben es schwer, ihre Werke einergroen ffentlichkeit zu prsentieren.Die groen Galerien stehen eigentlich

    nur fr die Knstler bereit, die schon die Gunstder Kuratoren erobert haben. Im Vergleich zuder Zahl der existierenden Knstler ist dies nureine privilegierte Gruppe, die sich in Einverneh-men mit den Verantwortlichen die Pltze auftei-len. Bei unbekannten Knstlern liegt die Mg-lichkeit, zu dieser Elite zu gehren, nahezu bei

    Null. Leider hngt die Aufnahme in diese Eliteauch nicht unbedingt immer vom Talent desKnstlers ab, sondern viel eher von Beziehun-gen, auch genannt Vitamin B. Man muss dieSympathie gewisser Gunstgurus erringen, die esfr lohnenswert halten, die Werke des Knstlerszu zeigen. Als no-name-Knstler bleiben danneigentlich nur noch kleine Alternativgalerien, inder man nicht die breite ffentlichkeit erreichtund die oft nur einer kleinen Minderheit vonKunstinteressierten bekannt sind.

    Interessant ist ein Angebot in der Psychiatrie desEvangelischen Krankenhaus Knigin ElisabethHerzberge (KEH) in Berlin, in der Ergotherapiemehr ist als nur Therapie. Knstler, die als beson-

    ders begabt gelten, werden von den Therapeutengefrdert. Auf dem Gelnde des KEH gibt esdas sogenannte Kesselhaus, in dem Knstlersich in einer Ausstellung prsentieren knnen.Die Ausstellungstermine werden in der ffent-lichkeit bekanntgegeben und erreichen dadurchzumindest einen Teil der Bevlkerung, die sichgeistig behinderten oder psychisch-krankenMenschen gegenber tolerant zeigen. Das stelltfr diese Menschen ein Erfolgserlebnis dar undmotiviert sie, weiterhin knstlerisch ttig zusein. In den Vernissagen und Finissagen kommtder Knstler mit seinem Publikum in Kontaktund kann mit den Leuten ber seine Kunst spre-chen. Auch Autoren und anderen Knstlern wird

    die Mglichkeit geboten, Veranstaltungen in dendortigen Rumen zu machen und sich in einerNische festzusetzen.

    Das KEH veranstaltet hufig auch Workshopsfr knstlerisch begabte Menschen. Vor zweiJahren nahm ich an einem der Workshops teil,der den Austausch mit einer behinderten Knst-lergruppe aus Bielefeld ermglichte. In einemschnen Therapiegarten konnte unter Anleitungeiner Knstlerin eine Woche lang bis in den sp-ten Nachmittag gemalt werden. In der Knstler-gruppe entstand eine hervorragend inspirierendeStimmung in einer hervorragenden Atmosphre,die die Zeit und Mue brachte, in aller Ruheknstlerisch zu arbeiten. Die Ideen flogen mirnur so zu, und die Teilnehmer inspirierten sichgegenseitig in einem sich entwickelnden Prozess.

    Es gelangen Bilder, die ich in dieser Qualitt niefr mglich gehalten habe. Die Ergebnisse wur-den am Ende des Workshops im Kesselhausals Ausstellung prsentiert. Die Kunstwerke ausMalerei und Bildhauerei, gingen ein Jahr langin eine Wanderausstellung und wurden von ei-nem relativ groen Publikum gesehen. Es gabauch einen kleinen Ausstellungskatalog, der dieKnstler vorstellte und ihre Werke zeigte. Jederbeteiligte Knstler hatte dort die Mglichkeit,ein paar Worte zu seinen Werken zu verffentli-chen. Hier wurde das Motto: Kunst ist fr alleda! realisiert.

    Solche Frderung ist leider eine rhmlicheAusnahme. Der Aufbau einer gut organisiertenSzene vielleicht von einem dafr organisiertenVerein fr Knstler ohne ffentlichkeit wrewnschenswert. Man knnte dann Darstellungs-mglichkeiten fr Knstler aller Art schaffen, diedann ebenfalls die Mglichkeit htten, eine gr-ere ffentlichkeit zu erreichen. Auf diese Weisewrde Bewegung in die Kunstszene kommen,und neue, junge oder auch ltere Knstler wr-den eine faire Chance bekommen. Dies wrdesicherlich auch neue Impulse fr die Kunstszenebringen. Man knnte die Macht der Knstlergu-rus brechen und die ffentlichkeit auch fr un-bekannte Knstler ffnen. Es wrde das Mottogelten: Kunst ist fr alle da! Und es knnte ge-zeigt werden, dass nicht nur studierte Knstlerqualitativ gute Kunst erarbeiten knnen.

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    Kunst oder KitschGibt es da einen Unterschied?B E T R A C H T U N G : A s t r i d

    Wenn irgendwo auf der Welt malwieder ein Gemlde von einemberhmten Knstler fr Millionenversteigert wird, sind sich alle ei-

    nig: Das ist Kunst! Aber nur diese Gemlde oderauch Bilder oder Skizzen von Straenmalern?Sind diese keine Kunst, nur Kitsch? Glaube ichnicht, da diese Knstler ihre Werke auch als Kunstansehen. Und ich mich bei manchen modernenBildern frage, was diese berhaupt sein sollen.Ein grner Punkt mitten auf der Leinwand mit

    dem Titel Sonnenuntergang kommt mir nichtgerade wie Kunst vor. Eher wundere ich mich,wann die Sonne das letzte Mal grn unterging.Oder moderne Bilder, wo ich mich frage: Hngendie auch richtig rum? Ist das Kunst oder Kitsch?

    Fangen wir doch mal an Kitsch zu definieren.Laut vielen Quellen ist das eigentlich unmglich,da niemand genau wei, wo das Wort seinen Ur-sprung hat. Es gibt ein mundlautliches Wort, einEnglisches, und auch im Jiddischen taucht die-ses Wort auf. Aber seltsamerweise sind sich dadie Experten einig: Kitsch ist im weitesten Sinneetwas, das falsch ist. Ich bin verwirrt. Nehmenwir mal, was manche momentan als Kitsch be-zeichnen. Heino als Rockstar! Kitsch oder Ge-

    schmacksverirrung, entscheiden Sie selbst, liebeLeser_innen. Fragen Sie nicht mich, ich mochteihn schon vorher nicht. Oder die Boulevard-presse, die nur ber Prominente und deren Pro-blemchen tratscht, auch das knnte man Kitschnennen. So wie die hunderte von Nachdruckenberhmter Kunstwerke, damit auch jeder sichdie an die Wand hngen kann. Gut, die Originaleknnen sich die meisten von uns nicht leisten.

    Eine antike Statue bezeichnen wir wiederum alsKunst, den Gartenzwerg im Vorgarten dagegenals Kitsch. Sein Besitzer findet das allerdings oftnicht. Ganz beliebtes Thema hier in Berlin: Graf-fiti. Nur seinen Namen an eine Huserwand zu

    schmieren, das gehrt fr mich eher zum Kitsch.Manche Graffitis sind wunderschn und fr michKunstwerke, auch wenn sie Bahnen oder Huservielleicht verschandeln. Und weil wir geradebei Malern sind, die massenhaft auftretendenMadonnenbilder der Hochrenaissance von vie-len italienischen Knstlern sind fr mich reinsterKitsch. Jesus hatte noch Geschwister, und so warMaria Hausfrau und sah bestimmt nicht so aus,wenn sie ihrer Arbeit nachging. Oha, ob michjetzt die Katholiken oder die Kirche nicht mehrmgen? Egal, die Decke der Sixtinischen Kapelledagegen ist fr mich ein herausragendes Kunst-werk, das Michelangelo uns hinterlassen hat.

    Aha, werden nun viele sagen, sie mag nur die al-ten Knstler. Stimmt so nicht ganz, natrlich sindLeonardo da Vinci, Monet, Van Gogh und andere

    berhmter, aber auch Picasso, der im letzten Jahrhundert lebte.Und Picasso hat auch Bilder hinterlassen, die vielen heute nochunter moderne Kunst laufenden Bildern hneln. Man erinneresich an Guernica, eins seiner berhmtesten Bilder. Modern,aber fr mich Kunst, kein Kitsch oder unerkennbar.

    Wandere ich am Wochenende mal ber die Flohmrkte, finde

    ich ab und zu einige hervorragende Beispiele fr Kitsch. Invielen guten Stuben hing im letzten Jahrhundert entweder einBild eines rhrenden Hirsches, die Kapelle am Wrthersee,verschiedene berhmte Gebude aus Stdten oder gar ein Bildvom Schwarzwald. Ja, diese riesigen Schinken die unsere El-tern oder Groeltern an der Wand hatten. Auf dem Flohmarktfindet man die ab und zu noch, und ich schttele mich, grau-selig. Fr mich der reinste Kitsch, andere finden die wiederumtoll und kaufen sie. Ich frage mich dann immer: Haben sie dieseBilder nicht von ihren Eltern geerbt? Oder haben die Elterndie irgendwann mal entsorgt? Na ja, Geschmcker sind ja be-kanntlich halt verschieden. Also, was dem einen seine Kunst,ist dem anderen nur Kitsch oder andersrum. Da werden wirwohl nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Was mirgefllt, finden andere hsslich oder kitschig, und das ist gutso. Oder es wrden alle gleich aussehen, da uns nichts mehrunterscheiden wrde. Und der Unterschied macht Kunst erstzu dem, was sie ist. Kunst halt und kein Kitsch.

    Oben links: Gardengnome ace (Quelle: Lizenzier uner CC BY-SA 3.0 ber Wikimedia Commons)

    Oben rechs: Manekineko1003 (Quelle: Lizenzier uner Gemeinrei ber Wikimedia Commons)

    Unen: Mural del Gernika von Papamanila - Eigenes Werk. (Quelle: Lizenzier uner CC BY-SA 3.0 ber Wikimedia Commons)

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    srasseneger-Verkuer Robero miKlaus Saeck

    Schon bei der Erffnung groes

    Ineresse des Publikums

    Expona von Joseph Beuys

    Anregende Plakakuns

    Aussellungsplakae zum Mineh-

    men

    Der Titel hlt, was er

    verspricht: Diese Kunstist wirklich fr alleUnter groer Publikumsbeteiligung wurde am 17. Mrz in der Akademie der Knstein Berlin-Tiergarten die Ausstellung Kunst fr alle erffnet, in der, zum ersten Malin diesem Umfang, ein beachtlicher Teil der Sammlung Staeck gezeigt wird.B E R I C H T : U r s z u l a U s a k o w s k a - W o l f f | F O T O S : T h o m a s G r a b k a

    Einen solchen Andrang hat die Akademie schonlange nicht erlebt: Eine halbe Stunde vor der Aus-stellungserffnung platzte der groe Saal aus allenNhten, denn ber 600 Menschen waren gekom-men, um an der Erffnungsfeier teilzunehmen.

    Kein Wunder, denn es stand ein besonderes Ereignis bevor:Am Ende seiner Prsidentschaft, die nach drei AmtszeitenMitte des Jahres ausluft, schenkte Klaus Staeck den Berli-nern eine Ausstellung, wie sie in dieser Hlle und Flle imHaus am Hanseatenweg 10 noch nie zu sehen war. Die Erff-nungszeremonie dauerte fast anderthalb Stunden, in denender Knstler, Verleger, Sammler und Prsident, der am lngs-ten in der Nachkriegsgeschichte der Akademie dieses Amt be-kleidete, von drei Rednern gewrdigt wurde. Hermann Par-zinger, auch er Prsident, nmlich der Stiftung Preuischer

    Kulturbesitz, unterstrich, dass Klaus Staeck die Akademie ineinem bisher nie gekannten Ausma der ffentlichkeit zu-gnglich gemacht hat, der Kunsthistoriker Horst Bredekamplegte in einer multimedialen Prsentation nahe, dass KlausStaeck eine prgende Rolle in der Entwicklung und Wahr-nehmung der Kunst der letzten 50 Jahre gespielt und Kunst-geschichte geschrieben hat, der Schauspieler, Regisseur undMaler Achim Freyer steuerte mit seinem lautmalerischen Ge-dicht ber Kunst fr alle zur allgemeinen Heiterkeit bei.Am Ende dieser langen, aber kurzweiligen und entspanntenZeremonie ergriff Klaus Staeck das Wort. Mit dem fr ihn ty-pischen Humor und der erfrischenden Selbstironie sagte er, ersei ein protestantischer Preue und ein exaltierter Stoiker,der immer mit drei Beinen fest im Leben stand, Mut zumRisiko hatte, fr den ffentlichen Raum kmpfte, und es ihm

    deshalb besonders wichtig war, dass der strassenfegernichtnur Medienpartner seiner Ausstellung wird, sondern dass diestrassenfeger-Verkufer die Zeitung in und nicht nur vor derAkademie verkaufen drfen. Er forderte die Versammeltendazu auf, den strassenfeger zu kaufen. Wenn ich mich imSaal so umsehe, habe ich den Eindruck, dass es den Leutennicht schwer fallen wird, 1,50 Euro fr eine Zeitung zu be-zahlen. Es ist eine harte Arbeit, die die Verkufer machen.Die muss gebhrend gewrdigt werden, sagte Klaus Staeck.

    H i s t o r i s c h u n d s e h r a k t u e l lDass das Lob, mit dem Klaus Staeck in der Erffnungsfeierberschttet wurde, gerechtfertigt ist, zeigt die AusstellungKunst fr alle in aller Ausfhrlichkeit, ohne erdrckend,berladen oder heroisierend zu wirken. Es ist eine beeindru-ckende Schau, in der ersichtlich wird, dass der Knstler, Ver-leger und Sammler immer ein gutes Gespr fr Zeitfragenhatte und hufig seiner Zeit voraus war. Er trat von Anfang an

    fr eine Kunst ein, die nicht im Saale stattfin-det, wollte sie aus dem Elfenbeinturm befreienund auf die Strae, in die ffentlichkeit, also zuden Menschen fhren. Die Kunst sollte sie dazu

    bewegen, selbst kreativ zu werden und sich per-snlich daran beteiligen, dass die gesellschaft-lichen und politischen Verhltnisse verbessertoder verndert werden, statt nur ber Politik zuschimpfen und zu jammern. Dabei wirkte KlausStaeck programmatisch nie allein: Bereits An-fang der 1960er Jahre holte er andere Knstlermit ins Boot, die er dafr gewinnen konnte, frseine Edition Tangente in Heidelberg Multiples,also Auflagenobjekte, die jedoch den Charaktereines Originals haben, zu fertigen, damit sie sichsehr viele Menschen fr sehr wenig Geld leistenknnen. Die Ausstellung zeigt auch die unglaub-liche Vielfalt von Klaus Staeck, der als Knstlerund Aktionsknstler tatschlich die Geschichteder alten und neuen Bundesrepublik geprgthat, sei es mit seinen Plakaten, von denen vielenoch heute an Aktualitt nichts verloren

    INFO

    Die Aussellung wird von zahlrei-chen Veransalungen und einemVermitlungsprogramm r Kinderund Jugendliche begleie.

    www.adk.de

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    haben, sei es mit seinen Aktionen und In-terventionen, die sich gegen den Kunstmarkt, dieUmweltzerstrung und die Macht der Medien-konzerne richteten und stets fr eine lebendigeDemokratie pldierten. Die Ausstellung Kunstfr alle mit ber 800 Exponaten auf 1 500 Qua-dratmetern ist eine historische Schau, die auch

    eine groe Bedeutung fr die Gegenwart hat: Siefhrt berzeugend vor, dass es sich lohnt, anderedafr zu motivieren, die Gesellschaft zu vern-dern, denn nur im Team ist es mglich, solcheVernderungen in Gang zu setzten. Und die Ge-sellschaft muss durch die Kunst, ein Spiegelbildund Seismograph der Gesellschaft, immer wie-der daran erinnert werden, dass die Demokratienicht ein fr alle Mal gegeben sein muss. Heute,wo sich, so Klaus Staeck, die Spieigkeit breitmacht, ist das Engagement fr eine lebendigeDemokratie mehr denn je gefragt.

    C h a r i s m a t i s c h e r K o m m u n i k a to rKunst fr alle in zwei Slen der Akademie der

    Knste am Hanseatenweg ermglicht einen um-fassenden Einblick in all das, was Klaus Staeckseit einem halben Jahrhundert unternommen,initiiert und geleistet hat, damit die Demo-kratie vor Langeweile nicht erstickt. Sie zeigtihn als einen charismatischen Kommunikator,Organisator und kulturpolitischen Aktivisten,der immer die passenden Worte und die rich-tige Form fand, um seine Botschaften, von de-nen er glaubte und immer noch glaubt, dass sie

    die Welt verndern knnen, zu verbreiten undunter die Leute zu bringen. Es ist zwar nichtdie ganze Sammlung Staeck, die gegenwrtig inder AdK in Berlin-Tiergarten besichtigt werdenkann, denn sie zhlt ber fnftausend Objekteund wird in einem Lager in Heidelberg aufbe-wahrt, doch Kunst fr alle ermglicht einen

    tiefen Einblick in Klaus Staecks Leben, das mitder Kunst auf eine einzigartige und symbioti-sche Art verbunden ist. Durch die Ausstellungs-architektur von Sabine Schmaus, einer Meis-terin ihres Fachs, wirkt die Schau luftig undtransparent, halt so, wie eine Kunst, die fr allegemacht und an alle gerichtet ist, auszusehenhat. So ist es nicht berraschend, dass nach derBesichtigung alle glcklich waren. Klaus Staeckfreute sich ber das groe Interesse an seinemLebenswerk und wurde nicht mde, hundertevon Ausstellungsplakaten zu signieren. DieAusstellung ist ja unverkennbar ein historischesEreignis, also wollte jede(r) ein Autogramm desKnstlers und scheidenden Prsidenten haben.

    Auch unsere Verkufer Ulla und Roberto warensehr zufrieden. Zum einen, weil sie den stras-senfegerin der Akademie gut verkaufen konn-ten und Klaus Staeck sich mit ihnen gern foto-grafieren lie. Zum anderen meinten sie, nochnie so viele sympathische Menschen, die ausallen Altersschichten stammen, an einem Ortund an einem Abend gesehen zu haben, von de-nen sie auf Anhieb akzeptiert und mit Respektbehandelt wurden.

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    stras senfeger | N r. | Mrz TAUFRISCH & ANGESAGT | B r e n n p u n k t

    Suppe und Notbett?Kleiner Exkurs ber Zahlen der Berliner KltehilfeK O M M E N T A R : J a n M a r k o w s k y

    Im Februar 2015 haben 14 Nachtcafs nachAngaben des Kltehilfetelefons 2 230 ber-nachtungsmglichkeiten geboten. 2 214bernachtungsmglichkeiten wurden ge-

    nutzt. Die 15 Notbernachtungen boten laut Er-hebung des Kltehilfetelefons insgesamt 13 608bernachtungsmglichkeiten, die 15 362 Malnachgefragt wurden. Ein Nachtcaf in Reini-ckendorf fiel mit einer Auslastung von etwa 50Prozent aus dem Rahmen. Es hat in dieser Saisonerffnet und ist relativ schlecht mit den ffentli-

    chen Verkehrsmitteln erreichbar. Ansonsten wa-ren wenige freie Pltze vorhanden. Das trotz desmilden Winters.

    Viele Nachtcafs haben nur einen Tag in derWoche geffnet. Sie sind ber das Stadtgebietverteilt. Es sind in der Regel kleine Einrichtun-gen, die zum groen Teil ber Zuwendung desjeweiligen Bezirks finanziert werden. Die Kapa-zitt schwankt zwischen 46 Pltzen am Sonntagund 126 Pltzen am Montag und am Donners-tag. Fr mobile Menschen ohne eigene Wohnungwird es am Sonntag eng. Viele Menschen, die aufder Strae leben, organisieren ihr berlebenim Kiez. Sie nutzen in der Regel ein Nachtcafeinmal die Woche. Aber lngst nicht alle. DieBerliner Kltehilfe bot im Februar 486 Pltze

    in Notbernachtungen an und durchschnittlich80 Pltze in den Nachtcafs. Der Berliner Senathat keine Erhebungen der Anzahl der auf derStrae lebenden Menschen veranlasst. Es wurdevon 600 bis 1 000 Menschen, die auf der Straeleben, ausgegangen. Die Berliner Stadtmissionhat in der letzten Saison fr ihre Einrichtungeneine Erhebung durchgefhrt und hat in einerSaison 2 300 verschiedene Besucher gezhlt. AufGrundlage dieser Erhebung hat die Direktorindes Diakonischen Werkes Berlin BrandenburgSchlesische Oberlausitz Barbara Eschen auf derPressekonferenz zu Beginn der Kltehilfe dieSchtzzahlen deutlich nach oben korrigiert. DieBerliner Stadtmission spricht von 4 000 Men-

    schen, die in Berlin auf der Strae leben. Feststeht, nur ein Teil nutzt die Angebote der Berli-ner Kltehilfe.

    Der Leiter einer Notbernachtung, derbeim Runden Tisch teilgenommen hatte, ausdem die AG Leben mit Obdachlosen entstan-den ist, hat von einer alten Vision berichtet: Injedem Kiez an jedem Tag ein Angebot fr die Ob-dachlosen im Winter. Davon sind wir nach wievor weit entfernt.

    G r o e u n d k l e i n e E i n r i c h t u n g e n

    Die drei groen Notbernachtungen LehrterStrae, Innsbrucker Platz und Franklinstrae bie-ten 48,9 Prozent der Notschlafplatzkapazitt derBerliner Kltehilfe. Die Kltehilfe wurde in Ber-lin ins Leben gerufen, um Menschen, die auf der

    Strae leben mssen, vor dem Kltetod zu schtzen.Ich bin aber von alkoholkranken lteren Mnnern, die

    jahrelang im Winter die Notbernachtung Lehrter Strae auf-suchen nach Alternativen zu dieser Einrichtung gefragt wor-den. Fr Menschen ohne Wohnung, die sich an Brennpunkten

    an der Stadtbahn aufhielten, war die Lehrter Strae gut zuerreichen. Die Einrichtung wird jetzt von jungen vitalen woh-nungslosen Menschen aus Europa aufgesucht. Sich gegen dieim Streitfall durchzusetzen ist fr kranke alkoholkranke Mn-ner zu viel. Die bleiben lieber fern. In einer bersichtlichenEinrichtung kann leichter eingegriffen werden.

    In einer kleinen Einrichtung entsteht schneller eine Ge-meinschaft, in groen Einrichtungen bestimmen grereGruppen schneller das Klima. In kleinen Einrichtungen kn-nen die Mitarbeiter ihre Gste leichter kennen lernen und Be-ziehungen zu ihnen aufbauen.

    b e r l e b e n s i c h e r n o d e r Te i l h a b ea m g e s e l l s c h a f t l i c h e n L e b e n

    Die groen Notbernachtungen der Berliner Stadtmission si-chern das berleben vieler auf der Strae lebender Menschen.Ich habe bei Unter Druck erfahren, wie viele Talente in denwohnungslosen Menschen stecken. Es ist auch, aber nicht nur,das Theater. Talente knnen sich nur beim Machen entfal-ten. Suppe und Notbett reichen nicht. Dem Zerfall der Ge-sellschaft mit den damit verbundenen drohenden Gefahrenfr das Zusammenleben kann nur begegnet werden, wenn dieauf der Strae lebenden Menschen als das angesehen werden,was sie sind: Menschen, die essen, schlafen, trinken, kurzumleben. Dafr brauchen sie ihren Platz. Der Politikwissen-schaftler Ernst Ullrich Huster hat auf der 2. Armutskonferenzgefordert, nehmt die Armen in die Mitte. Er hatte beklagt,dass fr das Seelenheil Gemeinde und Pfarrer zustndig sindund fr die materielle Not die Diakonie. Das war zu Beginnder Kltehilfe ganz anders. Zu wnschen ist auch, dass Ge-meinden und Pfarrer den Wert der Arbeit fr Wohnungslosewieder entdecken. Deshalb back to the roots.

    In der sehr beleben Hardenbergsrae am Bahnho Zoo wohnen zwei obdachlose

    Menschen. Schlimme Berliner Zusnde! (Foo: Andreas Dllick VG Bild-Kuns)

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    stras senfeger | Nr. | Mrz | TAUFRISCH & ANGESAGT B r e n n p u n k t

    INFO & SPENDEN

    hp://www.onewarmwiner.org/

    ONE WARM WINTERDas Leben ist kein U-BahnhofB E R I C H T : A n d r e a s D l l i c k & S v e n j a v o n D o j o | F O T O S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    Am 5. Mrz haben wir im Rah-men der SpendenkampagneONE WARM WINTER DasLeben ist kein U-Bahnhof wie-

    der einmal vor der Bahnhofsmission ge-spendete Kleidung an obdachlose Men-schen ausgegeben. Was gab es? WarmeUnterwsche, Jacken, Hemden und vielesandere mehr. Zweieinhalb Stunden langhaben wir alles weggegeben, was wir

    mitthatten. Mit dabei war das engagierteTeam von WEBER GRILL. Bei immernoch frostigen Temperaturen wurdenleckere Rostbratwrste gegrillt hat. Diebeiden Jungs am Grill legten sich echt insZeug und wrmten die Mgen und dieHerzen der Gste. Mglich wurde dasGanze durch die smarte Spendenkam-pagne der Kreuzberger WerbeagenturDojo und des strassenfeger. Feiern frden guten Zweck lautete das Motto derBenfizparty am 20. Februar im BiNuuam Schlesischen Tor. Mehr als 500 enga-gierte junge Menschen waren gekommen,um abzufeiern und sich fr obdachloseMenschen zu engagieren. Sie gaben ihrEintrittsgeld und spendeten warme Win-terkleidung fr die Kampagne.

    Teil 2 der Kleiderausgabe soll am 29. Mrzerfolgen. Dann endet die Saison der Ber-liner Kltehilfe, viele Einrichtungen derObdachlosenhilfe mssen dann schlieen,weil es kein Geld mehr fr sie gibt. Kaltist es dann aber immer noch, vor allemnachts, Deshalb werden warme Sachennach wie vor gebraucht. Und selbst imFrhjahr oder Sommer brauchen obdach-lose Menschen unserer aller Hilfe! Fr die

    Kampagne haben in diesem Jahr folgendePromis ihr Gesicht hingehalten: PalinaRojinski, Olli Schulz, Alligatoah, Visa Vie,Mark Forster, Lary, Olson, Mortis, Harris,Balbina und natrlich Mc Fitti. Mit imBoot sind auch WEBER GRILL, Adi-das, FOUR, Bettenriese und Styleheads.

    Schwer nachgerag

    waren die leckeren Wrse

    von Weber Grill

    Mehrere Karons gespende-

    er Oberhemden, warmer

    Unerwsche gingen

    schnell weg

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    srasseneger | Nr. | Mrz TAUFRISCH & ANGESAGT | s t r a s s e n f e g e r r a d i o

    INFO

    strass enfe ger R adio

    Mitwochs 17 18 Uhrau 88vier - kreai-ves Radio r Berlin

    UKW-Frequenzen

    88,4 MHz (Berlin),90,7 MHz (Posdam &

    Teile Brandenburgs)

    strassenfeger radio

    im Daten-RauschTglich wechseln ungewollt sensible Daten auf mobilenDatentrgern ungefiltert den BesitzerB E R I C H T : G u i d o F a h r e n d h o l z

    Erinnern mag sich noch so mancher andie Zeiten, in denen der Schuhkartonmit den Familienfotos auf den Tischgestellt und einzelne ausgewhlte Ex-

    emplare davon liebevoll in ein Buch geklebt und

    beschriftet wurden. Wann aus diesen ganz pri-vaten, dokumentierten Momenten ein begrenztffentlicher wurde, das bestimmten die Haus-herren. Der Kreis der Betrachter war limitiert.Das Fotobuch unserer Zeit nennt sich digitalerBilderrahmen oder PC-Diashow. Die Projekti-onsflchen befinden sich sowohl privat auf demheimischen Computer, aber eben auch in Com-munities des World Wide Web. Glaubt man derPolitik, ist der kaum noch kontrollierbare u-ere Zugriff auf den digitalen Datenverkehr undsomit persnliche Dokumente zur alltglichenNotwendigkeit verkommen. Nichts scheint sounsinnig wie die neu entbrannte Diskussion bereine geplante Vorratsdatenspeicherung, denn dieist lngst Realitt. Aber nicht nur Strafverfol-

    gungsbehrden bedienen sich dieses Mittels. DasDatensammeln, Auswerten und der Verkauf vonrelevanten Erkenntnissen daraus ist Usus, unseraller Preis fr die schne neue globalisierte Welt.

    M a n m u s s s i c h e i n e n D a t e n s p e i c h e rv o r s t e l l e n w i e e i n B u c h Trgerisch sicher fhlt sich oftmals jener, der esvermeidet, dem Hang einer solchen Offenbarungnachzugeben. Bilder, Textdokumente, Audiofilesbleiben auf der heimischen Festplatte. Zur ber-tragung werden mobile Speichermedien verwen-det, diese auf die alt bewhrte Methode per pedesvon A nach B transportiert. Bis dahin scheint dieLogik auch noch aufzugehen. Aber viele dieser

    digitalen Datentrger wechseln auf unterschied-lichsten Wegen den Besitzer oder verschwindenganz. Verschiedene Studien belegen, wie sorgloswir dann doch wieder mit den darauf enthaltenenDaten umgehen. Dazu Olaf Kehrer, Geschfts-fhrer von O&O Software, live im strassenfegerradio: Der Hauptgrund ist Unwissenheit. DieNutzer wissen oftmals gar nicht, wie, warum undwelche Daten auf einem Datentrger verbleiben,wenn sie diesen gebraucht weiter geben. Mansollte meinen, es wre inzwischen allgemein be-kannt, dass das Lschen einer Festplatte keines-falls alle Daten lckenlos beseitigt. Was dagegentatschlich geschieht, beschreibt Olaf Kehrer so:Man muss sich einen Datenspeicher vorstellenwie ein Buch. Wenn ich beispielsweise einenFestplatte formatiere, wird eigentlich nur dieSeite mit dem Inhaltsverzeichnis herausgerissen.

    Der Inhalt selbst, die Kapitel sozusagen, bleiben bestehen.Ergo mit einer entsprechenden Recovery-Software sind dieseDaten fast immer rekonstruierbar.

    D e u t s c h l a n d D e i n e D a t e n

    Wie gravierend diese Sorglosigkeit um sich greift, belegen dieZahlen der gleichnamigen Studie. Dafr wurden beginnendim Jahr 2004 in regelmigen Abstnden gebrauchte Daten-trger kuflich erworben und auf Inhalte geprft. Konkretenthielten bei der letzten Untersuchung von 160 gebrauchtenDatentrgern 137 und damit 85 Prozent noch Daten. Ein Da-tentrger war physikalisch defekt. Fr die Wiederherstellungwurde ausschlielich frei erhltliche und handelsbliche Soft-ware verwendet, die von jedem PC-Anwender problemlos ge-nutzt werden kann. Insgesamt konnten ca. 53 000 Fotos undneben anderen, etwa 4 500 Dateien in Microsoft Word undExcel nachgewiesen werden. Sollten allein die Zahlen nochnicht erschreckend genug sein, die Vielfalt der Inhalte lssteinem die Nackenhaare aufstellen. Unter vielen sehr privatenFotos fanden sich beispielsweise auch Zugangsdaten fr On-

    linekonten, Lebenslufe, Briefverkehr mit Arbeitgebern usw.

    D e r H a m m e r d a s M i t t e l d e r W a h lDie meisten schtzen ihre PCs und heimischen Netzwerkemit allen erdenklichen Mitteln gegen Zugriffe von auen.Scheinbar unwissend aber geben wir persnliche Nach-weise unserer digitalen Existenz ungefiltert aus der Hand.Nur welche Mglichkeiten stehen denn Otto-Normal-Usernun eigentlich tatschlich zur Datenlschung zur Verf-gung? Dazu nochmal Olaf Kehrer: Es gibt eigentlich nurzwei sichere Mglichkeiten! Man kann den Datentrgerphysikalisch zerstren, also richtig kaputt hauen. Dann sinddie meisten Daten wahrscheinlich weg. Als zweite Variantekann und sollte man Datentrger einfach nicht weiter ge-ben! Wenn man nicht die Mglichkeit hat, zum Lschen derDaten eine teure und sehr spezielle Software zu verwenden,wird man mit dem Kauf eines Datentrgers aus Sicherheits-grnden auch zu dessen Endverbraucher.

    3,5-Serial-ATA-Fesplate (Quelle: Asim18/CC BY

    3.0 Wikimedia Commons)

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    stras senfeger | Nr. | Mrz | TAUFRISCH & ANGESAGT K u l t u r t i p p s

    skurril, famosund preiswert!Kulturtipps aus unserer RedaktionZ U S A M M E N S T E L L U N G : R e d a k t i o n

    KUNST

    KUNST FR ALLEDer Knstler, Verleger, Zeitzeuge und Sammler Klaus Staeckentwirft ein Panorama der Kunst nach 1945 und der gesell-schaftspolitischen Geschichte der Bundesrepublik. Wie eineCollage sind in direkter Zusammenschau mehr als 300

    Multiples und Grafiken zu sehen, darunter einige derberhmtesten Objekte der Auflagenkunst, mit der Knstlerwie Joseph Beuys, Hanne Darboven, Daniel Spoerri, WolfVostell und viele andere seit den 1960er Jahren die Regeln desMarktes unterliefen. Postkarten und Plakate zu politischenAktionen, Rauminszenierungen und Material-Tableaus zuden einfallsreichen Initiativen der Selbstorganisation, von deranarchisch ausufernden Intermedia 69 ber alternativeKunstmessen bis zur 3. Bitterfelder Konferenz 1992,dokumentieren die Vernderung der Kunstwelt durch dieKnstler selbst.

    Ausstellung bis 7. JuniAkademie der Knse

    Sudio am HanseaenwegHanseaenweg 1010557 Berlin-Tiergaren

    Ino: www.adk.de KABARETT

    Kling und KnguruMarc-Uwe Kling, lakonisch-prgnan-ter Slammer und Autor, hat einenaufreibenden Revoluzzer zumMitbewohner: ein fortwhrenddiskutierendes Beuteltier. Dies ist dieOffenbarung des Kngurus, demasozialen Netzwerk zu zeigen, was inder Krze geschehen soll; und es hatsie gesandt durch eine E-Mail zuseinem Knecht Marc-Uwe, der bezeugt

    hat das Wort des Kngurus und dasZeugnis vom asozialen Netzwerk, waser gesehen hat. Witzig, jenseits allerGenres und untersttzt von diesemkommunistischen Knguru, kmpftsich Marc-Uwe Kling durch denabsurden Alltag. Und mit totalemErnst trotzt er den Problemen inDeutschland, den kleinen und denpolitischen, die komische Seite ab.

    Am 6. April um 20 Uhrim Groen Haus der VolksbhneKaren: 16,- EUR // ermig 12,- EURVolksbhne am Rosa-Luxemburg-Plaz10178 Berlin

    Liniensrae 227Ino: www.volksbuehne-berlin.de

    MUSIK

    Funny van DannenDreizehn Alben hat Funny van Dannen bisheute verffentlicht. Mit Songs wie AlsWilly Brandt Bundeskanzler war, NanaMouskouri, Freundinnen oderHerzscheisse bewegt sich der Sngerund Liedermacher gekonnt zwischenKomik und Melancholie. Obwohl sichFunny den gngigen Vermarktungsmecha-nismen weitestgehend verweigert und sichals widerwilliger Prominenter bezeich-

    net, schaffen es seine Alben regelmig indie Hitlisten und seine Konzerte fllen dieHallen im deutschsprachigen Raum bisauf den letzten Platz. Nach zweieinhalbJahren Pause erschien im Herbst 2014endlich wieder ein Longplayer mit neuenLiedern. Das Album Geile Welt enthlt17 neue Lieder und wurde, ungewhnlichfr Funny Van Dannen, begleitet vonmehreren Musikern eingespielt.

    Am 27. Mrz und 28. Mrz jeweils 21 UhrSaalbau NeukllnKarl-Marx-Srae 1411204 Berlin 3

    Ino: www.heimahaen-neukoelln.deBild: Funny van Dannen in Wien 2009 (Quelle:CMB/Wikipedia 3.0)

    HELFEN

    Eins mehr!Eins mehr! bietet die Gelegenheit, einen Artikel haltba-

    rer Lebensmittel wie z.B. eine Konserve, eine PackungKaffee oder einen Schoko-Osterhasen mehr in den Einkaufs-wagen zu legen, um diesen dann nach dem Bezahlen denehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vonLAIB und SEELE zu bergeben. Auf dem Kassenzettelmacht sich dieser zustzliche Artikel kaum bemerk-bar. Eins mehr! ist eine Aktion der Berliner Tafel, derKirchen und des rbb. In den 45 Ausgabestellen in Kirchen-gemeinden knnen finanziell schlechter gestellte Berlinerin-nen und Berliner wchentlich eine Lebensmittelunterstt-zung bekommen. Jeden Monat machen davon etwa 48 000Menschen Gebrauch.

    Bis 2. AprilOr: 40 Supermrke viele KAISERS-Filialen und einige Kaufland-,Reichel-, EDEKA- und REWE-Mrke - beeiligen sich innerhalbdes Akionszeiraumes.

    Die vollsndige Lise der eilnehmenden Supermrke, sowiemehr Inormaionen zu Eins mehr! und LAIB und SEELE erhalenSie www.berliner-ael.de/laib-und-seele/helen/spenden odereleonisch im LAIB und SEELE Koordinaionsbro uner der Ru-

    nummer (030) 787 163 52.Ino: www.berliner-ael.de/laib-und-seele

    Bild: Sigmar Polke, Bargeld lach,2002, ( The Esae o Sigmar Polke,Cologne / VG Bild-Kuns, Bonn 2015)

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    VORSCHLAGENSie haben da einen Tipp? Dann

    senden Sie ihn uns an:

    [email protected]

    Je skurriler, amoser und

    preiswerer, deso besser!

    stras senfeger | N r. | Mrz TAUFRISCH & ANGESAGT | K u l t u r t i p p s

    PARTY

    FlittchenbarChristiane Rsinger ldt zur groenFlittchen-Frhlingsgala. Zu Gast

    sind Jakob Dobers (der BerlinerJonathan Richman, auch bekanntals eine Hlfte des Duos SorryGilberto), der Geheimtipp derkommenden Saison IsolationBerlin, sowie Judy, Youre notyourself tonight. Die Schlagzeuge-rin Laura Landergott, die sonstKeyboard bei Ja, Panik spielt, hatsich fr diese Band mit einemWiener Kollegen zusammen getan.

    Am Karfreitag, den 3. AprilKotbusser Damm 7310967 Berlin

    Ino: www.rische-pr.deBild: Chrisiane Rsinger(Foo: Amrei-Marie/Wikipedia 3.0)

    THEATER

    Exorzieren statt ExerzierenDas Wort puriger ist eine Afrikanisierung des franzsischenWorts purger und bedeutet soviel wie entleeren, jemandem einAbfhrmittel geben. Die ivorischen Darsteller im TheaterstckExorzieren statt Exerzieren kennen diese Praktik genau: Manverpasst sich einen Einlauf mit Chilischoten und fhrt alles

    Schwerverdauliche ab. Die Macher wenden das Puriger-Prinzipim bertragenen Sinn an: Was sich im Denken eingenistet undden Krper kontrolliert und deformiert hat, muss raus. Eininternationales Team aus Argentinien, USA, Deutschland undder Elfenbeinkste garantiert den Perspektivwechsel bei derSuche nach den psychisch-physischen Verkettungen. So wird dieargentinische Tnzerin Cecilia Bengolea die straight lineseinflussreicher Choreografen wie Merce Cunningham undYvonne Rainer untersuchen, die ihre Sexualitt im Tanzunsichtbar gemacht haben.

    Premiere am 27. Mrz um 20 Uhr,dann auch am 28. und 29 MrzHAU Hebbel am UerSresemannsr. 2910963 Berlin

    Ino: www.hebbel-am-uer.deFoo: Knu Klaen

    FILM

    MietrebellenGut 330 ffentliche Auffhrungen insgesamt, davon 250

    Kinoauffhrungen bundesweit in 21 Kinos, davon allein 100 imBerliner Moviemento. Zwlf Auffhrungen auf Film- undKunstfestivals, 70 Auffhrungen in wissenschaftlichen Einrich-tungen und politischen Zusammenhngen. Diese Bilanz sprichteine deutliche Sprache: Der Film Mietrebellen von GertrudSchulte Westenberg und Matthias Coers ist ein Kaleidoskop derMieterkmpfe in Berlin gegen die Verdrngung aus den nachbar-schaftlichen Lebenszusammenhngen. Eine Besetzung desBerliner Rathauses, das Camp am Kottbusser Tor, der organi-sierte Widerstand gegen Zwangsrumungen und der Kampf vonRentnern um ihre altersgerechten Wohnungen und eineFreizeitsttte symbolisieren den neuen Aufbruch der urbanenProtestbewegung.

    29. Mrz um 19 Uhr mit dem Autor Armin KuhnLichblick-KinoKasanienallee 7710435 Berlin

    Ino: www.mierebellen.de

    TIERE

    VogelstimmenNur fr Frhaufsteher: Wer dieNatur liebt und vor allem auchVgel, der geht zur Vogelstimmen-fhrung in den Auenbereichenvon Schneiche. Leitung: RainerMachnik / Werner Gruhn Natur-schutzaktiv Schneiche e.V. BitteFernglser mitbringen! Dauer: ca. 2Stunden. Wer in Berlin auf Tourdurch die Natur gehen mchte,findet das NABU-Programm in deraktuellen Ausgabe vom Mitglieder-magazin unter http://issuu.com/cbaden/docs/nib_ausgabe_1_15(ebook).

    29.03.2015 von 7 bis 9 UhrTreffpunk und Verkehrsverb.: Py-ramidenplaz, Tram 88, HaleselleRahnsdorer Srae in 15566 Schnei-che bei Berlin

    Teleonische Voranmeldung uner(030) 64903765, Spenden erbeen!

    Ino: www.nabu.deFoo: Frank Derer

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    srasseneger | Nr. | Mrz TAUFRISCH & ANGESAGT | S o z i a l

    INFO

    hps://broschueren.nordrheinwesalendirek.de/broschuerenservice/saaskanzlei

    gegen nur eine geringe Rolle, so ein - fr dieAutoren berraschender weiterer Befund. Siebetonen aber, dass bei unangemessen hohenWohnkosten der Mieter dennoch ein nicht un-erhebliches Risiko trage: Im Falle des Anwach-sens von Mietschulden habe er keinen Anspruchauf deren bernahme.

    H a u s b e s u c h e s i n d w i r k u n g s v o l l e ra l s B r i e f z u s t e l l u n g e n

    Bei den bestehenden prventiven Hilfeangebo-

    ten bot sich den Wissenschaftlern ein buntesBild an unterschiedlichen Organisationsstruk-turen und Vorgehensweisen. Die Kontaktauf-nahme zu den gefhrdeten Haushalten erfolgtdurch die meisten Prventionsstellen per Brief;Hausbesuche werden nur in rund einem Viertelder Stdte und Gemeinden in NRW regelmigdurchgefhrt. Es zeige sich aber, so die Auto-ren, dass ber die konsequente Durchfhrungaufsuchender Hilfen von Wohnungsverlust be-drohte Haushalte nicht nur nahezu vollstndigerreicht werden knnen, sondern auch, dasssich auf diesem Weg Wohnungslosigkeit hufigvermeiden lsst. Es habe sich aber auch gezeigt,dass hufig ein nicht unerheblicher Teil derbedrohten Wohnverhltnisse ohne Kontakt zuuntersttzenden Stellen bleibe und keine Hilfebei der berwindung der Notsituation erhalte.

    Die Autoren empfehlen, ein prventivesGesamtkonzept zu entwickeln. Eine Koordi-nation zwischen den beteiligten Akteuren solleangestrebt, insbesondere auch die Wohnungs-wirtschaft mit einbezogen werden. In Bezug aufdie Informationsweitergabe zwischen den betei-ligten Akteuren zeigte sich, dass die fr Prven-tion zustndigen Stellen nur bei etwas wenigerals der Hlfte der Flle frhzeitig Kenntnis vonbedrohten Wohnverhltnissen erhielten. In derMehrheit der Flle bekamen sie Kenntnis erstdurch die gesetzlich vorgeschriebene Mitteilung

    durch Amtsgericht bzw. Gerichtsvollzieher.Zudem geben die drei Wissenschaftler denRat, entsprechend den Vorschlgen des Deut-schen Stdtetages das Konzept der sogenanntenFachstelle zur Behebung und Vermeidung vonWohnungslosigkeit weiter auszubauen. Es siehtdie Bndelung aller relevanten Zustndigkeitenund Kompetenzen in der Fachstelle vor. Dabeisollten, so die Autoren, die Fachstellen mit derKompetenz ausgestattet werden, Mietschuldenzu bernehmen. Denn die Ergebnisse ihrer Un-tersuchung htten gezeigt, dass eine adquateBearbeitung von bedrohten Wohnverhltnissenmit den Bearbeitungsstrukturen in den Jobcen-tern oftmals nicht zu vereinbaren ist.

    Mitautor Volker Busch-Geertsema stellt he-raus, dass Prvention in NRW ja bereits funk-tioniere. Ohne die prventiven Aktivitten der

    Kommunen gbe es deutlich mehr Wohnungs-lose in Nordrhein-Westfalen. Durch weiterenAusbau und Verbesserung der Prvention lieesich die Zahl der Wohnungslosen aber trotz wid-riger Bedingungen am Wohnungsmarkt nochweiter verringern, so Busch-Geertsema. Das indie Tat umzusetzen sei erklrtes Ziel der Lan-desregierung in Dsseldorf.

    Was Berlin angeht, so erkennt der Se-nat Prvention als Mittel zur Bekmpfung vonWohnungslosigkeit an: In den Leitlinien zurWohnungslosenpolitik, die bereits im Jahr 1999

    formuliert wurden, heit es, die Prvention vonWohnungsverlust sei immer noch die wirk-samste und auf Dauer kostengnstigste allerManahmen. Jedoch konterkarieren steigendeWohnungslosenzahlen in Berlin diese Bekenntnis.Wissenschaftler der Humboldt-Universitt arbei-ten derzeit an einer Studie zum Thema Zwangs-rumungen in Berlin. Die Verffentlichung derErgebnisse ihrer Studie haben die Forscher fr dasFrhjahr angekndigt. Man darf gespannt sein.

    Gue Miene zum Leben uner der Brcke (Foo: Juta Herms)

    Meldungen ber bedrohe Wohnverhlnisse gehen

    hufig ers sp bei Prvenionssellen ein

    (Foo: Andreas Dllick VG Bild-Kuns)

    Besser is es, die Wohnung gar nich ers zu verlieren

    (Foo: Juta Herms)

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    stras senfeger | Nr. | Mrz | TAUFRISCH & ANGESAGT S p o r t

    Ich bin ein Berliner,

    ein HerthanerPal Dardai tut Hertha BSC richtig gut!B E R I C H T : A n d r e a s D l l i c k

    Ich habe auch ein wenig deutsche Mentalitt mit meinerSturkpfigkeit. Ich habe Ziele, die ich erreichen will,und meistens schaffe ich das. Ich bin ehrlich, ich habeVisionen. Und die Mannschaft hat das auch. Und mitdieser, meiner Mannschaft werde ich das schaffen. Na-

    trlich brauche ich Geduld, brauche ich die Fans. Aber ichwerde unsere Fans hinter mir haben, weil sie wissen, dass ich

    hier immer gearbeitet habe fr diesen Verein. Ich bin ein Ber-liner, ein Herthaner, habe blau-weies Blut und ein ungari-sches Herz. Das waren die Worte von Pal Dardai nach seinerErnennung zum Chefcoach von Hertha BSC am 5. Februardieses Jahres. Zuvor war Jos Luhukay, fr den ich und vieleandere fuballbegeisterte Menschen in der Stadt allergrtenRespekt hegen, wegen anhaltender Erfolglosigkeit entlassenworden. Irgendwann passte es nicht mehr mit der Herthaund dem akribischen Fuballlehrer Luhukay. Die Chemiestimmte einfach nicht mehr.

    Pal Dardai, 38, ist Rekordspieler von Hertha BSC. Er spieltezwischen 1997 und 2011 genau 297 Mal fr die Berliner (286Bundesliga- und elf Zweitligaspiele). Er traf 17 Mal fr Berlin.Auch nach seiner Verabschiedung blieb er Berlin treu und ar-beitete als U15-Trainer. Im Dezember 2014 bernahm er die

    ungarische Nationalmannschaft als Chefcoach, die er zuvorals Interimstrainer gefhrt hatte.

    Dieser Mann ist wie gemacht fr die Hertha. Dafr sprichtseine unfassbare Bilanz als Spieler bei Hertha. Dafr sprichtaber auch sein Feuer, seine Leidenschaft, seine Begeisterung,sein Siegeswillen. Das erwartet man von einem Trainer: Dasser brennt fr seinen Sport, fr sein Team. Dardai hat seit sei-nem Amtsantritt eine Aufbruchsstimmung bei den Berlinernentfacht, die ihresgleichen sucht. Aus einem verunsichertenHaufen hochbezahlter, aber unambitionierter Fuballprofishat Dardai ein engagiertes Team gemacht, in dem (fast) jederfr jeden kmpft, in dem einfach (fast) alle Spieler Charakterbeweisen und das tun, was sie eigentlich am besten knnensollten: attraktiven und erfolgreichen Fuball spielen. Pal

    Dardai reit alle mit durch sein Feuer, durch seine Unbekm-mertheit, durch seinen Humor. Er ist schlichtweg das Vorbild,an dem sich seine Spieler orientieren knnen und mssen.Schn wre es, wenn sich auch der Manager und der Prsidentdes Vereins davon eine Scheibe abschneiden knnten. Wennes endlich gelnge, wieder eine Aufbruchsstimmung, eine kol-lektive Euphorie, eine Begeisterung fr diesen Verein in derStadt zu entfachen, dann wre mir und meinen Kollegen undden unzhligen Hertha-Fans nicht bange um den Verein. Unddas wunderbare Olympiastadion wre immer ausverkauft!

    Pal Dardai ist zwar noch Fuballtrainer in der Ausbildung. Erhatte aber von Anfang an einen Plan. Er hat schnell erkannt,woran es seinen Spielern fehlte. Sie waren zwar generell fit.Aber in den entscheidenden Situationen, da wo es auf jedenMillimeter Geschwindigkeitsvorteil oder Entscheidungsfreu-digkeit ankommt, haperte es. Und: Fast alle Mannschaften derLiga legten mehr Meter auf dem Rasen zurck als die Berliner.

    Genau da hat Dardai angesetzt im Training. Er hatte keineZeit, alles grundlegend in Frage zu stellen und zu ndern. Erhat es sukzessive getan. Seine Marschroute hat er so beschrie-ben: Erst haben wir an der Spritzigkeit und Laufbereitschaftgearbeitet, dann am Offensivspiel. Nun folgt etwas fr denKopf, nun werden taktische Sachen trainiert.

    Die Bilanz von Dardai: Mainz - Hertha 0:2, Hertha - Freiburg0:2, Wolfsburg Hertha 2:1, Hertha Augsburg 1:0, Stutt-gart Hertha 0 - 0 und Hertha Schalke 2:2. Sechs Spiele,zwei Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen. Macht

    acht Pluspunkte. Mit etwas mehr Cleverness htten es gegenSchalke ein Sieg sein mssen. In der 90. Minute fhrte seinTeam noch 2:1 im heimischen Olympiastadion, ehe ein dum-mer Aufmerksamkeitsfehler zum unverdienten Ausgleich frdie Gste fhrte. Dardai rgert sich ber so etwas sehr, aber ervertraut seinen Spielern trotzdem. Ich brauche Spieler ohneHemmungen, Spieler, die frei sind. Sie knnen mit mir spre-chen, sogar diskutieren. Am Ende entscheide ich. Ich habe jaauch die Verantwortung. Aber wir haben alle ein Ziel: Herthasoll wieder oben mitspielen und nicht mehr unten.

    Manager Michael Preetz sagte bei der Vorstellung von Dardai:Wir glauben, dass wir einen Impuls von auen setzen muss-ten. Deshalb haben wir uns zu diesem Schritt entschieden. Ichbin total von Pals Qualitten berzeugt. Er war als Spieler einharter Hund und steht fr diesen Verein. Das stimmt. Unddeshalb darf dieser Mann auch nicht scheitern. Darauf einHa-Ho-He, Hertha BSC!

    Herha-Trainer Pal Dardai whrend des Spiels Herha BSC gegen FC Schalke 04

    (Foo Ciy-Press GbR)

  • 7/21/2019 Kunst Fr Alle - Ausgabe 6/2015 des strassenfeger

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    stras senfeger | N r. | Mrz TAUFRISCH & ANGESAGT | S p o r t

    Jubeln ja, aber!!!Fchse Berlin in den FinalFours der EHF und des deutschen PokalwettbewerbsB E R I C H T & F O T O S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    Das Gute vorweg: Die Handballer derFchse Berlin haben sich sowohl frdas Vierer-Turnier des EHF-Pokals inder Max-Schmeling-Halle (16./17.

    Mai) als auch fr das FinalFour im deutschenPokal qualifiziert. Das ist wirklich toll, knntendie Fchse 2015 im heimischen Fuchsbauzum ersten Mal einen internationalen Titel holenoder aber in Hamburg den Pokalsieg vom ver-gangenen Jahr wiederholen. Das freut die Fans,die sportliche Leitung des Vereins und natrlich

    auch die Spieler.Nun zum Unangenehmen: Das, was die Fans,Trainer, Manager und Journalisten am 15. Mrzbeim Spiel gegen den FC Porto im Fuchsbauerlebt haben, versetzte alle in Fassungslosigkeit.Die Fchse schafften es, in der ersten Halbzeitvor 6 316 Zuschauern gerade einmal sieben (7!)Tore zu werfen. Und das gegen einen Gegner, der bei allem Respekt gerade mal das Niveau einerZweitligamannschaft hatte. Der Angriff der Ber-liner versagte auf ganzer Linie, niemand trautesich, Wrfe zu nehmen, und wenn, dann wurdensie klglich vergeben. Dazu kam, dass keinerleiSystem zu erkennen war. Anspiele an den Kreisoder auf die Auenposititionen Fehlanzeige.

    Im Minutentakt wurde es peinlicher. Die techni-schen Fehler und Missverstndnisse huften sich,die Berliner trafen einfach das Tor gar nicht mehroder scheiterten mit schlechten Wrfen am gutenGste-Torwart. In den letzten zwlf Minuten derersten Halbzeit erzielten die Hausherren keineneinzigen Treffer! Insbesondere Petr Nenadic undKonstantin Igropulo, die die Fchse zu Saison-ende verlassen, waren ber das gesamte Spielhinweg Totalausflle. Einzig Torwart Petr Stochlbewies einmal mehr seine Extraklasse und ret-tete sein Team. Mit einem 7:8-Rckstand ginges in die Kabine. Die Zuschauer machten ihremUnmut Luft und pfiffen und buhten die eigeneMannschaft gnadenlos aus.

    In der Pause sei es in der Kabine sehr laut ge-wesen, berichtete Fchse-Coach Dagur Sigurds-son nach dem Spiel auf Nachfrage. Ein sichtlichbedienter und ratloser Trainer kritisierte seinzeitweise desolates Team diesmal schonungslos:Eigentlich sollte ich mich freuen. Wir haben dasFinalFour erreicht, etwas Groes geschafft. Dochich bin sehr enttuscht. Vor der Pause war es dieschlechteste Halbzeit, die ich in dieser Saisonvon meinem Team gesehen habe. Das war unter-irdisch. Das ist nicht zu akzeptieren. Wir mssenuns bei den Fans und dem ganzen Verein fr dieerste Halbzeit entschuldigen. Ich bin verantwort-lich dafr, und es tut mir sehr weh. Schon beider deftigen 18:32-Auswrtsniederlage in derBundesliga gegen den bermchtigen THW Kielwar die Chancenverw